Mit Schuss durchs Wohnzimmer

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Mit Schuss durchs Wohnzimmer
TEST
Mit Schuss durchs Wohnzimmer
Laufräder ermöglichen Kindern den besten Start ins Veloleben. Damit erlernen
und erleben die Kleinen das Gefühl vom Dahingleiten auf zwei Rädern auf einfache
Weise. velojournal hat zusammen mit «Kassensturz» zehn Laufräder getestet.
Marius Graber (Text),
Marcel Kaufmann (Fotos)
20 | 2/2011 velojournal
Es ist faszinierend, wie Kinder mit etwas Übung
auf ihren Laufrädern umherflitzen und sich über
das mühelose Vorankommen freuen. Mit dem
Laufrad schulen die zwei- bis vierjährigen Kinder
spielerisch ihr Gleichgewicht und erlernen mühe­
los das Fahren auf zwei Rädern. Steigen sie später
auf das Velo um, brauchen sie keine Stützräder
mehr und können innert Kürze losfahren. Doch
auch die Eltern werden sich über die frohe Fahrt
ihrer Sprösslinge freuen: Mit dem Laufrad kom­
men die Kinder auch auf längere Spaziergänge
mit, je nach Gewandtheit des Kindes kann es für
die Eltern dabei sogar recht sportlich werden.
velojournal hat zehn in der Schweiz viel verkaufte
Modelle getestet – mit Kindern zwischen zwei und
vier Jahren. Deren Eltern beurteilten, wie gut ihre
Sprösslinge mit den verschiedenen Laufrädern fah­
ren, lenken und bremsen können und wie einfach
sich die Modelle über eine Stufe heben lassen. Be­
wertet wurde auch die Sitzhaltung. Beim Kriterium
Ergonomie wurden die Sattel- und Lenkerhöhe
und deren Verstellbereich sowie Sattel-Lenker-Ab­
stand, Lenkerbreite und das Gewicht bewertet.
Um eine Aussage über die Fahrzeugqualität ma­
chen zu können, unterzog velojournal die Laufrä­
der einem 15-Punkte-Prüfprogramm, bei welchem
Die Qual der Wahl:
Gian möchte am liebsten
acht Laufräder nach
Hause nehmen.
unter anderem die Pannenfestigkeit und der Rund­
lauf der Räder, die Qualität der Radlager, die
Lackqualität und die Spurgenauigkeit ausgemessen
wurden. Ein Experte der BfU beurteilte die Velos
bezüglich Sicherheit. Im Handling wurde zusam­
mengefasst, wie leicht sich der Sattel in der Höhe
verstellen lässt, ob man die Räder problemlos
pumpen kann und wie bequem die Modelle für El­
tern zu tragen sind, wenn die Kinder mal nicht
mehr fahren wollen.
Im Praxistest zeigten die Kinder grosse Lust, mit
all den verschiedenen Modellen umherzuflitzen,
und bald schon gab es die ersten Resultate: Vera
fand den Sattel des Eichhorn-Laufrades «mega
unbequem» und war damit nicht allein. Bei der
zweijährigen Zoë zeigte sich das Kettler beim
Übersteigen der Stufe widerspenstig. Auch der
hohe Lenker des «Early Rider» erschwert den
Kindern das Überwinden des Trittes. Der Lenker
sieht zwar cool aus, zwingt die Kleinen aber zu
einer unergonomischen Sitzhaltung.
Die älteren Testpilotinnen nahmen auch die vier
Handbremsen gründlich ins Visier: Bei den beiden
JD-Bug-Modellen waren die Bremshebel schlecht
zu greifen, und es ist relativ viel Kraft nötig. Beim
«Cruiser» von Jako-o streifte die Bremse dau­
TIPPS ZUM LAUFRADKAUF
Alter: Meist beginnen die Kinder mit zwei bis zweieinhalb Jahren mit dem Laufrad-Fahren und nutzen das Rad
oft, bis sie vier oder fünf Jahre alt sind.
Grösse: Nehmen Sie Ihr Kind mit zum Kauf. Das Kind
sollte, im Sattel sitzend, mit den flachen Füssen auf den
Boden kommen. Da die Kleinen das Laufrad meist rund
zwei Jahre lang nutzen, lohnt es sich, auf einen grossen
Verstellbereich des Sattels zu achten. Ist der Lenker
auch verstellbar, kann die Sitzposition noch besser angepasst werden. Puky, «Like a Bike» und Early-Rider bieten sogar eine Modellauswahl in verschiedenen Grössen.
Bremse: Die Kinder bremsen mit den Füssen. Eine Handbremse dient vor allem als Vorbereitung auf das Kindervelo. Allerdings gibt es nur wenige gut bedienbare Handbremsen für Kinder. Im Zweifel besser keine als eine
schlechte Handbremse.
Lenkeinschlag-Begrenzung: Ausser dem Puky und dem
Jako-o verfügen alle Velos im Test über eine Lenkeinschlagbegrenzung. Diese hilft vor allem bei den ersten
Fahrversuchen, weil das Vorderrad dadurch nicht zu stark
einlenken kann. Ein frei drehbarer Lenker hat den Vorteil, dass sich Kinder bei einem Sturz am Lenker weniger
verletzen können. Das EarlyRider verfügt als einziges
über eine zuschaltbare Lenkeinschlagsbegrenzung.
Bereifung: Mit einer Kunststoffbereifung braucht man
sich nicht vor einem Platten zu fürchten, diese Räder rollen aber auch deutlich weniger leicht als Luftreifen. Die
Reifenqualität der meisten Laufräder ist zwar nicht top,
aufgrund des geringen Körpergewichts der Kinder sind
Platten aber dennoch eher selten.
Handgriffe: Handgriffe mit grossen Endkappen schützen
die Kinder bei Stürzen, verhindern das Abrutschen der
Hände und erleichtern den Eltern das Tragen des Laufrads.
Holz oder Metall: Als Rahmenmaterial kommt beides
infrage: Mit Holz können sehr leichte Laufräder gebaut
werden, eine Sattelhöhenverstellung funktioniert aber
meist nur in fixen Abständen. Rahmen aus Stahl oder Aluminium lassen einfach verstellbare Sattelstützen und
Bremsen zu, können aber das Laufrad unnötig schwer
machen.
Qualität: Qualitativ gute Laufräder können von mehreren
Kindern benutzt werden. So kann sich ein höherer
Anschaffungspreis sogar auszahlen. Einige der preisgüns­
tigen Laufräder im Test wackelten schon zu Beginn so
stark, dass absehbar ist, dass sie kaum mehr als ein Kind
überstehen werden.
TEST
Grosse Unterschiede gibt es auch bei der Fahr­
zeugqualität: Während man bei einigen Laufrä­
dern sieht, dass diese robust genug sind, um pro­
blemlos mehrere Kinder auszuhalten, finden sich
bei vielen Modellen unrund laufende Räder, ei­
ernde Reifen, wackelnde Radlager, Steuerlager
mit Spiel. Obwohl sich die Kinder beim Praxistest
daran nicht störten, lässt sich erahnen, dass diese
Velos schnell ausleiern und dann keinen Spass
mehr machen. Dies zeichnete sich schon am Ende
des zweiten Testmorgens ab: So liess sich zum Bei­
spiel die Sattelklemmschraube des «Cruiser»
nicht mehr richtig festziehen, beim «My first
bike» gab es bereits verbogene Schrauben, und ei­
nige Modelle zeigten auch schon Lackschäden.
Das Urteil der TestfahrerInnen
Die Meinungen der Kinder waren nach zwei TestVormittagen gemacht: Am meisten «Smilies» gab
es für das Modell JD Bug «Trainer», wohl, weil es
wie ein schneller Töff aussieht. Gut benotet wur­
den auch Puky und «Like a Bike». Die meisten
«Lätsch»-Noten wurden an «My first bike» und
LAUFRAD-TEST 2011
Produkt
Puky «LR1 Br L»
Kokua «Like a Bike» MTB
Twister-Holzlaufrad «Wooden
Training Bike»
Kettler «Speedy 10"»
Preis
169 Franken
295 Franken
99 Franken
59.95 Franken
Ausstattung
Stahlrahmen, 12-Zoll-Räder,
Luftreifen, Ständer, Hinterradbremse, gepolsterter
Kunststoffsattel, Sattelhöhe
von 350 bis 455 mm stufenlos
verstellbar, Lenker 80 mm in
der Höhe verstellbar, 5,2 Kilo
Holzrahmen, 12-Zoll-Räder,
Luftreifen, gepolsterter Holzsattel, Sattelhöhe von 330 bis
423 mm in vier Stufen verstellbar, 3,7 Kilo
Holzrahmen, 12-Zoll-Räder,
Luftreifen, Lenkertasche,
Signalfähnchen, gepolsterter
Holzsattel, Sattelhöhe von
375 bis 405 mm in drei Stufen verstellbar, 4,2 Kilo
Stahlrahmen, 10-Zoll-Räder,
Kunststoffbereifung, gepolsterter Kunststoffsattel, Sattelhöhe von 340 bis 445 mm
stufenlos verstellbar, 3,2 Kilo
Kommentar
Verdienter Testsieger: Gute
Verstellbarkeit, gute Qualität,
nur leider etwas schwer. Die
einzige funktionierende
Handbremse im Test. Velojournal-Tipp: Das Puky gibt
es auch ohne Handbremse.
Das Original, in vielen Belangen noch immer unerreicht.
Die dünnen Lenkerenden sind
allerdings ein Sicherheitsrisiko. Velojournal-Tipp: Handgriffe dazukaufen.
Bestes Resultat im Praxistest: Bezüglich Fahrverhalten
und Ergonomie gut gemacht,
allerdings nur sehr geringer
und anstrengendes Verstellen
des Sattels möglich.
Günstig und gut: Kettler
weiss, wie man ein gutes
Laufrad zu einem günstigen
Preis anbietet. Der Sattel ist
gut höhenverstellbar, aber
etwas gross geraten.
Erhältlich bei
Spielwaren- und Velofachhandel
Spielwaren- und Velofachhandel
Athleticum. Praktisch identisches Modell auch im Coop
Bau und Hobby erhältlich.
Toys R Us
Info
052 343 88 80
www.puky.ch
XtraMobil
044 867 15 25
www.likeabike.ch
Athleticum
041 914 95 00
www.athleticum.ch
Toys R Us
041 455 09 09
www.kettler.de
Fahren/Lenken/Bremsen (30%)
Ergonomie/Verstellbarkeit (30%)
Fahrzeugqualität (20%)
Sicherheit (10%)
Handling (10%)
Gesamtnote
Bewertung:
= sehr gut
= gut
= genügend
= mit Mängeln
= schlecht
22 | 2/2011 velojournal
Fotos: Marcel Kaufmann
ernd, trotzdem vermochten die Kinder das Rad
nicht mit der Bremse zum Stehen zu bringen. Ein­
zig die Puky-Bremse war von den Kindern wirklich
gut zu bedienen. Der vierjährige Valentin mochte
zum «Nanny» von JD Bug keinen Kommentar ab­
geben: Weiss-rosa und mit Blumenmuster, kam es
für ihn nicht mal für eine kurze Runde infrage.
Im Test zeigte sich, wie wichtig ein grosser Ver­
stellbereich ist: Während für die Jüngsten der Sat­
tel oft nicht tief genug gestellt werden konnte,
waren die Älteren bei den meisten Modellen im
«Kniegang» unterwegs. Ein grosser Verstellbe­
reich erweitert die Nutzungsdauer dieser Flitzer.
Eigentlich unverständlich, dass Laufräder ohne
oder mit nur sehr geringer Sattelhöhenverstellung
überhaupt produziert werden.
Wenig Verständnis hatte Robert Nyffenegger, Si­
cherheitsexperte bei der BfU, für die dünnen Len­
kerenden. Während der Sicherheitsstandard der
Laufräder im Allgemeinen gut ist, können sich die
Kinder bei einem Sturz an den dünnen Lenkerab­
schlüssen des «Like a Bike» und des JD Bug
«Trainer» verletzen.
Wer auf dem Laufrad
gelernt hat, fährt später
ohne Stützräder Velo.
an den Jako-o «Cruiser» verteilt. Wobei es durch­
aus auch individuelle Unterschiede gab: Für Ni­
cola kam eigentlich nur der «Laufradtöff» von JD
Bug in die Kränze. Mit seiner Körpergrösse passte
er ihm wie angegossen. Die dreijährige Selina
hätte alle Modelle genommen, ausser just diesem
«Töff» und dem Modell von Kettler. Mit den klei­
nen Rädern fand sie es «nicht so cool».
Der vierjährige Gian machte zwar schon von An­
fang an klar, dass er die «richtigen Velos» viel
besser finde, hätte dennoch am liebsten gleich
acht der zehn Laufräder mit nach Hause genom­
men. Keine Chance hatte bei ihm das «My first
bike», das fand er «doof», und der «Early Rider»
gefiel ihm irgendwie nicht. Dieses Modell hätte
wiederum seinem Vater am besten gefallen, weil
es toll aussieht, während die Mutter aufgrund der
Sitzhaltung das «Twister» ins Auge fasste. Gians
zweijährige Schwester hatte das «Like a Bike» fa­
vorisiert, weil es das Einzige war, bei welchem sie
mit den Füssen einigermassen bis zum Boden
kam. Wie so oft, sind sich auch bei den Laufrä­
dern die «Experten» nicht ganz einig. n
JD Bug «Nanny»
Avico «Wooden Walker
Bike»
Early Rider «Classic»
JD Bug «Trainer»
Eichhorn «My first bike»
Jako-o «Laufrad Cruiser»
99.90 Franken
69.95 Franken
289 Franken
99 Franken
99.90 Franken
93 Franken
Aluminiumrahmen, 12-ZollRäder, Luftbereifung, Hinterradbremse, gepolsterter
Kunststoffsattel, Sattelhöhe
von 370 bis 400 mm stufenlos verstellbar, 3,2 Kilo
Holzrahmen, 12-ZollRäder, Kunststoffbereifung,
gepolsterter Holzsattel,
Sattelhöhe von 360 bis
398 mm in drei Stufen
verstellbar, 2,5 Kilo
Holzrahmen, 12-/14-ZollRäder, Luftreifen, gepolsterter Holzsattel, Sattel­
höhe von 335 bis 407 mm
in vier Stufen verstellbar,
4,4 Kilo
Aluminiumrahmen,
12-Zoll-Räder, Luftbereifung, Hinterradbremse,
gepolsterte Kunststoffsitzbank, Sattelhöhe 360 mm,
nicht verstellbar, 3,8 Kilo
Holzrahmen, 12-ZollRäder, Kunststoffbereifung,
ungepolsterter Holzsattel,
Sattelhöhe von 340 bis
410 mm in drei Stufen
verstellbar, 3,7 Kilo
Stahlrahmen, 12-ZollRäder, Luftreifen, Ständer,
Hinterradbremse, gepolsterter Kunststoffsattel,
Sattelhöhe von 380 bis
430 mm stufenlos verstellbar, 5,2 Kilo
Sattel nur minim in der
Höhe verstellbar, die Bremse war für die Kinder kaum
zu bedienen. Punkto Sicherheit gut gemacht.
Sehr leichtes Laufrad.
Qualität aber ungenügend.
Die Kunststoffbereifung ist
zwar pannensicher, rollt
aber nicht so gut. Zu kleiner Verstellbereich des
Sattels.
Sieht cool aus, lässt Väterherzen höher schlagen.
Mängel bei der Ergonomie. Der Lenker ist zu
hoch. Qualitativ sehr gut
gemacht.
Fand mit seiner Optik bei
den Buben guten Anklang.
Sattel kann in der Höhe
nicht verstellt werden.
Handbremse funktioniert
schlecht.
Viel Spiel in der Gabel,
eigenartige Steuergeometrie. Wegen der kurzen Sattel-Lenker-Distanz sitzen
die Kinder nicht sehr gut.
Mangelhafte Qualität,
schwer, Handbremse kaum
zu bedienen, schlechtes
Fahrverhalten: besser Finger weg!
Migros. In typenähnlicher
Ausführung auch bei
anderen Grossverteilern.
Toys R Us
Spielwaren- und Velofachhandel
Athleticum. In typenähnlicher Ausführung auch bei
anderen Grossverteilern.
Migros, Jumbo
Jako-o
Migros
0848 84 0848
www.migros.ch
Toys R Us
041 455 09 09
www.toysrus.ch
Urban Trading
043 411 06 80
www.earlyrider.com
Athleticum
041 914 95 00
www.athleticum.ch
Migros
0848 84 0848
www.migros.ch
Jako-o
056 463 60 90
www.jako-o.ch
23 | 2/2011 velojournal

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