Kongress für Nephrologie 2008

Transcrição

Kongress für Nephrologie 2008
Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: A-8600 Bruck an der Mur
Jahrgang 10 - 4/08
ISSN 1682-6817
NEPHRO - NEWS
Forum für Nephrologie und Hypertensiologie
Offizielles Organ der Gesellschaft für Nephrologie (GfN)
Kongress für Nephrologie 2008
39. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie (GfN)
41. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie (DAGKN)
Einladung
Gemeinsam mit unseren Mitarbeitern
begrüßen wir Sie ganz herzlich zur
gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie und der Gesellschaft
für Nephrologie, die vom 27.- 30. September 2008 in Tübingen stattfindet.
Mit tatkräftiger Unterstützung durch
die Mitglieder des Programmkomitees haben wir ein Programm zusammengestellt, das ein breites Angebot
an Fortbildung und wissenschaftlichen
Vorträgen bietet. Es ist uns gelungen,
herausragende nationale und internationale Redner für die Plenarvorträge und Symposia zu gewinnen.
Plenarvorträge widmen sich den Themen Einfluss von Niere und Calciumphosphat-Haushalt auf das Altern,
Pathophysiologie des nephrotischen
Syndroms, Calcium- und Protonensensoren, Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, vaskuläre Kalzifizierung, Salzwirkungen am Endothel
ARCHIV: www.nephro-news.at
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FERINJECT® (Wirkstoff: Eisen(III)-hydroxid-Polymaltose-Komplex (Ferric Carboxymaltose)) Zusammensetzung: Wirkstoff:
Eisen(III)-hydroxid-Polymaltose-Komplex (Ferric Carboxymaltose), ein Eisen-Kohlehydrat-Komplex (Konzentration: 50 mg Eisen
pro Milliliter Lösung); sonstige Bestandteile: Natriumhydroxid, Salzsäure (zur Einstellung des pH-Werts) und Wasser für Injektionszwecke. Injektions- / Infusionslösung in Durchstechflaschen zu 2 ml Lösung, entspricht 100 mg Eisen, und Durchstechflaschen
zu 10 ml Lösung, entspricht 500 mg Eisen Anwendungsgebiete: FERINJECT® ist ein Antianämikum und wird für die Behandlung
von Patienten mit Eisenmangel angewendet, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind oder nicht angewendet werden können.
Ziel ist das Wiederauffüllen der Eisenspeicher des Körpers und die Beseitigung der Anämie. Gegenanzeigen, Warnungen, Vorsichtsmassnahmen, Überdosis: FERINJECT® darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen Eisen(III)-hydroxidPolymaltose-Komplex (Ferric Carboxymaltose) oder einen der sonstigen Bestandteile von FERINJECT®; einer Anämie, die nicht durch
Eisenmangel bedingt ist; einer Eisenüberladung oder Eisenverwertungsstörung; in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten.
Besondere Vorsicht bei der Einnahme von FERINJECT® ist erforderlich bei einer Infektion, Asthma, Ekzemen, Allergien oder Leberfunktionsstörungen; FERINJECT® darf Kindern unter 14 Jahren nicht verabreicht werden. Wenn FERINJECT® zusammen mit oralen
Eisenpräparaten verabreicht wird, ist es möglich, dass diese oralen Präparate weniger wirksam sind. Nebenwirkungen Häufig: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung, Durchfall, Hautausschlag (Rash), Reaktionen am Verabreichungsort.
Gelegentlich: Paraesthesie, Hypotension, Flushing, Geschmacksstörungen, Erbrechen, Dyspepsie, Blähungen, Juckreiz, Nesselsucht
(Urtikaria), Muskelschmerzen, Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Brustschmerzen, Muskelsteifigkeit (Rigor),
Unwohlsein, peripheres Ödem. Manche Blutparameter können vorübergehende Änderungen zeigen, was sich anhand von Laboranalysen
nachweisen lässt. Häufig: vorübergehende Abnahme des Phosphorspiegels im Blut und Anstieg des Leberenzyms Alaninaminotransferase. Gelegentlich: Anstieg bestimmter Leberenzyme (Aspartataminotransferase, Gamma-Glutamyltransferase) und Anstieg
des Enzyms Laktatdehydrogenase. Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Zulassungsinhaber Vifor France SA,
123, Rue Jules Guesde, 92309 Levallois-Perret Cedex, Frankreich; Vertrieb durch Vifor Deutschland GmbH, Landsberger Strasse 302,
80687 München, Deutschland. Stand: August/2007
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Editorial
und Transplantations-Immunologie.
Bei der Gestaltung des Programms
haben wir besonderen Wert auf übergreifende Themen gelegt, die gleichermaßen Grundlagenforscher und
Kliniker interessieren.
Damit hoffen wir, den Auftrag, unseren Mitgliedern den neuesten
Stand nephrologischer Forschung
zu vermitteln, erfüllen zu können.
Jeweils über die gesamte Kongressdauer werden durchgehende Themenblöcke zu “Grundlagen“, „Integrative Nephrologie“, „Experimentelle Nephrologie“, „Klinische Nephrologie“, „Transplantation“, „Dialyse-Apherese“ und „Varia“ angeboten. Sie umfassen jeweils Übersichtsreferate und freie Vorträge.
Die Zahl der freien Vorträge wird
erweitert, um insbesondere jünge-
ren Wissenschaftlern die Präsentation ihrer Ergebnisse zu ermöglichen.
Ferner haben wir täglich 90 Minuten exklusive Zeit für den Besuch
der Poster vorgesehen, um hinreichend Gelegenheit zu bieten, neueste Forschungsergebnisse kennen zu
lernen. Die pädiatrischen Themen
haben wir im Gesamtprogramm integriert, um auch mehr voneinander
zu lernen. Natürlich werden wir uns
auch bemühen, Ihren Aufenthalt in
unserer kleinen, aber feinen Universitätsstadt Tübingen angenehm
und unterhaltsam zu gestalten.
Nicht zuletzt durch den Festabend
und das Rahmenprogramm hoffen
wir die Voraussetzungen zu schaffen, dass unsere gemeinsame Jahrestagung in Tübingen auch dazu
beiträgt, alte Freundschaften zu
pflegen und neue zu schaffen.
Wir freuen uns darauf, Sie im September in Tübingen begrüßen zu
können und wünschen Ihnen einen
spannenden Kongress 2008!
Prof. Dr. F. Lang
Prof. Dr. T. Risler
IMPRESSUM
Herausgeber:
Gesellschaft für Nephrologie, c/o Abteilung für Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III,
Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
Erscheinungsort: Wien, Verbreitung: Deutschland - Österreich - Schweiz
Für den Inhalt verantwortlich:
Prof. Dr. W. Druml, Wien, Prof. Dr. K.-U. Eckardt, Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. W. Fassbinder, Fulda, Prof. Dr. J. Floege, Aachen,
Prof. Dr. F. Frey, Bern, Prof. Dr. H. Geiger, Frankfurt, Prof. Dr. B. Grabensee, Düsseldorf, Prof. H. Haller, Hannover, Prof. Dr. Dr. W. H.
Hörl, Wien, Prof. Dr. D. Kerjaschki, Wien, Prof. Dr. H. Köhler, Homburg/Saar, Prof. Dr. K. Kühn, Karlsruhe, Prof. Dr. A. Kurtz,
Regensburg, Prof. Dr. F. Lang, Tübingen, Prof. Dr. J. Mann, München, Prof. Dr. G. Mayer, Innsbruck, Prof. Dr. M. Mihatsch, Basel,
Prof. Dr. G. A. Müller, Göttingen, Prof. Dr. H. Murer, Zürich, Prof. Dr. R. Oberbauer, Wien, Prof. Dr. B. Osten, Halle, Prof. Dr. H.
Pavenstädt, Münster, Prof. Dr. J. Pfeilschifter, Frankfurt, Prof. Dr. E. Ritz, Heidelberg, Prof. Dr. B. Rossier, Lausanne, Prof. Dr. D.
Schlöndorff, München, Prof. Dr. J. Steiger, Basel, Prof. Dr. C. Wanner, Würzburg, Prof. Dr. G. Wolf, Jena, Prof. W. Zidek, Berlin
Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt die Meinung der Verfasser wider und muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
Ziele der NEPHRO-News:
Diskussionsforum und Informationen zu aktuellen Themen der klinischen Nephrologie und Hypertensiologie für Nephrologen,
nephrologisch interessierte Krankenhausärzte, aber auch niedergelassene Internisten und Allgemeinmediziner.
Kommentare und Zuschriften erbeten an:
Abteilung für Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III, Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
Fax: +43 (1) 40400 4392, E-Mail: [email protected]
Heftpreis: € 10,-, Jahresabonnement: € 60,Copyright & allgemeine Hinweise:
Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Nutzungsrechte, insbesondere das Recht der weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken mit Hilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen sind anhand anderer Literaturstellen oder der Packungsbeilage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Verlag übernimmt keine Gewähr.
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Medicom Verlags GmbH, Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, A-8600 Bruck/Mur,
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E-Mail: [email protected], Nephro-News-Archiv unter: www.medicom.cc
NEPHRO - NEWS
3
Phosphatmanagement vereinfachen –
Adhärenz verbessern
1
Calciumfrei
Langfristig wirksam
2
Geringe Tablettenlast
2,3
Gut verträglich
2,4
1. Horne R. Compliance, adherence and concordance. In: Taylor K, Harding G (eds). Pharmacy Practice. London: Taylor and Francis; 2001: 165 –184. 2. Hutchison AJ
et al. Nephrol Clin Pract 2006; 102: c61– c71. 3. ATC-Index mit DDD-Angaben, DIMDI 2007. 4. Pratt R. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 765A.
Fosrenol® 250 mg / 500 mg / 750 mg / 1000 mg Kautabletten Wirkstoff: Lanthancarbonat-Hydrat. Zusammensetzung: Arzn. wirks. Bestandteil: 1 Kautabl. Fosrenol®
250 mg / 500 mg / 750 mg / 1000 mg enthält 250 mg / 500 mg / 750 mg / 1000 mg Lanthan als Lanthancarbonat-Hydrat. Sonstige Bestandteile: Stärkehydrolysat (enthält 7,89,2 % Wasser), hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat (Ph. Eur.). Anwendungsgebiete: Phosphat-bindendes Mittel zur Vermeidung einer Hyperphosphatämie bei
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, die eine Hämodialysebehandlung oder eine kontinuierliche, ambulante Peritonealdialyse (CAPD) erhalten. Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen Lanthancarbonat-Hydrat oder gegen einen der weiteren Bestandteile. Hypophosphatämie. Nebenwirkungen: Häufig (>1/100, <1/10): gastrointestinale Reaktionen, z. B. Bauchschmerzen, Verstopfung, Durchfall, Dyspepsie, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen. Hypokalzämie. Gelegentlich (>1/1000, <1/100):
Gastroenteritis, Laryngitis; Eosinophilie; Hyperparathyreodismus; Hyperkalzämie, Hyperglykämie, Hyperphosphatämie, Hypophosphatämie, Anorexie, gesteigerter Appetit;
Benommenheit/Schwindel, Kopfschmerzen, Geschmacksstörungen; Vertigo; Aufstoßen, Verdauungsstörungen, Reizkolon (IBS), Mundtrockenheit, Ösophagitis, Stomatitis, weicher
Stuhl, Zahnverletzungen, nicht näher bestimmte Magen-Darm-Beschwerden; Alopezie, Hautjucken, Pruritus, erythematöser Hautausschlag, Schweißausbrüche; Gelenkschmerzen,
Muskelschmerzen, Osteoporose; Asthenie, Brustschmerz, Müdigkeit, Unwohlsein, periphere Ödeme, Schmerzen, Durst; Anstieg der Blutwerte von Aluminium, GGT, Lebertransaminasen und alkalischer Phosphatase; Gewichtsverlust. Vorübergehende Veränderungen des QT-Intervalls wurden beobachtet, die jedoch
nicht mit einer Zunahme unerwünschter kardialer Ereignisse einhergingen. Warnhinweis: Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren.
Weitere Angaben: s. Fach- und Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig. Stand der Fachinformation: Juli 2008. Shire Pharmaceutical Contracts Ltd., Basingstoke, Hampshire, RG24 8EP, Großbritannien. Örtlicher Vertreter: Shire Deutschland GmbH, 50679 Köln.
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
Grundzüge der Diuretikatherapie &
Stellenwert der sequentiellen Tubulusblockade
1. Prinzipien der Diuretikatherapie
Aufbau des Nephrons
Das Nephron besteht bekanntermaßen aus dem Glomerulus mit Vas
afferens und Vas efferens sowie dem
Tubulusapparat mit proximalem Tubulus, Henle-Schleife, distalem Tubulus und Sammelrohr (Abb. 1). Die
Kenntnis der Funktionsweise des Nephrons unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen ist für
das Verständnis der Wirkung von Diuretika bedeutsam. Bereits im proximalen Tubulus werden 60-80% des filtrierten Wassers und Natriums rückresorbiert, aktive Transportmechanismen in Henle'schler Schleife und distalem Tubulus ermöglichen eine weitere Konzentration des Harnes gegen
den osmotischen Gradienten des umgebenden Gewebes.
Typen der Diuretika und Wirkungsweise
(Abb. 1) Die Carboanhydrase-Hem-
mer, die am proximalen Tubulus ansetzen (wie z. B. Acetazolamid), hemmen den Natrium/Protonen-Austausch (Na+/H+-Austauscher) über
die Hemmung der luminalen Protonenpufferung durch Bicarbonat und
die Carboanhydrase-abhängige Katalyse zu H2O und CO2. Durch vermehrten renalen Bicarbonatverlust resultiert eine metabolische Azidose. Die
gesamte natriuretische Wirkung der
Carboanhydrase-Hemmer ist wegen
der Natrium-Rückresorption in den
distalen Tubulusabschnitten schwach;
daher spielen diese Substanzen aufgrund ihrer schwachen diuretischen
Wirkung heute keine wesentliche Rolle mehr.
Hingegen sind Thiazid-Diuretika
(Benzothiazinderivate) und deren
Analoga (z. B. Hydrochlorothiazid,
Xipamid, Chlorthalidon) ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Thiazide hemmen die Natriumabsorption
im distalen Tubulus durch Hemmung
Abb. 1: Schematische Darstellung des Nephrons mit Wirkungsort der
Diuretika. STB: sequentielle Tubulusblockade (Details siehe Text)
NEPHRO - NEWS
des Na/Cl-Kotransporters. Thiazide
führen zu einer verstärkten Ausscheidung von Natrium, Chlorid, Kalium,
Bicarbonat und verringern gleichzeitig die Ausscheidung von Protonen,
wodurch der Harn alkalischer wird.
Schleifendiuretika (z. B. Furosemid,
Bumetanid, Azosemid, Torasemid)
wirken in der Henle'schen Schleife
(überwiegend aufsteigender Schenkel) über eine Hemmung des Natrium-Kalium-2-Chlorid-Kotransporters
durch kompetitive Bindung an die
zweite Cl-Bindungsstelle. Es resultiert
eine Steigerung der Ausscheidung von
Natrium, Ammonium, Calcium und
Chlorid, außerdem werden vermehrt
Protonen und Kalium eliminiert, wodurch eine Hypokaliämie und metabolische Alkalose resultieren (siehe
unten).
Antikaliuretische Diuretika (Aldosteronantagonisten wie z. B. Spironolactone, Eplerenon, antikaliuretische
Diuretika, wie z. B. Amilorid, Triam-
Abb. 2: Schema der pressorischen und die kardiovaskuläre Homöostase
regulierenden Systeme und deren Veränderung bei Herzinsuffizienz. NA:
Noradrenalin, AVP: Arginin-Vasopressin (ADH), Ang II: Angiotensin
II, ANP/BNP: natriuretische Peptide, SNS: sympathisches Nervensystem,
RAS: Renin-Angiotensin-System.
5
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
teren) wirken am distalen Tubulus und
insbesondere am Sammelrohr durch
Hemmung der für Natrium-Resorption und Kalium-Sekretion zuständigen
Natriumkanäle, es resultiert eine Steigerung der Natriurese sowie eine
Hemmung der Kaliurese. Die natriuretische Wirkung ist gegenüber Schleifendiuretika und Thiazid-Diuretika
geringer, wesentlich ist jedoch der kalium-sparende Effekt, weswegen diese Substanzen in Kombination eingesetzt werden, um einer Hypokaliämie
entgegenzuwirken.
Aldosteron-Antagonisten haben zudem noch direkte Effekte in anderen
Organen; so hemmen sie die Wirkung
von Aldosteron am Myozyten und redu- zieren somit die myokardiale Hypertrophie und das Remodelling (Brilla CG, Am J Cardiol 1993; 71:12A-16A).
(Weiterführende Literaturempfehlung: „Internistische Therapie 2008/2009“, WolffWeihrauch, Kap. 3: „Diuretikatherapie“, von
Th. Philipp, S.147-159 sowie Fliser D, Haller H, „Moderne Differentialtherapie mit
Diuretika“, Internist 2004, 45:598-605).
Die Therapie mit Diuretika erreicht
nach einigen Tagen einen Steady state;
so führt die Gabe eines Thiaziddiuretikums zunächst zu einer Negativbilanz für Natrium und Kalium, die
nach drei (Natrium) bzw. sechs (Kalium) Tagen kompensiert wird (Maronde RF, JAMA 1983; 249:237-244). Diverse gegenregulatorische Mechanismen sorgen für eine Abschwächung
der diuretischen Wirkung in den nicht
vom Diuretikum betroffenen Tubulusabschnitten, insbesondere proximaler
Tubulus (durch Noradrenalin und Angiotensin II) und Sammelrohr (Aldosteron, Bock HA, Semin Nephrol 1988;
8:264-272). Bei Schleifendiuretika ist
daher auch ein Rebound-Phänomen
zu beobachten, d. h., nach Abnahme
der Konzentration des Diuretikums
im Harn kommt es zu einer Antina6
triurese. Die natriuretische Wirkung
kann durch kochsalzarme Diät verstärkt werden, gleichzeitig sinkt das
Risiko für eine Hypokaliämie (Ram
CV, Arch Intern Med 1981; 141:10151019). Da die Wirkung der meisten
Diuretika von ihrer Konzentration im
Harn abhängt, führt jegliche Abnahme der Nierenfunktion zu einer Abschwächung der Diuretika-Wirkung.
Indikationen für Diuretika
Diuretika werden klassischerweise bei
Überwässerung und Ödemen eingesetzt. Somit sind wesentliche Indikationen generalisierte Ödeme und Ergüsse bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, nephrotischem
Syndrom und anderen EiweißmangelZuständen. Zu beachten ist, dass mit
Abnahme des kolloidosmotischen
Druckes (insbesondere bei Hypalbuminämie <2.5 g/dl) Diuretika zunehmend an Wirkung verlieren und sogar ein Nierenversagen auslösen bzw.
verstärken können, da das intravasale Volumen zugunsten einer Umverteilung der Flüssigkeit in das Interstitium abnimmt. Somit ist die Genese
der Ödeme auch für die Diuretikatherapie wesentlich.
Bei der Herzinsuffizienz findet sich im
Wesentlichen eine Aktivierung des
sympathischen Nervensystems (SNS),
des Renin-Angiotensin-Systems (RAS),
des Endothelin-Systems (ETS), der
natriuretischen Peptide und des Arginin-Vasopressin (ADH, antidiuretisches Hormon, Abb. 2). Nach heutigem Wissensstand ist die chronische
Überaktivierung des SNS der primäre Auslöser für die Kaskade an humoralen und neuronalen Mechanismen, mit der ein herzinsuffizienter Organismus versucht, die kardiovaskuläre Homöostase aufrecht zu erhalten.
Durch den low-cardiac-output-Status
kommt es zu Natrium- und Wasser-
Retention, die gleichzeitige Vasopressin-Wirkung führt zur Retention von
freiem Wasser (Abb. 2).
Diese Mechanismen erklären letztlich,
warum die wesentliche Therapie der
Ödeme bei Herzinsuffizienz nicht in
der Gabe von Diuretika, sondern in
der Hemmung der neurohumoralen
Überaktivität von SNS und RAS (sowie vermutlich auch des ETS) besteht
(Wenzel RR, Curr Drug Th 2006). Die
Steigerung der Aquaphorese (d. h.
Ausscheidung von Elektrolyt-freiem
Wasser) durch Vasopressin (V2)-Antagonisten (z. B. Tolvaptan) führt insbesondere bei Hyponatriämie, wo Diuretika schlecht oder gar nicht mehr
wirken, zumindest zu einer Verbesserung der Hyponatriämie und der Rehospitalisierungsraten; eine Verbesserung harter Endpunkte konnte bisher
(noch) nicht nachgewiesen werden
(Schrier RW, N Engl J Med 2006; 355: 20992112; Udelson JE, JACC 2007; 49:2151-2159;
Lehrich RW, JASN 2008; 19: 1054-1058).
Die intravenöse Gabe von Schleifendiuretika bei der akuten Herzinsuffizienz scheint außerdem Vorteile gegenüber der oralen Gabe zu haben;
dies erklärt sich - zumindest bei Respondern - durch die gleichmäßigere
kontinuierliche Wirkung gegenüber
der oralen Gabe und der sichereren
Bioverfügbarkeit (Salvador DR, Cochrane Database Syst Rev 2004; 1:CD003178).
Tatsächlich ist gerade bei Furosemid
die inter- und intraindividuelle Resorptionsrate sehr variabel und wird
bei Dekompensation durch die intestinale Kongestion weiter verschlechtert. Neuere Schleifendiuretika, wie z. B. Torasemid, werden hingegen zuverlässiger resorbiert.
In der Therapie der arteriellen Hypertonie haben Diuretika – zumindest
niedrig dosierte Thiazid-Diuretika –
einen etablierten Stellenwert. Höhere
Dosierungen an Thiaziden (d.h. mehr
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Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
als 12,5 mg Hydrochlorothiazid oder
Äquivalent) führen bei Patienten mit
Hypertonie ohne Herzinsuffizienz zu
einer deutlichen Zunahme der Nebenwirkungen bei nur geringer Steigerung der antihypertensiven Wirkung (Law MR, BMJ 2003; 326:1427).
Dem unbezweifelten Stellenwert der
Diuretika im klinischen Alltag zur notwendigen Entwässerung steht die fehlende Evidenz für eine positive Beeinflussung harter Endpunkte entgegen. Tatsächlich gibt es sogar Hinweise, dass Diuretika die Mortalität steigern, im Wesentlichen durch letale
Arrhythmien; hier scheinen jedoch in
erster Linie nicht-kaliumsparende Diuretika verantwortlich zu sein (Abb. 3).
Hinzu kommt, dass Diuretika dosisabhängig die Insulin-Resistenz erhöhen (Pepine CJ, JAMA 2003; 290:28052816; Elliott WJ, Lancet 2007; 369[9557]:
201-207). Ein Neuauftreten eines Diabetes und/oder eine Verschlechterung
der diabetischen Stoffwechsellage hat
bei diesem Patientenkollektiv vermutlich eine weitere Erhöhung der
Morbidität und Mortalität zur Folge.
Schließlich konnte der aus epidemiologischen Studien erwachsene Verdacht, dass Diuretika die Progression
zur terminalen Niereninsuffizienz be-
schleunigen, bisher nicht in prospektiven Studien widerlegt werden (Hawkins RG, Am J Hypertens 2005; 18:744749). Auch wenn in der o. g. Studie lediglich eine Korrelation zwischen
vermehrtem Diuretikaverbrauch und
Zunahme der Inzidenz von terminaler Niereninsuffizienz nachgewiesen
wurde, ist dennoch bis heute nicht auszuschließen, dass Diuretika - v. a. in
der Langzeittherapie und in hohen
Dosen - eine schleichende nephrotoxische Wirkung entfalten.
In einer weiteren Studie wurde eine
erhöhte Rate an Todesfällen bzw. irreversiblem Nierenversagen bei Patienten mit akutem Nierenversagen
nachgewiesen (Mehta RL, JAMA 2002;
288:2547-2553; Abb. 4). Tatsächlich
steigt die Rate an postoperativem Nierenversagen bei Einsatz von Schleifendiuretika (Lassnigg A, JASN 2000;
11:97-104). Auch scheint es einen Zusammenhang zwischen Ototoxizität
und Nephrotoxizität zu geben; dies
liegt an der immunologischen, biochemischen und funktionellen Ähnlichkeit von Innenohr- und Tubuluszellen, insbesondere hinsichtlich der
ähnlichen Natrium- und Kalium-Transporter (Verdel BM, Drug Saf 2008; 31:
877-884). Welchen Anteil eine Hypo-
Abb. 3: Einfluss der Therapie mit nicht-kaliumsparenden und kaliumsparenden Diuretika auf die Mortalität durch maligne Arrythmien
(nach Cooper HA, Circulation 1999; 100:1311-1315).
NEPHRO - NEWS
volämie und direkte nephrotoxische
Effekte der Diuretika haben, ist unklar. Klar ist jedoch aufgrund der Datenlage, dass Diuretika sicherlich keinen positiven Einfluss auf Überleben
und Erholung eines Nierenversagens
haben.
Diuretika haben unerwünschte Wirkungen und verstärken außerdem die
Toxizität von anderen nephrotoxischen Medikamenten (wie z. B. unselektive und COX2-selektive nichtsteroidale Antirheumatika, Aminoglykoside, Cisplatin, Amphotericin B,
Kontrastmittel). Neben den bereits erwähnten Störungen im Elektrolytund Säure-Basen-Haushalt (Hypokaliämie, Hyponatriämie, metabolische Alkalose) ist die diuretikainduzierte Hypomagnesiämie ein potentielles Risiko für maligne Rhythmusstörungen bei chronischer Therapie
mit Thiazid- und Schleifendiuretika
(Dai LJ, Kidney Int 1997; 51:1710-1718).
Insbesondere bei therapieresistenter
Hypokaliämie muss an einen Magnesiummangel gedacht werden, durch
kaliumsparende Diuretika kann der
renale Magnesiumverlust reduziert
werden (Dai LJ, Am J Physiol 1997; 272:
F249-256; Dyckner T, Acta Med Scand
1988; 224:25-30). Weitere Nebenwir-
Abb. 4: Risiko für die Mortalität bzw. irreversibles Nierenversagen (NV)
bei Patienten mit akutem Nierenversagen mit und ohne Diuretikatherapie (nach Mehta RL, JAMA 2002; 288:2547-2553).
7
BEI RENALER ANÄMIE
1 x monatlich für alle Patienten in der Erhaltungsphase1–4
008
AB 1. OKTOBER 2
n
3 neue Wirkstärke
360 μg
d
n
u
g
μ
0
2
1
,
g
μ
0
3
Kontinuierlich aktiv.
Stabil im Hb-Zielbereich.
Kontinuierliche
Rezeptoraktivierung1,5
Stabile
Hb-Werte2,3
Verbessertes
Anämiemanagement6
MIRCERA®: Das Molekül zur kontinuierlichen Aktivierung der Erythropoiese1,5
1 MIRCERA® Summary of Product Characteristics. F. Hoffmann-La Roche Ltd, 2007. 2 Fishbane S, Levin NW, Mann JFE, Lewis JL, Bernardo M, Lunde NM, Dougherty FC. IV C.E.R.A. (Continuous Erythropoietin Receptor Activator) once every 2 weeks or once monthly maintains stable Hb levels after converting directly from IV epoetin 1-3 times per week in patients with CKD on dialysis. Abstract SA-PO205, presented at ASN Annual Meeting, November
14–19, 2006, San Diego, California. J Am Soc Nephrol. 2006;17:618A. 3 Sulowicz W, Locatelli F, Ryckelynck J-P, et al. Once-monthly subcutaneous C.E.R.A. maintains stable hemoglobin control in patients with chronic kidney
disease on dialysis and converted directly from epoetin one to three times weekly. Clin J Am Soc Nephrol. 2007;2:637-646. 4 Levin NW, Imbasciati C, Combe M, et al. Adequate Hb levels are maintained with IV C.E.R.A. (continuous erythropoietin receptor activator) administered up to once monthly in dialysis patients irrespective of age, gender or diabetic status. Abstract SA-PO206, presented at ASN Annual Meeting, November 14–19, 2006, San
Diego, California. 5 Jarsch M, Haselbeck A, Brandt M. Consumption of C.E.R.A. and epoetin beta in a cellular assay: UT-7 consumption model. Presented at American Society of Hematology (ASH) 48th Meeting, December 9–12,
2006, Orlando, FL. 6 Saueressig et al. Staff Time and Costs for Anaemia Management with Erythropoietic Stimulating Agents in Patients on Haemodialysis, presented at ERA-EDTA Congress, June 21–24, 2007, Barcelona.
MIRCERA® 30 Mikrogramm/0,3 ml, 50 Mikrogramm/0,3 ml, 75 Mikrogramm/0,3 ml, 100 Mikrogramm/0,3 ml, 120 Mikrogramm/0,3 ml, 150 Mikrogramm/0,3 ml, 200 Mikrogramm/0,3 ml,
250 Mikrogramm/0,3 ml, 360 Mikrogramm/0,6 ml Injektionslösung in einer Fertigspritze, Wirkstoff: Methoxy-Polyethylenglycol-Epoetin beta. Zusammensetzung: Wirkstoff: 1 Fertigspritze enth. 30, 50, 75, 100,
120, 150, 200, 250 od. 360 Mikrogramm Methoxy-Polyethylenglycol-Epoetin beta (Protein hergestellt durch rekombinante DNS-Technologie in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters u. kovalent gebunden an ein lineares
Methoxy-Polyethylenglycol [PEG]) in einer Konz. v. 100, 167, 250, 333, 400, 500, 667, 883, 600. Sonstige Bestandteile: Natriumdihydrogenphosphat 1 H2O, Natriumsulfat, Mannitol (E 421), Methionin, Poloxamer 188, Wasser
für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Behandlung der symptomatischen Anämie bei chronischen Nierenerkrankungen (CKD). Die Sicherheit und Wirksamkeit der MIRCERA® Therapie wurde bei anderen Indikationen nicht belegt. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gg. Wirkstoff od. einen d. sonstigen Bestandteile, unkontrollierter Hypertonus. Nebenwirkungen: Häufig: Hypertonie, leichte Abnahme der Thrombozyten. Gelegentlich: Kopfschmerzen, ShuntThrombose. Selten: Hypertone Enzephalopathie, makulopapulöses Exanthem, Hitzewallungen, Überempfindlichkeit. Verschreibungspflichtig. Stand der
Information: September 2008. Pharmazeutischer Unternehmer: Roche Registration Ltd., 6 Falcon Way, Shire Park, Welwyn Garden City, AL7 1TW, UK.
Vertreter in Deutschland: Roche Pharma AG, 79630 Grenzach-Wyhlen.
Roche Pharma AG
79630 Grenzach-Wyhlen
• • • • • www.roche.de
www.anaemiaworld.de www.mircera.de
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
kungen sind gastrointestinale Unverträglichkeit und eine - meist reversible - Ototoxizität der Schleifendiuretika. Triamteren ist zudem mit einer
hohen Rate an Nierensteinen vergesellschaftet und kann in Einzelfällen
sogar ein Nierenversagen auslösen
(Sica DA, Nephron 1989; 51:454-461).
Obwohl Xipamid (Aquafor®, Aquaforil®) zu den low-ceiling-Diuretika
zählt, sind hier neben der besonders
starken diuretischen Wirkung auch
überdurchschnittlich hohe Nebenwirkungsraten, v. a. Elektrolyt-Entgleisungen (Hyponatriämie, Hypokaliämie) beschrieben; somit sollte Xipamid besonders zurückhaltend eingesetzt werden, zudem keine wesentlichen Vorteile gegenüber Thiaziden
oder modernen Schleifendiuretika
(wie z. B. Torasemid) beschrieben sind
(Sandhofer A, Wien Klin Wschr 2002;
114:938-942).
Hingegen gilt Amilorid als eines der
bestverträglichen low-ceiling-Diuretika und hat einen besonderen Stellenwert bei Lithium-induzierter ADHResistenz mit renalem Diabetes insipidus (Batlle DC, N Engl J Med 1985;
312:408- 414). Außerdem wird Amilorid - gemeinsam mit Aldosteronantagonisten - für die Therapie der Glitazon (Thiazolidinedione)-induzierten
Ödeme empfohlen, für deren Entstehung u. a. ein direkter, PPARγ-abhängiger antinatriuretischer Effekt am
Sammelrohr verantwortlich gemacht
wird (Karalliedde J, Drug Saf 2007; 30:
741-753; Buckingham RE, Diabetes Obes
Metab 2008; 10:312-328).
2. Sequentielle Tubulusblockade
Unter „sequentieller Tubulusblockade“ (STB, auch „totale Nephronblockade“) versteht man die Kombinationstherapie mit Diuretika, die an verschiedenen Bereichen des TubulusapNEPHRO - NEWS
Abb. 5: Empfehlung für das Procedere bei Dekompensation und Herzinsuffizienz (modifiziert nach Brater DC, N Engl J Med 1998; 339:
387-395). Die Empfehlungen sind überwiegend
nicht durch kontrollierte Studien belegt (Evidenzgrad C), der Benefit einer sequentiellen Tubulusblockade sowie einer Nierenersatztherapie
bzgl. harter Endpunkte und Überleben der Patienten nicht gesichert (Details siehe Text).
parates angreifen; auch wenn einige
Autoren hier den proximalen Tubulus
durch Carboanhydrasehemmer einschließen, so versteht man heute unter STB doch weitgehend die Kombination eines Schleifendiuretikums
(Henle'sche Schleife) mit einem Thiazid-Diuretikum (distaler Tubulus),
und ggf. einem kaliumsparenden Diuretikum (Sammelrohr, Abb. 1).
Hintergrund ist die Tatsache, dass die
chronische Schleifendiuretikatherapie, insbesondere bei der Herzinsuffizienz, eine Hypertrophie der tubulären
Epithelzellen im distalen Tubulus mit
erhöhter Natriumresorptionskapazität
induziert; die Folge ist eine abgeschwächte natriuretische Wirkung (Loon NR,
Kidney Int 1989; 36:682-689). Durch
Hemmung der Natriumresorption im
distalen Tubulus mittels eines ThiazidDiuretikums kann die natriuretische
Wirkung der Schleifendiuretika wieder hergestellt werden (Fliser D, Kidney Int 1994; 46:482-488; Ellison DH, Ann
Intern Med 1991; 114:886-894).
Die ESC-Guidelines empfehlen den
Einsatz von Diuretika zur symptomatischen Therapie bei Dekompensation (Klasse I, Evidenzgrad A). Allerdings fehlen kontrollierte Studien
zum Einfluss von Diuretika auf Symptome und Überleben; grundsätzlich
sind Diuretika nur in Kombination mit
ACE-Hemmern (und AT1-Rezeptorantagonisten) sowie Betablockern
empfohlen (Klasse I, Evidenzgrad C,
ESC-Guidelines für die Herzinsuffizienz
[Update], Eur Heart J 2005; 26:1115-1140).
Eine STB wird bei unzureichendem
Ansprechen bzw. Versagen einer Monotherapie mit ausreichenden Dosierungen von Schleifendiuretika empfohlen (ESC-Guidelines für die Herzinsuffizienz [Update], Eur Heart J 2005; 26:
1115-1140).
Die Zunahme an kardiorenalen Syndromen macht gerade bei diesem
hochmorbiden Patientenkollektiv die
Entscheidung zum richtigen Procedere bei chronischer kardialer Dekompensation schwer (Ronco C, Nat
Clin Pract Nephrol 2008; 4:310-311). Bei
über 50% der herzinsuffizienten Patienten entsteht mittelfristig eine höhergradige Niereninsuffizienz, die einerseits prärenal, andererseits aber auch
durch Atherosklerose, Hypertonieund Diabetes-Schäden sowie medikamentös (Diuretika, NSAR, u. a.)
bedingt ist. Zu einem Zeitpunkt, bei
dem der Patient hohe Dosen Diuretika und ggf. eine STB benötigt, wird
früher oder später die Entscheidung
zu einer - zumindest passageren - Nierenersatztherapie (Hämodialyse, Hämofiltration, Peritonealdialyse) notwendig. Ob - und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt - die Patienten von
einer Nierenersatztherapie profitieren,
9
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
ist bis heute nicht in kontrollierten
Studien untersucht. Tatsache ist, dass
in diversen kleineren Studien ein Benefit für die Symptome der Patienten
durch eine passagere Nierenersatztherapie, bevorzugt Peritonealdialyse, beschrieben ist, das Ansprechen auf Diuretika verbessert sich
wieder (König P, Arch Intern Med 1987;
147:1031-1034; Kagan A, Nephrol Dial
Transplant 2005; 20 [Suppl 7]:vii28-31).
Eine nach Brater adaptiertes Flowchart gibt eine Empfehlung für das
derzeitige Vorgehen zur Diuretikatherapie wieder (Brater DC, N Engl J
Med 1998; 339:387-395; Abb. 5). Allerdings sind die meisten der dort gezeigten Empfehlungen nicht in kontrollierten Studien untersucht und damit nur durch "Personal Opinion and
Experience" belegt (Evidenzgrad C).
Insbesondere ist derzeit nicht belegt,
ob eine hochdosierte Diuretikatherapie, insbesondere mit sequentieller Tu-
10
bulusblockade (STB), gerechtfertigt
und einer ggf. früheren Nierenersatztherapie zu bevorzugen ist und ob
eine Peritonealdialyse einer Hämodialyse bei diesem Patientenkollektiv
überlegen ist.
3. Zusammenfassung
Diuretika sind in Zuständen der kardialen Dekompensation notwendige
Medikamente zur Behandlung der
pulmonalen und peripheren Kongestion. Der Einsatz von Diuretika bei
Hypertonie ist etabliert, bei Herzinsuffizienz werden Diuretika zur symptomatischen Therapie bei Überwässerung empfohlen, ein Nutzen bzgl.
harter Endpunkte (kardiovaskuläre
Ereignisse, Mortalität) ist bisher bei
Herzinsuffizienz nicht nachgewiesen.
Einsatz finden Schleifendiuretika
(Henle’sche Schleife), Thiaziddiuretika (distaler Tubulus) und kaliumspa-
rende Diuretika (Aldosteronantagonisten, Amilorid). Nebenwirkungen
sind u. a. Elektrolyt-Entgleisungen
(Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypomagnesiämie), Erhöhung der Insulinresistenz und Ototoxizität. Der Einsatz von Diuretika beim Nierenversagen hat keinen oder sogar einen nachteiligen Einfluss auf die Erholung der
Nierenfunktion, nicht-kaliumsparende Diuretika führen vermutlich sogar
zu einer Erhöhung der Mortalität
durch maligne Arrythmien. Eine sequenzielle Tubulusblockade und/oder
eine passagere Nierenersatztherapie
können bei Resistenz auf die konventionelle Therapie möglicherweise von
Nutzen sein, eine Evindenz in kontrollierten Studien fehlt bis heute.
Univ.-Doz. Dr. med. René R. Wenzel
Primarius der Abt. für Innere Medizin
Allgemeines öffentliches Krankenhaus
Zell am See
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
Neue Marker der diabetischen Nephropathie
durch Proteomanalyse
Der Diabetes mellitus ist nach der arteriellen Hypertonie die zweite große
Volkskrankheit in den westlichen Industrienationen und gleichzeitig die
häufigste Ursache für eine chronische Nierenerkrankung. In Deutschland wurde die Prävalenz noch 1998
auf 4,24 Prozent der Bevölkerung,
entsprechend 3,5 Mio. erkrankter
Bundesbürger, geschätzt. Im Jahr
2004 lag die Prävalenz nach Krankenkassendaten bereits bei 7,6 Prozent. Gemäß den überarbeiteten
WHO- bzw. ADA („American Diabetes Association“)-Kriterien dürfte
die aktuelle Prävalenz sogar bei 8,59 Prozent liegen (Hader C und Plum J,
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127:13241327) und bis zum Jahre 2025 wird
in Deutschland mit etwa 12-20 Mio.
Diabetikern gerechnet. Inzidenz und
Prävalenz insbesondere des Typ-2Diabetes mellitus haben in den letzten Jahren stark zugenommen, wobei allerdings die Prävalenz überproportional angestiegen ist (Janka
HU, Diabetologie 1996; 4:243-253). 50
bis 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker
weisen nach 20-jähriger Diabetesdauer eine diabetische Retinopathie
auf, bei Typ-1-Diabetikern sind es
sogar fast 100 Prozent ((Klein R und
Klein BE, Am J Ophthalmol 2002; 134:
261-263). In ähnlicher Weise hat auch
das Auftreten der diabetischen
Nephropathie zugenommen. Während die Inzidenz der diabetischen
Nephropathie bei Typ-1-Diabetikern
nach 15-30-jähriger Diabetesdauer
zwischen 20 und 40 Prozent liegt
(Harvey JN, Brit Med J 2002; 325:5960), entwickeln 10-50 Prozent der
Typ-2-Diabetiker eine renale Beteiligung. Gemäß den Ergebnissen des
NEPHRO - NEWS
Abb. 1: Repräsentatives SELDI-TOF MS Proteinmuster (Gelview) von Urin der vier untersuchten Gruppen (Diabetiker mit Nephropathie, Diabetiker ohne Nephropathie, Patienten mit Proteinurie nicht-diabetischer Genese, Kontrollen). Dargestellt ist das mittlere Molekulargewicht
(10.000-18.000). Die beiden in den Boxen dargestellten Peaks von 11.774 und 14.766 wurden differentiell ausgeschieden im Urin von Patienten mit diabetischer Nephropathie (Dihazi H, Clin
Chem 2007; 53:1636-1645).
„Quasi Niere“-Registers ist der Diabetes mellitus seit einigen Jahren mit
über 36 Prozent die häufigste Ursache der terminalen Niereninsuffizienz in Deutschland (Frei U and Schober-Halstenberg HJ, QuasiNiere 2006; 168). In einigen Zentren liegt der
Anteil aber sogar schon bei bis zu 50
Prozent. Dabei weisen die Diabetiker unter den Dialysepatienten gegenüber den nicht-diabetischen Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz eine um 22 Prozent erhöhte
1-Jahresmortalität und immerhin
noch eine um 15 Prozent erhöhte 5Jahresmortalität auf.
Auftreten der diabetischen
Nephropathie
Per definitionem ist der Nachweis einer Proteinurie, bzw. Makroalbuminurie (definiert als Albuminausscheidung von >300 mg/24h) der
stärkste Hinweis für eine diabetische
Nephropathie. Bei gleichzeitiger Re-
tinopathie kann dann auch ohne bioptischen Nachweis von einer diabetischen Nephropathie ausgegangen werden. Vorstadium der Proteinurie ist im Regelfall die Mikroalbuminurie. Bei Typ-1-Diabetikern
ist typischerweise 8 bis 15 Jahre nach
Erkrankungsbeginn mit dem Auftreten einer Mikroalbuminurie zu
rechnen. Dabei gilt, je früher nach
Erkrankungsbeginn eine Mikroalbuminurie auftritt, desto wahrscheinlicher ist die Progression zum Stadium der Proteinurie (Stadium 4 nach
Mogensen). Die Mikroalbuminurie
ist allerdings nicht ohne Problematik
bezüglich der prognostischen Bedeutung. Nur 30-45 Prozent der Typ1-Diabetiker zeigen eine Progression zur Makroalbuminurie und zur
Verschlechterung der renalen Funktion innerhalb eines 10-Jahreszeitraumes (Caramori ML, Diabetes 2000;
49:1399-1408) und nur in maximal 60
Prozent innerhalb von 20 Jahren
11
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
(Perkins BA, N Engl J Med 2003; 348:
2285-2293). Darüber hinaus gibt es
große Unterschiede zwischen Typ-1und Typ-2-Diabetikern. So ist die Assoziation zwischen Mikroalbuminurie und manifester diabetischer Nephropathie bei Typ-2-Diabetikern wesentlich weniger ausgeprägt. Bei
diesen Patienten hat die Mikroalbuminurie vielfach andere Ursachen
wie beispielsweise eine Herzinsuffizienz oder arterielle Hypertonie. Unabhängig von der prognostischen Bedeutung für die Entwicklung der diabetischen Nephropathie ist die Bestimmung der Albuminexkretion auch
bei Typ-2-Diabetikern von großer Bedeutung, da der Nachweis einer Mikroalbuminurie mit einem deutlich erhöhten Risiko für kardiovaskuläre
Ereignisse einhergeht. So hatten beispielsweise Diabetiker in der HOPEStudie („heart outcomes prevention
evaluation“) ein um den Faktor 1,97
erhöhtes Risiko, einen Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulären Tod zu erleiden (Gerstein HC,
JAMA 2001; 286:421-426).
Problemstellung und Methodik
Wie können Patienten mit Diabetes
mellitus und dem höchsten Risiko für
die Entwicklung für das Entstehen
einer diabetischen Nephropathie am
besten identifiziert werden? Bislang
steht klinisch hierfür lediglich die Bestimmung der Mikroalbuminurie zur
Verfügung. Diese hat aber nach den
obigen Ausführungen nur einen geringen prädiktiven Wert (v. a. bei
Typ-1-Diabetikern), bzw. ist sehr unspezifisch (v. a. bei Typ-2-Diabetikern). Dies bedeutet, dass additive
Marker erforderlich sind, um das Risikokollektiv besser identifizieren und
dann therapieren zu können. Es existieren zwei prinzipielle Strategien,
um neue Marker identifizieren zu
NEPHRO - NEWS
können (Barratt J und Topham P, CMAJ
2007; 177:361-368). Die erste Strategie besteht in der Untersuchung von
potentiellen Biomarkern, die über Voruntersuchungen, die oft experimenteller Natur sind, identifiziert wurden. Hierzu zählen typischerweise
tubuläre Proteine, Wachstumsfaktoren, Zytokine und inflammatorische
Mediatoren. Dagegen besteht die zweite Strategie auf dem breiten Screening von Urin auf erkrankungsspezifische Proteine, basierend typischerweise auf Varianten der Massenspektrometrie. Diese soll hier weiter
in Bezug auf die diabetische Nephropathie mit einigen aktuellen Anwendungsbeispielen dargestellt werden.
Proteomanalyse und
diabetische Nephropathie
Unter Proteomics versteht man die
Analyse der Proteinexpression in Gewebe oder Körperflüssigkeiten. Die
derzeit am meisten verwendete Methode zur Identifikation von neuen
Biomarkern stellt die Urinzentrifugation gefolgt von einem oder zwei
Separationsschritten (z. B. 2-D-Gelelektrophorese) und abschließender
Massenspektrometrie dar. Entscheidend ist dabei nicht zuletzt eine Standardisierung der Urinsammlung sowie eine Normalisierung der Urinmengen. Das „Human Kidney and
Urine Proteome Project“ (www.hkupp.org)
organisiert von der „World Human
Proteome Organisation“ (HUPO)
hat hierzu entsprechende Richtlinien verfasst. Die 2-D-Gelelektrophorese war dabei initial das am meisten
verwendete Verfahren für die Trennung von Proteinen. Allerdings ist
das Verfahren zeitaufwendig und hat
nur ein begrenztes Auflösungsvermögen, insbesondere für kleine Proteine und Peptide. Hinzu kommt die
schlechte Integration mit weiterge-
henden Analyseverfahren der Massenspektrometrie. Daher wurde zunehmend dazu übergegangen, Standardmassenspektrometrietechniken
einzusetzen. Hierzu zählen MALDITOF (matrix assisted laser desorption and ionization combined with timeof-flight mass spectrometry), ESIMS (Elektrospray-Ionisation Massenspektrometrie) und SELDI-TOF
(surface-enhanced laser desorption
and ionization combined with timeof-flight mass spectrometry). Mittels
kombiniertem Einsatz dieser Techniken wurden im normalen menschlichen Urin insgesamt über 1000 verschiedene Proteine und noch deutlich mehr Peptidfragmente von größeren Proteinen identifiziert. Eine
entsprechende Datenbank wurde erstellt und ist öffentlich zugänglich.
In einer eigenen Untersuchung hat
unsere Arbeitsgruppe kürzlich mittels SELDI-TOF Massenspektrometrie von Urinproben von diabetischen Patienten mit diabetischer
Nephropathie mit solchen von Diabetikern ohne Albuminurie, gesunden Probanden und Patienten mit
Proteinurie aufgrund einer nicht-diabetischen Erkrankung verglichen
(Abbildung 1). Dabei fand sich neben der erwarteten Mehrausscheidung von β2-Mikroglobulin bei Patienten mit diabetischer Nephropathie, eine vermehrte Ausscheidung
eines Ubiquitin ribosomalen Fusionsproteins (UbA52) wie auch eine verminderte Ausscheidung eines Proteins mit einem Molekulargewicht
von 6188, das als prozessierte Ubiquitinform identifiziert werden konnte (Dihazi H, Clin Chem 2007; 53: 16361645). Die verminderte renale Exkretion war spezifisch für Patienten
mit Diabetes und erhöhter Albuminausscheidung. Aufgrund der geringen Fallzahl wurde in dieser Unter13
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
suchung allerdings nicht differenziert
zwischen Mikro- und Makroalbuminurie. Dies wird in einer Untersuchung an einem deutlich größeren
Patientenkollektiv nachgeholt. Sharma und Mitarbeiter verwendeten die
Methode der zweidimensionalen differentiellen In-Gelelektrophoreseanalyse (2-D DIGE), um Urin von Patienten mit diabetischer Nephropathie im Vergleich zu Kontrollen zu
analysieren (Sharma K, Proteomics
2005; 5:2648-2655). Dabei konnten
insgesamt 99 differentiell regulierte
Spots nachgewiesen werden, von denen bei Patienten mit diabetischer
Nephropathie 63 hoch- und 36 herunterreguliert waren. Der Spot mit
der höchsten Heraufregulation stellte sich in der Sequenzierung als Alpha-1-Antitrypsin heraus und konnte in additiven immunhistochemischen Untersuchungen auch vermehrt in Arealen von tubulointerstitieller Fibrose bei Diabetikern nachgewiesen werden. Allerdings ist die
vermehrte Exkretion von Alpha-1Antitrypsin natürlich alles andere als
spezifisch.
Otu und Mitarbeiter aus der Arbeitsgruppe Thadani haben vor kurzem den potentiellen Nutzen der Proteomanalyse im Urin als prädiktiven
Marker für das Auftreten einer diabetischen Nephropathie analysiert
(Otu HH, Diabetes Care 2007; 30: 638643). Dabei konnten sie im Rahmen
einer Fallkontrollstudie (die Hälfte
der Patienten entwickelte über den
10-Jahreszeitraum eine diabetische
Nephropathie, die andere Hälfte
nicht) (n=31 pro Gruppe) auf Urinproben von Pimaindianern über einen Zeitraum von 10 Jahren zurückgreifen. Bei diesem Indianerstamm
aus dem Südwesten der USA entwickelt sich in einem hohen Prozentsatz ein Typ-2-Diabetes und dann in
14
bis zu 50 Prozent der Betroffenen eine diabetische Nephropathie. Eine
SELDI-TOF-Analyse erbrachte insgesamt 714 Proteinpeaks, von denen
12 Peaks zur Differenzierung herangezogen werden konnten. Mit diesen ergaben sich eine Sensitivität von
93 und eine Spezifität von 86 Prozent
in dem initialen Patientenkollektiv
(n=14/14). Die Validierung in den
restlichen 34 Patienten (17 Kontrollen und 17 Patienten mit diabetischer
Nephropathie) erbrachte allerdings
bereits reduzierte Werte für Sensitivität (71%) und Spezifität (76%).
Auch hier sind also prospektive Untersuchungen dringend erforderlich,
um die Daten an einem deutlich
größeren Patientenkollektiv validieren zu können.
Zusätzlich wurden die Massenspektrometrietechniken weiterentwickelt,
um eine schnelle, sensitive und automatisierte Analyse des Urinproteoms
zu ermöglichen. Eine solche Weiterentwicklung stellt die Kombination
der Kapillarelektrophorese mit der
Elektronenspray-Massenspektrometrie dar. Diese Methode wurde in einer ganzen Reihe von Untersuchungen mit Erfolg angewandt (Fliser D,
J Am Soc Nephrol 2007; 18:1057-1071).
Beispielsweise wurde dieses Verfahren in 305 Patienten mit Diabetes ohne Nephropathie, Diabetes mit Nephropathie und nicht-diabetischer Proteinurie evaluiert (Rossing K, J Am Soc
Nephrol 2008; 19:1283-1290). Dabei
fand sich ein Panel von insgesamt 40
Biomarkern, die Diabetiker von gesunden Kontrollpersonen mit einer
Sensitivität von 89 Prozent und einer Spezifität von 91 Prozent differenzierten. Bei den Diabetikern zeigten sich insgesamt 102 Biomarker, die
zwischen Nephropathie und Normalbuminurie unterscheiden konnten. Die Verwendung von 65 dieser
Marker führte zu einer korrekten
Identifikation von Patienten mit diabetischer Nephropathie mit einer sogar jeweils 97%igen Spezifität und
Sensitivität. Interessanterweise waren diese Marker auch in der Lage,
die Patienten mit hohem Risiko zu
identifizieren, also Patienten mit Mikroalbuminurie, die innerhalb von
drei Jahren eine Progression zur diabetischen Nephropathie zeigten. Nur
ein Teil dieser Marker wurde bislang
identifiziert, wobei es sich bei vielen
der sequenzierten Markerproteine
um Fragmente der Kollagentypen I
bzw. III handelt. Diese waren bei Patienten mit diabetischer Nephropathie in verminderter Quantität nachweisbar. Die Autoren führen dies auf
die verminderte Synthese von Kollagen-spaltenden Proteasen während
der Fibrosierung zurück.
Zusammenfassung
Weniger als die Hälfte der Patienten
mit Diabetes mellitus entwickeln eine diabetische Nephropathie. Die
Mikroalbuminurie ist problematisch
aufgrund des geringen prädiktiven
Wertes. Proteomische Analysen haben eine Vielzahl von potentiellen
Biomarkern identifiziert, die in Kombination differenzieren können zwischen Diabetikern mit und ohne Nephropathie und auch eine Abgrenzung
gegenüber anderen proteinurischen
Erkrankungen erlauben. Eine Validierung an größeren, unabhängigen
Patientenkollektiven steht allerdings
für die große Mehrzahl der identifizierten Biomarker noch aus.
Prof. Dr. F. Strutz
Dr. H. Dihazi
Prof. Dr. G.A. Müller
Abt.g Nephrologie und Rheumatologie
Universitätsmedizin Göttingen
Göttingen
NEPHRO - NEWS
Aktuelles zum Mineral- und Knochenhaushalt
Kritische Evaluation der KDIGO-Guidelines
zum Mineral-und Knochenhaushalt bei
Niereninsuffizienz
Vor genau 10 Jahren wurde die erste
epidemiologische Studie publiziert, die
auf einen Zusammenhang zwischen
Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts und der Mortalität von Dialysepatienten hinwies (Block GA, Am J
Kidney Dis 1998; 31:607-617). Seit dieser
Veröffentlichung sind zahlreiche weitere Studien publiziert worden, die sowohl plausible biologische Pathomechanismen als auch erweiterte klinische
Assoziationen zu diesem Mortalitätskontext darstellten. Als Konsequenz
dieser Datenlage wurden im Jahr 2003
von der amerikanischen National Kidney Foundation (NKF) K/DOQI-Leitlinien publiziert, welche die potentielle
kardiovaskuläre Relevanz des CalciumPhosphat-Haushalts und des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT)
zusätzlich zu deren Konsequenzen für
den Knochenumsatz zu berücksichtigen versuchten (NKF, Am J Kidney Dis
2003; 42[4 Suppl 3]:S1-S201). Erstmals
wurden in diesem Prozess Zielwertbereiche (für die Laborparameter Parathormon (PTH), Calcium, Phosphat,
Calcium x Phosphat-Produkt) und recht
klare klinische Behandlungsalgorithmen definiert. Zweifellos entsprachen
diese Leitlinien einerseits einem Meilenstein auf dem Weg in eine optimiertere Behandlung von Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz. Andererseits besaßen die K/DOQI-Leitlinien die inhärente Schwäche, dass sie fast
ausschließlich auf Expertenmeinung
und nur zu einem sehr geringen Anteil
auf harter Evidenzbasis beruhten.
Die 2003 gegründete “Kidney Disease
- Improving Global Outcomes” (KDIGO)-Initiative hatte sich 2005 die ReEvaluation der Störungen des Mineralund Knochenhaushalts bei chronischer
Niereninsuffizienz (“Chronic Kidney
Disease - Mineral and Bone Disorder”,
NEPHRO - NEWS
Definition of CKD-MBD
A systemic disorder of mineral and
bone metabolism due to CKD manifested by either one or a combination of the following:
• Abnormalities of calcium, phosphorus,
PTH or vitamin D metabolism.
• Abnormalities in bone turnover, mineralization, volume, linear growth or strength.
• Vascular or other soft tissue calcification.
Tab. 1: Originalformulierung der Definition
von CKD-MBD
CKD-MBD) auf die Fahne geschrieben und diese Begrifflichkeit während
einer “Consensus Conference” in Madrid neu definiert (Tabelle 1; Moe S, Kidney Int 2006; 69:1945-1953). Kernpunkt
war die Ablösung des knochenzentrischen Begriffs „Renale Osteodystrophie“ durch den Terminus CKD-MBD,
welcher einen „Systemerkrankungscharakter“ abbilden sollte. KDIGO
wird von der NKF gemanaged, ist jedoch ein unabhängiges Organ. Im Jahr
2006 wurde dann eine international zusammengesetzte Leitlinienarbeitsgruppe zum Thema CKD-MBD unter der
Leitung von Prof. Tilman Drueke (Paris) und Prof. Sharon Moe (Indianapolis) gegründet, mit dem Ziel, strikt
und rigoros Evidenz-basierte Leitlinien zu diesem Komplex zu erarbeiten.
Die Sicherstellung dieses Prozesses erfolgte durch die Einbindung eines „Evidence Review Teams“ (ERT) der Tufts
University Boston. Diese Gruppe traf
sich insgesamt viermal für je zwei Tage, zwischendurch wurden zahlreiche
Telefonkonferenzen abgehalten, die
übrige Kommunikation fand per EMail oder in einem geschützten Internetbereich („Sharepoint“) statt.
Initial wurden die einzelnen Themen
und Stichworte für die Literatursuche
sowie die Mindestanforderungen an die
jeweilige Studienqualität festgelegt.
Letzterer Punkt ist entscheidend zum
Verständnis des Prozesses und des konsekutiven Resultats der KDIGO-Leitlinien zu CKD-MBD:
• Die Minimalanforderungen an diagnostikrelevante Studien waren durchschnittlich wie folgt: CKD-Stadien
3 – 5 D (Dialysepatienten) und T
(Transplantierte); n ≥ 100 (Patienten
pro Studie); Follow-up ≥ 6 Monate;
prospektiv-longitudinal (Ausnahmen:
kindernephrologische Studien, Knochenbiopsiestudien).
• Die Minimalanforderungen an therapierelevante Studien waren wie
folgt: CKD-Stadien 3 – 5, 5D, 1 – 5T;
n ≥ 25 Patienten pro Arm; Follow-up
≥ 6 Monate; randomisiert-kontrolliert; Hierarchie der Endpunkte:
Nur „harte“ Endpunkte, wie Mortalität und Morbidität wurden mit hohem leitlinienrelevantem Evidenzgrad
bewertet (Ausnahme: n ≥ 10 Patienten pro Arm bei Knochenbiopsiestudien).
Im Unterschied zu diesem Prozess hatte die K/DOQI-Arbeitsgruppe für die
2003-Leitlinien alle Studientypen und
-qualitäten evaluiert, die Mindestanforderung war lediglich eine N-Zahl
von ≥ 10 Patienten pro Arm (bei Crossover-Studien ≥ 5 Patienten pro Arm).
Die Bewertung der Aussagekraft von
vergleichenden, epidemiologischen Beobachtungsstudien wurde parallel intensiv diskutiert. Nur randomisierten,
kontrollierten Studien wurde primär
ein hoher Evidenzgrad zugewiesen, eine
potentielle Aufwertung von ansonsten
prinzipiell mit niedrigem Evidenzgrad
bewerteten Beobachtungsstudien konnte nach dem GRADE-System vorgenommen werden (Uhlig K, Kidney Int
15
Aktuelles zum Mineral- und Knochenhaushalt
2006; 70:2058-2065). Dieses System begründet die Aufwertbarkeit von Beobachtungsstudien um eine Stufe, wenn
sich das relative Risiko (RR) einer Intervention um den Faktor > 2 oder < 0,5
von der Vergleichsgruppe unterscheidet. Diese Unterschiedsdimensionen
wurden jedoch bei keiner der diskutierten therapierelevanten Beobachtungsstudien erreicht. Das Ergebnis der
Literatursuche hinsichtlich berücksichtigbarer therapierelevanter Studien ist in Abbildung 1 dargestellt.
Der Status der KDIGO-Leitlinien zu
CKD-MBD ist vorläufig – bis Ende
August 2008 fand ein sog. „Public Review“ statt, bei dem weltweit mehrere
hundert Meinungsbildner, Industrievertreter, nephrologische Gesellschaften etc. das aktuelle Leitlinienmanuskript lesen, kritisieren und kommentieren sollten. Anschließend findet nun
aktuell eine Symbiose und Bewertung
des Feedbacks durch die Leitlinienarbeitsgruppe und das ERT statt. Denkbar sind insofern durchaus noch gewisse Veränderungen des Tenors und
der Formulierung einzelner Leitlinien,
grundsätzliche Änderungen sind jedoch
weniger wahrscheinlich. Die endgültige Publikation wird zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 in Kidney
International erwartet.
Das Dokument ist wie folgt aufgeteilt:
• Kapitel 1: Einleitung und Definition
von CKD-MBD
• Kapitel 2: Methodologische Vorgehensweise
• Kapitel 3: Diagnose, Prävalenz und
Verlauf von CKD-MBD
• Kapitel 4: Behandlung von CKDMBD
Kapitel 3 und 4 sind wie folgt gegliedert: Die jeweilige Leitlinienempfehlung wird gefolgt von einer begründenden Logikkette („Chain of Logic“)
bzw. von der Auflistung der jeweiligen
Rationalen, die zur spezifischen Leitlinienformulierung geführt haben. Dann
schließt sich ein detaillierter Übersichtstext an, welcher sowohl noch einmal die themenspezifische Methodik
darstellt als auch die für nicht unmittelbar als leitlinienrelevant eingestufte
16
Abb. 1: Literaturrecherche und Verlauf des Auswahlprozesses (KDIGO) für die therapierelevanten Studien
Literatur diskutiert (z. B. unberücksichtigt gebliebene große epidemiologische Studien). Schließlich werden
konkrete Forschungsempfehlungen
(„Research Recommendations“) formuliert und anhand von FAQs („Frequently Asked Questions“) klinisch relevante Beispielszenarien diskutiert.
Kernpunkte der KDIGOLeitlinien zu CKD-MBD
Im Folgenden muss es sich naturgemäß
zum gegenwärtigen Zeitpunkt um eine
ganz subjektive Einschätzung des Autors handeln, da der öffentliche Review
und anschließende Bewertungsprozess
noch nicht abgeschlossen sind und da
eine komplette Kommentierung aller
Leitlinien den Rahmen dieses Artikels
sprengen würde. Ein zentraler, neuer
Aspekt dieser KDIGO-Leitlinienempfehlungen im Vergleich zu den K/
DOQI-Leitlinien 2003 ist die Abkehr
von fixen und numerischen Zielwerten.
Die Empfehlungen zu den biochemischen Kernparametern und deren Hin-
tergrund sind aktuell wie folgt zusammenzufassen:
• PTH: Vermeidung von Extremwerten (< 2-fach und > 9-fach des Normalbereichs des jeweiligen Assays) –
Begründung: Erhebliche Inter-Assay-Variabilitäten, keine zuverlässige Korrelation mit Knochenumsatz
innerhalb dieses Bereichs, Assoziationen mit erhöhter Mortalität außerhalb dieses Bereichs;
• Phosphat: Behandlung in Richtung
Normalbereich – Begründung: Klare biologische und epidemiologische
Plausibilität als kardiovaskulärer Risikofaktor, aber keine prospektive
Evidenz für einen gesicherten protektiven Zielbereich;
• Calcium: Niedrig-normale Serumwerte werden vorsichtig als vermutlich günstig beschrieben – Begründung: Deskriptive Daten aus epidemiologischen Studien, allerdings geben
Calciumwerte keinen Anhalt zur Erfassung der Calciumbilanz;
• Calcium x Phosphat-Produkt: Wird
nicht mehr als sinnvoller additiver
Diagnostikparameter empfohlen, da
hauptsächlich durch Phosphat dominiert.
Vielmehr sollen nun Trends, d. h., progrediente Anstiege oder Abfälle der biochemischen Parameter statt Einzelmessungen bei Therapieentscheidungen berücksichtigt werden. Beim PTH
innerhalb o. a. Bereich wird im Textfluss des Leitliniendokuments, aber
außerhalb der streng evidenzbasiert
verfassten Leitlinienempfehlung, vorsichtig formuliert, dass Serumwerte der
(evtl. knochenspezifischen) alkalischen
Phosphatase (AP) hilfreich sein könnten, um eine Behandlungsentscheidung
anhand des vermuteten Knochenstoffwechsels treffen zu können. Beim Phosphat ist die KDIGO-Empfehlung eigentlich sogar rigoroser als die K/DOQILeitlinie 2003: Letztere hatte einen
Phosphatwert von < 1,78 mmol/l als
verhältnismäßig sicher suggeriert,
während – in Zahlen ausgedrückt –
KDIGO auf < 1,48 mmol/l abzielt, allerdings auch eine Senkung von beispielsweise 3,0 auf 2,4 mmol/l als relatiNEPHRO - NEWS
Aktuelles zum Mineral- und Knochenhaushalt
ven Behandlungserfolg bewerten würde.
Die Empfehlung zur Diagnostik kardiovaskulärer Kalzifikationen erscheint
auf den ersten Blick ambivalent. Ein
Routinescreening wird nicht empfohlen, jedoch sollen niereninsuffiziente
Patienten, bei denen „zufällig“ in der
üblichen Routinediagnostik Gefäßverkalkungen entdeckt werden, als Risikopatienten betrachtet und behandelt
werden. Die erste Formulierung geht
auf die mangelnde Studienlage zur
Wahl des besten Screeningverfahrens
und zur Empfehlbarkeit klarer weiterführender diagnostischer und therapeutischer Algorithmen zurück – hier
kann nur die Umsetzung des ebenfalls
formulierten Forschungsbedarfs zu einer eindeutigeren Anweisung führen.
Die Wahl der Therapeutika (Phosphatbinder, Vitamin D-Analoga, Calcimimetika) soll basierend auf Trends
und Extremwerten der biochemischen
Parameter und orientiert an dem vermutlichen Risikoprofil des individuellen Patienten entschieden werden, aber
auch hier verbleiben die Formulierungen vage. Wie in Abb. 1 dargestellt, gibt
es im gesamten Komplex CKD-MBD
nur zwei prospektive Mortalitätsstudien, welche zudem vom ERT und zumindest Teilen der Arbeitsgruppe als
inkonsistent eingeschätzt wurden.
Beide Studien (DCOR, RIND) beschäftigten sich mit dem Vergleich zwischen Sevelamer-HCl und Calcium-haltigen Phosphatbindern bei Hämodialysepatienten (Block GA, Kidney Int 2007;
71:438-441; Suki W, Kidney Int 2007;
72:1130-1137). Die kleine RIND-Studie fand nach langer Nachbeobachtungszeit einen knapp signifikanten
Überlebensvorteil unter Sevelamerbehandlung, die große DCOR-Studie verfehlte bei allerdings deutlich kürzerem
Follow-up jedoch einen signifikanten
Unterschied beim primären Endpunkt
„Gesamtmortalität“ und zeigte nur in
zwei sekundären Subgruppenanalysen
Überlebensvorteile unter der Sevelamer-Therapie. Insofern wird im KDIGO-Leitliniendokument nur sehr vorsichtig, und nicht direkt in einer der
Leitlinien, auf den Differentialeinsatz
NEPHRO - NEWS
nicht-Calcium-haltiger Phosphatbinder
hingewiesen. Die gut dokumentierte
günstige Beeinflussung des Surrogatparameters „Progression von Gefäßverkalkung“ durch Sevelamer-HCl
wird zudem noch nicht als genügend
„harter“ Endpunkt bewertet, da der
prospektive Beweis, dass sich eine Progressionshemmung unmittelbar günstig
auf das Patientenüberleben auswirkt,
ebenfalls noch aussteht.
Auch die großen Beobachtungsstudien
zum Einsatz der aktiven Vitamin DAnaloga, welche zum einen Überlebensvorteile gegenüber therapienaiven
Patienten, zum anderen einen Überlebensvorteil unter Paricalcitol im Vergleich zu Calcitriol demonstriert hatten, wurden nicht in den Leitlinien
berücksichtigt, da sie die nach dem
GRADE-System aufwertbare RR-Differenz von > 2,0 oder < 0,5 nicht erreichten (Teng M, J Am Soc Nephrol 2005;
16:1115-1125; Teng M, N Engl J Med 2003;
349:446-456). Sie werden dennoch
selbstverständlich als wichtige Hypothesen-generierende Studien diskutiert.
Weitere Aussagen zu den Empfehlungen zur Nierentransplantation, Knochendiagnostik, Osteoporose etc. würden den Rahmen dieser kurzen Übersicht sprengen. Der entscheidende
Punkt zum Verständnis und zur Akzeptanz dieses KDIGO-Leitliniendokuments zu CKD-MBD ist, dass es
zentral als „Prozess-orientiert“ begriffen werden muss. Dieser Prozess ist
charakterisiert durch die Anwendung
striktester Evidenz-basierter Regeln
zur Bewertung von Studienqualität,
und formuliert ausschließlich auf dieser Basis, auch wenn die „klinische
Sehnsucht“ nach klar definierbaren Behandlungsalgorithmen sich dann nur
noch bedingt wiederfindet.
Ausblick
Welche Konsequenz mögen diese KDIGO-Leitlinien nach sich ziehen, sofern sie in der aktuellen Fassung endgültig publiziert werden?
Eine Gefahr könnte in der Wahrnehmung von Kostenträgern bestehen, wel-
che die mangelnde „Evidenz“ und die
„schwammigen“ Leitlinien als Rechtfertigung für Restriktionen hinsichtlich
der Kostenübernahmen bei Diagnostik
und Therapie auffassen könnten. Hier
kann und muss dann aus dem Gesamtdokument extrahiert werden, dass sehr
wohl konkrete Messintervalle für biochemische Parameter begründet und
definiert werden und dass beispielsweise die Empfehlung der Behandlung
einer Hyperphosphatämie über die
2003 vorgeschlagenen Ziele hinaus
geht.
In Argumentationen zur Qualitätssicherung könnte dieses KDIGO-Dokument wiederum vorteilhaft sein, da
die Definition fixer Zielwerte (die im
Bereich CKD-MBD ohnehin schwer
und nur unter Mitarbeit, d. h., Compliance des einzelnen Patienten zu erreichen sind) vermieden werden kann.
Denkbar sind nationale oder kontinentale Adaptationen dieser Leitlinien,
welche die im KDIGO-Prozess angewandten Evidenzkriterien weiter fassen und zusätzlich so etwas wie „Good
Clinical Judgement“ zu integrieren versuchen. Hier entsteht jedoch immer die
Gefahr, dass der eine oder andere Meinungsbias das Produkt dominiert.
Schließlich lässt dieses KDIGO-Leitlinienprodukt zu CKD-MBD aber in
großem Maße wieder ärztliche Kunst
und individualisierte Behandlung zu,
und hier sehe ich einen eklatanten Vorteil. Beispiel: Nach den K/DOQI-Leitlinien 2003 zum iPTH-Zielwert (150 –
300 pg/ml) im Stadium CKD 5D hätte ein sHPT von 250 pg/ml mit einer
knochenspezifischen AP im Doppelten
des Normbereichs nicht, und ein sHPT
von 400 pg/ml mit einer knochenspezifischen AP unterhalb des Normbereichs
zwingend behandelt werden müssen.
Nach KDIGO ist die umgekehrte Behandlungsweise möglich, und - unter
dem Vorbehalt auch hier limitierter Evidenz - vermutlich zumindest mehr lege
artis.
Prof. Dr. Markus Ketteler
Medizinische Klinik III
Klinikum Coburg
17
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
Therapeutischer Plasmaaustausch: Update 2008
Die ersten Plasmapheresen wurden
Mitte des letzten Jahrhunderts eingesetzt. Weite Verbreitung dieses Verfahrens hat die Plasmapherese nach
den ersten Berichten über Therapieerfolge bei Patienten mit Goodpasture-Syndrom in den späten Siebzigerjahren erfahren (Johnson JP, Am J
Med 1978; 64:354-359). Prinzipiell unterscheidet man die eigentliche Plasmapherese, d. h., die Entfernung von
Plasma aus der Blutzirkulation mit
konsekutiver Substitution von NichtPlasmabestandteilen wie z. B. 5%
Human-Albumin-Lösung oder Elektrolytlösung, vom Plasmaaustausch.
Im medizinischen Sprachgebrauch
erfolgt oftmals eine Vermischung der
Begriffe Plasma-Separation, Plasmapherese und Plasmaaustausch, daher wird im Folgenden nur der Begriff des therapeutischen Plasmaaustausches (TPA) verwendet.
Beim therapeutischen Plasmaaustausch werden in einem extrakorporalen Blutreinigungsverfahren großmolekulare Substanzen aus dem Plasma durch Plasmaseparation oder
Zentrifugation entfernt. Es werden
extrakorporal entfernte Plasmabestandteile durch große Mengen
Frischplasma (ca. 3-5 L) ersetzt. Mit
der Immunadsorption steht mittlerweile auch eine extrakorporale Therapiealternative zur Verfügung, bei
der spezifisch pathogene Substanzen
aus dem Blut entfernt werden können.
Es stehen zwischenzeitlich neue Immunadsorber mit unterschiedlichen
Bindungsspezifitäten zur Verfügung.
Da hierbei auf eine begleitende Substitution von Plasma verzichtet werden kann, finden diese Verfahren zunehmend Verbreitung.
18
Tab. 1: Nephrologische Indikationen für den
therapeutischen Plasmaaustausch
Indikationen
Antiglomeruläre
BasalmembranantikörperErkrankung
ANCA-positive Vaskulitis
HUS und TTP
Cryoglobulinämie
SLE
Pathogenes Substrat
Substituat
Anti-GBM-AK
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
ANCA
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
v. Willebrand-Faktor
ADAMTS 13 AK
Frischplasma (FFP)
Immunkomplexe
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
Anti-ds-DNS
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
FSGS nach
Transplantationen
AB0-inkompatible
Nierentransplantation
Hochimmunisierung vor
Transplantation (>85% PRA)
Humorale C4d-positive
Rejektion
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
Blutgruppen-AK
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
HLA-AK
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
HLA-AK,
ggf. ds-AK
5%-iges Humanalbumin
oder 50% 5%-iges
Humanalbumin und 50% FFP
GBM= glomeruläre Basalmembran, ANCA= antineutrophile cytoplasmatische Antikörper, AK=
Antikörper, HUS= hämolytisch urämisches Syndrom, TTP= thrombotisch thrombopenische Purpura, FSGS= fokal segmentale Glomerulosklerose, HLA= „human leucyte antigen“, ds-DNS= doppelstrang DNS, PRA= „panel reactive antibodies“)
Allgemeine technische Aspekte
des therapeutischen Plasmaaustausches
Beim TPA muss primär eine Trennung von Plasma und Blutzellen erfolgen. Dies geschieht durch Plasmaseparation mit Hilfe einer Membranplasmakapillare oder durch
Zentrifugationstechniken. Das Problem der Plasmakapillaren ist, dass
größere Immunkomplexe nur unzureichend separiert werden können.
In der Regel besitzen diese Plasmakapillaren eine Porengröße von 0,20,5 µm; es können Moleküle bis zu
einer Größe von ca. 1500 KDa eliminiert werden. Immunglobulin GSubklassen (ca. 150 KDa) werden in
der Regel besser eliminiert als Immunglobulin M (ca. 950 KDa).
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
Durch Ablagerung von Plasmaproteinen kann es zur Ausbildung einer
Sekundär-Membran im Plasmafilter
kommen, wodurch die Separationseffektivität mit zunehmender Behandlungsdauer deutlich abnimmt.
Ein weiteres Problem ist die Gefahr
der Hämolyse durch die Plasmaseparation, insbesondere, wenn die vom
Hersteller vorgeschriebenen Blutflussgeschwindigkeiten überschritten werden. Im Gegensatz hierzu ermöglicht die Plasmazentrifugation eine
unselektive Separation von Blutplasma und zellulären Bestandteilen, d.h.,
auch größere molekulare Substanzen
wie z. B. Immunkomplexe (ca. 3000
KDa) können entfernt werden. Prinzipiell ist dieses Verfahren in seiner
Kapazität, Plasma abzutrennen, nicht
limitiert.
Unselektiver Plasmaaustausch:
Die Substitution erfolgt in Abhängigkeit der Grunderkrankung mit
5%igem Human-Albumin (eigentliche Plasmapherese) oder mit Frischplasmen (eigentlicher Plasmaaustausch, siehe Einleitung) bzw. aus einer Kombination von beiden. Zu beachten ist, dass bei Patienten mit hämolytischem Syndrom (HUS) oder
thrombotisch-thrombozytopenischer
Purpura (TTP) generell nur mit Frischplasmen substituiert wird. Zusätzlich
sollte bei Auftreten oder vorbekannten Blutgerinnungsstörungen ebenfalls mit Frischplasmen substituiert
werden. Spielt die Zufuhr von Gerinnungsfaktoren oder Komplementfaktoren keine Rolle und liegen keine Gerinnungsstörungen vor, kann
die Plasmapherese mit alleiniger Substitution von 5%igem Human-Albumin durchgeführt werden. Der TPA
wird in der Regel in 1-2-tägigem Intervall durchgeführt. Pro TPA werden ca. 50 ml/kg Körpergewicht
NEPHRO - NEWS
Plasma ausgetauscht (3-5 l). Bei mehrfacher Behandlung und alleiniger
Substitution mit z. B. Human-Albumin treten in der Regel Gerinnungsstörungen auf, so dass häufig die
Substitution von Frischplasmen erforderlich ist (z. B. 50% Human-Albumin, 50% FFP). Zum TPA ist eine zentrale Venenkatheteranlage hilfreich, aber nicht zwingend notwendig. Unter Umständen genügt eine
großvolumige, periphere, venöse Braunüle. Die Antikoagulation erfolgt mit
Zitrat oder mit Heparin bzw. einer
Kombination von beiden. Durch die
Gabe von Frischplasmen treten nicht
selten systemische Reaktionen wie
Hypotonie, Dyspnoe, Temperaturanstieg, Hypokalzämie und metabolische Alkalose und selten Infektionserkrankungen wie Hepatitits C
und B auf (Rock G, Transfus Apher Sci
2003; 29:167-177).
Selektiver PlasmaaustauschImmunadsorption:
Die Vorteile der Immunadsorption
liegen auf der Hand. Hiermit ist eine Entfernung von pathogenen Substanzen wie z. B. von Immunglobulinen ohne Substitution von Plasma
möglich. Bei der Immunadsorption
wird durch Zentrifugation (oder ggf.
durch Kapillarseparation) eine Plasmatrennung durchgeführt. Dieses
Verfahren erfolgt in der Regel als sogenannte Primärseparation, d. h., es
wird konsekutiv nach der Plasmaseparation eine Immunadsorption durchgeführt. Hierbei wird in Abhängigkeit des Systems das separierte Plasma über zwei Immunadsorptionssäulen geleitet. Während der Behandlung wird z. B. abwechselnd jeweils eine Säule durchströmt, während parallel die zweite Säule regeneriert wird (z. B. Globaffin®). In der
Regel wird ca. das 2,5-fache des er-
rechneten Plasmavolumens ausgetauscht. Bei 3-4 Immunadsorptionen
hintereinander können die Immunglobulinspiegel um mehr als 90% abgesenkt werden. Da die Immunadsorptionssäulen kostenintensive Mehrfachsysteme sind, kommt der adäquaten Antikoagulation eine besondere Bedeutung zu. Diese wird in der
Regel aus einer Kombination mit Heparin und Citrat-Antikoagulation
durchgeführt. Zu beachten ist, dass
die Spezifität der Immunglobulin-Elimination sich in Abhängigkeit der jeweiligen Säule unterscheidet. Hochspezifische Immunadsorber gegen
Autoantikörper sind z. B. bereits in
der Therapie der dilatativen Kardiomyopathie auf dem Markt (Coraffin®). Zur Therapiekontrolle werden vor und nach der Behandlung
Laborparameter wie z. B. Fibrinogen, Immunglobulinkonzentration
und Gerinnungsfaktoren bestimmt.
Indikationen des therapeutischen
Plasmaaustausches
Beim TPA können Substanzen mit
großem Molekülgewicht und langer
Halbwertszeit effektiv eliminiert werden. Häufigere Indikationen für den
TPA sind z. B. das Guillain-BarréSyndrom, Myastenia gravis, M. Waldenström, TTP und HUS, Goodpasture Syndrom, ANCA-positive Vaskulitiden, systemischer Lupus erythematodes (SLE), Cryoglobulinämie,
Pemphigus vulgaris, dilatative Cardiomyopathie (DCMP), aber auch
demyelinisierende Erkrankungen wie
z. B. die Multiple Sklerose (Smith
JW, Transfusion 2003; 43:820-822, Clark
WF, Ann Intern Med 1999; 131:453-462).
Diskutiert wird der TPA auch bei der
fokal-segmentalen Glomerulosklerose (FSGS) beim Nierentransplantatempfänger, da hier ein zirkulierender
Immunkomplexfaktor in der Genese
19
Therapeutische Apherese
Immunadsorption
Extrakorporale Entfernung von
Autoantikörpern und Immunkomplexen bei:
Kardiologie
•
Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
Hämatologie
•
•
•
Hämophilie mit Hemmkörpern gegen Faktor VIII oder IX
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP)
Chemotherapie-induziertes hämolytisch-urämisches
Syndrom (c-HUS)
Transplantation
•
HLA-Hyperimmunisierung (bei Transplantation
verschiedener Organe)
•
Akute humorale Abstoßung (AHR)
Dermatologie
•
Pemphigus
Neurologie
•
•
•
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Myasthenia gravis (MG)
Chronisch inflammatorische demyelinisierende
Polyneuropathie (CIDP)
Rheumatologie
•
•
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Wegenersche Granulomatose
Nephrologie
•
•
•
Rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN)
Goodpasture-Syndrom
Rekurrierende fokal-segmentale Glomerulosklerose
(FSGS)
Ein wirksamer Therapieansatz für die
Behandlung von Autoimmunerkrankungen
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Aktuelles aus der klinischen Nephrologie
der FSGS vermutet wird (Dantal J,
N Engl J Med 1994; 330:7-14, Gohh RY,
Am J Transplant 2005; 5:2907-2912, Otsubo S, Ther Apher Dial 2004; 8:299304). TTP/HUS stellen hier eine Besonderheit dar, da durch alleinige
Plasmainfusion ebenfalls ein therapeutischer Effekt durch Substitution
von Gerinnungsfaktoren wie z. B.
ADAMTS 13 erzielt werden kann.
Der TPA ist allerdings der alleinigen
FFP-Infusion überlegen und sollte
sofern möglich, primär durchgeführt
werden (Rock GA, N Engl J Med 1991;
325:393-397). Eine weitere Sonderform ist das Hyperviskositätssyndrom
z. B. im Rahmen eines multiplen Myeloms, hierbei werden durch die extrakorporale Plasmatherapie Immunglobuline, die die Hyperviskosität
verursachen, effektiv eliminiert. Eingesetzt wird der TPA weiterhin bei
Intoxikation mit Substanzen, die eine hohe Plasmaeiweißbindung und
eine lange Halbwertszeit aufweisen.
Insgesamt findet man in der Literatur nur eine sehr begrenzte Anzahl
an prospektiv randomisierten Studien, so dass die Evidenz bzw. Effektivität bei vielen Erkrankungen unklar
ist. Häufig sind nur kleine Fallserien
oder Einzelfallberichte beschrieben.
Eine relativ neue Indikation zum
TPA ist die Nierentransplantation
z. B. des hochimmunisierten Patienten (nach Allokationskriterien von
Euro-Transplant > 85 % Panel Reactive Antibodies) (Haas M, Nephrol
Dial Transplant 2002; 17:1503-1508).
Diese Patienten erhalten oftmals erst
nach sehr langer Wartezeit ein geeignetes Nierenangebot und besitzen
ein hohes Risiko einer humoralen
oder vaskulären Rejektion bzw. weisen ein positives Crossmatch, z. B.
im Rahmen einer Zweit-oder Mehrfach-Transplantation vor Nierentransplantation auf. Durch die theNEPHRO - NEWS
rapeutische Apherese unmittelbar vor
Transplantation und durch mehrere
Behandlungen nach der Transplantation können HLA-Antikörper effektiv eliminiert werden. Die Entfernung dieser Antikörper erfolgt entweder wie oben beschrieben mittels
unselektivem Plasmaaustausch oder
durch selektive Entfernung mittels
Immunadsorption (IA) (Protein-Abasierte IA, Peptid-basierte IA, Anti-human-Immunglobulin-basierte IA,
Aminosäuren-basierte IA, Blutgruppen-Antigen-basierte IA).
Ziel der Immunadsorption ist es, die
Antikörperlast möglichst effektiv zu
reduzieren, präoperativ ein negatives
Cross-Match zu erreichen und in der
post-operativen Phase humorale Reaktionen zu verhindern (Glotz D, Am
J Transplant 2002; 2:758-760). Hierunter kann selbst bei hochimmunisierten Patienten ein adäquates
Transplantatüberleben erzielt werden.
Eine weitere Indikation in der Nierentransplantation ist die akute humorale Rejektion (Bohmig GA, Am J
Transplant 2007; 7:117-121), die durch
histologischen Nachweis von C4dAb- lagerungen in den peritubulären
Kapillaren und ggf. Nachweis von
donorspezifischen HLA-Antikörpern
beim Empfänger gekennzeichnet ist.
Diese donorspezifischen Antikörper
können durch Immunisierung bereits
vor Transplantation vorhanden sein,
aber auch durch Sensibilisierung gegen Oberflächen-Antigene des Transplantats de novo gebildet werden.
Durch Elimination von BlutgruppenAntikörpern (Anti-IgA, Anti-IgB)
besteht die Möglichkeit der ABO-inkompatiblen Nierentransplantation
(Genberg H, Transplantation 85:17451754, 2008). Da ABO-Antigene nicht
nur auf der Erythrozytenoberfläche
sondern auch auf Gefäßendothel vorhanden sind, führt eine Reaktion der
Empfängerblutgruppenantikörper
mit den Blutgruppenantigenen des
renalen Endothels der Transplantatniere zu einer hyperakuten Reaktion. Neben der Möglichkeit des unselektiven Plasmaaustausches besteht
hier die Möglichkeit einer selektiven
Immunadsorption (Glycosorb A oder
B®). Hierbei werden Antikörper gegen A oder B in der Glycosorb-Säule durch immobilisierte Blutgruppenantigene adsorbiert. Präoperativ
erfolgen 3-4 Immunadsorptionen sowie die Gabe von i.v. Immunglobulinen und Rituximab.
Zusammengefasst besteht die Möglichkeit, mit dem therapeutischen Plasmaaustausch und mit der immer spezifischer werdenden Immunadsorption Erkrankungen zu therapieren,
die auf herkömmliche Immunsuppression nur vermindert ansprechen.
Eine begleitende immunsuppressive
Therapie ist je nach Indikation oftmals notwendig, um die de novo Synthese von humoralen Faktoren und
Immunglobulinen zu hemmen. Neben den klassischen Indikationen wie
z. B. Guillain-Barrè-Syndrom, HUS
und TTP und Intoxikationen von
Substanzen mit hoher Plasmaeiweißbindung, kommt dem TPA auch
bei der Behandlung des nierentransplantierten Patienten eine immer
größer werdende Bedeutung zu. Mit
der Immunadsorption steht nun auch
eine spezifischere Therapie z. B. in
der Therapie der DCMP (Coraffin®),
der ABO-inkompatiblen Nierentransplantation (Glycosorb®) oder in
der Therapie der humoralen C4d-positiven Rejektion (z. B. Globaffin®,
Therasorb®) zur Verfügung.
PD Dr. V. Schwenger
Medizinische Universitätsklinik
Abt. Nephrologie, Heidelberg
21
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Neue immunsuppressive Strategien
nach Nierentransplantation
Die Nierentransplantation ist die beste Therapieoption zur Behandlung
einer terminalen Niereninsuffizienz.
Neben der Stagnation der langfristigen Transplantatergebnisse (MeierKriesche H-U, Am J Transplant 4:12891295, 2004) stellen die Nebenwirkungen der Dauerimmunsuppression auch
weiterhin ein Problem dar. Hierzu
zählen die langfristig erhöhte Tumorinzidenz, das Auftreten von opportunistischen Infektionen, der ungünstige Einfluss auf kardiovaskuläre
Risikofaktoren und insbesondere die
Nephrotoxizität. Neue immunsuppressive Strategien müssen daher
darauf abzielen, die teilweise schweren Nebenwirkungen der Immunsuppressiva zu verringern, entweder
durch Einführung neuer selektiver
Substanzen, oder durch weitere Optimierung bestehender Therapieprotokolle (Tabelle 1). Hierdurch wird
es hoffentlich in Zukunft möglich
sein, eine vor allem langfristig effektivere Immunsuppression bei deutlicher Reduktion der Nebenwirkungen zu erzielen.
Aktuell befindet sich eine Reihe vielversprechender neuer Immunsuppressiva in der klinischen Entwicklung. Die meisten dieser Medikamente weisen einen komplett neuen
Wirkmechanismus auf, der auf eine
synergistische Kombinationstherapie mit den derzeit verwendeten Immunsuppressiva hoffen lässt. Am
weitesten ist die klinische Entwicklung mit dem ersten Ko-Stimulationsblocker Belatacept fortgeschritten.
Belatacept ist ein Fusionsprotein,
bindet an die für die T-Zellaktivie22
Tab. 1:
Neue immunsuppressive Strategien
Neue Immunsuppressiva
•
•
•
•
Voclosporin, CNI, Phase II
AEB071; PKC-inhibitor, Phase II
CP-690,550; JAK3-inhibitor; Phase II
Belatacept Ko-Stimulationsblocker,
Phase, III
Neues Indikationsgebiet zugelassener
Immunsuppressiva
• Campath (Alemtuzumab; anti CD52);
off-label
• Rituximab (anti CD20); off-label
• Efalizumab (anti LFA-1); Phase II
• Alefacept (anti LFA-3); Phase II
Optimierung bestehender
Therapieregime
•
•
•
•
neue Therapieregime
Individualisierte Protokolle
Zeitlich adaptierte Immunsuppression
MPA-basierte und optimierte Therapieregime
• Steroidelimination
- Frühphase/Langzeitverlauf
• CNI-Reduktion/Elimination
- Minimierung
- Prophylaktische Eliminierung
- Eliminierung bei Nebenwirkungen
rung notwendigen CD80/CD86Oberflächenmoleküle und blockiert
so die erforderliche kostimulatorische Signaltransduktion (Halloran
PA, N Engl J Med 351:2715-2729, 2004).
Belatacept ist eine Weiterentwicklung von Abatacept, dem in der Rheumatologie zugelassenen Fusionsprotein CTLA4-Ig. Durch Modifikation der CTLA4-Bindungsdomäne
konnte eine deutlich höhere Bindungsaffinität für CD80/86 erzielt
werden. Als Fusionsprotein muss Belatacept alle 2-4 Wochen als intravenöse Kurzinfusion verabreicht
werden. Eine Phase-II-Studie konnte die Effektivität nach Nierentrans-
plantation eindrucksvoll bvelegen
(Vincenti F, N Engl J Med 2005; 353:
770). Belatacept hatte die gleiche Effektivität wie Cyclosporin (CsA) in
einem Therapieregime mit MMF,
Steroiden und Basiliximab). Naturgemäß traten in dem CsA-freien Therapieregime keine CsA-assoziierten
Nebenwirkungen auf, insbesondere
hatten die mit Belatacept behandelten Patienten eine signifikant bessere Nierenfunktion. Im Nebenwirkungsprofil zeichnete sich Belatacept
durch eine sehr gute Verträglichkeit
aus. Belatacept könnte somit eine interessante Alternative zur Basistherapie mit Calcineurininhibitoren (CNIs)
darstellen. Die Ergebnisse der Phase III werden mit Spannung zum Jahresende erwartet.
Weitere neue Substanzen, die derzeit in klinischen Studien untersucht
werden, sind Voclosporin (ISATx247), AEB071 und CP-690-550.
Voclosporin ist ein neuer Calcineurininhibitor, der derzeit in den USA
die Phase II durchläuft. Voclosporin,
ein modifiziertes Cyclosporin-Molekül, ist in vitro deutlich potenter
als CsA. AEB071, der erste orale
Proteinkinase-C-Inhibitor, blockiert
in vitro effektiv die frühe T-Zellaktivierung. Laufende klinische Studien zeigen eine gute Verträglichkeit
und eine sehr gute Effektivität bei
Psoriasis. Erste Ergebnisse der Phase II bei nierentransplantierten Patienten werden in Kürze erwartet.
CP-690-550 ist der erste Inhibitor
des JAK-STAT-Signalübertragungsweges. Die Substanz ist relativ spezifisch für die Januskinase 3 (JAK3),
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
die vor allem für die Signalübertragung von Wachstumsfaktoren über
den IL-2-Rezeptorkomplex bei TZellen bedeutsam ist. Erste klinische
Studien zeigen eine gute Verträglichkeit und Effektivität bei Psoriasis und rheumatoider Arthritis. Auch
nach Nierentransplantation lassen
erste preliminäre Daten vermuten,
dass CP690-550 eine effektive Rejektionsprophylaxe in einem CNIfreien Therapieregime ermöglicht.
Zusammenfassend fällt auf, dass alle in Entwicklung befindlichen neuen Substanzen das Ziel haben, die
Nephrotoxizität der bisherigen Therapieregime bei gleicher Effektivität
zu reduzieren. Auch in Hinblick auf
kardiovaskuläre, hämatologische
oder infektiöse Nebenwirkungen erwartet man von diesen Substanzen
ein günstigeres Nebenwirkungsprofil, so dass sich in Zukunft die Möglichkeit völlig neuer immunsuppressiver Therapiekombinationen ergibt.
Neben völlig neuen immunsuppressiven Substanzen werden Antikörper, die bereits für verschiedene andere Indikationen (z. B. in der Rheumatologie, Onkologie oder Dermatologie) zugelassen sind, jetzt auch
bei Patienten nach Nierentransplantation eingesetzt. Hierzu zählen
Alemtuzumab (Campath1-H, anti
CD52), Rituximab (anti CD20),
Efalizumab (anti LFA-1) und Alefacept (anti LFA-3). Obwohl Campath
aus Kostengründen in den USA bereits bei mehr als 10% der nierentransplantierten Patienten eingesetzt
wird, steht ein wissenschaftlicher eindeutiger Wirksamkeitsnachweis noch
aus. Es liegt bislang keine adäquat
gepowerte, kontrollierte klinische Studie vor, die eine Überlegenheit oder
zumindest statistische Non-Inferiorität gegenüber herkömmlichen TheNEPHRO - NEWS
rapieregimen zeigt. Zudem mehren
sich kritische Stimmen, die über einen
Anstieg schwerer Infektionen und
später Rejektionen berichten. Wie bei
allen neuen Substanzen gilt auch für
Alemtuzumab, dass bis zum Nachweis der Effektivität und der Nebenwirkungen die Verwendung außerhalb klinischer Studien nicht gerechtfertigt ist.
Zwei weitere biologische Substanzen, die das Ko-Stimulationssignal
über LFA-1 bzw. LFA-3 blockieren
und für die Behandlung der Psoriasis in den USA zugelassen sind, stehen am Anfang ihrer Entwicklung in
der Transplantationsmedizin. Eine
erste klinische Studie mit Efalizumab
(anti LFA-1) musste aber wegen einer erhöhten Lymphomrate unter
Efalizumab in Kombination mit einer hohen CsA-Dosis abgebrochen
werden (Vincenti F, Am J Transplant
7:1770-1777, 2007).
Obwohl Rituximab bei verschiedenen Indikationen in der Nephrologie und Nierentransplantation zunehmende Verwendung findet, so
muss auch hier kritisch die mangelhafte Datenlage angemahnt werden.
Rituximab ist zur Behandlung von
B-Zell-Lymphomen und in der Rheumatologie zugelassen und depletiert
über Bindung an das CD20-Oberflächenmolekül B-Zellen, nicht jedoch Plasmazellen. Auch für Rituximab existieren in der Nierentransplantation keine guten prospektiven
kontrollierten Studien, jedoch deuten zumindest kleinere Fallserien auf
die Sicherheit dieser Substanz hin.
Auch hier fehlen Daten über die langfristige Sicherheit bei nierentransplantierten Patienten. Selbst über die
notwendige Dosis zur Behandlung
nierentransplantierter Patienten liegen keine guten Daten vor. Der Stel-
lenwert dieses neuartigen und sicherlich interessanten Therapieprinzips, einer gegen B-Zellen gerichteten Therapie, muss in naher
Zukunft in klinischen Untersuchungen eindeutig belegt werden. Erfreulicherweise befinden sich weitere Substanzen, die einen Effekt auf
B-Zellen bzw. auf die B-Zellentwicklung haben, in der präklinischen
Entwicklung. Nachdem Transplantationsmediziner jahrzehntelang ihr
Augenmerk auf die Manipulation der
T-Zell-Antwort gelegt haben, werden in Zukunft sicherlich neue, gegen B-Zellen gerichtete Therapiestrategien zur Anwendung kommen.
Neben der Entwicklung neuer selektiver und nebenwirkungsarmer
Medikamente besteht eine andere,
nicht minder notwendige zukünftige Therapiestrategie in der Weiterentwicklung und Optimierung bestehender Therapieprotokolle. Der
Erfolg der modernen Immunsuppression nach Transplantation beruht auf der synergistischen Wirkungsverstärkung der Einzelsubstanzen. Dies erlaubt die Reduktion
der verwendeten Immunsuppressiva mit dem Ziel, auch die spezifischen Nebenwirkungen der Substanzen zu verringern. Die Kombinations- und Dosierungsmöglichkeiten der aktuell zugelassenen Immunsuppressiva sind bei weitem
noch nicht ausgeschöpft. Zudem
kommt mit der Zeit eine weitere Dimension hinzu, so kann man den
Zeitpunkt der Gabe und die Dosierung auf der Suche nach neuen Therapiestrategien zeitlich variieren.
Eine weitere Möglichkeit besteht
darin, die Immunsuppression besser
am Risikoprofil von Spender und
Empfänger anzupassen. Es ist offensichtlich, dass der junge, haploiden23
Pharmaforum der Fresenius-Kabi Deutschland GmbH
Intradialytische parenterale Ernährung -Die Lösung bei schwer
behandelbarer Mangelernährung von Dialysepatienten
Patienten mit Nierenversagen weisen häufig Einschränkungen der enteralen Nährstoffzufuhr auf, die eine ausreichende orale bzw. enterale
Ernährung unmöglich machen.1 Diese Patienten profitieren meist von
einer intradialytischen parenteralen Ernährung (IDPE).
Dialysepatienten decken oftmals Ihren Nährstoff-bedarf nicht über die
tägliche Nahrungsaufnahme.2 Beispielsweise nahmen in der HEMO-Studie 76% der Dialysepatienten pro Tag weniger als 28 kcal/kg KG und
61% der Patienten weniger als 1 g Protein zu sich.3 Besonders an Dialysetagen sind eine negative Stickstoffbilanz und ein Abbau von Körpereiweiß nachweisbar.4 Urämie-assoziierte Faktoren wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall spielen dabei als Ursache eine herausragende Rolle.
Hinzu kommt häufig Appetitlosigkeit (Anorexie), die durch die Anhäufung urämischer Toxine hervorgerufen wird. Der Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung der oralen bzw. enteralen Nährstoffzufuhr kann
dadurch limitiert werden. Führen eine intensivierte ernährungstherapeutische Betreuung, orale Supplemente und eine enterale Ernährung
nicht zu einer Verbesserung bzw. Stabilisierung des Ernährungszustandes, wird die Initiierung einer intradialytischen parenteralen Ernährung
(IDPE) empfohlen.5 Die IDPE zielt darauf ab, den Patienten während der
Dauer der Dialyse mit einer individuell auf seinen Nährstoffbedarf abgestimmten Lösung zu ernähren. Durch die IDPE werden dem Patienten neben Energie und Stickstoff alle Substanzen zugeführt, bei denen es
während der Hämo- dialysetherapie zu einem Mangel kommt.
Die Effizienz der IDPE wurde in mehreren Studien an verschiedenen Parametern belegt:
• Unter der IDPE steigen die viszerale Proteinsynthese6 und die Konzentration der Plasmaproteine7.
• Der Ernährungszustand wird stabilisiert bzw. verbessert7.
• Die Mortalitätsrate wird verringert8.
Für alle Patienten, die unter einer Malnutrition lei-den und deren
Ernährungsdefizit durch eine orale oder enterale Nahrungsaufnahme
nicht in ausreichendem Maße ausgeglichen werden kann, bietet Fresenius Kabi ein spezielles Konzept für die intradialytische parenterale
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professionellen parenteralen Ernährungstherapie. Es umfasst den Herstellungs- und Produktservice über die Applikationstechnik bis hin zur
Schulung und Betreuung aller an der Therapie Beteiligten.
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Identifizierung der Mangelernährung und in der praktischen Durchführung der intradialytischen parenteralen Ernährungstherapie. Dialysepraxen können somit auf Fresenius Kabi als verlässlichen Partner im
Ernährungsmanagement von Dialysepatienten bauen.
1.
2.
3.
4.
5.
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7.
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Druml W et al. Aktuel Ernaehr Med 2007; 32, Suppl 1: S106-S113
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Czekalski et al. J Ren Nutr 2004; 14(2):82-88
Chertow et al. AJKD 1994; 24(6):912-920
Weitere Informationen:
Fresenius-Kabi Deutschland GmbH
D-61346 Bad Homburg v. d. H.
Tel.: +49 (0) 61 72/686 82 00
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Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
te Empfänger einer Lebendspende
vom Elternteil ein anderes Risikoprofil hat, als ein Empfänger im ETSenior-Programm. Derzeit verwenden die meisten Transplantationszentren jedoch nur wenig abgestufte
immunsuppressive Therapieprotokolle, bedingt durch den Mangel effektiver Alternativen und einer unzureichenden Datenlage für Subgruppen. Zudem bieten hoffentlich
in naher Zukunft neue diagnostische
Methoden, wie z. B. genetische Marker, Proteom- oder Transkriptomanalysen bessere objektivierbare Orientierungspunkte für eine individualisierte immunsuppressive Therapie.
Zur Vermeidung der Beliebigkeit der
Therapie muss aber darauf hingewiesen werden, dass sowohl die diagnostischen Marker als auch für Subgruppen maßgeschneiderte Protokolle in prospektiven kontrollierten
Studien auf ihren tatsächlichen Nutzen hin untersucht werden müssen.
Eine weitere, bisher nur ansatzweise ausgeschöpfte Option zur Verbesserung der immunsuppressiven
Protokolle besteht in einer zeitlich
adaptierten Immunsuppression. Während die zeitliche Anpassung der
Steroiddosis und der CNI-Zielspiegel im ersten Halbjahr von den meisten Zentren seit vielen Jahren standardmäßig erfolgt (meist allerdings
ohne Validierung durch kontrollierte Studien), bieten sich für die Therapie mit Mycophenolat (MPA) gerade in der Initialphase nach Transplantation weitere, bisher unzureichend genutzte Möglichkeiten der
Therapieoptimierung. So hat die
Hälfte der Patienten, die eine MPAStandarddosis in Kombination mit
CsA bekommen, eine zu niedrige
MPA-Exposition. Patienten, die in
Kombination mit Tacrolimus eine
NEPHRO - NEWS
Zeitfenster für die CNI-Elimination
Abb. 1
MPA-Standarddosis bekommen, haben hingegen initial eine ausreichende MPA-Exposition. Allerdings
entwickeln einige Patienten unter
Tacrolimus mit voller MPA-Dosis im
weiteren Verlauf z. T. schwere Nebenwirkungen wie Diarrhoe oder
Polyomainfektionen, möglicherweise ein Indiz einer zu hohen MPAExposition. Leider ist die optimale
MPA-Dosierung in Kombination mit
Tacrolimus bislang durch große prospektive Studien nicht eindeutig belegt, obwohl diese Kombination weltweit bei der Mehrzahl der Patienten
eingesetzt wird. Eine erste Studie
(Budde K, ESOT, Prag 2007, Poster 474)
belegt das bislang ungenutzte Potential einer zeitlich adaptierten
MPA-Therapie, in der initial (z. B.
in den ersten 6 Wochen) eine höhere Dosis verabreicht wird als im weiteren Langzeitverlauf.
Neben der Optimierung der Initialtherapie müssen zukünftige Therapiestrategien auf die Verbesserung
der Immunsuppression im Langzeitverlauf abzielen. Leider existieren
nur wenige gute klinische Studien,
die sich mit der Verbesserung des
Langzeitüberlebens und der Reduktion spezifischer Nebenwirkungen
der Immunsuppression im Langzeitverlauf befassen. Aufgrund der mangelhaften Datenlage werden die Patienten in der Regel über die nächsten Jahrzehnte weiter behandelt,
als bestünde das hohe Rejektionsrisiko des ersten Halbjahres fort. Aus
Angst vor einer Rejektion wird häufig die initial begonnene 3-fach-Therapie (CNI plus MPA plus Steroid)
mit denselben CNI-Spiegeln fortgeführt, obwohl seit langem bekannt
ist, dass die Rejektionsrate fünf Jahre nach Transplantation deutlich
niedriger ist. Zudem kumulieren viele Nebenwirkungen mit der Zeit, da
das Toxizitätsrisiko häufig nicht nur
konzentrations- sondern auch zeitabhängig ist. Daher bietet die Optimierung der Immunsuppression jenseits des ersten Halbjahres die Möglichkeit, die Nebenwirkungen der
Medikation gerade im Langzeitverlauf deutlich zu reduzieren.
Neben der zeitlich stadiengerechten
Immunsuppression steht die Vermei25
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
dung/Reduktion der Steroid-assoziierten und CN-assoziierten Nebenwirkungen im Vordergrund. MPA
zeigte einen günstigen Einfluss auf
die chronische Transplantatdysfunktion (Ojo AO, Transplantation 69:24052409, 2000), so dass eine Fortführung
der MPA-Therapie im Langzeitverlauf sinnvoll erscheint. Die immunsuppressive Potenz von MPA, das
günstige kardiovaskuläre Risikoprofil
und der sichere Einsatz der Substanz
im Langzeitverlauf sollte genutzt
werden, andere Immunsuppressiva
weiter zu reduzieren. Beispiele hierfür wären der Steroidentzug innerhalb des ersten Jahres nach Transplantation oder die Reduktion der
CNIs. Das Absetzen der CNIs unter alleiniger Therapie mit MPA und
Steroiden kann in den ersten 3 Jahren nach Transplantation nicht empfohlen werden (Abramowicz D, J Am
Soc Nephrol 16:2234-2240, 2005), während hingegen bei Patienten im weiteren Langzeitverlauf MPA ein CNIfreies Therapieregime unterstützt
(Suwelack B, Am J Transplant 4:655662, 2004; Dudley C, Transplantation
79:466-475, 2005).
Seit Einführung der Steroide in die
Transplantationsmedizin vor über 50
Jahren hat man sich aufgrund der
Nebenwirkungen mit ihrem Ersatz
beschäftigt. Viele Transplantationsmediziner sehen eine frühe Elimination als vordringlich an, andere halten eine Elimination im ersten Jahr
für ausreichend. Auf jeden Fall
kommt es beim Absetzen der Steroide zu einer Reduktion bzw. Vermeidung der vielfältigen Steroid-assoziierten Nebenwirkungen. Neuere
Metaanalysen (Pascual J, Transplant
Proc 37:3746-3748, 2005) belegen zudem die Sicherheit eines derartigen
Vorgehens, auch wenn bei der frü26
hen Steroidelimination einige leichte Rejektionen beobachtet wurden.
Ein weiteres wichtiges Thema besteht in der Reduktion bzw. Elimination der CNIs, vor allem aufgrund
ihres nephrotoxischen Potentials.
Wenn 5-10% der Herz- oder Lebertransplantierten Patienten (Ojo AO,
Semin Nephrol 27:498-507, 2007) nach
10 Jahren aufgrund der Nephrotoxizität dialysepflichtig geworden sind
(d. h., zwei mehr oder weniger gesunde Nieren verloren haben), so besteht die berechtigte Frage, wie hoch
der Prozentsatz ist, wenn wir nur eine mehr oder weniger marginale
Niere transplantieren. Dennoch darf
nicht außer Acht gelassen werden,
dass die CNIs aufgrund ihrer Effektivität und guten Verträglichkeit den
Durchbruch in der Transplantation
solider Organe gebracht haben. Bislang sind alle Versuche gescheitert,
CNIs in der Initialphase zu ersetzen.
Gründe waren inakzeptable Nebenwirkungen und/oder mangelnde Effektivität. Möglicherweise bringen
neue Immunsuppressiva hier einen
Durchbruch. Als eine mögliche Alternative bieten sich weitere Versuche einer weiteren CNI-Minimierung, vor allem im Langzeitverlauf,
an. Eine zweite Alternative besteht
im Ersatz der CNIs z. B. durch
MPA oder mTOr-Inhibitoren bei
Auftreten von CNI-assoziierten Nebenwirkungen. Vielfach wird beispielsweise bei Verschlechterung der
Nierenfunktion im Langzeitverlauf
an eine Konversion auf ein MPAoder mTOR-basiertes Therapieregime gedacht. Diese Vorgehensweise
hat aber den Nachteil, dass bereits
in der Regel eine fortgeschrittene irreversible Nierenschädigung nachweisbar ist und die Konversion bei
vielen Patienten zu spät kommt. Als
dritte Alternative bietet sich daher
eine rechtzeitige prophylaktische Konversion auf ein CNI-freies Regime
an. Dadurch soll eine CNI-assoziierte strukturelle Nierenschädigung
mit dem Verlust von Nephronen vermieden werden. Es muss aber gefordert werden, dass ein derartiges Vorgehen nicht nur mit einer besseren
Nierenfunktion assoziiert ist, sondern auch genau so sicher und effektiv ist, wie die Standardtherapie mit
dem CNI. Zudem müssen wichtige
praktische Fragen, wie nach dem richtigen Konversionszeitpunkt (Abb. 1),
dem Konversionschema, der immunsuppressiven Medikation und Dosierung in klinischen Untersuchungen geklärt werden. Derzeit scheint
eine Konversion zwischen 3-6 Monaten auf ein Therapieregime eines
mTOR-Inhibitors in Kombination
mit MPA und Steroiden am erfolgversprechendsten.
Durch die Entwicklung neuer, selektiver Immunsuppressiva oder durch
die stetige Verbesserung der Therapieprotokolle mit den derzeit zugelassenen Medikamenten wird es hoffentlich in Zukunft möglich sein, eine noch effektivere Immunsuppression bei gleichzeitiger Reduktion der
Nebenwirkungen zu erzielen. Ziel ist
es, eine rational begründete, jedoch
individuell angepasste medikamentöse Behandlungsstrategie für den
nierentransplantierten Patienten zu
entwickeln. Zum Erreichen dieses Zieles sind gerade in der Erhaltungsphase weitere prospektive Studien notwendig.
Prof. Dr. K. Budde
Frau Dr. M. Schütz
Prof. Dr. H. H. Neumayer
Klinik für Innere Medizin m. S.
Nephrologie
Charité, Campus Mitte, Berlin
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Aktuelle Konzepte der Immunsuppression
nach Nierentransplantation
Obwohl die vielen Transplantationszentren weltweit üblicherweise ein heterogenes, wenig standardisiertes Management von nierentransplantierten
Patienten haben, ist das initiale Immunsuppressionsregime von de novo
Patienten relativ einheitlich.
Wie zum Beispiel im USRDS-Bericht
2007 ersichtlich, verwenden die meisten Zentren in den USA, aber auch in
Europa und Australien, eine Kombination von Tacrolimus (TAC) und Mycophenolat Mofetil (MMF) als initiale
Erhaltungsimmunsuppression. Deutlich regionale Unterschiede gibt es allerdings, was die Induktionstherapie
mit entweder Antithymozytenglobulin
(ATG) oder Interleukin-2-Rezeptor
(IL2R)-Antikörpern betrifft und die initiale Verwendung von Kortikosteroiden (S) (Abb. 1). Etwa 40% aller in
US-amerikanischen Zentren transplantierten Patienten erhalten eine Induktionstherapie, und 30% aller Patienten werden steroidfrei transplantiert.
Im Eutrotransplant-Bereich ist die Inzidenz der Induktionsimmunsuppression und der steroidfrei transplantierten
Patienten deutlich geringer, was auch
mit der geringeren Zahl an Lebendspendertransplantationen zu tun hat.
Was die Erhaltungsimmunsuppression
nach etwa drei bis sechs Monaten betrifft, wird die Zentrumsheterogenität
noch größer, da die Immunsuppression individuell an die Situation des Patienten angepasst werden muss. Da
zwar die immunsuppressionsbedingten Nebenwirkungen individuell sofort
sichtbar sind, nicht aber der potentielle individuelle Langzeitbenefit, hat sich
bisher kein ‚bestes Protokoll’ herauskristallisiert.
Die in den randomisiert kontrollierten
Studien (RCTs) verwendeten Studienendpunkte sind meist eine Kombination aus Surrogatendpunkten wie SeNEPHRO - NEWS
TAC & MMF
CSA & MMF
TAC
TAC & SRL
None listed
Other
Percent of patients
Abb. 1: Immunsuppressionsregime in de novo Patienten zwischen 2003 bis 2005. Daten von USRDS
(United States Renal Data System) ADR (Annual Data Report)2007; 7.62, 169.
rum-Kreatinin und biopsiegesicherter
Abstoßung. Transplantat- und Patientenüberleben sind zwar meist inkludiert in den primären Endpunkt, können aber bei Studiendauern von wenigen Jahren fast nicht unterschiedlich
sein, wenn etablierte Immunsuppressionsstrategien verglichen werden.
Die größte RCT von nierentransplantierten Studien, die SYMPHONYStudie, hat als ‚bestes’ Protokoll für das
erste Jahr nach Transplantation eine
Kombination von Niedrigdosis TAC+
MMF+S identifiziert. Sowohl die Kombination von Cyclosporin A (CSA)+
MMF und Sirolimus (SRL)+MMF haben schlechter abgeschnitten (Ekberg
H, N Engl J Med 357:2562-2575, 2007).
Abhängig von der Zeit nach Transplantation haben randomisiert kontrollierte Konversionsstudien von Calcineurininhibitoren (CNI) auf mamallian Target of Rapamycin-Inhibitoren
(mTOR-I) basierte Immunsuppression unterschiedliche Ergebnisse gezeigt.
In den bisher nur in Abstractform vor-
liegenden frühen Konversionsstudien
(innerhalb der ersten 2 bis 6 Monate
nach Transplantation) wie dem ‚Spare
the Nephron Trial’ (STN) und der
Concept-Studie war die glomeruläre
Filtrationsrate (GFR) ein Jahr nach
Konversion signifikant höher als in der
CNI-Gruppe (Pearson TC, Am J Transplant 2008; 8 [Suppl 2]: abs #129; Servais
A, Am J Transplant 2008; 8 [Suppl 2]: abs
#527). Die CONVERT-Studie hat Patienten, die bereits zwischen sechs Monate und zehn Jahre transplantiert waren, verblindet von CNI auf mTOR-I
umgestellt. Die Abstoßungsraten waren nicht unterschiedlich zwischen den
Studiengruppen, allerdings war auch
kein Unterschied in der GFR zwei Jahre nach Konversion zu finden (Schena
FP, Transplantation 2008 in Druck). Ein
sehr wesentliches Ergebnis war allerdings die niedrigere Malignomrate in
der mTOR-I-Gruppe (3 vs 10%, p<
0.001) (Abb. 2). Wenn man bedenkt,
dass je nach Register (ANZ[AustraliaNew Zealand]-Data oder USRDS) die
27
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Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Malignome inzwischen mit oder nach
den kardiovaskulären Ereignissen die
Haupttodesursache bei Transplantierten sind, bekommt dieses Studiensubergebnis eine wichtige Bedeutung.
Um die Langzeitergebnisse des Transplantat- und Patientenüberlebens zu
verbessern, ist wahrscheinlich eine sequentielle Immunsuppression basierend
auf klinischen Daten wie Komorbiditäten und histologischen Daten aus
sequentiellen Protokollbiopsien notwendig. Die bisher übliche Vorgehensweise, dass erst biopsiert und die
Immunsuppression modifiziert wurde,
wenn ein deutlicher Anstieg des SerumKreatinins dazu gezwungen hat, kommt
wahrscheinlich zu spät. Wie viele Studien vor allem der australischen Gruppe um Nankivell und Chapman gezeigt
haben, besteht oft schon ein lange dauernder, beträchtlicher morphologischer
Schaden, bevor es zu einem Kreatininanstieg kommt (Wavamunno MD, Am J
Transplant 7:2757-2768, 2007). Die derzeit heftig betriebene Suche nach bes-
NEPHRO - NEWS
Abb. 2: Signifikant weniger Malignome zwei Jahre nach Konversion von CNI aud mTOR-I
basierte Immunsuppression. Daten von Schena FP, Transplantation 2008 (in Druck).
seren Biomarkern von Nierenschädigungen als das Serum-Kreatinin, könnte frühzeitige Interventionen durch
nicht-invasives serielles Monitoring ermöglichen (Perco P und Oberbauer R, Nat
Clin Pract Nephrol 4:362-363, 2008). Wie
schon der erste deutsche Professor für
Experimentalphysik, Georg Christoph
Lichtenberg, 1793 gesagt hat, ist unklar, ob es nach einer Änderung des
Modus vivendi besser wird, aber wenn
es gut werden soll, muss es anders werden.
Prof. Dr. Rainer Oberbauer
KH Elisabethinen Linz und
Medizinische Universität Wien
29
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Bedeutung der B-Zelle für die
Transplantat-Abstoßung
Auch wenn die chirurgischen Techniken schon länger entwickelt worden waren, wurden die Erfolge der
modernen Transplantationsmedizin
beim Menschen erst mit der Entwicklung potenter aber gleichzeitig
langzeitverträglicher Immunsuppressiva möglich. Nachdem erkannt worden war, dass Glukokortikoide alleine nicht ausreichten, um Abstoßungsreaktionen nach humaner Allotransplantation zu vermeiden bzw. zu therapieren, wurden Antimetaboliten
wie das Azathioprin und ab dem
Jahr 1978 der Calcineurin-Inhibitor
Cyclosporin verabreicht. Ein pharmakologisches Hauptziel einer solchen Behandlung war es (und ist es
bis heute), die Proliferation und Aktivierung von T-Lypmphozyten (TZellen) zu verhindern, um die adaptive Immunantwort auf das Erkennen von Fremdantigenen zu minimieren. Zumeist waren deshalb auch
noch T-Zellen depletierende Antiseren oder Antikörper Teil der Immunsuppression, z. B. im Rahmen einer Induktionstherapie (Halloran PF,
N Engl J Med 351:2715-2729, 2004).
Diese Therapiestrategien beruhten
unter anderem auf der Beobachtung,
dass im Rahmen von Abstoßungsreaktionen histologisch eine dichte Infiltration des Fremdgewebes mit Immunzellen zu dokumentieren ist, was
auch heute noch als das klassische
Charakteristikum einer zellulären Rejektion angesehen wird. Hierbei sind
als typische Effektorzellen der zellulären Immunantwort in erster Linie aktivierte T-Zellen, später aber
auch natürliche Killer (NK)-Zellen,
30
Tab. 1: Potentielle Schädigungsmechanismen von B-Zellen bei
der Transplantatrejektion
1) Antikörper-vermittelte Mechanismen
• Differenzierung zu Plasmazellen mit
nachfolgender Produktion Donor-spezifischer Antikörper
• Differenzierung zu B-Memory-Zellen mit
beschleunigter humoraler Immunantwort
nach Antigen-Zweitkontakt
2) Antikörper-unabhängige
Mechanismen
•
•
•
•
•
Präsentation von Antigenen
T-Zell Aktivierung
Interaktion mit dendritischen Zellen
Lokale Synthese von Zytokinen
Induktion der Lymphangiogenese
Monozyten/Makrophagen und Granulozyten charakterisiert worden.
Um Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantation besser kategorisieren zu können, wurde die so genannte Banff-Klassifikation entwickelt. Mit dieser werden Rejektionen jedoch in erster Linie deskriptiv nach dem Schweregrad (borderline rejection bis schwere Rejektion), nach dem Ort (tubulointerstitiell oder vaskulär) und der Chronizität der Schädigung (akuter versus chronisch-sklerosierender Schaden) eingeteilt, ohne jedoch besondere Rücksicht auf zelluläre Besonderheiten bzw. die Zusammensetzung
des Infiltrats zu nehmen. Erst 2003
wurde als neues Kriterium der Nachweis des Komplement-Split-Produkts
C4d in die Banff-Klassifikation mit
aufgenommen, speziell, um histopathologische Hinweise auf humorale
Abstoßungsreaktionen geben zu können (Racusen LC, Am J Transplant 3:
708-14, 2003). Trotz verbesserter Mög-
lichkeiten der Diagnostik einer Abstoßungsreaktion besteht ein bislang
ungelöstes klinisches Problem: Der
überwiegende Teil insbesondere der
zellulären, akuten Rejektionen lässt
sich mit den zur Verfügung stehenden Immunsuppressiva gut behandeln. Hyperakute, durch präexistierende Antikörper ausgelöste Rejektionen sind durch eine konsequente
Durchführung von Kreuzproben und
andere Sicherheitsmaßnahmen selten geworden. Dagegen sind die Pathomechanismen von chronischen
Rejektionen noch weitgehend unverstanden und ein Großteil der Transplantate geht verloren, weil hierfür
noch unzureichende Therapiekonzepte existieren.
Mit der Beobachtung, dass sowohl
akute als auch chronische Abstoßungsreaktionen nicht nur zellulär
sondern auch humoral, d. h., Antikörper-vermittelt sein können, rückten in den letzten Jahren B-Lymphozyten (B-Zellen) und Plasmazellen zunehmend in das Interesse der
Transplantationsimmunologie. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass
Abstoßungen von soliden Organen
mehr oder weniger „rein“ zellulär
oder humoral sein können, dass aber
oft auch beide Formen der Abstoßungsreaktion parallel einhergehen können (Nickeleit V, Kidney Int 71:
7-11, 2007).
Eine Immunantwort auf ein Fremdantigen erfordert zunächst, dass dieses Antigen dem Immunsystem in geeigneter Form zugänglich ist. Eine
Besonderheit der B-Zellen ist hierbei, dass diese Fremdantigene in naiNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
ver, d. h., unprozessierter Form erkennen können, während T-Zellen
Antigene typischerweise in prozessierter Form von Antigen-präsentierenden Zellen (z. B. dendritischen
Zellen) „gezeigt“ bekommen. Der
Kontakt von Antigen und B-Zelle
kann im Lymphknoten oder im Blut
stattfinden. Nach der B-Zell-Aktivierung und einer T-Zell-Kostimulation bilden sich vor allem in lymphatischen Geweben sogenannte Keimzentren aus und die B-Zellen entwickeln sich entweder in Plasmoblasten weiter, die später zu antikörperproduzierenden Plasmazellen ausdifferenzieren können.
Alternativ können aus aktivierten BZellen auch langlebige B-MemoryZellen entstehen, die nach einer späteren Re-Exposition mit dem Antigen rapide zu Plasmoblasten differenzieren können. Über geeignete Oberflächenmarker können die verschiedenen Stadien dieser Zellen sowohl
im Blut als auch in Geweben gut differenziert werden. Als Beispiel seien
hier die Moleküle CD20 und CD138
genannt, eine CD20-Positivität ist für
alle Stadien der unreifen und reifen
B-Zellen bis hin zum Plasmoblasten
typisch, Plasmazellen tragen dagegen
CD138 auf ihrer Oberfläche.
Die klassische Rolle von Plasmazellen bei humoralen Rejektionen ist die
Produktion von Donor-spezifischen
Antikörpern (DSA). Die pathogene
Funktion von DSA konnte mittlerweile mittels Tiermodellen gut belegt
werden. So bewirkte zum Beispiel im
Modell der B-Zell-defizienten Maus
ein passiver Transfer von DSA-haltigem Serum eine beschleunigte Abstoßung nach experimenteller Herztransplantation (Brändle D, Transplantation 65:1489-1493, 1998). Die
NEPHRO - NEWS
verschiedenen Rollen von B-Zellen
im Rahmen von Abstoßungsreaktionen sind dagegen weit komplexer
und vielfach noch unverstanden. Mit
Hilfe von Knockout-Modellen konnte gezeigt werden, dass eine alleinige
B-Zell-Defizienz nicht komplett vor
einer T-Zell-vermittelten Abstoßung
schützte. Wurde jedoch diesen Tieren zusätzlich Cyclosporin verabreicht, so konnte die Abstoßung signifikant länger hinausgezögert werden als bei Wildtyp-Kontrolltieren
(Brändle D, Transplantation 65:14891493, 1998).
Es sind verschiedene Mechanismen
denkbar, wie B-Zellen sowohl an
akuten als auch an chronischen Rejektionsprozessen beteiligt sein können. Zum einen können sie an der
Immunantwort und Antikörperproduktion - wie oben beschrieben - beteiligt sein. Daneben haben sie aber
auch eine Reihe weiterer Funktionen
unabhängig von der Antikörperproduktion. B-Zellen können als Antigen-präsentierende Zellen agieren
und CD4-positive T-Helfer-Zellen
aktivieren (Batista FD, Nature 411:489494, 2001). Darüber hinaus können
aktivierte B-Zellen eine Reihe von
Zytokinen produzieren, beispielsweise Interleukin-10, Transforming
Growth Factor-β (TGF-β) und Interleukin-12. Eine direkte Interaktion mit B-Zellen ist auch für dendritische Zellen und regulatorische
T-Zellen beschrieben worden. Über
die Produktion von vascular endothelial growth factor (VEGF) können B-Zellen das lokale Wachstum
von lymphatischen Gefäßen in Lymphknoten anregen (Angeli V, Immunity 24: 203-215, 2006).
Letztere Beobachtung ist von besonderem Interesse, da mittlerweile
eine Reihe von Studien aufzeigte,
dass zum Beispiel in Biopsien von
akut abstoßenden Nierentransplantaten bis zu 30% der infiltrierenden
Zellen aktivierte B-Zellen sind (Sarwal M, N Engl J Med 349:125-38, 2003).
Diese wandern möglicherweise über
lokal im Nierengewebe neu entstandene Lymphgefäße ein, für die eine
erheblich gesteigerte Dichte in Biopsien mit fleckförmigen, T- und BZell-haltigen Infiltraten beschrieben
wurde (Kerjaschki D, J Am Soc Nephrol
15:603-612, 2004).
Als Moleküle, die ihm Rahmen einer
Transplantrejektion die Wanderung
und lokale Aktivierung der B-Zellen
beeinflussen können, wurden Chemokine (chemotaktische Zytokine)
beschrieben. Als Beispiele können
CXCL13 und dessen Rezeptor CXCR5
(Steinmetz OM, Kidney Int 67:16161621) sowie CCL3, CCL5 und deren
Rezeptor CCR1 (Mayer V, Nephrol Dial Transplant 22:1720-1729) genannt
werden.
Ob es sinnvoll ist, in Transplantatbiopsien routinemäßig, z. B. mittels
Durchführung einer Immunhistologie für CD20, eine Infiltration mit BZellen nachzuweisen, muss aktuell
noch unbeantwortet bleiben. Eine
Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass der Nachweis von CD20positiven B-Zellen in Nierenbiopsien mit einem schwereren Verlauf und
einer Steroidresistenz der Abstoßung
assoziiert war, wobei als Besonderheit anzumerken ist, dass in diesem
Patientenkollektiv auch pädiatrische
Fälle untersucht worden waren (Sarwal M, N Engl J Med 349:125-138, 2003;
Hippen BE, Am J Transplant 5:2248-2252,
2005; Tsai EW, Transplantation 82:17691773, 2006; Martins HL, Transplant Proc
39:432-434, 2007). Dagegen fanden an31
Pharmaforum der Vifor AG
ERA-EDTA-Kongress, Stockholm, 10.-13. Mai 2008, Assoziertes Symposium VIFOR Pharma, 11. Mai 2008
Vorsitz: Fernando Carrera, Leiria (Portugal)
Intravenöse Eisensubstitution bei renaler Anämie
Nächste Stufe: Eisencarboxymaltose
Die renale Anämie zählt zu den häufig vernachlässigten
und oft erst spät erkannten Folgen einer chronischen Niereninsuffizienz. In Fachkreisen besteht Einigkeit darüber, dass sich Verlauf und Prognose der Niereninsuffizienz durch frühzeitige Kontrolle der Anämie günstig beeinflussen lassen. Die Bereitstellung von Eisen durch
intravenöse Substitution kann die Wirksamkeit der Therapie mit Erythropoetin optimieren. Mit Eisencarboxymaltose (Ferinject®) steht ein neues parenterales Eisenpräparat zur Verfügung, dessen gute Verträglichkeit und
Wirksamkeit in zehn multizentrischen Studien belegt ist.
Anämie und Eisenmangel sind bekannte Folgen der chronischen Niereninsuffizienz. Diese renale Anämie beeinträchtigt nicht nur Lebensqualität und Leistungsfähigkeit
der Patienten, sondern ist auch mit gesteigerter kardiovaskulärer Morbidität und Sterblichkeit verbunden. Je
länger bei Patienten ein Hb-Wert unter 11 d/dL besteht,
desto höher ist die Hospitalisierungsrate und desto deutlicher steigt das Mortalitätsrisiko (Pisoni et al. 2004).
Im Jahr 1986 wurde erstmals über die erfolgreiche Kontrolle der renalen Anämie bei Dialysepatienten mit humanem rekombinantem Erythropoetin berichtet (Winearls
et al. 1986). Inzwischen blickt man auf rund 20 Jahre klinischer Erfahrung mit diesem Therapiekonzept zurück,
und seit etwas mehr als zehn Jahren bemühen sich Expertengremien, den Nutzen der erythropoetischen Therapie durch Behandlungsrichtlinien zu optimieren. Trotzdem erreichen nach den Worten von Fernando Carrera,
Leiria (Portugal) bis zu 45% der Dialysepatienten den angestrebten Hb-Wert von mindestens 11 g/dl nicht.
Korrektur der renalen Anämie mit
Erythropoetin: Eisenstatus optimieren
Mittlerweile weiß man, dass die Stimulation der Blutbildung durch erythropoetische Substanzen nur sinnvoll ist,
wenn ausreichend Eisen zur Verfügung steht. Gelingt es
bei Patienten mit renaler Anämie trotz adäquater EPOSubstitution nicht, den Hb-Wert über 11 g/dl zu heben,
liegt möglicherweise ein absoluter Eisenmangel - aufgrund
von leeren Eisenspeichern - oder ein funktionelles Eisendefizit vor, bei dem Eisen nicht adäquat für die beschleunigte Erythropoese mobilisiert werden kann. Deshalb lohnt
es sich, den Eisenstatus bereits vor der Gabe von Erythropoetin abzuklären. In den European Best Practice Guidelines zur Behandlung der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz (Locatelli et al. 2004) sind Empfehlungen
zum Management des Eisenhaushalts formuliert:
• Ein ausgeglichener Eisenhaushalt ist erforderlich, um
den Hb-Zielwert von >11 mg/dl zu erreichen und zu
halten.
Specialist Kidney Care
• Indikatoren für adäquat gefüllte Eisenspeicher sind ein
Serum-Ferritin-Wert > 100 μg/l und ein Anteil hypochromer Erythrozyten unter 10%, alternativ eine Transferrinsättigung von über 20%.
• Um optimale Voraussetzungen für die Erythropoese zu
gewährleisten, sollte das Serum-Ferritin zwischen 200
und 500 μg/l und der Anteil hypochromer Erythrozyten
unter 2,5% bzw. die Transferrinsättigung 30-40% betragen.
Da bei renaler Anämie häufig ein Eisenmangel vorliegt, ist
bei den Patienten begleitend zur Therapie mit erythropoetischen Substanzen eine i.v. Eisensubstitution sinnvoll,
unterstrich Carrera.
Zukunftsweisende UK-Standards im
Management der chronischen Niereninsuffizienz
Vom britischen Gesundheitsministerium wurde vor einigen Jahren unter der Federführung von Donal O’Donoghue, London, eine Initiative zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz
ins Leben gerufen. Zielsetzungen des „National Service
Framework for Renal Services“ sind:
• Prävention und Früherkennung der chronischen Niereninsuffizienz
• Bereitstellung von umfassenden Unterstützungsangeboten für Patienten
• Minimierung von Krankheitsfolgen und Komplikationen
• Durchgängiges Betreuungskonzept über den gesamten
Krankheitsverlauf
• Frühzeitige Information der Patienten über die Möglichkeiten der Nierenersatz-Therapie
• Interdisziplinäres Management
Bei Niereninsuffizienz ist es, wie O’Donoghue unterstrich,
entscheidend wichtig, frühzeitig einen Nephrologen hinzuzuziehen, um die im Krankheitsverlauf vorprogrammierten Komplikationen zu vermeiden oder zumindest
hinauszuzögern (Abb. 1 Slides Nr. 41 D. O'Donghue).
Dabei muss die Betreuung durch Nephrologen und Hausarzt Hand in Hand gehen. Es sei inakzeptabel, so der britische Experte, dass 80% der Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz anämisch sind und bei 75% kardiovaskuläre Komplikationen auftreten. Nach Erfahrung von
O’Donoghue werden selbst im fortgeschrittenen Stadium
IV der Niereninsuffizienz weniger als 30% der Patienten
von einem Nephrologen mitbetreut. Im Stadium V, wenn
eine Nierenersatztherapie unumgänglich ist, sind es 70%.
Probleme der intravenösen Eisensubstitution
Ein bisher nicht befriedigend gelöstes Problem der Anwendung von i.v. Eisen bei Patienten mit renaler Anämie
ist die Balance zwischen effizienter Dosis und der Toxizität, so Michel Burnier, Lausanne (Schweiz). Bei der Verordnung einer intravenösen Eisentherapie bestand bislang
die Auswahl zwischen drei Präparategruppen:
Dextran-basierte Eisenpräparate sind stabil und erlauben
eine hochdosierte i.v. Therapie, bergen jedoch das Risiko
anaphylaktischer Reaktionen. Eisengluconat muss aufgrund seiner geringen Komplexstabilität in niedriger Dosis appliziert werden, um die akute Toxizität zu begrenzen. Eisensucrose (Venofer®) schließlich ist aufgrund der
extensiven klinischen Erfahrung mit dem Präparat und
des überzeugenden Sicherheitsprofils als aktueller Goldstandard der intravenösen Eisentherapie anerkannt. Bei
knapp 9 Millionen verabreichten Dosen kam es lediglich
zu 175 Fällen unerwünschter Wirkungen, von denen 5 als
schwer eingestuft wurden. Wenngleich auch hier die Höhe
der Einzeldosis und die Infusionsgeschwindigkeit begrenzt
sind, birgt Eisensucrose doch das geringste Risiko einer
Immunogenität (Hörl et al. 2007):
Eisensucrose
1 : 10.000
Eisengluconat
1 : 1.000
Dextran-basierte Eisenpräparate 1 : 100
Eisencarboxymaltose:
Neues i.v. Eisenpräparat setzt Maßstäbe
Aus klinischer Sicht wäre ein Eisenpräparat für die intravenöse Therapie wünschenswert, das stabil genug ist, um
in einem breiten Dosierungsspektrum angewendet werden zu können, die Verabreichung auch hoher Dosierungen in kurzer Zeit erlaubt und keine Kompromisse hinsichtlich Verträglichkeit und Sicherheit erfordert. Daraus
resultiert ein Anforderungsprofil mit möglichst geringer
Immunogenität einerseits und andererseits möglichst geringem Risiko für toxische Effekte aufgrund von ionisiertem Eisen, das aus labilen Komplexen freigesetzt wird,
erklärte Burnier (Abb. 2 Slide 79 M. Burnier).
Eine neue Eisencarboxymaltose-Formulierung - Ferinject®
- verfügt über beste Voraussetzungen, dieses komplexe
Anforderungsprofil zu erfüllen:
• Eisencarboxymaltose ist ein hochstabiler makromolekularer Eisenkomplex mit einem Molekulargewicht von
nur 150 kD.
• Einzeldosen von bis zu 1000 mg bei lediglich 15 Minuten Infusionszeit oder Bolusgaben von bis zu 200 mg
sind möglich.
• Eine Testdosis ist nicht erforderlich.
• Eisencarboxymaltose hat keine Dextrankomponente und
zeigt keine Kreuzreaktion mit Dextranantikörpern.
• Die akute Toxizität ist gering, da unter physiologischen
Bedingungen keine Eisenionen freigesetzt werden.
• pH-Wert und Osmolarität der Lösung sind physiologisch.
Klinische Erfahrungen mit Eisencarboxymaltose
bei chronischer Niereninsuffizienz
Aufgrund der geringen Immunogenität und der guten systemischen wie auch lokalen Verträglichkeit erfüllt Eisencarboxymaltose entscheidende Anforderungen an die parenterale Eisentherapie. Burnier verwies hier auf die Auswertung von zehn Multicenterstudien, die das günstige
Sicherheitsprofil bestätigten. Eisencarboxymaltose – überwiegend in der maximalen Dosierung von 1000 mg eingesetzt - wurde insgesamt besser vertragen als orales Eisen, das häufiger gastrointestinale Nebenwirkungen verursachte (Quinibi 2008). Das gute Sicherheitsprofil,
kombiniert mit der Wirksamkeit und der einfachen Anwendung, spricht dafür, dass Eisencarboxymaltose in der
Behandlung des Eisenmangels bei renaler Anämie Vorteile bietet und auch im ambulanten Setting gut anwendbar
ist. Ein bestehendes Eisendefizit lässt sich mit 1-2 Einzelgaben rasch beheben, so dass auch weniger Arztbesuche
notwendig werden und der Zeitaufwand für die Therapie
insgesamt geringer ist.
Quellen:
• Winearls CG et al. Effect of human erythropoietin derived from recombinant
DNA on the anaemia of patients maintained by chronic haemodialysis. Lancet
1986; 2(8517):1175-8
• Locatelli F et al. Revised European Best Practice Guidelines for the Management of Anaemia in Patients with Chronic Renal Failure. NDT 2004; 19(Suppl 2):ii1-ii47
Daten zum Anaphylaxierisiko bei unterschiedlichen i.v. Eisenpräparaten:
• Hörl W et al. OPTA-therapy with iron and erythropoiesis-stimulating agents
in chronic kidney disease NDT 2007; 22(Suppl 3):iii2–iii6
• Quinibi W et al. Safety and Tolerability profile of Ferric Carboxymaltose (FCM):
Data from the FMC Clinical Program. EDTA 2008; Abstract MP383
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
dere Arbeitsgruppen, dass ein Nachweis von CD20-positiven Zellen im
Nierentransplantat nicht mit einem
schlechteren Verlauf assoziiert war
(Doria C, Transplant Proc 38:3441-3444,
2006; Mengel M, Am J Transplant 7:356365, 2007; Bagnasco SM, Am J Transplant 7:1968-1973, 2007).
Schließlich lassen sich aus Untersuchungen an immunologischen Systemerkrankungen zusätzliche Hinweise ableiten, dass B-Zellen tiefer an
Immunprozessen beteiligt sind als
bislang angenommen wurde. Klinische Fallberichte ergaben positive Effekte einer B-Zell-depletierenden
Therapie mittels des CD20-Antikörpers Rituximab bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes,
Enzephalomyelitis disseminata oder
anderen Autoimmunerkrankungen.
Dennoch sollte an dieser Stelle klar
gesagt werden, dass aktuell in der
Transplantationsmedizin der Stellenwert einer B-Zell-depletierenden
Therapie mit Rituximab noch unklar
ist, und hierfür auch noch keine arzneimittelrechtliche Zulassung besteht.
Zudem mehren sich in letzter Zeit
Fallberichte speziell von Patienten,
die nach kombinierter Immunsuppression oder Langzeitimmunsuppression und einer Therapie mit Rituximab eine progressive multifokale Leukenzephalopathie durch eine
zerebrale Reaktivierung des JC-Virus (aus der Familie der Papova-Viren) entwickelten (siehe auch Warnung
der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft, Deutsches Ärzteblatt 36:
A1866, 2008). Eine entsprechende Behandlung von Transplantierten kann
derzeit nur im Rahmen von klinischen Studien erfolgen.
Zusammenfassung
B-Lymphozyten werden zunehmend
als wichtige Mediatoren einer Transplantatrejektion beschrieben. Die
Rolle von B-Zellen ist hierbei vielfältig und umfasst Antikörper-vermittelte und Antikörper-unabhängige Mechanismen, die sowohl für akute als auch für chronische Rejektionen wichtig sind. B-Zell-depletierende Therapien sind derzeit Gegenstand klinischer Studien und sollten aufgrund der Gefahr schwerer
Nebenwirkungen aktuell nicht offlabel erfolgen.
Prof. Dr. med. Bernhard Banas
Nephrologie und Transplantation
Klinik und Poliklinik für
Innere Medizin II
Universitätsklinikum Regensburg
„In dem Moment, in dem man erkennt, wie gut es einem selber
geht und wie unglaublich schlecht es anderen geht, in diesem Moment ist es da. Das Bedürfnis, etwas zu verändern, nicht
tatenlos und machtlos hinzunehmen, zu helfen.
Warum wir das tun? Weil es uns gut tut. Helfen berührt - jene, denen wir mit unserer Arbeit helfen können, aber noch viel mehr
berührt es uns selber. Wir haben die Macht, Zustände, mit denen
wir nicht einverstanden sind, zu verändern. Es gibt kein Gefühl,
das auch nur annähernd dem gleichkommt.“
Dr. Eva-Susanne Ehrenreich
www.helfen-beruehrt.at
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34
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Aktuelle Antikörper-mediierte
Abstoßungsreaktion
Viele Jahre wurden Alloantikörper
gegen Spenderantigene vor allem mit
hyperakuten Abstoßungsreaktionen
in Zusammenhang gebracht. Das akademische wie klinische Interesse daran nahm daher mit der Einführung
des Cross-match-Testes und der Verwendung blutgruppenkompatibler
Organe rapide ab. Zwar wurde immer wieder postuliert, dass schwer beherrschbare und prognostisch ungünstige Abstoßungsreaktionen (z. B.
Banff Grad III) eine humorale Komponente aufweisen könnten, allerdings
standen fehlende diagnostische Möglichkeiten einer systematischen Aufarbeitung im Wege. 1991 beschrieben
Feucht und Mitarbeiter erstmals die
Ablagerung von C4d und C3d in
Biopsien von Patienten mit akuten
oder chronischen Abstoßungsreaktionen und interpretierten dies als Zeichen einer humoralen Aktivierung
(Feucht HE, Clin Exp Immunol 86:464470, 1991). Drei Jahre später konnten
sie zeigen, dass bei Transplantaten mit
früher Dysfunktion eine diffuse, aber
auch fokale Ablagerung von C4d in
den interstitiellen Kapillaren mit einer schlechten Prognose einherging
(Feucht HE, Kidney Int 43:1333-1338,
1993). Seither werden Antikörper-vermittelte Veränderungen in Transplantaten so häufig beobachtet, dass ihnen
in den Banff-Kriterien eine eigene Kategorie gewidmet wird (Solez K, Am J
Transplant 8:753-760, 2008; siehe auch
Tabelle 1).
Pathogenese und Diagnostik
Bei der Aktivierung des klassischen
Komplementweges wird C4 in C4a
und C4b umgewandelt. C4d ist wiederum ein Spaltprodukt von C4b,
NEPHRO - NEWS
Tabelle 1: Aus Banff´07 update (nach Solez K et al. Am J Transplant 8:753-760, 2008)
a) C4d-Ablagerung ohne morphologische Zeichen einer akuten Abstoßungsreaktion
C4d+, zirkulierende Antikörper gegen Spenderantigene+, keine Zeichen einer akuten
T – Zell- oder Antikörper-vermittelten Abstoßungsreaktion (i.e. g0, cg0, ptc0, keine
ptc Mehrschichtung). Fälle mit „borderline“-Veränderungen oder einer akuten Tubulusnekrose werden als „intermediär“ eingestuft.
b) Akute Antikörper vermittelte Abstoßungsreaktion
C4d+, zirkulierende Antikörper gegen Spenderantigene+, morphologische Zeichen einer
Gewebeschädigung+
I: minimale Entzündung wie bei einer akuten Tubulusnekrose
II: kapilläre und/oder glomeruläre Entzündung (ptc/g > 0) und/oder Thrombosen
III: arteriell – v3
c) chronisch aktive Antikörper vermittelte Abstoßungsreaktion
C4d+, zirkulierende Antikörper gegen Spenderantigene+, morphologische Zeichen eines
chronischen Gewebeschadens wie glomeruläre Doppelkonturen und/oder Mehrschichtung
der pertitubulären kapillären Basalmembran (< 5 Schichten) und/oder interstitielle Fibrose/
tubuläre Atrophie und/oder fibröse Intimaverdickung der Arterien
welches wie dieses eine Sulfhydrylgruppe enthält, die sich über eine
Thioesterbindung kovalent an Proteine der Endothelzellen und der Basalmambranen anlagert und so dafür
sorgt, dass C4d längere Zeit (ca. 2–3
Wochen nach der Bildung) nachweisbar bleibt (Mauiyyedi S, J Am Soc
Nephrol 13:779-787, 2002). C4d per se
hat keine direkte pathogenetische Bedeutung, es ist der indirekte Nachweis
der Ablagerung komplement-fixierender Antikörper. In der normalen
Niere findet sich C4d im Mesangium
und im Gefäßpol, bei Immunkomplexerkrankungen, nicht aber zum Beispiel bei thrombotischen Mikroangiopathien (Artz MA, Transplantation
76:821-826, 2003), akuten Tubulusnekrosen (Rotman S, Transplant Rev 19:6577, 2005) oder im Rahmen eines Ischämie-Reperfusionsschadens (Haas M,
Transplantation 74:711-717, 2002) auch
intraglomerulär. Sehr selten (z. B. bei
Lupus erythematodes) kann man auch
bei Eigennierenerkrankungen in den
peritubulären Kapillaren (PTCs) C4d-
Ablagerungen finden (Rotman S, Transplant Rev 19:65-77, 2005). Warum in
Transplantaten, bei denen vor allem
die Immunreaktion gegen Spenderantigene mit einer C4d-Ablagerung
einhergeht, die PTCs betroffen sind,
ist nicht ganz klar. Möglicherweise
sind glomerulär mehr Proteine vorhanden, die die Komplementkaskade
hemmen. In den PTCs findet sich von
diesen nur CD59 (Protectin), welches
allerdings vor allem gegen C5b-9 gerichtet ist, womit die C4d-Bildung relativ ungehindert stattfinden kann
(Collins AB, J Am Soc Nephrol 10:22082214, 1999).
In der Banff-Klassifikation wird ein
positiver Befund für Cd4 in der Immunfluoreszenz wie folgt definiert: „A
widespread, strong linear circumferential
PTC staining in cortex or medulla, excluding scar or necrotic areas“. Wenn mehr
als 50% der Kapillaren (in mindestens
fünf Gesichtsfeldern) betroffen sind,
spricht man von einem diffusen Färbemuster, ansonsten von einem fokalen. Die Prognose bei einer fokalen
35
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
Ablagerung dürfte etwas günstiger
sein (Lorenz M, Transplantion 78:447452, 2004), häufig wurden dabei gleichzeitig auch zelluläre Abstoßungen beschrieben (Magil AB, Nephrol Dial
Transplant 21:1382-1388, 2006). Um jedoch diese Fragen eindeutiger beantworten zu können, wird derzeit empfohlen, das Ausmaß der C4d-Färbung
genauer zu befunden (C4d0: negativ,
C4d1: 1-10%, C4d2: 10-50% und C4d
3: > 50%). Ein wichtiger Punkt, der
bei der Quantifizierung beachtet werden muss, ist auch die Methodik der
Färbung. Die Immunfluoreszenz (IF)
am Gefrierschnitt verwendet einen
monoklonalen, die Immunhistochemie (IHC) am formalinfixierten Paraffinschnitt hingegen einen polyklonalen Antikörper. Die IHC ist weniger sensitiv und man geht derzeit davon
aus, dass der Grad der Positivität, der
mit IF erreicht wird, im Mittel um
eins höher ist als jener, den man mittels ICH am selben Schnitt erzielt
(Seemayer CA, Nephrol Dial Transplant
22:568-576, 2007). So wird z. B. empfohlen, bei fokal positiven Befunden
in der ICH zur Absicherung auch eine IF-Färbung durchzuführen. Ein
Vorteil der IHC liegt darin, dass es
auch möglich ist, das Ausmaß glomerulärer Ablagerungen zu beurteilen
(auch wenn diese nicht sehr spezifisch
sind), da eine normale Niere (im Gegensatz zur IF) keine Färbung erkennen lässt (Colvin RB, J Am Soc Nephrol
18:1046-1056, 2007).
Daraus ergibt sich allerdings auch,
dass bei der Verwendung der IHCMethode eine externe positive Kontrolle (z. B. Keimzentren der Tonsillen) mit gefärbt werden sollte.
Im Gegensatz zur zellulären findet
sich bei humoraler Abstoßung häufiger als eine Tubulitis eine schwere
Vaskulitis, eine Glomerulitis mit neutrophilen Granulozyten in den glomerulären und peritubulären Kapil36
laren (hier könnten Monozyten sogar
spezifischer sein) (Magil AB, Kidney
Int 63:1888-1893, 2003), Fibrinthromben, fibrinoide Nekrosen und interstitielle Blutungen sowie ein interstitielles Ödem und die Akkumulation
von Plasmazellen (Desvaux D, Nephrol
Dial Transplant 19:933-939, 2004). 60%
aller Biopsien zeigen allerdings sowohl zelluläre als auch humorale Abstoßungszeichen.
50-78% der C4d-positiven Biopsien
weisen auch eine peritubuläre Kapillaritis auf, bei negativer C4d-Färbung
sind es hingegen nur zirka 10-24%.
Diese Inflammation sollte in 4 Grade
(von Grad 0: < 10% der peritubulären
Kapillaren mit Zeichen einer Inflammation bis Grad 4: >10% der peritubulären Kapillaren mit Inflammation,
maximal >10 inflammatorische Zellen
pro Lumen) eingeteilt werden, auch
wenn noch nicht klar ist, ob sich damit die Prognose besser abschätzen
lässt (Solez K, Am J Transplant 8:753760, 2008). Insgesamt ist die Histologie in Bezug auf die Erfassung akuter humoraler Abstoßungsreaktionen
allerdings weniger sensitiv als der Nachweis von Antikörpern gegen Spenderantigene, gibt es doch bis zu 25%
auch Fälle mit normaler Histologie
(Mauiyyedi S, J Am Soc Nephrol 13:779787, 2002).
Sehr häufig (in 39-60%) gelingt auch
der Nachweis von C3d in C4d-positiven Biopsien, bei 19% der C3d-positiven Biopsien findet sich sogar kein
C4d (Kuypers DR, Transplantation 76:
102-108, 2003). Dieser Befund lässt
sich mit einer ausschließlichen Aktivierung des alternativen Komplementweges erklären. Allerdings scheint
sich aus der C3d-Färbung keine zusätzliche diagnostische oder prognostische Information ableiten zu lassen
(Haas M, Am J Transplant 6:1829-1840,
2006; Herman J, Transplantation 14351440, 2005).
Wie bereits erwähnt, ist C4d per se
nicht pathogen. Der in situ Nachweis
des pathogenen Antikörpers ist bislang nicht gelungen, möglicherweise
weil dieser in die Endothelzelle aufgenommen wird (Feucht HE, Kidney Int
50:1464-1475, 1996). Eine C4d-Ablagerung ist auch nicht immer mit dem
Auftreten einer humoralen Abstoßungsreaktion assoziiert. So weisen
25–80% der Organe nach ABO-inkompatiblen Transplantationen Ablagerungen auf, aber nur 4–12% davon
zeigen Zeichen einer humoralen Abstoßung (Haas M, Am J Transplant 6:
1829-1840, 2006; Fidler ME, Am J Transplant 4:101-107, 2004). Die Erklärung
für diese Beobachtung ist nicht einfach. Es wäre möglich, dass nicht alle pathogenen Antikörper in der Lage sind, den gesamten Komplementweg zu aktivieren. Allerdings wird
auch immer wieder diskutiert, ob
nicht das Endothel eine Resistenz entwickeln kann (sogenannte Akkomodation) (Park WD, Am J Transplant 3:
952-960, 2003). Auch 2–26% der Biopsien von ABO-kompatiblen Transplantationen zeigen eine C4d-Ablagerung ohne Zeichen einer Abstoßungsreaktion (Mengel M, Am J Transplant 5:1050-1056, 2005; Haas M, Am J
Transplant 6:1829-1840, 2006). In den
neuesten Banff-Richtlinien wird diese Kategorie derzeit getrennt ausgewiesen, die Prognose ist allerdings
nicht klar.
Bei 88 bis 95% der Patienten mit C4dAblagerungen und einer akuten Abstoßungsreaktion gelingt es, Antikörper gegen HLA-Klasse I- oder II-Antigene des Spenders nachzuweisen.
Dies ist aber nur bei ca. 10% der Fälle ohne C4d-Ablagerung der Fall
(Maiyyedi S, J Am Soc Nephrol 13:779787, 2002; Böhmig GA, J Am Soc Nephrol
13:1091-1099, 2002; Haas M, Am J Transplant 6:1829-1840, 2006). In jenen Fällen, in denen der Nachweis nicht geNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Transplantationsmedizin
lingt, könnte der Titer zu nieder sein
(hier könnten neue, sensitivere Nachweismethoden als der Zytotoxizitätsassay einen Vorteil bringen wie ELISA oder Durchflusszytometrie) und/
oder das Transplantat die Antikörper
absorbieren (hier besteht evtl. die
Möglichkeit, diese Antikörper in
Eluaten aus der Biopsie nachzuweisen) (Martin L, Transplantation 79:14591461, 2005). Wenn Antikörper gegen
Nicht-HLA-Antigene vorliegen (z. B.
antiendotheliale oder Angiotensin IIAT 1-Rezeptor-Antikörper oder bei
Frauen, die bei einem männlichen
Spender gegen das „minor histocompatibility Antigen, das durch das YChromosom codiert wird) finden sich
üblicherweise keine C4d-Ablagerungen, in den PTCs (Tan JC, Transplantation 86:75-81, 2008), sehr wohl aber,
wie erwähnt, bei blutgruppeninkompatibler Transplantation.
Unabhängig davon wurde mehrfach
publiziert, dass auch ohne den Nachweis einer C4d-Ablagerung die Produktion von HLA-Antikörpern (spenderspezifisch oder auch nicht spenderspezifisch) mit einer ungünstigen
Prognose für das Transplantat einhergeht (Hourman M, J Am Soc Nephrol
16:2804-2812, 2005; Teresaki P, Transplantation 80:1194-1197, 2005; Pollinger
HS, Am J Transplant 7:857-863, 2007).
Selbst bei negativem Cross-match
zum Zeitpunkt der Transplantation
sind vorsensibilisierte Spender vermehrt von einer humoralen Abstoßungsreaktion betroffen (Patel AM,
Am J Transplant 7:2371-2377, 2007).
Trotzdem gibt es derzeit noch keinen
Konsensus darüber, ob in der Routine (evtl. zumindest bei Hochrisikopatienten wie jenen mit vielen präformierten Antikörpern nach einer
Desensibilisierungsbehandlung) prinzipiell die Bildung von Antikörpern
nach einer Transplantation überwacht
werden sollte.
NEPHRO - NEWS
Vice versa gelingt manchmal der
Nachweis von HLA-Antikörpern gegen den Spender bei Empfängern von
Transplantaten, die keine C4d-Ablagerung aufweisen. In diesen Fällen
könnte es sich um Antikörper mit
niedriger Affinität handeln oder um
jene, die nicht in der Lage sind, Komplement zu aktivieren (Zu-hua G, Liver Transplantation 10:1055-1059, 2004;
Wahrmann M, Am J Transplant 6:10331041, 2006; Colvin RB, J Am Soc Nephrol
18:1046-1056, 2007), deren Signifikanz
dann allerdings nicht klar ist. Letztendlich besteht auch die Möglichkeit,
dass die Bildung von Antikörpern gegen Spenderantigene vor der Ablagerung von C4d stattfinden kann.
Zusammengefasst gibt es also sowohl
histologische Hinweise für eine akute humorale Abstoßung, den Nachweis von C4d und serologische Hinweise. Wie viele Kriterien zur Diagnose letztendlich vorhanden sein
sollten, hängt sicherlich auch vom Risikoprofil des Patienten ab (i. e. weniger Kriterien z. B. bei Hochrisikopatienten).
Therapie
3-10% aller Abstoßungsreaktionen
sind wahrscheinlich rein humoral, bei
zusätzlich 20-30% gibt es zumindest
eine humorale Komponente. Leider
gibt es kaum prospektiv randomisierte Therapiestudien auf diesem Gebiet,
viele Berichte sind Fallserien mit
manchmal historischen Kontrollgruppen. Vom Konzept scheint eine
Kombination von Plasmaseparation
(PS) mit einer weiteren Maßnahme,
die die Neubildung von Antikörpern
reduziert am sinnvollsten. Häufig
wurden neben der PS Immunglobuline gegeben und die Basisimmunsuppression auf Takrolimus und MMF
umgestellt (Pascual M, Transplantation
66:1460-1464, 1998; Montgomery RA,
Transplantation70:887-895, 2000). Die
kumulative Dosis des verwendeten intravenösen Immunglobulins schwankt
zwischen 0,4 und 2 g/kg Körpergewicht. In einer der wenigen prospektiven, randomisierten Studien konnte auch die Effizienz der Immunadsorption (IAS) nachgewiesen werden
(Böhmig GA, Am J Transplant 7:117-121,
2007). Interessant wäre nun ein direkter Vergleich zwischen einer IAS
und einer PS-basierten Therapie.
Auch sollte geklärt werden, ob bei bestimmten Fällen (evtl. abhängig vom
Titer der Antikörper oder deren Affinität) nicht auch mit einer Immunglobulingabe alleine das Auslangen
gefunden werden könnte. Nicht vergessen sollte man auch, dass vor allem
bei gleichzeitiger zellulärer Abstoßung
der Einsatz von hoch dosierten Steroiden oder eine Anti-T-Zelltherapie Erfolge verspricht.
Rituximab könnte ebenfalls zum Einsatz kommen (Becker YT, Am J Transplant 4:996-1001, 2004; Faguer S, Transplantation 83:1277-1280, 2007; Lenhardt
A, Am J Transplant 6:847-851, 2006; Alausa M, Clin Transplant 19:137-140,
2005). Allerdings haben Plasmazellen
kein CD20 an der Oberfläche und
werden dementsprechend auch nicht
eliminiert (Thaunat O, Transplantation
85:1648-1653, 2008). Auch die Splenektomie könnte eine Therapieoption darstellen (Locke JE, Am J Transplant 7:842-846, 2007). Weitere therapeutische Optionen für die Zukunft
sind Strategien, die die Komplementaktivierung verhindern und spezifische Inhibitoren des Wachstums von
B-Zellen (Colvin RB, J Am Soc Nephrol
18:1046-1056, 2007).
Univ. Prof. Dr. Gert Mayer
Universitätsklinik für Innere Medizin IV
(Nephrologie und Hypertensiologie)
Medizinische Universität Innsbruck
Innsbruck
37
Aktuelles aus der Dialyse
Hypotonie bei Dialyse als kardiovaskulärer
Risikofaktor: Blutdruck-Management an
der Dialyse
Symptomatische Blutdruckabfälle
(IDH = intra-dialytische Hypotension)
während einer Dialysesitzung treten
in ca. 20 bis 30 % der Fälle auf. Zwei
Typen von hypotensiven Episoden
können unterschieden werden - bradykarde und tachykarde Hypotensionen. Häufig treten Episoden einer
IDH nach einem zunächst graduellen Abfall des Blutdrucks und einem
Anstieg der Herzfrequenz auf. Die
plötzlich auftretenden Blutdruckabfälle mit bradykarder Antwort (Bezold-Jarish-Reflex), die wohl durch
eine Aktivierung der linksventrikulären Mechanorezeptoren während einer schweren ventrikulären
Unterfüllung hervorgerufen werden,
sind hierbei die wesentlich unangenehmeren. Die Hypothese, dass vor
allen Dingen die Episoden, welche
mit Tachykardie einhergehen, durch
Adjustierung der Ultrafiltration verhindert werden können, ist bisher
nicht bewiesen.
Die Behandlung der IDH besteht
darin, die Ultrafiltrationsrate zu verringern oder ganz zu stoppen, die Patienten in die Trendelenburg’sche Position zu bringen, die Filtrationsrate
zu reduzieren und das intravasale Volumen aufzufüllen. Hypotensive Episoden während der Dialyse prädisponieren den Patienten auf die Dauer zu einer Volumenüberladung und
können, da die Dialysen oft frühzeitig abgebrochen werden, auch zu einer inadäquaten Dialyseeffektivität
führen. Gleichzeitig gibt es klare Hinweise, dass sowohl intradialytische
Blutdruckabfälle als auch orthosta38
Tab. 1: Strategische Ansätze zur Prävention der IDH
(modifiziert anhand der EBPG-Richtlinien zur hämodynamischen Stabilität an HD:
Kooman J, Nephrol Dial Transplant 2007; 22 [Suppl 2]: ii22-ii44)
1. Ansatz:
•
•
•
•
•
•
Diätberatung (Natriumrestriktion)
Zurückhaltung der Essenszufuhr während der Dialyse
Klinische Neubewertung des Trockengewichtes
Verwendung von Bikarbonat als Dialyse-Puffer
Verwendung einer Dialysat-Temperatur von 36,5°C
Überprüfen der Dosis und des Timings von Antihypertensiva
2. Ansatz:
• Versuch einer objektiven Methode zur Bestimmung des Trockengewichtes
• Durchführung einer kardialen Analyse/Bewertung
• Graduelle Reduktion der Dialysat-Temperatur von 36,5°C abwärts (untere Grenze: 35°C)
oder isothermische Behandlung (mögliche Alternative: konvektive Behandlung)
• Individualisiertes blutvolumenkontrolliertes Feedback berücksichtigen
• Verlängern der Dialysezeit und/oder Erhöhen der Dialysefrequenz
• Einsatz einer Dialysat-Calcium-Konzentration von 1,5 mmol/l
• Erhöhung des Natriums im Dialysat (>144 mmol/l); cave: Durst und Gewichtszunahme
3. Ansatz (nur, wenn andere Behandlungsoptionen keinen Erfolg bringen)
In Betracht ziehen:
• Midodrine
• L-Carnitin-Substitution
• Switch zur Peritonealdialyse
• Maschinelle „Venenpumpen“
tische Blutdruckabfälle nach der Dialyse signifikante und unabhängige Risikofaktoren für eine erhöhte Mortalität von Dialysepatienten sind (Shoji T, Kidney Int 66:1212-1220, 2004).
Unklar bleibt allerdings, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder
die IDH lediglich einen Marker erhöhter Komorbidität darstellt.
Ursachen der Hypotonie an HD
Ein Blutdruckabfall an der Dialyse
wird allgemein als das Resultat einer
inadäquaten kardiovaskulären Antwort auf die Reduktion des Blutvolumens verstanden. Sie tritt vor allen
Dingen dann auf, wenn große Wassermengen während einer kurzen Zeit
aus dem Kreislauf entfernt werden.
Innerhalb einer typischen Dialysebehandlung wird normalerweise ein
Ultrafiltrationsvolumen, das gleich
oder höher dem des Plasmavolumens
ist, entfernt. Trotz dieses großen Ultrafiltrationsvolumens reduziert sich
das Plasmavolumen absolut meist nur
um ca. 10 bis 20%. Diese Fähigkeit,
das Plasmavolumen während der Ultrafiltrationen aufrecht zu erhalten,
erfordert die Mobilisation von Flüssigkeit aus dem interstitiellen in den
intravasalen Raum. Ältere Patienten,
Patienten mit Herzinsuffizienz und
bekannten Herzrhythmusstörungen,
Diabetiker und Frauen mit hohem
Body Mass Index oder hohem präNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Dialyse
dialytischem systolischem Blutdruck
sind besonders häufig von einer unzureichenden Mobilisationsfähigkeit
dieser interstitiellen Flüssigkeit betroffen.
Im Hinblick auf die Abklärung kardialer Ursachen bleibt festzuhalten,
dass die systolische und diastolische
Dysfunktion des Herzens ein Risiko
für die IDH darstellt. Der prädiktive Wert der Echokardiographie ist
bisher in größeren Studien nicht untersucht worden.
Folgende Ursachen können die Inzidenz und Häufigkeit hypotensiver
Episoden während einer Dialysesitzung beeinflussen:
• Falsch-niedriges Trockengewicht
• Inadäquater Einsatz von Antihypertensiva
• Milde metabolische Alkalose unter
einer Standardbikarbonatdialyse
(Gabutti L, Nephrol Dial Transplant
18:2369-2376, 2003)
• Abweichungen des PaCO2 (Hampl
H, Nieren- und Hochdruck 28:167-177,
1999)
• Schäden des autonomen und peripheren Nervensystems (Lee PT, Kidney Int 64:1089-1094, 2003)
Davenport und Mitarbeiter (Kidney
Int 73: 759-764, 2008) untersuchten in
einer kürzlich publizierten Multizenter-Studie bei 7.890 Hämodialysesitzungen innerhalb einer Wochenperiode die Daten für das angestrebte
Trockengewicht und die dazu erhobenen hämodynamischen Faktoren.
50% der Patienten erlitten eine symptomatische Hypotension und erhielten eine Flüssigkeitsgabe, was mit
einer höheren intradialytischen Gewichtszunahme assoziiert war. Das
Besondere an dieser Studie war, dass
die intradialytischen Blutdruckabfälle signifikant häufiger in den ZenNEPHRO - NEWS
tren auftraten, die mit Hilfe von Antihypertensiva einen niedrigeren postdialytischen Blutdruck anstrebten.
Die Autoren schlossen daraus, dass
der Versuch, medikamentös den von
den Richtlinien geforderten Blutdruck zu erreichen (was in den wenigsten Fällen gelingt), mit einer erhöhten Rate an intradialytischen
Blutdruckabfällen erkauft wird. Die
Pausierung der Antihypertensiva vor
der Dialyse war dabei entgegen der
bisherigen Meinung nicht mit dem
Abfall des intradialytischen Blutdrucks assoziiert.
Welche Möglichkeiten gibt es
zur Prävention intradialytischer
Hypotension?
Bestimmung des Trockengewichtes
Da die fehlerhafte Bestimmung des
Trockengewichtes eine der Hauptursachen für intradialytische Blutdruckabfälle darstellt, gibt es zahlreiche Ansätze, durch eine „objektive“ Bestimmung das Trockengewicht
festzulegen. Aufgrund der derzeitigen Datenlage scheint lediglich die
sonographische Bestimmung des
Durchmessers der V. cava im Hinblick auf eine gute bzw. etwas präzisere Einschätzung des Trockengewichtes hinreichend bewiesen (z. B.
Chang ST, Nephron Clin Pract 97:c90c97, 2004). Bei dieser Technik muss
man sich allerdings darüber im klaren sein, dass sie sehr stark untersucherabhängig ist und der Zeitpunkt
der Bestimmung sowie die Häufigkeit nicht standardisiert ist.
Maschinelles „Blutvolumenmonitoring“
und Ultrafiltrationsprofile
Das sogenannte „vascular refilling“
wird sowohl durch patientenspezifische als auch behandlungsspezifische
Faktoren, die die Verteilung des Was-
sers innerhalb des Körpers determinieren, beeinflusst. Aus dieser Erkenntnis resultiert die Entwicklung
von verschiedenen Geräten, die auf
unterschiedliche Weise versuchen,
die intradialytischen Blutvolumenänderungen zu messen. Unglücklicherweise konnten die meisten Studien
keine sichere Relation zwischen den
individuellen Veränderungen des
Blutvolumens und intradialytischen
Blutdruckabfällen nachweisen. In einer prospektiven randomisierten Studie (Reddan DN, J Am Soc Nephrol 16:
2162-2169, 2005) war der Einsatz von
mit Blutvolumenmonitor ausgerüsteten Geräten sogar mit einer höheren Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate (vaskulär und nichtvaskulär) assoziiert.
Der fehlende Benefit für den Einsatz
solcher Geräte kann evtl. damit erklärt werden, dass viele dieser Geräte die aktuelle Menge an Blutvolumen unterschätzen, da meist der Hämatokrit als Messparameter dient.
Die Annahme, dass es eine direkte
Korrelation zwischen Hämatokrit
und Blutvolumen gibt, ist, wie neuere Untersuchungen zeigen, vermutlich nicht korrekt, da der Hämatokrit
insbesondere im Bereich des Kapillarstromgebietes nicht repräsentativ
ist. Blutvolumen-Monitore erweisen
sich jedoch dann als sinnvolle Ergänzung zu einem üblichen Dialysemonitoring, wenn sie mit einem sog.
Bio-Feedback-System kombiniert
werden. Diese Technik wurde im
Hinblick auf eine Reduktion der hypotensiven Episoden erfolgreich eingesetzt und erbrachte in den Studien eine größere Blutdruckstabilität
an der Dialyse (Santoro A, Kidney Int
15:1034-1045, 2000). Bei hypertensiven Blutdruckpatienten kann die
Technik zudem zu einer besseren
Langzeit-Blutdruckkontrolle über die
39
Aktuelles aus der Dialyse
Optimierung des Volumenstatus führen. Anzumerken ist hierbei, dass die
Häufigkeit der intradialytischen Blutdruckabfälle durch Bio-FeedbackSysteme auch reduziert werden kann,
wenn sie nicht mit einem Blutvolumen-Monitor kombiniert werden,
sondern dadurch, dass man die Ultrafiltrationsrate an den 5-minütig gemessenen Blutdruck adjustiert. Alle
diese Systeme erfordern allerdings
ein relativ aufwendiges Monitoring
und sind entsprechend teuer.
Dialysattemperatur und
Körpertemperatur
Als Antwort auf die Ultrafiltration
ergibt sich bei dem Patienten eine gesteigerte sympathische Nervenaktivität, die wiederum zur Vasokonstriktion, insbesondere in der Hautzirkulation, führt. Das Resultat ist
eine fehlende Temperaturregelung
und ein Anstieg der Gesamtkörpertemperatur. Basierend auf dieser Beobachtung wurde die These entwickelt, dass durch Kühlung des Dialysates intradialytische Blutdruckabfälle verhindert werden könnten
und das konnte in kleineren Studien
auch nachgewiesen werden (z. B.
Nicholas M, Nephrol Dial Transplant 21:
1883-1898, 2006). Auch in Zusammenhang mit der Dialysat-Temperatur wurden Bio-Feedback-Systeme
erfolgreich eingesetzt.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass
die Verwendung von kühlem Dialysat und temperaturkontrolliertem
Feedback einen positiven Effekt auf
die Prävention einer IDH hat und
dies auch ohne klinisch signifikante
Nebenwirkungen. Um bestimmte
Nebenwirkungen wie z. B. Zittern
zu reduzieren, wird dazu geraten, die
Temperatur des Dialysats schrittweise von 36,5°C zu senken, bis ein
optimaler Effekt erzielt wird. Für ei40
ne Absenkung der Dialysat-Temperatur unter 35°C gibt es nur begrenzte Daten und eine positive Wirkung ist nicht bewiesen.
Maschinelle und medikamentöse Beeinflussung des vaskulären Widerstandes
Neben diesen arteriellen, insbesondere mikrovaskulären Komponenten
kommt natürlich auch der venösen
Struktur, die die Rückführung des
Blutvolumens in den zentralen Kreislauf mitbestimmt, eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Eine verschlechterte sympathische Nervenaktivität bzw. Abnormalität, z. B. bei
Diabetikern im Bereich der venösen
Kompartimente, kann zu einem venösen Pooling führen. Ähnlich wie bei
Patienten mit Herzinsuffizienz gibt
es hier Möglichkeiten, durch aufblasbare „Venenpumpen“, ansonsten
unbeherrschbare postdialytische und
orthostatische Hypotensionen zu beeinflussen (Yamamoto N, Kidney Int
70:1793-1800, 2006). Die physiologische Antwort auf eine gesteigerte
sympathische Nervenaktivität mit einer gesteigerten arteriolären Vasokonstruktion und steigendem vaskulären Widerstand zu reagieren, ist
bei einigen Patienten inadäquat, da
sie exzessiv Vasodilatatoren produzieren. Einer dieser im Überschuss
produzierten Faktoren ist Adenosin.
Eine der vielen Hypothesen besagt,
dass es während der Ultrafiltration
im Bereich der Weichteile zu einer
vermehrten ADP-Freisetzung mit
entsprechender Adenosin-Bildung
kommt. Dieser Mechanismus erklärt
einen Blutdruckabfall, der sich nicht
ankündigt. Als nicht selektiver Adenosin A1- und A2-Rezeptor-Antagonist ist Koffein bekannt, und es konnte in kleinen Studien auch gezeigt
werden, dass mittels Koffein-Zufuhr
die Frequenz der plötzlich auftre-
tenden Hypotensionen reduziert werden kann. Der Einsatz von Kaffee
zur Prävention ist allerdings für eine
generelle Empfehlung nicht ausreichend genug getestet. Neue selektive A1-Rezeptoren-Blocker wurden
im Rahmen dieser Fragestellung
ebenfalls untersucht, mit allerdings
bisher geringem Effekt. Das Gleiche
gilt für Adenosin-A2-Blocker.
Ein weiterer Aspekt der autonomen
Dysfunktion scheint durch die Hyperkaliämie und eine entsprechende
chronische Depolarisation der Nervenzellen bedingt zu sein. Eine Möglichkeit, diese verminderte sympathische Aktivität zu verbessern, besteht in der Gabe von Vasokonstriktoren, die den peripheren vaskulären
Widerstand steigern. Sieht man in die
Literatur, so liegen die besten Daten
dazu für den selektiven A1-Antagonisten Midrodrene in einer Dosis von
1,5 bis 10 mg vor (Prakash S, Nephrol
Dial Transplant 19:2553-2558, 2004).
Neuere Studien zeigten, dass auch
die kontinuierliche Gabe von Vasopressin während der Dialyse zu einer größeren hämodynamischen Stabilität, insbesondere wenn große Volumina entfernt werden sollen, führt
(van der Zee S, Kidney Int 71: 318-324,
2007).
Dialysespezifische
Veränderungen
Dialysat-Natrium
Hier konnten die meisten Studien
zeigen, dass eine Erhöhung des Natriums im Dialysat (>144 mmol/l) die
Episoden von IDH reduzieren kann.
Hierbei ist zu bedenken, dass ein
häufiger und routinemäßiger Einsatz
einer erhöhten Dialysat-NatriumKonzentration das Risiko von Durst
und hypertensiven Episoden sowie
einer interdialytischen GewichtszuNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Dialyse
nahme steigert. Wird die NatriumVarianz im Dialysat allerdings in
Kombination mit Ultrafiltrationsprofilen eingesetzt, konnte in einigen
Studien auch ein positiver Effekt
nachgewiesen werden. Die Individualisierung der Dialysatzusammensetzung scheint ein vielversprechender Ansatz, wobei der klinische
Nachweis der Effektivität bisher anhand der Daten nicht geführt werden konnte.
zentration im Dialysat bei Patienten
mit IDH möglichst nicht unter 0,25
mmol/l gesenkt werden sollte, insbesondere, wenn gleichzeitig niedrige
Calcium-Konzentrationen eingesetzt
werden.
Die Veränderung des Dialysat-Kaliums und des Zuckergehaltes im Dialysat sind bisher nur in kleineren Studien untersucht worden und haben
keine einheitlichen Resultate erbracht.
Dialysat-Puffer
Zusammenfassend ist bekannt, dass
die Abnahme des Blutdruckes und
die Inzidenz von hypotensiven Episoden beim Einsatz von Acetat als
Puffer deutlich höher ist. StandardBicarbonat-Konzentrationen haben
keinen Vorteil, wenn ein Dialysat mit
einer Calcium-Konzentration von 1,5
mmol/l eingesetzt wird.
Dialysat-Membranen
Bisher konnte durch den Einsatz von
biokompatiblen Membranen kein sicherer Nachweis eines wirklichen
Vorteils im Hinblick auf die Prävention der IDH erbracht werden. Ultrareines Dialysat wurde in diesem
Hinblick bisher nicht untersucht.
Dialysat-Calcium
Hier zeigen die meisten Studien einen positiven Effekt einer hohen Dialysat-Calcium-Konzentration auf die
hämodynamische Stabilität während
der Dialyse, insbesondere verglichen
mit niedrigen Calcium-Konzentrationen im Dialysat. Dennoch ist natürlich mit der hohen Calcium-Konzentration im Dialysat auch eine positive Calcium-Bilanz verbunden, die
insbesondere aufgrund der bekannten Risiken im Calcium-PhosphatStoffwechsel von Dialysepatienten
ein bisher nicht untersuchtes Langzeitrisiko birgt.
Empfohlen wird der Einsatz einer
Dialysat-Calcium-Konzentration von
1,5 mmol/l bei Patienten mit häufigen Episoden einer IDH.
Weitere Dialysatkomponenten
In kleineren Studien wurde nachgewiesen, dass die Magnesium-KonNEPHRO - NEWS
Konvektive Techniken und
isolierte Ultrafiltration
Hier gibt es verschiedene Studien,
die zeigen, dass die Inzidenz der IDH
abnimmt bei Einsatz einer konvektiven Technik (Hämodiafiltration,
Hämofiltration), insbesondere verglichen mit konventioneller Hämodialysebehandlung, wobei kein Unterschied mehr besteht, wenn entsprechende Temperaturregeln (wie oben
erwähnt) eingehalten werden. Der
Einsatz einer isolierten Ultrafiltration in diesem Zusammenhang, der
von einer isovolämischen Dialyse gefolgt wird, scheint dagegen das Risiko eines Blutdruckabfalls sogar zu
fördern (Dheenan S, Kidney Int 59:
1175-1181, 2001).
Dialysezeit und -frequenz
Die hier vorliegenden Daten, insbesondere auch aus dem DOPPS-Register, zeigen, dass eine verlängerte
Dialysezeit zu einer Reduktion der
Episoden von IDH führen kann.
Wechsel zur Peritonealdialyse
Dies ist durchaus ein Ansatz, der in
einigen Beobachtungen als sinnvoll
beschrieben wird.
Änderung der Lebensweise
(lifestyle interventions)
Die Reduktion der Salzzufuhr auf 6
g/d kann nachweislich die interdialytische Gewichtszunahme verhindern, wobei hier nur indirekt eine
Prävention der IDH vermutet werden kann.
Essenszufuhr an der Dialyse
Die Essenszufuhr an der Dialyse ist
assoziiert mit einer erhöhten Frequenz von IDH, was evtl. durch ein
Blutpooling im Gastrointestinaltrakt
durch die Verdauungsvorgänge zu
erklären ist.
Zusammenfassung
Zusammenfassend existieren viele
Möglichkeiten, intradialytische Blutdruckabfälle zu verhindern bzw. zu
behandeln. Die wohl größte Zukunftsperspektive bieten evtl. Technologien, die die Dialysat-Zusammensetzung im Hinblick auf den
Natriumgehalt und die Rate der Ultrafiltration mittels kontinuierlichen
Mengenmessungen, insbesondere in
dem realen Einfluss auf das „vaskuläre Refilling“, messen. Leider
muss dabei konzertiert werden, dass
lineare Annahmen, gerade bei Dialysepatienten, wo sich natürlich unter
einer Dialysesitzung die Ausgangsbedingungen und auch die vaskuläre Antwort immer wieder ändern,
problematisch sind. In der Tabelle
sind die derzeitigen Empfehlungen
aufgeführt.
Prof. Dr. Christiane Erley
St. Joseph-Krankenhaus
Berlin
41
Aktuelles aus der Dialyse
Der Weg zu deutschen Shuntleitlinien:
Wird die Shuntversorgung in Deutschland hierdurch verbessert?
Die Versorgung der Patienten mit Dialysezugängen, insbesondere mit nativen Fisteln, ist nicht in allen Bereichen
unseres Landes befriedigend geregelt.
Dieses zeigt sich u. a. in der auch in
Deutschland zunehmenden Verwendung zentral venöser Katheter als Dialysezugang. Einerseits ist dies durch
die Begleiterkrankungen der zunehmend alten Patienten bedingt, andererseits gibt es Gebiete in Deutschland,
in denen Zentren mehr als 35% ihrer
Patienten über solche Zugänge dialysieren, wie eine aktuelle Umfrage aus
dem Jahr 2007 zeigt. Als Grund für
den hohen Katheteranteil wird in der
Regel der Mangel an kompetenten
Shuntchirurgen angegeben.
Verschiedene, von der Industrie unterstützte Initiativen haben versucht,
die Versorgung in diesem Bereich zu
verbessern. So gibt es bespielsweise das
Shuntsymposium in Bernried, das von
der Firma Gore ausgerichtet wird und
das Vascular Access Forum (VAF), das
einige Jahre von Gambro unterstützt
worden ist. Das VAF hatte strukturierte
Kurse und Newsletter zu allen Gebieten des Zugangsmanagements erstellt
und Anforderungen zur Struktur der
Shuntversorgung in Deutschland erarbeitet.
Nachdem die Unterstützung für das
VAF eingestellt worden war, haben sich
die Fachgesellschaften diesem Thema
wieder intensiver zugewandt. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Klinische
Nephrologie (DAGKN) hat alle an der
Dialysezugangsversorgung beteiligten
anderen Fachgesellschaften (Gefäßchirurgie, Angiologie, Radiologie) mit der
Bitte angeschrieben, offizielle Vertreter in eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zu entsenden. Erstes Ziel dieser GHIA (Gefäßzugänge für die
Hämodialyse – Interdisziplinäre Arbeitsgruppe) war die Erarbeitung deut42
Tab. 1: Mitglieder der GHIA
(Gefäßzugänge für die Hämodialyse – Interdisziplinäre Arbeitsgruppe)
Jan Brunkwall
Harald Daum
Patrick Haage
Markus Hollenbeck
Volker Mickley
Jürgen Ranft
Ralf Schindler
Peter Thon
Dierk Vorwerk
Köln
Hamburg
Wuppertal
Bottrop
Rastatt
Bottrop
Berlin
Bad Hersfeld
Ingolstadt
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie
Deutsche Röntgengesellschaft
DAGKN
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie
Deutsche Gesellschaft für Angiologie
DAGKN
DAGKN
Deutsche Röntgengesellschaft
scher Shuntleitlinien. Seit Anfang 2008
haben die in Tabelle 1 genannten Mitglieder er GHIA die European Best
Practice Guidlines (EBPG) aus dem
Jahre 2007 übersetzt, aktualisiert und
an die deutschen Verhältnisse angepasst. Die diesbezüglichen Arbeiten
waren zu Beginn des Septembers 2008
weitgehend abgeschlossen, so dass mit
der Publikation zu Beginn des Jahres
2009 gerechnet werden kann. Es wird
angestrebt, die Leitlinien in deutschen
Fachzeitschriften zu publizieren und
diese sowohl im Bereich der Nephrologie als auch der Gefäßchirurgie und
Radiologie breit zu streuen. Um die
Durchdringung der Inhalte „an die Basis“ voranzutreiben, werden sicherlich
die Fachgesellschaften erheblich gefordert sein.
Die Leitlinien umfassen einen weiten
Bereich der Dialysezugangsversorgung
von der Notwendigkeit der frühen Zuweisung über präoperative Diagnostik
und präoperative Zusammenarbeit.
Kernpunkt sind selbstverständlich auch
die chirurgischen Maßnahmen sowie
die Diagnostik von Komplikationen,
die auch das Shuntmonitoring und die
Patientenunterweisung mit einschließen. Weitere Kapitel beschäftigen sich
mit der Indikation, Durchführung und
Behebung von Komplikationen bei
zentral venösen Kathetern. Großer
Wert wird darauf gelegt, dass die
Schnittstellen zwischen Patienten, Pflege, Nephrologie und Chirurgie und Radiologie beschrieben werden. Es werden auch Ansätze für ein Qualitätsmanagementsystem aufgezeigt.
Allen GHIA-Mitarbeitern ist bewusst,
dass die Empfehlungen oft nur Expertenstatus aufweisen und dass zu vielen
Bereichen suffiziente Daten fehlen. Insbesondere sind die deutschen Daten
sehr rar. So sind diese Leitlinien hoffentlich Anlass, die dort gemachten
Empfehlungen in Untersuchungsserien zu überprüfen, um somit aktuelle
Daten zu erheben, die für eine Weiterentwicklung der Leitlinien notwendig sind.
Ohne Frage ist es sinnvoll, native AVFisteln den Prothesenshunts und diese den zentral venösen Kathetern vorzuziehen. Aber auch gerade in diesem
Bereich fehlen prospektive Studien. So
stimmt sicher jeder zu, dass bei hochgradiger Herzinsuffizienz eine AV-Fistel mit hohem Flussvolumen (z. B.
über 1000 ml/Minute) zu vermeiden
ist. Aber wo sind die Grenzen für eine
„schwere Herzinsuffizienz“? Ist dieses
eine Ejektionsfraktion (EF) von weniger als 25%? Und welche Konsequenzen sind hier zu ziehen - die Anlage eines zentral venösen Katheters oder die
Durchführung einer Peritonealdialyse
(PD) ggfs. auch als IPD oder pflegeassistierte PD? Unklar ist auch die InNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Dialyse
dikation für arterioarterielle Interponate, die z. Zt. in Deutschland nur sehr
vereinzelt eingesetzt werden, aber wohl
mit gutem Erfolg. Hier ist unsere interdisziplinäre Arbeitsgruppe auf die
Ergebnisse in der Breite gespannt.
Ähnlich ist die Situation beim StealSyndrom zu sehen. Oft werden aktuell zentral venöse Katheter implantiert
wegen der „Gefahr“ eines Steal-Syndroms bei Patienten mit erheblicher
Arteriosklerose. Unklar ist bis jetzt
aber völlig, was die Terminanten und
Prädiktoren eines solchen Steal-Syndroms sind. Hier wird wohl erst die systematische Sammlung von Daten der
präoperativen Voruntersuchungen (z. B.
Dopplersonographie) und die Erfassung der Risikofaktoren Klarheit bringen. Diese systematische Erfassung
wird auch die Herzfunktion, Laborindices und andere Komorbiditäten beinhalten müssen.
Dieses unterstreicht die Notwendigkeit der systematischen Einführung eines Qualitätssicherungssystems. Hier
ergeben sich dann viele weitere offene
Fragen. Bislang ist uns nur wenig bekannt, wie man die Qualität der Shuntversorgung wirklich beschreiben kann.
Ist dieses nur eine möglichst hohe Anzahl an nativen Fisteln, die möglichst
periphere Anlage einer solchen Fistel,
niedrige Komplikationsraten, die die
Notwendigkeit einer stationären Behandlung verursachen oder ist dies die
Mortalität?
Die schon im Eingangsabsatz erwähnte extrem hohe Rate an zentral venösen Kathetern in einzelnen Zentren
könnte benutzt werden, um die dort
gemachten Erfahrungen kritisch in die
Diskussion einzubringen. In Anbetracht der Literatur erscheint ein solcher Zustand haarsträubend. Aber wie
sind die lokalen Ergebnisse wirklich?
Sie scheinen derzeit Spiegel der lokalen Gegebenheiten zu sein. Eine Änderung würde sicher eine höhere örtliche Mobilität der Patienten und der
Zuweiser erfordern. Hieraus ergibt sich
dann die Frage, inwieweit kleine ShuntNEPHRO - NEWS
kompetenzzentren wohnortnah eingerichtet werden müssen oder als große
Kompetenzzentren überregional tätig
werden sollten. Diesbezüglich sei auch
auf die „Empfehlungen zu Struktur
und Aufgaben von Kompetenzzentren
für Gefäßzugänge zur Hämodialyse“
des VAF verwiesen, die als offizielle
Stellungnahme der DAGKN in den aktuellen Mitteilungen dieses Kongresses publiziert sind (Grüne Hefte).
Ein weiteres Anliegen der Gruppe war
die Einführung einer einheitlichen Nomenklatur. Auch dieses ist sicherlich
ein kleiner, aber wichtiger Punkt für
die Verbesserung der Shuntversorgung
in Deutschland.
Die Leitlinien sind in großen Teilen allgemein gehalten. Die Konkretisierung
einzelner Tatbestände wird Aufgabe
der verschiedenen Fachgesellschaften
sein. So hat die Gesellschaft für Gefäßchirurgie aktualisierte Hinweise zur
operativen Versorgung erstellt. Auch
im Bereich der Nephrologie gibt es hier
noch viel zu tun, so z. B. im Bereich der
frühen Zuweisung, der präoperativen
Versorgung und des Shunt-Monitorings. Die interdisziplinäre Gruppe bietet eine gute Plattform, um auch weitere Themen im Bereich der Dialysezugangsversorgung zu besprechen. Sie
ist sehr kooperativ und im Thema qualifiziert. Berufspolitische Aspekte sind
bislang erfreulich wenig zum Tragen
gekommen, was einerseits daran liegt,
dass immer schon sehr interdisziplinär
gearbeitet wurde und die OP’s sowohl
von Chirurgen als auch von Nephrologen durchgeführt werden, ebenso wie
die radiologischen Interventionen, die
lokal unterschiedlich von allen Berufsgruppen, inzwischen auch von sogenannten „interventionellen Nephrologen“ durchgeführt werden.
Den Inhalt der Leitlinien hier an dieser Stelle wiederzugeben oder zusammenfassen zu wollen, wäre deplatziert.
Sicher sind die Inhalte im Wesentlichen
schon in den European Best Practice
Guidelines enthalten. Wir sind aber
schon sicher, dass durch die Deutschen
Leitlinien eine Weichenstellung auch
für Deutschland erreicht werden kann.
Anhand dieser Leitlinien wird die aktuelle Versorgungslage untersuchbar.
Nehmen wir dieses nicht als Knute
oder Fingerzeig. Es wäre nicht das erste Mal, wenn Versorgungsengpässe,
die sicher bestehen, durch Leitlinien offenkundig werden. Wir sind alle gefordert, sowohl Fachgesellschaften, Patientenverbände, Dialyseversorger und auch
die Verwaltungsdirektoren unserer
Krankenhäuser. Diese haben sich schon
öfter unter Vorlage von Zahlen, Daten
und Fakten beweglich gezeigt. Die Versorgung der Diabetiker in Deutschland
könnte ein gutes Beispiel dafür sein,
dass nicht nur im niedergelassenen Bereich, sondern auch in der stationären
Versorgung Strukturen geschaffen und
angepasst worden sind. Viele Häuser
haben zusätzliche Stellen und Strukturen geschaffen, um auch langfristig
Patienten mit diabetischen Komplikationen behandeln zu können. Strukturanpassungen sind auch im Bereich
der Zugangsversorgung zur Dialyse
notwendig. Shunts müssen sicher nicht
immer die Stiefkinder im OP sein.
Wir Nephrologen sind nicht nur im Bereich der präoperativen Diagnostik und
Zuweisung gefordert. Auch wird in unseren Bereichen das Monitoring einen
höheren Stellenwert erreichen müssen,
damit Patienten zunehmend elektiv interveniert werden können und nicht
erst beim Shuntverschluss notfallmäßig
behandelt werden müssen. Hier ist
selbstverständlich auch die Vergütung
des Monitorings zu klären.
Die Mitglieder der GHIA hoffen, dass
die Deutschen Shuntleitlinien die Versorgungsstruktur verbessern. Viel Basisarbeit, Qualitätsmanagement und prospektive Untersuchungen sind notwendig, um diesem Ziel näher zu kommen.
Prof. Dr. Markus Hollenbeck
Klinik für Nephrologie und Rheumatologie
und KfH-Nierenzentrum am
Knappschaftskrankenhaus
Bottrop
43
Phosphatbindung in der Dialyse
Kalzifizierung gestoppt – Leben verlängert
Gefäßverkalkungen
sind ein Hauptrisikofaktor
für kardiovaskuläre
Mortalität und Folge
einer hohen
Kalziumzufuhr.1
Renagel® bindet effektiv Phosphat
und vermindert ein Fortschreiten
der Kalzifizierung.2,3
Renagel® senkt bei langfristigem
Einsatz das Mortalitätsrisiko.4,5
Deshalb frühzeitig Renagel®.
London G et al., Nephrol. Dial. Transplant 2003; 18: 1731–1740. 2 Chertow et al., Kidney Int. 2002; 62: 245–252.
Block GA et al., Kidney Int 2005; 68: 1815–1824. 4 Suki et al., ASN 2005.
5
Block GA, et al., Kidney Int 2007; 71: 438–441.
1
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Blutphosphatspiegel, Darmverschluss und Überempfindlichkeit gegenüber Sevelamer oder einem der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels (allergisch). Nebenwirkungen: Wie alle Arzneimittel kann RENAGEL® Nebenwirkungen haben. Folgende Nebenwirkungen wurden bei Patienten unter Einnahme von RENAGEL® beschrieben:
Sehr häufig (≥ 10%): Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhoe, Verdauungsstörungen, Verstopfung, Kopfschmerzen, niedriger Blutdruck, Bluthochdruck, Schmerzen, Juckreiz; häufig (1-10%): Blähungen, Ausschlag, Halsschmerzen; sehr selten (<0,01%): Darmverschluss. Diese Symptome können auch aufgrund von chronischem Nierenversagen auftreten. Warnhinweise: Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren. Hinweis: Durch die Peritonealdialyse kann es zum Auftreten einer Peritonitis
kommen. Nähere Informationen und Warnhinweise siehe Fach- und Gebrauchsinformationen. Packungsgröße: 180 Filmtabletten (N3).
Genzyme Europe BV, Gooimeer 10, 1411 DD Naarden, Niederlande. Stand: 1. Juni 2007. (RENA 35/05-07)
Weitere Informationen zur Hyperphosphatämie können Sie beziehen unter: genzyme GmbH, Abt. Nephrologie, Siemensstrasse 5b,
D-63263 Neu-Isenburg, Tel. 0 61 02/36 74-710, Fax: 0 61 02/36 74-600, E-Mail: [email protected], www.genzyme.de
RENA 61/07-07
3
Aktuelles aus der Dialyse
Interdisziplinäre Deutsche Leitlinien zum
Dialysezugang 2008: Neue Aspekte zu
zentralvenösen Dialysekathetern
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus
Gefäßchirurgen, Intensivmedizinern
und Nephrologen hat sich zur Aufgabe gemacht, Deutsche Leitlinien
zum Dialysezugang auf der Basis
aktueller Literaturdaten und persönlicher Erfahrung im Konsens herauszugeben. Im Folgenden sollen
die noch in der Diskussion befindlichen neuen Leitlinien für zentralvenöse Dialysekatheter vorgestellt
und kommentiert werden, die sich
ganz wesentlich an den bereits publizierten „European best practice
guidelines on vasular access“ orientieren (Tordoir J, Nephrol Dial Transplant 22 [Suppl 2]:ii88-ii117, 2007).
RICHTLINIE 10
Zentraler Venenzugang
In der DOPPS-Studie wurden
deutliche Unterschiede zwischen
den teilnehmenden Ländern für die
Verwendung von zentralvenösen
Kathetern als Dialysezugang festgestellt. Während in den USA von
1997 bis 1999 17% der prävalenten
Dialysepatienten mit einem zentralen Dialysezugang versorgt waren,
lag dieser Anteil in Deutschland im
selben Zeitraum nur bei 4% (Rayner HC, Am J Kidney Dis 44:22-26,
2004). Nach den neuesten Daten aus
DOPPS III ist der Anteil zentraler
Venenkatheter als Dialysezugang in
allen Ländern gestiegen. Er lag bei
prävalenten Patienten von 20052007 in den USA bei 25%, während
der Anteil in Deutschland im selben
NEPHRO - NEWS
Zeitraum auf 10% anstieg. Werden
nur die inzidenten Patienten der
letzten drei Jahre betrachtet, so beginnen in Deutschland immerhin
23% der Patienten die Dialyse über
einen zentralvenösen Katheter. In
den USA liegt dieser Anteil sogar
bei 69% (Ethier J, Nephrol Dial Transplant 2008, August 26th Epub).
Da die Verwendung von zentralen
Dialysekathetern im Vergleich zur
AV-Fistel, bedingt durch höhere Infektions- und Verschlussraten, mit
einer erhöhten Mortalität der Patienten einhergeht (Allon M, Am J Kidney Dis 47:469-477, 2006), sollten Katheter so selten wie möglich eingesetzt werden.
Richtlinie 10.1
Zentrale Venenkatheter sollten als letzte
Möglichkeit angelegt werden bei Patienten ohne permanenten Zugang und mit
der akuten Notwendigkeit zur Hämodialyse (Evidenz III).
Mittlerweile hat sich die Ultraschallgesteuerte Punktion der rechten V.
jug. int. in den meisten Kliniken als
Insertionstechnik der Wahl durchgesetzt. In einer randomisierten Studie mit jeweils 30 Patienten konnte
mit dem Ultraschall die „1. Trefferquote“ von 56,7 auf 81,7% bei der
Punktion der Vena jug. int. gesteigert werden (Bansal R, Ren Fail 27:
561-564, 2005). In einer kürzlichen
Beobachtungsstudie an 129 Patienten mit Blutgerinnungsstörungen lag
die technische Erfolgsrate für die
Punktion der V. jug. int. mit der Sonographie bei 100%. Dabei gelangen die Einwandpunktionen in 89,5%
der Fälle (Tercan F, Eur J Radiol 2008;
65:253-256).
Richtlinie 10.2
Die perkutane Route mit UltraschallFührung sollte für akute und permanente Katheter benutzt werden. Ein konventionelles Röntgenbild sollte vor Benutzung
des Katheters angefertigt werden, um Katheterlage und Komplikationen zu erkennen (Evidenz II).
Zentralvenöse Katheter sollten unter streng aseptischen Bedingungen
durch erfahrenes und geübtes Personal über den perkutanen Zugangsweg gelegt werden. Die rechte interne Jugularvene ist die erste Insertionsstelle der Wahl, gefolgt von
der linken internen Jugularvene.
Der femorale Zugang sollte nur bei
bettlägerigen Patienten mit kurzer
Verweilzeit (< 1 Woche) verwendet
werden.
Richtlinie 10.3
Die rechte Vena jugularis ist die empfohlene Insertionsstelle (Evidenz II)
Aufgrund einer signifikant niedrigeren Komplikationsrate sollten getunnelte Katheter den nicht getunnelten Kathetern vorgezogen werden. In einer Studie, die getunnelte
und ungetunnelte Katheter an verschiedenen Insertionsorten verglich,
zeigte sich für die Dauer von 56 Tagen die höchste Offenheitsrate für
45
Aktuelles aus der Dialyse
die getunnelten Katheter in der Vena jugularis, während die ungetunnelten Katheter in der V. subclavia
die niedrigste Infektionsrate aufwiesen (Weijmer MC, Nephrol Dial
Transplant 2004; 19:670-677).
Letztere sollten jedoch wegen der
erhöhten Gefahr einer venösen Stenose nicht mehr verwendet werden
(MacRae JM, ASAIO J 2005; 51:7781). Ein getunnelter Katheter sollte
immer dann gewählt werden, wenn
der Dialysezugang erwartungsgemäß mehr als 14 Tage gebraucht
wird.
Richtlinie 10.4
Nicht-getunnelte Katheter sollten nur in
Akutsituationen benutzt werden oder
wenn die voraussichtliche Liegedauer weniger als 2 Wochen beträgt. In allen anderen Fällen sollen getunnelte Katheter
bevorzugt werden (Evidenz III).
Trotz der oben genannten Argumente für eine primäre Shuntanlage kann durch besondere klinische
Situationen die Implantation eines
zentralen Venenkatheters als chronischer Dialysezugang zwingend
notwendig werden. Hierzu zählen
das „nicht korrigierbare Steal-Syndrom“ nach Shuntanlage, die Herzinsuffizienz NYHA III-IV sowie
fehlende peripher-venöse Zugangsmöglichkeiten, die eine Shuntanlage unmöglich machen.
Die Versorgung und Pflege des Katheters unter aseptischen Bedingungen ist essentiell für die Haltbarkeit und langfristige Flussrate
des zentralvenösen Zugangs. Portsysteme (Dialock, LifeSite) bieten
zwar kosmetisch bessere Ergebnisse, ohne jedoch die Infektionsgefahr
wesentlich zu senken.
46
RICHTLINIE 11
Management von Komplikationen zentraler Venenkatheter
Richtlinie 11.1
Eine Katheter-Dysfunktion sollte durch
lokale Fibrinolyse therapiert werden, um
einen ausreichenden Fluss wieder herzustellen. Rezidivierende Katheter-Dysfunktionen erfordern lokale Lyse mit
zusätzlicher Bildgebung des Katheters,
mikrobiologischer Untersuchung und
Evaluation der systemischen Gerinnung.
Eine Katheter-Dysfunktion ist häufig und führt durch die Reduktion
des Blutflusses zu einer verminderten Dialysedosis. Komplette Obstruktionen, die eine Dialyse unmöglich machen, sind von inkompletten Obstruktionen zu unterscheiden. Letztere kommen durch
endoluminale oder externe Fibrinauflagerungen zustande, welche die
Flussverhältnisse auch in den Seitenöffnungen des Katheters entscheidend beeinträchtigen können.
Deshalb ist ein aufmerksames Monitoring mit Registrierung der venösen und arteriellen Druckverhältnisse, sowie der Flussraten erforderlich. Folgendes Lyse-Regime hat
sich im Alltag bewährt: Bei kompletter Obstruktion Infusion von
250.000 i.E. Urokinase in 100 ml
NaCl 0,9% über 30 Minuten; bei inkompletter Obstruktion mit einem
erhaltenen Blutfluss > 100 ml/min
Infusion von 250.000 i.E. Urokinase in 100 ml NaCl 0,9% über 3
Stunden in die venöse Luftfalle
während der laufenden Dialyse
(Twardowski ZJ, Nephrol Dial Transplant 13:2203-2206, 1998).
Durch die Anwendung von LockLösungen (Heparin oder Citrat) soll
die Katheter-Dysfunktion verhindert werden. In einer randomisierten Studie mit 291 Patienten wurde
30%iges Citrat mit Heparin als
Lock-Lösung für 98 getunnelte und
193 ungetunnelte Katheter verglichen. Die Studie musste vorzeitig
abgebrochen werden, da in der Heparin-Gruppe die Katheter-assoziierten Infektionen mit 4,1 Ereignissen pro 1000 Kathetertage im Vergleich zur Citrat-Gruppe (1,1 pro
1000 Kathetertage) signifikant häufiger waren. Die Katheter-Verschlussrate war jedoch in beiden
Gruppen gleich (Weijmer M, J Am
Soc Nephrol 16:2769-2777, 2005). In einer kürzlichen Meta-Analyse wurden sieben Studien ausgewertet, die
in einem randomisierten Design verschiedene Antibiotika-haltige Locklösungen mit Heparin hinsichtlich
der Katheterinfektionsrate untersucht hatten. Das Risiko für eine
Katheterinfektion wurde durch die
Antibiotikalösungen 7,7-fach reduziert. Allerdings lag das längste Follow-up dieser Studien bei 12 Monaten, so dass zu einer eventuellen
Resistenzentwicklung nach dieser
Zeit nichts bekannt ist (Jaffer Y, Am
J Kidney Dis 2008; 51:233-241). Gegen
die Verwendung von Antibiotikahaltigen Locklösungen spricht die systemische Wirksamkeit von Aminoglykosiden mit eventueller Ototoxizität, die mögliche Resistenzentwicklung und eventuelle Förderung eines Biofilms. Zudem fehlen
bisher randomisierte Studien, die
Citrat-haltige Locklösungen mit Antibiotika-haltigen Lösungen hinsichtlich der Infektions- und Offenheitsrate von zentralen Kathetern
vergleichen.
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Dialyse
Bei rezidivierender Katheterobstruktion sollte die systemische Antikoagulation der Patienten z. B. mit
Marcumar“ erwogen werden, wenn
auch die wenigen randomisierten
Studien zu dieser Thematik unterschiedliche Ergebnisse zeigen. In einem kürzlichen Review aller Studien, die Warfarin zur Prophylaxe der
Katheterobstruktion untersucht hatten, kamen die Autoren zu dem
Schluss, dass mit einem INR von
1,5-2,5 die Thromboserate von Dialyseverweilkathetern reduziert werden kann, ohne dass sich das Blutungsrisiko signifikant erhöht
(Willms L, Semin Dial 21:71-77, 2008).
RICHTLINIE 12
Management des infizierten Gefäßzugangs
Richtlinie 12.5
Die Entfernung des Katheters muss erwogen werden, wenn eine Infektion verdächtigt wird. Ist die Infektion von ungetunnelten Kathetern sicher diagnostiziert,
müssen diese sofort entfernt werden (Evidenz III).
Richtlinie 12.6
Bei getunnelten Kathetern können eine
kurze fiebrige Phase oder bakteriämische
Reaktion die verzögerte Entfernung des
Katheters rechtfertigen (Evidenz III).
Im Fall einer Sepsis muss der getunnelte Katheter sofort entfernt werden.
Katheter-assoziierte Infektionen sind
ganz wesentlich für die erhöhte
Morbidität von Hämodialysepatienten verantwortlich. In einer prospektiven multizentrischen Studie
mit 988 Patienten erhöhte sich das
Risiko für eine Bakteriämie durch
das Vorhandensein eines zentralen
NEPHRO - NEWS
Venenkatheters um das 7,6 fache im
Vergleich zur AV-Fistel als Dialysezugang (Hoen B, J Am Soc Nephrol
9:869-876, 1998). Intermittierendes
Fieber, bakteriämische Episoden,
Schmerzen oder Entzündungszeichen an der Katheteraustrittsstelle
sind typische Zeichen einer Katheterinfektion. Zur sicheren Diagnostik sollten immer zwei Blutkulturen
aus dem Katheterlumen und aus der
peripheren Vene entnommen werden. In 2/3 der Fälle sind gram positive Keime, wie Staph. aureus oder
S. epidermidis für die Infektion verantwortlich. Als primäre Antibiose
sollten Cephalosporine, Piperacillin
oder Chinolone zum Einsatz kommen, die für eine Mindestdauer von
14 Tagen appliziert werden, um eine sichere Keimelimination zu gewährleisten. Im Fall von Septikämien sollte der Katheter in jedem
Fall sofort und umgehend entfernt
werden. Nach einer kürzlichen Meta-Analyse kann durch die Applikation von lokalen Antibiotika die
Rate an Exit-Site-Infektionen und
Bakteriämien signifikant gesenkt
werden (James MT, Ann Intern Med
148:596-605, 2008). Allerdings hatten
die meisten der 16 ausgewerteten
Studien eine Beobachtungszeit unter
sechs Monaten. Aufgrund einer
möglichen langfristigen Resistenzentwicklung und Sensibilisierungsrate kann die lokale Antibiotika-Anwendung zurzeit noch nicht empfohlen werden.
Es muss betont werden, dass durch
Einführung sehr einfacher Verhaltensregeln die Infektionsrate von
zentralvenösen Kathetern signifikant gesenkt werden kann, wie
kürzlich eine Studie mit 108 Inten-
sivstationen in den USA gezeigt hat
(Pronovost P, N Engl J Med 355:27252732, 2006). Hier reduzierte sich die
Infektionsrate über einen Zeitraum
von 18 Monaten von anfangs 7,7/
1000 Kathetertage auf 1,4/1000 Kathetertage.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der zentral-venöse Verweilkatheter die Ausnahme als Gefäßzugang des Dialysepatienten
bleiben muss. Insbesondere nach Überwindung der Akutphase des dialysepflichtigen Nierenversagens sollten die Gefäßverhältnisse und die
Gesamtsituation der Patienten immer wieder bezüglich der Anlage einer AV-Fistel überprüft werden. Die
kontinuierliche Schulung des Personals ist die beste Infektionsprophylaxe und trägt erheblich zur
Morbiditätssenkung dieser Dialysepatienten bei.
Prof. Dr. Bernd Krumme
Deutsche Klinik für Diagnostik
Fachbereich Nephrologie
Wiesbaden
Prof. Dr. Ralf Schindler
Universitätsklinikum Charité
Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie
und Intensivmedizin
Campus Virchow-Klinikum, Berlin
47
Aktuelles vom Renin-Angiotensin-System (RAS)
Renin - ein Dauerbrenner der Forschung
Renin als der Motor des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS)
wurde vor genau 100 Jahren erstmals von Tigersted und Bergman beschrieben. Das „klassische“ RAAS
umfasst die proteolytische Abspaltung von Angiotensin I aus Angiotensinogen durch Renin, und die folgende proteolytische Verkürzung von
Angiotensin I zu Angiotensin II durch
das Angiotensin-I-Conversionsenzym
(ACE).
Das Oktapeptid Angiotensin II
(ANG 1-8), der eigentliche biologische Effektor des Systems, wirkt
über spezifische Zelloberflächenrezeptoren in verschiedenen Organen
(Abb. 1), einschließlich der Nebennierenrinde, wo ANGII die Bildung
von Aldosteron stimuliert. Da spielt
das RAAS eine zentrale Rolle bei der
Regulation des Salz-Wasserhaushaltes und des Blutdruckes. Unangepasste Überaktivierung des RAAS,
sei es systemisch oder ganz lokal in
einzelnen Organen, kann daher zu
Volumenretention und Bluthochdruck führen und zu inflammatorischer Gefäßhypertrophie und wesentlich zu Organfibrosen beitragen.
Deshalb ist die pharmakologische
Hemmung des RAAS durch Hemmstoffe des ACE oder durch Blockade der Angiotensin-II-Rezeptoren zu
einem wichtigen und erfolgreichen
therapeutischen Ansatzpunkt bei systemischen Erkrankungen geworden.
Trotz all dieses beträchtlichen Wissens um die Physiologie, Pathophysiologie und Klinik des RAAS, ergeben sich in der aktuellen Forschung
immer wieder neue und überraschende Erkenntnisse, die teilweise erst
48
Abb. 1: Schematische Übersicht über die Komponenten des Renin-Angiotensin-Systemes
Abk.: ANG0, Angiotensinogen; ANG I, Angiotensin I; ANG II, Angiotensin II; ACE,
Angiotensin I- Conversionsenzym; AT1, ANG II- Rezeptor Typ 1; AT2, ANG-II-Rezeptor
Typ 2; PRR, Prorenin-Rezeptor; Mas-R, Mas-Rezeptor;
noch in unser Verständnisgebäude
des RAAS eingebaut werden müssen.
Reninfreisetzung:
Eine Frage der Kommunikation?
Während die physiologische Regulation der Reninfreisetzung aus der
Niere durch die Sympathikusaktivität, durch den Blutdruck, durch
den Kochsalzhaushalt und durch Angiotensin II heute schon zum Lehrbuchwissen gehören, sind die zellulär
molekularen Abläufe, welche die Reninfreisetzung aus den juxtaglomerulären (JG) Zellen in der Wand der
afferenten Arteriolen steuern, weit
weniger geklärt. Eine Reihe von Befunden sprechen dafür, dass die Reninfreisetzung aus den JG-Zellen
ganz entscheidend durch parakrine
Signale (z. B. NO, Prostaglandine,
ATP etc.) von Zellen aus der Nachbarschaft wie den Endothelzellen
oder Macula-Densa-Zellen am Übergang vom dicken Teil der aufsteigenden Henle-Schleife und dem distalen Konvolut moduliert werden.
Ganz neu ist nun die Beobachtung,
dass offensichtlich die direkte Zellzu-Zellinformation über gap junctions das Verhalten der JG-Zellen
ganz entscheidend beeinflusst. Gap
junctions sind großlumige Kanäle,
welche die Membranen zweier benachbarter Zellen kurzschließen und
neben Ionen auch noch klassische
Signalmoleküle wie zyklisches AMP,
zyklisches GMP, Inositol-3-Phosphat,
etc. passieren lassen und so einen Informationsaustausch ermöglichen.
NEPHRO - NEWS
Aktuelles vom Renin-Angiotensin-System (RAS)
Gap junctions sind aus Connexinproteinen aufgebaut, wovon man beim
Menschen 20 verschiedene kennt.
Das Hauptconnexin der JG-Zellen
wie auch der benachbarten Mesangiumszellen ist Connexin 40 (Wagner
C, Kidney Int 73:547-555, 2008). Genetische Ausschaltung von Connexin
40 in Mäusen führt zum Verlust von
Gap junctions in JG-Zellen und hebt
dabei die physiologische Kontrolle
der Reninsekretion auf. Die Mäuse
sind daher stark hyperreninämisch
und hypertensiv (Wagner C, Circ Res
100:556-563, 2007; Krattinger N, Kidney
Int 72:814-822, 2007). Der Verlust von
Connexin 40 führt auch dazu, dass
die JG-Zellen ihre normale Position
in der Wand afferenter Arteriolen
nicht mehr finden, sondern sich „orientierungslos“ im periglomerulären
Interstitium ausbreiten (Kurtz L,. J
Am Soc Nephrol 18: 1103-1111, 2007)
(Abb. 2). Die molekularen Mechanismen aufzuklären, über welche
Gap junctions die Funktion von JGZellen steuern, wird eine spannende
Frage für die Grundlagenforschung
sein. Aus klinischer Sicht wird von
Bedeutung sein, herauszufinden, inwieweit Mutationen im Connexin-40Gen prädisponierend für Bluthochdruckerkrankungen sein könnten.
Ein erster indirekter Hinweis hierfür
liegt bereits vor (Firouzi M, J Hypertens 24:325-330, 2006).
Nicht nur ein Enzym:
Renin als Ligand des
Prorenin/Renin-Rezeptors
Klassischerweise besteht die biologische Funktion der Protease Renin in
ihrer enzymatischen Aktivität und
damit in der Generierung des Dekapeptids Angiotensin I. Überraschenderweise findet man aber im Plasma
NEPHRO - NEWS
Abb. 2: Immunhistochemische Darstellung von Glattmuskel-Aktin (grün), welches die Arteriolen
markiert, und Renin (rot) in der Nierenrinde einer Connexin 40 defizienten Maus. Man beachte
die starke und aberrante Ausbildung atypischer reninbildender Zellen
des Menschen hohe Konzentrationen
enzymatisch nicht aktiven Prorenins.
Welche Funktion hat nun Prorenin
in der Zirkulation? Wird es lokal in
aktives Renin überführt oder hat es
eine gänzlich andere Funktion, etwa
die Aktivierung eines Rezeptors? Die
Existenz eines Prorenin/Renin-Rezeptors wurde erstmals auf Grund
folgender Beobachtung postuliert:
Kultivierte Mesangialzellen waren in
der Lage, Renin zu binden und nach
Bindung von Renin mit vermehrter
Expression von Transforming Growth
Faktor-1 (TGFβ1) zu reagieren; dieser Effekt war unabhängig von der en-
zymatischen Aktivität des Renins und
ließ daher die Existenz eines spezifischen Rezeptors vermuten (Nguyen
G, Kidney Int 50:1897-1903, 1996). Später wurde dann ein Rezeptor kloniert,
der gleichermaßen Renin und Prorenin bindet (Nguyen G, J Clin Invest
109:1417-1427, 2002). Dieser Prorenin/Renin-Rezeptor ist ein 45-kDaProtein, das die Zellmembran mit einer einzelnen Transmembrandomäne durchspannt und von dem keine
signifikante Homologie mit anderen
bekannten Rezeptoren ist. Mittlerweile weiß man, dass das Proreninrezeptor-Protein mit einem Protein
49
Aktuelles vom Renin-Angiotensin-System (RAS)
im endoplasmatischen Retikulum
(CAPER) homolog ist. Entsprechend
findet man das Protein bei Zellfraktionierungen zum überwiegenden
Teil im Intrazellulärraum. Es wird
stark im Nervensystem auch beim
Zebrafisch exprimiert. Dies erklärt
wahrscheinlich auch die frühembryonale Letalität von Prorenin-Rezeptor-knockout-Mäusen.
Eine Bindung von Renin an den Prorenin/Renin-Rezeptor führt zu einer
Verfünffachung der enzymatischen
Aktivität und könnte somit zu einer
lokalen Reninaktivität führen, die erheblich über der des systemischen
Reninsystems liegt. Während freies
Prorenin praktisch keine enzymatische Aktivität aufweist, führt die Bindung von Prorenin an den Prorenin/Renin-Rezeptor zu einer Prorenin-Aktivierung. Die Aktivität des
gebundenen Prorenins entspricht
dann in etwa der des freien Renins.
Dabei induziert die Bindung an den
Rezeptor offenbar eine Konformationsänderung des Prorenins, die zu
einer Freilegung des normalerweise
für das Substrat nicht zugänglichen
aktiven Zentrums des Enzyms führt.
Neben einer Steigerung bzw. Initiierung der Renin- bzw. Proreninaktivität führt die Bindung von Renin an
seinen Rezeptor - unabhängig von
enzymatischer Aktivität - zur Aktivierung des ERK-Signaltransduktionswegs, und könnte somit eine lokale profibrotische Wirkung ausüben. Welche klinische Relevanz hat
nun eine Aktivierung des Prorenin/
Renin-Rezeptors? Um diese Frage
zu klären, wurde ein Peptidanalogon
entwickelt, das im Tiermodell eine
Bindung von endogenem Renin/Prorenin an seinen Rezeptor hemmt. In
ersten Versuchsreihen konnte gezeigt
50
werden, dass der Prorenin/Renin-Rezeptor-Antagonist die Progression einer myokardialen Fibrosierung im
Tiermodell verlangsamt; einen ähnlich positiven Effekt hatte der Prorenin/Renin-Rezeptor-Antagonist
auch für den Verlauf der Glomerulosklerose in einem Modell der diabetischen Nephropathie (Ichihara A,
J Clin Invest 114:1128-1135, 2004; Ichihara A, J Am Soc Nephrol 17:1950-1961,
2006). Diese vielversprechenden Ergebnisse konnten leider nicht uneingeschränkt bestätigt werden, so dass
das therapeutische Potential einer
Prorenin/Renin-Rezeptor-Blockade
derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann (Susic D, Hypertension 48:13, 2006; Luft FC, J Am Soc
Nephrol 18:1989-1992, 2007).
Angiotensin-Rezeptoren:
AT2 als Gegenspieler von AT1
Zwei Angiotensin II-Rezeptortypen
sind derzeit bekannt, AT1 und AT2.
Abweichend von der AT1-Signalkaskade scheint der entscheidende
Signalweg des AT2-Rezeptors über
die Aktivierung einer Tyrosinphosphatase zu laufen. Während die klassischen Effekte des Angiotensin-IIüber den AT1-Rezeptor vermittelt
werden und mit Substanzen aus der
Gruppe der Sartane blockiert werden können, ist die Funktion des AT2Rezeptors weit weniger klar. Da die
Expression des AT2-Rezeptors in
verschiedenen Organen in der Embryonalphase hoch ist und nach der
Geburt abnimmt, ist eine Funktion
in der Organentwicklung, z.B. des
Urogenitalsystems oder des Nervensystems, postuliert worden. So zeigen AT2-defiziente Mäuse ähnliche
renale Malformationen (z.B. multizystische Nierendysplasien, Harn-
leiterabgangsstenosen) wie sie bei Patienten mit Mutationen im AT2-Gen
beschrieben wurden (Nishimura H,
Mol Cell 3:1-10, 1999).
Im adulten Organismus schwächt der
AT2-Rezeptor offenbar Effekte von
Angiotensin II ab, die durch den AT1Rezeptor vermittelt werden, wirkt also proapoptotisch, antiangiogen, sowie migrations- und kontraktionshemmend. Am besten untersucht ist
in diesem Zusammenhang der Effekt
von Angiotensin II auf den Tonus der
glatten Gefäßmuskulatur. So antagonisiert der AT2-Rezeptor teilweise
den durch AT1 vermittelten vasokonstriktorischen Effekt von Angiotensin II; entsprechend sind AT2-defiziente Mäuse im Gegensatz zu AT1defizienten Mäusen hypertensiv.
Über welche Mechanismen der AT2Rezeptor die Wirkung des AT1-Rezeptors verringert, ist nicht vollständig verstanden, aber die Bildung von
AT1/AT2-Heterodimeren, die zu einer Abschwächung der AngiotensinII-Wirkung auf AT1-Rezeptoren
führt, könnte eine wesentliche Rolle
spielen (AbdAlla S, J Biol Chem 276:3
9721-39726, 2001). Des Weiteren vermitteln endothelständige AT2-Rezeptoren einen vasodilatierenden Effekt, der über eine Induktion der
NO-Synthese vermittelt wird (Carey
RM, Hypertension 38:1272-1277, 2001).
Vielfalt der Angiotensine:
ACE-2 generiert Ang1-7
Angiotensin-I (Ang1-10) und Angiotensin-II (Ang1-8) gelten als die
klassischen Zwischen- und Endprodukte des RAS. Neben diesen Angiotensin-Typen wurden aber weitere Varianten beschrieben, die C-terminal um jeweils eine Aminosäure
verkürzt sind, also Ang1-9 und Ang1NEPHRO - NEWS
Aktuelles vom Renin-Angiotensin-System (RAS)
7. Die C-terminale Verkürzung von
Ang1-10 und Ang1-8 wird durch ein
zweites vor einigen Jahren entdecktes Angiotensin-Conversionsenzym,
dem ACE-2 katalysiert (Donoghue M,
Circ Res 87:E1-E9, 2000). Ähnlich wie
das klassische ACE ist auch ACE-2
ein membranständiges Enzym, wobei das aktive Zentrum im extrazellulären Bereich liegt, so dass zirkulierende Peptide hydrolysiert werden
können. Obwohl sowohl Angiotensin-I als auch Angiotensin-II Substrate für ACE-2 darstellen, katalysiert ACE-2 die Hydrolyse von Angiotensin II etwa 100-fach effizienter
als die von Angiotensin I. ACE-2
wird nahezu ubiquitär exprimiert
und antagonisiert die Wirkung des
klassischen ACE, indem es zum einen Angiotensin II (Ang1-8) abbaut
und zum anderen mit Ang1-7 einen
Gegenspieler des Ang1-8 generiert.
Ang1-7 bindet nämlich an einen vor
kurzem entdeckten G-Protein-gekoppelten Rezeptor, das MAS-Protoonkogen (Santos RA, Proc Natl Acad
Sci USA 100:8258-8263, 2003). Eine
Aktivierung von MAS resultiert in
einer Endothel-abhängigen Vasodilatation, die durch eine vermehrte Generierung von NO und vasodilatorischen Prostaglandinen vermittelt wird.
Des Weiteren vermittelt MAS antifibrotische, anti-proliferative und anti-hypertrophe Effekte, etwa durch
Hemmung des von Ang1-8 über AT1Rezeptoren angesteuerten ERK-Signaltransduktionswegs. An der Evaluation möglicherweise therapeutisch
nutzbarer MAS-Agonisten wird derzeit intensiv gearbeitet. So zeigte der
nicht-peptidische MAS-Agonist AVE0991 im Tierversuch eine kardioprotektive Wirkung während chronischer Angiotensin-II-Infusion (SanNEPHRO - NEWS
tos RA, Curr Opin Nephrol Hypertens
16:122-128, 2007). Unabhängig von
seiner Bedeutung für das RAS hat
ACE-2 noch in einem ganz anderen
Zusammenhang klinische Relevanz
erlangt. Das membranständige ACE2 wurde nämlich als essentieller Rezeptor für das Andocken verschiedener Coronaviren an ihre Wirtszellen
identifiziert, u. a. für das Coronavirus SARS-CoV, dem Erreger von
SARS (severe acute respiratory syndrome)
(Li F, Nature 426:450-454, 2003). Das
therapeutische Potential von löslichen ACE-2-Fragmenten oder antiACE-2-Antikörpern zur Blockade einer SARS-CoV-Infektion wird derzeit intensiv beforscht.
Direkte Reninhemmung als
therapeutisches Prinzip
Substanzen zur Hemmung des RAS
sind mittlerweile aus dem klinischen
Alltag nicht mehr wegzudenken.
Während zunächst auf Inhibition des
ACE abgezielt wurde, wurden später auch Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten eingeführt. Mit Aliskiren
(USA: Tekturna, sonst weltweit: Rasilez;
Hersteller Novartis) wurde 2007 der
erste direkte Renininhibitor zur Hypertoniebehandlung in den USA und
anschließend in der EU zugelassen.
Die orale Bioverfügbarkeit von Aliskiren ist gering (etwa 2-3%) und
wird durch gleichzeitige Aufnahme
fettreicher Nahrung weiter vermindert. Aufgrund der langen Halbwertszeit (t1/2 = 40 h) ist eine einmalige tägliche Einnahme ausreichend; bei einer täglichen Dosis von
150 mg stellen sich nach etwa 7 Tagen konstante Plasmaspiegel ein, so
dass ein Blutdruckanstieg 24 Stunden nach Aliskireneinnahme nicht zu
erwarten ist. Die blutdrucksenken-
de Wirkung von Aliskiren ist vergleichbar mit der von ACE-Hemmern und AT1-Blockern. Wie Aliskiren im Vergleich zu ACE-Hemmern und AT1-Blockern hinsichtlich
einer zu erwartenden anti-fibrotischen und anti-proliferativen Wirkung
abschneidet, ist derzeit noch unklar.
Wegen der reduzierten FeedbackWirkung auf die Reninsekretion ist
eine Blockade des RAS ganz allgemein mit einem Anstieg der zirkulierenden Reninkonzentration verbunden, die die Wirksamkeit von z. B.
ACE-Hemmern unterläuft, da mit
zunehmender Angiotensin-I-Bildung
alternative Wege zur Generierung
von Angiotensin II an Bedeutung gewinnen („ACEI escape Phänomen“).
Dieses Problem besteht bei einem direkten Renininhibitor nicht, was einen systematischen Vorteil von Aliskiren gegenüber ACE-Hemmern und
AT1-Blockern darstellen könnte. Auch
wenn Aliskiren die Plasmareninaktivität hemmt, so resultiert diese RASBlockade dennoch in einer Stimulation der Reninsekretion und führt damit zu höheren Konzentrationen an
Renin (und auch an Prorenin) in der
Zirkulation, wodurch es zu einer vermehrten Aktivierung des Prorenin/Renin-Rezeptors kommen dürfte. Die Hoffnung, Aliskiren könne
auch die Rezeptorbindung von Prorenin/Renin antagonisieren und damit die durch den Rezeptor vermittelten nicht-enzymatischen Effekte
von Prorenin/Renin reduzieren, hat
sich allerdings nicht bestätigt (Schefe JH, J Hypertens 26:1787-1794, 2008).
Prof. Dr. Hayo Castrop
Prof. Dr. Armin Kurtz
Physiologisches Institut
Universität Regensburg
51
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
Purinerge Signalübertragung und
tubuloglomerulärer Feedback
Im Bereich des juxtaglomerulären
Apparats (JGA) nimmt die aus dem
Nierenmark aufsteigende Pars recta
des distalen Tubulus unmittelbaren
Kontakt zu ihrem Ursprungsglomerulus auf. Hier finden sich in der
Kontaktregion zwischen Tubulus und
dem anliegenden extraglomerulären
Mesangium spezialisierte Tubuluszellen, die sogenannten Macula densa-Zellen. Die enge anatomische Kopplung zwischen Pars recta des distalen
Tubulus und Glomerulus ist nicht nur
eine anatomische Auffälligkeit, sondern auch von funktioneller Relevanz. So modulieren die tubulären
Macula-densa-Zellen den Tonus der
afferenten Arteriole und damit der
Filtration des betreffenden Nephrons. Im Gegensatz zu multiplen systemischen Faktoren, die die GFR
regulieren, handelt es sich hier um
ein Kontrollsystem, das auf Ebene
des einzelnen Nephrons zum Tragen
kommt. So resultiert ein Anstieg der
tubulären Salzkonzentration an den
Macula-densa-Zellen in einer Konstriktion der afferenten Arteriole und
damit in einer Abnahme der GFR
des betreffenden Nephrons. Diese tubuläre Modulation des Tonus der afferenten Arteriole, die gemeinhin als
tubuloglomerulärer Feedback (TGF)
bezeichnet wird (Thurau K, Klin Wochenschr 43:410-413, 1965), verhindert
somit, dass es zu einer inadäquaten
Salzbeladung weiter distal gelegener
Abschnitte des Nephrons kommt, die
über eine vergleichsweise geringe reabsorptive Kapazität verfügen. Der
TGF dient somit letztlich der Stabilisierung der Salzausscheidung, in
dem er stromabwärts der Macula
NEPHRO - NEWS
densa gelegene Nephronabschnitte
gegen den Einfluss von Änderungen im
Filtrat und gegen Schwankungen der
proximalen Resorption abschirmt.
Des Weiteren kontrollieren Maculadensa-Zellen die Reninsekretion der
granulierten Zellen der afferenten
Arteriole. Wie in einer eleganten in
vitro Studie anhand des isoliert perfundierten JGA gezeigt werden
konnte, führt eine Zunahme der Salzkonzentration an der Macula densa
zu einer Suppression, eine Abnahme
dagegen zu einer Stimulation der Reninsekretion (Skott O, Science 237:16181620, 1987).
Adenosin: Effektor der tubulärvaskulären Kommunikation
Die Bedeutung des TGF für die
Kontrolle der GFR führte zu einer
intensiven Beforschung der Mechanismen, die der Signalübertragung
zwischen Tubulus und den renalen
Widerstandsgefäßen zugrunde liegen. Hinweise für die Bedeutung purinerger Signalmoleküle in diesem
Feedbacksystem gab es früh. Schon
1977 konnten Schnermann und Kollegen anhand von Mikropunktionsexperimenten zeigen, dass unspezifische Adenosinrezeptorantagonisten
wie Theophyllin die TGF-Antwort
deutlich vermindern (Schnermann J,
Pflugers Arch 369:39-48, 1977). Mit der
Verfügbarkeit spezifischerer Antagonisten der einzelnen Adenosinrezeptorsubtypen kristallisierte sich
heraus, dass vasokonstriktorische A1Adenosinrezeptoren (A1AR) bei der
Signalübertragung im Rahmen der
TGF-Antwort entscheidend sind.
Diese Befunde wurden auch durch
Studien an A1AR-defizienten Mausstämmen bestätigt. Zwei voneinander unabhängige A1AR-defiziente
Mausstämme wurden generiert und
übereinstimmend fehlte bei beiden
die TGF-Antwort vollständig (Sun D,
Proc Natl Acad Sci USA 98:9983-9988,
2001; Brown R, Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol 281:1362-1367, 2001);
A1AR und die Präsenz von Adenosin im JGA sind daher offensichtlich
unabdingbare Komponenten der Signalübertragung zwischen Tubulus
und afferenter Arteriole. Ist Adenosin nun tatsächlich der Mediator des
TGF oder nur ein notwendiger Cofaktor? Diese Frage konnte in einer
eleganten Studie, in der die renale
Adenosin-Konzentration mit Hilfe einer „Adenosinklemme“ konstant gehalten wurde, geklärt werden. Eine
normale TGF-Antwort konnte nur
dann ausgelöst werden kann, wenn
die Adenosinkonzentration im JGA
fluktuieren konnte, nicht aber unter
Bedingungen konstant gehaltener
Adenosinkonzentration – mit anderen Worten, Adenosin ist offenbar
ein Mediator und nicht ein notwendiger Cofaktor der Signalübermittlung zwischen Macula-densa-Zellen
und afferenter Arteriole (Thomson S,
J Clin Invest 106:289-298, 2000).
Die Aktivierung von A1-Adenosinrezeptoren ist also der letzte Schritt
in der Signalübertragung zwischen
tubulären Macula-densa-Zellen und
glatten Gefäßmuskelzellen der afferenten Arteriole. Damit stellte sich
folgende Frage: Wo und wie wird
Adenosin im JGA in Abhängigkeit
von der tubulären Salzkonzentration generiert?
53
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
Macula densa Zellen entlassen
ATP in Abhängigkeit von der
tubulären NaCl-Konzentration
Da Macula-densa-Zellen als Sensoren der tubulären Salzkonzentration
dienen, wäre eine Freisetzung von
Adenosin durch diese Zellen bei Erhöhung der Salzkonzentration im Tubuluslumen denkbar; experimentelle Evidenz für diesen „direkten“
Kommunikationsweg zwischen Tubulus und afferenter Arteriole existiert jedoch bislang nicht.
Ein wesentlicher Schritt bei der
Klärung der Frage nach der Quelle
des Adenosins waren die Befunde
von Bell und Kollegen, die in eleganten in vitro Studien mit Hilfe von
Sensorzellen zeigen konnten, dass
Macula-densa-Zellen in Antwort auf
eine Erhöhung der tubulären Salzkonzentration ATP über ihre basolaterale Membran entlassen, nicht aber
Adenosin (Bell PD, Proc Natl Acad Sci
USA 100:4322-4327, 2003). Dieser Effekt war spezifisch für die Macula
densa und wurde nicht bei benachbarten tubulären Zellen beobachtet.
Die Freisetzung von ATP war in Anwesenheit des Schleifendiuretikums
Furosemid erheblich vermindert, in
Übereinstimmung mit der Annahme,
dass Macula-densa-Zellen die tubuläre Salzkonzentration über Na+/
K+/2Cl- Cotransporter(NKCC2)-abhängigen NaCl-Transport detektieren.
Extrazelluläre ATP-Degradation
im JGA resultiert in der Bildung
von Adenosin
Der Befund einer regulierten Freisetzung von ATP durch Macula-densa-Zellen führte zu der nahe liegenden Hypothese, dass es sich bei dem
Mediator des TGF doch eher um
ATP als um Adenosin handeln könn54
Abb. 1: Purinerge Signalübertragung im JGA. Ein Anstieg der tubulären NaCl-Konzentration
im TAL führt zu einer regulierten Freisetzung von ATP durch Macula-densa-Zellen. ATP wird im
Bereich des JGA in einer extrazellulären Kaskade schrittweise dephosphoryliert. Das so gebildete
Adenosin aktiviert A1-Adenosinrezeptoren und führt zu einer Konstriktion der afferenten Arteriole
und zu einer Suppression der Reninsekretion.
te. Diese Hypothese (aus der sich eine gewisse Kontroverse bezüglich der
Frage nach Adenosin oder ATP als
Mediator des TGF entwickelte) erschien attraktiv, da zum einen vasokonstriktorische P2X1-ATP-Rezeptoren auf glatten Gefäßmuskelzellen
der afferenten Arteriole nachgewiesen wurden und zum anderen ATP
an der renalen Autoregulation beteiligt ist (Inscho EW, J Clin Invest 112:
1895-1905, 2003). Da die Autoregulation der renalen Durchblutung jedoch
gemeinsam von tubulären (=TGF)
und myogenen (=Bayliss Effekt)
Komponenten vermittelt wird, blieb
unklar, ob eine ATP-anhängige Aktivierung von P2X-Rezeptoren speziell
beim TGF eine entscheidende Rolle
spielt. Spezifische Untersuchungen
des TGF unter pharmakologischer
Blockade von P2X-Rezeptoren ließen
jedoch eine direkte Rolle von ATPRezeptoren bei der Vermittlung des
TGF unwahrscheinlich erscheinen
(Huang DY, Am J Physiol Renal Physiol 291:282-288, 2006; Ren Y, Kidney Int
66:1479-1485, 2004).
Wie lassen sich nun eine regulierte
Freisetzung von ATP durch Maculadensa-Zellen und eine durch Adenosin vermittelte Vasokonstriktion in
eine schlüssige Signalkette integrieren? Nach derzeitigem Kenntnisstand wird von Macula-densa-Zellen
freigesetztes ATP im Extrazellulärraum des JGA schrittweise dephosphoryliert, so dass letztendlich der
Vasokonstriktor Adenosin entsteht.
Entsprechende Enzyme wie NTPDase1/CD39 (katalysiert die Dephosphorylierung von ATP und ADP)
sowie Ekto-5’-Nukleotidase/CD73
(katalysiert die Dephosphorylierung
von AMP) sind im JGA nachgewiesen worden. Eine entscheidende Rolle der Ekto-5’-Nukleotidase/CD73 für
die Signalübertragung bei der TGFAntwort wurde in verschiedenen Studien belegt, in denen die Ekto-5’-NuNEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
kleotidase/CD73 pharmakologisch
gehemmt wurde, z. B. mittels α,β-dimethyl-ADP (MADP) (Osswald H,
Kidney Int 12Suppl):136-142, 1982; Ren
Y, Kidney Int 66:1479-1485, 2004). Das
Problem der unklaren Spezifität der
Ekto-5’-Nukleotidase/CD73-Antagonisten wurde mit der Generierung
von Ekto-5’-Nukleotidase/CD73-defizienten Mausstämmen umgangen.
In zwei unabhängig voneinander generierten Ekto-5’-Nukleotidase/CD73
Knockout Stämmen wurde der TGF
untersucht und übereinstimmend
wurde eine substantielle Verminderung der TGF-Antworten beschrieben, obwohl die vaskuläre Reaktivität gegenüber exogener Adenosingabe unverändert war (Castrop H, J
Clin Invest 114:634-642, 2004; Huang
DY, Am J Physiol Renal Physiol 291:282288, 2006). Ähnlich wie bei einem
Verlust der Ekto-5’-Nukleotidase/
CD73 ist die TGF-Funktion auch bei
genetischem Verlust des in der Dephosphorylierungskaskade stromaufwärts gelegenen Enzyms NTPDase1/CD39 erheblich eingeschränkt
(Oppermann M, Am J Physiol Renal
Physiol 294:965-970, 2008).
Angesichts der derzeitigen Datenlage, die ganz wesentlich durch die
Verfügbarkeit entsprechender Mausmodelle geprägt wurde, lässt sich somit zusammenfassend folgender Ablauf der Signalübertragung zwischen
Macula-densa-Zellen und der afferenten Arteriole skizzieren: Ein Anstieg der Salzkonzentration im tubulären Lumen im Bereich des JGA
(sei es aufgrund eines Anstiegs der
Filtration des betreffenden Nephrons
oder aufgrund einer verminderten
proximalen Reabsorption) wird mittels NKCC2-abhängiger Transportprozesse von Macula-densa-Zellen
detektiert, die daraufhin ATP über
NEPHRO - NEWS
ihre basolaterale Membran freisetzen. ATP wird anschließend extrazellulär schrittweise zu Adenosin dephosphoryliert, welches letztendlich
durch Aktivierung von A1-Adenosinrezeptoren eine Konstriktion der
afferenten Arteriole und damit eine
Abnahme der GFR des betreffenden
Nephrons induziert.
Adenosin im JGA: Akute
Suppression der Reninsekretion
Bei der Untersuchung der purinergen Signalwege zwischen Tubulus
und afferenter Arteriole lag in den
letzten Jahren der Fokus im Wesentlichen auf der tubulären Kontrolle
des präglomerulären Widerstands,
also dem TGF im engeren Sinne. Wie
bereits erwähnt, kontrollieren Macula-densa-Zellen aber auch die Reninsekretion benachbarter granulierter Zellen im Vas afferens. Somit
könnten prinzipiell die gleichen Mechanismen, die für eine Modulation
des Tonus der afferenten Arteriole
verantwortlich sind, auch die entscheidenden Signale für eine Beeinflussung der Reninsekretion sein.
Diese Annahme erscheint insofern
plausibel, da reninbildende Zellen
A1-Adenosinrezeptoren exprimieren
und die Reninsekretion in vitro durch
Applikation von Adenosin supprimiert werden kann. Um im in vivo
Tierversuch einen Anstieg der tubulären Salzkonzentration experimentell zu erreichen, wurden Mäusen eine i.v. Infusion isotoner Kochsalzlösung verabreicht (Lorenz JN, Am
J Physiol 258: 1328-1335, 1990), und die
Plasmareninkonzentration nach etwa 60 min. bestimmt. Dieses
Manöver führte bei Wildtyp-Mäusen zu einer Suppression der Plasmareninkonzentration um etwa 50%,
die Plasmareninkonzentration von
A1AR-defizienten Mäusen dagegen
blieb unverändert (Kim S et al., Am J
Physiol Renal Physiol 290:1016-1023,
2006) - ein deutlicher Hinweis, dass
die selben Signalwege, die für die
Vermittlung des TGF verantwortlich
sind, auch bei der akuten Suppression der Reninsekretion eine Rolle
spielen, und dass die Macula densa
unter Bedingungen akuter Salzbeladung entscheidend für die Suppression des Reninsystems ist. Im Gegensatz zu einer akuten Suppression
der Reninsekretion, ist die Verminderung der Plasmareninaktivität bei
chronisch erhöhter Salzzufuhr, etwa
durch eine salzreiche Diät, in A1ARdefizienten Mäusen vollständig erhalten (Schweda F, Am J Physiol Renal
Physiol 284: 770-777, 2003). Ganz analoge Befunde gibt es übrigens für einen Mausstamm, dem die für die
Salzdetektion verantwortliche Isoform des NKCC2 fehlt, und bei dem
damit der initiale Schritt der tubulären Kontrolle der Reninsekretion blockiert ist: Auch hier konnte die
Reninsekretion durch akute Salzbeladung nicht gehemmt werden, die
Suppression des Reninsystems nach
mehrtägiger salzreicher Diät dagegen
war erhalten (Opperman M, J Am Soc
Neph- rol 18:440-448, 2007).
Anders als bei akuter Salzbeladung
ist die Bedeutung der Macula densa
für die negative Kontrolle des Reninsystems unter Bedingungen einer
chronischen Erhöhung der Salzzufuhr
offensichtlich gering, bzw. kann
durch andere Kontrollmechanismen
kompensiert werden.
PD Dr. Hayo Castrop
Physiologisches Institut
Universität Regensburg
Regensburg
55
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Aktuelles aus der Nierenphysiologie
„ATP or not to pee”
Purinerge Rezeptoren im Nierenepithel
Purinerge Signale
Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt
sich mit der Aufklärung der prinzipiellen Mechanismen, wie epitheliale Zellen transportieren und wie dieser Transport genau reguliert wird.
Bekanntlich sind z. B. das antidiuretische Hormon, Parathormon oder
Aldosteron Schlüsselhormone für
die Regulation von Transportprozessen mit Angriffspunkten an bestimmten Abschnitten des Nierentubulus. Darüber hinaus spielen auch
intra-renale, lokale Signalsysteme eine wesentliche Rolle in der Regulation von Transportprozessen. Ein besonders prominentes lokales Signalsystem involviert extrazelluläre
Nukleotide (z. B. ATP). Der Forschungsbereich der lokalen, durch
Nukleotide ausgelösten Effekte trägt
den Überbegriff „purinergic signalling“ und hat in den vergangenen
Jahren atemberaubende Fortschritte gemacht.
Der Hauptgrund dafür ist sicherlich,
dass alle Zellen in unserem Körper
Nukleotidrezeptoren exprimieren
und in ihren Funktionen von extrazellulären Nukleotiden beeinflusst
werden können. Der enorme Erfolg
des purinergen Blockers Clopidogrel
(Plavix®) (Antagonist des P2Y12-Rezeptors) in der antikoagulatorischen
Behandlung ist sicher das bekannteste klinische Beispiel für die Bedeutung lokaler Nukleotidsignale (ADP)
im Prozess der Thrombusbildung. In
den vergangenen Jahren wurde deutlich, wie viele grundlegende physiologische Prozesse von lokal freigesetztem ATP gesteuert werden. Nur
um einen Eindruck davon zu geben,
NEPHRO - NEWS
Abb. 1: Tubulärer Fluss stimuliert die lokale Freisetzung von ATP und folgender Aktivierung von
purinergen Rezeptoren im Nierenepithel. Wahrscheinlich ist hierbei das zentrale Zilium (Flusssensor) von auslösender Bedeutung.
konnte gezeigt werden, dass die Migration von neutrophilen Granulozyten in einem chemotaktischen Gradient von purinergen Signalen gesteuert wird (Chen Y, Science 314:
1792-1795, 2006) oder aber, dass nach
Bindung von Geschmacksstoffen aus
der Geschmackepithelzelle ATP freigesetzt wird und diese wiederum eine Vorraussetzung für die Weiterleitung des Sinneseindruckes ist (Huang
YJ, Proc Natl Acad Sci 104:6436-6441,
2007). Generell lässt sich das purinerge Signalsystem vereinfacht so
zusammenfassen: Alle Zellen können
einen kleinen Teil ihres inneren
ATPs freisetzen. Einmal außerhalb
der Zellen, wirkt ATP (und auch andere Nukeotide wie UTP oder ADP)
als Agonist an der großen Familie der
purinergen Rezeptoren (P2). Es gibt
15 verschiedene P2-Rezeptoren, 8 GProtein gekoppelte P2Y-Rezeptoren
und 7 Rezeptor-operierte P2X-Rezeptoren (Abbracchio MP, Pharmacol
Rev 58:281-341, 2006). Wie in jedem
interzellulären Kommunikationssys-
tem wird das Nukleotidsignal durch
Abbau von ATP zu Adenosin beendet. Eine Reihe verschiedener extrazellulärer ATPasen sind dafür zuständig. Besonders wichtig ist auch
die Tatsache, dass aus den Abbauprodukten in Form von Adenosin
wiederum neue Rezeptoragonisten
entstehen, um weitere zelluläre Effekte durch Adenosinrezeptoren auszulösen.
Purinerge Rezeptoren
im Nierenepithel
Purinerge Rezeptoren finden sich
entlang des gesamten Nierentubulus
und sind in aller Regel in der luminalen und in der basolateralen Membran lokalisiert (Leipziger J, Am J Physiol Renal Physiol 284:F419-F432, 2003;
Vallon V, Am J Physiol Renal Physiol
294;F10-F27, 2008). Jedes Tubulussegment hat dabei sein besonderes
Expressionsmuster und fast immer
sind multiple P2-Rezeptoren in einem Zelltyp zu finden. Besonders
häufig läßt sich der P2Y2-Rezeptor
57
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
nachweisen. Experimentelle Stimulation dieser Rezeptoren durch Applikation von ATP in isolierten Zellsystemen oder isoliert perfundierten
Nierentubuli resultieren in der akuten Hemmung der jeweiligen Transportfunktion des Epithels. So konnte unter anderem gezeigt werden,
dass extrazelluläre Nukleotide folgende zentrale Transportphänomene
hemmen:
• den Wassertransport durch Aquaporin-2 im inner-medullären Sammelrohr (Kishore BK, Am J Physiol
269:F863-F869, 1995)
• die Na+-Absorption durch ENaC
im Sammelrohr (Lehrmann H, J Am
Soc Nephrol 13:10-18, 2002)
• die K+-Sekretion durch ROMK im
Sammelrohr (Lu M, J Gen Physiol
116:299-310, 2000) und
• den Harnstofftransport durch UreaTransporter im innermedullären
Sammelrohr.
Diese Befunde zwingen zur Frage,
welche integrative Funktionen sich
hinter diesen Einzeleffekten verbergen könnten. Wegweisend für die
Frage sind Ergebnisse von der P2Y2knock-out-Maus. Diese Maus zeigt
einen erhöhten Blutdruck und eine
erhöhte Urinkonzentrierungsfähigkeit (Rieg T, FASEB J 13:3717-3726,
2007).
In Zusammenhang mit den oben beschriebenen Einzeleffekten scheint
folgende Hypothese einleuchtend:
Purinerge Signale sind tonisch vorhanden und wirken hemmend auf die
renal tubuläre Absorption. In Abwesenheit dieser Signale fehlen diese hemmenden Einflüsse und bewirken somit eine verstärkte Absorption.
Dieses führt folgend zu Volumenexpansion und zum Hypertonus. Viele
experimentelle Anstrengungen sind jedoch jetzt nötig, um diese Hypothe58
se zu prüfen. Eine zentrale Frage in
diesem Zusammenhang ist, woher
das extrazelluläre ATP für die Stimulation der P2-Rezeptoren kommt.
Viele Befunde deuten daraufhin, dass
die Nierenepithelzelle selbst die
Quelle für das ATP ist (Praetorius HA,
Purinergic Signalling 2008, in Druck).
Doch wie kommt das ATP aus der
Zelle heraus und welches könnten
die Mechanismen für diesen Vorgang
sein? Dies ist weitgehend unbekannt.
Wir konnten in diesem Zusammenhang eine bedeutende und eventuell
wegweisende Beobachtung machen.
Fast jede Nierentubuluszelle streckt
ein circa 4 Mikrometer langes zentrales Zilium in das Tubuluslumen
hinein. Bei Urinfluss biegt es sich in
Flussrichtung um. Könnte diese merkwürdige Organelle die Flussrate messen? In der Tat konnte gezeigt werden, dass ein flussinduziertes Umbiegen des sonst senkrecht aus der
Epithelzelle herausragenden Ziliums
in der Zelle zu einem Anstieg des intrazellulären Ca2+ ([Ca2+]i) führt
(Praetorius HA, J Membr Biol 184:7179, 2001; Praetorius HA, J Membr Biol
191:69-76, 2003).
Aber warum steigt das [Ca2+]i als
Reaktion auf einen Flussstimulus an?
Mechanische Stimulation führt dazu, dass viele Zellen eine kleine Menge ihres intrazellulären ATPs nach
außen abgeben (Praetorius HA, Purinergic Signalling 2008, in Druck; Lazarowski ER, Mol Pharmacol 64:785-795,
2003). Das freigesetzte ATP wirkt
dann als parakrines Hormon und stimuliert P2-Rezeptoren (Leipziger J,
Am J Physiol Renal Physiol 284:F419F432, 2003). Aktivierung von P2-Rezeptoren führt in aller Regel zu einer
Erhöhung des [Ca2+]i. Wir vermuten, dass eine Erhöhung des tubulären
Flusses eine ATP-Freisetzung aus-
löst und dadurch über epitheliale P2Rezeptoren einen [Ca2+]i-Anstieg bewirkt. Mit Hilfe der in vitro-Perfusionstechnik konnten wir am intakten
Tubulus zeigen, dass der flussstimulierte [Ca2+]i-Anstieg in Mäusen ohne einen bestimmten P2-Rezeptor
(P2Y2) fast abwesend ist (Jensen ME,
J Am Soc Nephrol 18:2062-2070, 2007).
Auch Wegfangen des extrazellulären
ATPs durch Apyrase hemmt den
Flussrespons fast komplett (Jensen
ME, J Am Soc Nephrol 18:2062-2070,
2007). Diese Daten zeigen, dass flussstimulierte [Ca2+]i-Erhöhungen im
Nierenepithel durch ein parakrines
ATP-Signal ausgelöst werden (Abbildung 1).
Hieraus ergibt sich die folgende Perspektive: In Abhängigkeit von Diurese oder Antidiurese ändert sich die
tubuläre Flussrate. Flussratensteigerungen könnten per se eine Signalfunktion erfüllen. Bei diesem Signal
scheint das auto- und parakrin freigesetzte ATP beteiligt zu sein. Bei erhöhter Volumenbelastung steigt der
tubuläre Fluss und induziert eine purinerge Hemmung der Absorptionsmechanismen, erniedrigt damit die
Konzentrierungskraft der Niere und
erhöht so „bedarfsabhängig“ die Volumenausscheidung. In diesem Sinne könnte das intrarenale purinerge
Signalsystem einen renal-intrinsischen diuretischen Mechanismus
darstellen, welcher nach Notwendingkeit mehr oder weniger aktiviert
werden kann. Deshalb also der Griff
zum Shakespearezitat aus Hamlet:
„To be or not to be“, nur eben etwas abgewandelt für den Nephrologen:
„ATP or not to pee“.
Prof. Dr. Jens Leipziger
Institut für Physiologie und Biophysik
Aarhus Universität
Dänemark
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
Renale Osmolyte
Die Zellen des Nierenmarkes sind extremen Umgebungsbedingungen ausgesetzt: In Antidiurese werden durch
das Gegenstromsystem des Nierenmarkes hohe interstitielle NaCl- und
Harnstoffkonzentrationen als Voraussetzung für die Bildung eines konzentrierten Urins erzeugt (Sone M, Am J
Physiol 1993; 264:F722-F729). Infolgedessen finden sich in Nierenpapillen
interstitielle Osmolaritäten, die beim
Menschen mehr als das Vierfache der
Plasmaosmolarität betragen und bei
vielen Säugetieren noch weit höher sein
können.
Da Harnstoff Zellmembranen in aller
Regel rasch durchdringt, stellen hohe
interstitielle Harnstoffkonzentrationen
keine wesentliche osmoregulatorische
Herausforderung für die Nierenmarkszellen dar. Dies gilt nicht für NaCl, da
die intrazelluläre Konzentration dieser
Ionen durch die Tätigkeit der Na+/K+ATPase auf einem weit niedrigeren Niveau als die extrazelluläre gehalten
wird. Ein weiterer Grund dafür, dass
monovalente anorganische Elektrolyte,
also vor allem Na+, Cl- und K+, nicht
geeignet sind, osmotisches Gleichgewicht mit dem hypertonen Interstitium
herzustellen, besteht darin, dass hohe
intrazelluläre Konzentrationen dieser
Elektrolyte die Zellfunktion erheblich
beeinträchtigen (Somero GN, Handbook
of Physiology. Section 14: Cell Physiology
1997; 441-484). Die Zellen des Nierenmarkes verwenden zur Osmoadaptation stattdessen hauptsächlich kleinmolekulare, organische Substanzen
(„organische Osmolyte“) (Neuhofer W,
Annu Rev Physiol 2005; 67:531-555, Burg
MB, Physiol Rev 2007; 87:1441-1474). Die
quantitativ wichtigsten dieser organischen Osmolyte sind die beiden Trimethylaminverbindungen Glycerophosphorylcholin (GPC) und Betain
sowie die beiden Polyalkohole Sorbitol und myo-Inositol. Diese organischen
Osmolyte sind „metabolisch neutral“,
NEPHRO - NEWS
Abb. 1: Anpassung von Zellen des Nierenmarkes and unterschiedliche extrazelluläre NaCl-Konzentrationen in Antidiurese bzw. Diurese durch Änderung der Aufnahme (1) der Produktion (2),
des Abbaus (3) und der Ausschleusung von organischen Osmolyten (modifiziert nach Beck FX,
Pflügers Arch 1998; 436: 184-827).
d. h., sie haben selbst in hohen Konzentrationen keine gravierenden Auswirkungen auf die Zellfunktion (Somero GN, Handbook of Physiology. Section
14: Cell Physiology 1997; 441-484).
Intrazelluläre Osmolyte in
Diurese und Antidiurese
Unterschiedliche Mechanismen finden
Verwendung, um hohe intrazelluläre
Konzentrationen des jeweiligen organischen Osmolyten zu erzielen: myoInositol und Betain werden durch Na+abhängigen Symport aus dem Extrazellulärraum aufgenommen, Sorbitol
intrazellulär synthetisiert und GPC bei gehemmten Abbau - ebenfalls intrazellulär produziert (Abb. 1).
Sorbitol wird in den Zellen des Nierenmarkes aus Glucose in einer durch
Aldosereduktase (AR) katalysierten,
NADPH/H+-abhängigen Reaktion
produziert. Die weitere NAD+-abhängige Umwandlung von Sorbitol in
Fructose durch die Sobitoldehydrogenase dürfte für die Beseitigung von
Sorbitol jedoch keine bedeutende Rolle spielen, da dieses Enzym im Nierenmark, im Gegensatz zum Nierencortex, nur in geringem Maße exprimiert wird (Chauncey B, Enzyme 1988;
39:231-234). Sowohl Sorbitolgehalt als
auch AR-mRNA und -Protein weisen
in Antidiurese einen steilen cortico-medullären Gradienten auf, mit den höchsten Werten in der Papillenspitze und
Werten im Nierencortex, die oft unter
der Nachweisgrenze liegen (Chauncey
B, Enzyme1988; 39:231-234, Yamauchi A,
J Am Soc Nephrol 1994; 5:62-67, BurgerKentischer A, Pflügers Arch 1999; 437:248254). Für die Regulation der intrazellulären Sorbitolkonzentrationen bei unterschiedlichen Diuresezuständen sind
59
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
zum einen Änderungen der AR-Aktivität vor allem durch Modulation der
AR-Expression, zum anderen Änderungen des Sorbitoleffluxes verantwortlich (Burger-Kentischer A, Pflügers
Arch 1999; 437:248-254, Wirthensohn G,
Am J Physiol 1989; 256:F128-F135, Grunewald RW, Pflügers Arch 1989; 414:178184). Da eine signifikante Zu- bzw. Abnahme der AR-Expression Stunden bis
Tage in Anspruch nimmt, wird die intrazelluläre Sorbitolkonzentration bei
akuten Änderungen der interstitiellen
NaCl-Konzentration im Innenmark der
Niere in erster Linie durch Variation
des Sorbitoleffluxes reguliert. Bis heute ist allerdings die molekulare Identität dieses Effluxweges nicht geklärt.
Der Km-Wert der AR für Glucose ist
mit 50 - 100 mM sehr hoch. Dies hat
zur Folge, dass bei erhöhter extrazellulärer Glucosekonzentration (i. e. Diabetes mellitus) die Zellen des Nierenmarkes Sorbitol in verstärktem Maße
akkumulieren (Chauncey B, Enzyme
1988; 39:231-234, Schmolke M, Eur J Clin
Chem Clin Biochem 1992; 30:607-614, Grunewald RW, Biochim Biophys Acta 1993;
1225:39-47).
Neben Sorbitol ist myo-Inositol der
zweite mehrwertige Alkohol, der von
Zellen des Nierenmarkes bei osmotischem Stress akkumuliert wird (Yancey PH, Am J Physiol 1989; 257:F602-F607,
Sone M, Am J Physiol 1993; 264:F722F729). Im Gegensatz zu Sorbitol werden für myo-Inositol in der konzentrierenden Säugerniere vergleichbar
hohe Gewebegehalte sowohl im Außenmark als auch im Innenmark beobachtet (Sone M, Am J Physiol 1993; 264:
F722-F729). Oft nimmt der myo-Inositolgehalt zur Papillenspitze hin sogar
leicht ab. Hohe intrazelluläre myo-Inositolkonzentrationen werden durch
einen Na+-abhängigen Cotransporter
(SMIT = sodium myo-inositol transporter), der vorzugsweise in der basolateralen Membran medullärer Tubuluszellen lokalisiert ist, erreicht (Yamauchi A, Am J Physiol 1991; 261:F197F202). Mit hoher Wahrscheinlichkeit
60
werden durch SMIT myo-Inositol und
Na+ in einem Verhältnis von 1:2 in die
Zellen transportiert (Hager K, J Membr
Biol 1995; 143:103-113). Der myo-Inositolgehalt des Nierenmarkes und die
Expression von SMIT hängen entscheidend vom Diuresezustand ab: In
Antidiurese sind die im Nierenmark
beobachteten myo-Inositolgehalte und
SMIT-mRNA-Werte höher als nach
Diurese (Burger-Kentischer A, Pflügers
Arch 1999; 437:248-254, Yamauchi A, J
Clin Invest 1995; 96:1195-1201). Wie bereits für die AR dargelegt, beanspruchen Änderungen der SMIT-Expression bzw. der zellulären myo-InositolAufnahme Stunden bis Tage. Gerade
bei akuten Änderungen des Diuresezustandes dürfte demnach die intrazelluläre myo-Inositolkonzentration
durch Zu- bzw. Abnahme des myo-Inositoleffluxes entscheidend beeinflusst
werden.
Betain wird mittels Na+- und Cl--abhängigen Cotransport in die Zellen des
Nierenmarkes aufgenommen (Yamauchi
A, J Biol Chem 1992; 267:649-652). Dieser Transporter, der vorzugsweise in
der basolateralen Membran des Tubulusepithels lokalisiert ist (Yamauchi A,
Am J Physiol 1991; 261:F197-F202), wird
als BGT bezeichnet, da er neben Betain auch γ-Amino-Buttersäure als Substrat akzeptiert (betaine γ-amino-butyrate transporter). Ähnlich wie myoInositol finden sich in der Niere
antidiuretischer Säuger weit höhere
Betainkonzentrationen im Außen- und
Innenmark als im Nierenkortex (Yancey PH, J Comp Physiol 1988; 158:369-380,
Beck FX, Am J Physiol 1992; 262:F849F856). Betain ist neben myo-Inositol der
quantitativ wichtigste organische Osmolyt im Außenmark. Betain wird aus
Cholin über Betainaldehyd hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im proximalen Tubulus gebildet (Miller B, Biol Chem Hoppe-Seyler 1996; 377:129-137).
Befunde von Moeckel und Mitarbeitern sprechen dafür, dass von proximalen Tubuluszellen produziertes Betain entweder über das tubuläre oder
das vaskuläre Kompartiment in das
Nierenmark gelangt und dort von den
Zellen aufgenommen wird (Moeckel
GW, Am J Physiol 1997; 272:F94-F99).
Diese Auffassung wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Aktivität
der Cholindehydrogenase, ein Schlüsselenzym der Betainsynthese, bei erhöhter Plasmatonizität zunimmt (Blumenfeld JD, Am J Physiol 1989; 256:F916F922). Ähnlich wie dies bereits für
SMIT festgestellt wurde (siehe oben),
variiert auch die Expression von BGT
mit dem Diuresezustand (Burger-Kentischer A, Pflügers Arch 1999; 437:248-254,
Miyai A, Kidney Int 1996; 50:819-827). Allerdings wird eine Anpassung der intrazellulären Betainkonzentration an
sich rasch ändernde interstitielle NaClKonzentrationen des Nierenmarkes
(vor allem beim Übergang von Antidiurese zu Diurese) zunächst durch die
entsprechende Modulation des Betaineffluxes erreicht.
Die GPC-Konzentration steigt in der
antidiuretischen Niere vom Nierenkortex hin zur Papillenspitze steil an
(Wirthensohn G, Pflügers Arch 1987; 409:
411-415). GPC wird aus Phosphatidylcholin, katalysiert durch verschiedene Phospholipasen (PLA1, PLA2,
PLB, Lysophospholipase) freigesetzt
und durch GPC-Cholinphosphodiesterase abgebaut. Beim Übergang von
Diurese zu Antidiurese wird die Zunahme der intrazellulären GPC-Konzentration im Nierenmark hauptsächlich durch eine Hemmung des GPCAbbaus, möglicherweise aber auch
durch Stimulation der GPC-Produktion erzielt (Bauernschmitt HG, Biochim
Biophys Acta 1993; 1150:25-34, Kwon ED,
Am J Physiol 1995; 269:C35-C41, Gallazzini M, Proc Natl Acad Sci USA 2006;
103:15260-15265).
Die Hemmung der GPC-Cholinphosphodiesterase wird vor allem durch hohe Harnstoffkonzentrationen, wie sie
in Antidiurese im Innenmark vorherrschen, bewirkt. Bemerkenswerterweise ist GPC nicht nur ein metabolisch
neutraler Osmolyt, sondern zusammen
NEPHRO - NEWS
Aktuelles aus der Nierenphysiologie
mit Betain auch ein „Schutzosmolyt“,
d. h., Betain und GPC schützen intrazelluläre Proteine vor den nachteiligen
Wirkungen hoher Harnstoffkonzentrationen (Burg MB, Physiol Rev 2007;
87:1441-1474). Ähnlich wie die anderen
Osmolyte wird auch GPC beim Übergang von Antidiurese zu Diurese vergleichsweise rasch aus den Zellen des
Nierenmarkes über einen Transportweg freigesetzt, dessen molekulare
Identität bisher nicht eindeutig geklärt
werden konnte.
Transkriptionelle Regulation
osmosensitiver Gene
Die Mehrzahl der Gene, die bei der intrazellulären Akkumulation von organischen Osmolyten beteiligt sind, sowie bestimmte Hitzeschockproteine
(HSP70, OSP94) weisen in der Promotorregion kurze, hoch konservierte
Basensequenzen auf, die als tonicity-responsive enhancer (TonE) bezeichnet werden (Woo SK, Pflügers Arch, 2002; 444:
579-585). Der entsprechende Transkriptionsfaktor, der bei erhöhter extrazellulärer Tonizität an TonE bindet
und die gesteigerte Expression der einzelnen Zielgene vermittelt, wurde unabhängig durch verschiedene Gruppen
kloniert und wird als tonicity-responsive enhancer binding protein (TonEBP) bezeichnet. Die physiologische
Bedeutung von TonEBP wurde mittlerweile anhand von TonEBP Knockout-Mäusen belegt: Diese Tiere weisen
eine hypoplastische Niere mit einer
Atrophie der inneren Medulla auf, ferner beobachtet man eine gesteigerte
Apoptoserate im Nierenmark (LopezRodriguez C, Proc Natl Acad Sci USA 2004;
101:2392-2397).
Diese Veränderungen dürften letztendlich Folge einer verminderten Expression osmoprotektiver Genprodukte sein. Neben der zentralen Rolle bei
der Osmoadaptation zeichnete sich in
den vergangenen Jahren zunehmend
ab, dass TonEBP auch wesentlich ist
für eine effektive Harnkonzentrierung.
In der Tat konnte im Tiermodell nachNEPHRO - NEWS
gewiesen werden, dass TonEBP die
Expression von UT-A-Harnstofftransportern und Aquaporin-2 Wasserkanälen im Nierenmark stimuliert. Auf
funktioneller Ebene wiesen Tiere mit
gestörtem TonEBP-Signaling einen renalen Konzentrierungsdefekt auf (Lam
AKM, J Biol Chem 2004; 279:4804848054).
Obwohl die zentrale Rolle von TonEBP für die Integrität und Funktion
der Zellen des Nierenmarkes unbestritten ist, sind die Signalwege, welche die transkriptionelle Aktivität von
TonEBP regulieren, nur lückenhaft charakterisiert. In den vergangenen Jahren konnte nachgewiesen werden, dass
die Aktivität von TonEBP auf multiplen Stufen gesteuert wird. Hierzu
zählen die nukleäre Translokation, die
Expression von TonEBP selbst, die Regulation der DNA-Bindungsaktivität
sowie der Transaktivierungsaktivität
(Jeon US, Acta Physiol 2006; 187:241-247,
Neuhofer W, Physiology 2006; 21:171-180).
Darüber hinaus sind Interaktionen mit
einer Reihe anderer Proteine sowie direkte Modifikationen von TonEBP
(Phosphorylierung, Nitrosylierung) bei
der Regulation von TonEBP beteiligt
(Ferraris J, Proc Natl Acad Sci USA 2002;
99:739-744, Colla E, Biochem J 2006;
393:411-419, Neuhofer W, Pflügers Arch
2008; in Druck). Obwohl belegt ist, dass
die Aktivität von TonEBP am besten
mit der intrazellulären Ionenstärke korreliert, sind die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen bislang nur
unzureichend charakterisiert.
Untersuchungen aus den letzten Jahren deuten daraufhin, dass der „Epidermal Growth Factor Receptor“ (EGFR) eine Rolle als membranständiger
Osmosensor spielen könnte (Cheng H,
J Cell Physiol2002; 192:234-243, Rodriguez
I,Cell Signal 2002; 14:839-848). EGFR
wird u. a. durch erhöhte Osmolarität
aktiviert und verstärkt unter diesen Bedingungen die Expression osmosensitiver Gene. Eine wichtige Komponente dieses Signalwegs ist die Cyclooxygenase-2 (COX-2) (Zhao H, Am J Phy-
siol 2003; 285:F281-F288, Küper C, Am J
Physiol 2007; 293:C1971-C1983). COX2, ein Schlüsselenzym der Prostaglandinsynthese, wird im Innenmark vor
allem in Antidiurese produziert und
führt dort, vermittelt durch das COX2-Produkt Prostaglandin E2, durch
Vasodilatation und Hemmung von
Elektrolyttransportern zu einer verbesserten Sauerstoffversorgung. Zudem werden unter dem Einflusss dieses Hormons osmoprotektive Genprodukte verstärkt exprimiert (Neuhofer W,
J Physiol 2007; 583:287-297).
Bei hypertonem Stress wird, eventuell
vermittelt durch Sauerstoffradikale, eine membranständige Metalloproteinase aktiviert, die ihrerseits die Freisetzung eines EGFR-Liganden, des „Transforming Growth Factors α“ (TGF-α),
fördert (Küper C, Am J Physiol 2007; 293:
C1971-C1983). TGF-α aktiviert anschließend auf auto/-parakrinem Weg den
EGFR und sodann die MAP-Kinasen
p38 und ERK1/2, welche eine verstärkte
Transkription des COX-2-Gens bewirken. Neuere Befunde sprechen dafür, dass eine ähnliche Signalkaskade,
die ebenfalls eine Aktivierung des EGFR
und nachfolgend von p38 und ERK1/2
beinhaltet, auch für die maximale TonEBP-Aktivierung und AR-Expression notwendig ist (Küper C, Manuskript
eingereicht).
Neben Änderungen der Transkription
beeinflussen nach neueren Befunden
auch posttranskriptionelle Ereignisse
die intrazelluläre Akkumulation von
organischen Osmolyten. So gibt es z.
B. Hinweise, dass der Einbau von Osmolyttransportern in die Zellmembran
oder deren Verweildauer eben dort osmotisch reguliert wird (Kempson SA,
Biochim Biophys Acta 2005; 1712:71-80,
Klaus F, J Physiol 2008; 586:1539-1547).
Prof. Dr. Franz-X. Beck
Dr. Christoph Küper
PD Dr. Wolfgang Neuhofer
Physiologisches Institut der
Ludwig-Maximilians-Universität
München
61
Kongresse
• 1. Curriculum Nephrologie, Teil 1
9. - 10. Oktober 2008 - BERLIN
15. - 16. November 2008 - WIESBADEN
28. - 29. November 2008 - HAMBURG
Information:
Akademie Niere
Telefon: +49 / 0211 / 60069-297 oder 299
E-Mail: [email protected]
www.akademie-niere.de
• Highlights im Herbst Nephrologie aktuell für Klinik und Praxis
20. November 2008
ERFURT-LINDERBACH, Deutschland
Information: HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
CA Dr. med. Christoph C. Haufe
Telefon: +49 / 361 / 781 52 50
E-Mail: [email protected]
www.colloquium-nephrologicum.de
• Gemeinsame Jahrestagung der Österreichischen
Gesellschaft für Hypertensiologie und der
Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie
17. - 18. Oktober 2008
SALZBURG, Österreich
Information: convention.group
Telefon +43 / 1 / 4068340
E-Mail: [email protected]
www.conventiongroup.at
• 6. Dreiländer-Kongress
Nephrologische Pflege
20. - 22. November 2008
KONSTANZ, Deutschland
Information: Fachverband nephrologischer
Berufsgruppen (fnb)
Telefon +49 / 6142 / 408549
E-Mail: [email protected]
www.nephro-fachverband.de
• 2nd International SFB 423 Symposium
„Molecular Targets in Renal Disease“
17. - 19. Oktober 2008
BAMBERG, Deutschland
Information: Medical Clinic 4, Erlangen
Telefon +49 / 9131 / 85-36259
E-Mail: [email protected]
www.sfb423.uni-erlangen.de
• 17. Jahrestagung
Deutsche Transplantationsgesellschaft e.V.
20. - 22. November 2008
BOCHUM, Deutschland
Information: DeutscheTransplantationsgesellschaft e.V.
Telefon +49 / 941 / 944 7324
E-Mail: [email protected]
www.dtg2008.de
• 1. Düsseldorfer Nieren- und Hochdrucktage
24. - 25. Oktober 2008
DÜSSELDORF, Deutschland
Information: TopSelect GmbH
Telefon +49 / 2195 / 599332
E-Mail: [email protected]
www.dnht.org
• Nephrologisches Jahresgespräch 2008
21. - 23. November 2008
MANNHEIM, Deutschland
Information: Verband Deutsche Nierenzentren
der DDnÄ e.V.
Telefon +49 / 202 / 24845-0
E-Mail: [email protected], www.dnev.de
• 30. Symposium der Arbeitsgemeinschaft
für nephrologisches Personal (AfNP)
25. - 26. Oktober 2008
FULDA, Deutschland
Information: AfnP e.V., Arbeitsgemeinschaft für
nephrologisches Personal
Telefon +49 / 7345 / 22933
E-Mail: [email protected], www.afnp.de
• 40th Annual Meeting
Swiss Society of Nephrology
3. - 5. Dezember 2008
ST. GALLEN, Schweiz
Information: www.nephro.ch/congress
E-Mail: [email protected]
• ASN Renal Week 2008
4. - 9. November 2008
PHILADELPHIA, USA
Information: www.asn-online.org
62
• 21. Berliner Dialyseseminar
5. - 6. Dezember 2008
BERLIN, Deutschland
Information: Prof. Dr. med. Christiane Erley
Telefon +49 / 30 / 7882-2379, E-Mail: [email protected], www.berliner-dialyseseminar.de
NEPHRO - NEWS
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Mimpara® –
die einzige kausale
Therapie des sHPT *
Rechtzeitig beginnen
* Nur Mimpara® setzt am Calcium-Sensing-Rezeptor an (zentrales pathogenetisches Stellglied des sHPT). Brown EM et al.,
Annu Rev Med, 1998; 49: 15-29, Goodman WG et al., ASN, 2003, SA-PO741, Abstract and Poster
** Zugelassen zur Verminderung von Hyperkalzämie bei Patienten mit pHPT, bei denen eine Parathyreoidektomie aufgrund der
Serumcalciumspiegel angezeigt wäre, jedoch klinisch nicht angebracht oder kontraindiziert ist.
1 Moe SM et al., Kidney Int, 2005; 67: 760-771; Cunningham J, Nephrol Dial Transplant, 2004; 19 (Suppl. 5): v9-v14
1
sHPT = sekundärer Hyperparathyreoidismus, pHPT = primärer Hyperparathyreoidismus
Kurzinformation: Mimpara® 30 mg / 60 mg / 90 mg Filmtabletten; Wirkstoff: Cinacalcet; Zusammensetzung: Arzn. wirks. Bestandteil: 1 Filmtabl. Mimpara® 30 mg / 60 mg / 90 mg enth. 30 mg, 60 mg bzw. 90 mg Cinacalcet (als Hydrochlorid). Sonst. Bestandt.: Tablettenkern: vorverkleisterte Stärke (aus Mais),
mikrokristalline Cellulose, Povidon, Crospovidon, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid; Tablettenfilm: Karnaubawachs, Opadry II grün, Opadry klar, Opadry schwarze Tinte; Anwendungsgebiete: Behandl. d. sek. Hyperparathyreoidismus (s-HPT) b. dialysepflichtigen Pat. m. term. Niereninsuffizienz. Mimpara® kann als Teil eines therap. Regimes angewendet werden, das je nach Bedarf Phosphatbinder u./o. Vitamin D umfassen kann. Vermind. v. Hyperkalzämie b. Pat. m. Nebenschilddrüsenkarzinom. Vermind. v. Hyperkalzämie b. Pat. m. prim. Hyperparathyreoidismus (p-HPT), b. denen e. Parathyreoidektomie aufgr. d.
Serumcalciumspiegel (wie i. d. relev. Behandl.-richtl. definiert) angezeigt wäre, jedoch klinisch nicht angebracht oder kontraindiziert ist. Gegenanzeigen: Überempfindl. geg. Cinacalcet o. einen d. sonst. Bestandt.; Nebenwirkungen: Sehr häufig: Übelkeit u. Erbrechen (i. d. R. mild bis mäßig u. vorübergeh.); häufig:
Anorexie, Schwindel, Parästhesien, Rash, Myalgie, Asthenie, Hypokalzämie, verring. Testosteronwerte; gelegentlich: Krampfanfälle, Diarrhö, Dyspepsie, allergische Reakt.; vereinzelt bei Pat. mit beeinträchtigter kardialer Funkt.: idiosynkratische Fälle v. Hypotonie u./o. Verschlechterung der Herzinsuff. ; Wechselwirkungen: Dosisanpass. v. Mimpara® evtl. notw. bei Beginn o. Beend. einer Behandl. m. einem starken CYP3A4-Hemmstoff (z. B. Ketoconazol, Itraconazol, Telithromycin, Voriconazol, Ritonavir) o. einem Induktor dieses Enzyms (z. B. Rifampicin). Dosisanpass. v. Mimpara® kann notw. sein, wenn währ. d. Behandl. m. d. Rauchen
begonnen o. aufgehört wird o. wenn eine begleit. Behandl. m. einem starken CYP1A2-Hemmer initiiert o. beendet wird. Cinacalcet ist ein starker Hemmstoff von CYP2D6. Wenn gleichz. Arzneim. angewendet werden, die über CYP2D6 metabolisiert werden u. eine enge therap. Breite haben (z. B. Flecainid, Propafenon,
Metoprolol i. d. Indikation Herzinsuff., Desipramin, Nortriptylin, Clopramin), ist evtl. eine Dosisanpass. dieser Arzneimittel. notw.; Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung: Bei Pat. mit beeinträchtigter kardialer Funkt.: vereinzelte idiosynkratische Fälle v. Hypotonie u./o. Verschlechterung der
Herzinsuff. Pat. sorgfältig hinsichtl. d. Auftretens v. Hypokalzämie kontroll. Bei Pat. mit einem Serumcalciumspiegel (korrigiert um Albumin) unterhalb der Untergrenze d. Normalbereiches sollte eine Behandl. mit Mimpara® nicht begonnen werden. Bei Pat. mit mittelgradiger bis schwerer Lebererkrank. Mimpara® mit
Vorsicht anwenden u. Behandl. sorgfältig überwachen. Um den Serumcalciumspiegel bei Vorliegen einer Hypokalzämie anzuheben, können calciumhaltige Phosphatbinder o. Vitamin D angewendet u./o. die Calciumkonzentration im Dialysat angepasst werden. Bei einer länger andauernden Hypokalzämie muss die
Mimpara®-Dosis reduz. o. die Anw. von Mimpara® beendet werden. Wenn die PTH-Spiegel dauerhaft ungefähr 1,5 x unterhalb d. oberen Normwertes (gemessen als iPTH-Wert) gehalten werden, kann sich eine adynamische Knochenerkrankung entwickeln. Falls bei Pat. unter einer Therap. m. Mimpara® die PTHSpiegel unter den empfohlenen Zielwert absinken, muss die Dosis von Mimpara® u./o. Vitamin D gesenkt o. die Therap. unterbrochen werden. Bei Pat. mit nicht dialysepfl. chron. Niereninsuff. ist Cinacalcet nicht indiziert. Für diese Pat. besteht ein erhöh. Risiko für eine Hypokalzämie im Vergl. zu dialysepflicht. Pat.;
Weitere Angaben: s. Fach- und Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig; Stand der Information: Juni 2008; AMGEN Europe B.V., Minervum 7061, 4817 ZK Breda, Niederlande (Örtlicher Vertreter Deutschland: AMGEN GmbH, 80992 München).
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ERYPO® FS 1000 I.E./0,5 ml, 2000 I.E./0,5 ml, 3000 I.E./0,3 ml, 4000 I.E./0,4 ml, 10 000 I.E./ml, 40 000 I.E./ml, Injektionslösung in Fertigspritzen.
Wirkstoff: Epoetin alfa. Zusammensetz.: 1 Fertigspr. ERYPO® FS 1000/2000/3000/4000 enth. 1000/2000/3000/4000 I.E. entspr. 8,4/16,8/25,2/33,6 μg Epoetin alfa, 1 Fertigspr. ERYPO® FS 10 000 enth. 5000 I.E./0,5 ml, 6000 I.E./0,6 ml, 8000 I.E./0,8 ml,
10 000 I.E./ml entspr. 42,0/50,4/67,2/84,0 μg Epoetin alfa, 1 Fertigspr. ERYPO® FS 40 000 enth. 20 000 I.E./0,5 ml, 30 000 I.E./0,75 ml, 40 000 I.E./ml entspr. 168/252/336 μg Epoetin alfa, gentechn. hergestellt aus Ovarialzellen d. chin. Hamsters, Zelllinie CHO
K1. Sonst. Bestandt.: Natriummono- und Natriumdihydrogenphosphat-Dihydrat, Natriumchlorid, Polysorbat 80, Glycin, Wasser für Injektionszw. Anw.geb.: ERYPO® FS 1000, 2000, 3000, 4000, 10 000: Anämie b. chron. Nierenvers. b. Hämodialys.-Pat. (Erw. u.
Kdr.) u. b. Peritonealdialys.-Pat. (Erw.). Schw. sympt. renale Anämie b. Erw. m. Niereninsuff., d. noch nicht dialysepflicht. sind. ERYPO® FS 1000, 2000, 3000, 4000, 10 000, 40 000: Anämie u. Redukt. d. Transfus.bedarfs. b. Erw. m. solid. Tumoren, malign. Lymph.
u. multipl. Myelom unter Chemother., u. b. denen d. Risiko einer Transfus. aufgr. d. Allgemeinzust. (z.B. kardiovask. Status, vorbest. Anämie b. Beginn d. Chemother.) besteht. Steiger. d. autol. Blutgew. b. Pat. in Spendeprogr. zur Vermeid. v. Fremdblutkons.; Anw.
gegenüb. d. Risiko thromboemb. Ereignisse abwägen, nur b. Pat. m. mittelschw. Anämie (Hb 10–13 g/dl [6,21–8,07 mmol/l], kein Eisenmangel), falls blutgew. Maßn. nicht verfügb. od. unzureich., oder b. gepl. größ. Operat. m. großem Blutvolumenersatz (≥ 4
Einheit. Blut b. Frauen od. ≥ 5 Einheit. b. Männern). Redukt. v. Fremdblut vor großem orthopäd. Eingriff b. Erw. ohne Eisenmangel m. hohem Risiko v. Transfusionskomplik.; nur b. Pat. m. mittelschw. Anämie (z. B. Hb 10–13 g/dl) u. erwart. Blutverlust v. 900–1800
ml, d. nicht an autol. Blutspendeprogr. teilnehmen. ERYPO® FS 40 000 I.E./ml: Zur Anw. b. Erw. Gegenanz.: Pat., d. unter irgendeinem Erythropoetin an Erythroblastopenie erkrank., sollten kein ERYPO® od. and. Erythropoetin erhalt. Unkontr. Hypertonie. Überempf.
gg. d. Wirkstoff od. einen der Hilfsstoffe. Pat. ohne adäqu. Thromboseprophyl. Alle Gegenanz. die b. autologem Blutspendeprogr. beacht. werden müssen, sind ebenf. zu berücksicht. Bei Pat., d. für elektiv. orthopäd. Eingriff vorges. sind, u. d. nicht an autolog.
Blutspendeprogr. teiln. können, nicht anw. b. folg. Vor-, Begleit- od. Grunderkr.: schw. koronare Herzkr., periph. art. Verschlusskrankh., vask. Erkr. d. Karotiden od. zerebrovask. Erkr., kürzl. Herzinf. od. zerebrovask. Ereignis. Warnhinw. u. Vors.maßn.: Regelmäß.
Blutbildkontr. (Hb, Thrombozytenwerte) durchführen. B. Pat. m. chron. Niereninsuff. u. termin. Nierenvers. sow. b. Tumorpat. regelm. Hb-Bestimmg. durchf., bis stab. Hb-Wert erreicht wurde, diesen in regelm. Abst. überprüfen. Aufgr. potent. erhöht. Risiko thromboembol. Ereign. u. tödl. Ausgang, wenn Pat. b. Hb-Spiegeln üb. d. Zielwert für d. zu bhdl. Indik. behandelt werden, b. allen Pat. engmaschige Überw. d. Hb-Spiegel. Bei Pat. m. chron. Nierenvers. sollte d. Hb-Erhalt.konz. d. Obergrenze d. Hb-Zielkonz. nicht
überschreiten. In klin. Studien wurde e. erhöhtes Risiko hinsichtl. Tod u. schwerwieg. kardiovask. Ereign. beob., wenn d. Erythropoese stimulier. Wirkst. üb. e. Hb-Zielwert > 12 g/dl gegeben wurden. B. Hämodialysepat. wird e. frühzeit. Shuntkorrektur u. Thromboseprophyl. durch Verabr. v. z.B. Acetylsalicylsäure empf. Erythroblastopenie: B. Pat. m. chron. Nierenvers., denen ERYPO® subkutan verabr. wird, regelmäß. Kontrollen hinsichtl. e. Wirkverlustes, definiert als Nicht- od. vermind. Ansprechen e. ERYPO®-Therapie
b. Pat., d. zuvor auf d. Therapie angesprochen haben, durchführen. Dieses zeigt sich durch e. anhalt. Vermind. d. Hb-Werte trotz Steigerung d. ERYPO®-Dosis. Bei erhöh. od. steig. Kaliumwert Unterbr. d. Ther. bis Kaliumwerte im Normber. empfohlen. Wie b. allen
Wachstumsf. gibt es Bedenk., dass Epoetine d. Wachstum v. Tumoren anregen können. In mehr. kontr. Studien zeigten Epoetine keine Verbesserung d. Gesamtüberleb. od. e. Risikovermind. e. Tumorprogr. b. Pat. m. tumorassoz. Anämie. Wg. erhöh. Inzidenz v.
thrombot., vask. Ereignissen vorsichtige Nutzen-Risikoabwägung bei erhöh. Risiko für TVE. B. Pat., d. für elektiv. orthopäd. Eingriff vorges. sind, u. d. nicht an autolog. Blutspendeprogr. teiln. können wg. erhöh. Risiko f. thromb./vask. Erkr., spezielle
Vors.maßnahmen b. Disposition für tiefe Venenthrombose notw. (z.B. Thromboseprophylaxe), bei Pat. m. Ausgangs-Hb > 13 g/dl nicht anwenden. Es liegen keine ausreich. u. gut kontroll. Studien b. Schwang. vor. Untersuch. i. Tiermodell zeigten e. Reprodukt.toxizität. B. Schwang. m. chron. Nierenversagen nur anw., wenn mögl. Nutzen d. mögl. Risiko für d. Fötus rechtfertigt. Bei schwang. od. still. Pat., d. an autologem Blutspendeprogr. teilnehmen, ERYPO® nicht anw. Vorsicht bei: Unbehand., unzureich.
behand. od. schlecht einstellb. Bluthochdruck; falls nicht kontrollierbar, Bhdlg. beenden. Vorsicht b. Epilepsie und chron. Leberinsuffizienz. Falls eine anti-Erythropoetin, antikörpervermitt. PRCA vermutet wird, ERYPO® sofort absetzen. Enth. Natriummono-,
dihydrogenphosphat-Dihydrat u. Natriumchlorid. Packungsbeil. beachten. Nebenw.: Allg.: B. Tumorpat. u. b. Pat. m. chron. Nierenvers. am häufigst. dosisabh. Blutdruckanst. od. Verschlecht. e. bereits besteh. Hypertonie. Andere häufige Nebenwirk. aus klin.
Studien m. Epoetin alfa: tiefe Venenthromb., Lungenart.embolie, Krampfanf., Diarrhö, Übelk., Kopfschm., Influenza-ähn. Sympt., Fieber, Rash u. Erbr. Influenza-ähn. Sympt. einschl. Kopf-, Gelenk-, Muskelschmerzen u. Fieber bes. zu Ther.beginn mögl. Die Häufigk.
können in Abhängigk. v. d. Indik. variieren (s.u.). Schwerwieg. Nebenwirk. beinhalt. venöse u. arter. Thromb. u. Embolien (einschl. einig. Fälle m. tödl. Ausgang), wie z.B. tiefe Venenthromb., Lungenart.embolie, art. Thromb. (einschl. Myokardinf. u. Myokardischäm.),
Retinathromb. u. Shuntthromb. (einschl. Dialysevorricht.). Des Weit. zerebr. Durchblut.störg. (einschl. Hirninf. u. Hirnblutg.) u. transit. ischäm. Attacken. Aneurysmen. Überempf.reakt., einschl. Fälle v. Rash, Urtik., anaphylakt. Reakt. u. angioneurot. Ödem. Hyperten.
Krisen m. Enzephalop. u. Krampfanf., sind währ. Epoetin-alfa-Ther. auch b. Pat. m. zuvor norm. od. niedr. Blutdr. aufgetr., daher bes. Aufmerksamk. f. plötzl. auftr., stech., migräneart. Kopfschm. als mögl. Warnsignal. Sehr selten antikörpervermitt. Erythroblastopenie in < 1/10.000 Fällen/Pat.jahr nach monate- bis jahrelanger Bhdlg. Nebenwirk. b. ≥ 0,2 % der m. ERYPO® bhdlt. Pat. dies. Prüfungen, aus zus. klin. Prüf. u. n. Vermarkt. sind n. Syst.organklasse u. Häufigk. aufgelistet: Sehr häufig (≥ 1/10), häufig (≥ 1/100
bis < 1/10), gelegentl. (≥ 1/1.000 bis < 1/100), nicht bek. (Häufigk. aufgr. d. verfügb. Daten nicht abschätzbar). Blut u. Lymphsyst.: Gelegentl.: Thrombozythämie. Nicht bek.: Erythropoetin-Antikörpervermitt. Erythroblastopenie1, Thrombozyth. (Pat. m. chron.
Nierenvers.). Immunsyst.: Nicht bek.: Anaphylakt. Reakt., Überempf. Nervensyst.: Sehr häufig: Kopfschm. (Tumorpat.). Häufig: Krampfanf. (Pat. m. chron. Nierenvers.), Kopfschm. (Pat. m. chron. Nierenvers.). Gelegentl.: Hirnblut.2, Krampfanf. (Tumorpat.). Nicht
bek.: zerebrovask. Durchblut.störg.2, hyperten. Enzephal., trans. ischäm. Att. Augenerkr.: Nicht bek.: Retinathromb. Gefäßerkr.: Häufig: tiefe Venenthromb. (Tumorpat.)2, Hypert. Nicht bek.: Tiefe Venenthromb.2, (Pat. m. chron. Niereninsuff.), art. Thromb., hyperten. Krise. Atemw., Brustraum u. Mediastinum: Häufig: Lungenart.emb.2 (Tumorpat.). Nicht bek.: Lungenart.emb.2 (Pat. m. chron. Niereninsuff.). Gastrointest.trakt: Sehr häufig: Übelk. Häufig: Diarrhö (Tumorpat.), Erbr. Gelegentl.: Diarrhö (Pat. m. chron. Nierenvers.). Haut u. Unterhautzellgew.: Häufig: Rash. Nicht bek.: Angioneurot. Ödem, Urtik. Skelettmusk., Bindegewebs- u. Knochenerkr.: Sehr häufig: Gelenkschm. (Pat. m. chron. Nierenvers.). Häufig: Gelenkschm. (Tumorpat.). Gelegentl.: Muskelschm. (Tumorpat.). Nicht bek.: Muskelschm. (Pat. m. chron. Nierenvers.). Kongenit., famil. u. genet. Erkr.: Nicht bek.:
Porphyrie. Allg. Erkr. u. Beschw. a. Verabr.ort: Sehr häufig: Fieber (Tumorpat.), Influenza-ähn. Sympt. (Pat. m. chron. Nierenvers.). Häufig: Influenza-ähn. Sympt. (Tumorpat.). Nicht bek.: unzureich. Wirksamk.;
periph. Ödem; Fieber (Pat. m. chron. Nierenvers.), Reakt. a. d. Injekt.stelle. Untersuch.: Nicht bek.: Anti-Erythropoetin-Antikörpertest positiv1. Verletz., Vergift. u. durch Eingr. bed. Komplikat.: Häufig: Shuntthromb. inkl. Dialysevorricht. (Pat. m. chron. Nierenvers.). 1Häufigk. anh. v. klin. Studien nicht zu bestimmen. 2Inkl. Fälle m. tödl. Ausgang. Stand d. Inform.: 05/2008. Verschreibungspflichtig.
JANSSEN-CILAG GmbH, 41457 Neuss.