CKD-Progressionsverzögerung: Gibt es das wirklich?
Transcrição
CKD-Progressionsverzögerung: Gibt es das wirklich?
Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: A-8600 Bruck/Mur Jahrgang 15, Ausgabe 5/13 % Veränderung der GFR in den ersten 6 Monaten (ml/min/Monat) Die Progression chronischer Nierenerkrankungen verläuft bei der Mehrzahl der Patienten über viele Jahre. Unabhängig von der initialen Pathologie kommt es zu einem kritischen Verlust funktionierender und zu einer adaptiven Hyperperfusion und Hyperfiltration der verbliebenen Nephrone. Im Anfangsstadium der Erkrankung kann so die Nierenfunktion aufrechterhalten werden, allerdings kommt es langfristig zu einer Schädigung der Nephrone, was sich histologisch als Glomerulosklerose, tubuläre Atrophie und interstitielle Fibrose, und klinisch meistens als Proteinurie und progredienter Verlust der Nierenfunktion manifestiert. Allerdings zeigt die Progression der Niereninsuffizienz eine hohe intraindividuelle Variabilität in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Erkrankung, den Komorbiditäten, dem Ansprechen auf eine Therapie mit RAAS-Blockern, dem sozioökonomischen Status, der Ethnizität, dem Geschlecht und anderen Faktoren (Remuzzi G, J Clin Invest 2006; 116:288-96). Es ist hinlänglich bekannt, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ein erhöhtes Risiko für Mortalität, kardiovaskuläre Morbidität sowie für Hospitalisierung haben (Go AS, N Engl J Med 2004; 351:1296-305). Dieses Risiko steigt INHALT ISSN 1682-6817 CKD-Progressionsverzögerung: Gibt es das wirklich? % Veränderung der Proteinurie im ersten Monat Abb. 1: Korrelation zwischen der Veränderung der Proteinurie im ersten Monat und der Veränderung der GFR nach 6 Monaten unter einer Therapie mit Ramipril bei Patienten mit einer Proteinurie ≥ 3 g/Tag (modifiziert nach GISEN. Lancet 1997; 349:1857-63). Juxtaglomeruläre Zellen • Nierenersatztherapie bei Leberversagen • Fetale Programmierung • Rituximab bei MCN • Sclerostin bei renaler Osteodystrophie • Posttransplant-Diabetes nach Nierentransplantation • Lipid-Management • Kongresse und Veranstaltungen Archiv: www.nephro-news.eu | www.medicom.cc ©Andres Rodriguez - Fotolia.com Nephro-News ab sofort auf allen Tablet-PCs * *) iPad Samsung Galaxy Tab Sony Tablet S Acer Iconia Tab Acer Transformer Google Nexus HTC Flyer Motorola Xoom Amazon Kindle Fire RIM Blackberry Playbook TABLET APP APP jetzt kostenlos abholen: os nl te s ko www.medicom.cc AppStore GooglePlayStore CKD-Progressionsverzögerung exponentiell mit dem Abfall der eGFR an, sodass logischerweise eines der wichtigsten Therapieziele die Erhaltung der Nierenfunktion ist. Als progredrient werden laut KDIGO Patienten bezeichnet, die die GFR-Kategorie wechseln (z. B. Stadium G3b -> Stadium 4) und einen Abfall der GFR um ≥ 25% aufweisen (KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease, Kidney Int., Suppl. 2013). In den bedeutenden prospektiven und kontrollierten Studien zur Progressionsverzögerung der CKD wurde meistens eine Verdopplung des Serum-Kreatinins oder das Erreichen der dialysepflichtigen Niereninsuffizienz als primärer klinischer Endpunkt gewählt, weswegen dieser Endpunkt nach wie vor von der US Food and Drug Administration (FDA) als Goldstandard bei der Beurteilung der Nephroprotektion von Therapien und eines diagnostischen Mehrwerts von neuen Biomarkern herangezogen wird. Allerdings ist eine Verdopplung des Serum-Kreatinins ein relativ spätes Ereignis bei Patienten mit CKD, sodass in letzter Zeit diskutiert wird, auch einen Abfall der GFR (z. B. 30-40%, in welcher Zeit?) als renalen Endpunkt für Studien zu akzeptieren. Welcher Patient profitiert von einer RAAS-Blockade? Mehrere klinische Studien haben den nephroprotektiven Effekt einer RAASBlockade bei Patienten mit proteinurischen diabetischen und nicht-diabetischen Nierenerkrankungen gezeigt. Im Folgenden werden die Details einiger dieser Studien näher betrachtet, um den Phänotyp zu charakterisieren, der von einer antihypertensiven Therapie mit RAAS-Blockern am meisten profitieren könnte. Lewis und Kollegen untersuchten den Einfluss von Captopril vs. Placebo bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1, eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin ≤ 2.5 md/dl) und Proteinurie (≥ 500 mg/Tag), der renale Endpunkt war eine Verdopplung des Serum-Kreatinins. Nach ca. 4 Jahren führte eine Therapie mit Captopril verglichen mit Placebo zwar zu einer relativen Risikoreduktion von 48%, allerdings erreichten trotz RAAS-Blockade und einer medianen systolischen Blutdrucksenkung auf 128-134 mmHg in dieser Zeit ca. 12% der Patienten in der Captopril-Kohorte trotzdem den renalen Endpunkt. Der Benefit einer ACEHemmer-Therapie war lediglich bei den Patienten signifikant ausgeprägt, die zum Anfang schon ein Serum-Kreatinin von ≥ 1.5mg/dl hatten. Patienten mit einem niedrigeren Serum-Kreatinin zeigten keinen Vorteil einer RAAS-Blockade, allerdings zeigten sie auch nur eine sehr langsame Progression (Lewis EJ, N Engl J Med 1993; 329:1456-62). In einem Langzeit-follow-up dieser Studie (> 7 Jahre) konnte gezeigt werden, dass insbesondere diejenigen Patienten von einer Captopril-Therapie profitieren, die eine Remission (≤ 1 g/Tag) der ursprünglich nephrotischen Proteinurie im Verlauf zeigen (Wilmer WA, Am J Kidney Dis 1999; 34:308-14). Ein klarer Vorteil einer RAAS-Blockade konnte auch in der Ramipril Efficacy In Nephropathy (REIN)-Studie gezeigt werden, bei der Patienten mit nicht-diabetischer CKD (mittleres Serum-Kreatinin 2.4 mg/dl, mittlere Proteinurie 5.3 g/ Tag) zu einer Therapie mit entweder Ramipril oder Placebo randomisert wurden (The GISEN Group, Lancet 1997; 349:1857-63). Die Patienten wurden je nach Proteinurie in zwei Strata eingeteilt: < 3 g/Tag und ≥ 3 g/Tag. Bei Patienten mit einer Proteinurie ≥ 3 g/Tag zeigte sich eine deutliche Verlangsamung der Progression der Niereninsuffizienz unter Ramipril (-0.53 ± 0.08 vs -0.88 ± 0.13 ml/ min/Monat). Ein sehr wichtiges Detail der REINStudie ist die klare Korrelation zwischen therapeutischem Ansprechen auf Ramipril und Abfall der GFR: Je mehr die Proteinurie mit Ramipril innerhalb des ersten Monats nach Beginn der TheraNr. 5, 2013 pie gesenkt werden konnte, desto niedriger fiel der Abfall der GFR in den ersten 6 Monaten aus (Abbildung 1). Auch Patienten mit einer Proteinurie < 3 g/ Tag (im Durchschnitt 1.7 g/Tag) profitierten von einer Therapie mit Ramipril (RRR bzgl. ESRD 56%, HR 2.72 (1.22-6.08)) (Ruggenenti P, Lancet 1999; 354:359-64). Es ist jedoch in dieser Studie nicht gezeigt worden, ob bei Patienten mit einer Proteinurie < 3 g/Tag der gleiche Zusammenhang zwischen Reduktion der Proteinurie und Progressionsverzögerung besteht. In einer post-hoc-Analyse der REIN-Studie konnte der nephroprotektive Effekt einer Therapie mit Ramipril bei jeder GFR gezeigt werden, wobei der relative Benefit umso größer erschien, je früher (also bei höherer GFR) diese Therapie begonnen wurde (Ruggenenti P, J Am Soc Nephrol 2001; 12:2832-7). Die Frage, ob auch bei weit fortgeschrittener CKD eine Therapie mit einem ACE-Hemmer bei Patienten mit proteinurischen Nierenerkrankungen nephroprotektiv ist, wurde auch prospektiv und kontrolliert untersucht. Hou et al. konnten zeigen, dass Patienten mit einem Kreatinin von 3.1 - 5.0 mg/dl unter einer Therapie mit Benazepril und einem Zielblutdruck von < 130/80 mmHg verglichen mit Placebo eine langsamere Progression der CKD zeigten (Hou FF, N Engl J Med 2006; 354: 131-40). Ähnlich wie auch in der REIN-Studie korrelierte die Abnahme der Proteinurie mit dem Abfall der GFR, allerdings nur bei einer Proteinurie von ≥ 1 g/Tag. Auch bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und proteinurischer Nephropathie zeigten antihypertensive Therapien mit AngiotensinRezeptorblockern (ARB) einen günstigen Effekt auf die Progression der CKD und die Abnahme der Proteinurie (RENAAL: Brenner BM, N Engl J Med 2001; 345:861-9; IDNT: Parving HH, N Engl J Med 2001; 345:870-8). In der IDNT-Studie betrug die Proteinurie in der Irbesartan-Gruppe am An- CKD-Progressionsverzögerung fang 2.9 g/24 h (1.6-5.4) und zeigte unter der Therapie im Mittel eine Reduktion um 33% (-1.1 ± 1.7 g/24 h). Die ausgesprochen hohe Standardabweichung lässt eine starke Heterogenität des Ansprechens auf die RAAS-Blockade vermuten, was unser täglicher klinischer Alltag immer wieder beweist. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren, ob in diesen und anderen Studien die RAAS-Blockade in allen Patienten zu einer Progressionsverzögerung verglichen mit Placebo führt, jedoch alle Patienten schlussendlich den renalen Endpunkt – nur eben später – erreichen. Oder kommt es durch die RAAS-Blockade zu einer Aufteilung der Patienten in Responder und NichtResponder und weisen die Responder eine stabile Nierenfunktion auf und die Nicht-Responder eine Progression praktisch wie die Vergleichsgruppe. Hinweise für die letztere Variante kommen aus der Remission Clinics in Bergamo von Giuseppe Remuzzi (Ruggenenti P, J Am Soc Nephrol 2008; 19:1213-24). Eine im klinischen Alltag durchgeführte multimodale Therapie (keine kontrollierte Studie!) bei Patienten mit einer Proteinurie > 3 g/Tag führte bei ca. 60% der Patienten ohne Diabetes und bei ca. 45% der Patienten mit Diabetes zu einer eGFR-Abnahme von weniger als -0.16 ml/min/Monat, also zu einer weitgehenden Stabilisierung der Nierenfunktion (persönliche Kommunikation). Bei Patienten mit CKD ohne Proteinurie wird der Benefit einer RAAS-Blockade hingegen kontroversiell diskutiert. In der BENEDICT-Studie konnte gezeigt werden, dass eine 3-4 Jahre dauernde Therapie mit Trandolapril verglichen mit Placebo bzw. Verapamil bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, normaler Nierenfunktion und ohne Albuminurie die Inzidenz des Surrogatparameters Mikroalbuminurie signifikant erniedrigt (Ruggenenti P, N Engl J Med 2004; 351:1941-51). Diese Ergebnisse konnten in der ROADMAP-Studie auch für eine Therapie mit Olme- sartan validiert werden, allerdings zeigte sich bei einer Blutdrucksenkung auf < 130/80 mmHg bei Patienten mit präexistenter koronarer Herzkrankheit unter dieser Therapie ein signifikant erhöhtes Risiko für fatale kardiovaskuläre Ereignisse (Haller H, N Engl J Med 2011; 364:907-17). Ob in dieser Konstellation eine ACEHemmer-Therapie auch die Progression der CKD beeinflusst, ist zwar denkbar und wahrscheinlich, aufgrund des langjährigen progressiven Verlaufs der Nephropathie beim Diabetes (Normalbuminurie -> Mikroalbuminurie -> Makroalbuminurie -> Niereninsuffizienz) gibt es dazu jedoch keine Daten, die das beweisen. Bei Patienten mit ADPKD, die für gewöhnlich keine oder nur wenig Proteinurie aufweisen, wird zurzeit der Einfluss einer einfachen (Lisinopril) und einer doppelten (Lisinopril und Telmisartan) RAAS-Blockade bei zwei Zielblutdruckwerten (110/75 mmHg vs 130/80 mmHg) in der HALT-PKDStudie untersucht. Eine doppelte RAAS-Blockade (ACEHemmer und ARB) bei Patienten mit CKD mit oder ohne Proteinurie wird aufgrund des Risikos von schweren unerwünschten Nebenwirkungen (erhöhtes Risiko von AKI, Hyperkaliämie, Hypotonie) und ohne Hinweis auf einen Vorteil bzgl. renaler oder kardiovaskulärer Endpunkte nicht empfohlen (Mann JF, Lancet 2008; 372:547-53; Parving HH, N Engl J Med 2012; 367:2204-13; Fried LF, N Engl J Med. 2013 Nov 14; 369:1892-903). Hypertonie und Zielblutdruckwerte Eine tiefere Blutdrucksenkung als < 140/90 mmHg verhindert bei Patienten ohne Proteinurie oder Albuminurie die renale Progression nicht. In der African American Study of Kidney Disease and Hypertension (AASK)-Studie zeigte eine tiefere Blutdrucksenkung als < 140/90 mmHg bei Patienten mit einer PCR < 220 mg/g (mediane ProteiNr. 5, 2013 nurie 60 mg/Tag, also nicht proteinurisch) keinen renalen Benefit (Appel LJ, N Engl J Med 2010; 363:918-29). Auch in der ACCORD-Studie konnte bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, normaler Nierenfunktion und ohne Hinweis für Mikroalbuminurie eine strengere Blutdrucksenkung das renale Progressionsrisiko nicht verbessern (Ismail-Beigi F, Kidney Int 2012; 81:58694). Bei Patienten mit einer ADPKD hatte eine strengere (<120/80 mmHg) im Vergleich zu einer normalen Blutdruckeinstellung (<140/90 mmHg) keinen Effekt auf die Progression der Niereninsuffizienz (Schrier R, J Am Soc Nephrol 2002; 13:1733-9). In der MDRD-Studie wurde u. a. der Einfluss einer strengen (Ziel < 125/75 mmHg) und einer normalen (Ziel < 140/90 mmHg) Blutdruckeinstellung bei Patienten mit nicht-diabetischer CKD und Proteinurie untersucht. Die erreichten Blutdruckwerte waren ca. 130/80 und 125/75 mmHg in den beiden Gruppen. Bei Patienten mit einer Proteinurie < 3 g/Tag gab es keinen signifikanten Benefit einer strengeren Blutdruckeinstellung, Patienten mit einer Proteinurie > 3 g/Tag zeigten jedoch eine Verlangsamung der Progression der Niereninsuffizienz bei tieferen Blutdruckwerten (Klahr S, N Engl J Med 1994; 330:877-84). In der Steno-2-Studie konnte gezeigt werden, dass im Rahmen einer multimodalen Therapie ein Zielblutdruck < 130/80 mmHg verglichen mit < 135/ 85 mmHg sich günstig auf die Remission von Mikroalbuminurie zu Normoalbuminurie und auf den Abfall der GFR bei Typ 2 Diabetikern mit Albuminurie auswirkt (Gaede P, Nephrol Dial Transplant 2004; 19:2784-8). Die rezenten KDIGO-Richtlinien zur Therapie der Hypertonie bei Patienten mit CKD (unabhängig von Diabetes mellitus) empfehlen einen Zielblutdruck von < 140 /90 mmHg bei Patienten mit einer Albuminurie < 30 mg/Tag, und die Stärke dieser Empfehlung ist auf- CKD-Progressionsverzögerung Glykämische Kontrolle und Dyslipidämie Der Effekt einer strengen Blutzuckereinstellung auf die Progression der CKD hängt ab vom Stadium der Nierenerkrankung und ist am besten für Diabetes mellitus Typ 1 dokumentiert. In der DCCT-Studie wurde der Effekt einer intensivierten Blutzuckerkontrolle mit einem HbA1c-Ziel von ca. 6% (erreicht 7.2%) im Vergleich zu einer konventionellen Therapie (erreichtes HbA1c 9.1%) untersucht (N Engl J Med 1993; 329:977-86). Nach ca. 6.5 Jahren hatte die intensive Therapie zwar einen günstigen Effekt auf das Auftreten der Surrogatparameter Mikro- und Makroalbuminurie, aufgrund der normalen Nierenfunktion der Patienten und der wenigen Fälle mit Makroalbuminurie gab es keine Daten zu harten renalen Endpunkten. Die Patienten beider Gruppen wurden dann Na-Bicarbonat Dialyse-freies Überleben grund der Evidenzlage mit 1B sehr gut abgesichert. Bei Patienten mit einer Albuminurie > 30 mg/Tag lautet die Empfehlung < 130/80 mmHg, der Grad der Empfehlung und die Stärke der Evidenz sind jedoch mit 2C und 2D praktisch gleichbedeutend mit einer „Expertenmeinung“. Dieser niedrige Evidenzgrad bei Patienten mit Albuminurie/Proteinurie ist hauptsächlich bedingt durch die Tatsache, dass es sich bei den zur Verfügung stehenden Arbeiten und Ergebnissen hauptsächlich um post-hocoder Subgruppenanalysen gehandelt hat (KDIGO Clinical Practice Guideline for the Management of Blood Pressure in Chronic Kidney Disease, Kidney inter Suppl. 2012; 2:337–414). Langzeit-Nachbeobachtungen der Patienten aus der MDRD-Studie und Meta-Analysen lassen vermuten, dass Patienten mit einer Proteinurie > 1 g/ Tag bzgl. der Progression der CKD von tieferen Blutdruckwerten profitieren könnten (Sarnak MJ, Ann Intern Med 2005; 142:342-51; Jafar TH, Ann Intern Med 2003; 139:244-52). Kontrolle Monate Abb. 2: Eine Natriumbicarbonat-Therapie bei Patienten mit einer GFR von 15-30 ml/min, einer Proteinurie im Mittel von 1.7 g/Tag und einer metabolen Azidose (HCO3- 16-20 mmol/l) mit einem Ziel-Bicarbonat > 23 mmol/l zeigte eine signifikante Reduktion des Risikos, eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz zu erreichen (RR 0.13; 95 % CI 0.04 - 0.40, p < 0.001; modifiziert nach de Brito-Ashurst et al., J Am Soc Nephrol 2009; 20:2075-84). eingeladen, auf das intensive Therapieschema umzusteigen und sie wurden in der Nachfolgestudie EDIC weiter beobachtet, wobei sich erwartungsgemäß der HbA1c-Wert in beiden Gruppen bei 8.0-8.2% einpendelte. In der EDICStudie konnte nunmehr 11 Jahre nach Beginn der intensivierten Blutzuckerkontrolle weiterhin ein günstiger Effekt auf die Albuminurie und ein Trend hinsichtlich besserer Nierenfunktion beobachtet werden ( JAMA 2003; 290:215967). Der günstige Einfluss einer intensivierten Blutzuckerkontrolle bei Typ 1 Diabetikern auf die Progression der Niereninsuffizienz konnte dann 21 Jahre nach Beginn von DCCT endgültig bewiesen werden (N Engl J Med 2011; 365:2366-76). Bei Diabetes mellitus Typ 2 sind die Daten kontroversiell. In der UKPDS 33 und in der ADVANCE-Studie hatte eine intensive Therapie (UKPDS: HbA1c 7.0 vs 7.9%; ADVANCE: HbA1c: 6.5 vs 7.3%) einen günstigen Effekt auf renale (und andere mikrovaskuläre) EndNr. 5, 2013 punkte, wobei bei den intensiv behandelten Patienten vermehrt Hypoglykämien aufgetreten sind und es keinen Effekt auf makrovaskuläre Endpunkte gab (Lancet 1998; 352:837-53; N Engl J Med 2008; 358:2560-72). In der VADT-Studie hatte hingegen eine intensivierte glykämische Kontrolle mit einem HbA1c von 6.9% verglichen mit 8.4% keinen Effekt auf die Nierenfunktion (Duckworth W, N Engl J Med 2009; 360:129-39). Ebenso führte eine intensive Blutzuckerkontrolle in der ACCORDStudie zu keinen nennenswerten Vorteilen bzgl. Nierenfunktion, jedoch zu einer Erhöhung der gesamten und der kardiovaskulären Mortalität sowie zu mehr schweren Hypoglykämien (IsmailBeigi F, Lancet 2010; 376:419-30). Aufgrund der längeren Krankheitsdauer vor der Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 und den Komorbiditäten, die an Zahl und Intensität während der Erkrankung zunehmen, ist bei Patienten mit Typ 2 Diabetes der Effekt einer intensivierten glykämischen Kontrolle per CKD-Progressionsverzögerung se auf die Progression der Niereninsuffizienz - wenn überhaupt vorhanden so nur als gering zu bezeichnen. Obwohl Dyslipidämie bei Patienten mit CKD häufig vorkommt und observationelle Studien die Vermutung nahe legen, dass Hypercholesterinämie die Progression von CKD ungünstig beeinflussen könnte, konnte in der SHARP-Studie kein Effekt einer Therapie mit Simvastatin/Ezetimib auf die Progression der CKD gefunden werden (Baigent C, Lancet 2011; 377:2181-92). Ähnlich wie auch nicht jeder Patient mit einer proteinurischen Nierenerkrankung auf eine Therapie mit RAAS-Blockern reagiert, stellt sich bei der Dyslipidämie bei Patienten mit CKD die Frage nach dem richtigen Patienten-Phänotyp, welcher möglicherweise von einer Statintherapie trotzdem profitieren könnte. Bei dieser Frage könnte eine Veränderung der Qualität von HDL-Cholesterin bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, wie sie rezent von der Gruppe von Marcus Säemann beschrieben wurde, eine entscheidende Rolle spielen (Weichhart T, J Am Soc Nephrol 2012; 23:934-47). Metabolische Azidose Ab einer GFR < 40 ml/min/1.73 m2 steigt die Prävalenz einer metabolen Azidose deutlich an. Serum-Bicarbonat-Konzentrationen < 22 mmol/l sind mit einem erhöhten Risiko für eine Progression der CKD und mit erhöhter Mortalität assoziiert. Rezente Studien konnten zeigen, dass eine Therapie der metabolen Azidose die Progression der CKD verhindern bzw. verlangsamen kann. De Brito-Ashurts und Kollegen randomisierten 134 Patienten mit einer eGFR von 15-30 ml/min/1.73 m2 und einem Serum-Bicarbonat von 16-20 mmol/l zu entweder einer Therapie mit Natriumbicarbonat (1.82 ± 0.80 g/Tag) oder zu einer Standardtherapie. Nach 2 Jahren war die Progression der CKD in der Natriumbicarbonatgruppe deutlich geringer als in der Kontrollgruppe (Abbildung 2). Zusätzlich konnten durch Natriumbicarbonat auch verschiedene Ernährungsparameter verbessert werden. Trotz der erheblichen Natriumzufuhr gab es keine Unterschiede im Blutdruck oder in der Anzahl der Antihypertensiva (de Brito-Ashurst I, J Am Soc Nephrol 2009; 20:2075-84). In einer nicht-randomisierten, kontrollierten Studie untersuchten Phisitkul und Mitarbeiter den Einfluss einer Therapie mit Natriumzitrat (1 mmol pro Bicarbonatäquivalent/Tag) bei 59 Patienten mit einer eGFR von 33 ± 8 ml/ min/1.73 m2 über 2 Jahre. Verglichen mit der Kontrollgruppe war der Abfall der eGFR signifikant geringer in der Natriumzitrat-Kohorte (Phisitkul S, Kidney Int 2010; 77:617-23). Goraya et al. konnten zeigen, dass bei Patienten mit CKD Stadium 4 die nephroprotektiven Effekte einer oralen Natriumbicarbonat-Therapie vergleichbar sind mit einer Diät reich an Früchten und Gemüsen, mit denen die tägliche nahrungsbedingte Säureaufnahme um ca. 50% reduziert wurde. Die Diät beinhaltete mehrmals täglich Äpfel, Marillen/Apfelsinen, Orangen, Pfirsiche, Birnen, Rosinen, Erdbeeren, Karotten/ Möhren, Karfiol/Blumenkohl, Melanzani/Auberginen, grünen Salat, Kartoffeln, Spinat, Tomaten und Zucchini. Ähnlich wie in den anderen beiden Studien wurde sowohl durch die Natriumbicarbonattherapie als auch durch eine Ernährung reich an Früchten und Gemüsen die renale Exkretion von Markern der Nierenschädigung deutlich reduziert, während die Proteinurie unbeeinflusst blieb. Das Risiko einer Hyperkaliämie war nicht erhöht (Goraya N, Clin J Am Soc Nephrol 2013; 8:371-81). Fibrose und Inflammation: Neue therapeutische Ansätze? In der letzten Dekade konnte der günstige Einfluss einiger antifibrotischer und antiinflammatorischer Substanzen auf die Progression der CKD gezeigt werden. Pirfenidon hat antiinflammatorische und antifibrotische Eigenschaften, die es wahrscheinlich durch eine Antagonisierung der Wirkung von TGFβ Nr. 5, 2013 entfaltet, und es ist in Europa für die Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose zugelassen. Bei Patienten mit diabetischer Nephropathie, einer CKD Stadium 3 + 4 und hautpsächlich Mikroalbuminurie führte eine Therapie mit 1200 mg Pirfenidon verglichen mit Placebo nach 6 und 12 Monaten Therapie zu einer GFR-Zunahme (!) ohne Auswirkung auf die Albuminurie (Sharma K, J Am Soc Nephrol 2011; 22:1144-51). Weitere Studien sind in Planung (Kumar Sharma, persönliche Korrespondenz). Ähnliche Ergebnisse konnten auch bei Patienten mit CKD Stadium 4 und FSGS gezeigt werden (Cho ME, Clin J Am Soc Nephrol 2007; 2:906-13). Ähnliche preliminäre Ergebnisse gibt es auch für eine Therapie mit dem Proteinkinase C-Inhibitor Ruboxistaurin (Tuttle KR, Diabetes Care 2005; 28:2686-90). Nachteile dieser an sich vielversprechenden Therapien sind schwere und häufige Nebenwirkungen bei bis zu einem Drittel aller Patienten (v. a. Photosensitivität!) sowie die hohen Kosten. Die Substanz Bardoxolon stimuliert intrazellulär antioxidative und hemmt inflammatorische Signale v. a. durch Modulation von Keap1/Nrf2 und IκBα/ NF-κB. In einer randomisierten, kontrollierten Studie bei 227 Patienten mit Typ 2 Diabetes und CKD Stadium 3 und 4 war eine Therapie mit Bardoxolon verglichen mit Placebo mit einer signifikanten Verbesserung (!) der eGFR assoziiert (Pergola PE, N Engl J Med 2011; 365:327-36). Allerdings wurde eine große Folgestudie (BEACON) aufgrund der Zunahme von SAEs, insbesondere von Herzinsuffizienz unter Bardoxolon vorzeitig abgebrochen (De Zeeuw D, N Engl J Med 2013, Nov 9). Pentoxifyllin ist ein unspezifischer Phosphodiesterase-Inhibitor, welcher PDGFinduzierte Zellproliferation, TGFβ-induzierte Kollagensynthese und die Wirkung von TNFα hemmt und somit insgesamt anti-inflammatorisch wirkt. In einer kleinen randomisierten und kontrollierten Studie an 40 Patienten mit CKD 3-4 und einer Proteinurie > 1 g/ Tag führte eine Therapie mit Pentoxi- CKD-Progressionsverzögerung fyllin zu einer geringeren Progression der CKD nach 1 Jahr (Perkins RM, Am J Kidney Dis 2009; 53:606-16). Zurzeit werden die Effekte von Pentoxifyllin bei größeren Studien weiter untersucht. Andere Substanzen, deren nephroprotektiver Effekt derzeit untersucht wird, sind Endothelinantagonisten (Avosentan, Atrasentan), anti-TGFβ (Fresolimumab), anti-MCP1 (Bindarit) oder der duale Endothelin converting enzyme/neurale Endopeptidase Inhibitor (Daglutril). Zusammenfassung Die Progression chronischer Nierenerkrankungen kann durch eine konsequente antihypertensive Therapie und RAAS-Blockade, vor allem bei Patienten mit Proteinurie, gehemmt werden. Die kurzfristige Abnahme der Proteinurie unter RAAS-Blockade kann hierbei einen langfristigen Benefit vorhersagen und definiert somit einen günstigen Patienten-Phänotyp. Es ist denkbar und konnte auch schon gezeigt werden, dass die Nierenfunktion dieser Patienten sich langfristig auch stabilisiert oder sogar verbessert. Somit würde es sich also um eine wirkliche Remission handeln und nicht nur um eine Verzögerung der Progression. Die Therapie der metabolischen Azidose mit Natriumbicarbonat, Natriumzitrat und möglicherweise durch eine Diät reich an Früchten und Gemüse verzögert ebenso die Progression der fortgeschrittenen CKD, allerdings benötigen die ersten vielversprechenden Ergebnisse weitere Bestätigung in größeren prospektiven Studien. Leider ist der Benefit einer strengen glykämischen Kontrolle bzw. einer lipidsenkenden Therapie – wenn überhaupt vorhanden – wahrscheinlich nur gering, am ehesten noch bei Typ 1 Diabetikern in einem frühen Stadium der Erkrankung. Einige neue antiinflammatorische und antifibrotische Substanzen werden intensiv in Studien untersucht, allerdings ist das Nebenwirkungsspektrum beträchtlich, was auch, wie im Fall von Bardoxolon, zum Studienabbruch geführt hat. Bemerkenswert ist bei diesen neuen Substanzen allerdings die Dissoziation zwischen Verbesserung der Nierenfunktion und kaum Veränderungen bzw. manchmal sogar Zunahme der Albuminurie. Eine große Herausforderung bleiben auch die Patienten mit CKD ohne Proteinurie, bei denen weder eine strengere Blutdruckeinstellung noch eine RAASBlockade spezifische Vorteile hinsichtlich CKD- Progression gezeigt haben. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, welcher Patienten-Phänotyp von etablierten und von zukünftigen nephroprotektiven Therapien profitieren wird. Priv.-Doz. Dr. Michael Rudnicki Medizinische Universität Innsbruck Univ.-Klinik für Innere Medizin IV Nephrologie und Hypertensiologie Innsbruck [email protected] IMPRESSUM Herausgeber: Gesellschaft für Nephrologie, c/o Abteilung für Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III, Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien Erscheinungsort: Wien, Verbreitung: Deutschland - Österreich - Schweiz Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Th. Benzing, Köln, Prof. Dr. W. Druml, Wien, Prof. Dr. J. Floege, Aachen, Prof. Dr. H. Geiger, Frankfurt, Prof. Dr. M. Girndt, Halle, Prof. Dr. B. Grabensee, Düsseldorf, Prof. H. Haller, Hannover, Prof. Dr. Marion Haubitz, Fulda, Wien, Prof. Dr. D. Kerjaschki, Wien, Prof. Dr. H. Köhler, Homburg/Saar, Prof. Dr. K. Kühn, Karlsruhe, Prof. Dr. A. Kurtz, Regensburg, Prof. Dr. F. Lang, Tübingen, Prof. Dr. J. Mann, München, Prof. Dr. G. Mayer, Innsbruck, Prof. Dr. M. Mihatsch, Basel, Prof. Dr. G. A. Müller, Göttingen, Prof. Dr. H. Murer, Zürich, Prof. Dr. R. Oberbauer, Linz, Prof. Dr. H. Pavenstädt, Münster, Prof. Dr. J. Pfeilschifter, Frankfurt, Prof. Dr. E. Ritz, Heidelberg, Prof. Dr. B. Rossier, Lausanne, Prof. Dr. J. Steiger, Basel, Prof. Dr. Bruno Vogt, Bern, Prof. Dr. C. Wanner, Würzburg, Prof. Dr. G. Wolf, Jena, Prof. W. Zidek, Berlin Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt die Meinung der Verfasser wider und muss nicht mit jener der Redaktion und dem Verlag übereinstimmen. Bei Beiträgen mit der Kennzeichnung Pharma- bzw. Med. Tech.-Forum haftet für den Inhalt der Auftraggeber (Wirtschaft). Ziele der NEPHRO-News: Diskussionsforum und Informationen zu aktuellen Themen der klinischen Nephrologie und Hypertensiologie für Nephrologen, nephrologisch interessierte Krankenhausärzte, aber auch niedergelassene Internisten und Allgemeinmediziner. Kommentare und Zuschriften erbeten an: Abteilung für Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III, Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien Fax: +43 (1) 40400 4392, [email protected] Heftpreis: €10,-, Jahresabonnement: €60,Copyright & allgemeine Hinweise: Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Nutzungsrechte, insbesondere das Recht der weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken mit Hilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren sowie im Internet. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen sind anhand anderer Literaturstellen oder der Packungsbeilage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Verlag übernimmt keine Gewähr. Verleger/Anzeigen: Medicom Verlags GmbH, Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, A-8600 Bruck/Mur, Tel.: +43/3862/56 400-0, Fax: +43/3862/56 400-16 E-Mail: [email protected], Nephro-News-Archiv unter: www.medicom.cc Nr. 5, 2013 Juxtaglomeruläre Zellen Juxtaglomeruläre Zellen der Niere: Reninbildner mit ungeahnten Fähigkeiten Die Nieren erfüllen mit der Bildung von Klotho, Kalzitriol, Erythropoietin und Renin essentielle endokrine Funktionen, die bei Nierenerkrankungen Fehlregulationen aufweisen und zu entsprechenden Begleiterscheinungen führen. Das Vitamin D3-Defizit äußert sich in Störungen des Kalzium-Phosphat-Haushaltes, der Mangel an Erythropoietin in Anämie und die Fehlsteuerung der Reninproduktion und -sekretion in Volumenretention und Hypertonie neben einer progressionsfördernden Wirkung auf die chronische Nierenerkrankung. Die endokrine Funktion der Niere wird von verschiedenen Zelltypen erbracht. Klotho wird von den Zellen des distalen Tubulus produziert, Kalzitriol entsteht durch die 1α-Hydroxylaseaktivität des proximalen Tubulus. Erythropoietin wird von Fibroblasten-ähnlichen Zellen im Interstitium der Niere gebildet und Renin von modifizierten glatten Muskelzellen in der Wand afferenter Arteriolen, den klassischen juxtaglomerulären Zellen (Abb. 1). Eine Verbindung zwischen diesen unterschiedlich lokalisierten endokrinen Zellen mit auch jeweils eigener Morphologie wurde bislang nicht gesehen. Es ist bekannt, dass genetische Funktionsdefekte des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) bei Mensch und Labortier zu einer massiven Hyperplasie von Renin-bildenden Zellen in der Niere führen (Gribouval O, Nat Genet 37:964-68, 2005), was Ausdruck dafür ist, dass die Aktivität des RAAS die Ausbildung Renin-bildender Zellen im Sinne einer hemmenden Rückkopplung regelt. Im Rahmen einer Überprüfung, inwieweit eine Minderperfusion der Niere und die damit verbundene intrarenale Hypoxie während der Nierenentwicklung an der Ausbildung der Reninzellhyperplasie beteiligt sein könnte, wurden die Reninzellen in Mäusen während der Nierenentwicklung „pseudohypoxisch“ gemacht. Hypoxie induziert über die Stabilisierung der sog. Hypoxie-induzierten Transkriptionsfaktoren (HIF) die Expression einer Reihe von Genen, die es den Zellen bei Sauerstoffmangel erleichtern soll, Funktion und Überleben zu sichern (Haase VH, Curr Pharm Des 15:3895-903, 2009). Dazu zählen unter anderem Gene für Enzyme des anaeroben Energiestoffwechsels, aber auch der vaskuläre Endothel-Wachstumsfaktor (VEGF), der eine Kapillarisierung induziert, sowie Erythropoietin, welches über die vermehrte Bildung von Erythrozyten den Sauerstofftransport im Blut verbessert. Die Stabilisierung der HIFs erfolgt dadurch, dass diese bei Hypoxie nicht mehr proteolytisch abgebaut werden. Bei hohen (normalen) Sauerstoffdrucken werden die HIFs so modifiziert, dass sie an das von Hippel-Lindau-Protein (pVHL) binden, welches sie dann unwiederbringlich zum proteolytischen Abbau führt. Schaltet man das von Hippel-LindauProtein in Zellen aus, dann bleiben die HIFs auch bei hohen (normalen) Sauerstoffdrucken stabil und können so das oben skizzierte Genprogramm zum zellulären Überleben abrufen, obwohl die Sauerstoffversorgung ja eigentlich normal ist („Pseudohypoxie“) (Maxwell PH, Nature 399:271-75, 1999). Die Ausschaltung des von Hippel-Lindau-Proteins und damit die Stabilisierung der HIFs in den Renin-exprimierenden Zellen zeigt in der Tat deutliche Wirkungen, allerdings nicht in Richtung einer Proliferationsförderung wie ursprünglich postuliert. Im Gegenteil, die Renin-Expression in den juxtaglomerulären Zellen verschwindet (Kurt B, J Am Soc Nephrol 24:433-44, 2013). Eine vergleichsweise geringe Zahl von ReNr. 5, 2013 ninzellen taucht in der Wand afferenter Arteriolen auf, allerdings am anderen Ende der afferenten Arteriolen, am Abgang aus den Interlobulararterien (Abb. 2). Die Plasmareninkonzentration ist auf ca. 25% des Normalwertes abgesunken. Der Blutdruck der Mäuse hingegen ist normal, und auch ihr Überleben ist zumindest im ersten Lebensjahr nicht auffällig verändert. Eine Erklärung, warum diese Mäuse trotz des stark gedämpften Reninsystems einen normalen Blutdruck haben, könnte sein, dass die Tiere polyzythämisch mit Hämatokritwerten von 6580% (normal 50%) sind (Kurt B, J Am Soc Nephrol 24:433-44, 2013). Als Ursache für die Polyzythämie wurden erhöhte Plasmaspiegel für Erythropoietin ausgemacht. Ein vergleichendes Organscreening zeigte, dass nur die Nieren dieser Tiere eine auffällige Erythropoietinbildung zeigten. Die intrarenale Eingrenzung der verstärkten EPO-Produktion zeigte weiterhin, dass diese nicht in den üblichen Fibroblasten-ähnlichen Zellen im Interstitium der Nierenrinde erfolgte, sondern exakt in den juxtaglomerulären Zellen (Kurt B, J Am Soc Nephrol 24: 433-44, 2013), welche wie bereits erwähnt- eigentlich Renin bilden sollten, dies aber nach Ausschaltung des von Hippel-Lindau-Proteins nicht mehr tun. Deletion des von Hippel-Lindau-Proteins hat also die endokrinen Eigenschaften der juxtaglomerulären Zellen fundamental verändert, von Kontrolleuren des Extrazellulärvolumens und des Blutdruckes (über das RAAS) hin zu Kontrolleuren des Sauerstofftransportes (über die Bildung von Erythrozyten). Im Renin-bildenden Zustand bilden die Zellen zahlreiche Reninspeichervesikel aus, was die Zellen voluminös erscheinen lässt und zu einer Einengung des Juxtaglomeruläre Zellen Interlobular-Ar t. Interlobular-Ar t. Abb. 1: Ausschnitt aus dem Kortex der Niere normal aff. Art. pVHL defizient aff. Art. Abb. 2: Glomeruli mit präglomerulärem Gefäßsystem Renin-bildende Zellen (durch Pfeilköpfe markiert) in einer normalen Niere sind kuboid, enthalten viele große Speichervesikel und sitzen an juxtaglomerulärer (JG) Position. Eine Ausschaltung des von Hippel-Lindau-Proteins in Renin-bildenden Zellen resultiert in einer funktionellen und morphologischen Veränderung der juxtaglomerulären Zellen. pVHL-defiziente JG-Zellen sind länglich und schmal und sie exprimieren kein Renin. Stattdessen finden sich die in ihrer Anzahl deutlich verminderten Angesichts der Lo- Reninzellen meist an Abzweigungsstellen aus den Interlobular-Arterien. kalisation der jux- G; Glomerulum. aff. Art.; afferente Arteriole. Erythropoietin wird von Fibroblasten-ähnlichen Zellen (durch Pfeile markiert) im Interstitium der Niere, zwischen den Tubuli, gebildet. Renin wird von den juxtaglomerulären Epitheloidzellen (durch Pfeilköpfe markiert) in der Media der afferenten Arteriolen unmittelbar am Gefäßpol gebildet. G; Glomerulum. aff. Art.; afferente Arteriole. Lumens der afferenten Arteriolen am glomerulären Pol führt. Im EPO-bildenden Zustand bilden die Zellen keine Speichervesikel aus (EPO wird typischerweise nicht gespeichert), die Zellen bleiben schmal, und das Lumen der afferenten Arteriolen wird weiter (Abb. 2). Im EPO-bildenden Zustand ähneln die Zellen morphologisch sehr den üblichen EPO-produzierenden Zellen im Interstitium der Nierenrinde. Bezüglich der Hypoxie-induzierten Transkriptionsfaktoren, die durch Deletion des von Hippel-Lindau-Proteins stabilisiert werden sollten, zeigte sich, dass die juxtaglomerulären Zellen den HIF-2, nicht aber den „klassischen HIF-1“ nutzen. Das passt sehr gut zur mittlerweile gewonnenen Erkenntnis, dass HIF-2 und nicht HIF-1 der physiologische Regulator der EPO-Bildung ist (Rankin EB, J Clin Invest 117:106877, 2007; Rankin EB, Cell 149:63-74, 2012; Weidemann A, J Clin Invest 119: 3373-83, 2009). Dies führt natürlich zur Frage, ob juxtaglomeruläre Zellen von der normalen Renin-Bildung im Bedarfsfall bei Hypoxie über Stabilisierung von HIF-2 auf EPO-Produktion umschalten können. Die Antwort darauf muss derzeit noch spekulativ bleiben. taglomerulären Zellen am arteriellen Endothel wird der Sauerstoffdruck in der Umgebung der Zellen sehr wahrscheinlich nicht wesentlich von der Hämoglobinkonzentration (Erythroytenzahl) beeinflusst werden, zumindest nicht in Bereichen, die mit dem Leben vereinbar sind. Ähnliches gilt auch für direkte Änderungen des arteriellen Sauerstoffdruckes. Eher vorstellbar sind Situationen inhomogener Durchblutung der Nierenrinde, die zu hypoxischen Inseln und dabei zum Umschalten von der Renin- auf die Erythropoietin-Bildung führen könnten. Angesichts der auffälligen Änderungen der Zellmorphologie, die mit diesem Umschalten einhergehen, ist auch eher anzunehmen, dass der Shift der endokrinen Funktion der juxtaglomerulären Zellen wahrscheinlich kein Ereignis von wenigen Stunden ist, sondern eine gewisse Zeit anhaltender Hypoxie erfordert. Es wird spannend sein, in künftigen Experimenten zu sehen, ob sich der endokrine Shift der juxtaglomerulären Zellen auch in der normalen adulten Niere induzieren lässt, und ob der Shift von Nr. 5, 2013 der Renin- zur EPO-Produktion auch wieder reversibel ist. Experimente hierzu sind bereits im Gange beziehungsweise in Planung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwischen zwei prominenten endokrinen Zelltypen der Niere, nämlich den Renin-bildenden und den EPO-bildenden Zellen offensichtlich eine Verwandtschaft besteht, die so bislang unbekannt war. Dies weist auf ein beträchtliches plastisches Potential mesenchymaler endokriner Zellen der Nieren hin, welches nun genauer erforscht werden muss, und welches Anhaltspunkte für Krankheitsverständnisse und vielleicht Therapieansätze ermöglichen könnte. Dr. Birgül Kurt Prof. Dr. Armin Kurtz Institut für Physiologie der Universität Regensburg [email protected] [email protected] Nierenersatztherapie bei Leberversagen Nierenersatztherapie bei Patienten mit Leberversagen Die Entwicklung eines akuten Nierenversagens (ANV ) gehört zu den schwerwiegendsten Komplikationen bei Patienten mit Leberzirrhose und ist mit sehr hoher Mortalität verbunden (Moreau R, Gastroenterol 144:1426-37, 2013). Das hepatorenale Syndrom (HRS) gehört mit ca. 13% der Fälle zu den möglichen Ursachen des Zirrhose-assoziierten ANV. Allerdings können auch Infektionen (ca. 46%), Hypovolämien (ca. 32%) bzw. renoparenchymatöse Erkrankungen (ca. 9% der Fälle) ursächlich sein (Wadei HM, Am J Transplant 2008; 8:2618–26, 2008; Martin-Llahi M, Gastroenterology 140:488–96, 2011). In einer retrospektiven Studie aus Pittsburgh war die Krankhaussterblichkeit bei Zirrhose-Patienten, die ein ANV entwickelten und nicht lebertransplantiert wurden, 86% (Fraley DS, Kidney Int 54:518-24, 1998). Die hohe Mortalitätsrate bei diesem Krankengut hat sich seither nicht wesentlich gebessert, wobei vor allem das HRS mit schlechter Prognose verbunden ist (Abb. 1). Chen und Kollegen fanden bei 76 Patienten, die mit Leberzirrhose und ANV auf eine Intensivstation aufgenommen wurden, eine Krankenhausmortalität von 87% (Chen YC, Clin Nephrol 61: 111-8, 2004). In einer Studie aus dem Jahr 2009 hatten von 312 Patienten mit Leberzirrhose, die auf Intensivstation aufgenommen wurden, 128 ein ANV und 184 nicht. Die Sterblichkeit war signifikant höher in der ANV-Gruppe (91 vs. 47%). Keiner der Patienten war transplantiert worden (Cholongitas E, Eur J Gastroenterol Hepatol 21:744–50, Estimated probability of death at 3 months Leberzirrhose-assoziiertes akutes Nierenversagen HRS Infections Hypovolemia Parenchymal MELD-Score Abb. 1: Korrelation von MELD-Score und Drei-Monats-Mortalität in Abhängigkeit von der Art des begleitenden Nierenversagens. HRS: Hepatorenales Syndrom (Martin-Llahi M, Gastroenterology 140:488–96, 2011) 2009). In einer Studie aus Barcelona war die Drei-Monats-Überlebensrate bei nichttransplantierten Zirrhotikern mit einem ANV auf Basis einer Infektion bzw. eines HRS 31 bzw. 15% (Martin-Llahi M, Gastroenterology 140:488– 96, 2011). Alle genannten Studien stimmten darin überein, dass ein ANV bei Leberzirrhose ohne Lebertransplantation in der Regel fatal verläuft. Allerdings ist die Prognose für solche Zirrhosepatienten mit ANV, die zur Lebertransplantation gelistet sind und zur Überbrückung ein Nierenersatzverfahren erhalten, ebenfalls schlecht: In einer Untersuchung mit 102 dialysierten Zirrhosepatienten mit ANV, die zur Lebertransplantation gelistet waren, erlebten nur 31% die Transplantation. Patienten, die nicht transplantiert wurden, Nr. 5, 2013 starben zu 94% (Wong LP, Kidney Int 68:362–70, 2005). Biomarker für Zirrhose-assoziertes ANV Eine mögliche Ursache für die unverändert hohe Mortalität von kombiniertem Leber- und Nierenversagen kann die unzureichende bzw. zu späte Diagnosestellung unter Verwendung der heute üblichen Biomarker sein. Das Serumkreatinin ist der gebräuchlichste Einzelparameter für die Einschätzung der Nierenfunktion bei Leberkranken. Es geht u. a. in den Model für EndStage Liver Disease (MELD)-Score ein, der wesentlich über die Wartelistenposition zur Lebertransplantation entscheidet (Moore CM, World J Hepatol 5:251-63, 2013). Nierenersatztherapie bei Leberversagen Survival Functions Percent Survival Auch die RIFLE-Klassifikation des ANV, die geeignet ist, um die zu erwartende Mortalität bei Zirrhosepatienten mit ANV vorherzusagen, basiert auf dem Kreatinin (Abb. 2) ( Jenq CC, Intensive Care Med 33:1921-30, 2007; Cholongitas E, J Gastroenterol Hepatol 24:1639–47, 2009). Allerdings überschätzt das Serumkreatinin in der Regel die wahre Nierenfunktion wegen der deutlich geringeren hepatischen Kreatin-Produktion, der oftmals geringeren Muskelmasse und der Mangelernährung des Zirrhosepatienten. Gleiches gilt für die Kreatininbasierten Clearance-Bestimmungen (Sherman DS, Am J Kidney Dis 41:26978, 2003). Cystatin C bildet die Nierenfunktion bei Leberzirrhosepatienten besser ab als Kreatinin und KreatininClearance. Trotzdem gibt es auch hier eine Überschätzung der wahren Nierenfunktion (Gerbes AL, Gut 50:106-10, 2002). Die Acute Dialysis Quality Initiative (ADQI) Group fordert daher dringend bessere ANV-Biomarker für Leberversagenspatienten (Nadim NK, Crit Care 16:R23, 2012). U. a. scheint die zeitgenaue Erfassung der Urinausscheidung zur Oligurie-Detektion ein sensitiverer und früherer ANV-Marker zu sein. Dieser und weitere Kandidaten wie etwa das Neutrophilen-Gelatinaseassoziierte Lipocalin (NGAL) sollten in diesem Zusammenhang auf ihren Aussagewert hin untersucht werden (Cruz DN, Contrib Nephrol 182:45–64, 2013). Zusammengenommen ist festzustellen, dass die Nierenfunktion bei Patienten mit Leberversagen häufig, wenn nicht regelhaft, überschätzt wird und dass möglicherweise ein Problem der verspäteten bzw. unterdosierten Therapie und Prophylaxe besteht. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass bei Leberversagen mit HRS ein primär überwiegend funktionelles ANV in ein morphologisch fixiertes Organversagen übergehen kann, was die therapeutischen Erfolgsaussichten deutlich verschlechtert. Tage Abb. 2: Kumulatives Überleben bei 134 intensivpflichtigen Zirrhosepatienten in Abhängigkeit von der RIFLE-Klassifikation am ITS-Aufnahmetag. (Jenq CC, Intensive Care Med 33:1921-30, 2007) Rolle von Nierenersatzverfahren Die Indikationen für ein Nierenersatzverfahren bei Leberpatienten unterscheiden sich nicht von denen bei anderen ANV-Patienten: Volumenüberladung, Azidosekontrolle, urämische Komplikationen und Elektrolytstörungen (Muciño-Bermejo J, Ann Hepatol 11:301-10, 2012). Die generelle Meinung zur Wertigkeit von Nierenersatzverfahren bei Patienten mit Zirrhoseassoziiertem ANV, insbesondere bei HRS, ist allerdings schlecht. Viele Autoren reservieren Dialyseverfahren lediglich als Bridging-Verfahren für Patienten, die zur Lebertransplantation gelistet sind (Gonwa TA, Blood Purif. 33:144-48, 2012) bzw. für prinzipiell reversible Nierenversagen, bei denen ätiologisch kein HRS vorliegt (Cerdá J, Semin Dial 24:197-202, 2011). Interessanterweise gibt es keine kontrollierten Studien und überhaupt kaum klinische Studien, die sich mit der Rolle von NieNr. 5, 2013 renersatzverfahren bei dekompensierten Zirrhotikern bzw. HRS-Patienten beschäftigt haben. Keller et al. analysierten retrospektiv 107 Patienten mit dekompensiertem Leberversagen und ANV, davon 26 mit einem HRS damaliger Definition (u. a. niedriges Urin-Natrium). Aus der Gruppe erfüllten 82 Patienten Dialysekriterien (Crea >500µmol/L oder Oligurie), von denen aber nur 38 Patienten hämodialysiert wurden. In der Analyse wurden Dialysen in Fällen mit Thrombozytopenie (<100/nL) oder Enzephalopathie im Ergebnis als hoffnungslos eingeschätzt. Allerdings war das relative Versterberisiko in der Subgruppe, die trotz Dialyseindikation nicht dialysiert wurde, nochmals um den Faktor 2,7 größer als in der Dialysegruppe (Keller F, Ren Fail 17:135-46, 1995). Witzke et al. untersuchten prospektiv 30 Child C-Zirrhose-Patienten mit HRS und Dialysebehandlung. Dabei zeigte sich ein 6,6-faches relatives 30- Nierenersatztherapie bei Leberversagen Tage-Versterberisiko für beatmete Patienten (0/15 Überlebende vs. 8/15 bei nicht-beatmeten Patienten) (Witzke O, J Gastroenterol Hepatol 19:136973, 2004). In einer jüngeren retrospektiven amerikanischen Studie mit 30 HRS-TypI-Patienten ergab der Einsatz von Nierenersatzverfahren bei nicht-transplantierten Patienten keinen Überlebensvorteil im Vergleich zu gleich schwer Erkrankten ohne Dialyseverfahren (Sourianarayanane A, Int Urol Nephrol 2013 Aug 10 [Epub ahead of print]). Auch zur Frage nach dem am besten geeigneten Nierenersatzverfahren gibt es keine kontrollierten Untersuchungen bei Leberpatienten. Wegen besserer hämodynamischer Kontrolle werden von vielen Zentren häufiger kontinuierliche Techniken eingesetzt als intermittierende Hämodialysen. Allerdings besteht eine erhöhte Blutungsgefahr im Zusammenhang mit der verlängerten Antikoagulationsgabe. Die sonst intensivmedizinisch bewährte Zitratantikoagulation ist wegen der Stoffwechselinsuffizienz von Patienten mit Leberversagen nur begrenzt einsetzbar. Ob tatsächlich der mehrfach berichtete Überlebensnachteil unter kontinuierlichen Verfahren vs. intermittierender Hämodialyse besteht, ist bis heute unklar, da wahrscheinlich jeweils die krankeren Patienten das kontinuierliche Verfahren erhalten haben (Fraley DS, Kidney Int 54:518-24, 1998; Gonwa TA, Transplantation 71:1424-28, 2001; Wong LP, Kidney Int 68:362–70, 2005). Im allgemeinen intensivmedizinischen ANV-Patientengut findet sich in mehreren RCT-Studien nach adäquater Risikostratifizierung kein Überlebensunterschied zwischen kontinuierlichen und intermittierenden Verfahren (Davenport A, Clin J Am Soc Nephrol 3:869-75, 2008). Ebenso unbekannt ist der optimale Zeitpunkt zur Initiierung eines Nierenersatzverfahrens. Hier spielen sicherlich der Mangel an Frühmarkern des begin- nenden Nierenversagens und die oft uneinheitlichen Definitionen im Bereich Zirrhose-assoziierter ANV eine ungünstige Rolle (Cerdá J, Semin Dial 24: 197-202, 2011). Allgemein scheint bei ANV ein früher Beginn von Nierenersatztherapie mit besserem Überleben assoziiert zu sein (Seabra VF, Am J Kidney Dis 52:272–84, 2008). Bedeutung von LeberunterstützungsVerfahren In unserer Arbeitsgruppe an der Universität Rostock wurde in den 1990er Jahren das Leberunterstützungsverfahren MARS (Molecular Adsorbent Recirculating System) entwickelt und klinisch untersucht. In Deutschland gibt es nach umfangreicher Prüfung eine regelhafte Erstattung der Behandlungskosten, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch. Das Verfahren hat kürzlich FDA-Approval für die Anwendung in den USA erhalten. MARS ist derart ausgelegt, dass sowohl eine Nierenersatztherapie als auch die Entgiftung leberpflichtiger proteingebundener Metabolite wie Bilirubin oder Gallensäuren möglich ist. Die Effektivität der Nierenersatztherapie ist wegen der geringeren Flussraten im internen Entgiftungskreislauf im Vergleich zu einer intermittierenden Hämodialyse reduziert, allerdings mindestens vergleichbar mit der einer CVVH-Therapie. Da zumeist Behandlungszeiten zwischen sechs und 24 Stunden verordnet werden, ist eine ausreichende Effektivität im Sinne einer Clearance wasserlöslicher, dialysabler Substanzen gegeben (Mitzner SR, J Am Soc Nephrol 12(Suppl 17):S75-82, 2001). Bereits frühzeitig zeigte sich in mehreren klinischen Studien, dass Nierenfunktionsparameter bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose und auch bei akutem Lebersagen, die mit MARS behandelt wurden, signifikant gebessert wurden (Mitzner SR, Ther Apher 5:417-22, 2001; Schmidt LE, Liver Nr. 5, 2013 Transpl 7:1034-39, 2001; Sorkine P, Crit Care Med 29:1332-36, 2001). Es kam die klinische Fragestellung auf, inwieweit sich das MARS-Verfahren im Vergleich zu einer regulären Dialyse in der Behandlung von dialysepflichtigen Patienten mit HRS behaupten könne. In einer gemeinsamen randomisierten, kontrollierten Studie mit der Universität Tübingen wurden Patienten mit sehr weit fortgeschrittenem HRS-Typ 1 entweder mit Hämodiafiltration oder MARS behandelt. Dabei fiel zu einem frühen Zeitpunkt auf, dass das Überleben in der MARS-Gruppe signifikant verlängert war im Vergleich zur HDF-Gruppe (Mitzner SR, Liver Transpl 6:277-86, 2000). In der Folgezeit erschienen weitere klinische Studien und Fallberichte, die die Tauglichkeit des MARS-Verfahrens für die Indikation des Zirrhose-assoziierten ANV belegten (u. a. McIntyre CW, Clin Nephrol 58:376-83, 2002; Jalan R, J Hepatol 38:24-31, 2003; Di Campli C, Transplant Proc 37:2547-50, 2005; Saich R, Eur J Gastroenterol Hepatol 17: 585–88, 2005; Schött U, Lakartidningen 103:2050-53, 2006; Rahman E, Saudi J Kidney Dis Transpl 19:479-84, 2008; Gaspari R, Transplant Proc 41:253-58, 2009). In der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten RELIEF-Studie bei dekompensierten Leberzirrhosepatienten zeigte sich ein klarer Trend zur klinischen Verbesserung des HRS in der MARS-Gruppe (OR: 0.40; 95% CI 0.15-1.07; P < 0.07, Banares R, Hepatology 57:1153-62, 2013). Lavayssière und Kollegen fanden kürzlich unter MARS-Therapie bei HRS-1-Patienten 40% gebesserte Nierenfunktion, dabei 28% mit kompletter Wiederherstellung der Nierenfunktion (definiert als Serumkreatinin an Tag 28 von < 133 mmol/L). Das 28-Tage-Überleben betrug 47% (Lavayssière L, J Gastroenterol Hepatol 28:1019-24, 2013). Im Bereich des akuten Leberversagens wurde das MARSVerfahren erfolgreich als Bridging-Me- Nierenersatztherapie bei Leberversagen thode zur Lebertransplantation eingesetzt (Kantola T, Scand J Surg 100:8-13, 2011; Camus C, Ther Apher Dial 13:54955, 2009; Saliba F, Ann Intern Med 159:522-31, 2013). Auch mit dem Prometheus-Verfahren (Fractionated Plasma Separation and Adsorption, FPSA) sind die bisherigen klinischen Daten ermutigend. In der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten HELIOS-Studie wurde ein signifikant besseres 30-Tage-Überleben in der FPSA-Subgruppe mit HRSTyp-I gefunden (Kribben A, Gastroenterology 142:782-89, 2012). Ein möglicher Vorteil von Leberunterstützungsverfahren gegenüber klassischen Nierenersatzverfahren liegt in ihrer Fähigkeit, proteingebundene leberpflichtige Stoffwechselendprodukte wie Bilirubin, Gallensäuren, Albumin-gebundenes Stickstoff-Monoxid etc. zu entfernen. Hyperbilirubinämie vor Lebertransplantation ist ein Risikofaktor für die Entwicklung von Posttransplantations-Nierenversagen (Pham PT, In: Ronco R, Crit Care Nephrol 2009, 2nd Ed Saunders 2009:1052). Auch Kramer et al. fanden eine strenge Korrelation zwischen dem Bilirubinwert und der Sterblichkeit bei Intensivpatienten ohne bekanntes Leberversagen, unabhängig von klassischen Mortalitätsindikatoren. Dabei waren bereits minimal erhöhte Bilirubinwerte mit einer deutlichen Übersterblichkeit assoziiert (Kramer L, Crit Care Med 35:1099-104, 2007). Die gleichen Autoren sprachen sich im Gefolge für einen ausreichend frühen Beginn extrakorporaler Entgiftungsmaßnahmen bei Patienten mit beginnendem Leberversagen aus (d. h., vor Eintritt der prognoseverschlechternden Komplikationen), da bekanntermaßen Komplikationen wie Nierenversagen oder hepatische Enzephalopathie die Überlebenswahrscheinlichkeit drastisch senken (Kramer L, Liver Int 31 (Suppl) 3:1-4, 2011). Hinsichtlich des optimalen Zeitpunktes des Beginns einer MARS-Behand- lung gibt es Hinweise für Vorteile eines frühen Therapiebeginns aus einer kontrollierten, randomisierten Studie (Heemann U, Hepatology 36:949-58, 2002). Eingeschlossen wurden Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose und Hyperbilirubinämie, aber ohne Nierenversagen. Dabei kam es bei Patienten, die mit MARS behandelt wurden, weniger häufig zu einem Nierenversagen als in der Kontrollgruppe (1/12 vs. 7/12 Patienten). Das 28-Tage-Überleben der MARS-Gruppe in dieser Studie war dabei deutlich besser als in der HRSTyp1-Studie (Mitzner SR, Liver Transpl 6:277-86, 2000). Auch in der HRS-Arbeit von Lavayssière et al. hatten lediglich 53% der Patienten das RIFLE-Stadium Failure erreicht, als die extrakorporale Therapie mit dem MARS-Verfahren initiiert wurde (Lavayssière L, J Gastroenterol Hepatol 28:1019-24, 2013). In der Fachliteratur zum Thema HRS wurde ab den frühen 2000er Jahren regelmäßig auf die mögliche Bedeutung des MARS-Verfahrens als BridgingVerfahren zur Lebertransplantation für Patienten mit Leberzirrhose und ANV hingewiesen (u. a. Mullen KD, Hepatology 35:492-93, 2002; Tissières P, Pediatr Crit Care Med 6:585-91, 2005; Moreau R, Best Pract Res Clin Gastroenterol 21:111-23, 2007; Betrosian AP, World J Gastroenterol 13:5552-59, 2007; Bacher A, Transplant Proc 40:1179-82, 2008; Arroyo V, Nat Rev Nephrol 7:51726, 2011; Cerda J, Semin Dial 24:197202; 2011; Gonwa TA, Blood Purif 33:144-48, 2012). Zusammen mit den vorliegenden klinischen Daten zu dieser Indikation erscheint es medizinisch vertretbar und sinnvoll, Patienten mit Leberversagen und assoziiertem ANV, die zur Lebertransplantation gelistet sind bzw. dafür evaluiert werden, statt mit einem herkömmlichen Nierenersatzverfahren mit MARS bzw. einem gleichwertigen Leberunterstützungsverfahren zu behandeln, wenn konservative MaßnahNr. 5, 2013 men, wie Ausgleich einer Hypovolämie, nicht zu einer Besserung des Nierenversagens führen. Zusammenfassung Die Rolle von Nierenersatzverfahren in der Behandlung des Zirrhose-assoziierten ANV ist bisher nur unzureichend untersucht. Der Autor konnte keine kontrollierten Studien zu dem Thema identifizieren. Eine international anerkannte Konsensusdefinition zum Zirrhose-assoziierten ANV, wie sie kürzlich vom North American Consortium for the Study of End-Stage Liver Disease vorgeschlagen wurde, könnte helfen, zukünftige Studien vergleichbar zu machen (Wong F, Gastroenterology 2013 Aug 30, Epub ahead of print). Neben der Frage des Verfahrens, der Antikoagulation und begleitenden Standardtherapie sollte vor allem dem optimalen Therapiezeitpunkt Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die erste Phase des HRS, in dem ein überwiegend funktionelles Organversagen vorliegt, erscheint optimal zum Beginn der therapeutischen Intervention. Dazu werden alternative Biomarker bzw. Markerkombinationen dringend benötigt. Leberersatzverfahren wie MARS oder Prometheus haben bisher keinen endgültigen Beweis ihrer Wirksamkeit bei Zirrhose-assoziiertem ANV im Sinne einer Überlebensverbesserung erbracht. Allerdings ist die Datenlage deutlich hoffnungsvoller und substanzieller als bei klassischen Dialyseverfahren. Prof. Dr. Steffen R. Mitzner Klinik für Innere Medizin/ Abteilung für Nephrologie Universität Rostock Rostock [email protected] Fetale Programmierung Fetale Programmierung: Epidemiologie, Pathophysiologie und Epigenetik Es existieren viele Momente im Leben eines Menschen, in welchen Umwelteinflüsse eine entscheidende Rolle für den Gesundheitszustand eines Individuums spielen. In keiner Phase des Lebens ist man aber mehr von dem umgebenden Milieu abhängig als während der Embryo- und Fetogenese. Wachstum und Entwicklung in utero sind komplexe und dynamische Prozesse, welche die Interaktion einer Vielzahl von maternalen und fetalen Komponenten für einen reibungslosen Ablauf benötigen ( Jeppesen J, J Am Coll Cardiol 49:2112-19, 2007; Jeppesen J, Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 15:594-98, 2008; Marx N, Clin Res Cardiol 1[Suppl]:31–38, 2006). Diese komplexe Interaktion zwischen Mutter, Plazenta und Kind gewährleistet eine optimale Versorgung mit Nährstoffen, Sauerstoff und endokrinen Signalen, allesamt Voraussetzungen für eine normale Entwicklung. Störungen in diesem Versorgungssystem können nicht nur unmittelbare Auswirkungen haben, wie etwa veränderte fetale Wachstumsmuster, sondern sind, wie die derzeitige Beweislage suggeriert, mit im späteren Leben bei den Nachkommen auftretenden Krankheiten assoziiert. Epidemiologische Daten sprechen zweifelsfrei für das Phänomen der fetalen Programmierung. Barker et al. waren zwar nicht die ersten, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzten, aber es waren ihre in England und Wales in den späten achtziger Jahren durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Geburtsgewicht und einem im späteren Leben gesteigerten Erkrankungsrisiko für koronare Herzkrankheit herstellen konnten (Osmond C, BMJ 307:1519–24, 1993). Hales et al. konnten in einer weiteren Folgestudie der von Barker et al. untersuchten Kohorte, wobei dieses Mal nur Männer im Alter von 64 Jahren eingeschlossen wurden, zeigen, dass eine ähnliche inverse Korrelation zwischen dem Geburtsgewicht, Glukosetoleranz und Insulinresistenz besteht (Hales CN, BMJ 303:1019–22, 1991). Zusätzlich konnten sie demonstrieren, dass Individuen mit dem niedrigsten Geburtsgewicht, im Vergleich zu schwereren Neugeborenen, ein sechsfach erhöhtes Risiko aufwiesen, im weiteren Leben eine eingeschränkte Glukosetoleranz bzw. Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Diese Entdeckungen sind mittlerweile in verschiedenen Populationen unterschiedlicher Ethnien repliziert worden (Hales CN, Br Med Bull 60:5-20, 2001). Basierend auf diesen Beobachtungen, formulierten Hales und Barker die sogenannte Thrifty-Phenotype-Hypothese. Laut diesem Erklärungsmodell werden durch fetale Malnutrition eine Reihe epigenetischer Adaptionsvorgänge in die Wege geleitet, die den Fetus auf eine nährstoffarme Postnatalphase vorbereiten, um so die Überlebenschancen zu maximieren. Bei Nichtübereinstimmung zwischen prä- und postnatalem Nährstoffangebot sind sie jedoch maladaptiv und das Auftreten von vor allem metabolisch bedingten Erkrankungen im späteren Leben wird dadurch begünstigt (Hales CN, Br Med Bull 60:5, 2001; Hales CN, Diabetologia 35:595–601, 1992). Nr. 5, 2013 Es existieren schon mehrere Hinweise, dass die Zusammenhänge zwischen reduziertem Geburtsgewicht, eingeschränkter Glukosetoleranz und erhöhtem Krankheitsrisiko im späteren Leben komplexer sind als dies durch die „Thrifty Phenotype-Hypothese“ dargestellt wird. Darüber hinaus mehren sich mittlerweile auch Studien, in welchen gezeigt werden konnte, dass nicht alle Formen von fetaler Programmierung zwingend einen Einfluss auf den bis dato herangezogenen Surrogatparameter Geburtsgewicht haben müssen, weil manche der durch intrauterine Malnutrition ausgelösten strukturellen Veränderungen keine Änderung des Gewichts bewirken (Singh RR, J Physiol 579:503-13, 2007). Ferner weisen mehr und mehr Studien darauf hin, dass der doch recht grobe Parameter Geburtsgewicht in Zukunft durch weitere Surrogatparameter ergänzt werden sollte (Pfab T, Circulation 114:1687–92, 2006; Li J, J Hypertens 29:1712-18, 2011). Abseits von biometrischen Parametern lässt sich eine fetale Programmierung wahrscheinlich auch durch biochemische Parameter nachweisen, wobei hier der Insulinresistenz, beziehungsweise mit Insulinresistenz assoziierten sekundären Veränderungen, z. B. der Expression von Insulin-abhängig regulierten Zielgenen eine große Bedeutung zukommt (Pfab T, Circulation 114:1687–92, 2006; Li J, J Hypertens 29:1712-18, 2011). Bis dato war man der Ansicht, dass Blutzuckerkonzentrationen des Fetus in passiver Weise maternale Blutzuckerkonzentrationen widerspiegeln. In manchen Studien konnte jedoch schon Fetale Programmierung gezeigt werden, dass fetale Antworten auf maternale Glukosespiegel nicht so uniform sind wie bisher angenommen. Pfab et al. konnten in einer großen kaukasischen Kohorte zeigen, dass eine inverse Assoziation zwischen total glykiertem Hämoglobin (TGH) des Neugeborenen und dessen Geburtsgewicht besteht (Pfab T, Circulation 114: 1687–92). Bei Exposition gegenüber ähnlichen maternalen Glukosespiegeln (gemessen am maternalen TGH) scheinen leichtere Neugeborene im Vergleich zu schwereren Neugeborenen nicht in der Lage zu sein, adäquat zu reagieren (gemessen an erhöhten fetalen TGHKonzentrationen). TGH wurde als Glykämie definierender Surrogatparameter eingesetzt, der möglicherweise auch eine Insulinresistenz reflektieren könnte, wobei Insulinresistenz als Grund für Hyperglykämie bei Neugeborenen mit reduziertem Geburtsgewicht schon beschrieben wurde (Goldman SL, Pediatric Res [Internet]. 1980; 14. Verfügbar unter: http://journals.lww. com/pedresearch/Fulltext/1980/01000/ Attenuated_Response_to_Insulin_in_Very _Low.12.aspx; Pollak A, Pediatrics 61: 546-49, 1978; Hofman PL, J Clin Endocrinol Metab 82:402–06, 1997). Die Autoren haben die Hypothese aufgestellt, dass Unterschiede der fetalen TGH-Konzentrationen durch eine schon in utero vorhandene reduzierte Insulinsekretion bzw. gesteigerte Insulinresistenz bedingt sein könnten. Darüber hinaus wird angenommen, dass die pathophysiologischen Mechanismen, die pränatales Wachstum und postnatale Insulinsensitivität verknüpfen, schon zum Zeitpunkt der Geburt ausgebildet sind. Li et al. erzielten in einer asiatischen Kohorte ähnliche Resultate. Sie konnten zeigen, dass die Konzentration glykierter Serum-Proteine (GSP), einem weiteren Surrogatparameter für Glykämie und mutmaßlich auch für Insulinresistenz, im fetalen Blut nicht nur invers mit dem Geburtsgewicht des Neugeborenen korreliert, sondern in negativer Weise auch mit dem mittels Ultraschall am Ende der Schwangerschaft bestimmten Abdomenumfang bzw. der Kopf-Abdomen-Umfang-Ratio assoziierbar ist (Li J, J Hypertens 29:1712-18, 2011). Intrauterine Wachstumsretardierung kann Anpassungsvorgänge im Fetus induzieren, wobei sich das normalerweise ausgewogene Wachstumsmuster des fetalen Organismus verändert und ein Wachstum des Gehirns auf Kosten des Rumpfwachstums aufrechterhalten wird, ein Phänomen, das als „brain sparing“ bezeichnet wird (Sadiq HF, Brain Res 823:96–103, 1999; al-Ghazali W, Br J Obstet Gynaecol 96:697–704, 1989; Baschat AA, Br J Obstet Gynaecol 111: 1031–41, 2004). Ähnlich der Kreislaufzentralisation beim Schock, sorgen diese Adaptionsmechanismen für eine optimale Entwicklung des absolut lebensnotwendigen Organs, jedoch bewirkt die Fokussierung eine suboptimale Genese anderer Gewebe und Organe (z. B. endokriner Pankreas, Leber) (Lumbers ER, Exp Pharmacol Physiol 28:942–47, 2001; Bueno MP, Rev Bras Ginecol Obstet 32: 163–68, 2010). Die Ergebnisse von Li et al. untermauern diese Theorie und zeigen, dass man durch Ultraschall-gestützte Vermessung anthropometrischer Parameter, wie der Kopf-Abdomen-Umfang-Ratio, solche biologischen Phänomene auch nachweisen kann (Li J, J Hypertens 29:1712-18, 2011). Die Autoren räumen jedoch ein, dass bis dato nur Assoziationen zwischen dem mutmaßlichen Surrogatparameter Insulinresistenz und einem reduzierten Geburtsgewicht bzw. weiteren anthropometrischen Parametern hergestellt werden konnten. Die Frage, ob Insulinresistenz kausal ein verringertes Geburtsgewicht bewirken kann, bleibt vorerst noch unbeantwortet. Da die Messung von Glukosetoleranz und InNr. 5, 2013 sulinsensitivität in größeren humanen Kohorten praktisch schwer durchführbar ist, und durch die Invasivität dieser Methoden ethisch nicht zu verantworten ist, erscheint es notwendig, mittels geeigneter Tiermodelle den genauen Mechanismus näher darzustellen. Ferner existieren auch noch grundlegende Kontroversen, was den hinter diesen Assoziationen steckenden Mechanismus anbelangt. Im Gegensatz zu Barkers epigenetischem Erklärungsmodell postulierten Hattersley und Tooke (Hattersley AT, Lancet 353:1789– 92, 1999), dass niedriges Geburtsgewicht, Insulinresistenz und letztendlich Glukoseintoleranz beziehungsweise Typ 2 Diabetes mellitus möglicherweise allesamt Phänotypen desselben insulinresistenten Genotyps sind. Bis dato wurde in den meisten Studien zu fetaler Programmierung nur der Einfluss der Mutter auf die nachfolgenden Generationen untersucht. Es gibt jedoch mehr und mehr Hinweise, dass auch der Vater eine tragende Rolle in der epigenetischen Prägung der Nachkommenschaft einnimmt. Epidemiologische Daten humaner Populationen zeigten, dass die Enkel von Männern, die einer eingeschränkten Kalorienzufuhr in der langsamen Wachstumsphase kurz vor Eintitt der Pubertät ausgesetzt waren, signifikant länger lebten als Enkel von Männern, denen in dieser Phase ausreichend Nahrung zur Verfügung stand (Bygren LO, Acta Biotheor 49:53–59, 2001). In einer detaillierteren Analyse dieser Daten wurde festgestellt, dass ein überschießendes Nahrungsangebot des paternalen Großvaters in der Enkelgeneration mit einem vierfach erhöhten Risiko verbunden war, an einer Diabetes-assoziierten Erkrankung zu versterben (Kaati G, Eur J Hum Genet 10:682– 88, 2002). In einer unserer vorausgehenden humanen Studien zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem BMI des Vaters, verschiedenen anthropometrischen Fetale Programmierung Parametern und dem Serum-Cortisol männlicher Neugeborenen (Chen YP, PLoS ONE 7:e36329, 2012). Auch in einer Handvoll an tierexperimentellen Studien an Ratten und Mäusen konnte ein programmierender Einfluss des Vaters bestätigt werden. In einer Studie von Anderson et al. wurde gezeigt, dass eine vor der Verpaarung eingehaltene paternale Nahrungskarenz zu reduzierten SerumGlukosespiegeln in der F1-Generation führt (Anderson LM, Nutrition 22: 327– 31, 2006). Ng et al. konnten in ihrer Studie demonstrieren, dass eine Hochfettdiät des Vaters eine Betazell-Dysfunktion des Pankreas in der F1-Generation bewirkt (Ng SF, Nature 467:963–66, 2010). Abgesehen von diätischen Beeinflussungen des Vaters konnte auch gezeigt werden, dass eine bei Männchen kurz vor der Verpaarung durchgeführte Thyreoidektomie zu vergrößerten Hypophysen und Schilddrüsen, reduzierten TSH-Spiegeln und diversen anderen Veränderungen in der F1-Generation führt (Bakke JL, Metabolism 25: 437–44, 1976). Viele der Studienergebnisse bezüglich paternal mediierter fetaler Programmierung zeigen, dass die bewirkten Veränderungen oft metabolischer Natur sind (Kaati G, Eur J Hum Genet 10:682–88, 2002; Anderson LM, Nutrition 22:327–31, 2006; Ng SF, Nature 467:963–66, 2010). Dies untermauert die wissenschaftliche Notwendigkeit, in dem geplanten Versuchsvorhaben auch die Effekte einer paternalen bis zum Zeitpunkt der Verpaarung eingehaltenen eiweißarmen Diät auf die F1Generation zu untersuchen. Obwohl man die zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen bis heute noch unzureichend versteht, deutet die derzeitige Studienlage darauf hin, dass verschiedene Formen der fetalen Programmierung auf epigenetische Modifikationen der DNA zurückzuführen sind. Besondere Milieubedingungen während der Schwangerschaft bzw. kurz nach der Geburt, können in experimentellen Modellen der fetalen Programmierung zu Veränderungen der Methylierung von Promotoren führen und dadurch direkt und indirekt die Expression einer Vielzahl von Genen beeinflussen. Bei Ratten, zum Beispiel, bewirkte eine proteinarme Diät während der Trächtigkeit Änderungen der Promotor-Methylierung und Genexpression des hepatischen Glucuronidrezeptors und peroxisome proliferator-activated receptor α (PPAR-α) (Lillycrop KA, J Nutr 135:1382–86, 2005). Ähnliche epigenetische Veränderungen konnten an p53 in der Niere gezeigt werden (Pham TD, m J Physiol Regul Integr Comp Physiol 285:R962–70, 2003), mit Beeinflussung renaler Apoptosevorgänge, dem suprarenalen Angiotensin-II-Typ-1b-Rezeptor (BogdarinaI, Circ Res 100:520–26, 2007), was eine Modifikation der Blutdruckregulation bewirkte, und an dem hypothalamischen Glucokorticoidrezeptor, dessen Modifikation zu veränderten Stressantworten führte (Weaver ICG, Nat Neurosci 7:847–54, 2004). Effekte am Phänotyp eines Individuums weisen bei während der Entwicklung stattgefundenen epigenetischen Modifizierungen mitunter eine sehr lange Latenz auf und können sich auch erst im Laufe eines Lebens manifestieren. Noch ist nicht genau bekannt, wann und für wie lange das Zeitfenster für epigenetische Veränderungen geöffnet ist, man nimmt jedoch an, dass dies von der perikonzeptionellen Periode bis in die postnatale Phase möglich ist (Weaver ICG, Nat Neurosci 7: 847–54, 2004; Sinclair KD, Proc Natl Acad Sci USA 104:19351-56, 2007). Einen wichtigen epigentischen Mechanismus stellt die koordinierte Methylierung bzw. Demethylierung von CpG-Inseln (Cytosin/Guanosin-reiche-DNA-Abschnitte) in der Promotorregion bestimmter Gene dar. Über eine erschwerte bzw. vereinfachte ReNr. 5, 2013 krutierung der Transkriptionsmaschinerie wird so eine Hoch- beziehungsweise Herabregulation der Expression von Genen bewirkt. Frühe, im Zuge der Entwicklung induzierte epigenetische Veränderungen der DNA sind meist sehr stabil und können ein Leben lang nachgewiesen werden (Szyf M, Biochim Biophys Acta 1790:878–85, 2009), was man auch an den deletären Effekten fetaler Programmierung erkennen kann. In einigen Arbeiten wurde schon der Versuch unternommen, auf solche, in einem frühen Entwicklungsstadium stattfindende, epigenetische Veränderungen modifizierend einzuwirken. Lillycrop et al. konnten in einem Rattenmodell der fetalen Programmierung zeigen, dass eine proteinarme Diät der trächtigen Muttertiere zu einer Hypomethylierung verschiedener Gene führt, dieser Effekt bei einer gleichzeitigen Supplementierung der proteinarmen Diät mit Folat jedoch ausblieb (Lillycrop KA, J Nutr 135:1382–86, 2005). Auch in anderen Studien konnte demonstriert werden, dass die DNA-Methylierungsmaschinerie auf mit der Nahrung aufgenommene Methylgruppen-Donatoren, beziehungsweise auf essentielle Mikronährstoffe angewiesen ist und dass eine Restriktion dieser Faktoren, abhängig vom Zeitpunkt, weitreichende Folgen auf den Phänotyp der Nachkommenschaft haben kann (Sinclair KD, Proc Natl Acad Sci USA 104:19351–56, 2007). Ein interessantes Erklärungsmodell des hinter epigenetischen Veränderungen steckenden Mechanismus liefert die „Free Radical Theory of Developement“ (Hitchler MJ, Free Radic Biol Med 43:1023–36, 2007; Sohal RS, J Free Radic Biol Med 2:175–81, 1986). Diese stützt sich auf die biochemische Verknüpfung von Redox-Puffersystemen, wie Glutathion und dem Methylgruppenmetabolismus. Es konnte gezeigt werden, dass es in Tiermodellen der fetalen Programmierung, wie z. B. im Fetale Programmierung Proteinrestriktionsmodell, zu einer Kapazitätseinschränkung von Redox-Puffersystemen kommt und der Organismus vermehrt oxidativem Stress ausgesetzt ist (Hitchler MJ, Free Radic Biol Med 43:1023–36, 2007). Eine dem entgegen gerichtete Maßnahme, die vermehrte Produktion von Glutathion, benötigt Metaboliten des C1-Stoffwechsels, was zu einer verminderten Verfügbarkeit des essentiellen Methylgruppendonators S-Adenosylmethionin (SAM) führt und so epigenetische Mechanismen einschließlich DNA- und Histonmethylierung beeinflussen kann (Hitchler MJ, Free Radic Biol Med 43:1023–36, 2007). Camboine et al. konnten in einem Proteinrestriktionsmodell zeigen, dass man durch eine gleichzeitige Fütterung des Lipidperoxidationsinhibitors Lazaroid (U-74389G) die Effekte einer während Schwangerschaft und Stillzeit angebotenen proteinarmen Diät auf Blutdruckregulation, vaskuläre Funktion und mikrovaskuläre Rarefizierung ver- hindern kann und auch einer Reduktion von Glutathion entgegenwirkt (Cambione G, Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol 292:R1236–45, 2007). Auch mit anderen antioxidativ wirkenden Substanzen konnten schon ähnliche Effekte erzielt werden (Chatterjee PK, Kidney Int 58:658–73, 2000; Dolinsky VW, Diabetes 60:2274 –84, 2011; Vieira-Filho LD, Pediatr Nephrol 26:2019–29, 2011). Melatonin scheint hierbei eine besonders vielversprechende Substanz darzustellen. Es ist bekannt, dass Melatonin antioxidative Wirkung entfaltet, und Peroxid-Radikale, die im Rahmen der Lipidperoxidation freiwerden, beseitigen kann (Reiter RJ, J Pineal Res 18:1–11, 1995). Des Weiteren sind auch Melatonin-Metabolite, welche durch die Reaktion mit freien Radikalen entstehen, starke Antioxidantien (Tan DX, J Pineal Res 42:28-42, 2007; Hardeland R, Nutr Metab [Lond] 2:22, 2005). Obwohl Melatonin die GluthathionPeroxidase stimuliert, somit Glutathion aus der reduzierten in die oxidierte Form überführt, konnte in Experimenten an neugeborenen Ratten gezeigt werden, dass Melatonin einer pharmakologisch mediierten Entleerung der Glutathion-Speicher entgegenwirken kann (Abe M, J Pineal Res 17:94– 100, 1994). Da mehrere Studien die Hypothese unterstützen, dass auch oxidativer Stress in Mechanismen der fetalen Programmierung involviert sein kann, ergibt sich somit ein neuartiger Interventionsansatz, der im Rahmen des geplanten Tierversuches näher untersucht werden soll. Melatonin stellt in dieser Hinsicht einen vielversprechenden Mediator dar. Prof. Dr. Berthold Hocher Universität Potsdam Institut für Ernährungswissenschaften Potsdam [email protected] Rituximab bei MCN Minimal Change Nephropathie und fokale segmentale Glomerulosklerose: Wann sollen wir bei Erwachsenen an den Einsatz von Rituximab denken? Die Minimal Change Nephropathie (MCN) und die primäre fokal segmentale Glomerulosklerose (pFSGS) sind häufige Ursachen eines nephrotischen Syndroms im Kindes-, aber auch Erwachsenenalter und beide Entitäten sind häufig durch einen komplizierten Krankheitsverlauf schwierig zu behandeln. Patienten mit MCN sprechen zwar in einem hohen Prozentsatz auf eine Therapie mit Steroiden an, jedoch sind circa 25% steroidresistent und/oder die Erkrankung geht mit Schüben des nephrotischen Syndroms einher, die im ungünstigen Fall entweder häufig nach (frequent relaps) oder sogar vor (steroidabhängiger Verlauf ) dem Absetzen der Steroide auftreten können (Waldman M, Clin J Am Soc Nephrol 2:445-53, 2007). Zumindest ein ähnlich reduziertes Ansprechen auf eine primäre Steroidtherapie wurde auch bei Patienten mit pFSGS beschrieben (Chun MJ, J Am Soc Nephrol 15:2169-77, 2004). Allerdings erleidet bei dieser Erkrankung ein Großteil zumindest einen Relaps des nephrotischen Syndroms (Troyanov S, J Am Soc Nephrol 16:1061-68, 2005). Die langdauernde Glukokortikoidtherapie bei Steroidabhängigkeit und häufigem Relaps verursacht viele Nebenwirkungen und führt zu Co-Morbiditäten, wie zum Beispiel einer Hypercholesterinämie, arteriellen Hypertonie, Reduktion der Knochendichte, einer gestörten Glukosetoleranz und einem generell erhöhten kardiovaskulären Risiko (Moghadam-Kia S, Int J Dermatol 49:239-48, 2010). Daher ist eine Minimierung der kumulativen Steroiddosis erstrebenswert, bei Steroidresistenz muss auch sofort zu Alternativen gegriffen werden. In der Therapie der MCN sowie der pFSGS konnten diverse immunsuppres- sive/immunmodulatorische Therapeutika einen Nutzen zeigen, zu diesen zählen unter anderem Calcineurin-Inhibitoren, Mycophenolat Mofetil, Levamisole und Cyclophosphamid (Waldman M, Clin J Am Soc Nephrol 2:445-53, 2007; Gipson DS, Kidney Int 80:868-78, 2011; Boyer O, Pediatr Nephrol 23:57580, 2008), wobei diese Substanzen wiederum erhebliches Toxizitätspotential aufweisen, welches wieder den Einsatz wesentlich limitiert. Rituximab (RTX) ist ein chimärer, monoklonaler Antikörper, welcher gegen das auf der Oberfläche von B-Zellen präsente Antigen CD20 gerichtet ist. Der Nutzen dieser Therapie konnte bereits bei diversen Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis, der ANCA-assoziierten Vaskulitis, der idiopathischen membranösen Glomerulonephritis (Ruggenenti P, J Am Soc Nephrol 23:1416-25, 2012) und bei diversen Kollagenosen, Myositiden und therapierefraktären Fällen der Lupus Nephritis gezeigt werden (Kronbichler A, BMC Med 11:95, 2013). Stellenwert von Rituximab bei MCN und pFSGS In den KDIGO-Richtlinien zur Glomerulonephritis aus dem Jahr 2012 wird für schwierige Krankheitsverläufe der MCN eine Therapie mit oralem Cyclophosphamid (Evidenzgard 2C) oder bei Unverträglichkeit Cyclosporin A empfohlen, ein Calcineurininhibitor sollte auch bei einem Relaps bzw. bei Therapieresistenz nach Cyclophosphamid Verwendung finden (Evidenzgrad 2C). Als weitere Alternative wird Mycophenolat Mofetil empfohlen (Evidenzgrad 2C). Bei pFSGS wird als seNr. 5, 2013 cond line Therapie primär der Einsatz von Cyclosporin A empfohlen (Evidenzgrad 2D). In den Empfehlungen wird Rituximab als weitere Therapiealternative zwar ebenfalls erwähnt, es wird aber auch klar darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, randomisierte, kontrollierte Studien sowohl bei steroidabhängiger oder häufig relapsierender MCN bzw. pFSGS durchzuführen, bevor ein endgültiges Urteil abgegeben werden kann (Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] Glomerulonephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glomerulonephritis: Kidney Int 2:139–274, 2012). Die derzeitigen Erfahrungen beschränken sich auf Fallberichte bzw. Fallserien. Rituximab bei Minimal Change Nephropathie In der Tabelle 1 sind die Charakteristika der bislang vorliegenden Publikationen zusammengefasst. Im Wesentlichen erschweren verschiedene Therapieschemata und der variable genetische Hintergrund (Asiaten vs. Kaukasier) der untersuchten Kollektive die Interpretation der Daten. Die häufigsten Applikationsformen waren eine einmalige Gabe von Rituximab (zumeist 500 mg) und die, in der Therapie des Non Hodgkin Lymphoms etablierte 4-malige Gabe in wöchentlichem Abstand (á 375 mg/m2). Zusätzlich muss erwähnt werden, dass die Infusion häufig zum Zeitpunkt einer kompletten Remission erfolgte und somit primär als Versuch gesehen werden muss, die Relapsrate zu reduzieren. Ein Großteil der Patienten hatte multiple Vortherapien bzw. zum Zeitpunkt der Infusion unterschiedliche immunsup- Rituximab bei MCN Tabelle 1: Patientencharakteristika von Patienten, die aufgrund einer Minimal Change Nephropathie Rituximab erhalten haben. Die Tabelle beinhaltet wesentliche Merkmale (Alter bei Erkrankungsbeginn, zuvor verwendete immunsuppressive Strategien, die Proteinurie zum Zeitpunkt der Rituximab-Therapie, die Dauer der Grunderkrankung vor Rituximab-Therapie, sowie die Relapsrate nach Rituximab und die Art und Weise der Rituximab-Applikation). Autor Geschlecht SR/SD Alter bei Diagnose Vorherige Therapien Proteinurie zum Zeitpunkt von RTX Proteinurie zum Zeitpunkt der letzten Kontrolle Beobachtungszeit Relapse nach RTX Applikation von RTX Peters et al. weiblich (1) SD (1) 2 Jahre Tacrolimus (1), MMF (1), CSA (1), CPA (1) 10 Gramm/Tag komplette Remission (1) 13 Monate 1 Relaps 2x1000 mg (2) Yang et al. weiblich (1) SD (1) 40 Jahre MMF (1) 15 Gramm/Tag komplette Remission (1) > 12 Monate 0 4x375 mg/m2 (1) Francois et al. weiblich (1) SD (1) 6 Jahre MMF (1), CSA (1), CPA (1), levamisole (1) 3,5 Gramm/Tag komplette Remission (1) 28 Monate 0 4x375 mg/m2 (1) Beco et al. weiblich (1) SD (1) 3 Jahre MMF (1), CSA (1), levamisole (1) 0 Gramm/Tag komplette Remission (1) > 12 Monate - 2x375 mg/m2 (1) Kurosu et al. männlich (1) SD (1) 9 Jahre MMF (1), CSA (1), LDL-apheresis (1) 5 Gramm/Tag komplette Remission (1) 12 Monate - 1x375 mg/m2 (1) Hoxha et al. weiblich (1), männlich (5) SD (6) 3-29 Jahre MMF (3), AZA (1), CSA (6), CPA (2), levamisole (1), RTX (1) 0,25-9,4 Gramm/ Tag komplette Remission (5), partielle Remission (1) 12 Monate 1 Relaps (1)t 1x375 mg/m2 (6) Kisner et al. weiblich (2), männlich (1) SR (2), SD (1) 18-46 Jahre MMF (1), CSA (3) 1,2-3,3 Gramm/ Tag komplette Remission (2), partielle Remission (1) 3-23 Monate 1 Relaps 2x1000 mg (3), 2x637,5 mg (1) Amemiya et al. männlich (1) SD (1) 23 Jahre CSA (1), LDL-apheresis (1) 0 Gramm/Tag komplette Remission 6 Monate - 1x375 mg/m2 (1) Kronbichler et al. männlich (2) SD (2) 2-6 Jahre MMF (1), CSA (2) 0 Gramm/Tag komplette Remission (2) 20 Monate - 4x375 mg/m2 (2) Kong et al. weiblich (5), männlich (2) SR (2), SD (4), nc (1) 5-77 Jahre CPA (3), MMF (3), CSA (2), IL-5 receptor antagonist nicht berichtet komplette Remission (5), partielle Remission (2) 7-44 Monate 2 Patienten 1x500 mg (2), mit zumindest 1x600 mg (3), 1 Relaps (1-2) 4x500 mg (1), 4x600 mg (1) Munyentwali et al. weiblich (4), männlich (13) SD (17) 1-63.2 Jahre Tacrolimus (2), MMF (12), CSA (13), CPA (4), levamisole (7), mechlorethamine (3), chlorambucil (1), pefloxacin (1), basiliximab (1) 0,05-6,2 Gramm/ Tag komplette Remission (15), 5,1-82,2 kein Ansprechen (2) Monate 6 Patienten 1x375 mg/m2 (1), mit zumindest 2x375 mg/m2 (7), 1 Relaps (1-3) 3x375 mg/m2 (4), 4x375 mg/m2 (3), 2x1000 mg (2) Ganzemueller et al. nicht berichtet nc (1) nicht berichtet nicht berichtet 13,8 Gramm/ Tag komplette Remission (1) nicht berichtet 1x375 mg/m2 (1) Takei et al. weiblich (6), männlich (19) SD nicht berichtet CSA (20), MMF (3), MZ (5) 2,5± 3,5 Gramm/ Tag komplette Remission (25) 12 Monate 4 Patienten 2x375 mg//m2 Abstand 6 Monate, max. 500 mg) Sugiura et al. weiblich (2), männlich (8) SR (2), SD (8) 1-59 Jahre CSA (7), MMF (1), MZ (2) 3,8± 4,1 Gramm/ Tag komplette Remission (10) 1 Patient 1x375 mg/m2, max. 500 mg nicht berichtet 6 Monate Abkürzungen: SR=steroidresistent, SD=steroidabhängig, nc=nicht klassifiziert, MCN=Minimal Change Nephropathie, FSGS=fokal segmentale Glomerulosklerose, MPA=Mycophenolsäure, MMF=Mycophenolat Mofetil, CSA=Cyclosporin A, CPA=Cyclophosphamid, LDL=low density lipoprotein, AZA=Azathioprin, RTX=Rituximab, MZ=Mizoribine. Die Patientenzahl ist in Klammern dargestellt (Peters HP, Neth J Med 66:408-15, 2008; Yang T, Nephrol Dial Transplant 23:377-80, 2008; Francois H, Am J Kidney Dis 49:158-61, 2007; Beco A, Clin Nephrol 74:308-10, 2010; Kurosu N, Intern Med 48:1901-04, 2009; Hoxha E, Clin Nephrol 76:151-58, 2011; Kisner T, Nephron Clin Pract 120:c79-85, 2012; Amemiya N, Clin Exp Nephrol 15:933-36, 2011; Kronbichler A, Wien Klin Wochenschr 125:328-33, 2013; Kong WY, Int Urol Nephrol 45:795-802, 2013; Munyentwali H, Kidney Int 83:511-16, 2013; Ganzemueller J, Minerva Urol Nefrol 63:263-72, 2011; Takei T, Nephrol Dial Transpl 28:1225-32, 2013; 2012; Sugiura H, Nephron Clin Pract 117:c98-105, 2011). pressive Begleittherapien, zusätzlich war auch der Beobachtungszeitraum variabel. Die beste Evidenz für eine mögliche Indikation für Rituximab als Therapeutikum der MCN im Erwachsenenalter kommt aus Untersuchungen aus Frankreich sowie Japan. In einer Arbeit von Munyentwali et al. wurde bei 11 von 17 Patienten eine prolongierte komplette Remission ohne Relaps erreicht (Beobachtungszeitraum: 5-82 Monate). Von den anderen 6 Patienten hatten 4 je einen, ein Patient 2 und ein Patient 3 Schübe (Beobachtungszeitraum: 17-50 Nr. 5, 2013 Monate). Die Summe an RituximabInfusionen variierte von 1-4 Applikationen á 375 mg/m2. In Summe gelang es aber, die Relapsrate im Vergleich zum Krankheitsverlauf vor der RituximabTherapie signifikant zu reduzieren (p< 0,05), die Steroiddosis konnte von einer Rituximab bei MCN Tabelle 2: Patientencharakteristika von Patienten, die aufgrund einer fokal segmentalen Glomerulosklerose Rituximab erhalten haben. Die Tabelle beinhaltet wesentliche Merkmale (Alter bei Erkrankungsbeginn, zuvor verwendete immunsuppressive Strategien, die Proteinurie zum Zeitpunkt der Rituximab-Therapie, die Dauer der Grunderkrankung vor Rituximab-Therapie, sowie die Relapsrate nach Rituximab und die Art und Weise der Rituximab-Applikation). Autor Geschlecht SR/SD Alter bei Diagnose Vorherige Therapien Proteinurie zum Zeitpunkt von RTX Proteinurie zum Zeitpunkt der letzten Kontrolle Beobachtungs- Relapse zeit nach RTX Applikation von RTX Peters et al. männlich (1) SD(1) 12 Jahre Tacrolimus (1), MMF (1), CSA (1), MPA (1) nicht berichtet kein Ansprechen (1) 6 Monate HD (1) 2x1000 mg (1) Kisner et al. männlich (2) SR (1), SD (1) 48-49 Jahre Tacrolimus (1), MMF (1), CSA (2) 4,3-9,8 Gramm/ Tag partielle Remission (2) 3-8 Monate 0 2x1000 mg (1), 1x1000 mg (1) Kronbichler et al. weiblich (1), männlich (2) SD (3) 4-23 Jahre Tacrolimus (1), MMF (3), CSA (3), CPA (2) 0-7,5 Gramm/ Tag komplette Remission (3) 14-55 Monate 1 Relaps (1) 4x375 mg/m2 (5) Kong et al. weiblich (1), männlich (1) SR (1), SD (2), nc (1) 18-60 Jahre CPA (2), CSA (2), MMF (1), AZA (1), PE (1) nicht berichtet komplette Remission (2), 11-51 Monate partielle Remission (1), kein Ansprechen (1) 1 Relaps (1) 1x500 mg (2), 1x700 mg (1), 2x700 mg (1),) Ochi et al. weiblich (3), männlich (1) SR (2), SD (2) 9-13 Jahre MMF (2), CSA (4), CPA (2), MZ (1), LDL-apheresis (2) 3,6-9,8 Gramm/ Tag komplette Remission (2), 3-26 Monate kein Ansprechen (2) 2 Relaps, 1x375 mg/m2 (2), 1 Relaps (2), Re-Applikation HD (2) Sugiura et al. weiblich (3), männlich (1) SR (3), SD (1) nicht berichtet CSA (1), MMF (1) 5,2± 2,4 Gramm/ Tag komplette Remission (2), 6 Monate kein Ansprechen (2) - 1x375 mg/m2, max. 500 mg FernandezFresnedo et al. weiblich (1), männlich (7) SR (7), SD (1) 17-53 Jahre CSA (7), Tacrolimus (3), MMF (7), CPA (2) 9,4-23 Gramm/ Tag partielle Remission (3), kein Ansprechen (5) 12-24 Monate 1 Relaps (1) 4x375 mg/m2 (7), 6x375 mg/m2 (1) Ganzemueller et al. nicht berichtet nc (1) nicht berichtet nicht berichtet 7,2 Gramm/Tag kein Ansprechen (1) 12 Monate - 1x1000 mg Abkürzungen: SR=steroidresistent, SD=steroidabhängig, nc=nicht klassifizierbar, MCN=Minimal Change Nephropathie, FSGS=fokal segmentale Glomerulosklerose, MPA=Mycophenolsäure, MMF=Mycophenolat Mofetil, CSA=Cyclosporin A, CPA=Cyclophosphamid, LDL=low density lipoprotein, AZA=Azathioprin, PE=plasma exchange, RTX=Rituximab, HD=Hämodialyse. Die Patientenzahl ist in Klammern dargestellt. (Peters HP, Neth J Med 66:408-15, 2008; Kisner T, Nephron Clin Pract 120:c79-85, 2012; Kronbichler A, Wien Klin Wochenschr 125:328-33, 2013; Kong WY, Int Urol Nephrol 45:795-802, 2013; Ochi A, Intern Med 51:759-62, 2012; Sugiura H, Nephron Clin Pract 117:c98-105, 2011; Fernandez-Fresnedo G, Clin J Am Soc Nephrol 4:1317-23, 2009; Ganzemueller J, Minerva Urol Nefrol 63:263-72, 2011). medianen Prednisolondosis von 40 (1070) auf 6 mg (0-30) nach 12 Monaten reduziert werden (Munyentwali H, Kidney Int 83:511-16, 2013). In einer rezenten Arbeit konnte auch gezeigt werden, dass die jährliche Relapsrate auch durch eine einmalige Gabe von Rituximab (maximal 500 mg), gefolgt von einer zweiten Infusion von maximal 500 mg nach 6 Monaten, signifikant reduziert werden kann. Auch hier zeigte sich ein steroidsparender Zusatzeffekt (von initial 26 ±14 mg Prednisolon auf 1 ± 3 mg). Bei Studienbeginn waren allerdings bereits 9 Patienten in kompletter Remission, nur 8 Patienten hatten ein nephrotisches Syndrom (Takei T, Nephrol Dial Transpl 28:1225-32, 2013). In einer weiteren Untersuchung aus derselben Gruppe konnte gezeigt werden, dass die Proteinurie bei 10 Patienten mit MCN von einer initialen Eiweißausscheidung von 3,8 ± 4,1 Gramm/Tag auf 0,4 ± 1,2 Gramm/Tag und die Prednisolondosis von 21 ± 13 mg auf 12 ± 12 mg pro Tag nach 6 Monaten reduziert werden konnte (Sugiura H, Nephron Clin Pract 117:c98-105, 2011). Rituximab bei primärer fokal segmentaler Glomerulosklerose Generell ist die Datenlage für die Therapie der pFSGS mit Rituximab noch schlechter als jene bei MCN. Eine der ersten Studien inkludierte Patienten mit steroidresistenter pFSGS mit unterschiedlich langer Dauer der Grunderkrankung (24-107 Monate). Die Patienten hatten alle zum Zeitpunkt der Therapieinitiierung von Rituximab (zumindest 4 Gaben Rituximab á 375 mg/m2) Nr. 5, 2013 trotz einer Vortherapie mit einem Calcineurininhibitor und Mycophenolat Mofetil (eine Ausnahme) eine ausgeprägte Proteinurie (14,0 ± 4,4 Gramm pro Tag). Bei lediglich 2 Patienten konnte ein prolongierter Therapieeffekt (zumindest eine partielle Remission der Proteinurie) erreicht werden, bei einem weiteren Patienten stellte sich sowohl nach der ersten als auch der zweiten Gabe nach 12 Monaten ein transienter Therapieeffekt ein (Fernandez-Fresnedo G, Clin J Am Soc Nephrol 4:1317-23, 2009). Weitere Studien, die eine RituximabTherapie bei pFSGS im Erwachsenenalter untersucht haben, zeichnen sich durch eine geringe Fallzahl aus. An unserem Zentrum erreichten 3 Patienten mit steroidabhängigem/häufig relapsierendem nephrotischen Syndrom eine prolongierte komplette Remission und Rituximab bei MCN sind derzeit ohne zusätzliche Immunsuppression, wobei 2 Patienten zum Zeitpunkt der Rituximab-Gabe eine Proteinurie im nephrotischen Bereich hatten (Kronbichler A, Wien Klin Wochenschr 125:328-333, 2013). In einer Arbeit aus Japan nahm die Proteinurie von 4 Patienten mit pFSGS im Durchschnitt von 5,2 ± 2,4 auf 2,3 ± 2,8 Gramm pro Tag nach 6 Monaten ab. Die Steroiddosis konnte im selben Zeitraum von 24 ± 13 auf 10 ± 9 mg pro Tag reduziert werden (Sugiura H, Nephron Clin Pract 117:c98-105, 2011). Pathophysiologische Überlegungen Rituximab konnte bei einigen Erkrankungen, welche sowohl T-Zell- als auch B-Zell-vermittelt deklariert wurden, erstaunliche therapeutische Effekte erzielen. So konnte in zwei randomisiert kontrollierten Studien eine NichtUnterlegenheit von Rituximab bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis als Induktionstherapie gezeigt werden ( Jones RB, N Engl J Med 363:211-220, 2010; Stone JH, N Engl J Med 363:221232, 2010). Bezüglich der Pathogenese der pFSGS konnte gezeigt werden, dass ein „zirkulierender“, wahrscheinlich von T-Zellen produzierter Faktor von der Mutter auf ein Neugeborenes übertragen wurde und eine vorübergehende Proteinurie ausgelöst hat (Kemper MJ, N Engl J Med 344: 386-87, 2001). Es konnte weiters gezeigt werden, dass es bei der pFSGS zu einer unmittelbaren Rekurrenz der Grunderkrankung nach Gefäßanschluss eines Transplantats kommen kann und dass eine Injektion von Patientenserum in Ratten zu einer Proteinurie führt (McCarthy ET, Clin J Am Soc Nephrol 5:2115-21, 2011). In der Pathogenese der MCN scheint eine inadäquate Regulation von CD80 auf Podozyten zumindest für die Persistenz einer Proteinurie zu sein. Die Faktoren, welche zu dieser Veränderung führen, sind aktuell unbekannt. Jedoch wird auch bei der MCN angenommen, dass diese Veränderungen durch Aller- gene, Infektionen oder durch T-Zellstimulierte Zytokin-Expression zu erklären sind (Ishimoto T, Semin Nephrol 31: 320-25, 2011). Rituximab depletiert primär zirkulierende CD19/CD20-tragende Zellen. Dafür dürften mehrere Mechanismen verantwortlich sein. So wurden sowohl eine Antikörper-abhängige, zell-mediierte Zytotoxizität, eine Elimination mittels Phagozytose als auch eine Zytokin-mediierte Zytotoxizität beschrieben. Zusätzlich wird in der Literatur diskutiert, ob die B-Zell-depletierende Therapie auf immunologischer Ebene auch spezifisch autoreaktive T-Zellen eliminiert und sich deshalb die Effektivität in Autoimmunerkrankungen, welche vorwiegend durch T-Helfer-Zellen mediiert sind, erklären lässt (Datta SK, Nat Clin Pract Rheumatol 5:80-82, 2009). In weiterer Folge gibt es aber auch Daten, dass Rituximab das Zytoskelett der Podozyten stärkt und somit einer Apoptose der Podozyten bei einer Rekurrenz der pFSGS nach einer Transplantion entgegenwirkt (Fornoni A, Sci Transl Med 3:85ra46, 2011). Nebenwirkungen Bis dato wurden bei behandelten Erwachsenen mit MCN und pFSGS noch keine lebensbedrohlichen Nebenwirkungen berichtet. Selbstlimitierende Nebenwirkungen wurden in bis zu 40% der behandelten Patienten beobachtet. In einer pädiatrischen Publikation konnte gezeigt werden, dass durch Rituximab eine Hypogammaglobulinämie prolongiert und verstärkt werden kann (Delbe-Bertin L, Pediatr Nephrol 28:447-51, 2013). Ein Patient hatte eine Bronchopneumonie 2 Monate nach der Gabe, ein weiterer entwickelte blutigen Durchfall (Kong WY, Int Urol Nephrol 45:795802, 2013; El-Reshaid K, Saudi J Kidney Dis Transpl 23:973-78, 2012). Die Nebenwirkungsrate von Rituximab dürfte generell stark mit der zugrunde liegenden Erkrankung sowie dem Patientenalter und der Co-Morbiditäten zum Zeitpunkt der Therapie zusamNr. 5, 2013 menhängen. Generell sind seltene, potentiell fatal endende Effekte wie eine progressive multifokale Leukencephalopathie oder eine Pneumocystis jiroveci-Infektion beschrieben. Diskussion und Aussichten Die Therapie von Erkrankungen aus dem Formenkreis des nephrotischen Syndroms bleibt eine Herausforderung. Durch neue Therapeutika sollte ermöglicht werden, die renale Langzeitprognose zu verbessern und die Therapie-assoziierte Toxizität zu reduzieren. Rituximab stellt diesbezüglich ein Therapeutikum dar, welches diese Anforderungen theoretisch erfüllen kann. Die Daten, welche aktuell publiziert wurden, lassen jedoch eine klare Empfehlung einer B-Zell-depletierenden Therapie bei MCN und pFSGS noch nicht zu. Es ist notwendig, weitere Erfahrungswerte zu sammeln und diese Daten zu veröffentlichen. Zudem wird es notwendig sein, prospektive, randomisiert kontrollierte Studien durchzuführen, welche Rituximab mit dem aktuellen Goldstandard direkt vergleichen. Zuvor ist eine first-line-Therapie mit Rituximab nicht indiziert und bleibt wohl Patienten vorbehalten, welche durch viele immunsuppressive Vortherapien kaum noch Alternativen besitzen. Generell muss erwähnt werden, dass die Effektivität bei MCN zumindest durch die publizierten Fallserien gut sein dürfte, wenn auch ein Publikationsbias nicht auszuschließen ist. Dr. Andreas Kronbichler Dr. Michael Rudnicki Prof. Dr. Gert Mayer Univ.-Klinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hypertensiologie) Department Innere Medizin Medizinische Universität Innsbruck [email protected] Sclerostin bei renaler Osteodystrophie Einfluss der Nierenfunktion auf den Wnt-Inhibitor Sclerostin: Ein neuer Marker der renalen Osteodystrophie Wnt-Signalwege regulieren die Zellentwicklung und Zellfunktion durch Transformation extrazellulärer Information (Signal) in intrazelluläre Proteinreaktionen. Von den drei bekannten Wnt-Signalwegen beeinflusst nur der kanonische Wnt-Signalweg die Gentranskription. Hierbei wird nach Bindung von Wnt und Bildung eines Proteinkomplexes der Abbau von βCatenin verhindert. Nachdem β-Catenin über den Transkriptionsfaktor TCF/Lef die Genexpression beeinflusst, wird dadurch konsekutiv die Genaktivität stimuliert. Wnt-Liganden wirken autokrin oder parakrin und werden sowohl intrawie extrazellulär reguliert. So können Wnt-Liganden z. B. durch den „Wnt inhibitory factor 1“ und das „secreted frizzled related protein (sFRP)“ blockiert werden. Dickkopf (DKK)-1 oder Sclerostin wiederum verdrängen Wnt-Liganden kompetitiv von der Membranbindungsstelle und fördern dadurch den Abbau von β-Catenin bzw. reduzieren die durch β-Catenin induzierte Genexpression. Der Wnt-Signalweg wurde ursprünglich bei der Karzino- und Embryogenese beschrieben, ist aber für zahlreiche unterschiedliche Zellaktivitäten verantwortlich. Im Knochenstoffwechsel stimuliert der Wnt-Signalweg die Ausreifung und Aktivität von Osteoblasten (Krishnan V, J Clin Invest 116:1202-09, 2006). Nachdem Osteoblasten für die Synthese und Mineralisation der Knochenmatrix verantwortlich sind, ist der kanonische Wnt-Signalweg auch ein Regulator der Knochenstabilität. Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass eine Überexpression des Wnt-Antagonisten Sclerostin zu einer deutlichen Reduktion des Knochenvolumens führt (Li X, J Bone Miner Res 23:860-69, 2008). Umgekehrt führt eine Mutation des SOST-Gens, über welches Sclerostin synthetisiert wird, zu einer Osteosklerose (Brunkow ME, Am J Hum Genet 68:577-89, 2001). Einige weitere Studien konnten den Einfluss von Sclerostin auf die Knochenstruktur zusätzlich belegen. So ist Sclerostin bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose und Frakturen erhöht (Ardawi MS, J Bone Miner Res 27:2592-2602, 2012), bei körperlicher Aktivität, im Gegensatz zu Knochenformationsmarkern, verringert (Ardawi MS, J Clin Endocrinol Metab 97:3691-99, 2012) sowie bei Dialysepatienten mit einer Verringerung des Knochenumsatzes assoziiert (Cejka D, Clin J Am Soc Nephrol 6:877-82, 2011). Bei Dialysepatienten zeigte sich zusätzlich, dass DKK-1, ein ähnlicher Wnt-Hemmer wie Sclerostin, keinen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel hat. Zusätzlich stellte sich heraus, dass der Serumspiegel von Sclerostin bei terminaler Niereninsuffizienz um ein Vielfaches höher ist als bei Personen mit normaler Nierenfunktion (Cejka D, Nephrol Dial Transplant 27:226-30, 2012). Wiederum zeigt sich bei DKK-1 kein wesentlicher Unterschied zur Normalpopulation. Nachdem Sclerostin mit einer Größe von 28KD renal eliminiert werden könnte, ergab sich aus diesen Daten die Fragestellung, inwiefern SclerosNr. 5, 2013 tin durch die Nierenfunktionseinschränkung kumuliert oder die renale Osteodystrophie per se zu einer vermehrten Sclerostinsynthese führt. Tatsächlich wurde in einer weiteren Publikation gezeigt, dass der Sclerostinserumspiegel bereits im pre-Dialysestadium ansteigt (Pelletier S, Clin J Am Soc Nephrol 8:819-23, 2013). Allerdings blieb weiterhin unklar, ob der Serumanstieg auf einer verminderten Elimination oder einer vermehrten Synthese von Sclerostin beruht. Wir untersuchten daher bei 120 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz in den Stadien 1 bis 5 die absolute und fraktionelle Ausscheidung von Sclerostin im Harn, verglichen die Harnausscheidung von Sclerostin mit der Ausscheidung von α1-Microglobulin, einem Protein mit ähnlicher Größe wie Sclerostin, und führten immunhistochemische Färbungen der Nierentubuli nach Sclerostin in Nierenbiopsaten durch (Cejka D, J Clin Endocrinol Metab, Nov 1, 2013 [Epub ahead of print]). Wie bereits vorbeschrieben, zeigte sich in der aktuellen Studie ein sukzessiver Anstieg des Serumsclerostinspiegels bei zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion. Der Anstieg war besonders auffällig ab einer GFR unter 40 ml/min. Parallel dazu kam es jedoch nicht zu einem Abfall der renalen Sclerostinelimination, sondern vielmehr zu einem massiven Anstieg der Sclerostinausscheidung im Harn bei sinkender GFR. Die steigende Serumkonzentration konnte daher nicht auf einer verringerten Elimination beruhen, sondern muss – zu- FE-Scerlostin (%) Sclerostin bei renaler Osteodystrophie eGFR (ml/min/1,73 m2) Abb. 1: Die fraktionelle Sclerostinausscheidung in Relation zur Nierenfunktion (eGFR). mindest teilweise – durch eine Steigerung der Sclerostinsynthese bedingt sein. Der Anstieg der Sclerostinausscheidung trotz sinkender Nierenfunktion beruht auf einer ausgeprägten Steigerung der tubulären Elimination. Die fraktionelle Sclerostinausscheidung (FE-Sclerostin), welche die absolute Sclerostinausscheidung entsprechend der Nierenfunktion korrigiert, stieg von ca. 0,5% auf 26% (siehe Abbildung 1). Die meisten kleinmolekularen Proteine werden glomerulär frei filtriert und im proximalen Tubulus aktiv über das Megalin/Cubulin-System reabsorbiert (Christensen EI, Pflugers Arch 458: 1039-48, 2009). Kommt es durch vermehrte Produktion eines Proteins oder verminderter Nephronzahl bei chronischer Niereninsuffizienz zu einer erhöhten Konzentration eines Proteins im Primärharn, wird die Reabsorptionskapazität des proximalen Tubulussystems überschritten und es tritt eine „Überlaufproteinurie“ auf. Dies konnte z. B. für α1-Microglobulin gezeigt werden (Kusano E, Nephron 41:320-324, 1985). Die in der aktuellen Untersuchung gefundene, Abb. 2: Immunhistochemische Färbung von Sclerostin (braun) im proximalen Tubulus. sehr enge Korrelation zwischen FESclerostin und FEα1-Microglobulin legt nahe, dass Sclerostin ebenfalls aufgrund einer „Überlaufproteinurie“, also unvollständiger tubulärer Rückresorption bei deutlich erhöhter Filtration, vermehrt ausgeschieden wird. Diese Hypothese wird von den immunhistochemischen Färbungen unterstützt. Als Hinweis für eine aktive, tubuläre Rückresorption fand sich in allen Biopsien (n=8) Sclerostin-Anfärbungen des proximalen Tubulus (Abbildung 2). Anti-Sclerostin-Antikörper befinden sich aktuell in Entwicklung für die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose (Padhi D, J Bone Miner Res 26:19-26, 2011). Anhand großer epidemiologischer Datensätze wird davon ausgegangen, dass ca. 2/3 aller Patienten mit Knochendichtemessungen im osteoporotischen Bereich eine Kreatinin-Clearance < 60 ml/min aufweisen, 25% sogar eine KreatininClearance < 35ml/min (Klawansky S, Osteoporos Int 14:570-6, 2003). Angesichts der aktuellen Studienergebnisse stellt sich die Frage, inwiefern eine Wirksamkeit der anti-ScleNr. 5, 2013 rostin-Antikörper bei OsteoporosePatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion gegeben ist. Auch bleibt vorerst unklar, ob der Sclerostinanstieg bei chronischer Niereninsuffizienz möglicherweise einen protektiven Effekt bei renaler Osteodystrophie haben könnte. Eine Hemmung der Osteoblastenaktivität wäre beispielsweise bei einer „high turnover“ renalen Osteodystrophie durchaus von Vorteil und könnte zur Normalisierung des Knochenumsatzes beitragen. Jedenfalls sollten diese Fragestellungen vor einem breitflächigen Einsatz von Sclerostin-Antikörpern zur Osteoporosetherapie geklärt werden. Prof. Dr. Martin Haas 3. Medizinische Abteilung für Kardiologie Landeskrankenhaus St. Pölten [email protected] Priv. Doz. Dr. Daniel Cejka Univ. Klinik für Innere Medizin III Abteilung für Nephrologie und Dialyse Medizinische Universität Wien Posttransplant-Diabetes nach Nierentransplantation Kann Posttransplant-Diabetes nach Nierentransplantation verhindert werden? Can new-onset diabetes after kidney transplant be prevented? Chakkera HA, Weil EJ, Pham PT, et al. Diabetes Care 2013; 36:1406-12 Division of Transplantation, Mayo Clinic, Phoenix, AZ, USA. Because the negative consequences of new-onset diabetes mellitus after transplantation (NODAT) diminish the significant gains of kidney transplantation, it is imperative to develop clinical interventions to reduce the incidence of NODAT. In this review, we discuss whether intensive lifestyle interventions that delay or prevent type 2 diabetes mellitus may decrease the incidence of NODAT. We examine the literature pertaining to incidence and timing of onset of NODAT, as well as the risk factors and pathophysiology that NODAT shares with type 2 diabetes mellitus, namely pathways related to increased insulin resistance and decreased insulin secretion. Our central hypothesis is that NODAT results from the same metabolic risk factors that underlie type 2 diabetes mellitus. These risk factors are altered and Auf dem „American Transplant Congress“ 2013 in Seattle/Washington hatte ein Workshop das Thema: “New Onset Diabetes Mellitus after Transplantation: Can we Prevent it?”. Zur gleichen Zeit erschien die oben in AbstractForm abgedruckte Publikation von Chakkera et al. mit einem sehr ähnlichen Titel (Diabetes Care 36:1406-12, 2013). Ein wesentlicher Baustein der New-Onset Diabetes After Transplantation (NODAT)-Prävention, der in dieser Arbeit wie auch beim Kongress besprochen wurde, war unser in Wien erstmalig umgesetztes Konzept einer frühen, postoperativen Insulinisierung bei bis dato nicht-diabetischen Nierentransplantierten. Diese Therapie soll nicht nur der Transplant-assoziierten Hyperglykämie entgegenwirken, sondern kann bei vielen Patienten das Auftreten eines manifesten Diabetes im Posttransplant-Verlauf verhindern oder enhanced by transplantation, "tipping" some transplant recipients with seemingly normal glucose homeostasis before transplant toward the development of NODAT. We describe the diabetogenic properties of transplant immunosuppressive drugs. We describe novel methods of prevention that are being explored, including resting the pancreatic ß-cells by administration of basal insulin during the period immediately after transplant. On the basis of the current evidence, we propose that intensive lifestyle modification, adapted for individuals with chronic kidney disease or end-stage renal disease, as well as resting pancreatic ß-cells during the immediate postoperative period, may lower the incidence of NODAT. zumindest abschwächen, vermutlich durch Entlastung eines Inselzellstresses, der durch die Immunsuppression und andere Faktoren ausgelöst wird (Hecking M, J Am Soc Nephrol 23:73949, 2012 sowie Nephro-News 1/2012). Chakkera et al. und andere gehen davon aus, dass NODAT eine Form von Typ 2 Diabetes mellitus ist. Dagegen zeigen wir deutliche Unterschiede zwischen NODAT und Typ 2 Diabetes. Dass diese Unterschiede auch therapeutische Relevanz haben, möchte die folgende Diskussion der Chakkera-Publikation aufzeigen, die wir in Form eines Kommentars ebenfalls in Diabetes Care publizieren konnten (Diabetes Care Oct; 36:e182): „Für den, der einen Hammer als Werkzeug zur Verfügung hat, wird jedes Problem wie ein Nagel aussehen.“ Dieses populäre Zitat wird Mark Twain zugesprochen, findet sich aber gleichsam als „Gesetz“ (law Nr. 5, 2013 of the instrument) in Maslow’s Buch „Psychologie der Wissenschaft: Neue Wege der Wahrnehmung und des Denkens“. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf und wohlwissend, dass wir selber gleichermaßen schuldig sein können, nur Nägel zu sehen, würden wir die vorliegende Review-Arbeit von Chakkera et al. (Diabetes Care 36:1406-12, 2013) gerne kommentieren. Chakkera und Co-Autoren haben unsere klinische Studie zur Überprüfung des Therapiekonzepts einer frühen postoperativen Insulinisierung transplantierter Patienten beschrieben ( J Am Soc Nephrol, 23:739-49, 2012), die als Basis für zwei NODAT-Präventions-Nachfolge-Studien herangezogen wurde (NCT 01683331 und NCT01680185). Die frühe postoperative Gabe von exogenem Insulin kontrastiert mit den existierenden Guidelines und passt perfekt in das pathophysiologische Konzept, dass eine Posttransplant-Diabetes nach Nierentransplantation verminderte Insulinsekretion, ausgelöst durch Betazell-Dysfunktion, die dominierende Störung nach Nierentransplantation darstellen könnte, so wie nicht nur wir und andere vor kurzem gezeigt haben (Hecking M, Diabetes Care 36: 2763-71, 2013; Zelle DM, Diabetes Care 36:1926-32, 2013), sondern wofür es auch bereits länger zurückliegende Evidenz gibt (eine Übersicht f indet sich in Hecking M, Nephrol Dial Transplant 28:550-66, 2013). In der Vergangenheit ist die NODATEntstehung aber vor allem mit Insulinresistenz in Verbindung gebracht worden, dem Kennzeichen des metabolischen Syndroms und damit von Typ 2 Diabetes. Assoziationen zwischen Komponenten des metabolischen Syndroms und NODAT konnten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Aus diesem Grund wird die Hypothese von Chakkera et al., dass NODAT im Prinzip durch die gleichen metabolischen Risikofaktoren wie Typ-2-Diabetes ausgelöst wird, welche durch die Transplantation nur verändert werden, sodass Patienten mit scheinbar normalem Glukose-Stoffwechsel in Richtung Typ 2 Diabetes „umgeworfen“ auch nicht abgewiesen oder vollständig widerlegt werden können. Allerdings könnte die komplizierte Beziehung zwischen Insulinsekretion und Insulinresistenz bei Nierentransplantierten durch zu viele und zu vereinfachte Analogien zu Typ 2 Diabetikern überschattet werden. Unlängst haben wir zusammengefasst, in welchen Aspekten sich NODAT und Typ 2 Diabetes pathophysiologisch unterscheiden (Hecking M, Nephrol Dial Transplant 28:550-66, 2013): 1. Typ 2 Diabetes entwickelt sich langsam, wohingegen zumindest früher Posttransplant NODAT plötzlich auftritt. Dies ist ja auch der Grund, warum die Prävention so zielführend sein könnte und sich daher bei Transplantierten im frühen postoperativen Verlauf noch mehr bezahlt machen könnte als in der Allgemeinbevölkerung. 2. Die Blutzucker-Profile der transplantierten NODAT-Patienten unterscheiden sich von denen der Typ 2 Diabetiker. NODAT-Patienten haben, sobald sie Glukokortikoide einnehmen, einen charakteristischen Blutzucker-Gipfel am Nachmittag, der aber nicht selten von normalem Nüchternblutzucker begleitet wird. Aus diesem Grund könnten langwirksame Insulin-Formulierungen mit einem „flachen“ 24-h-Profil für diese Patienten weniger geeignet sein als Intermediärinsuline und besonders Sulfonylharnstoffe, die die Insulinsekretionsrate generell erhöhen. Außerdem sind die NüchternBlutzucker- Schwellenwerte, die den Typ 2 Diabetes definieren, vermutlich zu hoch angesetzt für NODATPatienten. Es wäre klinisch gesehen logisch, dass transplantierte Patienten ihren Blutzuckerspiegel überprüfen, und zwar vorrangig nachmittags und abends. Die Behandlung einer massiven Hyperglykämie ist vermutlich obligat. Aktive Lifestyle-Interventionen sind nachgewiesen besser als passive (Sharif A, Transplantation 85:353-58, 2008) und sollten weitergehend untersucht werden. Der prinzipielle Unterschied zwischen unserer Herangehensweise an die NODAT-Problematik und jener von Chakkera et al. besteht aber darin, dass wir die NODAT-Prävention für alle Patienten vorschlagen, die postoperativ hyperglykäm werden, und zwar unabhängig von ihren Risikofaktoren bzw. ihrer metabolischen Anamnese. Wenn wir uns auf Patienten beschränken, die die Risikofaktoren für Typ 2 Diabetes-Entstehung mitbringen, laufen wir Gefahr, viele Fälle von Hyperglykämie zu übersehen. Auf diesem Weg könnten uns nicht nur viele Patienten entgehen, denen auf einfachstem Wege geholfen werden könnte, sondern schlussendlich würden wir die Chance verpassen, die momentane BeNr. 5, 2013 obachtungshaltung gegenüber NODAT loszuwerden. Allein schon aus diesem Grund sollten NODAT und Typ 2 Diabetes nicht für die gleiche Krankheit gehalten werden. Ausblick Die verschiedenen Sichtweisen auf den Posttransplant-Diabetes (hier synonym gebraucht mit NODAT) und seine Entstehung sollen stimulierend sein, und auf dieser Voraussetzung begründen wir unsere Kritik an der unserer Meinung nach übersimplifizierten Hypothese, dass NODAT und Typ 2 Diabetes das Gleiche seien. Im Rahmen des 16. Kongresses der „European Society of Organ Transplantation“ fand am 8. September 2013 in Wien ein Symposium mit dem Titel „New-Onset Diabetes after Transplantation (NODAT): A Scientif ic Session on Diagnostic and Therapeutic Challenges in Preparation of the 2013 International Consensus Guidelines“ statt (für eine Übersicht der Vorträge, siehe http://congress. esot.org/Science/Preparation-of-the-newInternational-Consensus-Guidelines). Am 9. September 2014 trafen sich zu diesem Consensus-Meeting die 25 eingeladenen Experten aus 11 Ländern (Australien, Dänemark, Deutschland, England, Holland, Italien, Japan, Norwegen, Österreich, Spanien, USA) und diskutierten viele der oben bereits aufgeführten Punkte, vor allem jene der Diabetes-Entstehung. Eine Publikation über dieses Meeting und den neu gefundenen Konsens ist in Vorbereitung. Hierüber wird in Kürze auch in den Nephro-News berichtet. Dr. Manfred Hecking Prof. Dr. Friedrich K. Port* Prof. Dr. Marcus D. Säemann Medizinische Univ.-Klinik III Klin. Abteilung für Nephrologie und Dialyse Wien [email protected] * Arbor Research Collaborative for Health Ann Arbor, Michigan Lipid-Management Klinische Anwendung der KDIGO-Leitlinien zum Lipid-Management bei Erwachsenen mit chronischen Nierenerkrankungen Die englische Originalfassung der Leitlinie „Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Clinical Practice Guideline for Lipid Management in Chronic Kidney Disease“ wurde in Kidney International Supplements publiziert (Kidney Int 3 [Suppl]: 259–305, 2013). Es sei hervorgehoben, dass sich KDIGO als globale Leitlinienorganisation versteht, deren Leitlinien lokal Adaptierungen erfahren werden und müssen. So wurde die Arbeitsgruppe dieser KDIGO-Leitlinie sehr international zusammengesetzt. Da alle großen, randomisierten, kontrollierten Studien auch deutsche Patienten, bzw. gleicher ethnischer Hintergrund, eingeschlossen haben und der deutsche Markt eine große Vielfalt an lipidsenkender Therapie anbietet, können die Leitlinien ohne große Adaptierung für Deutschland, Österreich und Zentraleuropa unter Berücksichtigung des Evidenzgrades implementiert werden. ■ ■ CKD-EPI eGFR 43 ml/min/ 1,73m2 (GFR-Kategorie G3b - 3044 ml/min/1,73m2) Albumin im Spontanurin 1,1 g/g Kreatinin (Kategorie A3, >300 mg/ g Kreatinin / >30 mg/mmol). Eine Messung im 24-Stundenurin ergibt eine Proteinurie von 2,25 g und ein Albumin von 1,8 g) Ein Befund zu den Serumlipiden liegt nicht vor, sodass ein Nüchtern-Lipidprofil erstellt wird (Leitlinie 1.1). Es ergibt sich ein Gesamtcholesterin von 236 mg/dl, HDL-C von 39 mg/dl und Triglyzeride von 165 mg/dl. Das errechnete LDL-C beträgt 142 mg/dl*. * Konversionsfaktor für Kreatinin 88.4 mmol/l, für Cholesterin 0.0259 mmol/l, für Triglyzeride 0.0113 mmol/l ** Cause/Ursache, GFR-Kategorie - G1-G5, Albuminurie Kategorie - A1-A3 Fallbeispiel: Es wird die Indikation zur Behandlung gestellt und basierend auf den Ergebnissen der SHARP-Studie erhält Herr N. Simvastatin 20 mg/d in Kombination mit Ezetimib 10 mg/d (Leitlinie 2.1.1). Ein 58-jähriger Nichtraucher (Herr N.) wird überwiesen mit einem Serumkreatinin von 1,8 mg/dl*. Im Rahmen der Anamnese, Klassifizierung und Prognoseerstellung ergibt sich eine CGA-Einteilung** von G3bA3 chronische Nierenerkrankung: ■ Vor 10-Jahren bioptisch gesicherte IgA-Nephritis Die Blutdruck-senkende Therapie wird intensiviert und Herr N. stellt sich 3 Monate später zur Kontrolle der Urinalbuminausscheidung und der Serumparameter vor. In der Annahme, dass unter der gut vertragenen Therapie, mit glaubhaft gesicherter Einnahmetreue, das LDL-Cholesterin um ca. 35% auf Werte unter 100 mg/ Nr. 5, 2013 dl abgesunken ist, wird kein erneutes Lipidprofil erstellt (Leitlinie 1.2). Die relative Risikoreduktion, die Herrn N. hinsichtlich eines atherosklerotischen Ereignisses zugutegekommen ist, beträgt ca 20%. Bei ca. 40 ähnlich gelagerten Patienten, die wir alle in unserer Ambulanz behandelt haben, vermeiden wir somit ein Ereignis pro 5 Jahre Therapie in der Gesamtgruppe. Die weiteren Zielparameter hinsichtlich Albuminurieausscheidung und Blutdruck haben sich zufriedenstellend gebessert und sind im Zielbereich. Das Serum-Kreatinin ist angestiegen um 0,2 mg/dl (eGFR 39 ml/ min/1,73 m2). Sechs Monate später stellt sich Herr N. erneut vor. Zwischenzeitlich sei er beim Hausarzt gewesen, der aber vergessen hätte, das „Cholesterin“ zu kontrollieren. Wir erklären, dass eine wiederholte Messung des „Cholesterins“ nicht notwendig sei, da sich daraus keine weiteren Konsequenzen ergeben würden (eine Steigerung der Dosis ist aus Sicherheitsbedenken nicht möglich) und wir uns sicher seien, dass die verschriebene Medikation wirkt. Herr N. erklärt, er würde keine Wirkung verspüren und besteht darauf, sein „Cholesterin“ zu erfahren, denn umsonst würde er ja kein Medikament einnehmen. Die KDIGO-Leitlinien sagen hierzu im Text (Rationale der Leitlinie 1.2): „Ärzte mögen sich für eine Folgemessung Lipid-Management der Lipidspiegel bei denjenigen Patienten entscheiden, für die eine Messung als vorteilhaft hinsichtlich der Einnahmetreue der Medikamente oder der Führung des Patienten erachtet wird“. Die Messung ergab ein HDL-Cholesterin von 35 mg/dl, Triglyzeride von 189 mg/dl und die Berechnung ein LDL-Cholesterin von 92 mg/dl. In unserer weiteren Planung sehen wir trotz der Bemühungen ein kalkuliertes Risiko für die Progression der Nierenerkrankung hin zur Dialysepflichtigkeit. Wir würden bei Eintritt dieser, trotz der Befunde der 4D- und AURORA-Studie die lipidkontrollierende Medikation nicht absetzen (Leitlinie 2.3.2). Es gibt darüber keine Studien oder Erfahrungswerte, die über die Folge von Absetzen der Lipidsenker in dieser Konstellation berichten. Da die Medikation gut vertragen wird und keine größeren Nebenwirkungen zu erwarten sind, wird weiter therapiert. Erst wenn der Patient unter der hohen Tablettenlast klagt oder Complianceschwäche aufweist, würden wir das Statin einvernehmlich weglassen. Allerdings sind wir uns über unser Tun und Handeln angesichts des Grades 2C der Evidenz dieser Leitlinie sehr unsicher, denn die Wahrheit könnte substantiell unterschiedlich der von uns geschätzten Wirkung sein. Da wir aber an die Lipidsenkung glauben, haben wir uns auf einen Phosphatbinder mit LDLsenkender Wirkung verständigt. Aber dazu gibt es keine Leitlinien. Prof. Dr. Christoph Wanner Medizinische Klinik und Poliklinik I Abteilung Nephrologie Universitätsklinikum Würzburg [email protected] Kapitel 1: Erfassung des Lipidstatus bei Erwachsenen mit CKD 1C 1.1. Wir empfehlen bei Erwachsenen mit neu identifizierter chronischer Nierenerkrankung (mit eingeschlossen chronische Dialysepatienten oder Nierentransplantierte) die Evaluierung mit einem Lipidprofil (Gesamtcholesterin, LDL- Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride) nicht gewichtet 1.2. Die meisten Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (mit eingeschlossen chronische Dialysepatienten oder Nierentransplantierte) benötigen keine Folgemessung der Serumlipide. Kapitel 2: Pharmakologische Cholesterinsenkung bei Erwachsenen 1A 2.1.1: Wir empfehlen, dass Erwachsene im Alter über 50 Jahre mit einer eGFR <60 ml/min/ 1,73 m2 (nicht an der chronischen Dialyse oder Nierentransplantierte) mit einem Statin oder einer Statin/Ezetimib-Kombination behandelt werden (GFR-Kategorien G3a-G5). 1B 2.1.2: Wir empfehlen, dass Erwachsene im Alter über 50 Jahre mit chronischer Nierenerkrankung und einer eGFR ≥60 ml/min/1,73 m2 (GFR-Kategorien G1-G2) mit einem Statin behandelt werden. 2A 2.2: Wir schlagen vor, dass Erwachsene im Alter von 18-49 Jahre mit chronischer Nierenerkrankung (nicht an der chronischen Dialyse oder Nierentransplantierte) mit einem Statin behandelt werden, wenn sie eines oder mehrere der folgenden Kriterien aufweisen: • bekannte koronare Herzerkrankung (Myokardinfarkt oder koronare Revaskularisierung) • Diabetes mellitus • stattgefundener ischämischer Schlaganfall • eine geschätzte 10-Jahres-Inzidenz für Koronartod oder nicht-tödlicher Myokardinfarkt von >10% 2A 2.3.1: Wir schlagen vor, dass bei Erwachsenen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz keine Statin- oder Statin/Ezetimib-Kombinationstherapie begonnen wird. 2C 2.3.2: Wir schlagen vor, dass Patienten mit einem Statin- oder einer Statin/Ezetimib-Kombination weiterbehandelt werden, wenn sie diese bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in ein Dialyseprogramm erhalten haben. 2A 2.4: Wir schlagen vor, dass Erwachsene Nierentransplantierte mit einem Statin behandelt werden. Kapitel 5: Triglyzerid-senkende Therapie bei Erwachsenen 2D 5.1: Wir schlagen vor, dass Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (mit eingeschlossen chronische Dialysepatienten oder Nierentransplantierte) und Hypertriglyzeridämie Lebensstilveränderungen empfohlen werden. Grad 1 bedeutet ‘Wir empfehlen’. Die meisten Patienten sollten die empfohlene Intervention erhalten. Grad 2 bedeutet ‘Wir schlagen vor’. Verschiedene Möglichkeiten können für unterschiedliche Patienten angebracht sein. Jeder Patient benötigt eine Entscheidungshilfe, die mit seinen Vorstellungen und Präferenzen übereinstimmt. Nicht gewichtet wurde typischerweise verwendet, wenn eine Vernunfts-basierte Entscheidungshilfe angeboten werden sollte, oder wenn die Sachlage keine vernünftige Anwendung der Evidenz erlaubte. Grad A bedeutet starke Qualität der Evidenz. Wir sind zuversichtlich, dass die wahre Wirkung in der Nähe der geschätzten Wirkung liegt. Grad B bedeutet mittlere Qualität der Evidenz. Die wahre Wirkung liegt vermutlich in der Nähe der geschätzten Wirkung, aber es besteht die Möglichkeit, dass sie auch substantiell davon abweicht. Grad C bedeutet geringe Qualität der Evidenz. Die wahre Wirkung könnte substantiell unterschiedlich von der geschätzten Wirkung sein. Grad D bedeutet sehr geringe Qualität der Evidenz. Die Einschätzung der Wirkung ist sehr unsicher und ist häufig weit entfernt von der Wahrheit. Nr. 5, 2013 Kongresse ■ 26. Berliner DialyseSeminar 6. - 7. Dezember 2013 Maritim Hotel BERLIN, Deutschland Information: www.dnev.de ■ 51th ERA-EDTA Congress ■ 16th International Conference on Dialysis: ■ 32nd International Vicenza Course on 31. Mai - 3. Juni 2014 Amsterdam RAI Europaplein AMSTERDAM, Niederlande Information: www.era-edta2014.org Advances in CKD 2014 CKD Dialysis & Transplantation 22. - 24. Januar 2014 Caesars Palace LAS VEGAS, Nevada, USA Information: www.renalresearch.com 10. - 13. Juni 2014 Fair Congress Center VICENZA, Italien Information: www.vicenzanephrocourses.com ■ Nephrologische Fachtagung 28. - 29. März 2014 Maritim Hotel & Congress Centrum ULM, Deutschland Information: http://nephro-ulm.de ■ 38. Nephrologisches Seminar Seminar für Nieren- und Hochdruckkrankheiten 3. - 5. April 2014 Hörsaalzentrum Chemie HEIDELBERG, Deutschland Information: www.nephrologisches-seminar.de ■ XVII International Congress on nutrition and metabolism in renal disease 2014 6. - 10. Mai 2014 Congress Centrum Würzburg WÜRZBURG, Deutschland Information: Aey Congresse GmbH [email protected] www.aey-congresse.de ■ 23. Erfurter Dialysefachtagung 8. - 9. Mai 2014 Kaisersaal ERFURT, Deutschland Information: [email protected] www.rrc-congress.de ■ World Transplant Congress 2014 26. - 31. Juli 2014 SAN FRANCISCO, USA Information: www.wtc2014.org ■ Kongress für Nephrologie 2014 6. - 9. September 2014 BERLIN, Deutschland Information: [email protected] www.dgfn.eu ■ Gemeinsame Jahrestagung der ÖGN und ÖGH 2014 18. - 20. September 2014 Kongress Baden BADEN, Österreich Information: www.niere-hochdruck.at ■ ASN Kidney Week 2014 11. - 16. November 2014 Pennsylvania Convention Center PHILADELPHIA, PA, USA Information: www.asn-online.org/education/kidneyweek ■ 9. Dreiländer-Kongress für Nephrologische Pflege 20. - 22. November 2014 KONSTANZ, Deutschland Information: www.nephro-fachverband.de/ dreilaender-kongress-konstanz.html Nr. 5, 2013 lo s te n ko s Schneller informiert mit Nephro-News e-p@per Lesen Sie wann immer und wo immer Sie wollen Integrierte Videos und Animationen auch für iPad + Android Zugriff auf 10.000 Artikel im Archiv © Viktor Gmyria - Fotolia Schnellere Verfügbarkeit von Informationen Lesezeichen für den schnellen Zugriff auf Artikel Sie erhalten das e-p@per für jede neue Ausgabe der „Nephro-News“ kostenlos als Link zu unserer Homepage mit Ihrem persönlichen Newsletter. www.medicom.cc online & kostenlos