01/2016 - Nierenversagen: akut, chronisch
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01/2016 - Nierenversagen: akut, chronisch
P.b.b. GZ 02Z031654 M, MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien ISSN 1605-881X ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie Script 19. JAHRGANG/NR. 1/2016 Akutversagen Pathomechanismen im systemischen „Crosstalk“ Transplantation Screening nach Donor-spezifischen Antikörpern Überwässerung Von DialysepatientInnen lernen 10. Nephrologie-Symposium Schladming Nierenversagen: akut, chronisch, terminal Foto: Sissi Furgler Fotografie Fachkurzinformation siehe Seite 24 NEPHRO Script EDITORIAL Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! S ie halten mit diesem Heft die erste NEPHROScript-Ausgabe 2016 in der Hand. Mit den Themengebieten „Nierentransplantation“, „akutes Nierenversagen“, „chronische Niereninsuffizienz“ und einem entsprechenden Update haben wir uns eng an das 10. NephrologieSymposium in Schladming gehalten. Erfreulicherweise hat der nephrologische Nachwuchs in Österreich Flagge gezeigt und ausgezeichnete Vorträge bzw. Manuskripte dazu verfasst. Darüber hinaus hat unser Präsident Karl Lhotta ein aktuelles Thema – eine neue Therapieoption bei autosomal dominanter polyzystischer Nierenerkrankung – zum Anlass genommen, INHALT 03 Editorial 05 News aus der Welt der Nephrologie 13 Impressum 10. NEPHROLOGIE-SYMPOSIUM SCHLADMING 06 Proteinurie nach Nierentransplantation Dr. Markus Pirklbauer 10 Umgang mit positivem DSA-Befund nach e ntsprechende Empfehlungen zum Therapiemanagement bei dieser häufigsten hereditären Nierenerkrankung auszusprechen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und hoffe, dass Sie nützliche Informationen für Ihren klinischen Alltag finden. ■ Mit kollegialen Grüßen! Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz 18 Akutes Nierenversagen als Risikofaktor (nicht nur) für CKD Dr. Claudia Friedl 22 Knochenstoffwechsel bei chronischer iereninsuffizienz – Update zur CKD-MBD N Dr. Danielle Diarra 25 Flüssigkeitshaushalt bei terminaler iereninsuffizienz – Von DialysepatientInnen lernen N Assoc. Prof. Dr. Manfred Hecking, Dr. Peter Wabel, Prof. em. Friedrich K. Port Nierentransplantation Assoc. Prof. Dr. Hannes Neuwirt, PhD 12 Der Remuzzi-Score: Implikation für die Foto: Sissi Furgler Fotografie Doppelnierentransplantation Dr. Rupert Oberhuber, Dr. Annemarie Weißenbacher, ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger 14 Akutes Nierenversagen – Neues zu Diagnostik, athogenese und Therapie P Dr. Alexander Kirsch Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz TOPICS 29 Therapie der ADPKD mit Tolvaptan Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta ENTGELTLICHE EINSCHALTUNGEN 31 Tacrolimus retard (Advagraf ) – Weniger (oft) ist mehr 32 Velphoro – Phosphat- und Kaliummanagement bei TM ® CKD-Patienten 3 4 Fachkurzinformation siehe Seite 24 NEWS NEPHRO Script News aus der Welt der Nephrologie SLOVAKIA Mit Beiträgen von Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta COLOMBIA Sind weibliche Sexualhormone nephroprotektiv? E in bislang unzureichend erklärtes Phänomen ist die Tatsache, dass Männer häufiger von einer terminalen Niereninsuffizienz betroffen sind als Frauen. So beträgt da Risiko, an die Dialyse zu kommen, für Männer mittleren Alters 1:40, für Frauen nur 1:60. Forscher aus Innsbruck konnten nun zeigen, dass der normale Zyklus der Frau mit einer erhöhten Regeneration von proximalen Tubulusepithelien einhergeht.1 So konnte bei Frauen mit normalem Zyklus nach der Ovulation sowie nach Beginn der Menstruation ein deutlicher Anstieg der Enzyme Fruktose-1,6-Bisphosphatase und Glutathion-S-Transferase im Harn nachgewiesen werden. Diese Anstiege fehlen bei postmenopausalen Frauen und Männern. Die Autoren vermuten, dass diese Anstiege auf den Zelluntergang von proximalen Tubulusepithelien zurückzuführen sind und mit einem erhöhten Regenerationspotenzial einhergehen. Möglicherweise steht der Zelluntergang (durch Apoptose?) mit rasch abfallenden Östrogen spiegeln in diesen Zyklusphasen in Zusammenhang. Die Autoren spekulieren, dass diese zyklusabhängige Zellerneuerung von proximalen Tubulusepithelien einen nephroprotektiven Effekt haben könnte und damit das geringere Risiko für ESRD bei Frauen zumindest teilweise erklären könnte. 1 Seppi et al., J Am Soc Nephrol 2016 Hemmung von PDE-5: ein neues Therapieprinzip bei diabetischer Nephropathie? T rotz verschiedenster Therapiemaßnahmen schreitet die diabetische Nephropathie bei vielen Patienten fort. Die verringerte Verfügbarkeit von NO und cGMP in der Niere scheint bei der Progression der diabetischen Nephropathie eine entscheidende Rolle zu spielen. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung des intrazellulären cGMP durch Hemmung des Enzyms Phosphodiesterase Typ 5 den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen kann. Dies betrifft sowohl Veränderungen am Podozyten als auch die glomeruläre Hämodynamik. Der Effekt der PDE-5-Inhibition durch den hochselektiven und lang wirksamen Hemmer PF-00489791 auf die Albuminurie bei manifester diabetischer Nephropathie mit Makroalbuminurie wurde in einer ran- domisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie bei 256 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht.1 Die Patienten e rhielten zusätzlich zur Standardtherapie 20 mg der Substanz oder Placebo (3:1) täglich über 12 Wochen. Unter Therapie kam es zu einer Abnahme der Albuminurie um 15,7 %. Blutdruck und eGFR blieben unverändert. Als Nebeneffekt wurde eine Verbesserung des HbA1c beobachtet. Die Therapie war gut verträglich mit Kopfschmerzen und gastrointestinalen Problemen als Nebenwirkungen. Die Langzeitwirkung der Hemmung von PDE-5 bei diabetischer Nephropathie wird weiter in Langzeitstudien untersucht werden, um mögliche Effekte auf die eGFR und kardiovaskuläre Ereignisse beurteilen zu können. Scheele et al., J Am Soc Nephrol 2016 1 Dextran-Sulfat-Apherese bei Präeklampsie E ine Präeklampsie tritt in 3–8 % aller Schwangerschaften auf mit potenziell schweren Folgen für Mutter und Kind. In der Pathogenese spielt wahrscheinlich die vermehrte Freisetzung des antiangiogenetischen Proteins soluble Fms-like tyrosine kinase 1 (sFlt-1) die entscheidende Rolle. Eine rezente Studie1 untersuchte nun den Effekt der Elimination von sFlt-1 durch 1 bis 3 Dextran-basierte Apheresen bei 11 Schwangeren mit einer Präeklampsie zwischen der 23. und 32. SSW. Antihypertensiva wurden am Tag der Behandlung pausiert und die Schwangeren erhielten eine zusätzliche Volumensubstitution. Durch die Apherese konnte der Serumspiegel von sFlt-1 um 18 % (7–28 %) gesenkt werden, die Protein-KreatininRatio im Harn sank um 44 %. Die Dauer der Schwangerschaft konnte durch eine Apherese im Schnitt um 8 Tage, durch mehrere Apheresen um 15 Tage verlängert werden Auf mütterlicher Seite traten keine Komplikationen auf. Bei den Neugeborenen war zwischen den Kindern der Therapie gruppe und denen der Kontrollgruppe kein wesentlicher Unterschied, lediglich die Dauer der Sauerstofftherapie war mit 2 Tagen im Vergleich zu 11 Tagen verkürzt. Trotz Apherese kam es im Verlauf der Schwangerschaft zu einem weiteren raschen Anstieg von sFlt-1. Dies wirft die Frage auf, ob für den günstigen Effekt neben der kurzfristigen und moderaten Reduktion von sFlt-1 auch andere Mechanismen eine Rolle spielen. Thadhani et al., J Am Soc Nephrol 2016 1 5 NEPHRO Script FOCUS uu Eine Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplantation auf (Prävalenz je nach efinition 7 % bis 45 %) und ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für kardio D vaskuläre Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben. uu Nach Nierentransplantation sollte jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag zeitnah bioptisch abgeklärt werden, um potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen. Differenzialdiagnose, prognostische Relevanz, Management Proteinurie nach Nierentransplantation 6 Foto: privat E ine Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplander renalen Parenchymschädigung können tubuläre tation (NTx) auf und ist in diesem Zusammenhang und glomeruläre Proteinurie auch parallel auftreten. ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Mangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien im Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben. nierentransplantierten Kollektiv muss betreffend ProMangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien teinurieabklärung auf Empfehlungen für nicht-nierenschwanken die Prävalenzangaben im nierentransplantransplantierte Patienten zurückgegriffen werden tierten Kollektiv je nach Methodik und Cut-off-Werten Dr. Markus Pirklbauer (KDIGO c linical practice guideline for the care of kidney Univ.-Klinik für Innere zwischen 7 % und 45 %. Neben de novo oder rekurrent transplant recipients, Am J Transplant. 2009). Dabei Medizin IV – Nephrologie auftretenden Nierenerkrankungen gibt es eine Vielzahl stellt die Bestimmung der Protein- bzw. Albuminausund Hypertensiologie, transplantspezifischer Ursachen. Als potenziell modi- Medizinische Universität scheidung im 24-h-Sammelharn weiterhin den GoldInnsbruck fizierbarer Risikofaktor sollte die Proteinurie nach NTx standard dar, wenngleich aufgrund häufiger Sammelmöglichst frühzeitig bioptisch abgeklärt werden. Im fehler zunehmend die einfachere Bestimmung der sog. Folgenden werden Diagnostik, Prävalenz, Ätiologie, Prognose Protein-Kreatinin- bzw. Albumin-Kreatinin-Ratio (PCR bzw. ACR, sowie Management der Proteinurie nach NTx diskutiert. in mg/g) aus dem Spotharn Anwendung findet. Gemäß den aktuellen KDIGO-Richtlinien wird eine Gesamteiweißausscheidung ≥ 300 mg/Tag bzw. eine Albuminausscheidung ≥ 30 mg im 24-hDiagnostik Sammelharn als eindeutig pathologisch definiert. Unabhängig davon Analog zu nicht-nierentransplantierten Patienten unterscheidet existieren für die Verwendung von PCR bzw. ACR aus dem man nach NTx zwischen tubulärer und glomerulärer Proteinurie. Spotharn eigene, geschlechtsspezifische Grenzwerte (Tab.). Bei ersterer kommt es durch Überschreiten der proteinspezifischen Von einer Einteilung in „Mikro“- bzw. „Makro“-Albuminurie Rückresorptionsschwelle im proximalen Tubulus (z. B. bei wurde in den aktuellen Richtlinien Abstand genommen, alternativ multiplem Myelom oder Tumorlysesyndrom) bzw. durch direkte erfolgt eine Kategorisierung in „moderate“ bzw. „schwere“ Albumin tubuläre Schädigung (z. B. durch interstitielle Inflammation, urie (Tab.). Im direkten Vergleich zwischen 24-h-Sammelharnmedikamentös toxische Schädigung oder Ischämie-assoziiert) zum und Spotharn-basierter Proteinuriediagnostik konnte eine weitAuftreten von niedermolekularen Proteinen (MG < 65 kDa; z. B. gehende Gleichwertigkeit der Methoden nach NTx gezeigt werden 1-Mikroglobulin, 2-Makroglobulin, freie Leichtketten etc.) im (Steinhäuslin et al., Clin Nephrol 1995). Endharn. Im Gegensatz dazu tritt in frühen Stadien der glomerulären Schädigung durch den Verlust negativer Ladungen im Prävalenz Bereich der glomerulären Basalmembranen zunächst eine isolierte Albuminurie (sog. „selektive glomeruläre Proteinurie“) auf, da Je nach verwendetem Grenzwert, Messmethode und Zeitpunkt negativ geladenes Albumin (MG 67 kDa) physiologischerweise nach NTx variieren die Prävalenzangaben bezüglich Proteinurie nur elektrostatisch, jedoch nicht größenbedingt an der Basalmemin der Literatur zum Teil deutlich. So werden 12 Monate nach branpassage gehindert wird. Bei fortschreitender BasalmembranNTx Werte zwischen 7,5 % (Grenzwert 1 g/Tag) und 45 % (Grenzdestruktion passieren zunehmend auch größere Proteine, allen wert 150 mg/Tag) berichtet (Tsampalieros et al., Transplantation voran IgG (MG 150 kDa), den glomerulären Filter (sog. „unse2015). Unmittelbar nach NTx tritt eine Proteinurie häufig auf, lektive glomeruläre Proteinurie“). Abhängig von Art und Umfang wobei initial (Stunden bis einige Tage) sowohl Eigen- als auch FOCUS NEPHRO Script Tab.: KDIGO-Klassifikation der Protein-/Albuminurie Proteinurie Albuminurie Methode normal pathologisch 24-h-Harn < (150–)300 mg/d > (150–)300 mg/d Spot PCR < 200 mg/g > 200 mg/g moderat schwer 24-h-Harn < 30 mg/d 30–300 mg/d > 300 mg/d Spot ACR < 17 mg/g (Mann) < 25 mg/g (Frau) 17–250 mg/g (Mann) 25–355 mg/g (Frau) > 250 mg/g (Mann) > 355 mg/g (Frau) Modifiziert nach: KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients, Am J Transplant 2009 Transplantniere als Quelle in Frage kommen. Durch rasche Abnahme der Eigennierendurchblutung und Rückbildung der Hyperfiltration kommt es innerhalb des ersten Monats nach NTx – sowohl bei zuvor dialysepflichtigen als auch präemptiv transplantierten Patienten – in aller Regel zu einer Normalisierung der „nativen“ Eiweißausscheidung, sodass grundsätzlich jede persistierende bzw. neu aufgetretene Proteinurie auf eine Transplantat pathologie hinweist (D’Cunha et al., Am J Transplant 2005). Das Ausmaß der Proteinurie unmittelbar nach NTx ist bei zuvor dialyse pflichtigen bzw. präemptiv transplantierten Patienten nahezu ident (Amer et al., Am J Transplant 2007), wobei sich im Vergleich zur Kadaverspende unmittelbar nach Nierenlebendspende – bei weitgehend vergleichbarer tubulärer Proteinurie – eine deutlich geringere glomeruläre Proteinurie zeigt. Eine raschere Besserung der glomerulären im Vergleich zur tubulären Proteinurie wird auf eine unterschiedliche Ischämie-Toleranz dieser Parenchymabschnitte zurückgeführt (Artz et al., Transplantation 2003). Foto: privat Ätiologie Verschiedene Assoziationsstudien konnten zeigen, dass Body Mass Index, Delayed Graft Function, Spenderalter, HLA-Mismatch, Einsatz von Tacrolimus oder antihypertensiver Medikation sowie das Vorhandensein von Donor-spezifischen Antikörpern unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx darstellen (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Neben de novo oder rekurrent auftretenden Nierenerkrankungen (z. B. FSGS, MCN, MPGN, IGA-N, MN, TTP/HUS, postinfektiöse GN, primäre/sekundäre Vaskulitis, SLE, diabetische Nephropathie, Amyloidose, LK-Erkrankung etc.) und akuter Transplantatabstoßung ist die chronische Allograftnephropathie (CAN) hauptverantwortlich für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx (Sun et al., Plos One 2012). CAN ist gekennzeichnet durch typische histologische Veränderungen im gesamten Nierenparenchym (glomeruläre Doppelkonturen, vaskuläre Verdickungen, entzündliches tubulointerstitielles Infiltrat sowie interstitielle Fibrose und tubuläre Atrophie), wobei ursächlich sowohl Alloantigen-abhängige (z. B. chronisch zelluläre bzw. humorale Abstoßung) als auch Alloantigen-unabhängige Faktoren (z. B. Hyperfiltration, Hypertonie, diabetische Stoffwechsellage, Ischämie-/Reperfusionsschaden, Spenderalter, medikamentös toxischer Schaden, Infektionen, thrombotische Mikroangiopathie etc.) beteiligt sein können (Heemann et al., NDT 2013). Die tubulointerstitielle Entzündung nimmt dabei eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Protein urie nach NTx ein, wobei die Proteinurie selbst den interstitiellen Entzündungsprozess fördert bzw. perpetuiert (Circulus vitiosus). Grundsätzlich kann die Art der Proteinurie (tubulär u./o. glomerulär) nicht eindeutig über die zugrunde liegende Ursache Auskunft geben, da zahlreiche Noxen verschiedene Parenchymabschnitte in unterschiedlichem Ausmaß schädigen können (Ponticelli et al., Transplant Int. 2012). Die vielfach beschriebene Assoziation zwischen mTOR-InhibitorEinsatz und einer Proteinurie nach NTx ist ursächlich nur bedingt verstanden. Grundsätzlich werden zwei Situationen unterschieden: 1.Eine Proteinurie, die nach Umstellung einer Calcineurinin hibitor-(CNI)-basierten auf eine mTOR-Inhibitor-basierte Immunsuppression auftritt, wird primär auf geänderte hämo dynamische Verhältnisse, d. h. eine erhöhte glomeruläre Durchblutung bzw. Hyperfiltration nach CNI-Entzug, zurückgeführt (Letavernier et al., Transplantation 2005). 2. Die Entstehung einer Proteinurie bei primärem mTOR-Inhibitor Einsatz, d. h. ohne vorangegangene CNI-Verwendung, ist ursächlich wenig verstanden und wurde unter anderem auf eine gesteigerte VEGF-Expression zurückgeführt (Verhave et al., Clin Transplant 2014). In einer retrospektiven Studie der German Sirolimus Study Group kam es nach Konversion auf eine Sirolimus-basierte Immunsuppression bei 36 % der Patienten zum erstmaligen Auftreten einer Proteinurie trotz hohem Anteil an verwendeter RAAS-Blockade, wobei sowohl Patienten mit bereits vorhandener Proteinurie als auch neu aufgetrete ner Proteinurie nach Umstellung auf Sirolimus im Vergleich zu nicht proteinurischen Patienten ein schlechteres Transplantat überleben aufwiesen (German Sirolimus Study Group, Clin Transplant 2014). In einer weiteren retrospektiven Analyse konnte darüber hinaus ein dosisabhängiger Effekt von Everolimus auf das Ausmaß der Proteinurie nach NTx gezeigt werden (Wiseman et al., Am J Transplant 2013). Prospektive Daten über die Bedeutung der mTOR-Inhibitor-assoziierten Protein urie auf das Transplantatüberleben fehlen jedoch bislang. Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch postrenale Ursachen (Blutungen, Harnwegsinfekte, etc.) sowie andere transiente Faktoren (Fieber, körperliche Belastung, etc.) – analog zu Nieren gesunden – zu passagerer Proteinurie nach NTx führen können. ˘ 7 FOCUS NEPHRO Script Histologische Korrelation Das Ausmaß der Proteinurie nach NTx korreliert nur begrenzt mit den zugrunde liegenden histologischen Veränderungen, w elche in aller Regel den klinischen Zeichen der Transplantatschädigung (z. B. GFR-Abfall u./o. Proteinurie) vorausgehen. Bei > 600 NTx-Patienten konnte gezeigt werden, dass bei einer Proteinurie < 1.500 mg/ Tag 1 Jahr nach NTx weder anhand der Proteinmenge noch mittels spezifischer Proteinanalysen statistisch zwischen verschiedenen renalen Pathologien (CAN/IFTA, akute Abstoßung oder Gefäßpathologie) bzw. unauffälliger Histologie (in 36% der Protokoll biopsien vorliegend) unterschieden werden kann. Allerdings lag bei einer Proteinurie > 1.500 mg/Tag in 80 % der Fälle eine bioptisch nachweisbare glomeruläre Pathologie vor (Amer et al., Am J Transplant 2007). Unabhängig vom Ausmaß der Eiweißausscheidung stellt CAN mit 41 % die häufigste histologische Diagnose bei einer Proteinurie nach NTx dar, gefolgt von IgA-Nephropathie mit 16 % sowie akuter und chronischer Abstoßung mit je ca. 10 %. Insgesamt nimmt mit zunehmender Proteinurie der Anteil spezifisch glomerulärer Erkrankungen (wie IGA-Nephropathie und FSGS) zu. Immunologischen Prozessen scheint dabei eine besondere Bedeutung zuzukommen, da eine neu auftretende Proteinurie nach NTx in 96 % der Fälle mit zumindest einer immunologischen Läsion in der Transplantatbiopsie (am häufigsten interstitielle Inflammation, aber auch C4d-Ablagerung, glomeruläre C3-Ablagerung, Tubulitis, glomeruläre Doppelkonturen, Glomerulitis oder intimale Arteritis) einhergeht (Sun et al., Plos One 2012). Prognostische Relevanz Die Proteinurie ist ein etablierter Marker für die Progression chronischer Nierenerkrankungen in der nicht-transplantierten Population. Aufgrund anzunehmender Transplantat(vor)schädigung werden nierentransplantierte Patienten per se (GFR-unabhängig) der chronisch nierenkranken Population zugeordnet (KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and M anagement of Chronic Kidney Disease, Kidney Int 2012). Diesbezüglich konnten Busca et al. bei 231 Patienten zeigen, dass die richtlinengemäße KDIGO-Risikostratifizierung (anhand von GFR und Albumin urie) auch im NTx-Kollektiv mit dem Transplantatüberleben unabhängig assoziiert ist (Busca et al., Int Urol Nephrol 2014). Zahlreiche Assoziationsstudien haben einen unabhängigen, negativen Zusammenhang zwischen der Proteinurie und Transplantat- bzw. Patientenüberleben gezeigt (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Bereits ein geringer Anstieg der Proteinurie ist – GFRunabhängig – mit Transplantatversagen assoziiert (Amer et al., JASN 2009). Roodnat konnte zeigen, dass pro g/Tag Protein urieanstieg das Patientenüberleben um 16 % abnimmt (Roodnat et al., Transplantation 2001). Im Unterschied zu Serumkreatinin ist eine Proteinurie > 500 mg/Tag 2 Jahre nach NTx der w ichtigste unabhängige Prädiktor für das Patientenüberleben (HR 3,30) (Cantarovich et al., Clin Transplant 2010). Auch korreliert eine Proteinurie > 200 mg/g nach akuten Abstoßungsepisoden (in dieser Studie im Mittel 6 Monate nach NTx auftretend) signifi8 kant mit Transplantatfunktion und -überleben (Oblak et al., Transplant Proc 2013). Unabhängig von der verwendeten Methode (24-h-Harnsammlung bzw. PCR/ACR aus dem Spotharn) sind sowohl die Proteinurie als auch die Albuminurie gleichwertige Prädiktoren für das Transplantatüberleben. Der orientierende Screeningtest mittels Albustix® korreliert ebenfalls mit dem Transplantatüberleben, ist den zuvor genannten Methoden jedoch in Sachen Sensitivität und Spezifität unterlegen (Panek et al., NDT 2011). Das niedermolekulare Retinol-bindende Protein (RbP) gilt als bester unabhängiger Prädiktor für das Transplantatüberleben, da es nicht nur bei glomerulärer Proteinurie, sondern auch bei isoliert tubulärer Proteinurie (d. h. in der normoalbuminurischen Subgruppe) statistisch signifikant mit dem Transplantat überleben assoziiert ist (Amer et al., Am J Transplant 2013). Das Vorhandensein von interstitieller Inflammation sowie tubulärer Atrophie ist bei proteinurischen Patienten ein unabhängiger Prädiktor für schlechteres Transplantatüberleben (Sun et al., Plos One 2012). Diese Ergebnisse weisen erneut auf die Bedeutung des tubulointerstitiellen Schadens für die Transplantatprognose hin. Management Die aktuellen KDIGO-Richtlinien empfehlen im ersten Monat nach NTx mindestens eine Harneiweißkontrolle, bei vorbekannter fokal segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) sollten davon abweichend in der ersten Woche tägliche bzw. im ersten Monat nach NTx wöchentliche Kontrollen erfolgen. Im Anschluss daran werden im ersten Jahr 3 monatliche bzw. ab dem ersten Jahr nach NTx zumindest jährliche Kontrollintervalle empfohlen. Generell wird ein Proteinurie-Screening mittels ACR/PCR-Bestimmung aus dem Spoturin empfohlen, wobei positive Befunde stets mittels 24-h-Sammelharn-Diagnostik verifiziert werden sollten. Basierend auf der aktuelle Studienlage und der potenziellen therapeutischen Relevanz sollte jede neu aufgetretenen Proteinurie > 300 mg /Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > 3.000 mg/Tag als Zeichen einer möglichen Transplantatpathologie interpretiert und daher möglichst rasch bioptisch abgeklärt werden. Davon abweichend empfehlen manche Autoren bereits ab einer unklaren, persistierenden Proteinurie > 1.500 mg/Tag eine histologische Aufarbeitung, da über dieser Grenze in über 80 % der Fälle eine glomeruläre Pathologie nachweisbar ist (Amer et al., Am J Transplant 2007). Die Diskussion spezifischer Therapien von zugrunde liegenden Transplantatpathologien überschreitet den Rahmen dieses Übersichtsartikels, im Folgenden soll jedoch kurz auf allgemeine, basistherapeutische Aspekte der Proteinurietherapie nach NTx eingegangen werden. Diese unspezifischen Maßnahmen umfassen sowohl medikamentöse als auch Lifestyle-modifizierende Maßnahmen zur RR- und Lipidkontrolle, Restriktion des Kochsalzkonsums, Anstreben des idealen Körpergewichts sowie Nikotin karenz. Aufgrund ihres unspezifischen, Proteinurie-senkenden Effekts sollten diese Maßnahmen auch bei einer Proteinurie nach NTx Anwendung finden, wenngleich die zugrunde liegenden Pathologien (z. B. bei akuter Abstoßung) dadurch nicht ursächlich beeinflusst werden. Trotz hoher Hypertonieprävalenz von bis zu FOCUS 75 % nach NTx (Cross et al., Transplantation 2009) liegen bis heute keine randomisiert-kontrollierten Studien zur optimalen Blutdruckkontrolle in diesem Patientenkollektiv vor. Die aktuellen KDIGO-Richtlinien empfehlen Zielwerte < 130/80 mmHg und geben in Hinblick auf anzuwendende Substanzklassen keine spezifische Empfehlung ab, sofern die Proteinurie 1 g/Tag nicht überschreitet. Bei einer Proteinurie > 1 g/Tag sollten präferenziell ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker zur RR-Therapie eingesetzt werden (Evidenz der Empfehlung „not graded“!). Darüber hinaus ist auch die Evidenz für den blutdruckunabhängigen Einsatz einer RAAS-Blockade zur Proteinuriereduktion nach NTx bei Fehlen von positiven randomisiert kontrollierten Studien sowie einer kontroversen retrospektiven Studienlage gering (Weir et al., JASN 2015, Opelz et al., JASN 2006, Heinze et al., JASN 2006, Shin et al., Transplantation 2015). Auch wenn durch RAASBlockade eine Reduktion der Proteinurie nach NTx möglich erscheint (Hiremath et al., Am J Transplant 2007), konnte bislang – im Unterschied zu nicht-transplantierten Patienten mit diabetischer Nephropathie – kein therapeutischer Benefit dieser Intervention auf Patienten- oder Transplantatüberleben im nieren transplantierten Patientenkollektiv gezeigt werden. In einer rezent erschienenen randomisiert kontrollierten Multicenterstudie zeigte eine RAAS-Blockade mit Ramipril bei 213 proteinurischen NTxPatienten keinen Vorteil hinsichtlich des kombinierten Endpunktes (GFR-Abfall, Dialysenotwendigkeit oder Tod) nach 4-jähriger Beobachtungsphase im Vergleich zur Placebotherapie bei jedoch NEPHRO Script insgesamt erhöhter Nebenwirkungsrate in der Verumgruppe (Knoll et al., Lancet Diabetes & Endocrinology 2015). In diesem Zusammenhang wurde bereits über einen möglichen negativen Effekt der RAAS-Blockade auf Hämoglobinwert und GFR nach NTx berichtet (Okumi et al., Clin Exp Nephrol 2011). In einer Metaanalyse von de Borst wurde eine 16%ige Reduktion der Proteinurie durch den Einsatz von aktiven Vitamin-D-Analoga bei nichttransplantierten Patienten gezeigt (de Borst et al., J Am Soc Nephrol 2013), eine Bestätigung im nierentransplantierten Kollektiv ist jedoch bislang ausständig. Die Substitution von oralem Calcidiol bei 25-OH-Vitamin-D-Mangel (< 30 ng/ml) konnte im 1-jährigen Beobachtungszeitraum das Ausmaß der Proteinurie bzw. Albuminurie nach NTx jedenfalls nicht beeinflussen (Kanter Berga et al., Transplant Proc 2010). RESÜMEE: Eine Proteinurie tritt häufig nach NTx auf und ist dabei mit erniedrigtem Patienten- und Transplantatüberleben assoziiert. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Pathologien sollte jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag nach Nierentransplantation zeitnah bioptisch abgeklärt werden, um potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen. M echanismen der Proteinurieentstehung nach NTx, insbesondere die Rolle der tubulointerstitiellen Inflammation, bedürfen weiterer Aufklärung, um die derzeit noch limitierten therapeutischen Optionen zu erweitern. ■ Fachkurzinformation siehe Seite 24 9 NEPHRO Script FOCUS nach NTx wird empfohlen. uu Bei DSA-Nachweis wird eine Nierenbiopsie empfohlen. uu Die Frage nach der optimalen immunsuppressiven Therapie bleibt aber letztendlich offen. uu DSA-Screening Donor-spezifische Antikörper (DSA) Umgang mit positivem DSA-Befund nach Nierentransplantation 10 Foto: privat D SA (Donor-spezifische Antikörper) sind alloreakStudien, > 2.500 Patienten) war das relative Risiko für tive Antikörper, die gegen Epitope des Transplaneine Antikörper-mediierte Abstoßung bzw. den Transtats gerichtet sind. Die Detektion von DSA ist plantatverlust um ca. 3,8- bzw. 1,7-fach erhöht bei erst seit Etablierung von Festphase-Tests (Solid Phase Patienten mit dnDSA-Nachweis.11 In derselben Studie Assays – SPA) und der damit möglichen Messung von blieb das Risiko auch bei negativem FACS-XM signiAlloreaktivität gegen Einzel-Antigene möglich geworfikant erhöht. Ähnliche Ergebnisse wurden durch den. Der Vollständigkeit halber sei hier bereits erwähnt, Assoc. Prof. Dr. Hannes Wiebe im selben Jahr publiziert (50 % TransplantatNeuwirt, PhD dass die Definition von dnDSA (dn = de novo) in den verlust nach 11 Jahren vs. 5 % in der DSA-negativen Univ.-Klinik für Innere meisten Studien unterschiedlich gewählt wurde, da Medizin IV – Nephrologie Kohorte), wobei hier auch präformierte und De-novohäufig verschiedene Detektionsprotokolle verwendet Anti-HLA-Antikörper (nicht donor-spezifisch) erfasst und Hypertensiologie, und auch nicht durchgängig Seren vergangener Jahre Medizinische Universität wurden. Beide letzteren waren über einen BeobachtungsInnsbruck getestet wurden. Je nachdem, ob diese gegen HLAzeitraum von 11 Jahren nicht signifikant unterschiedlich oder Nicht-HLA-Moleküle gerichtet sind, wird auch zur Kontrollgruppe ohne Antikörpernachweis.10 Im hier nochmals eine Unterscheidung getroffen. Innerhalb der AntiVergleich zu Anti-HLA-Klasse I sind Anti-HLA-Klasse-II-dnDSA HLA-Antikörper lässt sich auch Antikörper gegen HLA-Klasse I, mit einer schlechteren Prognose assoziiert.2, 12 Hirai et al.13 unterII oder beide (I + II) differenzieren. Nach dem zeitlichen A uftreten suchten in einer Kohorte von ca. 330 Patienten die HLA-Epitope, werden präformierte von nach der Transplantation neu aufgetregegen welche die dnDSA gerichtet waren. In 66 % war HLA-DQ tenen (dn) unterschieden. Rezent wurde auch ein Testkit zur das Zielepitop, während HLA-Klasse-I- bzw. HLA-Klasse-II- Messung der Komplementsystem-Aktivierung etabliert; dazu wird Epitope signifikant unterrepräsentiert waren. die Bindungsfähigkeit der Antikörper von C1q nachgewiesen. Dementsprechend ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, DSA Risikofaktoren für das zu charakterisieren. Gleichzeitig verkompliziert diese Möglichkeit Auftreten von De-novo-DSA aufgrund der unterschiedlichen Klassifikationen der DSA in den Studien den einfachen Vergleich bzw. die Beurteilung der kliRisikofaktoren für das Auftreten von dnDSA sind Retransplannischen Bedeutung für den Einzelpatienten. tation, höherer HLA-Mismatch (v. a. Klasse II), junges Empfänger alter, CMV-Infektionen, Non-Adherence und der Gebrauch von Everolimus (im Vergleich zu Cyclosporin A [CsA]) bzw. AzathiDSA und Transplantat-Überleben oprin (im Vergleich zu Mycophenolat-Mofetil [MMF]).10, 14–16 Obwohl einige wenige Studien keinen Unterschied im NierenDie Anwendung von Rituximab z. B. im Rahmen der Induktion transplantat-Überleben (NTx-ÜL) und dem Nachweis von dnDSA scheint einen hemmenden Effekt auf die dnDSA-Produktion post fanden1–3, zeigt die Mehrzahl der Publikationen einen negativen NTx zu haben.13, 17–19 Bei geringeren Abstoßungsraten ist in einer Effekt von dnDSA auf das NTx-ÜL4–10. In einer Metaanalyse (55 Studie das NTx-ÜL jedoch nicht unterschiedlich.20 Auch für die FOCUS Induktionstherapie mit ATG wurden ähnliche Daten publiziert und rezent zusammengefasst.21 Zeitlich gesehen sind sowohl spätes Auftreten (bei restriktiven Kriterien für „de novo“, z. B. median 4,6 Jahre nach NTx, nur 2 % Inzidenz nach 12 Monaten10) als auch relativ frühes Auftreten innerhalb der ersten Monate beschrieben worden. In einer Meta analyse an knapp 3.500 Patienten aus 11 Studien wurde im Median nach 25 Monaten in ca. 25 % der Patienten dnDSA n achgewiesen.22 Rezent wurde eine Studie publiziert, die sowohl den zeitlichen Zusammenhang als auch jenen zwischen Komplementbindung und NTx-ÜL untersuchte. Zusammengefasst sind ein früheres Auftreten und die C1q-Bindungsfähigkeit von dnDSA mit einem signifikant höheren Risikos für den Transplantatverlust verbunden.23 Testung und klinisches Management Foto: privat 2013 wurden Empfehlungen zur Testung und dem klinischen Management von HLA-(und Nicht-HLA-)Antikörpern publiziert.24 Neben dem klinisch orientierten Teil ist hier auch eine ausgezeichneter Überblick zu technischen Fragen zu finden. Das Patientenkollektiv wird stratifiziert in: 1. sehr hohes Risiko: Patienten, die nach einem Desensibilisierungsprotokoll transplantiert wurden 2. hohes Risiko: DSA-positiv, XM-negativ 3. mittleres Risiko: Z. n. Sensibilisierung gegen Donorantigene mit positivem CDC (Komplement-abhängige Zytolyse) oder SPA (Solid Phase Assay), aktuell aber negativ 4. niedriges Risiko: nicht sensibilisiert, 1. Transplantation Für die ersten beiden Gruppen wird eine Protokollbiopsie und DSA-Messung innerhalb der ersten 3 Monate empfohlen; für Gruppe 3 nur DSA-Messung im 1 Monat und für Gruppe 4 innerhalb der ersten 3–12 Monate. Bei jeder Umstellung der Immunsuppression (IS), Non-Adherence-Verdacht, Verschlechterung der Nierenfunktion sollten DSA gemessen werden. Werden im Verlauf DSA detektierbar, wird für alle Gruppen eine Nieren biopsie empfohlen; bei bestätigter Abstoßungsreaktion wird allgemein eine Erhöhung der IS empfohlen; bei fehlendem histologischem Korrelat wird keine Erniedrigung der IS empfohlen. Steigen DSA-Titer im Verlauf an, soll auch ohne laborchemisches bzw. histologisches Korrelat die IS erhöht werden. Eine routinemäßige DSA-Erfassung über das 1. Jahr post transplantationem hinaus wird nicht generell empfohlen. Bereits 2009 wurde gezeigt, dass eine Reduktion der DSA-Titer um > 50 % mit einer signifikant besseren Prognose hinsichtlich des NTx-ÜL assoziiert ist.25 Allerdings war die Studie zu klein, um aus den angewandten IS-Protokollen (verschiedene Kombinationen aus erhöhter IS, IVIG, Rituximab und Plasmapherese) eine Therapieempfehlung abzuleiten. Aus dem Genannten wird klar, dass viele der dnDSA-assoziierten Transplantatverluste wiederum mit modifizierbaren Risikofaktoren einhergehen. Ein solcher ist die „optimale“ IS nach NTx. Ein generelles Schema kann nicht empfohlen werden, aber einige grundlegende Über- NEPHRO Script legungen scheinen aus der Literatur heraus sinnvoll. Der protektive Effekt von Rituximab bzw. ATG wurde bereits genannt. Des Weiteren scheint Tacrolimus noch mehr als Cylcosporin A den mTOR-Inhibitoren im Sinne einer reduzierten dnDSA-Häufigkeit post NTx überlegen zu sein.10, 14–16, 23, 26 Aus Sicht des dnDSA-freien Überlebens ist die Kombination von Calcineurininhibitoren (CNI)/Rapamycin einer Kombination aus CNI/Mycophenolat (MPA) bzw. Rapamycin/MPA überlegen und die Höhe der IS zum Zeitpunkt Monat 6 nach NTx ein signifikanter R isikomarker.27 Ein interessantes Molekül scheint auch Belatacept zu sein. Mittels dieser Co-Stimulationsblockade konnte in den BENEFIT-Studien ein signifikant geringerer Anteil (> 50 % Reduktion) an DSApositiven Patienten im Vergleich zum Kontrollarm (Cylcosporin) gefunden werden.28–30 Ein ähnliches Ergebnis publizierte die Wiener Arbeitsgruppe in einer Fall-Kontroll-Studie.31 Auch bei einer Handtransplantatierten wurde eine DSA-Reduktion unter Belatacept publiziert.32 In Versuchstierstudien für beide Modelle wurden ähnliche Effekte gefunden.33, 34 Im Vergleich dazu sind die vorhandenen Daten zum Switch auf Belatacept und DSA rudimentär. Ein Case-Report zeigt bei einem hochimmunisierten NTxPatienten eine Reduktion der DSA um ca. 30 % nach Wechsel von Tacrolimus auf Belatacept.35 ZUSAMMENFASSUNG: Ein DSA-Screening sollte zumindest im 1. Jahr nach NTx durchgeführt werden. Danach wird ein Screening nur bei klinisch relevanten Ereignissen (Non-Adherence, Kreatinin anstieg, Umstellung der IS) empfohlen. Bei DSA-Nachweis sollte einer Nierenbiopsie durchgeführt werden. Je nach Befund wird eine Optimierung der IS empfohlen. Belatacept könnte eine s olche zusätzliche Optimierungsmöglichkeit sein. ■ Ginevri F., Am J Transplant 2012; 12: 3355–3362e Hidalgo L.G., Am J Transplant (2009) 9: 2532–2541 3 Li X., Transpl Int 2008; 21: 1145–1152 4 Lee P.C., Transplantation 2002; 74: 1192–1194 5 Terasaki P.I., Am J Transplant 2007; 7: 408–415 6 Campos E.F., Am J Transplant 2006; 6: 2316–2320 7 Hourmant M., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 2804–2812 8 Mizutani K., Am J Transplant 2005; 5: 2265–2272 9 Lachmann N., Transplantation 2009; 87: 1505–1513 10 Wiebe C., Am J Transplant 2012; 12: 1157–1167 11 Mohan S., J Am Soc Nephrol 2012; 23: 2061–2071 12 Loupy A., Nat Rev Nephrol 2012; 8: 348–357 13 Hirai T., Transplantation 2014; 98: 443–450 14 Malheiro J., Transpl Int 2016; 29: 173–183 15 Toyoda M., Transpl Immunol 1997; 5: 104–111 16 Morath C., J Immunol Res 2014; 845040 17 Zachary A.A., Transplantation 2013; 95: 701–704 18 Lynch R.J., Am J Transplant 2013; 13: 1713–1723 19 Kohei N., Am J Transplant 2012; 12: 469–476 20 van den Hoogen M.W., Am J Transplant 2013; 13: 192–196 21 Pascual J., Transplantation Reviews 2016; in press 22 Wiebe C., Curr Opin Organ Transplant 2013; 18: 470–477 23 Guidicelli G., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 615–625 24 Tait B.D., Transplantation 2013; 95: 19–47 25 Everly M.J., Am J Transplant 2009; 9: 1063–1071 26 Theruvath T.P., Transplantation 2001; 72: 77–83 27 Pelletier R.P., Clin Transplant 2015; 29: 1119–1127 28 Pestana J.O., Am J Transplant 2012; 12: 630–639 29 Vincenti F., Am J Transplant 2012; 210–217 30 Vincenti F., N Engl J Med 2016; 374: 333–343 31 Schwarz C., Transpl Int 2015; 28: 820–827 32 Cendales L., Am J Transplant 2015; 15: 2250–2255 33 Freitas A.M., Am J Transplant 2015; 15: 2240–2249 34 Kim E.J., Am J Transplant 2014; 14: 59–69 35 Gupta G., Am J Transplant 2015; 2726–2731 1 2 11 FOCUS NEPHRO Script uu Bis zu 40 % der Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien (ECD) werden schlussendlich nicht transplantiert. Strategien wie Doppelnieren transplantationen sollen die Akzeptanzrate erhöhen. uu Histologischer Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe, ob ein Organ für eine Einzelnierentransplantation, eine Doppelnierentransplantation oder für eine Transplantation gar nicht in Betracht gezogen werden sollte. Optimierung des Spenderpools Der Remuzzi-Score: Implikation für die Doppelnierentransplantation I Doppelnieren-TX zur Erhöhung der EDC-Akzeptanz Solche Spender umfassen jene, welche älter als 60 Jahre sind, oder zwischen 50 und 60 Jahre alt sind und mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllen: Hypertonie in der Vorgeschichte, ein zerebrovaskuläres Ereignis als Todesursache oder ein Serumkreatinin von 1,5 mg/dl.1, 2 Um die Erfolgsraten im Bezug auf Transplantatüberleben zu erhöhen und um die Akzeptanzrate von Nieren von ECD zu erhöhen, wurde die Doppelnierentransplantation eingeführt. Dabei gilt es zu beachten, dass in den USA die Ablehnungsrate von ECDNieren auch heute noch bei über 40 % liegt. Wobei gezeigt w erden konnte, dass als Entscheidungshilfe hierfür die histologische Aufarbeitung von Gewebeproben als auch die gemessenen Parameter von Perfusionsmaschinen genannt werden.1 In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass sich damit nicht nur die Akzeptanzrate von ECD-Nieren erhöhen lässt, sondern auch dass vergleichbar gute Ergebnisse erzielt werden können.3 Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe In den darauffolgenden Jahren wurde nach Entscheidungshilfen gesucht, welche in der klinischen Routine helfen zu differenzieren, welche ECD-Niere als Einzelniere, welche als Doppelnieren und welche gar nicht transplantiert werden sollte. Die wohl vielversprechendste Strategie wurde von Remuzzi et al. 2006 im „New 12 Dr. Rupert Oberhuber KoautorInnen: Dr. Annemarie Weißenbacher, ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck England Journal of Medicine“ präsentiert. Die Autoren definieren einen histologischen Score, welcher vor der Implantation erhoben wird. Der Score quantifiziert Veränderungen in folgenden 4 unter schiedlichen Kompartimenten der Niere: Gefäße, Glomeruli, Tubuli und Interstitium und vergibt jeweils Score-Werte von 0–3. Nieren mit einem Gesamtscore von 0–3 werden laut den Autoren als geeignet für eine Einzelnierentransplantation und Nieren mit einem Gesamtscore zwischen 4–6 als geeignet für eine Doppelnierentransplantation eingestuft. Nieren mit Score-Werten über 7 sollten für einen Transplantation nicht in Betracht gezogen werden. Die Autoren berichten über ein exzellentes 3-JahresTransplantatüberleben von ECD-Nieren, welche für eine Doppel nierentransplantation verwendet wurden. Das Transplantatüberleben ist laut den Autoren mit jenem von Einzelnieren mit einem deutlich bessern Remuzzi-Score vergleichbar.4–6 In den USA werden aktuell bis zu 40 % der ECD-Nieren nicht transplantiert. Durch die Verwendung eines standardisierten Beurteilungsmusters von Nierenbiopsien kann die Ablehnungsrate von ECD-Nieren deutlich reduziert werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ca. 20 % dieser Nieren, abhängig vom Ergebnis der histologischen Untersuchung, als Doppelnieren transplantiert werden, kann durch das von den Autoren propagierte Foto: privat n den letzten Jahren wurden die Spanne zwischen zur Verfügung stehenden Organen und Patienten, welche auf Wartelisten auf eine Transplantation warten, immer größer. Die Transplantation von Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien (Expanded Criteria Donors – ECD) hat sich als vielversprechende Strategie etabliert, um diesem Dilemma entgegenzuwirken. FOCUS NEPHRO Script Vorgehen die gesamt Zahl an realisierten Nierentransplantationen um ca. 4 % erhöht werden.7 Doppelnierentransplantationsgruppe nicht vom Remuzzi-Score zum Zeitpunkt der Transplantation abhängig.5, 7 Histologische Technik ZUSAMMENFASSEND kann gesagt werde, dass Strategien, welche Ursprünglich entwickelt und validiert wurde der Remuzzi-Score an in Formalin fixiertem Gewebe nach Färbung mit Hämatoxylin und Eosin. Hier muss einschränkend erwähnt werde, dass ein solches Vorgehen zwar die besten Ergebnisse im Bezug auf Färbungsqualität liefert, in der klinischen Routine aufgrund der langen Dauer der Probenaufarbeitung nur schwer umsetzbar scheint. Selbst in spezialisierten Zentren unter Studienbedingungen d auert eine solche Aufarbeitung und histologische Befundung zwischen 3 und 4 Stunden. Eine mögliche Alternative könnte die Verwendung der Gefrierschnitttechnik darstellen. Dadurch kann die Zeit von Proben entnahme bis zum Vorliegen des Ergebnisses deutlich reduziert werden. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass eine Validierung des Remuzzi-Scores an Gefrierschnitten bis heute noch nicht erfolgt ist. es uns ermöglichen, den Spenderpool optimal zu nutzen, sehr wünschenswert sind. Das Verwenden von ECD-Nieren kann eine mögliche Strategie hierfür darstellen. Falls ECD-Nieren für eine Einzelnierentransplantation als nicht geeignet eingestuft werden, kann eine Doppelnierentransplantation eine mögliche Alternative darstellen. Als Entscheidungshilfe hierfür wird in vielen Zentren eine histologische Evaluierung vor der Implantation durchgeführt. Die Beurteilung erfolgt vielfach in Analogie zum Remuzzi-Score, wobei in den letzten Jahren gezeigt wurde, dass nur Nieren mit einem hohen Remuzzi-Score von 5–6 für eine Doppelnierentransplantation verwendet werden sollten. Daher scheint es erforderlich, bei der Entscheidung für eine Doppelnierentransplantation sämtliche klinischen Parameter und nicht nur das Ergebnis der Histologie vor Implantation zu berücksichtigen. ■ Israni A.K. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: deceased organ donation. Am J Transplant 2014; 14 (Suppl. 1): 167–83 2 Matas A.J. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: kidney. Am J Transplant 2014; 14 (Suppl. 1): 11–44 3 Gandolfini I. et al.: The Kidney Donor Profile Index (KDPI) of marginal donors allocated by standardized pretransplant donor biopsy assessment: distribution and association with graft outcomes. Am J Transplant 2014; 14: 2515–25 4 Remuzzi G. et al.: Early experience with dual kidney transplantation in adults using expanded donor criteria. Double Kidney Transplant Group (DKG). J Am Soc Nephrol 1999; 10: 2591–8 5 Remuzzi G. et al.: Long-term outcome of renal transplantation from older donors. N Engl J Med 2006; 354: 343–52 6 Sagasta A. et al.: Preimplantation analysis of kidney biopsies from expanded criteria donors: testing the accuracy of frozen section technique and the adequacy of their assessment by on-call pathologists. Transpl Int 2015 7 Grifasi C. et al.: Can only histological evaluation determine the allocation of ECD kidneys? BMC Nephrol 2014; 15: 207 1 Welcher Cut-off? Im Unterschied zum von Remuzzi et al. propagierten Vorgehen, Nieren mit einem Score von ≥ 4 nicht mehr als Einzelnieren zu transplantieren, konnte Fernandez-Lorente et al. zeigen, dass das Langzeit-Transplantatüberleben in ihrer „Old for old“-Kohorte zwischen Nieren mit einem Remuzzi-Score von 3 sich nicht statistisch signifikant von jenem mit einem Remuzzi-Score von 4 unterscheidet, auch wenn eine Einzelnierentransplantation durchgeführt wurde. Weiters ist das Transplantatüberleben in der Foto: privat OFFENLEGUNG GEMÄSS §25 MEDIENGESETZ: Verlag: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Geschäftsführer: Mag. Wolfgang Maierhofer. Inhaber: 50 % P&V Holding AG, 45 % Wolfgang M aierhofer Privatstiftung, 5 % Mag. Gabriele Jerlich. Gegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Medien aller Art. Medien inhaber: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Redaktion: Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Hersteller: Donau Forum Druck Ges.m.b.H., Wien. IMPRESSUM Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta, Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch. Chefredakteur: Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Graz. Anzeigen/Organisation: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projektleitung: Elisabeth Hönigschnabel. Produktion: Sigrid Redl. Redaktion/Lektorat: Peter Lex. Layout/DTP: Katharina Blieberger. Cover: aodaodaodaod – shutterstock.com. Druck: Donau Forum Druck, 1230 Wien. Druckauflage: 7.400 Stück im 2. Halbjahr 2015 laut Österreichischer Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von 9,50 Euro plus MwSt. zu beziehen. Grundsätze und Ziele von N EPHROScript: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, A pplikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Entgeltliche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber k einerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Der besseren Lesbarkeit halber werden die Personenund Berufsbezeichnungen nur in einer Form verwendet. Sie sind natürlich gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum. 13 NEPHRO Script FOCUS uu Akutes Nierenversagen (AKI) wird klinisch über einen Anstieg des Serumkreatinins und die Abnahme der Harnausscheidung definiert. uu Pathogenese: endotheliale Dysfunktion, Änderungen im renalen Blutfluss, Inflammation mit gleichzeitig ablaufenden Reparaturmechanismen. Neues zu Diagnostik, Pathogenese und Therapie Akutes Nierenversagen A Die überarbeiteten AKIN-Kriterien verzichteten auf die GFR als Klassifikationskriterium, fügten jedoch eine absolute Zunahme des Serumkreatinins von ≥ 0,3 mg/dl in 48 h hinzu. Dies beruhte auf epidemiologischen Daten, welche eine 80%ige Zunahme im Mortalitätsrisiko bei relativ geringen SerumkreatininDefinition Dr. Alexander Kirsch anstiegen innerhalb kurzer Zeit gezeigt hatten.1, 4 Klinische Abteilung für Das akute Nierenversagen ist als abrupter Rückgang 2012 modifizierten die KDIGO AKI Guidelines die Nephrologie, der Nierenfunktion mit daraus resultierender RetenRIFLE- und AKIN-Kriterien (Tab.), wobei die AKINUniversitätsklinik für tion harnpflichtiger Substanzen und Regulations Stadien sowie der Zeitraum für einen absoluten KreInnere Medizin, Medizinische Universität störungen des Extrazellulärvolumens und Elektrolytatininanstieg ≥ 0.3 mg/dl b eibehalten wurden, während Graz haushalts definiert. Im englischen Sprachraum hat die der Zeitraum für einen 50%igen Kreatininanstieg in Bezeichnung Acute Kidney Injury (AKI) den vorher Anlehnung an die RIFLE-Kriterien mit 7 Tagen festüblichen Terminus Acute Renal Failure weitgehend ersetzt.2 Dieser gelegt wurde.7 Wandel reflektiert die Erkenntnis, dass auch nierenschädigende Die Nützlichkeit dieser Klassifikationssysteme liegt vor allem in Ereignisse, welche oft nur einen sehr geringen und mitunter gar der Definition von Ein- und Ausschlusskriterien oder Outcomes keinen messbaren Kreatininanstieg nach sich ziehen, bereits mit im Rahmen klinischer Studien. Trotz einer Vielzahl publizierter einem deutlich erhöhten Risiko für die diversen Folgen eines AKI AKI-Marker (siehe unten) mit höherer Sensitivität vor allem für 1, 3, 4 einhergehen. subklinisches AKI hat sich hier jedoch noch kein einzelner Marker Der Ausdruck Acute Kidney Disease (AKD) wurde zudem einoder neues Klassifikationssystem klinisch durchgesetzt. geführt, um die Gruppe von Patienten zu erfassen, deren Nierenfunktion(sveränderung) noch keine Zuordnung zu AKI Biomarker des AKI: Nicht zuletzt aufgrund der hohen Morbidität oder Chronic Kidney Disease (CKD) zulässt. und Mortalität durch AKI hat sich die Forschung im Bereich von hochsensitiven und zugleich relativ spezifischen Biomarkern für AKI deutlich intensiviert. Seit dem ersten Bericht über den präKlassifikation und Diagnosekriterien diktiven Wert von Neutrophil Gelatinase-associated Lipocalin Alle Klassifikations- bzw. Diagnosekriterien für AKI beruhen auf (NGAL) bei pädiatrischen Herzchirurgie-Patienten8 wurde ein dem Serumkreatinin und der Harnausscheidung, wobei in den gutes Dutzend weiterer Marker im Blut und Urin auf der Suche RIFLE-Kriterien noch die (berechnete) GFR hinzukam.5 Die Einnach dem „Troponin der Niere“ mehr oder weniger gut unterbeziehung der GFR erwies sich in späteren Arbeiten als problemasucht.9 NGAL als mit Abstand am besten untersuchter Biomarker tisch, da weithin gebräuchliche Formeln zur Berechnung der GFR wird von geschädigten Tubulusepithelzellen, aber auch von infilauf dem Kreatininwert im „steady state“ basieren und somit im trierenden neutrophilen Granulozyten und einigen anderen GeAKI nicht anzuwenden sind. Außerdem ergaben sich signifikante weben unter inflammatorischen Bedingungen gebildet, und zeigte Unterschiede im relativen Mortalitätsrisiko zwischen den RIFLEbis jetzt gemischte Resultate. Vor allem die nicht mögliche Unter Stadien berechnet anhand des Serumkreatinins oder der Harnausscheidung von renal und extrarenal gebildeten Formen hat die scheidung, was eine relativ schlechte Kalibrierung dieser beiden routinemäßige Verwendung dieses Biomarkers in der klinischen Messgrößen nahelegte. Nichtsdestotrotz zeigte sich in mehreren Praxis bis jetzt hinausgezögert.10 Arbeiten eine gute Korrelation der AKI-Stadien nach den RIFLEAmbitionierte epidemiologische Ansätze versuchen anhand 6 Kriterien mit dem Outcome, vor allem mit der Mortalität. von in Kohorten entwickelten Gleichungen, Patienten zu ˘ 14 Foto: privat kutes Nierenversagen ist ein häufiges, in seiner Inzidenz zunehmendes Krankheitsbild und mit bedeutender Morbidität, Mortalität und Belas tungen für Gesundheitssysteme assoziiert.1 15 Foto: privat FOCUS NEPHRO Script Tab.: KDIGO-AKI-Kriterien des akuten Nierenversagens i dentifizieren, welche im weiteren Verlauf eine AKI-Episode entwickeln könnten. Rezent wurde eine in einer kanadischen Kohorte entwickelte Gleichung multinational bei mehr als 700.000 Patienten validiert und erzielte eine exzellente Diskriminierung.11 Inwieweit solche Ansätze die klinische Entscheidungsfindung beeinflussen, bleibt abzuwarten. Definition Ätiologie Am Krankenbett lässt sich die genaue Ätiologie eines AKI vor allem beim multimorbiden Patienten mit gleichzeitig bestehendem arteriellen Hypotonus, der Gabe von nephrotoxischen Substanzen und eventuell vorbestehender CKD oft nicht präzise eingrenzen. Die Pathogenese des ischämischen AKI, welche hier stellvertretend umrissen werden soll, ist mechanistisch-experimentell am besten verstanden. Hierbei ist es jedoch wichtig zu betonen, dass ischämische Mechanismen nicht nur beim klassischen prärenalen AKI bei z. B. Hypotonus oder Kreislaufstillstand eine Rolle spielen, sondern verschiedenste Formen des AKI wie das medikamentös induzierte AKI (Kalzineurininhibitoren, NSAR), das hepatorenale Syndrom, das kardiorenale Syndrom oder Vaskulitiden zu lokalen Veränderungen des renalen Blutflusses (RBF) und damit zu Schädigungen führen.12 Eine zentrale Rolle bei der weiteren Pathogenese kommt dem Endothel zu. Postischämisch kommt es zu einem deutlich verstärkten Ansprechen auf verschiedenste vasokonstriktorische Substanzen (Prostaglandine, Endothelin-1, Angiotensin II) in den kleinen Arteriolen sowie zu einer deutlich verminderten Vasodilatation.13, 14 Die Expression verschiedenster Adhäsions moleküle beschleunigt die lokale Entzündungsreaktion und führt durch Beeinträchtigung der endothelialen Barriere zu Flüssigkeitsaustritt und zur Produktion verschiedenster vasoaktiver proinflammatorischer Zytokine, welche weiter hämodynamische Störungen begünstigen.15 Simultan kommt es zur Ausprägung einer zunächst lokalen, s päter systemischen Entzündungsreaktion: Geschädigte Tubuluszellen produzieren große Menge proinflammatorischer, leukozytoklastischer Moleküle (IL-6, IL-8, MCP-1, RANTES), exprimieren Toll-like-Rezeptoren (TLR) und Komplement-Rezeptoren und kostimulative Oberflächenmarker, mit denen die Ausprägung der späteren adaptiven Immunantwort beeinflusst wird.16–18 Im weiteren Verlauf kommt es zur Infiltration zunächst durch neutrophile Granulozyten, welche durch Degranulation weitere Gewebsschädigung verursachen, später folgen monozytäre Zellen und T-Zellen. Therapie Experimentelle Daten legen nahe, dass sich durch die Manipulation dieser Entzündungsvorgänge eine Verringerung der renalen Schädigung erreichen lässt19, 20, was jedoch bisher 16 Serumkreatinin-Anstieg ≥ 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder > 50 % innerhalb von 7 Tagen Serumkreatinin Harnausscheidung Stadium 1 Anstieg um 0,3 mg/dl oder 50 % < 0,5 ml/kg/h für > 6 h Stadium 2 Anstieg um > 100 % < 0,5 ml/kg/h für > 12 h Stadium 2 Anstieg um > 200 % < 0.3 ml/kg/h für ≥ 24 h oder Anurie für ≥ 12 h Nach: KDIGO, 20127 keinen Eingang in die klinische Praxis gefunden hat. Rezent konnte eine große Studie zeigen, dass die antiinflammatorische Therapie durch die perioperative Gabe von hochdosierten Statinen vor herzchirurgischen Eingriffen keinerlei Einfluss auf die AKI-Rate hatte.21 Ebenso wurde rezent berichtet, dass die peri operative Verabreichung von Methylprednisolon die Inzidenz von AKI bei Patienten mit kardiopulmonalem Bypass nicht verringert.22 RESÜMEE: AKI ist ein häufiges, mit bedeutender Morbidität und Mortalität assoziiertes Krankheitsbild. Die Diagnose stellt sich anhand der Serumkreatinin-Dynamik und Harnausscheidung, wobei hier oft prognostisch bedeutende, subklinische AKI un diagnostiziert bleiben können. Eine Reihe von Biomarkern, welche frühe subklinische AKI- Episoden detektieren, haben noch keine Verwendung in der klinischen Praxis gefunden. Pathogenetisch ist AKI ein Syndrom aus endothelialer Dysfunktion mit hämodynamischen Alterationen und Inflammation. Antiinflammatorische Therapieansätze blieben bis jetzt klinisch ohne überzeugende Erfolge. ■ Chertow G.M. et al., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 3365–3370 Ad-hoc working group of ERBP et al.: A European Renal Best Practice (ERBP) position statement on the Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) clinical practice guidelines on acute kidney injury: part 1: definitions, conservative management and contrastinduced nephropathy. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 4263–4272 3 Mehta R.L. & Chertow G.M., J Am Soc Nephrol 2003; 14: 2178–2187 4 Lassnigg A. et al., J Am Soc Nephrol 2004; 15: 1597–1605 5 Bellomo R. et al., Crit Care 2004 Aug; 8 (4): R204–12 6 Ricci Z. et al., Kidney Int 2008; 73: 538–546 7 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO). KDIGO clinical practice guidelines for acute kidney injury. Kidney Inter 2012; Suppl. 2: 1–138 8 Mishra J. et al., Lancet 2005; 365: 1231–1238 9 Bellomo R., Nat Rev Nephrol 2015; 11: 636–637 10 Mårtensson J. & Bellomo R., Blood Purif 2014; 37: 304–310 11 Tangri N. et al., JAMA 2016; 315; 164–174 12 Bonventre J. V. & Yang L., J Clin Invest 2011; 121: 4210–4221 13 Conger J., Adv Ren Replace Ther 1997; 4: 25–37 14 Kurata H. et al., Eur J Pharmacol 2005; 517: 232–239 15 Rabelink T.J. et al., Nat Rev Nephrol 2010; 6: 404–414 16 Wahl P. et al., J Am Soc Nephrol 2002; 13: 1517–1526 17 Wahl P. & Wüthrich R.P., Nephron Exp Nephrol 2004; 98: e31–8 18 Bonventre J.V. & Zuk A., Kidney Int 2004; 66: 480–485 19 Hochegger K. et al., Am J Physiol Renal Physiol 2007; 293: F741–7 20 Alikhan M.A. et al., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 706–714 21 Billings F.T. et al., JAMA 2016; 315: 877–888 22 Garg A.X. & Whitlock R.P.: Effect of Methylprednisolone on Acute Kidney Injury in Patients Undergoing Cardiac Surgery with Cardiopulmonary Bypass. Abstract presented at ASN Kidney Week 2015, San Diego 1 2 24 17 NEPHRO Script FOCUS uu Das akute Nierenversagen (AKI) ist nicht nur ein simples Organversagen, sondern ein systemisches proinflammatorisches, prooxidatives und kataboles Syndrom. uu Komplexe Pathomechanismen im „Crosstalk“ auf mehreren Ebenen: toxisch- urämische Folgen, lokale und systemische Inflammation, systemische Effekte einer Nieren ersatztherapie etc. uu Das AKI hat Einfluss auf nahezu alle biologischen Funktionen und Organsysteme des Körpers und beeinflusst wesentlich sowohl die Kurz- als auch Langzeitprognose eines Patienten. Pathomechanismen im komplexen „Crosstalk“ Akutes Nierenversagen als Risikofaktor (nicht nur) für CKD 18 Foto: privat D as Bild des akuten Nierenversagens reicht von einer dass neben den klassischen Komplikationen des Nieren minimalen Erhöhung des Serumkreatinins bis zum versagens andere Faktoren für das schlechte Outcome vollständigen Verlust der Nierenfunktion. Um des AKI verantwortlich sein müssen.5 Aus diesen dem breiten Spektrum dieses Krankheitsbildes gerecht Gründen hat das AKI in den letzten Jahrzehnten in zu werden, wurde 2007 in einer internationalen Konder Medizin einen grundlegenden Wandel vom einsensuskonferenz die Bezeichnung „akutes Nierenverfachen Organversagen hin zu einem systemischen proDr. Claudia Friedl sagen“ durch den Terminus „akute Nierenschädigung“ inflammatorischen, prooxidativen und katabolen SynKlinische Abteilung für (Acute Kidney Injury – AKI) ersetzt und die Diagnose drom erfahren, das Auswirkungen auf praktisch alle Nephrologie, kriterien neu definiert.1 Im deutschsprachigen Raum physiologischen Prozesse und Organfunktionen im Universitätsklinik für spricht man zwar weiterhin vom akuten Nierenversagen, Sinne einer „Distant Organ Injury“ hat. Damit ist das Innere Medizin, jedoch hat sich die Abkürzung „AKI“ durchgesetzt Medizinische Universität AKI nicht mehr nur als Indikator für einen ungüns Graz (hinsichtlich der aktuellen Definition und Stadien tigen Krankheitsverlauf zu sehen, sondern es beeinflusst einteilung des AKI sei auf den Beitrag von Alexander unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung Kirsch in dieser „NEPHROScript“-Ausgabe verwiesen). P rinzipiell den Krankheitsverlauf, die Ausbildung von Komplikationen und ist festzuhalten, dass das AKI ist ein weit verbreitetes klinisches die Prognose.4, 6 Problem mit steigender Inzidenz ist. Eine Metaanalyse mit 154 inkludierten Studien und insgesamt über 3 Millionen Patienten Systemische Folgen eines AKI ergab, dass jeder 5. Erwachsene und jedes 3. Kind im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts ein AKI entwickelt.2 Kritisch kranke Die Ursachen für die negativen Konsequenzen eines AKI auf den Patienten stellen eine besonders gefährdete Patientengruppe dar, Krankheitsverlauf und die Prognose unabhängig von der zugrunde durchschnittlich jeder zweite Intensivpatient entwickelt ein AKI liegenden Erkrankung sind darin zu suchen, dass das AKI nicht und es zeigt sich eine Sterblichkeitsrate von bis zu 50 %3. Diese ein Krankheitsprozess ist, der sich nur auf die Niere beschränkt extrem hohe Mortalität des AKI lässt sich jedoch nicht nur durch und mit den klassischen Komplikationen, wie z. B. Störungen das klassische Nierenversagen per se erklären, vielmehr scheinen des Volumen- und Elektrolythaushalts, einhergeht, sondern Einextrarenale Komplikationen im Rahmen eines AKI mit Schädifluss auf praktisch alle biologischen Prozesse und Organfunktionen gung von nierenfernen Organen für das schlechte Outcome verdes Körpers ausübt. Dieses Modell der „Distant Organ Injury“ antwortlich zu sein. Die Tatsache, dass der Einsatz von extrakorim Rahmen eines AKI wird vor allem von tierexperimentellen poralen Nierenersatzverfahren bei Intensivpatienten die M ortalität Daten gestützt. des AKI nur wesentlich verringert hat, unterstützt diese HypoPrinzipiell können die systemischen Folgen eines AKI pathophythese.4 In einer prospektiven Studie hatten ICU-Patienten mit siologisch 4 Gruppen zugeordnet werden, wobei diese nicht AKI im Vergleich zu ICU-Patienten mit vorbestehender ESRD unabhängig voneinander ablaufen, sondern eng miteinander eine signifikant höhere Mortalität, ein weiterer Hinweis dafür, verknüpft sind.4, 6, 7, 8 Foto: privat FOCUS 1. Systemische Auswirkungen des akut-urämischen Zustand: Das AKI hat neben Störungen des Volumen- und Elektrolythaushaltes ein breites Spektrum von toxisch-urämischen Folgen, wobei nahezu alle metabolischen und endokrinen Funktionen des Körpers betroffen sind. Es kommt zu Veränderungen im Kohlenhydrat-, Aminosäuren-, Protein- und Fettstoffwechsel. Die Folge sind zum Beispiel Stoffwechselstörungen wie die Insulinresistenz, Hyperlipidämie, Störung des zellulären Energiestoffwechsels und Beeinträchtigung der Immun kompetenz. 2. Auswirkungen vermittelt durch die geschädigte Niere selbst – Inflammation: Das AKI stellt einen Inflammationsprozess dar, eine Schädigung der Niere löst eine lokale Entzündungsantwort aus, es kommt zu einer Aktivierung von immunkompetenten Zellen (z. B. am Beginn vor allem Neutrophile, aber auch Lymphozyten und Makrophagen), Freisetzung von Entzündungsmediatoren und auch verstärkter Apoptose. Dieser lokale Entzündungsprozess kann in einen systemischen Prozess münden und so wesentlich zur Entwicklung der „Distant Organ Injury“ beitragen. In tierexperimentellen Studien waren bereits wenige Stunden nach Induktion eines AKI Dysfunktionen in „nierenfremden“ Geweben und Organen nachweisbar. 3. Niere als Modulator des zugrunde liegenden Krankheitsprozess: Die Niere spielt eine zentrale Rolle bei der ZytokinHomöostase, der Abbau von Zytokinen erfolgt im renalen Tubulussystem. Mit abnehmender Nierenfunktion kommt es zu einer Abnahme der renalen Zytokin-Clearance mit konsekutiver Zunahme der Plasmakonzentration. Es entsteht ein Circulus vitiosus mit Zunahme des systemischen Entzündungsprozesses und dadurch begünstigter Schädigung von „nierenfernen“ Organen. In klinischen Studien waren erhöhte Zytokinspiegel mit einem schlechteren Outcome bei vorliegendem AKI assoziiert. 4. Folgen der Nierenersatztherapie (RRT): Die RRT selbst hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf verschiedene bio logische Funktionen und Organe. Zu diesen zählen hämodynamische Instabilität, Verlust von Nährstoffen und Antioxidantien, Folgen der Bioinkompatibilität mit möglicher Zell- und Komplementaktivierung, vermehrte Thrombogenität, Induktion einer systemischen Entzündungsreaktion sowie die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen. Auch die verwendete Antikoagulation spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Während für das klassische unfraktionierte Heparin eine Reihe von Wirkungen gezeigt werden konnten, die diesen inflam matorischen Status unterstützen, scheint die Verwendung von Citrat durch Hemmung der Aktivierung von Thrombozyten, Granulozyten und dem Komplementsystem diesen durch die RRT induzierten Inflammationsprozess abzuschwächen. Auch Über- und Unterdosierung von Medikamenten infolge der veränderten Pharmakokinetik bei RRT können das Outcome zusätzlich negativ beeinflussen, vor allem die zu niedrige Dosierung von Antibiotika bei vorliegenden Infekten spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. NEPHRO Script Basierend auf diese oben genannten Mechanismen führen verschiedene komplexe Vorgänge im Rahmen eines AKI zur Schädigung von nierenfernen Organen wie Lunge, Herz, Leber, Darm, sodass das AKI als Motor für die Entwicklung eines Multiorganversagens gesehen werden kann. Prinzipiell ist festzuhalten, dass diese Wirkungen nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr ein „Organ-Crosstalk“ besteht.4, 6, 7, 8 Die systemischen Folgen eines AKI mit den zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind in der Abbildung zusammengefasst. Langzeitfolgen eines AKI Zusätzlich zu den o. g. unmittelbaren systemischen Folgen des AKI sind es vor allem auch die Langzeitfolgen, die die Prognose des Patienten wesentlich beeinflussen. Zahlreiche epidemiologische Studien konnten zeigen, dass das AKI mit der Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und eines terminalen Nierenversagens (End Stage Renal Disease – ESRD) assoziiert ist.9, 10 Exemplarisch sei hier die Studie von Ishani et al. erwähnt, in welcher die Daten von über 230.000 Patienten analysiert wurden. Patienten mit einem AKI und CKD hatten nach 2 Jahren das höchste Risiko, eine ESRD zu entwickeln (Hazard Ratio [HR] 41,2), gefolgt von jenen Patienten nur mit AKI (HR 13,0) und denen mit CKD ohne AKI (HR 8,4).11 In eine anderen Analyse von über 500.000 Patienten ging das dialysepflichtige AKI mit einem 28-fach höherem Risiko für die Progression zu einer CKD 4 oder 5 und einem 2-fach höherem Sterblichkeitsrisiko einher.12 Die Arbeitsgruppe Thakar et al. untersuchte den Zusammenhang zwischen dem wiederholten Auftreten eines AKI und der Entwicklung einer CKD 4 bei über 4.000 Diabetikern. Patienten mit AKI hatten ein 3,6-fach höheres Risiko, eine CKD 4 zu entwickeln, als jene ohne AKI. Jede AKI-Episode war mit einer Verdoppelung des Risikos für die Entwicklung einer CKD 4 assoziiert.13 Patienten mit einem AKI weisen neben einer erhöhten Gesamtmortalität eine signifikant höhere kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. In einer gematchten Studie von Wu et al. hatten Patienten mit einem intermittierend dialysepflichtigem AKI ein um 67 % höheres Risiko, innerhalb von 3 Jahren ein koronares Ereignis zu erleiden, als jene ohne AKI.14 Dieses Risiko war unabhängig von der Entwicklung einer CKD oder ESRD. Dieselbe Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass das Risiko für das Auftreten eines Schlaganfalls nach einem dialysepflichtigen AKI ums 1,3Fache erhöht ist im Vergleich zu Patienten ohne AKI.15 In einer groß angelegten Kohortenstudie bei über 14.500 Koronarangiografie-Patienten hatten jene mit AKI 1 ein um 47 % höheres Risiko für die Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz. Des Weiteren hatten die Patienten mit AKI in dieser Studie in Abhängigkeit vom Schweregrad ein 3,7-fach höheres Risiko zu versterben bzw. ein 11,7 fach höheres Risiko, eine ESRD zu entwickeln.16 Eine Studie mit Patienten mit koronarer Bypassoperation ergab, dass bereits ein geringer postoperativer Anstieg des Serumkreatinins von 0,3–0,5 mg/dl mit einem höheren Risiko für die Entwicklung eines Myokardinfarkts und einem erhöhten ˘ 19 FOCUS NEPHRO Script Lunge: Herz: Gehirn: Inflammation, erhöhte vaskuläre Permeabilität, Alveolitis, Lungenödem, ARDS, prolongiertes Weaning Inflammation, Rhythmusstörungen, Myokard ischämie, Linksherzdilation, systolische und diastolische Dysfunktion, Vasodilatation, Hyperzirkulation, Kardiomyopathie, Perikarditis Inflammation, erhöhte mikrovaskuläre Permeabilität, Störungen der Blut-Hirn-Schranke, Enzephalopathie Magen-Darm-Trakt: 1. systemische Auswirkungen durch den akut- urämischen Zustand 2. inflammatorischer Charakter der geschädigten Nieren 3. Niere als Modulator des zugrunde liegenden Krankheitsprozesses 4. negative Effekte der Nierenersatztherapie Inflammation, intestinales Ödem, eingeschränkte Motilität, Erosionen, Ulzerationen, Blutungen, Pankreatitis, Kolitis urämische Toxine Zytokine Leukozyten-Trafficking oxidativer Stress Apoptose Komplementaktivierung veränderte Genregulation Dysregulation von Elektrolyt-, Wasser- und Säurebasenhaushalt Leber: Inflammation, Leberzellschaden, veränderte Leber enzymkonzentrationen veränderte Pharmakokinetik Hämatologisch: Metabolisch: Immunsystem: Anämie, Thrombozytopenie, Koagulopathie, hämorrhagische Diathese Insulinresistenz, Hyperlipidämie, Aktivierung des Proteinkatabolismus eingeschränkte humorale und zelluläre Immunität Adaptiert nach: Druml W.6, Shiao C.C. et al.7, Doi K. et al.8, Bagshaw S.M. et al.22 Abb.: Systemische Folgen eines AKI Mortalitätsrisiko assoziiert ist.17 Des Weiteren gibt es Hinweise in der Literatur, dass ein AKI mit einem höheren Risiko für obere gastrointestinale Blutungen18, Entwicklung einer aktiven Tuberkulose19, Auftreten von Knochenfrakturen20 und malignen Erkrankungen21 vergesellschaftet ist. Über die zugrunde liegenden Mechanismen dieser Langzeitkomplikationen des AKI ist bis jetzt jedoch noch wenig bekannt. RESÜMEE: Das akute Nierenversagen ist nicht nur ein simples Organversagen, sondern ein systemischer Krankheitsprozess. Durch proinflammatorische, prooxidative und katabole Wirkungen führt Mehta R.L. et al.: Acute Kidney Injury Network: report of an initiative to improve outcomes in acute kidney injury. Crit Care 2007 2 Susantitaphong P. et al.: World incidence of AKI: a meta-analysis. Clin J Am Soc Nephrol 2013 3 Uchino S. et al.: Acute renal failure in critically ill patients: a multinational, multicenter study. JAMA 2005 4 Grams M.E. et al.: The distant organ effects of acute kidney injury. Kidney Int 2012 5 Clermont G. et al.: Renal failure in the ICU: comparison of the impact of acute renal failure and end-stage renal disease on ICU outcomes. Kidney Int 2002 6 Druml W.: Systemic consequences of acute kidney injury. Curr Opin Crit Care 2014 7 Shiao C.C. et al.: Long-term remote organ consequences following acute kidney injury. Crit Care 2015 8 Doi K. et al.: Impact of acute kidney injury on distant organ function: recent findings and potential therapeutic targets. Kidney Int 2016 9 Heung M. et al.: Acute kidney injury: gateway to chronic kidney disease. Nephron Clin Pract 2014 10 Coca S.G. et al.: Chronic kidney disease after acute kidney injury: a systematic review and meta-analysis. Kidney Int 2012 11 Ishani A. et al.: Acute kidney injury increases risk of ESRD among elderly. J Am Soc Nephrol 2009 12 Lo L.J. et al.: Dialysis-requiring acute renal failure increases the risk of progressive chronic 1 20 das AKI zur Schädigung von „nierenfernen“ Organen und kann als Motor für die Entwicklung eines Multiorganversagens gesehen werden. Die zugrundeliegenden komplexen Pathomechanismen spielen sich auf mehreren Ebenen ab, wobei diese Wirkungen nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr ein „Organ-Cross talk“ besteht. Neben diesen unmittelbaren systemischen Folgen eines AKI, sind es auch die Langzeitfolgen/-komplikationen, welche die Prognose eines Patienten wesentlich beeinflussen, zu diesen zählen vor allem die Entwicklung einer CKD/ESRD, eine erhöhte Gesamtmortalität sowie eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. ■ kidney disease. Kidney Int 2009 Thakar C.V. et al.: Acute kidney injury episodes and chronic kidney disease risk in diabetes mellitus. Clin J Am Soc Nephrol 2011 14 Wu V.C. et al.: Long-term risk of coronary events after AKI. J Am Soc Nephrol 2014 15 Wu V.C. et al.: The impact of acute kidney injury on the long-term risk of stroke. J Am Heart Assoc 2014 16 James M.T. et al.: Associations between acute kidney injury and cardiovascular and renal outcomes after coronary angiography. Circulation 2011 17 Rydén L. et al.: Acute kidney injury after coronary artery bypass grafting and long-term risk of myocardial infarction and death. Int J Cardiol 2014 18 Wu P.C. et al.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI. Clin J Am Soc Nephrol 2015 19 Wu P.C. et.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI. Clin J Am Soc Nephrol 2015 20 Wang W.J. et al.: The impact of acute kidney injury with temporary dialysis on the risk of fracture. J Bone Miner Res 2014 21 Chao C.T. et al.: Dialysis-requiring acute kidney injury increases risk of long-term malignancy: a population-based study. J Cancer Res Clin Oncol 2014 22 Bagshaw S.M. et al.: Cardiorenal syndrome type 3: pathophysiologic and epidemiologic considerations. Contrib Nephrol 2013 13 FOCUS NEPHRO Script 21 NEPHRO Script FOCUS in die Entstehung der CKD-MBD: Veränderungen im Knochenstoffwechsel mit systemischen Auswirkungen schon im Frühstadium der CKD. uu Die Entdeckung weiterer Schlüsselproteine in diesem Vorgang lassen nun auf die Möglichkeit neuer Therapieansätze hoffen. uu Eine Hemmung von Sclerostin mittels eines humanisierten Antikörpers zeigt bisher gute Ergebnisse in der Osteoporosetherapie und eröffnet eventuell neue Wege in der Therapie und Erforschung der CKD-MBD. uu Insights Update zur Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD) Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz Phosphatausscheidung durch eine verminderte Expression der Natrium-Co-Transporter IIa und IIc und Die Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Dishemmt die tubuläre Phosphat-Reabsorption sowie die order (CKD-MBD) entwickelt sich im Rahmen einer Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D.4 Diese aktive chronischen Niereninsuffizienz schon sehr früh und Hemmung der Vitamin-D-Synthese ist ein weiterer erste Veränderungen im Phosphatstoffwechsel finden Schutz vor einer erhöhten Phosphataufnahme und Dr. Danielle Diarra bereits vor dem CKD-Stadium III statt. Dazu müssen damit Phosphatüberladung. Klinische Abteilung für komplexe Feedbackmechanismen zwischen verschieDie gesteigerte PTH- und FGF-23-Produktion, um Nephrologie und denen Organen, unter anderem der Niere, dem Dialyse, Univ.-Klinik für Phosphat zu eliminieren, hat nicht nur Auswirkungen Knochen, der Nebenschilddrüse und dem Darm, stattauf den Knochenstoffwechsel, sondern auch auf das Innere Medizin III, finden, welche nach letzten Erkenntnissen vor allem MedUni Wien/AKH Wien kardiovaskuläre System. So kann FGF-23 experimentell der Aufrechterhaltung einer weitgehend normalen eine Linksventrikelhypertrophie induzieren, jedoch Phosphathomöostase dienen. Durch eine Abnahme der Nierenstand man bislang vor dem Rätsel, dass im Herzgewebe weder der funktion muss die Phosphatfiltration im Glomerulum gesteigert FGF-23-Rezeptor noch Klotho exprimiert werden. Sehr rezente werden, was bereits im kompensierten Stadium ein Stimulus für Untersuchungen zeigen nun, dass FGF-23 unabhängig von Klotho eine gesteigerte Produktion von Fibroblast Growth Factor 23 an den FGF-Rezeptor 4, der von kardialen Myozyten exprimiert (FGF-23) und Parathormon (PTH) ist. FGF-23 wird schon vor wird, bindet und damit eine Zellhypertrophie induzieren kann. einer gesteigerten PTH-Sekretion bei Niereninsuffizienz vermehrt Dieser Rezeptor könnte somit ein neues Target-Molekül darstelvon Osteozyten und Osteoblasten gebildet.1–3 Bei manifester len, um die Entstehung einer Linksventrikelhypertrophie bei CKDHyperphosphatämie wird die FGF-23-Produktion weiter g esteigert, Patienten zu therapieren.5 Während eine FGF-23-Erhöhung zwar um die Phosphatlast für den Organismus zu reduzieren. Intereseindeutig mit der Mortalität bei Hämodialyse-Patienten k orreliert, santerweise existiert womöglich auch eine tubuläre FGF-23- dürfte seine Dysregulation eher das Bemühen des Organismus Produktion, die von der tubulären Phosphatfiltration abhängig widerspiegeln, einer gestörten Phosphatregulation bei Niereninist.4 Mechanistisch gesehen steigert FGF-23 durch Bindung an suffizienz entgegenzusteuern, da etwa auch experimentell im Tierden FGF-Rezeptor 1 sowie seinen Co-Rezeptor Klotho die renale modell an Ratten gezeigt werden konnte, dass neutralisierende 22 Foto: privat Frühes Stadium der CKD-MBD FOCUS FGF-23-Antikörper zwar die serologischen Manifestationen eines sekundären Hyperparathyreoidismus weitgehend normalisieren, die Tiere aber letztlich an stark verkalkten Gefäßen mit hohen Serumphosphatspiegeln verstarben.6, 7 Daraus ergibt sich aber konzeptuell, dass viele der gestörten Regelkreise im Rahmen eines manifesten CKD-MBD-Syndroms aktiv aufrechterhalten werden, um sich vor möglichen schädlichen Konsequenzen wie etwa einer Hyperphosphatämie zu schützen. Letztlich ist derzeit auch unklar, ob eine routinemäßige Bestimmung von FGF-23 im klinischen Alltag zu diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen nützlich sein könnte. Foto: privat Renale Osteodystrophie und Histologie Drei weitere interessante Proteine in der Phosphat-FGF-23-KlothoAchse sind das Phosphate-regulating gene with homologies to Endo-peptidases on the X chromosome (PHEX), eine ZinkMetalloendopeptidase, das Dentin Matrix Protein 1 (DMP1) und das Matrix Extracellular Phosphoglycoprotein (MEPE), beides extrazelluläre Matrixproteine und Mitglieder der SIBLING-Familie (Small Integrin-binding Ligand N-linked Glycoprotein), die unter anderem in Knochen und Niere exprimiert werden.8 DMP1 und PHEX wirken zusammen mit v3-Integrin an der Zelloberfläche von Osteozyten als Co-Aktivatoren und führen zu einer Hemmung der FGF-23-Expression und -Stabilität. Diese Hemmung bleibt allerdings schon im Frühstadium der CKD aus.9 PHEX, DMP1 und FGF-23 spielen eine Rolle in der Mineralisation des Knochens. Hinweise dafür sind einerseits ein Mineralisationsdefekt bei der X-chromosomal dominant vererbten hypophosphatämischen Rachitis (HYP), ausgelöst durch eine PHEX- Mutation, und andererseits die tumorinduzierte Osteomalazie, welche eine ähnliche Pathophysiologie wie jene der HYP zeigt.10, 11 Weiters konnte gezeigt werden, dass DMP1 und FGF-23 in Knochenstanzen von Patienten im CKD-Stadium 2–5D in Osteo zyten exprimiert werden und invers mit dem Osteoidvolumen und der Osteoidoberfläche korrelieren. Pereira et al. wiesen nach, dass die Expression beider Proteine im Vergleich zu gesunden Kontrollen signifikant erhöht und in allen CKD- und RODStadien gleichmäßig stark ist. MEPE, welchem eine durch PHEX hemmbare Mineralisationsstörung von Osteoblasten und eine Rolle im Knochenwachstum zugeschrieben wird, färbte sich ebenfalls in Osteozyten an. Außer dem konnte eine geringe Expression von MEPE in Zellen des Knochenmarks gefunden werden. Die MEPE-Expression korrelierte invers mit dem Knochenvolumen und der trabekulären Dicke. Es zeigte sich allerdings kein Unterschied zwischen den Patienten mit CKD 2–5D und den gesunden Kontrollen.9, 11–13 Da die Expression von DMP1 und FGF-23 einen Zusammenhang zeigte, dürfte es im Rahmen der CKD entweder zu einer Funktionsstörung von DMP1 kommen oder die Hyperphosphatämie zu einer simultanen Stimulation von DMP1 und FGF-23 führen.9 NEPHRO Script CKD-MBD-Therapie und Sclerostin-Antikörper-Therapie Sclerostin (Scl), ein weiteres Protein, das von Osteozyten gebildet wird, wird –genauso wie FGF-23 – vermehrt produziert, wenn sich PTH noch im Normbereich befindet. Durch Bindung von Scl an den LRP-5/6-Rezeptor wird der osteoanabole kanonische Wnt/-Catenin-Signalweg und damit die Differenzierung und Funktion von Osteoblasten gehemmt.14 Außerdem steigert Scl die Expression von Receptor Activator of NF-B Ligand (RANKL) und die RANKL/Osteoprotegerin-(OPG)-Ratio in Osteozyten, was wiederum zu einer Aktivierung von Osteoklasten führt, die den Knochen abbauen.15 Da sich in verschiedenen Osteoporose-Tiermodellen mit einer Scl-Antikörper-Therapie erstaunlich gute Ergebnisse, betreffend den Zuwachs an Knochenmasse und die Biomechanik des Knochens zeigten, erfolgte 2007 eine Phase-Ib-Studie mit dem humanisierten Scl-Antikörper Romosozumab bei 32 postmenopausalen Frauen und 16 Männern (45.–80. Lebensjahr) mit Osteopenie (T-Score –1 bis –2,5). Insgesamt ergab sich in der Knochendichtemessung (DXA) ein signifikanter Knochenzuwachs und ein transienter Anstieg von Serumparametern wie Osteocalcin, PINP und alkalischer Phosphatase, die für einen Knochenaufbau sprechen.16 Im Vergleich zum Bisphosphonat Alendronat und dem PTH-Analogon Teriparatid konnte anschließend in einer Phase-II-Studie mit 419 postmenopausalen Frauen (55.–85. Lebensjahr) mit Osteoporose eine signifikante Verbesserung der Knochendichte an der LWS mit +11,3 % (Placebo: 0,1 %, Alendronat: 4,1 %, Teriparatid: 7,1 %), der Hüfte mit +4,1 % und dem Schenkelhals mit +3,7 % nachgewiesen werden.17 Der Knochenzuwachs betrifft hier sowohl den Kortex als auch das trabekuläre Kompartiment und zeigt eine signifikante Zunahme der biomechanischen Knochenstärke, was bereits mittels quantitativer Computertomografie (QCT) und High-Resolution-QCT untersucht wurde.18 Ein zweiter humaner monoklonaler Scl-Antikörper namens Blosozumab wurde ebenfalls bereits in Phase-I- und Phase-II-Studien untersucht und erbrachte vergleichbar gute Ergebnisse.19, 20 Derzeit laufen 2 Phase-III-Studien mit Romosozumab bei Männern mit Osteoporose (BRIDGE-Studie) und bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose in 2 unterschiedlichen Formulationen (FRAME-Studie). Weiters erwarten wir mit Spannung die Ergebnisse einer Phase-I-Studie (open-label, single-dose) mit Patienten ≥ 50 Jahre mit Osteoporose, im CKD-Stadium 4 und 5D und gesunden Kontrollen. In einem Rattenmodell mit autosomal dominanter polyzystischer Nierenerkrankung konnte gezeigt werden, dass es durch eine Scl-Antikörpertherapie zu einer Steigerung des trabekulären Knochenvolumens und zu einer vermehrten Mineral isation der Trabekel kommt. Dieser Effekt konnte allerdings nur bei Tieren mit niedrigen PTH-Serumspiegeln nachgewiesen werden, da PTH auch ohne den Wnt/-Catenin-Signalweg ˘ 23 FOCUS NEPHRO Script zu einer -Catenin-Aktivierung führen kann, die bei hohen Serum spiegeln im Tiermodell die Anti-Scl-Wirkung übertraf. Ein weiterer Unterschied zu den Ergebnissen im humanen System war, dass eine Verbesserung der Biomechanik des Knochens ausblieb.21 Die aktuelle Datenlage zeigt diesbezüglich unterschiedliche Ergebnisse. Einerseits wurde in Querschnittsstudien mit Hämodialyse- Patienten nachgewiesen, dass hohe Scl-Spiegel einen positiven Einfluss auf die Knochendichte und das Überleben haben.22, 23 Andererseits korrelierten in einer prospektiven Studie mit Hämodialysepatienten hohe Scl- und TRAP-5b-Spiegel mit einer Abnahme der Knochendichte innerhalb eines Jahres, gemessen mittels DXA und QCT.24 Ergebnisse prospektiver Studien mit Scl zur Untersuchung des Knochenstoffwechsels im Rahmen der CKD-MBD in den unterschiedlichen Stadien der CKD und der renalen Osteodystrophie fehlen jedoch noch. ■ Gutierrez O. et al., JASN 2005 Jul; 16 (7): 2205–15. Pubmed PMID: 15917335 Isakova T. et al., Kidney International 2011 Jun; 79 (12): 1370–8. Pubmed PMID: 21389978. Pubmed Central PMCID: 3134393 3 Feldman H.I. et al., JASN 2003 Jul; 14 (Suppl. 2): S148–53. Pubmed PMID: 12819321 4 Phelps K.R. et al., Clinical Nephrology 2016 Mar 8. 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Pubmed PMID: 12791601 13 1 2 Gowen L.C. et al., The Journal of Biological Chemistry 2003 Jan 17; 278 (3): 1998–2007. Pubmed PMID: 12421822 Kim W. et al., The Biochemical Journal 2013 Feb 15; 450 (1): 9–21. Pubmed PMID: 23343194 15 Wijenayaka A.R. et al., Plos one 2011; 6 (10): e25900. Pubmed PMID: 21991382. Pubmed Central PMCID: 3186800 16 Padhi D. et al., Journal of Clinical Pharmacology 2014 Feb; 54 (2): 168–78. Pubmed PMID: 24272917 17 Mcclung M.R. et al., The New England Journal of Medicine 2014 Jan 30; 370 (5): 412– 20. Pubmed PMID: 24382002 18 Graeff C. et al., Bone 2015 Dec; 81: 364–9. Pubmed PMID: 26232375 19 Mccolm J. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2014 Apr; 29 (4): 935–43. Pubmed PMID: 23996473 20 Recker R.R. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2015 Feb; 30 (2): 216–24. Pubmed PMID: 25196993 21 Moe S.M., Journal of Bone and Mineral research 2015 Mar; 30 (3): 499–509. Pubmed PMID: 25407607. Pubmed Central PMCID: 4333005 22 Cejka D. et al., Nephrology Dialysis Transplantation 2012 Jan; 27 (1): 226–30. Pubmed PMID: 21613383 23 Jean G. et al., Nephron 2016; 132 (3): 181–90. Pubmed PMID: 26890570 24 Malluche H.H. et al., CJASN 2014 Jul; 9 (7): 1254–62. Pubmed PMID: 24948144. Pubmed Central PMCID: 4078960 14 FACHKURZINFORMATION Advagraf 0,5 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 1 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 3 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 5 mg Hartkapseln, retardiert. 2. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede retardierte Hartkapsel enthält 0,5 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 1 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 3 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 5 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 51,09 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 102,17 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 306,52 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 510,9 mg Lactose. Die Drucktinte, die zur Markierung der Kapsel eingesetzt wird, enthält Spuren entölter Phospholipide aus Sojabohnen (0,48% der Gesamtzusammensetzung der Drucktinte). Liste der sonstigen Bestandteile: Kapselinhalt: Hypromellose, Ethylcellulose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat. Kapselhülle: Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172), Natriumdodecylsulfat, Gelatine. Druckfarbe (Opacode S-1-15083): Schellack, Entölte Phospholipide aus Sojabohnen, Simeticon, Eisen(III)-oxid (E 172), Hyprolose. 3. ANWENDUNGSGEBIETE: Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen Nieren- oder Lebertransplantatempfängern. Behandlung der Transplantatabstoßung, die sich gegenüber anderen Immunsuppressiva als therapieresistent erweist, bei erwachsenen Patienten. 4. GEGENANZEIGEN: Überempfindlichkeit gegen Tacrolimus oder einen der sonstigen Bestandteile. Überempfindlichkeit gegen sonstige Macrolide. 5. PHARMAKOTHERAPEUTISCHE GRUPPE: Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunsuppressiva, Calcineurin-Inhibitoren; ATC-Code: L04AD02. 6. INHABER DER ZULASSUNG: Astellas Pharma Europe B.V., Sylviusweg 62, 2333 BE Leiden, Niederlande. 7. VERTRIEB IN ÖSTERREICH: Astellas Pharma Ges.m.b.H, Donau-City-Straße 7, A-1220 Wien, Tel: +43 1 877 26 68, E-Mail: office.at@ astellas.com. 8. STAND DER INFORMATION: 06/2015, 9. REZEPTPFLICHT / APOTHEKENPFLICHT: Verschreibungspflichtig. „Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft, Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.“ JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 45 mg Tabletten/JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC® 60 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 90 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten. q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 Fachinformation. Zusammensetzung: Wirkstoff: Jede Tablette enthält Tolvaptan 15 mg, 30 mg, 45 mg, 60 mg, 90 mg. Sonstige Bestandteile: Maisstärke, Hyprolose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Mikrokristalline Cellulose, Indigokarmin, Aluminiumlack. Anwendungsgebiete: Verlangsamung der Progression von Zystenentwicklung und Niereninsuffizienz bei autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) (Stad. 1 - 3 zu Behandlungsbeginn mit Anzeichen für rasch fortschreitende Erkrankung). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Tolvaptan oder sonstige Bestandteile; erhöhte Leberenzyme u./o. Anzeichen oder Symptome von Leberschäden vor Behandlung, die Kriterien für dauerhaftes Absetzen von Tolvaptan erfüllen; Volumendepletion; Hypernatriämie; Patienten, die keinen Durst empfinden / nicht auf Durstgefühl reagieren können; Schwangerschaft; Stillzeit. Pharmakotherapeutische Gruppe: noch nicht zugewiesen, ATC-Code: noch nicht zugewiesen. Pharmazeutischer Unternehmer: Otsuka Pharmaceutical Europe Ltd., Gallions, Wexham Springs, Framewood Road, Wexham, SL3 6PJ - Vereinigtes Königreich. Abgabe: Rezept- 24 und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen zur sicheren Anwendung, Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen und zutreffendenfalls Angaben über Gewöhnungseffekte sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information: V003, Oktober 2015. Mimpara® 30 / 60 / 90 mg Filmtabletten. Qualitative und Quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 30 / 60 / 90 mg Cinacalcet (als Hydrochlorid). Sonstige Bestandteile: Jede 30 / 60 / 90 mg Tablette enthält 2,74 / 5,47 / 8,21 mg Laktose. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Vorverkleisterte Stärke (aus Mais), Mikrokristalline Cellulose, Povidon, Crospovidon, Magnesiumstearat, Hochdisperses Siliciumdioxid. Tablettenfilm: Karnaubawachs, Opadry II grün: (Laktose-Monohydrat, Hypromellose, Titandioxid (E 171), Glyceroltriacetat, Indigocarmin (E 132), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172)), Opadry klar: (Hypromellose, Macrogol). Anwendungsgebiete: Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus (s-HPT) bei dialysepflichtigen Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Mimpara kann als Teil eines therapeutischen Regimes angewendet werden, das je nach Bedarf Phosphatbinder und/oder Vitamin D umfassen kann. Verminderung von Hyperkalzämie bei Patienten mit Nebenschilddrüsenkarzinom, bei Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus (p-HPT), bei denen eine Parathyreoidektomie aufgrund der Serumcalciumspiegel (wie in den relevanten Behandlungsrichtlinien definiert) angezeigt wäre, jedoch klinisch nicht angebracht oder kontraindiziert ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Nebenschilddrüsenhormon-Antagonisten. ATC-Code: H05BX01. Inhaber der Zulassung: Amgen Europe B.V., 4817 ZK Breda, NL; Vertreter in Österreich: Amgen GmbH, 1040 Wien. Verschreibungspflicht/ Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Stand der Information: Juli 2014. Weitere Angaben zu Dosierung, Art und Dauer Anwendung, besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen Schwangerschaft und Stillzeit sowie zu Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Nephrotrans® 500 mg magensaftresistente Weichkapseln, Nephrotrans® 840 mg magensaftresistente Weichkapseln. Wirkstoff: Natriumhydrogencarbonat. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine magensaftresistente Weichkapsel enthält 500 mg oder 840 mg Natriumhydrogencarbonat. Liste der sonstigen Bestandteile: Gelbes Wachs, hydriertes Sojaöl (Ph. Eur.), partiell hydriertes Sojaöl (DAB), raffiniertes Rapsöl, (3-sn-Phosphatidyl)cholin aus Sojabohnen, Eisen(II,III)oxid (E 172), Glycerol 85%, Gelatine, Lösung von partiell dehydratisiertem Sorbitol (Ph. Eur.), Salzsäure 25%, Hypromellose, Hydroxypropylcellulose, Talkum, Polyethylenglykol, Methacrylsäure-ethylacrylat-Copolymer (1:1) (Ph. Eur.), Polysorbat 80, Natriumdodecylsulfat, Propylenglykol, Glycerolmonostearat, gereinigtes Wasser. Nephrotrans® 500 mg enthält zusätzlich den Farbstoff Titandioxid (E 171). Anwendungsgebiete: Zur Behandlung der metabolischen Azidose und zur Erhaltungsbehandlung gegen erneutes Auftreten der metabolischen Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz bei Erwachsenen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Soja, Erdnuss oder einen der sonstigen Bestandteile. Metabolische Alkalose , Hypokaliämie, Hypernatriämie, natriumarme Diät, Kinder und Jugendliche. Darreichungsform und Packungsgrößen: Nephrotrans® 500 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln, Klinikpackungen mit 500 magensaftresistenten Weichkapseln (5x100), Nephrotrans 840 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln (2x50), Klinikpackungen mit 500 magensaftresistenten Weichkapseln (10x50). Weitere Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antazida mit Natriumbicarbonat, ATC-Code: A02AH. Inhaber der Zulassung: Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Kuhloweg 37, D-58638 Iserlohn. Vertrieb: Medice Arzneimittel GmbH, Römerstraße 14, A-5400 Hallein, Österreich, eine Tochter der Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG. www.medice.at. Verschreibungspflicht / Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Stand der Information: Februar 2014. Velphoro® 500 mg Kautabletten. Zusammensetzung: Jede Kautablette enthält 500 mg Eisen als „Sucroferric Oxyhydroxide“, auch als Gemisch von vielkernigem Eisen(III)-hydroxid-oxid, Sucrose und Stärken bezeichnet. Der Wirkstoff Sucroferric Oxyhydroxide enthält 750 mg Sucrose und 700 mg Stärke. Anwendungsgebiete: Velphoro wird zur Kontrolle des Serumphosphatspiegels bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) eingesetzt, die sich einer Hämodialyse (HD) oder einer Peritonealdialyse (PD) unterziehen. Velphoro sollte im Rahmen eines multiplen Therapieansatzes zum Einsatz kommen, dazu zählen die Zuführung von Calcium-Präparaten, 1,25Dihydroxyvitamin D3 oder einem seiner Analoge oder Kalzimimetika, um die Entstehung einer renalen Osteodystrophie zu vermeiden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Hämochromatose oder sonstige Eisenüberladungskrankheiten. Liste der sonstigen Bestandteile: Waldbeeren-Aroma, Neohesperidindihydrochalcon, Magnesiumstearat, Hochdisperses Siliciumdioxid. Pharmakotherapeutische Gruppe: Mittel zur Behandlung von Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie. ATC-Code: V03AE05. Abgabeform: Rezept- und apothekenpflichtig. Inhaber der Zulassung: Vifor Fresenius Medical Care Renal Pharma France, 713 Boulevard Paul-Emile Victor, 92521 Neuilly-sur-Seine, Frankreich. Stand der Information: September 2015. Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Schwangerschaft und Stillzeit, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind dern veröffentlichten Fachinformationen zu entnehmen. q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Fotos: privat Adenuric 80 mg Filmtabletten, Adenuric 120 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 80 mg bzw. 120 mg Febuxostat. Liste der sonstigen Bestandteile: Jede Tablette enthält 76,50 mg bzw. 114,75 mg Lactose (als Monohydrat). Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, Mikrokristalline Cellulose, Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Hyprolose, Croscarmellose-Natrium, Siliciumdioxid-Hydrat. Filmüberzug: Opadry II gelb, 85F42129 enthält: Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol 3350, Talkum, Eisen(III)hydroxid-oxid x H2O (E172). Anwendungsgebiete: Adenuric ist zur Anwendung bei Erwachsenen bestimmt. Adenuric 80 mg: Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die bereits zu Uratablagerungen geführt haben (einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthritis). Adenuric 120 mg: Adenuric wird angewendet zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die bereits zu Uratablagerungen geführt haben (einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthritis). Adenuric wird angewendet zur Vorbeugung und Behandlung einer Hyperurikämie bei erwachsenen Patienten mit hämatologischen Malignomen, die sich einer Chemotherapie mit einem mittleren bis hohen Risiko für ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) unterziehen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Gichtmittel, Urikostatika, ATC-Code: M04AA03. Inhaber der Zulassung: Menarini International Operations Luxembourg S.A., 1, Avenue de la Gare, L-1611, Luxemburg. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den Abschnitten Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand der Information: Dezember 2015. FOCUS NEPHRO Script uu Studiendaten legen Überwässerung als einen der wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für die Mortalität bei DialysepatientInnen nahe. uu Die Bioimpedanz-Technologie als Messverfahren der Überwässerung wird inzwischen nicht nur in vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern zu derzeit noch wissenschaftlichen Zwecken auch bei PatientInnen ohne terminale Niereninsuffizienz, außerhalb der Dialyse (Kardiologie, Anästhesie etc.). Von DialysepatientInnen lernen Flüssigkeitshaushalt bei terminaler Niereninsuffizienz I n der klinischen Nephrologie mehren sich die Hinweise dafür, dass die Überwässerung einen der wichtigsten, vielleicht den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktor bei DialysepatientInnen hinsichtlich deren Mortalität darstellen könnte, noch f undamentaler als die Mangelernährung. Der folgende Beitrag gliedert sich zunächst in die Themen „Trockengewicht“, „Mess-Verfahren der Überwässerung“, „Bedeutung der Überwässerung“ und basiert auf zwei Review-Artikeln1, 2 der drei genannten Autoren. Zu dem einen der beiden Review-Artikel hat der Nephrologe Rajiv A garwal ein Editorial geschrieben, das den Titel trägt: „Volumens-Überladung an der Dialyse: Der Elefant im Zimmer, den niemand sehen kann“3. Somit hat Agarwal uns ein klares „Ja“ dazu ausge sprochen, den Fokus bei der Dialyse vor allem auf den a däquaten Flüssigkeitshaushalt zu setzen. Von DialysepatientInnen lernen wir aber nicht nur als NephrologInnen, sondern auch als Ärzte und Ärztinnen im nicht-nephrologischen Setting: Ordinationen, Ambulanzen und Stationen der inneren Medizin, die sich mit der Behandlung von Krankheitsbildern wie Herzinsuffizienz, Hyponatriämie und Leberzirrhose beschäftigen, wobei es sehr häufig um eine Einschätzung des Flüssigkeitszustands geht. Auch perioperativ dreht sich vieles um die Frage: Mehr oder weniger intraoperative Flüssigkeitsgabe, insbesondere bei RisikopatientInnen und vor großen chirurgischen Eingriffen? Fotos: privat Trockengewicht Um die Überwässerung bei DialysepatientInnen zu verstehen, ist es hilfreich, sich das Konzept des „Trockengewichts“ in Erinnerung Assoc. Prof. Dr. Manfred Hecking* Dr. Peter Wabel** Prof. em. Friedrich K. Port*** * Innere Medizin III/Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Wien/AKH Wien ** Fresenius Medical Care, Bad Homburg, Deutschland *** Arbor Research Collaborative for Health, Ann Arbor, Michigan (USA) zu rufen, welches „so alt ist wie die Dialyse selber“4. Infolge klinischer Wissensvermehrung und technischer Fortschritte hat sich die Definition des Trockengewichts über die Zeit verändert: • Thomson et al. definierten im Jahr 1967 das Trockengewicht als eine „Blutdruck-Regulation in Richtung Hypotension während der Ultrafiltration“.5 • Henderson schrieb im Jahr 1980 über das Trockengewicht, es sei „jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung, bei dem der/die PatientIn in > 50 % der Fälle symptomatisch wird (in der englischen Originalfassung: „will become symptomatic and go into shock“).6 • Charra et al. befanden im Jahr 1996, das Trockengewicht sei „jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung, bei dessen Unterschreitung der/die PatientIn bis zur n ächsten ˘ 25 FOCUS NEPHRO Script Dialysebehandlung (idealerweise ohne Blutdruck-Medikation) normotensiv bleibt.7 • Raimann et al. waren im Jahr 2008 die ersten AutorInnen, die das Trockengewicht rein technisch definierten als „Abflachung der ‚baseline/instantaneous impedance ratio curve‘ für mindestens 20 Minuten während der Ultrafiltration, wenn die kontinuierliche Waden-Bioimpedanz-Methode (,calf bioimpedance‘) angewandt wird“.8 • Sinha und Agarwal sahen im Jahr 2009 das Trockengewicht als eine Kombination subjektiver und objektiver Messungen an.9 Die verschiedenen Möglichkeiten objektiver Bestimmung des Flüssigkeitszustandes und somit der Überwässerung bzw. des Trockengewichtes sollen in der Folge näher dargestellt werden. Messverfahren der Überwässerung Was ist Überwässerung? Wie kann Überwässerung gemessen werden? Die Überwässerung kursiert als medizinischer Fachbegriff, für den es auch einen ICD-Code (International Classification of Diseases) gibt (ICD-9 276.6, ICD-10 E87.7)10, aber die Definition der Überwässerung ist unklar. „Objektive“ Methoden zur Bestimmung der Überwässerung beinhalten: • die Messung des Durchmessers der Vena cava inferior (VCI)11 • die Messung biochemischer Parameter wie des BNP (Brainnatriuretisches Peptid)12 • das kontinuierliche Blutvolumen-Monitieren (BVM)13, das auch Relatives-Plasmavolumen-Monitieren genannt wird14 • die Messung extravaskulärer Lungenflüssigkeit durch Bestimmung der „Lungenkometen“ („lung comets“) im Ultraschall15 • die Bioimpedanz-Technologie16 Bei der Bioimpedanz-Technologie wird ein Wechselstrom niedriger Stromstärke durch den Körper geleitet17; die Bioimpedanz gibt dabei Auskunft über die elektrischen Eigenschaften des Gewebes, durch das der Strom fließt. Die Impedanz (der Wechselstrom widerstand) ist von der Frequenz des Wechselstroms abhängig, ebenso wie vom Gewebetyp, durch das der Strom fließt.18 Wechsel strom niedriger Frequenz fließt präferenziell im Extrazellulär volumen (ECV), da die Zellmembran bei niedrigen Frequenzen nicht durchdrungen werden kann, wohingegen Wechselstrom hoher Frequenz sowohl das extrazelluläre als auch das intrazelluläre Flüssigkeits-Kompartiment durchdringt.19 Man unterscheidet zwischen Mono- und Multifrequenz-Bioimpedanz, wobei der wichtigste Unterschied bei den Multifrequenz-Bioimpedanz- Methoden darin besteht, ob der Strom innerhalb eines Körpersegments (z. B. Arm, Rumpf, Wade) oder innerhalb des gesamten Körpers appliziert wird. Es lässt sich darüber debattieren, welche der oben genannten Methoden zur Bestimmung der Überwässerung, insbesondere welche Bioimpedanz-Methode20 die beste ist. Die Tabelle gibt aber die Zusammenfassung einer umfangreichen Diskussion verschiedener 26 Autoren wieder (weitere Details, auch über die hier genannten Methoden finden sich in: Hecking M. et al., 20131). Der Body Composition Monitor (BCM, Fresenius Medical Care) wendet die Ganzkörper-Bioimpedanz-Spektroskopie an und berechnet die Überwässerung im extrazellulären Kompartiment (ECV) anhand der Resultate der Bioimpedanz-Messung in den unterschiedlichen Wechselstromfrequenzen, wobei die niedrigen Frequenzen für das ECV besonders wichtig sind (s. o.). Dabei gelangt ein physiologisches Gewebemodell (Drei-KompartimenteModell) zur Anwendung, bei dem auch der Hydratationszustand verschiedener Gewebe einbezogen wird.21 Der BCM liefert dadurch für die vermessenen PatientInnen numerische Werte für das ECV (in Litern) und für die Überwässerung (in Litern und in % des ECV). Dies ist der große Vorteil des BCM gegenüber den anderen Verfahren, bei denen es sich entweder um indirekte Nachweise der Überwässerung handelt (VCI-Durchmesser, BNP), bei denen ein anschaulicher Wert nicht verfügbar ist oder wo es z. B. aufgrund der Beurteilung eines Bildes zu InterpretationsUnterschieden kommen muss. Als anschauliches Beispiel sei neben den oben genannten Verfahren der Nachweis einer Stauung im Lungenröntgen genannt („zwei Untersucher – drei Meinungen“). Bedeutung der Überwässerung Warum ist der Nachweis der Überwässerung bei DialysepatientInnen so wichtig? Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Dialyse patientInnen 10- bis 30-mal höher als in der Allgemein bevölkerung.22, 23 Als primäre Risikofaktoren gelten höheres Alter, Diabetes und andere Komorbiditäten24, 25, aber diese Faktoren sind nicht modifizierbar. Traditionelle modifizierbare Risikofaktoren beinhalten zentrale Venenkatheter, inadäquate Dialyse qualität (Behandlungszeit und Kt/V) und Mangelernährung.26 In einer umfangreichen Analyse war von allen untersuchten, modifizierbaren Risikofaktoren ein Serum-Albumin < 3,5 g/dl (als Maß für die Mangelernährung) mit dem höchsten relativen Risiko für die Mortalität (von 1,38, p < 0,0001) assoziiert.27 Die Überwässerung wurde in diese Analysen aber nicht mit einbezogen. Unseres Wissens nach haben erst drei Analysen die Assoziation zwischen Überwässerung und Mortalität untersucht: • Wizemann et al. führten eine verblindete Studie durch und stellten bei 269 PatientInnen mit BCM-gemessener Überwässerung (prädialytisches ECV > 15 %) im Vergleich zur restlichen Gruppe (prädialytisches ECV < 15 %) eine adjustierte Hazard-Ratio von 2,1 für die Mortalität fest (90%-Konfidenzintervall 1,39–3,18).28 • Chazot et al. verglichen eine positiv selektionierte Referenz population von 50 „normohydrierten“ PatientInnen aus dem „Long, Slow Dialysis“-Programm des Zentrums in Tassin/ Frankreich mit 35 überwässerten PatientInnen aus Gießen/ Deutschland (BCM-gemessen durchschnittlich 20,2 ± 4,8 % prädialytisches ECV) und ermittelten für die überwässerten PatientInnen eine adjustierte Hazard-Ratio von 3,41 (90%-Konfidenzintervall 1,62–7,17).29 FOCUS NEPHRO Script Tab.: Vergleich einiger Methoden zur Bestimmung der Überwässerung Biochemische Marker Mono- und Multifrequenz- Bioimpedanz Segmentale Bioimpedanz- Spektroskopie der Wade GanzkörperBioimpedanz- Spektroskopie Monitieren des relativen Plasmavolumens „Lungenkometen“- Bestimmung im Ultraschall Sensitivität gegenüber dem Volumen-Status +/– + + + + + Akkuratheit der Bestimmung des extrazellulären Volumens (ECV) – – +/– + – – +/– + + + +/– + Einfachheit der Anwendung + + + + + + Anwendbarkeit außerhalb der Hämodialyse + + – + – + Reproduzier barkeit +: gut; –: schlecht; +/–: mittelmäßig • Agarwal publizierte eine Studie mit 309 PatientInnen, die Plasmavolumen-monitiert wurden.30 Jene PatientInnen mit raschem „Refilling“ (entsprechend einer Steigung unterhalb des Medians von 1,39 % pro Stunde als Indikator für die Überwässerung) hatten eine Hazard-Ratio von 1,72 für die M ortalität (95%-Konfidenzintervall 1,14–2,58) im Vergleich zu jenen PatientInnen mit steileren Steigungen. Die oben genannten Ergebnisse relativ kleiner Studien können nicht mit der davor beschriebenen Risikofaktoren-Analyse27 verglichen werden. Trotzdem handelt es sich bei Hazard-Ratios für Mortalität zwischen 1,72 und 3,41 um sehr hohe Risiken im Vergleich mit dem Risiko von 1,38, welches mit Serum-Albumin < 3,5 g/dl assoziiert ist.27 Daher könnte die Überwässerung der überhaupt wichtigste modifizierbare Risikofaktor für die Mortalität bei DialysepatientInnen sein. Ausblick: Von DialysepatientInnen lernen Die Bioimpedanz-Technologie wird inzwischen nicht nur in vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern auch auf wissenschaftlicher Basis bei PatientInnen ohne terminale Niereninsuffizienz, außerhalb der D ialyse. Bei PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) in den CKD Stadien 3 und höher fand sich eine Assoziation zwischen Überwässerung und kardiovaskulären Risikofaktoren31 und, abhängig vom Schweregrad einer Anämie, auch mit der Mortalität32. An der Medizinischen Universität Wien w erden mit Bioimpedanz gewonnene Daten wissenschaftlich nicht nur in der Gruppe von Andreas Vychytil (Peritonealdialyse), sondern auch auf der Kardiologie (Arbeitsgruppe Diana Bonderman, Arbeitsgruppe Irene Lang) und Anästhesie (Arbeitsgruppe Edith Fleischmann) aus- Die Unterschiede wurden auf der Basis der Durchsicht der Literatur getroffen.1 gewertet, nachdem M arlies Antlanger, Marcus Säemann und Manfred Hecking dort Kooperationen eingegangen sind. In Kürze werden prospektive Daten der Bonderman-Gruppe zur Überwässerung und Mortalität bei PatientInnen mit diastolischer Herzinsuffizienz publiziert (Manuskript abgeschlossen). Auf der Anästhesie konnte bereits nachgewiesen werden, dass das BCM- Gerät die intraoperativ gegebene Flüssigkeit erkennt und dass die intraoperativ gegebene Flüssigkeit einen klinisch bedeutsamen Anstieg des ECV zur Folge hat.33 Matthäus Ernstbrunner, der diese Daten publizierte, führte daraufhin eine BCM-gestützte Interventionsstudie zur intraoperativen Flüssigkeitsgabe versus Standard-Flüssigkeitstherapie durch und des Weiteren eine Studie mit gesunden Probanden, denen er innerhalb von 1 Stunde 2 Liter Elo-Mel infundierte (Manuskripte in Vorbereitung). Ein Ergebnis sei vorweggenommen: Die BCM-Messungen bei den gesunden, männlichen Probanden waren, wie vorbeschrieben34, sehr gut reproduzierbar. Nur mäßige E rfahrungen können mit dem BCM-Gerät allerdings auf der Intensivstation gemacht werden, wo die PatientInnen hinsichtlich ihrer Flüssigkeitskompartimente „derangiert“ sein können. Außerhalb des stationären Settings sollten die Patienten ü brigens mindestens 5 Minuten waagerecht liegen, bevor sie gemessen werden, ansonsten kann es auch hier zu fehlerhaften Werten kommen. ZUSAMMENFASSEND spricht vieles dafür, neben dem sehr häufig durchgeführten Lungenröntgen bei Verfügbarkeit eines BioimpedanzGerätes auch außerhalb der Nephrologie eine Flüssigkeitsmessung durchzuführen, um beispielsweise Diuretika bei kardial dekompensierten PatientInnen oder PatientInnen mit Leberzirrhose z ielgerichtet einzusetzen oder den Flüssigkeitszustand bei PatientInnen mit Hyponatriämie zu bestimmen. Auf diese Weise lernen wir von DialysepatientInnen für die nicht-nephrologische Praxis. ˘ ■ 27 FOCUS NEPHRO Script Hecking M. et al., Karaboyas A., Antlanger M., Saran R., Wizemann V., Chazot C., Rayner H., Horl W.H., Pisoni R.L., Robinson B.M. et al.: Significance of interdialytic weight gain versus chronic volume overload: consensus opinion. 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Nephrology Dialysis Transplantation 2001; 16 (12): 2386–2394 27 Port F.K. et al.: DOPPS estimates of patient life years attributable to modifiable hemodialysis practices in the United States. Blood Purification 2004; 22 (1): 175–180 28 Wizemann V. et al.: The mortality risk of overhydration in haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2009; 24 (5): 1574–1579 29 Chazot C. et al.: Importance of normohydration for the long–term survival of haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2012; 27 (6): 2404–2410 30 Agarwal R.: Hypervolemia is associated with increased mortality among hemodialysis patients. Hypertension 2010; 56 (3): 512–517 31 Hung S.C. et al.: Volume overload correlates with cardiovascular risk factors in patients with chronic kidney disease. Kidney Int 2014; 85 (3): 703–709 32 Hung S.C. et al.: Association of fluid retention with anemia and clinical outcomes among patients with chronic kidney disease. J Am Heart Assoc 2015; 4 (1):e001480 33 Ernstbrunner M. et al.: Bioimpedance spectroscopy for assessment of volume status in patients before and after general anaesthesia. PloS one 2014; 9 (10): e111139 34 Wabel P., Chamney P., Moissl U.: Reproducibility of Bioimpedance Spectroscopy (BIS) for the Assessment of Body Composition and Dry Weight (Abstract). Journal of the American Society of Nephrology 2007; 18: 255 A 18 19 Foto: privat Die MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH unterstützt diese Veranstaltung mit dieser Gratiseinschaltung. 28 TOPICS | Zystenniere NEPHRO Script uu Mit Tolvaptan steht erstmals ein Medikament zur Progressionshemmung der ADPKD für PatientInnen im CKD-Stadium 1–3 und rascher Progression zur Verfügung. uu Parameter zur Identifikation von PatientInnen mit rascher Progression: Nachweis eines definierten eGFR-Abfalls bzw. einer raschen Zunahme des Nierenvolumens (TVK). uu Eine Tolvaptan-Therapie sollte den PatientInnen nach strenger Selektion und unter engmaschiger Überwachung angeboten werden. Empfehlungen und PatientInnenselektion Therapie der ADPKD mit Tolvaptan Foto: privat I n Österreich leiden 7 % aller Patienten mit NierenNeue zukünftige Studienergebnisse können diese Empersatztherapie an autosomal dominant polyzystischer fehlungen natürlich verändern. Die Empfehlungen Nierenerkrankung (ADPKD). Etwa 70 % aller von sind in folgende Bereiche unterteilt: ADPKD Betroffenen entwickeln eine terminale Niereninsuffizienz im durchschnittlichen Alter von 58 CKD-Stadium und Alter Jahren. Bisher war es nicht möglich, den natürlichen Prim. Prof. Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen. Dies hat sich Da Patienten über 50 Jahre und solche mit einer eGFR Dr. Karl Lhotta mit der Zulassung von Tolvaptan, basierend auf den < 45 ml/min nicht in TEMPO 3:4 eingeschlossen Abteilung für Nephrologie Ergebnissen der TEMPO-3:4-Studie, geändert. In waren, wird deren Behandlung mit Tolvaptan derzeit und Dialyse, TEMPO 3:4 wurden 1.445 erwachsene Patienten mit mangels Erfahrung nicht empfohlen. Folgende PatiAkademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch einer eGFR ≥ 60 ml/min und einem totalen Nierenenten haben wahrscheinlich eine langsame Progression volumen (TKV) ≥ 750 ml mit Tolvaptan behandelt. und sollten auch nicht behandelt werden: Alter 30–40 Die Therapie führte zu einer Reduktion der TKV-Zunahme um und eGFR > 90 ml/min, Alter 40–50 und eGFR > 60 ml/min. 49 % und zu einer Abnahme des jährlichen Verlustes an eGFR von 3,70 auf 2,72 ml/min. Dies würde bedeuten, dass pro 4 Jahre ADPKD-PatientInnen mit rascher Progression Therapie die Dialysepflichtigkeit um ein Jahr verzögert werden kann. Die Behandlung mit Tolvaptan musste in der Studie bei Nachweis mittels eGFR: Der sicherste Progressionsparameter ist 23 % der Patienten vorzeitig abgebrochen werden. der Nachweis eines Abfalls der eGFR im Verlauf der Erkrankung. Tolvaptan ist von der EMA seit Mai 2015 für die Behandlung Rasche Progression ist definiert als eGFR-Verlust von ≥ 5 ml/min der ADPKD bei Erwachsenen im Stadium 1–3 der CKD und in einem Jahr oder bei einer längeren Beobachtungsperiode von einer raschen Progression zugelassen. Letztere ist allerdings nicht 5 Jahren ≥ 2,5 ml/min pro Jahr. Die Berechnung der eGFR ist exakt definiert. Die ERA-EDTA Working Group on Inherited dabei ausreichend, eine direkte Messung der GFR ist nicht notKidney Disorders und European Best Practice haben daher Empwendig. Andere Ursachen der Funktionsverschlechterung sind fehlungen veröffentlicht, wie Patienten mit einer raschen Progresaber auszuschließen. sion am besten identifiziert werden können, um sicherzustellen, dass nur Patienten, die tatsächlich von Tolvaptan profitieren, damit Nachweis mittels TKV: Bei Patienten unter 30 Jahren ist die GFR behandelt werden (Nephrol Dial Transplant 2016; 31: 337–348). meist stabil. Sie beginnt erst ab einem TKV von 1.500 ml abzuDer Vorstand der ÖGN hat beschlossen, sich diesen E mpfehlungen fallen. In diesem Erkrankungsstadium gilt vor allem der Nachweis bei der Verordnung von Tolvaptan vollinhaltlich anzuschließen. einer raschen Zunahme des TVK von > 5 % pro Jahr als ˘ 29 Zystenniere | TOPICS NEPHRO Script Eine genetische Testung von PKD1 und PKD2 wird nur bei den wenigsten Patienten vorliegen. Sollte eine„ truncating“ Mutation von PKD1 nachgewiesen sein, eine Hypertonie oder urologische Komplikationen (Zystenblutung oder Infektion) vor dem 35. Lebensjahr auftreten, so ist ebenfalls von einem raschen Progress auszugehen. Patienten, die nicht für eine Therapie anhand der angeführten Kriterien qualifizieren, aber zum Beispiel eine Familienanamnese mit Auftreten der terminalen Niereninsuffizienz vor dem 58. A) Klassifizierung anhand des auf Körpergröße und Alter adjustierten Nierenvolumens (TKV) B) Prognostizierter GFR-Verlust der Klassen 1A–1E für Männer (Ausgangsalter 44 a) 100 Class 1E 10.000 8.000 6.000 4.000 Class 1B Class 1A 70 p= 0,653 60 50 p = 0,001 30 35 40 45 50 55 Patientenalter 60 65 70 75 p= 0,018 40 30 10 25 ■D ■E 20 200 20 ■B ■C 80 Class 1C 1.000 800 600 400 ■ Normal ■A 90 Class 1D 2.000 100 15 Tolvaptan sollte nur an einem nephrologischen Zentrum mit Erfahrung im Management der ADPKD und nach ausführlicher Aufklärung des Patienten verordnet werden. Kontraindikationen wie schwere Lebererkrankung, Schwangerschaft oder Stillen sind zu beachten. Harnabflussstörungen müssen ausgeschlossen w erden. Elektrolyte, Nierenfunktion, Harnsäure und Blutzucker bei Diabetikern sollten monitorisiert werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Diuretika wird nicht empfohlen. Spezielles Augenmerk ist auf die Überwachung der Leberfunktions proben zu legen. In TEMPO 3:4 wurde bei 4,9 % der Patienten eine Erhöhung der Leberenzyme beobachtet, die allerdings nach Absetzen des Medikaments komplett reversibel war. Die Leber enzyme und Bilirubin müssen daher während der ersten 18 Therapiemonate monatlich überwacht werden, dann in 3-monatigen Abständen. Bei einem Anstieg der Leberenzyme ist die Therapie zu unterbrechen. Bei persistierender Erhöhung oder Anstieg über das 8-Fache der Norm muss Tolvaptan abgesetzt werden. Die Behandlung wird üblicherweise mit 45 mg morgens und 15 mg 8 Stunden später gestartet und kann schrittweise bei guter Verträglichkeit bis auf 90/30 mg erhöht werden. Unter der Maximaldosis muss mit Tagesharnmengen von 5–6 Liter gerechnet werden. Sollte der Patient keine Zugang zu Flüssigkeit haben oder die Gefahr einer Dehydrierung bestehen, ist Tolvaptan zu pausieren. Auch in Situationen mit vermehrtem Flüssigkeitsverlust, vor sportlicher Betätigung oder vor Tätigkeiten, bei denen eine Diurese sehr störend wäre (Langstreckenflug, Kino), kann Tolvaptan auch einmal pausiert werden. ■ Prognostizierte GFR Körpergröße-adjustiertes TKV (ml/m) 20.000 Initiierung und Überwachung der Therapie 80 0 p = 0,040 0 2 4 6 8 10 12 14 Jahre ab TKV-Messung p = 0,001 p = 0,044 16 18 20 Nach: Irazabal et al., J Am Soc Nephrol 2015; 26: 160 Abb.: Nierenvolumen-Zunahme und prognostizierter GFR-Verlust 30 ADV/2016/0005/AT Genetische Faktoren und Familienanamnese ebensjahr haben, sollten in regelmäßigen Abständen (3–5 Jahre) L neuerlich evaluiert werden. Fachkurzinformation siehe Seite 24 Progressionsparameter. Dieser Nachweis sollte durch mindestens 3 Messungen, die mehr als 6 Monate auseinander liegen, erfolgen. Zur Bestimmung des TKV sind MRI (bevorzugt, da ohne Strahlen belastung) und CT geeignet. Die TKV-Bestimmung ist rasch, einfach und präzise mit der elliptischen Formel möglich. Auch mit Hilfe einer einzelnen Messung lässt sich die renale Prognose, allerdings mit etwas mehr Unsicherheit, vorhersagen. Anhand des auf Körpergröße und Alter adjustierten TKV lassen sich 5 Gruppen (1A–1E), die mit unterschiedlichem eGFR-Verlust einhergehen, bilden. Ein Nomogramm erlaubt die Kategorisierung jedes einzelnen Patienten (Abb.). So haben Patienten der Klasse 1A eine stabile eGFR, solche der Klasse 1C einen e rwarteten eGR-Verlust von 2,5 ml/min pro Jahr und die der Gruppe 1E von 4,6 ml/min im Jahr. Definitionsgemäß gelten daher Patienten der Klassen 1C–1E als solche mit rascher Progression und damit Behandlungsindikation. Ob eine Bestimmung es TKV mittels Sonografie exakt möglich ist, bleibt zweifelhaft. Eine rezente Studie fand einen renalen Längsdurchmesser > 16,5 cm bei Patienten unter 45 Jahren als P rädiktor für das Auftreten einer CKD 3 innerhalb von 8 Jahren. In dieser Studie wurde allerding nicht auf Größe und Alter adjustiert. Entgeltliche Einschaltung NEPHRO Script Tacrolimus retard (Advagraf TM) Weniger (oft) ist mehr Die Immunsuppression mit Tacrolimus 1-mal täglich ist gegenüber der 2-mal täglichen Anwendung mit besserem Transplant- und Patientenüberleben assoziiert.1 Die Umstellung auf Tacrolimus retard scheint effektiv und gut verträglich.2–4 Redaktion: Dr. Eva Maria Riedmann D ie Behandlungserfolge nach der Transplantation (TX) haben sich nicht zuletzt aufgrund effektiver immunsuppressiver Therapiekonzepte in den letzten Jahren signifikant verbessert.5 Das Immunsuppressivum Tacrolimus greift spezifisch in die Signaltransduktion und Aktivierung von T-Zellen ein und ist in der EU bereits seit Mitte der 1990er-Jahre unter dem Namen Prograf TM erhältlich. 2007 folgte die EU-Zulassung von Advagraf TM, das sich durch eine langsamere Freisetzung des Wirkstoffs Tacrolimus von Prograf TM unterscheidet. Das Medikament ist deshalb nur 1-mal täglich (quaque die [QD]) einzunehmen (Prograf TM 2-mal täglich [BID]).6, 7 ADV/2016/0005/AT Tacrolimus QD bringt Vorteile Tacrolimus retard hat gegenüber der BID-Formulierung den Vorteil niedrigerer maximaler Talspiegel von Tacrolimus und deutlich geringerer Variabilität der Tacrolimus-Konzentration im zeitlichen Verlauf.8 Darüber hinaus wirkt sich die 1-mal tägliche Einnahme positiv auf die Adhärenz aus.9 Eine rezente Analyse der Daten des Europäischen Lebertransplantationsregisters (ELTR) zeigt einen Überlebensvorteil und weniger Transplantatverluste unter Tacrolimus QD.1 Insgesamt wurden 4.367 Patienten inkludiert, die in den Jahren 2008–2012 an 21 verschiedenen europäischen Zentren einer primären Lebertransplantation (LTX) unterzogen worden waren. 528 Patienten erhielten Tacrolimus QD, 3.839 Tacrolimus BID. Die Gabe von Tacrolimus BID wurde als signifikanter Risikofaktor für geringeres Transplantat- und Patientenüberleben identifiziert. Nach 3 Jahren betrug der absolute Überlebensvorteil unter Tacrolimus QD 8 % für das Organ, und 6 % für Patienten.1 Fachkurzinformation siehe Seite 24 Switch von BID zu QD – effektiv und gut verträglich Mehrere Studien2, 3, 4 bestätigen die Effektivität und Sicherheit einer Umstellung von 2- auf 1-mal täglich Tacrolimus bei nierentransplantierten (NTX) Patienten. Im Rahmen einer spanischen Studie2 wurden 1.832 stabile NTXPatienten von Tacrolimus BID auf die QD-Formulierung umgestellt. Die Konversion erfolgte im Verhältnis 1:1 (mg:mg) bezogen auf die Gesamtdosis. Nach der Umstellung wurde eine geringfügige Reduktion der Tacrolimus-Talspiegel beobachtet, was eine Anpassung der täglichen Dosis erforderlich machte. Der wichtigste Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion, die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), zeigte keine signifikante Änderung über einen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten hinweg. Proteinurie, Blutdruck, Lipid-, Leber- und Glukose-Parameter blieben stabil. Die retardierte Formulierung war gut verträglich, die Abstoßungsrate mit 0,4 % gering. Fast alle Studienteilnehmer (99,4 %) bevorzugten die QD-Formulierung, als Begründung gaben sie die verringerte Dosisfrequenz (66 %) und eine verbesserte Adhärenz (34 %) an.2 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine kleinere multizentrische Studie3, die 128 stabile NTX-Patienten einschloss, die Tacrolimus BID ≥ 12 Wochen erhalten hatten. Nach 6 Wochen erfolgte die Umstellung auf Tacrolimus QD im Verhältnis 1:1 (mg:mg), anschließend wurden die Patienten über 12 Wochen beobachtet. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der Kreatinin-Clearance (Vergleich vor und nach dem Switch), sekundäre Endpunkte waren Biopsie-belegte akute Abstoßung, Patienten- und Organüberleben sowie Sicherheit. Die renale Funktion blieb nach dem Switch auf die retardierte Formulierung stabil. Es trat kein Fall von akuter Abstoßung auf, das Patienten- und Organüberleben lag bei 100 %.3 Die Sicherheit der Umstellung von Tacrolimus BID zu QD belegt auch eine retrospektive Studie4 mit 589 NTX-Patienten, die nach einer mittleren Post-Transplant-Periode von 4,6 Jahren auf Tacrolimus QD umgestellt worden waren. Eine retrospektive Analyse der Krankengeschichten zeigte, dass die renale Funktion nach Konversion über 12 Monate hinweg weitestgehend stabil geblieben war. Das Organüberleben lag ein Jahr nach der Umstellung bei 96,3 %, das Patientenüberleben bei 99 %.4 FAZIT: Die Umstellung stabiler TX-Patienten von Tacrolimus BID auf die retardierte QD-Formulierung ist in Übereinstimmung mit der Fachinformation möglich, beeinträchtigt nicht die Nierenfunktion und geht mit geringen Abstoßungsraten und guter Verträglichkeit einher. ■ Adam R. et al., Am J Transplant 2015; 15 (5): 1267–82 Guirado J. et al., Am J Transplant 2011; 11 (9): 1965–71 3 Lauzurica R. et al., Transpl Int 2012; 25 (1): 48–55 4 Slatinska J. et al., Transplant Proc 2013; 45 (4): 1491–6 5 Adam R. et al., J Hepatol 2012; 57 (3): 675–88 6 Fachinformation Advagraf TM 7 http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/ human/000712/WC500022235.pdf 8 Sanko-Resmer J. et al., Transpl Int 2012; 25 (3): 283–93 9 Kuypers D.R. et al., Transplantation 2013; 95 (2): 333–40 1 2 31 Entgeltliche Einschaltung NEPHRO Script Phosphat- und Kaliummanagement bei CKD-Patienten Bei dialysepflichtigen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) kommt es häufig zur Entwicklung einer Hyperphosphatämie. Die Erhöhung des Phosphatspiegels im Blut geht mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einher und war ein wichtiges Thema bei der dies jährigen OEGN-Wintertagung in Salzburg. „Der Zusammenhang zwischen Phosphatüberladung und hohen Mortalitätsraten geht aus vielen vergangenen observationellen Studien hervor“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Graz, einleitend bei seinem Vortrag über den therapeutischen Nutzen und den praktischen Einsatz von Phosphatbindern und verweist auf ältere und neue Studien, in denen der Zusammenhang zwischen CKD und kardiovaskulären Ereignissen untersucht wurde. So ließ sich in einer Studie mit 1.120.295 erwachsenen nicht-dialysierten Patienten, bei welchen die Kreatinin-Konzentrationen im Serum zwischen 1996 und 2000 erfasst wurden, ein Zusammenhang zwischen einer reduzierten GFR, dem Mortalitätsrisiko, kardiovaskulären Ereignissen und Hospitalisierungsraten herstellen.2 In einer Studie von Eddington et al.3 (n = 1.203) konnte gezeigt werden, dass erhöhte, jedoch noch immer im normalen Referenzbereich befindliche Serum-Phosphatwerte bei CKD-Patienten in den Stadien 3 und 4 mit einer erhöhten Mortalität assoziiert waren. Diese Daten bestärken den Bedarf nach einem optimierten Phosphatmanagement bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz.1, 3 32 14 12 AT/VEL/16/0023a Erhöhte Serumphosphatwerte erhöhen die Mortalität Eine Maßnahme, um den Serum-Phosphatspiegel zu senken, ist die phosphatarme Diät. Da derartige alimentäre Phosphatrestriktionen bei vielen CKD-Patienten alleine jedoch nicht ausreichen, um die Serum-Phosphatwerte zu senken, wird die Gabe von Phosphatbindern notwendig. Es stehen unterschiedliche phosphatbindende Substanzen zur Verfügung, und obwohl diese eine effektive Behandlungsmöglichkeit darstellen, erreichen bis zu 50 % aller CKD-Patienten nicht ihren erstrebten Phosphatspiegel.4 Als Hauptgründe hierfür gelten schlechte Verträglichkeit und mangelnde Therapietreue aufgrund der hohen Tablettenlast. Im Durchschnitt müssen Dialysepatienten 19 Tabletten täglich schlucken, etwa die Hälfte davon entfällt auf Phosphatbinder.5 Rosenkranz: „Je mehr Tabletten ein Patient schlucken muss, desto geringer ist die Therapietreue.“ Wurde lange Zeit auf kalziumhältige Phosphatbinder zurückgegriffen, stehen CKD-Patienten mittlerweile kalziumfreie Präparate zur Verfügung, die im Vergleich zu kalziumhältigen Phosphatbindern mit einem geringeren Hyperkalzämierisiko einhergehen.6 „Es gibt keine optimale Therapieform, jede Intervention hat ihre Vor- und Nachteile und wie bei anderen Erkrankungen sollten beim Phosphatmanagement zukünftig multifaktorielle Therapieoptionen angestrebt werden“, so Rosenkranz. ■ PA21 ■ Sevelamerkarbonat 10 6,0 6 4 2 0 8,7 8,1 7,6 8 2,0 Behandlungsstart 2,8 Woche 0–12 3,3 3,1 Woche 0–24 Woche 0–52 Abb.: Durchschnittliche Tablettenlast durch Phosphatbinder: Vergleich von PA21 und Sevelamer7 Fachkurzinformation siehe Seite 24 B ereits in Frühphasen der Niereninsuffizienz finden sich Störungen des Kalzium-Phosphat-Haushalts und des Knochenmetabolismus, welche progredient mit dem Verlust der exkretorischen Nierenfunktion ansteigen. Die Phosphatretention bei chronischer Niereninsuffizienz ist wahrscheinlich auf den Verlust der glomerulären Filtrationsrate (GFR) sowie auf einen relativen Vitamin-D-Mangel zurückzuführen, in dessen Folge es zu einer Hypokalzämie kommt.1 Die erhöhten Serumphosphatwerte begünstigen Phosphat- und Kalziumablagerungen im Gefäßsystem und folglich mitunter das Auftreten von Herzinsuffizienz, Arrhythmien und koronarer Herzerkrankung, weswegen der Hyperphosphatämie mittlerweile eine immer wichtigere Bedeutung für das Überleben von CKD-Patienten beigemessen wird. Herausforderung Therapietreue Tablettenanzahl/Tag Redaktion: Katharina Miedzinska, MSc Entgeltliche Einschaltung NEPHRO Script Sucroferric Oxyhydroxide: reduzierte Tablettenlast Neue Therapien bei Hyperkaliämie Mit dem 2014 zugelassenen Phosphatbinder Sucroferric Oxyhydroxide (PA21) steht dialysepflichten erwachsenen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz nun ein neues Präparat zur Kontrolle des Serum-Phosphatspiegels zur Verfügung. Sicherheit und Wirksamkeit des kalziumfreien, eisenbasierten Phosphatbinders, der in Form einer Kautablette eingenommen wird, wurden im Rahmen einer offenen randomisierten, aktiv kontrollierten Phase-III-Studie mit 1.055 dialysepflichtigen Patienten mit Hyperphosphatämie überprüft (Abb.).7 Dabei erhielten 707 Patienten PA21 in einer Dosierung von 1 bis 3 g pro Tag, 348 Patienten wurden mit Sevelamer, dem bisherigen kalziumfreien Behandlungsstandard, in einer Dosierung von 4,8 bis 14,4 g behandelt. Nach insgesamt 24 Wochen wiesen beide Behandlungsgruppen eine vergleichbare Reduktion der Serumphosphatspiegel gegenüber den Ausgangswerten auf, doch während Patienten des Sevelamer-Arms täglich zwischen 8 und 10 Tabletten schlucken mussten, waren bei Patienten unter PA21 nur 3 bis 4 Tabletten pro Tag für eine effektive Hyperphosphatämie-Kontrolle erforderlich. Rosenkranz: „Die Studienergebnisse zeigen, dass PA21 bei reduzierter Tablettenlast genauso wirksam ist wie die Vergleichssubstanz.“ Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Sucroferric Oxyhydroxide zählen Diarrhö, Übelkeit und Stuhlverfärbung. Die empfohlene Anfangsdosis für PA21 beträgt 3 Tabletten pro Tag (eine Tablette pro Mahlzeit). Auch für CKD-Patienten mit Hyperkaliämie, welche mitunter zu Arrhythmien, Muskelschwäche und Parästhesien führen kann, stehen bald neue Therapien zur Verfügung. „Bei Hyperkaliämie handelt es sich nicht nur um ein biochemisches von der Norm abweichendes Ereignis. Ein zu hoher Kaliumspiegel im Blut ist ein großes klinisches Problem und kann zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen“, betont Univ.-Prof. Dr. Rainer Oberbauer, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Medizinische Universität Wien. Momentan befindet sich ein in den USA bereits mit Ende 2015 zugelassener Kaliumbinder im Zentrum klinischer Forschungsaktivitäten, welcher die Absorption von Kalium durch die Bindung im Magen-Darm-Trakt reduziert. Ergebnisse einer Phase-III-Studie8 bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit der Substanz und zeigten bei Patienten unter Placebo 4-mal häufiger wiederkehrende Hyperkaliämien als unter Verum (60 % vs. 15 %). ■ Ritter C.S. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2016 Feb 10; 2 Go A.S. et al., N Engl J Med 2004 Sep; 351 (13): 1296–305; 3 Eddington H. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2010 Dec; 5 (12): 2251–7; 4 Yolee P.M. et al., J Nephrol 2014; 27 (6): 673–679; 5 Chiu Y.W. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4 (6): 1089–1096; 6 Jamal S.A. et al., Lancet 2013 Oct; 382 (9900): 1268–77; 7 Floege J. et al., Kidney Int 2014; 86 (3): 638–647; 8 Weir M.R. et al., N Engl J Med 2015; 372: 211–221 Fachkurzinformation siehe Seite 24 AT/VEL/16/0023a 1 33 Fachkurzinformation siehe Flappe