Boxenstopp mit Vario

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Boxenstopp mit Vario
Unternehmen & Märkte
Variotechnik ändert Servicewelt |
Das stufenlose Getriebe von
Fendt hat nicht nur den Getriebebau revolutioniert, sondern
setzt auch im Servicebereich
Maßstäbe. AGRARTECHNIK hat
sich bei Fendt und BayWa erkundigt, warum.
Boxenstopp mit Vario
O
Triebsatzwechsel in Rekordzeit
Wenn die Vorbereitungen mit umfangreichen Analysen und Prüfungen durchgeführt sind, ist es für einen geschulten
Monteur möglich, in gut fünf Stunden einen Vario-Triebsatz aus einem Traktor in
Standardausführung komplett auszubauen (siehe Seite 22). Diese Montagezeiten erinnern schon fast an einen Boxenstopp wie in der Formel 1. „Für die
Überholung eines herkömmlichen Getriebes steht der Traktor etwa eine Woche“,
sagt Gerhard Knorr. Er ist Leiter der
BayWa-Werkstatt im unterfränkischen
Giebelstadt. „Ein Fendt-Vario ist im Normalfall nach drei Tagen wieder auf dem
Acker.“ Außerdem sei der Tausch deutlich
günstiger. „In manchen Fällen kann dies
bis zu 50 Prozent ausmachen“, weiß
20
Knorr. Bevor das Schrauben beginnt, ist es
zuerst notwendig, eine genaue Fehleranalyse durchzuführen. Hier ist der Notebook
nicht mehr wegzudenken. Mit dessen
Hilfe lässt sich ein Prüfprotokoll erstellen,
das Aufschluss über die jeweiligen Öldrücke und somit über den Zustand des Getriebes liefert.
„Diese Art der Getriebeüberprüfung bietet
noch weitere Vorteile“, erklärt Oskar Thorwart, Fachkraft Service für die Spartenregion Franken der BayWa. „Bei der Beurtei-
lung von Gebrauchtfahrzeugen sind wir
so auf der sicheren Seite und können guten Gewissens die notwendige Gewährleis­
tung übernehmen.“ Heute höre man
einem Getriebe nicht mehr an, ob es defekt sei oder nicht. So sei dies die einzige
Möglichkeit der Beurteilung. Natürlich sei
es eine gravierende Änderung im Werkstattalltag gewesen. Aber: „Wir sind mit
der Technik gewachsen und in der Lage,
Probleme schnell zu erkennen“, ist Thorwart überzeugt.
Fotos: Masur (3), Pfänder (7)
pas, die trotz Hüft- und Knieprob­
lemen nicht mehr vom Traktor
steigen wollen, Landfrauen, die
sich auf die nächste Fahrerschulung freuen und Lohnunternehmen, die ihre Reparaturausgaben schon vorher genau kennen – das komfortable Vario-Getriebe von
Fendt verändert alles. Aber es war nicht
nur der Fahrspaß und die Kalkulationssicherheit, die mit den stufenlosen Getrieben Einzug hielten. In der Servicewelt hat
die neue Technik Meilensteine gesetzt.
Vorbei sind die Zeiten abgenutzter Synchronringe oder verbrannter Kupplungsscheiben, die eine zeitaufwendige und teuere Reparatur mit sich brachten. Austausch
heißt das Zauberwort im Vario-Zeitalter.
Vom Servicevorteil des Vario-Getriebes überzeugt sind: (v.l.) BayWa Produktmanager Service, Joachim Reisinger; BayWa Fachkraft Service, Region Franken, Oskar Thorwart; BayWa Werkstattleiter in Giebelstadt Gerhard Knorr; Reiner Schatz BayWa Regionalleiter Region Franken Süd-West; Fendt Vertriebsleiter Deutsch­land
Süd, Manfred Pröbstle und Günter Schuster, BayWa-Spartengeschäftsführer Technik Region Franken.
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Vorbeugen zunehmend wichtiger
Mit dem Vario-Getriebe haben sich auch
die Kunden und deren Einstellungen geändert. Reparaturen werden heute oft
vorbeugend durchgeführt. So steht der
Traktor zuverlässig zur Verfügung, wenn
er gebraucht wird. Mit dem Star-Service,
einem Wartungsvertrag, sichern sich immer mehr Kunden ab. Hier ist der
BayWa-Standort Giebelstadt, der übrigens Bundes- und Landessieger Bayern
beim Shell-Service-Award 2005 wurde, in
Deutschland führend bei den Abschlusszahlen. „Es gibt kaum noch Kunden, die
ein Neufahrzeug ohne Servicevertrag
kaufen“, erklärt Rainer Schatz. Er ist Regionalleiter für Franken Süd-West. „Die
Traktorgröße spielt dabei keine Rolle.“
Mittlerweile bestünden die Kunden
selbst auf die Wartungsvereinbarung.
Denn für die Fahrzeugbetreiber werden
so die Kosten für den Service schon vorher voll kalkulierbar. Dies ist besonders
Lohnunternehmen wichtig, die ihre Kosten genau kennen müssen. Aber auch
Landwirte werden immer professioneller
und wollen ihre Produktionszahlen im
Griff haben.
Vor dem Triebsatzwechsel steht die Anfertigung eines umfangreichen Prüfprotokolles an.
So lassen sich mögliche Defekte eingrenzen
und gezielt beheben.
Mit Service punkten
„Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind,
bescheinigen uns schon seit einigen Jahren
unabhängige Umfrageanalysen, bei denen
Fendt immer an der Spitze steht,“ ergänzt
Günter Schuster, BayWa-Spartengeschäftsführer Technik für die Region Franken. Dieses
Vertrauen komme nicht von ungefähr. Ein
hoher Qualifizierungsgrad aller Mitarbeiter
sei heute gefragt, um einen erstklassigen Service zu bieten. Dazu gehört auch eine Hotline, die 24 Stunden, 365 Tage im Jahr besetzt
ist. Darüber hinaus bietet AGCO als einziges
Unternehmen seinen Händlern einen Ersatzteildienst, der ebenfalls rund um die Uhr das
ganze Jahr über erreichbar ist. Zusätzlich profitiert der Standort Giebelstadt von der Nähe
zum BayWa-Zentralersatzteillager in
Schweinfurt. Dringend benötigte Teile können dort schon abgeholt werden, wenn am
Traktor noch geschraubt wird. Die BayWa
legt besonderen Wert auf die Fortbildung der
Monteure. „Ein Geselle ist bei uns bis zu zehn
Tage pro Jahr zur Schulung“, sagt Schuster.
„So stellen wir das Know-how unserer Mitarbeiter an den 50 Werkstätten der Spartenregion Franken sicher.“
Für die Basisausbildung hat die BayWa ein eigenes Schulungskonzept aufgebaut, das
Fendt als vorbildlich bezeichnet. Erfahrene
Meister und Servicetechniker unterrichten
hierbei ihre Kollegen aus verschiedenen
Standorten.
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Günter Schuster hat keine Probleme, geeignete Auszubildende zu finden. Dabei spiele
weniger der Schulabschluss die entscheidende Rolle, vielmehr sei ein gutes technisches Verständnis die Grundvoraussetzung bei der Auswahl der Lehrlinge. Dieses
bringen die 32, in diesem Jahr in der Region Franken eingestellten Auszubildenden, mit. „Um den geburtenschwachen
Jahrgängen vorzubeugen, versuchen wir
möglichst alle unsere Auszubildenden
nach der Lehre zu übernehmen,“ beteuert
der Spartengeschäftsführer. Derzeit seien es
gut 80 Prozent. Angestrebt sei eine fast
100-prozentige Quote. Denn das Vermitteln von Spezialwissen komme erst nach
der Lehre.
Musterknabe BayWa
„Dank unseres guten Service und des hohen
Marktanteils von Fendt boomen unsere
Werkstätten richtig“, sagt Joachim Reisinger,
Produktmanager technischer Service bei der
BayWa. „Einen umfassenden Service kann
heute nur noch eine Fachwerkstatt mit der
richtigen Werkzeugausrüstung leisten.“ Dabei ist er überzeugt, dass sich der Dienst am
Kunden noch weiter ändern wird. Als Beispiel nennt er Melkroboter, bei denen eine
vorbeugende Wartung selbstverständlich
sei, denn ein längerer Ausfall hätte katastrophale Folgen. In der Baumaschinentechnik
sei es zum Teil schon so, dass bei anstehenden Kundendienstarbeiten die Werkstatt automatisch benachrichtigt werde. So etwas
kann er sich auch für die Landtechnik der
Zukunft vorstellen.
Als Musterknabe bezeichnet Manfred
Pröbstle die BayWa. In Süddeutschland ist er
als Vertriebsleiter für die Produkte von Fendt
zuständig. „Die Werkstätten werden von
uns mit Service-Sternen ausgezeichnet.“ Die
Anforderungen steigen in jeder Stufe und
bewerten unter anderem den Schulungsstand der Mitarbeiter, die Ausstattung mit
Spezialwerkzeugen, die Erreichbarkeit und
die Versorgung mit Ersatzteilen. „Im letzten
Jahr hatten wir in unserem Gebiet 23
BayWa-Werkstätten mit drei Sternen, welche die Auszeichnung für Service und Vertrieb erhielten. Jetzt sind es bereits 47 Standorte“, freut sich Pröbstle. Aber damit sei
noch lange nicht Schluss, denn schnelle
und umfassende Hilfe sei wichtig für die
Kunden, deren Ansprüche gestiegen sind.
Am Anfang gab es vereinzelt Probleme mit
inneren Undichtheiten am Vario-Getriebe.
Grund waren meist Verschmutzungen wegen fehlender Wartung. Dank der guten
und offene Kommunikation und der kurzen
Dienstwege zu Fendt gehören diese Prob­
leme laut Oskar Thorwart aber der Vergangenheit an. Der Wissens­
transfer läuft in
beide Richtungen. So profitiert auch der
Hersteller von den Erfahrungen aus der Praxis. Hinzu kommt, dass alle Triebsätze zurück ins Werk geschickt und überprüft werden, wodurch ein hohes Know-how
gesammelt wird. Getriebe mit über 20 000
Einsatzstunden seien ein Beweis für die
Qualität und Zuverlässigkeit der Vario­
technik.
(fm)
Vorbei sind die Zeiten von aufwändigen Getriebereparaturen. Mit entsprechenden Vorbereitungen
und vorab Prüfungen ist ein Variotriebsatz wie im Fendt 716 in rund fünf Stunden ausgebaut.
8.00 Uhr
Die Kabine wird zum Kippen vorbereitet. Zuerst sind zwei Hilfsbügel anzuschrauben. Die
elektrischen Steckverbindungen sind in zwei
Minuten komplett gelöst.
10.00 Uhr
Dank der Flanschplatte lassen sich die Hydraulikleitungen in einem abnehmen. Dann
zwei Bolzen ziehen und die Zylinder vom
Hubgestänge trennen.
22
8.30 Uhr
Jetzt die Hinterräder abbauen und den Traktorrumpf sicher abstützen. Anschließend
wird das Hebeseil mit zwei Schäkeln an der
Kabine eingehängt.
12.00 Uhr
24 Schrauben lösen und Getriebedeckel samt
liegendem Hubzylinder wegheben. Jetzt einfach die Wellen des Getriebes vom Motor
kommend und zur Zapfwelle hin trennen.
9.00 Uhr
Als nächstes werden die vier Steckbolzen an
jedem Lagerpunkt der Kabine gezogen. Anschließend das Fahrerhaus per Kran anheben
und mit zwei Streben abstützen.
13.00 Uhr
Ölleitungen und -steuerblöcke sowie die beiden
Tragewellen an der Seite müssen noch entfernt
werden und man kann den Triebsatz komplett
nach oben herausnehmen.
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