01/2016 - Nierenversagen: akut, chronisch

Transcrição

01/2016 - Nierenversagen: akut, chronisch
P.b.b. GZ 02Z031654 M, MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien
ISSN 1605-881X
ÖSTERREICHISCHE
GESELLSCHAFT
FÜR NEPHROLOGIE
Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der
Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie
Script
19. JAHRGANG/NR. 1/2016
Akutversagen
Pathomechanismen im systemischen „Crosstalk“
Transplantation
Screening nach Donor-spezifischen Antikörpern
Überwässerung
Von DialysepatientInnen lernen
10. Nephrologie-Symposium Schladming
Nierenversagen:
akut, chronisch, terminal
Foto: Sissi Furgler Fotografie
Fachkurzinformation siehe Seite 24
NEPHRO Script
EDITORIAL
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
S
ie halten mit diesem Heft die erste NEPHROScript-Ausgabe
2016 in der Hand.
Mit den Themengebieten „Nierentransplantation“, „akutes
Nierenversagen“, „chronische Niereninsuffizienz“ und einem entsprechenden Update haben wir uns eng an das 10. NephrologieSymposium in Schladming gehalten. Erfreulicherweise hat der
nephrologische Nachwuchs in Österreich Flagge gezeigt und ausgezeichnete Vorträge bzw. Manuskripte dazu verfasst.
Darüber hinaus hat unser Präsident Karl Lhotta ein aktuelles
Thema – eine neue Therapieoption bei autosomal dominanter
polyzystischer Nierenerkrankung – zum Anlass genommen,
INHALT
03 Editorial
05 News aus der Welt der Nephrologie
13 Impressum
10. NEPHROLOGIE-SYMPOSIUM SCHLADMING
06
Proteinurie nach Nierentransplantation
Dr. Markus Pirklbauer
10 Umgang mit positivem DSA-Befund nach
e­ ntsprechende Empfehlungen zum Therapiemanagement bei ­dieser
häufigsten hereditären Nierenerkrankung auszusprechen.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und hoffe,
dass Sie nützliche Informationen für Ihren klinischen Alltag
­finden.
■
Mit kollegialen Grüßen!
Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz
Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin,
Medizinische Universität Graz
18 Akutes Nierenversagen als Risikofaktor
(nicht nur) für CKD
Dr. Claudia Friedl
22 Knochenstoffwechsel bei chronischer
­ iereninsuffizienz – Update zur CKD-MBD
N
Dr. Danielle Diarra
25 Flüssigkeitshaushalt bei terminaler
­ iereninsuffizienz – Von DialysepatientInnen lernen
N
Assoc. Prof. Dr. Manfred Hecking, Dr. Peter Wabel,
Prof. em. Friedrich K. Port
­Nierentransplantation
Assoc. Prof. Dr. Hannes Neuwirt, PhD
12 Der Remuzzi-Score: Implikation für die
Foto: Sissi Furgler Fotografie
­Doppelnierentransplantation
Dr. Rupert Oberhuber, Dr. Annemarie Weißenbacher, ­
ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger
14 Akutes Nierenversagen – Neues zu Diagnostik,
­ athogenese und Therapie
P
Dr. Alexander Kirsch
Univ.-Prof. Dr.
Alexander Rosenkranz
TOPICS
29 Therapie der ADPKD mit Tolvaptan
Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNGEN
31 Tacrolimus retard (Advagraf ) – Weniger (oft) ist mehr
32 Velphoro – Phosphat- und Kaliummanagement bei
TM
®
CKD-Patienten
3
4
Fachkurzinformation siehe Seite 24
NEWS
NEPHRO Script
News aus der Welt der Nephrologie
SLOVAKIA
Mit Beiträgen von Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta
COLOMBIA
Sind weibliche Sexualhormone nephroprotektiv?
E
in bislang unzureichend erklärtes Phänomen ist die Tatsache, dass
Männer häufiger von einer terminalen Niereninsuffizienz betroffen
sind als Frauen. So beträgt da Risiko, an die Dialyse zu kommen, für
Männer mittleren Alters 1:40, für Frauen nur 1:60. Forscher aus Innsbruck konnten nun zeigen, dass der normale Zyklus der Frau mit einer
erhöhten Regeneration von proximalen Tubulusepithelien einhergeht.1
So konnte bei Frauen mit normalem Zyklus nach der Ovulation sowie
nach Beginn der Menstruation ein deutlicher Anstieg der Enzyme
Fruktose­-1,6-Bisphosphatase und Glutathion-S-Transferase im Harn
nachgewiesen werden. Diese Anstiege fehlen bei postmenopausalen Frauen
und Männern. Die Autoren vermuten, dass diese Anstiege auf den Zelluntergang von proximalen Tubulusepithelien zurückzuführen sind und
mit einem erhöhten Regenerationspotenzial einhergehen. Möglicherweise
steht der Zelluntergang (durch Apoptose?) mit rasch abfallenden Östrogen­
spiegeln in diesen Zyklusphasen in Zusammenhang. Die Autoren
­spekulieren, dass diese zyklusabhängige Zellerneuerung von proximalen
Tubulusepithelien einen nephroprotektiven Effekt haben könnte und
damit das geringere Risiko für ESRD bei Frauen zumindest teilweise
erklären könnte.
1
Seppi et al., J Am Soc Nephrol 2016
Hemmung von PDE-5:
ein neues Therapieprinzip bei diabetischer Nephropathie?
T
rotz verschiedenster Therapiemaßnahmen schreitet die diabetische
Nephropathie bei vielen Patienten fort. Die verringerte Verfügbarkeit von NO und cGMP in der Niere scheint bei der Progression der
diabetischen Nephropathie eine entscheidende Rolle zu spielen. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung des intrazellulären
cGMP durch Hemmung des Enzyms Phosphodiesterase Typ 5 den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen kann. Dies betrifft sowohl Veränderungen am Podozyten als auch die glomeruläre Hämodynamik.
Der Effekt der PDE-5-Inhibition durch den hochselektiven und lang
wirksamen Hemmer PF-00489791 auf die Albuminurie bei manifester
diabetischer Nephropathie mit Makroalbuminurie wurde in einer ran-
domisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie bei 256
­Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht.1 Die Patienten e­ rhielten
zusätzlich zur Standardtherapie 20 mg der Substanz oder Placebo (3:1)
täglich über 12 Wochen. Unter Therapie kam es zu einer Abnahme der
Albuminurie um 15,7 %. Blutdruck und eGFR blieben unverändert. Als
Nebeneffekt wurde eine Verbesserung des HbA1c beobachtet. Die ­Therapie
war gut verträglich mit Kopfschmerzen und gastrointestinalen Problemen
als Nebenwirkungen. Die Langzeitwirkung der Hemmung von PDE-5
bei diabetischer Nephropathie wird weiter in Langzeitstudien untersucht
werden, um mögliche Effekte auf die eGFR und kardiovaskuläre ­Ereignisse
beurteilen zu können.
Scheele et al., J Am Soc Nephrol 2016
1
Dextran-Sulfat-Apherese bei Präeklampsie
E
ine Präeklampsie tritt in 3–8 % aller Schwangerschaften auf mit
­potenziell schweren Folgen für Mutter und Kind. In der Pathogenese
spielt wahrscheinlich die vermehrte Freisetzung des antiangiogenetischen
Proteins soluble Fms-like tyrosine kinase 1 (sFlt-1) die entscheidende Rolle.
Eine rezente Studie1 untersuchte nun den Effekt der Elimination von sFlt-1
durch 1 bis 3 Dextran-basierte Apheresen bei 11 Schwangeren mit einer
Präeklampsie zwischen der 23. und 32. SSW. Antihypertensiva wurden
am Tag der Behandlung pausiert und die Schwangeren erhielten eine
­zusätzliche Volumensubstitution. Durch die Apherese konnte der Serumspiegel von sFlt-1 um 18 % (7–28 %) gesenkt werden, die Protein-­KreatininRatio im Harn sank um 44 %. Die Dauer der Schwangerschaft konnte
durch eine Apherese im Schnitt um 8 Tage, durch mehrere Apheresen um
15 Tage verlängert werden Auf mütterlicher Seite traten keine Komplikationen auf. Bei den Neugeborenen war zwischen den Kindern der Therapie­
gruppe und denen der Kontrollgruppe kein wesentlicher Unterschied,
­lediglich die Dauer der Sauerstofftherapie war mit 2 Tagen im Vergleich
zu 11 Tagen verkürzt. Trotz Apherese kam es im Verlauf der Schwangerschaft zu einem weiteren raschen Anstieg von sFlt-1. Dies wirft die Frage
auf, ob für den günstigen Effekt neben der kurzfristigen und moderaten
Reduktion von sFlt-1 auch andere Mechanismen eine Rolle spielen.
Thadhani et al., J Am Soc Nephrol 2016
1
5
NEPHRO Script
FOCUS
uu
Eine
Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplantation auf (Prävalenz je nach
­ efinition 7 % bis 45 %) und ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für kardio­
D
vaskuläre Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben.
uu
Nach Nierentransplantation sollte jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw.
jede unklare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag zeitnah bioptisch abgeklärt
­werden, um potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen.
Differenzialdiagnose, prognostische Relevanz, Management
Proteinurie nach Nierentransplantation
6
Foto: privat
E
ine Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplander renalen Parenchymschädigung können tubuläre
tation (NTx) auf und ist in diesem Zusammenhang
und glomeruläre Proteinurie auch parallel auftreten.
ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre
Mangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien im
Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben.
nierentransplantierten Kollektiv muss betreffend ProMangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien
teinurieabklärung auf Empfehlungen für nicht-nierenschwanken die Prävalenzangaben im nierentransplantransplantierte Patienten zurückgegriffen werden
tierten Kollektiv je nach Methodik und Cut-off-­Werten Dr. Markus Pirklbauer (KDIGO c­ linical practice guideline for the care of kidney
Univ.-Klinik für Innere
zwischen 7 % und 45 %. Neben de novo oder ­rekurrent
transplant recipients, Am J Transplant. 2009). Dabei
Medizin IV – Nephrologie
auftretenden Nierenerkrankungen gibt es eine Vielzahl
stellt die Bestimmung der Protein- bzw. Albuminausund Hypertensiologie,
transplantspezifischer Ursachen. Als potenziell modi- Medizinische Universität scheidung im 24-h-Sammelharn ­weiterhin den GoldInnsbruck
fizierbarer Risikofaktor sollte die Proteinurie nach NTx
standard dar, wenngleich aufgrund häufiger Sammelmöglichst frühzeitig bioptisch abgeklärt werden. Im
fehler zunehmend die einfachere Bestimmung der sog.
Folgenden werden Diagnostik, Prävalenz, Ätiologie, Prognose
Protein-Kreatinin- bzw. Albumin-Kreatinin-Ratio (PCR bzw. ACR,
sowie Management der Proteinurie nach NTx diskutiert.
in mg/g) aus dem Spotharn Anwendung findet. Gemäß den aktuellen KDIGO-Richtlinien wird eine Gesamt­eiweiß­ausscheidung
≥ 300 mg/Tag bzw. eine Albumin­ausscheidung ≥ 30 mg im 24-hDiagnostik
Sammelharn als eindeutig pathologisch definiert. Unabhängig davon
Analog zu nicht-nierentransplantierten Patienten unterscheidet
existieren für die Verwendung von PCR bzw. ACR aus dem
man nach NTx zwischen tubulärer und glomerulärer Proteinurie.
Spotharn eigene, geschlechtsspezifische Grenzwerte (Tab.).
Bei ersterer kommt es durch Überschreiten der proteinspezifischen
Von einer Einteilung in „Mikro“- bzw. „Makro“-Albuminurie
Rückresorptionsschwelle im proximalen Tubulus (z. B. bei
wurde in den aktuellen Richtlinien Abstand genommen, ­alternativ
­multiplem Myelom oder Tumorlysesyndrom) bzw. durch direkte
erfolgt eine Kategorisierung in „moderate“ bzw. „schwere“ Albumin­
­tubuläre Schädigung (z. B. durch interstitielle Inflammation,
urie (Tab.). Im direkten Vergleich zwischen 24-h-Sammelharn­medikamentös toxische Schädigung oder Ischämie-assoziiert) zum
und Spotharn-basierter Proteinuriediagnostik konnte eine weitAuftreten von niedermolekularen Proteinen (MG < 65 kDa; z. B.
gehende Gleichwertigkeit der Methoden nach NTx gezeigt ­werden
1-Mikroglobulin, 2-Makroglobulin, freie Leichtketten etc.) im
(Steinhäuslin et al., Clin Nephrol 1995).
Endharn. Im Gegensatz dazu tritt in frühen Stadien der glomerulären Schädigung durch den Verlust negativer Ladungen im
Prävalenz
Bereich der glomerulären Basalmembranen zunächst eine isolierte
Albuminurie (sog. „selektive glomeruläre Proteinurie“) auf, da
Je nach verwendetem Grenzwert, Messmethode und Zeitpunkt
negativ geladenes Albumin (MG 67 kDa) physiologischerweise
nach NTx variieren die Prävalenzangaben bezüglich Proteinurie
nur elektrostatisch, jedoch nicht größenbedingt an der Basalmemin der Literatur zum Teil deutlich. So werden 12 Monate nach
branpassage gehindert wird. Bei fortschreitender BasalmembranNTx Werte zwischen 7,5 % (Grenzwert 1 g/Tag) und 45 % (Grenzdestruktion passieren zunehmend auch größere Proteine, allen
wert 150 mg/Tag) berichtet (Tsampalieros et al., Transplantation
voran IgG (MG 150 kDa), den glomerulären Filter (sog. „unse2015). Unmittelbar nach NTx tritt eine Proteinurie häufig auf,
lektive glomeruläre Proteinurie“). Abhängig von Art und Umfang
wobei initial (Stunden bis einige Tage) sowohl Eigen- als auch
FOCUS
NEPHRO Script
Tab.: KDIGO-Klassifikation der Protein-/Albuminurie
Proteinurie
Albuminurie
Methode
normal
pathologisch
24-h-Harn
< (150–)300 mg/d
> (150–)300 mg/d
Spot PCR
< 200 mg/g
> 200 mg/g
moderat
schwer
24-h-Harn
< 30 mg/d
30–300 mg/d
> 300 mg/d
Spot ACR
< 17 mg/g (Mann)
< 25 mg/g (Frau)
17–250 mg/g (Mann)
25–355 mg/g (Frau)
> 250 mg/g (Mann)
> 355 mg/g (Frau)
Modifiziert nach: KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients, Am J Transplant 2009
Transplantniere als Quelle in Frage kommen. Durch rasche Abnahme der Eigennierendurchblutung und Rückbildung der Hyperfiltration kommt es innerhalb des ersten Monats nach NTx –
sowohl bei zuvor dialysepflichtigen als auch präemptiv transplantierten Patienten – in aller Regel zu einer Normalisierung der
„nativen“ Eiweißausscheidung, sodass grundsätzlich jede persistierende bzw. neu aufgetretene Proteinurie auf eine Transplantat­
pathologie hinweist (D’Cunha et al., Am J Transplant 2005). Das
Ausmaß der Proteinurie unmittelbar nach NTx ist bei zuvor dialyse­
pflichtigen bzw. präemptiv transplantierten Patienten ­nahezu ident
(Amer et al., Am J Transplant 2007), wobei sich im Vergleich zur
Kadaverspende unmittelbar nach Nierenlebend­spende – bei weitgehend vergleichbarer tubulärer Proteinurie – eine deutlich geringere glomeruläre Proteinurie zeigt. Eine raschere Besserung der
glomerulären im Vergleich zur tubulären Proteinurie wird auf eine
unterschiedliche Ischämie-Toleranz dieser Parenchymabschnitte
zurückgeführt (Artz et al., Transplantation 2003).
Foto: privat
Ätiologie
Verschiedene Assoziationsstudien konnten zeigen, dass Body Mass
Index, Delayed Graft Function, Spenderalter, HLA-Mismatch, Einsatz von Tacrolimus oder antihypertensiver Medikation sowie das
Vorhandensein von Donor-spezifischen Antikörpern unabhängige
Risikofaktoren für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx darstellen (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Neben de novo
oder rekurrent auftretenden Nierenerkrankungen (z. B. FSGS,
MCN, MPGN, IGA-N, MN, TTP/HUS, postinfektiöse GN,
primäre/sekundäre Vaskulitis, SLE, diabetische Nephropathie,
Amyloidose, LK-Erkrankung etc.) und akuter Transplantatabstoßung ist die chronische Allograftnephropathie (CAN) hauptverantwortlich für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx (Sun
et al., Plos One 2012). CAN ist gekennzeichnet durch typische
histologische Veränderungen im gesamten Nierenparenchym (glomeruläre Doppelkonturen, vaskuläre Verdickungen, entzündliches
tubulointerstitielles Infiltrat sowie interstitielle Fibrose und tubuläre Atrophie), wobei ursächlich sowohl Alloantigen-abhängige
(z. B. chronisch zelluläre bzw. humorale Abstoßung) als auch
Alloantigen-unabhängige Faktoren (z. B. Hyperfiltration, Hypertonie, diabetische Stoffwechsellage, Ischämie-/Reperfusionsschaden, Spenderalter, medikamentös toxischer Schaden, Infektionen,
thrombotische Mikroangiopathie etc.) beteiligt sein können
(­Heemann et al., NDT 2013). Die tubulointerstitielle Entzündung
nimmt dabei eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Protein­
urie nach NTx ein, wobei die Proteinurie selbst den interstitiellen
Entzündungsprozess fördert bzw. perpetuiert (Circulus vitiosus).
Grundsätzlich kann die Art der Proteinurie (tubulär u./o. glomerulär) nicht eindeutig über die zugrunde liegende Ursache Auskunft geben, da zahlreiche Noxen verschiedene Parenchymabschnitte in unterschiedlichem Ausmaß schädigen können (­Ponticelli
et al., Transplant Int. 2012).
Die vielfach beschriebene Assoziation zwischen mTOR-InhibitorEinsatz und einer Proteinurie nach NTx ist ursächlich nur bedingt
verstanden. Grundsätzlich werden zwei Situationen unterschieden:
1.Eine Proteinurie, die nach Umstellung einer Calcineurinin­
hibitor-(CNI)-basierten auf eine mTOR-Inhibitor-basierte
Immunsuppression auftritt, wird primär auf geänderte hämo­
dynamische Verhältnisse, d. h. eine erhöhte glomeruläre Durchblutung bzw. Hyperfiltration nach CNI-Entzug, zurückgeführt
(Letavernier et al., Transplantation 2005).
2. Die Entstehung einer Proteinurie bei primärem mTOR-Inhibitor Einsatz, d. h. ohne vorangegangene CNI-Verwendung,
ist ursächlich wenig verstanden und wurde unter anderem auf
eine gesteigerte VEGF-Expression zurückgeführt (Verhave et
al., Clin Transplant 2014). In einer retrospektiven Studie der
German Sirolimus Study Group kam es nach Konversion auf
eine Sirolimus-basierte Immunsuppression bei 36 % der Patienten zum erstmaligen Auftreten einer Proteinurie trotz hohem
Anteil an verwendeter RAAS-Blockade, wobei sowohl Patienten
mit bereits vorhandener Proteinurie als auch neu aufgetrete
ner Proteinurie nach Umstellung auf Sirolimus im Vergleich
zu nicht proteinurischen Patienten ein schlechteres Transplantat­
überleben aufwiesen (German Sirolimus Study Group, Clin
Transplant 2014). In einer weiteren retrospektiven Analyse
konnte darüber hinaus ein dosisabhängiger Effekt von Everolimus auf das Ausmaß der Proteinurie nach NTx gezeigt ­werden
(Wiseman et al., Am J Transplant 2013). Prospektive Daten
über die Bedeutung der mTOR-Inhibitor-assoziierten Protein­
urie auf das Transplantatüberleben fehlen jedoch bislang.
Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch postrenale Ursachen (Blutungen, Harnwegsinfekte, etc.) sowie andere transiente
Faktoren (Fieber, körperliche Belastung, etc.) – analog zu Nieren­
gesunden – zu passagerer Proteinurie nach NTx führen können. ˘
7
FOCUS
NEPHRO Script
Histologische Korrelation
Das Ausmaß der Proteinurie nach NTx korreliert nur begrenzt mit
den zugrunde liegenden histologischen Veränderungen, w
­ elche in
aller Regel den klinischen Zeichen der Transplantatschädigung (z. B.
GFR-Abfall u./o. Proteinurie) vorausgehen. Bei > 600 NTx-Patienten konnte gezeigt werden, dass bei einer Proteinurie < 1.500 mg/
Tag 1 Jahr nach NTx weder anhand der Proteinmenge noch mittels
spezifischer Proteinanalysen statistisch zwischen verschiedenen
r­enalen Pathologien (CAN/IFTA, akute Abstoßung oder Gefäßpathologie) bzw. unauffälliger Histologie (in 36% der Protokoll­
biopsien vorliegend) unterschieden werden kann. Allerdings lag bei
einer Proteinurie > 1.500 mg/Tag in 80 % der Fälle eine bioptisch
nachweisbare glomeruläre Pathologie vor (Amer et al., Am J Transplant 2007). Unabhängig vom Ausmaß der Eiweiß­ausscheidung
stellt CAN mit 41 % die häufigste histologische Diagnose bei einer
Proteinurie nach NTx dar, gefolgt von IgA-Nephropathie mit 16 %
sowie akuter und chronischer Abstoßung mit je ca. 10 %. Insgesamt
nimmt mit zunehmender Proteinurie der Anteil spezifisch glomerulärer Erkrankungen (wie IGA-­Nephropathie und FSGS) zu. Immunologischen Prozessen scheint dabei eine besondere Bedeutung
zuzukommen, da eine neu auftretende Proteinurie nach NTx in
96 % der Fälle mit zumindest einer immunologischen Läsion in
der Transplantatbiopsie (am häufigsten interstitielle Inflammation,
aber auch C4d-Ablagerung, glomeruläre C3-Ablagerung, Tubulitis,
glomeruläre Doppelkonturen, Glomerulitis oder intimale Arteritis)
einhergeht (Sun et al., Plos One 2012).
Prognostische Relevanz
Die Proteinurie ist ein etablierter Marker für die Progression chronischer Nierenerkrankungen in der nicht-transplantierten Population. Aufgrund anzunehmender Transplantat(vor)schädigung
werden nierentransplantierte Patienten per se (GFR-unabhängig)
der chronisch nierenkranken Population zugeordnet (KDIGO
2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and M
­ anagement
of Chronic Kidney Disease, Kidney Int 2012). Diesbezüglich ­konnten
Busca et al. bei 231 Patienten zeigen, dass die richtlinengemäße
KDIGO-Risikostratifizierung (anhand von GFR und Albumin­
urie) auch im NTx-Kollektiv mit dem Transplantatüberleben unabhängig assoziiert ist (Busca et al., Int Urol Nephrol 2014). Zahlreiche Assoziationsstudien haben einen unabhängigen, negativen
Zusammenhang zwischen der Proteinurie und Transplantat- bzw.
Patientenüberleben gezeigt (Tsampalieros et al., Transplantation
2015). Bereits ein geringer Anstieg der Proteinurie ist – GFRunabhängig – mit Transplantatversagen assoziiert (Amer et al.,
JASN 2009). Roodnat konnte zeigen, dass pro g/Tag Protein­
urieanstieg das Patientenüberleben um 16 % abnimmt (Roodnat
et al., Transplantation 2001). Im Unterschied zu Serumkreatinin
ist eine Proteinurie > 500 mg/Tag 2 Jahre nach NTx der w
­ ichtigste
unabhängige Prädiktor für das Patientenüberleben (HR 3,30)
(Cantarovich et al., Clin Transplant 2010). Auch korreliert eine
Proteinurie > 200 mg/g nach akuten Abstoßungsepisoden (in
dieser Studie im Mittel 6 Monate nach NTx auftretend) signifi8
kant mit Transplantatfunktion und -überleben (Oblak et al., Transplant Proc 2013). Unabhängig von der verwendeten Methode
(24-h-Harnsammlung bzw. PCR/ACR aus dem Spotharn) sind
sowohl die Proteinurie als auch die Albuminurie gleichwertige
Prädiktoren für das Transplantatüberleben. Der orientierende
Screeningtest mittels Albustix® korreliert ebenfalls mit dem Transplantatüberleben, ist den zuvor genannten Methoden jedoch in
Sachen Sensitivität und Spezifität unterlegen (Panek et al., NDT
2011). Das niedermolekulare Retinol-bindende Protein (RbP)
gilt als bester unabhängiger Prädiktor für das Transplantatüberleben, da es nicht nur bei glomerulärer Proteinurie, sondern auch
bei isoliert tubulärer Proteinurie (d. h. in der normoalbuminurischen Subgruppe) statistisch signifikant mit dem Transplantat­
überleben assoziiert ist (Amer et al., Am J Transplant 2013). Das
Vorhandensein von interstitieller Inflammation sowie tubulärer
Atrophie ist bei proteinurischen Patienten ein unabhängiger Prädiktor für schlechteres Transplantatüberleben (Sun et al., Plos One
2012). Diese Ergebnisse weisen erneut auf die Bedeutung des
tubulointerstitiellen Schadens für die Transplantatprognose hin.
Management
Die aktuellen KDIGO-Richtlinien empfehlen im ersten Monat
nach NTx mindestens eine Harneiweißkontrolle, bei vorbekannter
fokal segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) sollten davon abweichend in der ersten Woche tägliche bzw. im ersten Monat
nach NTx wöchentliche Kontrollen erfolgen. Im Anschluss daran
werden im ersten Jahr 3 monatliche bzw. ab dem ersten Jahr nach
NTx zumindest jährliche Kontrollintervalle empfohlen. Generell
wird ein Proteinurie-Screening mittels ACR/PCR-Bestimmung
aus dem Spoturin empfohlen, wobei positive Befunde stets mittels
24-h-Sammelharn-Diagnostik verifiziert werden sollten. Basierend
auf der aktuelle Studienlage und der potenziellen therapeutischen
Relevanz sollte jede neu aufgetretenen Proteinurie > 300 mg /Tag
bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > 3.000 mg/Tag als
Zeichen einer möglichen Transplantatpathologie interpretiert und
daher möglichst rasch bioptisch abgeklärt werden. Davon
­abweichend empfehlen manche Autoren bereits ab einer unklaren,
persistierenden Proteinurie > 1.500 mg/Tag eine histologische
Aufarbeitung, da über dieser Grenze in über 80 % der Fälle eine
glomeruläre Pathologie nachweisbar ist (Amer et al., Am J Transplant 2007). Die Diskussion spezifischer Therapien von zugrunde
liegenden Transplantatpathologien überschreitet den Rahmen
dieses Übersichtsartikels, im Folgenden soll jedoch kurz auf allgemeine, basistherapeutische Aspekte der Proteinurietherapie nach
NTx eingegangen werden. Diese unspezifischen Maßnahmen umfassen sowohl medikamentöse als auch Lifestyle-modifizierende
Maßnahmen zur RR- und Lipidkontrolle, Restriktion des Kochsalzkonsums, Anstreben des idealen Körpergewichts sowie Nikotin­
karenz. Aufgrund ihres unspezifischen, Proteinurie-senkenden
Effekts sollten diese Maßnahmen auch bei einer Proteinurie nach
NTx Anwendung finden, wenngleich die zugrunde liegenden Pathologien (z. B. bei akuter Abstoßung) dadurch nicht ursächlich
beeinflusst werden. Trotz hoher Hypertonieprävalenz von bis zu
FOCUS
75 % nach NTx (Cross et al., Transplantation 2009) liegen bis
heute keine randomisiert-kontrollierten Studien zur optimalen
Blutdruckkontrolle in diesem Patientenkollektiv vor. Die ­aktuellen
KDIGO-Richtlinien empfehlen Zielwerte < 130/80 mmHg und
geben in Hinblick auf anzuwendende Substanzklassen keine spezifische Empfehlung ab, sofern die Proteinurie 1 g/Tag nicht überschreitet. Bei einer Proteinurie > 1 g/Tag sollten präferenziell
ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker zur RR-Therapie eingesetzt werden (Evidenz der Empfehlung „not graded“!).
Darüber hinaus ist auch die Evidenz für den blutdruckunabhängigen Einsatz einer RAAS-Blockade zur Proteinuriereduktion nach
NTx bei Fehlen von positiven randomisiert kontrollierten Studien
sowie einer kontroversen retrospektiven Studienlage gering (Weir
et al., JASN 2015, Opelz et al., JASN 2006, Heinze et al., JASN
2006, Shin et al., Transplantation 2015). Auch wenn durch RAASBlockade eine Reduktion der Proteinurie nach NTx möglich
­erscheint (Hiremath et al., Am J Transplant 2007), konnte bislang – im Unterschied zu nicht-transplantierten Patienten mit
diabetischer Nephropathie – kein therapeutischer Benefit dieser
Intervention auf Patienten- oder Transplantatüberleben im nieren­
transplantierten Patientenkollektiv gezeigt werden. In einer rezent
erschienenen randomisiert kontrollierten Multicenterstudie zeigte
eine RAAS-Blockade mit Ramipril bei 213 proteinurischen NTxPatienten keinen Vorteil hinsichtlich des kombinierten Endpunktes
(GFR-Abfall, Dialysenotwendigkeit oder Tod) nach 4-jähriger
Beobachtungsphase im Vergleich zur Placebotherapie bei jedoch
NEPHRO Script
insgesamt erhöhter Nebenwirkungsrate in der Verumgruppe (Knoll
et al., Lancet Diabetes & Endocrinology 2015). In diesem Zusammenhang wurde bereits über einen möglichen negativen Effekt
der RAAS-Blockade auf Hämoglobinwert und GFR nach NTx
berichtet (Okumi et al., Clin Exp Nephrol 2011). In einer Metaanalyse von de Borst wurde eine 16%ige Reduktion der Proteinurie durch den Einsatz von aktiven Vitamin-D-Analoga bei nichttransplantierten Patienten gezeigt (de Borst et al., J Am Soc Nephrol
2013), eine Bestätigung im nierentransplantierten Kollektiv ist
jedoch bislang ausständig. Die Substitution von oralem Calcidiol
bei 25-OH-Vitamin-D-Mangel (< 30 ng/ml) konnte im 1-­jährigen
Beobachtungszeitraum das Ausmaß der Proteinurie bzw. Albuminurie nach NTx jedenfalls nicht beeinflussen (Kanter Berga et
al., Transplant Proc 2010).
RESÜMEE: Eine Proteinurie tritt häufig nach NTx auf und ist
dabei mit erniedrigtem Patienten- und Transplantatüberleben
assoziiert. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Pathologien sollte
jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag nach
Nierentransplantation zeitnah bioptisch abgeklärt werden, um
potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen. M
­ echanismen
der Proteinurieentstehung nach NTx, insbesondere die Rolle der
tubulointerstitiellen Inflammation, bedürfen weiterer Aufklärung,
um die derzeit noch limitierten therapeutischen Optionen zu
­erweitern.
■
Fachkurzinformation siehe Seite 24
9
NEPHRO Script
FOCUS
nach NTx wird empfohlen.
uu
Bei DSA-Nachweis wird eine Nierenbiopsie empfohlen.
uu
Die Frage nach der optimalen immunsuppressiven Therapie bleibt aber letztendlich
offen.
uu
DSA-Screening
Donor-spezifische Antikörper (DSA)
Umgang mit positivem DSA-Befund
nach Nierentransplantation
10
Foto: privat
D
SA (Donor-spezifische Antikörper) sind alloreakStudien, > 2.500 Patienten) war das relative Risiko für
tive Antikörper, die gegen Epitope des Transplaneine Antikörper-mediierte Abstoßung bzw. den Transtats gerichtet sind. Die Detektion von DSA ist
plantatverlust um ca. 3,8- bzw. 1,7-fach erhöht bei
erst seit Etablierung von Festphase-Tests (Solid Phase
Patienten mit dnDSA-Nachweis.11 In derselben Studie
Assays – SPA) und der damit möglichen Messung von
blieb das Risiko auch bei negativem FACS-XM signiAlloreaktivität gegen Einzel-Antigene möglich geworfikant erhöht. Ähnliche Ergebnisse wurden durch
den. Der Vollständigkeit halber sei hier bereits erwähnt, Assoc. Prof. Dr. Hannes Wiebe im selben Jahr publiziert (50 % TransplantatNeuwirt, PhD
dass die Definition von dnDSA (dn = de novo) in den
verlust nach 11 Jahren vs. 5 % in der DSA-negativen
Univ.-Klinik für Innere
meisten Studien unterschiedlich gewählt wurde, da Medizin IV – Nephrologie Kohorte), wobei hier auch präformierte und De-novohäufig verschiedene Detektionsprotokolle verwendet
Anti-HLA-Antikörper (nicht donor-spezifisch) erfasst
und Hypertensiologie,
und auch nicht durchgängig Seren vergangener Jahre Medizinische Universität wurden. Beide letzteren waren über einen BeobachtungsInnsbruck
getestet wurden. Je nachdem, ob diese gegen HLAzeitraum von 11 Jahren nicht ­signifikant unterschiedlich
oder Nicht-HLA-Moleküle gerichtet sind, wird auch
zur Kontrollgruppe ohne Antikörpernachweis.10 Im
hier nochmals eine Unterscheidung getroffen. Innerhalb der AntiVergleich zu Anti-HLA-Klasse I sind Anti-HLA-Klasse-II-dnDSA
HLA-Antikörper lässt sich auch Antikörper gegen HLA-Klasse I,
mit einer schlechteren Prognose assoziiert.2, 12 Hirai et al.13 unterII oder beide (I + II) differenzieren. Nach dem zeitlichen A
­ uftreten
suchten in einer Kohorte von ca. 330 Patienten die HLA-Epitope,
werden präformierte von nach der Transplantation neu aufgetregegen welche die dnDSA gerichtet waren. In 66 % war HLA-DQ
tenen (dn) unterschieden. Rezent wurde auch ein Testkit zur
das Zielepitop, während HLA-Klasse-I- bzw. HLA-Klasse-II-­
Messung der Komplementsystem-Aktivierung etabliert; dazu wird
Epitope signifikant unterrepräsentiert waren.
die Bindungsfähigkeit der Antikörper von C1q nachgewiesen.
Dementsprechend ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, DSA
Risikofaktoren für das
zu charakterisieren. Gleichzeitig verkompliziert diese Möglichkeit
Auftreten von De-novo-DSA
aufgrund der unterschiedlichen Klassifikationen der DSA in den
Studien den einfachen Vergleich bzw. die Beurteilung der kliRisikofaktoren für das Auftreten von dnDSA sind Retransplannischen Bedeutung für den Einzelpatienten.
tation, höherer HLA-Mismatch (v. a. Klasse II), junges Empfänger­
alter, CMV-Infektionen, Non-Adherence und der Gebrauch von
Everolimus (im Vergleich zu Cyclosporin A [CsA]) bzw. AzathiDSA und Transplantat-Überleben
oprin (im Vergleich zu Mycophenolat-Mofetil [MMF]).10, 14–16
Obwohl einige wenige Studien keinen Unterschied im NierenDie Anwendung von Rituximab z. B. im Rahmen der Induktion
transplantat-Überleben (NTx-ÜL) und dem Nachweis von dnDSA
scheint einen hemmenden Effekt auf die dnDSA-Produktion post
fanden1–3, zeigt die Mehrzahl der Publikationen einen negativen
NTx zu haben.13, 17–19 Bei geringeren Abstoßungsraten ist in einer
Effekt von dnDSA auf das NTx-ÜL4–10. In einer Meta­analyse (55
Studie das NTx-ÜL jedoch nicht unterschiedlich.20 Auch für die
FOCUS
Induktionstherapie mit ATG wurden ähnliche Daten publiziert
und rezent zusammengefasst.21
Zeitlich gesehen sind sowohl spätes Auftreten (bei restriktiven
Kriterien für „de novo“, z. B. median 4,6 Jahre nach NTx, nur
2 % Inzidenz nach 12 Monaten10) als auch relativ frühes ­Auftreten
innerhalb der ersten Monate beschrieben worden. In einer Meta­
analyse an knapp 3.500 Patienten aus 11 Studien wurde im ­Median
nach 25 Monaten in ca. 25 % der Patienten dnDSA n
­ achgewiesen.22
Rezent wurde eine Studie publiziert, die sowohl den zeitlichen
Zusammenhang als auch jenen zwischen Komplementbindung
und NTx-ÜL untersuchte. Zusammengefasst sind ein früheres
Auftreten und die C1q-Bindungsfähigkeit von dnDSA mit einem
signifikant höheren Risikos für den Transplantatverlust verbunden.23
Testung und klinisches Management
Foto: privat
2013 wurden Empfehlungen zur Testung und dem klinischen
Management von HLA-(und Nicht-HLA-)Antikörpern publiziert.24 Neben dem klinisch orientierten Teil ist hier auch eine
ausgezeichneter Überblick zu technischen Fragen zu finden. Das
Patientenkollektiv wird stratifiziert in:
1. sehr hohes Risiko: Patienten, die nach einem Desensibilisierungsprotokoll transplantiert wurden
2. hohes Risiko: DSA-positiv, XM-negativ
3. mittleres Risiko: Z. n. Sensibilisierung gegen Donorantigene
mit positivem CDC (Komplement-abhängige Zytolyse) oder
SPA (Solid Phase Assay), aktuell aber negativ
4. niedriges Risiko: nicht sensibilisiert, 1. Transplantation
Für die ersten beiden Gruppen wird eine Protokollbiopsie und
DSA-Messung innerhalb der ersten 3 Monate empfohlen; für
Gruppe 3 nur DSA-Messung im 1 Monat und für Gruppe 4
inner­halb der ersten 3–12 Monate. Bei jeder Umstellung der Immunsuppression (IS), Non-Adherence-Verdacht, Verschlechterung
der Nierenfunktion sollten DSA gemessen werden. Werden im
Verlauf DSA detektierbar, wird für alle Gruppen eine Nieren­
biopsie empfohlen; bei bestätigter Abstoßungsreaktion wird allgemein eine Erhöhung der IS empfohlen; bei fehlendem histologischem Korrelat wird keine Erniedrigung der IS empfohlen.
­Steigen DSA-Titer im Verlauf an, soll auch ohne laborchemisches
bzw. histologisches Korrelat die IS erhöht werden. Eine routinemäßige DSA-Erfassung über das 1. Jahr post transplantationem
hinaus wird nicht generell empfohlen.
Bereits 2009 wurde gezeigt, dass eine Reduktion der DSA-Titer
um > 50 % mit einer signifikant besseren Prognose hinsichtlich
des NTx-ÜL assoziiert ist.25 Allerdings war die Studie zu klein,
um aus den angewandten IS-Protokollen (verschiedene Kombinationen aus erhöhter IS, IVIG, Rituximab und Plasmapherese)
eine Therapieempfehlung abzuleiten. Aus dem Genannten wird
klar, dass viele der dnDSA-assoziierten Transplantatverluste
wieder­um mit modifizierbaren Risikofaktoren einhergehen. Ein
­solcher ist die „optimale“ IS nach NTx. Ein generelles Schema
kann nicht empfohlen werden, aber einige grundlegende Über-
NEPHRO Script
legungen ­scheinen aus der Literatur heraus sinnvoll. Der protektive Effekt von Rituximab bzw. ATG wurde bereits genannt. Des
Weiteren scheint Tacrolimus noch mehr als Cylcosporin A den
mTOR-Inhibitoren im Sinne einer reduzierten dnDSA-Häufigkeit
post NTx ­überlegen zu sein.10, 14–16, 23, 26 Aus Sicht des dnDSA-freien
Überlebens ist die Kombination von Calcineurininhibitoren
(CNI)/Rapamycin einer Kombination aus CNI/Mycophenolat
(MPA) bzw. Rapamycin/MPA überlegen und die Höhe der IS
zum Zeitpunkt Monat 6 nach NTx ein signifikanter R
­ isikomarker.27
Ein interessantes Molekül scheint auch Belatacept zu sein. Mittels
dieser Co-Stimulationsblockade konnte in den BENEFIT-Studien
ein signifikant geringerer Anteil (> 50 % Reduktion) an DSApositiven Patienten im Vergleich zum Kontrollarm (Cylcosporin)
gefunden werden.28–30 Ein ähnliches Ergebnis publizierte die ­Wiener
Arbeitsgruppe in einer Fall-Kontroll-Studie.31 Auch bei einer Handtransplantatierten wurde eine DSA-Reduktion unter Belatacept
publiziert.32 In Versuchstierstudien für beide Modelle wurden
ähnliche Effekte gefunden.33, 34 Im Vergleich dazu sind die vorhandenen Daten zum Switch auf Belatacept und DSA rudimentär. Ein Case-Report zeigt bei einem hochimmunisierten NTxPatienten eine Reduktion der DSA um ca. 30 % nach Wechsel
von Tacrolimus auf Belatacept.35
ZUSAMMENFASSUNG: Ein DSA-Screening sollte zumindest im
1. Jahr nach NTx durchgeführt werden. Danach wird ein ­Screening
nur bei klinisch relevanten Ereignissen (Non-Adherence, Kreatinin­
anstieg, Umstellung der IS) empfohlen. Bei DSA-Nachweis sollte
einer Nierenbiopsie durchgeführt werden. Je nach Befund wird
eine Optimierung der IS empfohlen. Belatacept könnte eine s­ olche
zusätzliche Optimierungsmöglichkeit sein.
■
Ginevri F., Am J Transplant 2012; 12: 3355–3362e
Hidalgo L.G., Am J Transplant (2009) 9: 2532–2541
3
Li X., Transpl Int 2008; 21: 1145–1152
4
Lee P.C., Transplantation 2002; 74: 1192–1194
5
Terasaki P.I., Am J Transplant 2007; 7: 408–415
6
Campos E.F., Am J Transplant 2006; 6: 2316–2320
7
Hourmant M., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 2804–2812
8
Mizutani K., Am J Transplant 2005; 5: 2265–2272
9
Lachmann N., Transplantation 2009; 87: 1505–1513
10
Wiebe C., Am J Transplant 2012; 12: 1157–1167
11
Mohan S., J Am Soc Nephrol 2012; 23: 2061–2071
12
Loupy A., Nat Rev Nephrol 2012; 8: 348–357
13
Hirai T., Transplantation 2014; 98: 443–450
14
Malheiro J., Transpl Int 2016; 29: 173–183
15
Toyoda M., Transpl Immunol 1997; 5: 104–111
16
Morath C., J Immunol Res 2014; 845040
17
Zachary A.A., Transplantation 2013; 95: 701–704
18
Lynch R.J., Am J Transplant 2013; 13: 1713–1723
19
Kohei N., Am J Transplant 2012; 12: 469–476
20
van den Hoogen M.W., Am J Transplant 2013; 13: 192–196
21
Pascual J., Transplantation Reviews 2016; in press
22
Wiebe C., Curr Opin Organ Transplant 2013; 18: 470–477
23
Guidicelli G., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 615–625
24
Tait B.D., Transplantation 2013; 95: 19–47
25
Everly M.J., Am J Transplant 2009; 9: 1063–1071
26
Theruvath T.P., Transplantation 2001; 72: 77–83
27
Pelletier R.P., Clin Transplant 2015; 29: 1119–1127
28
Pestana J.O., Am J Transplant 2012; 12: 630–639
29
Vincenti F., Am J Transplant 2012; 210–217
30
Vincenti F., N Engl J Med 2016; 374: 333–343
31
Schwarz C., Transpl Int 2015; 28: 820–827
32
Cendales L., Am J Transplant 2015; 15: 2250–2255
33
Freitas A.M., Am J Transplant 2015; 15: 2240–2249
34
Kim E.J., Am J Transplant 2014; 14: 59–69
35
Gupta G., Am J Transplant 2015; 2726–2731
1
2
11
FOCUS
NEPHRO Script
uu
Bis
zu 40 % der Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien
(ECD) ­werden schlussendlich nicht transplantiert. Strategien wie Doppelnieren­
transplantationen sollen die Akzeptanzrate erhöhen.
uu
Histologischer Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe, ob ein Organ für eine Einzelnierentransplantation, eine Doppelnierentransplantation oder für eine Transplantation gar nicht in
Betracht gezogen werden sollte.
Optimierung des Spenderpools
Der Remuzzi-Score: Implikation
für die Doppelnierentransplantation
I
Doppelnieren-TX zur Erhöhung der EDC-Akzeptanz
Solche Spender umfassen jene, welche älter als 60 Jahre sind, oder
zwischen 50 und 60 Jahre alt sind und mindestens 2 der folgenden
Kriterien erfüllen: Hypertonie in der Vorgeschichte, ein zerebrovaskuläres Ereignis als Todesursache oder ein Serumkreatinin von
1,5 mg/dl.1, 2
Um die Erfolgsraten im Bezug auf Transplantatüberleben zu erhöhen und um die Akzeptanzrate von Nieren von ECD zu ­erhöhen,
wurde die Doppelnierentransplantation eingeführt. Dabei gilt es
zu beachten, dass in den USA die Ablehnungsrate von ECDNieren auch heute noch bei über 40 % liegt. Wobei gezeigt w
­ erden
konnte, dass als Entscheidungshilfe hierfür die histologische Aufarbeitung von Gewebeproben als auch die gemessenen Parameter
von Perfusionsmaschinen genannt werden.1
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass sich damit nicht
nur die Akzeptanzrate von ECD-Nieren erhöhen lässt, sondern
auch dass vergleichbar gute Ergebnisse erzielt werden können.3
Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe
In den darauffolgenden Jahren wurde nach Entscheidungshilfen
gesucht, welche in der klinischen Routine helfen zu differenzieren,
welche ECD-Niere als Einzelniere, welche als Doppelnieren und
welche gar nicht transplantiert werden sollte. Die wohl vielversprechendste Strategie wurde von Remuzzi et al. 2006 im „New
12
Dr. Rupert Oberhuber
KoautorInnen: Dr. Annemarie Weißenbacher,
ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger
Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie,
­Medizinische Universität Innsbruck
England Journal of Medicine“ präsentiert. Die Autoren definieren
einen histologischen Score, welcher vor der Implantation erhoben
wird. Der Score quantifiziert Veränderungen in folgenden 4 unter­
schiedlichen Kompartimenten der Niere: Gefäße, Glomeruli,
­Tubuli und Interstitium und vergibt jeweils Score-Werte von 0–3.
Nieren mit einem Gesamtscore von 0–3 werden laut den Autoren
als geeignet für eine Einzelnierentransplantation und Nieren mit
einem Gesamtscore zwischen 4–6 als geeignet für eine Doppelnierentransplantation eingestuft. Nieren mit Score-Werten über
7 sollten für einen Transplantation nicht in Betracht gezogen
werden. Die Autoren berichten über ein exzellentes 3-JahresTransplantatüberleben von ECD-Nieren, welche für eine Doppel­
nierentransplantation verwendet wurden. Das Transplantatüberleben ist laut den Autoren mit jenem von Einzelnieren mit einem
deutlich bessern Remuzzi-Score vergleichbar.4–6
In den USA werden aktuell bis zu 40 % der ECD-Nieren nicht
transplantiert. Durch die Verwendung eines standardisierten Beurteilungsmusters von Nierenbiopsien kann die Ablehnungsrate
von ECD-Nieren deutlich reduziert werden. Selbst wenn man
davon ausgeht, dass ca. 20 % dieser Nieren, abhängig vom Ergebnis der histologischen Untersuchung, als Doppelnieren transplantiert werden, kann durch das von den Autoren propagierte
Foto: privat
n den letzten Jahren wurden die Spanne zwischen zur Verfügung
stehenden Organen und Patienten, welche auf Wartelisten auf
eine Transplantation warten, immer größer.
Die Transplantation von Nieren von Spendern mit erweiterten
Spenderkriterien (Expanded Criteria Donors – ECD) hat sich als
vielversprechende Strategie etabliert, um diesem Dilemma entgegenzuwirken.
FOCUS
NEPHRO Script
Vorgehen die gesamt Zahl an realisierten Nierentransplantationen
um ca. 4 % erhöht werden.7
Doppel­nierentransplantationsgruppe nicht vom Remuzzi-Score
zum Zeitpunkt der Transplantation abhängig.5, 7
Histologische Technik
ZUSAMMENFASSEND kann gesagt werde, dass Strategien, welche
Ursprünglich entwickelt und validiert wurde der Remuzzi-Score
an in Formalin fixiertem Gewebe nach Färbung mit Hämatoxylin
und Eosin. Hier muss einschränkend erwähnt werde, dass ein
solches Vorgehen zwar die besten Ergebnisse im Bezug auf Färbungsqualität liefert, in der klinischen Routine aufgrund der ­langen
Dauer der Probenaufarbeitung nur schwer umsetzbar scheint.
Selbst in spezialisierten Zentren unter Studienbedingungen d­ auert
eine solche Aufarbeitung und histologische Befundung zwischen
3 und 4 Stunden.
Eine mögliche Alternative könnte die Verwendung der Gefrierschnitttechnik darstellen. Dadurch kann die Zeit von Proben­
entnahme bis zum Vorliegen des Ergebnisses deutlich reduziert
werden. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass eine
Validierung des Remuzzi-Scores an Gefrierschnitten bis heute
noch nicht erfolgt ist.
es uns ermöglichen, den Spenderpool optimal zu nutzen, sehr
wünschenswert sind. Das Verwenden von ECD-Nieren kann eine
mögliche Strategie hierfür darstellen. Falls ECD-Nieren für eine
Einzelnierentransplantation als nicht geeignet eingestuft werden,
kann eine Doppelnierentransplantation eine mögliche Alternative
darstellen. Als Entscheidungshilfe hierfür wird in vielen Zentren
eine histologische Evaluierung vor der Implantation durchgeführt.
Die Beurteilung erfolgt vielfach in Analogie zum Remuzzi-Score,
wobei in den letzten Jahren gezeigt wurde, dass nur Nieren mit
einem hohen Remuzzi-Score von 5–6 für eine Doppelnierentransplantation verwendet werden sollten.
Daher scheint es erforderlich, bei der Entscheidung für eine
Doppel­nierentransplantation sämtliche klinischen Parameter und
nicht nur das Ergebnis der Histologie vor Implantation zu berücksichtigen.
■
Israni A.K. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: deceased organ donation. Am
J Transplant 2014; 14 (Suppl. 1): 167–83
2
Matas A.J. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: kidney. Am J Transplant 2014;
14 (Suppl. 1): 11–44
3
Gandolfini I. et al.: The Kidney Donor Profile Index (KDPI) of marginal donors allocated
by standardized pretransplant donor biopsy assessment: distribution and association with
graft outcomes. Am J Transplant 2014; 14: 2515–25
4
Remuzzi G. et al.: Early experience with dual kidney transplantation in adults using expanded
donor criteria. Double Kidney Transplant Group (DKG). J Am Soc Nephrol 1999; 10:
2591–8
5
Remuzzi G. et al.: Long-term outcome of renal transplantation from older donors. N Engl
J Med 2006; 354: 343–52
6
Sagasta A. et al.: Preimplantation analysis of kidney biopsies from expanded criteria donors:
testing the accuracy of frozen section technique and the adequacy of their assessment by
on-call pathologists. Transpl Int 2015
7
Grifasi C. et al.: Can only histological evaluation determine the allocation of ECD kidneys?
BMC Nephrol 2014; 15: 207
1
Welcher Cut-off?
Im Unterschied zum von Remuzzi et al. propagierten Vorgehen,
Nieren mit einem Score von ≥ 4 nicht mehr als Einzelnieren zu
transplantieren, konnte Fernandez-Lorente et al. zeigen, dass das
Langzeit-Transplantatüberleben in ihrer „Old for old“-Kohorte
zwischen Nieren mit einem Remuzzi-Score von 3 sich nicht statistisch signifikant von jenem mit einem Remuzzi-Score von 4
unterscheidet, auch wenn eine Einzelnierentransplantation durchgeführt wurde. Weiters ist das Transplantatüberleben in der
Foto: privat
OFFENLEGUNG GEMÄSS §25 MEDIENGESETZ:
Verlag: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Geschäftsführer: Mag. Wolfgang Maierhofer. Inhaber: 50 % P&V Holding
AG, 45 % Wolfgang M
­ aierhofer Privatstiftung, 5 % Mag. Gabriele Jerlich. Gegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Medien aller Art. Medien­
inhaber: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Redaktion: Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Hersteller: Donau Forum Druck Ges.m.b.H., Wien.
IMPRESSUM
Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Prim.
Prof. Dr. Karl Lhotta, Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch. Chefredakteur: Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz,
Klinische Abteilung für Nephrologie, ­Medizinische Universität Graz. Anzeigen/Organisation: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top
1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projekt­leitung: Elisabeth Hönigschnabel. Produktion: Sigrid Redl. Redaktion/Lektorat: Peter Lex. Layout/DTP: Katharina
Blieberger. Cover: aodaodaodaod – shutterstock.com. Druck: Donau Forum Druck, 1230 Wien. Druckauflage: 7.400 Stück im 2. Halbjahr 2015 laut Österreichischer
Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von 9,50 Euro plus MwSt. zu be­ziehen. Grundsätze und Ziele von N
­ EPHROScript: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, A
­ pplikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen
Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. ­Literatur zu
den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: ­Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung
des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Entgelt­liche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz fallen in den
Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen,
Appli­kationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger
Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber k­ einerlei Haftung für druck­technische und inhaltliche Fehler. Der besseren Lesbarkeit halber werden die Personenund Berufsbezeichnungen nur in einer Form verwendet. Sie sind natürlich gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen. Ausgewählte Artikel dieser
Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie
der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche
Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet
werden. Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum.
13
NEPHRO Script
FOCUS
uu
Akutes
Nierenversagen (AKI) wird klinisch über einen Anstieg des ­Serum­kreatinins
und die Abnahme der Harnausscheidung definiert.
uu
Pathogenese: endotheliale Dysfunktion, Änderungen im renalen Blutfluss,
­Inflammation mit gleichzeitig ablaufenden Reparaturmechanismen.
Neues zu Diagnostik, Pathogenese und Therapie
Akutes Nierenversagen
A
Die überarbeiteten AKIN-Kriterien verzichteten auf
die GFR als Klassifikationskriterium, fügten jedoch
eine absolute Zunahme des Serumkreatinins von
≥ 0,3 mg/dl in 48 h hinzu. Dies beruhte auf epidemiologischen Daten, welche eine 80%ige Zunahme im
Mortalitätsrisiko
bei relativ geringen SerumkreatininDefinition
Dr. Alexander Kirsch
anstiegen innerhalb ­kurzer Zeit gezeigt hatten.1, 4
Klinische
Abteilung
für
Das akute Nierenversagen ist als abrupter Rückgang
2012 modifizierten die KDIGO AKI Guidelines die
Nephrologie,
der Nierenfunktion mit daraus resultierender RetenRIFLE- und AKIN-Kriterien (Tab.), wobei die AKINUniversitätsklinik für
tion harnpflichtiger Substanzen und Regulations­
Stadien sowie der Zeitraum für einen absoluten Kre­Innere Medizin,
Medizinische
Universität
störungen des Extrazellulärvolumens und Elektrolytatininanstieg ≥ 0.3 mg/dl b­ eibehalten wurden, während
Graz
haushalts definiert. Im englischen Sprachraum hat die
der Zeitraum für einen 50%igen Kreatinin­anstieg in
Bezeichnung Acute Kidney Injury (AKI) den vorher
Anlehnung an die RIFLE-Kriterien mit 7 Tagen festüblichen Terminus Acute Renal Failure weitgehend ersetzt.2 ­Dieser
gelegt wurde.7
Wandel reflektiert die Erkenntnis, dass auch nierenschädigende
Die Nützlichkeit dieser Klassifikationssysteme liegt vor allem in
Ereignisse, welche oft nur einen sehr geringen und mitunter gar
der Definition von Ein- und Ausschlusskriterien oder Outcomes
keinen messbaren Kreatininanstieg nach sich ziehen, bereits mit
im Rahmen klinischer Studien. Trotz einer Vielzahl publizierter
einem deutlich erhöhten Risiko für die diversen Folgen eines AKI
AKI-Marker (siehe unten) mit höherer Sensitivität vor allem für
1, 3, 4
einhergehen.
subklinisches AKI hat sich hier jedoch noch kein einzelner ­Marker
Der Ausdruck Acute Kidney Disease (AKD) wurde zudem einoder neues Klassifikationssystem klinisch durchgesetzt.
geführt, um die Gruppe von Patienten zu erfassen, deren
Nierenfunktion(sveränderung) noch keine Zuordnung zu AKI
Biomarker des AKI: Nicht zuletzt aufgrund der hohen Morbidität
oder Chronic Kidney Disease (CKD) zulässt.
und Mortalität durch AKI hat sich die Forschung im Bereich von
hochsensitiven und zugleich relativ spezifischen Biomarkern für
AKI deutlich intensiviert. Seit dem ersten Bericht über den präKlassifikation und Diagnosekriterien
diktiven Wert von Neutrophil Gelatinase-associated Lipocalin
Alle Klassifikations- bzw. Diagnosekriterien für AKI beruhen auf
(NGAL) bei pädiatrischen Herzchirurgie-Patienten8 wurde ein
dem Serumkreatinin und der Harnausscheidung, wobei in den
gutes Dutzend weiterer Marker im Blut und Urin auf der Suche
RIFLE-Kriterien noch die (berechnete) GFR hinzukam.5 Die Einnach dem „Troponin der Niere“ mehr oder weniger gut unterbeziehung der GFR erwies sich in späteren Arbeiten als problemasucht.9 NGAL als mit Abstand am besten untersuchter Biomarker
tisch, da weithin gebräuchliche Formeln zur Berechnung der GFR
wird von geschädigten Tubulusepithelzellen, aber auch von infilauf dem Kreatininwert im „steady state“ basieren und somit im
trierenden neutrophilen Granulozyten und einigen anderen GeAKI nicht anzuwenden sind. Außerdem ergaben sich signifikante
weben unter inflammatorischen Bedingungen gebildet, und zeigte
Unterschiede im relativen Mortalitätsrisiko zwischen den RIFLEbis jetzt gemischte Resultate. Vor allem die nicht mögliche Unter­
Stadien berechnet anhand des Serumkreatinins oder der Harnausscheidung von renal und extrarenal gebildeten Formen hat die
scheidung, was eine relativ schlechte Kalibrierung dieser beiden
routinemäßige Verwendung dieses Biomarkers in der klinischen
Messgrößen nahelegte. Nichtsdestotrotz zeigte sich in ­mehreren
Praxis bis jetzt hinausgezögert.10
Arbeiten eine gute Korrelation der AKI-Stadien nach den RIFLEAmbitionierte epidemiologische Ansätze versuchen anhand
6
Kriterien mit dem Outcome, vor allem mit der Mortalität.
von in Kohorten entwickelten Gleichungen, Patienten zu ˘
14
Foto: privat
kutes Nierenversagen ist ein häufiges, in seiner
Inzidenz zunehmendes Krankheitsbild und mit
bedeutender Morbidität, Mortalität und Belas­
tungen für Gesundheitssysteme assoziiert.1
15
Foto: privat
FOCUS
NEPHRO Script
Tab.: KDIGO-AKI-Kriterien
des akuten Nierenversagens
i­ dentifizieren, welche im weiteren Verlauf eine AKI-Episode entwickeln könnten. Rezent wurde eine in einer kanadischen Kohorte
entwickelte ­Gleichung multinational bei mehr als 700.000 Patienten validiert und erzielte eine exzellente Diskriminierung.11 Inwieweit solche Ansätze die klinische Entscheidungsfindung beeinflussen, bleibt abzuwarten.
Definition
Ätiologie
Am Krankenbett lässt sich die genaue Ätiologie eines AKI vor allem
beim multimorbiden Patienten mit gleichzeitig bestehendem arteriellen Hypotonus, der Gabe von nephrotoxischen Substanzen
und eventuell vorbestehender CKD oft nicht präzise eingrenzen.
Die Pathogenese des ischämischen AKI, welche hier ­stellvertretend
umrissen werden soll, ist mechanistisch-experimentell am besten
verstanden. Hierbei ist es jedoch wichtig zu betonen, dass ischämische Mechanismen nicht nur beim klassischen prärenalen AKI
bei z. B. Hypotonus oder Kreislaufstillstand eine Rolle spielen,
sondern verschiedenste Formen des AKI wie das medikamentös
induzierte AKI (Kalzineurininhibitoren, NSAR), das hepatorenale
Syndrom, das kardiorenale Syndrom oder Vaskulitiden zu lokalen
Veränderungen des renalen Blutflusses (RBF) und damit zu Schädigungen führen.12 Eine zentrale Rolle bei der weiteren ­Pathogenese
kommt dem Endothel zu. Postischämisch kommt es zu einem
deutlich verstärkten Ansprechen auf verschiedenste vasokonstriktorische Substanzen (Prostaglandine, Endothelin-1, Angiotensin
II) in den kleinen Arteriolen sowie zu einer deutlich verminderten
Vasodilatation.13, 14 Die Expression verschiedenster Adhäsions­
moleküle beschleunigt die lokale Entzündungsreaktion und führt
durch Beeinträchtigung der endothelialen Barriere zu Flüssigkeitsaustritt und zur Produktion verschiedenster vasoaktiver proinflammatorischer Zytokine, welche weiter hämodynamische Störungen begünstigen.15
Simultan kommt es zur Ausprägung einer zunächst lokalen, s­ päter
systemischen Entzündungsreaktion: Geschädigte Tubuluszellen
produzieren große Menge proinflammatorischer, leukozytoklastischer Moleküle (IL-6, IL-8, MCP-1, RANTES), exprimieren
Toll-like-Rezeptoren (TLR) und Komplement-Rezeptoren und
kostimulative Oberflächenmarker, mit denen die Ausprägung der
späteren adaptiven Immunantwort beeinflusst wird.16–18 Im
­weiteren Verlauf kommt es zur Infiltration zunächst durch
­neutrophile Granulozyten, welche durch Degranulation weitere
Gewebsschädigung verursachen, später folgen monozytäre Zellen
und T-Zellen.
Therapie
Experimentelle Daten legen nahe, dass sich durch die
­Manipulation dieser Entzündungsvorgänge eine Verringerung
der renalen ­Schädigung erreichen lässt19, 20, was jedoch bisher
16
Serumkreatinin-Anstieg ≥ 0,3 mg/dl innerhalb von
48 Stunden oder > 50 % innerhalb von 7 Tagen
Serumkreatinin
Harnausscheidung
Stadium 1
Anstieg um
0,3 mg/dl oder 50 %
< 0,5 ml/kg/h für > 6 h
Stadium 2
Anstieg um > 100 %
< 0,5 ml/kg/h für > 12 h
Stadium 2
Anstieg um > 200 %
< 0.3 ml/kg/h für ≥ 24 h
oder Anurie für ≥ 12 h
Nach: KDIGO, 20127
keinen Eingang in die klinische Praxis gefunden hat. Rezent
konnte eine große Studie zeigen, dass die antiinflammatorische
Therapie durch die perioperative Gabe von hochdosierten Statinen vor herzchirurgischen Eingriffen keinerlei Einfluss auf die
AKI-Rate hatte.21 Ebenso wurde rezent berichtet, dass die peri­
operative ­Verabreichung von Methylprednisolon die Inzidenz
von AKI bei Patienten mit kardiopulmonalem Bypass nicht
verringert.22
RESÜMEE: AKI ist ein häufiges, mit bedeutender Morbidität und
Mortalität assoziiertes Krankheitsbild. Die Diagnose stellt sich
anhand der Serumkreatinin-Dynamik und Harnausscheidung,
wobei hier oft prognostisch bedeutende, subklinische AKI un­
diagnostiziert bleiben können.
Eine Reihe von Biomarkern, welche frühe subklinische AKI-­
Episoden detektieren, haben noch keine Verwendung in der
­klinischen Praxis gefunden. Pathogenetisch ist AKI ein Syndrom
aus endothelialer Dysfunktion mit hämodynamischen Alterationen und Inflammation.
Antiinflammatorische Therapieansätze blieben bis jetzt klinisch
ohne überzeugende Erfolge.
■
Chertow G.M. et al., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 3365–3370
Ad-hoc working group of ERBP et al.: A European Renal Best Practice (ERBP) position
statement on the Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) clinical practice
guidelines on acute kidney injury: part 1: definitions, conservative management and contrastinduced nephropathy. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 4263–4272
3
Mehta R.L. & Chertow G.M., J Am Soc Nephrol 2003; 14: 2178–2187
4
Lassnigg A. et al., J Am Soc Nephrol 2004; 15: 1597–1605
5
Bellomo R. et al., Crit Care 2004 Aug; 8 (4): R204–12
6
Ricci Z. et al., Kidney Int 2008; 73: 538–546
7
Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO). KDIGO clinical practice guidelines
for acute kidney injury. Kidney Inter 2012; Suppl. 2: 1–138
8
Mishra J. et al., Lancet 2005; 365: 1231–1238
9
Bellomo R., Nat Rev Nephrol 2015; 11: 636–637
10
Mårtensson J. & Bellomo R., Blood Purif 2014; 37: 304–310
11
Tangri N. et al., JAMA 2016; 315; 164–174
12
Bonventre J. V. & Yang L., J Clin Invest 2011; 121: 4210–4221
13
Conger J., Adv Ren Replace Ther 1997; 4: 25–37
14
Kurata H. et al., Eur J Pharmacol 2005; 517: 232–239
15
Rabelink T.J. et al., Nat Rev Nephrol 2010; 6: 404–414
16
Wahl P. et al., J Am Soc Nephrol 2002; 13: 1517–1526
17
Wahl P. & Wüthrich R.P., Nephron Exp Nephrol 2004; 98: e31–8
18
Bonventre J.V. & Zuk A., Kidney Int 2004; 66: 480–485
19
Hochegger K. et al., Am J Physiol Renal Physiol 2007; 293: F741–7
20
Alikhan M.A. et al., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 706–714
21
Billings F.T. et al., JAMA 2016; 315: 877–888
22
Garg A.X. & Whitlock R.P.: Effect of Methylprednisolone on Acute Kidney Injury in
Patients Undergoing Cardiac Surgery with Cardiopulmonary Bypass. Abstract presented
at ASN Kidney Week 2015, San Diego
1
2
24
17
NEPHRO Script
FOCUS
uu
Das
akute Nierenversagen (AKI) ist nicht nur ein simples Organversagen, sondern
ein systemisches proinflammatorisches, prooxidatives und kataboles Syndrom.
uu
Komplexe Pathomechanismen im „Crosstalk“ auf mehreren Ebenen: toxisch-­
urämische Folgen, lokale und systemische Inflammation, systemische Effekte einer Nieren­
ersatztherapie etc.
uu
Das AKI hat Einfluss auf nahezu alle biologischen Funktionen und Organsysteme des Körpers
und beeinflusst wesentlich sowohl die Kurz- als auch Langzeitprognose eines Patienten.
Pathomechanismen im komplexen „Crosstalk“
Akutes Nierenversagen als Risikofaktor
(nicht nur) für CKD
18
Foto: privat
D
as Bild des akuten Nierenversagens reicht von einer
dass neben den klassischen Komplikationen des Nieren­
minimalen Erhöhung des Serumkreatinins bis zum
versagens andere Faktoren für das schlechte Outcome
vollständigen Verlust der Nierenfunktion. Um
des AKI verantwortlich sein müssen.5 Aus diesen
dem breiten Spektrum dieses Krankheitsbildes gerecht
­Gründen hat das AKI in den letzten Jahrzehnten in
zu werden, wurde 2007 in einer internationalen Konder Medizin einen grundlegenden Wandel vom einsensuskonferenz die Bezeichnung „akutes Nierenverfachen Organversagen hin zu einem systemischen proDr. Claudia Friedl
sagen“ durch den Terminus „akute Nierenschädigung“
inflammatorischen, prooxidativen und katabolen SynKlinische
Abteilung
für
(Acute Kidney Injury – AKI) ersetzt und die Diagnose­
drom erfahren, das Auswirkungen auf praktisch alle
Nephrologie,
kriterien neu definiert.1 Im deutschsprachigen Raum
physiologischen Prozesse und Organfunktionen im
Universitätsklinik für
spricht man zwar weiterhin vom akuten ­Nierenversagen,
Sinne einer „Distant Organ Injury“ hat. Damit ist das
­Innere Medizin,
jedoch hat sich die Abkürzung „AKI“ durchgesetzt Medizinische Universität AKI nicht mehr nur als Indikator für einen ungüns­
Graz
(hinsichtlich der aktuellen Definition und Stadien­
tigen Krankheitsverlauf zu sehen, sondern es beeinflusst
einteilung des AKI sei auf den Beitrag von Alexander
unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung
Kirsch in dieser „NEPHROScript“-Ausgabe verwiesen). P
­ rinzipiell
den Krankheitsverlauf, die Ausbildung von Komplikationen und
ist festzuhalten, dass das AKI ist ein weit verbreitetes klinisches
die Prognose.4, 6
Problem mit steigender Inzidenz ist. Eine Metaanalyse mit 154
inkludierten Studien und insgesamt über 3 Millionen Patienten
Systemische Folgen eines AKI
ergab, dass jeder 5. Erwachsene und jedes 3. Kind im Rahmen
eines Krankenhausaufenthalts ein AKI entwickelt.2 Kritisch kranke
Die Ursachen für die negativen Konsequenzen eines AKI auf den
Patienten stellen eine besonders gefährdete Patientengruppe dar,
Krankheitsverlauf und die Prognose unabhängig von der zugrunde
durchschnittlich jeder zweite Intensivpatient entwickelt ein AKI
liegenden Erkrankung sind darin zu suchen, dass das AKI nicht
und es zeigt sich eine Sterblichkeitsrate von bis zu 50 %3. Diese
ein Krankheitsprozess ist, der sich nur auf die Niere beschränkt
extrem hohe Mortalität des AKI lässt sich jedoch nicht nur durch
und mit den klassischen Komplikationen, wie z. B. Störungen
das klassische Nierenversagen per se erklären, vielmehr scheinen
des Volumen- und Elektrolythaushalts, einhergeht, sondern Einextrarenale Komplikationen im Rahmen eines AKI mit Schädifluss auf praktisch alle biologischen Prozesse und Organfunktionen
gung von nierenfernen Organen für das schlechte Outcome verdes Körpers ausübt. Dieses Modell der „Distant Organ Injury“
antwortlich zu sein. Die Tatsache, dass der Einsatz von extrakorim Rahmen eines AKI wird vor allem von tierexperimentellen
poralen Nierenersatzverfahren bei Intensivpatienten die M
­ ortalität
Daten gestützt.
des AKI nur wesentlich verringert hat, unterstützt diese HypoPrinzipiell können die systemischen Folgen eines AKI pathophythese.4 In einer prospektiven Studie hatten ICU-Patienten mit
siologisch 4 Gruppen zugeordnet werden, wobei diese nicht
AKI im Vergleich zu ICU-Patienten mit vorbestehender ESRD
­unabhängig voneinander ablaufen, sondern eng miteinander
eine signifikant höhere Mortalität, ein weiterer Hinweis dafür,
­verknüpft sind.4, 6, 7, 8
Foto: privat
FOCUS
1. Systemische Auswirkungen des akut-urämischen Zustand: Das
AKI hat neben Störungen des Volumen- und Elektrolythaushaltes ein breites Spektrum von toxisch-urämischen Folgen,
wobei nahezu alle metabolischen und endokrinen Funktionen
des Körpers betroffen sind. Es kommt zu Veränderungen im
Kohlenhydrat-, Aminosäuren-, Protein- und Fettstoffwechsel.
Die Folge sind zum Beispiel Stoffwechselstörungen wie die
Insulinresistenz, Hyperlipidämie, Störung des zellulären
Energiestoffwechsels und Beeinträchtigung der Immun­
­
kompetenz.
2. Auswirkungen vermittelt durch die geschädigte Niere selbst –
Inflammation: Das AKI stellt einen Inflammationsprozess dar,
eine Schädigung der Niere löst eine lokale Entzündungs­antwort
aus, es kommt zu einer Aktivierung von immunkompetenten
Zellen (z. B. am Beginn vor allem Neutrophile, aber auch
Lymphozyten und Makrophagen), Freisetzung von Entzündungsmediatoren und auch verstärkter Apoptose. Dieser lokale
Entzündungsprozess kann in einen systemischen Prozess
­münden und so wesentlich zur Entwicklung der „Distant Organ
Injury“ beitragen. In tierexperimentellen Studien waren bereits
wenige Stunden nach Induktion eines AKI Dysfunktionen in
„nierenfremden“ Geweben und Organen nachweisbar.
3. Niere als Modulator des zugrunde liegenden Krankheitsprozess: Die Niere spielt eine zentrale Rolle bei der ZytokinHomöostase, der Abbau von Zytokinen erfolgt im renalen Tubulussystem. Mit abnehmender Nierenfunktion kommt es zu
einer Abnahme der renalen Zytokin-Clearance mit ­konsekutiver
Zunahme der Plasmakonzentration. Es entsteht ein Circulus
vitiosus mit Zunahme des systemischen Entzündungsprozesses
und dadurch begünstigter Schädigung von „nierenfernen“
­Organen. In klinischen Studien waren erhöhte Zytokinspiegel
mit einem schlechteren Outcome bei vorliegendem AKI
­assoziiert.
4. Folgen der Nierenersatztherapie (RRT): Die RRT selbst hat
eine Reihe von negativen Auswirkungen auf verschiedene bio­
logische Funktionen und Organe. Zu diesen zählen hämodynamische Instabilität, Verlust von Nährstoffen und Antioxidantien, Folgen der Bioinkompatibilität mit möglicher Zell- und
Komplementaktivierung, vermehrte Thrombogenität, Induktion einer systemischen Entzündungsreaktion sowie die Bildung
von reaktiven Sauerstoffradikalen. Auch die verwendete Antikoagulation spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle.
­Während für das klassische unfraktionierte Heparin eine Reihe
von Wirkungen gezeigt werden konnten, die diesen inflam­
matorischen Status unterstützen, scheint die Verwendung von
Citrat durch Hemmung der Aktivierung von Thrombozyten,
Granulozyten und dem Komplementsystem diesen durch die
RRT induzierten Inflammationsprozess abzuschwächen. Auch
Über- und Unterdosierung von Medikamenten infolge der
veränderten Pharmakokinetik bei RRT können das Outcome
zusätzlich negativ beeinflussen, vor allem die zu niedrige Dosierung von Antibiotika bei vorliegenden Infekten spielt in
diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
NEPHRO Script
Basierend auf diese oben genannten Mechanismen führen verschiedene komplexe Vorgänge im Rahmen eines AKI zur Schädigung von nierenfernen Organen wie Lunge, Herz, Leber, Darm,
sodass das AKI als Motor für die Entwicklung eines Multiorganversagens gesehen werden kann. Prinzipiell ist festzuhalten, dass
diese Wirkungen nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr
ein „Organ-Crosstalk“ besteht.4, 6, 7, 8 Die systemischen Folgen eines
AKI mit den zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind in der Abbildung zusammengefasst.
Langzeitfolgen eines AKI
Zusätzlich zu den o. g. unmittelbaren systemischen Folgen des
AKI sind es vor allem auch die Langzeitfolgen, die die Prognose
des Patienten wesentlich beeinflussen. Zahlreiche epidemiologische
Studien konnten zeigen, dass das AKI mit der Entwicklung einer
chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und eines terminalen
Nieren­versagens (End Stage Renal Disease – ESRD) assoziiert
ist.9, 10 Exemplarisch sei hier die Studie von Ishani et al. erwähnt,
in welcher die Daten von über 230.000 Patienten analysiert
­wurden. Patienten mit einem AKI und CKD hatten nach 2 ­Jahren
das höchste Risiko, eine ESRD zu entwickeln (Hazard Ratio [HR]
41,2), gefolgt von jenen Patienten nur mit AKI (HR 13,0) und
denen mit CKD ohne AKI (HR 8,4).11 In eine anderen Analyse
von über 500.000 Patienten ging das dialysepflichtige AKI mit
einem 28-fach höherem Risiko für die Progression zu einer CKD
4 oder 5 und einem 2-fach höherem Sterblichkeitsrisiko einher.12
Die Arbeitsgruppe Thakar et al. untersuchte den Zusammenhang
zwischen dem wiederholten Auftreten eines AKI und der Entwicklung einer CKD 4 bei über 4.000 Diabetikern. Patienten mit
AKI hatten ein 3,6-fach höheres Risiko, eine CKD 4 zu ­entwickeln,
als jene ohne AKI. Jede AKI-Episode war mit einer Verdoppelung
des Risikos für die Entwicklung einer CKD 4 assoziiert.13
Patienten mit einem AKI weisen neben einer erhöhten Gesamtmortalität eine signifikant höhere kardiovaskuläre Morbidität und
Mortalität auf. In einer gematchten Studie von Wu et al. hatten
Patienten mit einem intermittierend dialysepflichtigem AKI ein
um 67 % höheres Risiko, innerhalb von 3 Jahren ein koronares
Ereignis zu erleiden, als jene ohne AKI.14 Dieses Risiko war unabhängig von der Entwicklung einer CKD oder ESRD. Dieselbe
Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass das Risiko für das Auftreten
eines Schlaganfalls nach einem dialysepflichtigen AKI ums 1,3Fache erhöht ist im Vergleich zu Patienten ohne AKI.15 In einer
groß angelegten Kohortenstudie bei über 14.500 Koronarangiografie-Patienten hatten jene mit AKI 1 ein um 47 % höheres
­Risiko für die Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz.
Des Weiteren hatten die Patienten mit AKI in dieser Studie in
Abhängigkeit vom Schweregrad ein 3,7-fach höheres Risiko zu
versterben bzw. ein 11,7 fach höheres Risiko, eine ESRD zu entwickeln.16 Eine Studie mit Patienten mit koronarer Bypass­operation
ergab, dass bereits ein geringer postoperativer Anstieg des Serumkreatinins von 0,3–0,5 mg/dl mit einem höheren Risiko für die
Entwicklung eines Myokardinfarkts und einem erhöhten ˘
19
FOCUS
NEPHRO Script
Lunge:
Herz:
Gehirn:
Inflammation, erhöhte vaskuläre ­Permeabilität,
­Alveolitis, Lungenödem, ARDS, prolongiertes
­Weaning
Inflammation, Rhythmusstörungen, Myokard­
ischämie, Linksherzdilation, systolische und
­diastolische ­Dysfunktion, Vasodilatation,
­Hyperzirkulation, Kardiomyopathie, ­Perikarditis
Inflammation, erhöhte mikrovaskuläre
­Permeabilität, Störungen der Blut-Hirn-Schranke,
Enzephalopathie
Magen-Darm-Trakt:
1. systemische Auswirkungen durch den akut-­
urämischen Zustand
2. inflammatorischer Charakter der ­geschädigten
Nieren
3. Niere als Modulator des zugrunde ­liegenden
Krankheitsprozesses
4. negative Effekte der Nierenersatztherapie
Inflammation, intestinales Ödem, ­eingeschränkte
Motilität, Erosionen, ­Ulzerationen, Blutungen,
­Pankreatitis, Kolitis
 urämische Toxine
 Zytokine
 Leukozyten-Trafficking
 oxidativer Stress
 Apoptose
 Komplementaktivierung
veränderte Genregulation
Dysregulation von Elektrolyt-, Wasser- und
Säurebasenhaushalt
Leber:
Inflammation, Leberzellschaden, ­veränderte Leber­
enzymkonzentrationen
veränderte Pharmakokinetik
Hämatologisch:
Metabolisch:
Immunsystem:
Anämie, Thrombozytopenie, ­Koagulopathie,
­hämorrhagische Diathese
Insulinresistenz, Hyperlipidämie, ­Aktivierung des
Proteinkatabolismus
eingeschränkte humorale und zelluläre Immunität
Adaptiert nach: Druml W.6, Shiao C.C. et al.7, Doi K. et al.8, Bagshaw S.M. et al.22
Abb.: Systemische Folgen eines AKI
Mortalitätsrisiko assoziiert ist.17 Des Weiteren gibt es Hinweise
in der Literatur, dass ein AKI mit einem höheren Risiko für obere
gastro­intestinale Blutungen18, Entwicklung einer aktiven Tuberkulose19, Auftreten von Knochenfrakturen20 und malignen Erkrankungen21 vergesellschaftet ist. Über die zugrunde liegenden
Mechanismen dieser Langzeitkomplikationen des AKI ist bis jetzt
jedoch noch wenig bekannt.
RESÜMEE: Das akute Nierenversagen ist nicht nur ein simples
Organversagen, sondern ein systemischer Krankheitsprozess. Durch
proinflammatorische, prooxidative und katabole Wirkungen führt
Mehta R.L. et al.: Acute Kidney Injury Network: report of an initiative to improve outcomes
in acute kidney injury. Crit Care 2007
2
Susantitaphong P. et al.: World incidence of AKI: a meta-analysis. Clin J Am Soc Nephrol 2013
3
Uchino S. et al.: Acute renal failure in critically ill patients: a multinational, multicenter
study. JAMA 2005
4
Grams M.E. et al.: The distant organ effects of acute kidney injury. Kidney Int 2012
5
Clermont G. et al.: Renal failure in the ICU: comparison of the impact of acute renal failure
and end-stage renal disease on ICU outcomes. Kidney Int 2002
6
Druml W.: Systemic consequences of acute kidney injury. Curr Opin Crit Care 2014
7
Shiao C.C. et al.: Long-term remote organ consequences following acute kidney injury.
Crit Care 2015
8
Doi K. et al.: Impact of acute kidney injury on distant organ function: recent findings and
potential therapeutic targets. Kidney Int 2016
9
Heung M. et al.: Acute kidney injury: gateway to chronic kidney disease. Nephron Clin
Pract 2014
10
Coca S.G. et al.: Chronic kidney disease after acute kidney injury: a systematic review and
meta-analysis. Kidney Int 2012
11
Ishani A. et al.: Acute kidney injury increases risk of ESRD among elderly. J Am Soc Nephrol
2009
12
Lo L.J. et al.: Dialysis-requiring acute renal failure increases the risk of progressive chronic
1
20
das AKI zur Schädigung von „nierenfernen“ Organen und kann
als Motor für die Entwicklung eines Multiorganversagens gesehen
werden. Die zugrundeliegenden komplexen Pathomechanismen
spielen sich auf mehreren Ebenen ab, wobei diese Wirkungen
nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr ein „Organ-Cross­
talk“ besteht. Neben diesen unmittelbaren systemischen Folgen
eines AKI, sind es auch die Langzeitfolgen/-komplikationen, ­welche
die Prognose eines Patienten wesentlich beeinflussen, zu diesen
zählen vor allem die Entwicklung einer CKD/ESRD, eine erhöhte
Gesamtmortalität sowie eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität
und Mortalität.
■
kidney disease. Kidney Int 2009
Thakar C.V. et al.: Acute kidney injury episodes and chronic kidney disease risk in diabetes
mellitus. Clin J Am Soc Nephrol 2011
14
Wu V.C. et al.: Long-term risk of coronary events after AKI. J Am Soc Nephrol 2014
15
Wu V.C. et al.: The impact of acute kidney injury on the long-term risk of stroke. J Am
Heart Assoc 2014
16
James M.T. et al.: Associations between acute kidney injury and cardiovascular and renal
outcomes after coronary angiography. Circulation 2011
17
Rydén L. et al.: Acute kidney injury after coronary artery bypass grafting and long-term
risk of myocardial infarction and death. Int J Cardiol 2014
18
Wu P.C. et al.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI.
Clin J Am Soc Nephrol 2015
19
Wu P.C. et.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI. Clin
J Am Soc Nephrol 2015
20
Wang W.J. et al.: The impact of acute kidney injury with temporary dialysis on the risk of
fracture. J Bone Miner Res 2014
21
Chao C.T. et al.: Dialysis-requiring acute kidney injury increases risk of long-term malignancy:
a population-based study. J Cancer Res Clin Oncol 2014
22
Bagshaw S.M. et al.: Cardiorenal syndrome type 3: pathophysiologic and epidemiologic
considerations. Contrib Nephrol 2013
13
FOCUS
NEPHRO Script
21
NEPHRO Script
FOCUS
in die Entstehung der CKD-MBD: ­Veränderungen im Knochenstoffwechsel
mit systemischen Auswirkungen schon im Frühstadium der CKD.
uu
Die Entdeckung weiterer Schlüsselproteine in diesem Vorgang lassen nun auf die
Möglichkeit neuer Therapieansätze hoffen.
uu
Eine Hemmung von Sclerostin mittels eines humanisierten Antikörpers zeigt bisher gute
Ergebnisse in der Osteoporosetherapie und eröffnet eventuell neue Wege in der Therapie
und Erforschung der CKD-MBD.
uu
Insights
Update zur Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD)
Knochenstoffwechsel bei
chronischer Niereninsuffizienz
Phosphatausscheidung durch eine verminderte Expression der Natrium-Co-Transporter IIa und IIc und
Die Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Dishemmt die tubuläre Phosphat-Reabsorption sowie die
order (CKD-MBD) entwickelt sich im Rahmen einer
Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D.4 Diese aktive
chronischen Niereninsuffizienz schon sehr früh und
Hemmung der Vitamin-D-Synthese ist ein weiterer
erste Veränderungen im Phosphatstoffwechsel finden
Schutz vor einer erhöhten Phosphataufnahme und
Dr. Danielle Diarra
bereits vor dem CKD-Stadium III statt. Dazu müssen
damit Phosphatüberladung.
Klinische Abteilung für
komplexe Feedbackmechanismen zwischen verschieDie gesteigerte PTH- und FGF-23-Produktion, um
Nephrologie und
denen Organen, unter anderem der Niere, dem ­Dialyse, Univ.-Klinik für Phosphat zu eliminieren, hat nicht nur Auswirkungen
­Knochen, der Nebenschilddrüse und dem Darm, stattauf den Knochenstoffwechsel, sondern auch auf das
Innere Medizin III,
finden, welche nach letzten Erkenntnissen vor allem ­MedUni Wien/AKH Wien kardiovaskuläre System. So kann FGF-23 ­experimentell
der Aufrechterhaltung einer weitgehend normalen
eine Linksventrikelhypertrophie induzieren, jedoch
Phosphathomöostase dienen. Durch eine Abnahme der Nierenstand man bislang vor dem Rätsel, dass im Herzgewebe weder der
funktion muss die Phosphatfiltration im Glomerulum gesteigert
FGF-23-Rezeptor noch Klotho exprimiert werden. Sehr rezente
werden, was bereits im kompensierten Stadium ein Stimulus für
Untersuchungen zeigen nun, dass FGF-23 unabhängig von Klotho
eine gesteigerte Produktion von Fibroblast Growth Factor 23
an den FGF-Rezeptor 4, der von kardialen Myozyten exprimiert
(FGF-23) und Parathormon (PTH) ist. FGF-23 wird schon vor
wird, bindet und damit eine Zellhypertrophie induzieren kann.
einer gesteigerten PTH-Sekretion bei Niereninsuffizienz vermehrt
Dieser Rezeptor könnte somit ein neues Target-Molekül darstelvon Osteozyten und Osteoblasten gebildet.1–3 Bei manifester
len, um die Entstehung einer Linksventrikelhypertrophie bei CKDHyper­phosphatämie wird die FGF-23-Produktion weiter g­ esteigert,
Patienten zu therapieren.5 Während eine FGF-23-Erhöhung zwar
um die Phosphatlast für den Organismus zu reduzieren. Intereseindeutig mit der Mortalität bei Hämodialyse-Patienten k­ orreliert,
santerweise existiert womöglich auch eine tubuläre FGF-23-­ dürfte seine Dysregulation eher das Bemühen des Organismus
Produktion, die von der tubulären Phosphatfiltration abhängig
widerspiegeln, einer gestörten Phosphatregulation bei Niereninist.4 Mechanistisch gesehen steigert FGF-23 durch Bindung an
suffizienz entgegenzusteuern, da etwa auch experimentell im Tierden FGF-Rezeptor 1 sowie seinen Co-Rezeptor Klotho die renale
modell an Ratten gezeigt werden konnte, dass neutralisierende
22
Foto: privat
Frühes Stadium der CKD-MBD
FOCUS
FGF-23-Antikörper zwar die serologischen Manifestationen eines
sekundären Hyperparathyreoidismus weitgehend normalisieren,
die Tiere aber letztlich an stark verkalkten Gefäßen mit hohen
Serumphosphatspiegeln verstarben.6, 7 Daraus ergibt sich aber konzeptuell, dass viele der gestörten Regelkreise im Rahmen eines
manifesten CKD-MBD-Syndroms aktiv aufrechterhalten werden,
um sich vor möglichen schädlichen Konsequenzen wie etwa einer
Hyperphosphatämie zu schützen.
Letztlich ist derzeit auch unklar, ob eine routinemäßige Bestimmung von FGF-23 im klinischen Alltag zu diagnostischen und
therapeutischen Entscheidungen nützlich sein könnte.
Foto: privat
Renale Osteodystrophie und Histologie
Drei weitere interessante Proteine in der Phosphat-FGF-23-KlothoAchse sind das Phosphate-regulating gene with homologies to
Endo-peptidases on the X chromosome (PHEX), eine ZinkMetallo­endopeptidase, das Dentin Matrix Protein 1 (DMP1) und
das Matrix Extracellular Phosphoglycoprotein (MEPE), beides
extrazelluläre Matrixproteine und Mitglieder der SIBLING-­Familie
(Small Integrin-binding Ligand N-linked Glycoprotein), die unter
anderem in Knochen und Niere exprimiert werden.8 DMP1 und
PHEX wirken zusammen mit v3-Integrin an der Zelloberfläche
von Osteozyten als Co-Aktivatoren und führen zu einer ­Hemmung
der FGF-23-Expression und -Stabilität. Diese Hemmung bleibt
allerdings schon im Frühstadium der CKD aus.9
PHEX, DMP1 und FGF-23 spielen eine Rolle in der ­Mineralisation
des Knochens. Hinweise dafür sind einerseits ein Mineralisationsdefekt bei der X-chromosomal dominant vererbten hypophosphatämischen Rachitis (HYP), ausgelöst durch eine PHEX-­
Mutation, und andererseits die tumorinduzierte Osteomalazie,
welche eine ähnliche Pathophysiologie wie jene der HYP zeigt.10,
11
Weiters konnte gezeigt werden, dass DMP1 und FGF-23 in
Knochenstanzen von Patienten im CKD-Stadium 2–5D in Osteo­
zyten exprimiert werden und invers mit dem Osteoidvolumen
und der Osteoidoberfläche korrelieren. Pereira et al. wiesen nach,
dass die Expression beider Proteine im Vergleich zu gesunden
Kontrollen signifikant erhöht und in allen CKD- und RODStadien gleichmäßig stark ist.
MEPE, welchem eine durch PHEX hemmbare Mineralisationsstörung von Osteoblasten und eine Rolle im Knochenwachstum
zugeschrieben wird, färbte sich ebenfalls in Osteozyten an. Außer­
dem konnte eine geringe Expression von MEPE in Zellen des
Knochenmarks gefunden werden. Die MEPE-Expression korrelierte invers mit dem Knochenvolumen und der trabekulären
Dicke. Es zeigte sich allerdings kein Unterschied zwischen den
Patienten mit CKD 2–5D und den gesunden Kontrollen.9, 11–13
Da die Expression von DMP1 und FGF-23 einen Zusammenhang
zeigte, dürfte es im Rahmen der CKD entweder zu einer Funktionsstörung von DMP1 kommen oder die Hyperphosphatämie
zu einer simultanen Stimulation von DMP1 und FGF-23 führen.9
NEPHRO Script
CKD-MBD-Therapie
und Sclerostin-Antikörper-Therapie
Sclerostin (Scl), ein weiteres Protein, das von Osteozyten gebildet
wird, wird –genauso wie FGF-23 – vermehrt produziert, wenn
sich PTH noch im Normbereich befindet. Durch Bindung von
Scl an den LRP-5/6-Rezeptor wird der osteoanabole kanonische
Wnt/-Catenin-Signalweg und damit die Differenzierung und
Funktion von Osteoblasten gehemmt.14 Außerdem steigert Scl
die Expression von Receptor Activator of NF-B Ligand (RANKL)
und die RANKL/Osteoprotegerin-(OPG)-Ratio in Osteozyten,
was wiederum zu einer Aktivierung von Osteoklasten führt, die
den Knochen abbauen.15
Da sich in verschiedenen Osteoporose-Tiermodellen mit einer
Scl-Antikörper-Therapie erstaunlich gute Ergebnisse, betreffend
den Zuwachs an Knochenmasse und die Biomechanik des
­Knochens zeigten, erfolgte 2007 eine Phase-Ib-Studie mit dem
humanisierten Scl-Antikörper Romosozumab bei 32 postmenopausalen Frauen und 16 Männern (45.–80. Lebensjahr) mit Osteopenie (T-Score –1 bis –2,5). Insgesamt ergab sich in der Knochendichtemessung (DXA) ein signifikanter Knochenzuwachs und
ein transienter Anstieg von Serumparametern wie Osteocalcin,
PINP und alkalischer Phosphatase, die für einen Knochenaufbau
sprechen.16 Im Vergleich zum Bisphosphonat Alendronat und
dem PTH-Analogon Teriparatid konnte anschließend in einer
Phase-II-Studie mit 419 postmenopausalen Frauen (55.–85.
Lebens­jahr) mit Osteoporose eine signifikante Verbesserung der
Knochendichte an der LWS mit +11,3 % (Placebo: 0,1 %, Alendronat: 4,1 %, Teriparatid: 7,1 %), der Hüfte mit +4,1 % und
dem Schenkelhals mit +3,7 % nachgewiesen werden.17 Der Knochenzuwachs betrifft hier sowohl den Kortex als auch das trabekuläre Kompartiment und zeigt eine signifikante Zunahme der
biomechanischen Knochenstärke, was bereits mittels quantitativer
Computertomografie (QCT) und High-Resolution-QCT untersucht wurde.18
Ein zweiter humaner monoklonaler Scl-Antikörper namens Blosozumab wurde ebenfalls bereits in Phase-I- und Phase-II-Studien
untersucht und erbrachte vergleichbar gute Ergebnisse.19, 20
Derzeit laufen 2 Phase-III-Studien mit Romosozumab bei ­Männern
mit Osteoporose (BRIDGE-Studie) und bei postmenopausalen
Frauen mit Osteoporose in 2 unterschiedlichen Formulationen
(FRAME-Studie). Weiters erwarten wir mit Spannung die Ergebnisse einer Phase-I-Studie (open-label, single-dose) mit Patienten
≥ 50 Jahre mit Osteoporose, im CKD-Stadium 4 und 5D und
gesunden Kontrollen. In einem Rattenmodell mit autosomal dominanter polyzystischer Nierenerkrankung konnte gezeigt werden,
dass es durch eine Scl-Antikörpertherapie zu einer Steigerung des
trabekulären Knochenvolumens und zu einer vermehrten Mineral­
isation der Trabekel kommt. Dieser Effekt konnte allerdings nur
bei Tieren mit niedrigen PTH-Serumspiegeln nachgewiesen
­werden, da PTH auch ohne den Wnt/-Catenin-Signalweg ˘
23
FOCUS
NEPHRO Script
zu einer -Catenin-Aktivierung führen kann, die bei hohen Serum­
spiegeln im Tiermodell die Anti-Scl-Wirkung übertraf. Ein ­weiterer
Unterschied zu den Ergebnissen im humanen System war, dass
eine Verbesserung der Biomechanik des Knochens ausblieb.21 Die
aktuelle Datenlage zeigt diesbezüglich unterschiedliche Ergebnisse.
Einerseits wurde in Querschnittsstudien mit Hämodialyse-­
Patienten nachgewiesen, dass hohe Scl-Spiegel einen positiven
Einfluss auf die Knochendichte und das Überleben haben.22, 23
Andererseits korrelierten in einer prospektiven Studie mit Hämodialysepatienten hohe Scl- und TRAP-5b-Spiegel mit einer Abnahme der Knochendichte innerhalb eines Jahres, gemessen ­mittels
DXA und QCT.24
Ergebnisse prospektiver Studien mit Scl zur Untersuchung des
Knochenstoffwechsels im Rahmen der CKD-MBD in den unterschiedlichen Stadien der CKD und der renalen Osteodystrophie
fehlen jedoch noch.
■
Gutierrez O. et al., JASN 2005 Jul; 16 (7): 2205–15. Pubmed PMID: 15917335
Isakova T. et al., Kidney International 2011 Jun; 79 (12): 1370–8. Pubmed PMID:
21389978. Pubmed Central PMCID: 3134393
3
Feldman H.I. et al., JASN 2003 Jul; 14 (Suppl. 2): S148–53. Pubmed PMID: 12819321
4
Phelps K.R. et al., Clinical Nephrology 2016 Mar 8. Pubmed PMID: 26951967
5
Grabner A. et al., Cell Metabolism 2015 Dec 1; 22 (6): 1020–32. Pubmed PMID: 26437603.
Pubmed Central PMCID: 4670583
6
Isakova T. et al., Jama 2011 Jun 15; 305 (23): 2432–9. Pubmed PMID: 21673295. Pubmed
Central PMCID: 3124770
7
Shalhoub V. et al., The Journal of Clinical Investigation 2012 Jul; 122 (7): 2543–53.
Pubmed PMID: 22728934. Pubmed Central PMCID: 3386816
8
Ogbureke K.U. et al., Kidney International 2005 Jul; 68 (1): 155–66. Pubmed PMID:
15954904
9
Pereira R.C. et al., Bone 2009 Dec; 45 (6): 1161–8. Pubmed PMID: 19679205. Pubmed
Central PMCID: 2783834
10
Rowe P.S., Critical reviews in Eukaryotic Gene Expression 2012; 22 (1): 61–86. Pubmed
PMID: 22339660. Pubmed Central PMCID: 3362997
11
Rowe P.S., Cell Biochemistry and Function 2012 Jul; 30 (5): 355–75. Pubmed PMID:
22573484. Pubmed Central PMCID: 3389266
12
Quarles L.D., American Journal of Physiology Endocrinology and Metabolism 2003 Jul;
285 (1): E1–9. Pubmed PMID: 12791601
13
1
2
Gowen L.C. et al., The Journal of Biological Chemistry 2003 Jan 17; 278 (3): 1998–2007.
Pubmed PMID: 12421822
Kim W. et al., The Biochemical Journal 2013 Feb 15; 450 (1): 9–21. Pubmed PMID: 23343194
15
Wijenayaka A.R. et al., Plos one 2011; 6 (10): e25900. Pubmed PMID: 21991382. Pubmed
Central PMCID: 3186800
16
Padhi D. et al., Journal of Clinical Pharmacology 2014 Feb; 54 (2): 168–78. Pubmed
PMID: 24272917
17
Mcclung M.R. et al., The New England Journal of Medicine 2014 Jan 30; 370 (5): 412–
20. Pubmed PMID: 24382002
18
Graeff C. et al., Bone 2015 Dec; 81: 364–9. Pubmed PMID: 26232375
19
Mccolm J. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2014 Apr; 29 (4): 935–43. Pubmed
PMID: 23996473
20
Recker R.R. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2015 Feb; 30 (2): 216–24.
Pubmed PMID: 25196993
21
Moe S.M., Journal of Bone and Mineral research 2015 Mar; 30 (3): 499–509. Pubmed
PMID: 25407607. Pubmed Central PMCID: 4333005
22
Cejka D. et al., Nephrology Dialysis Transplantation 2012 Jan; 27 (1): 226–30. Pubmed
PMID: 21613383
23
Jean G. et al., Nephron 2016; 132 (3): 181–90. Pubmed PMID: 26890570
24
Malluche H.H. et al., CJASN 2014 Jul; 9 (7): 1254–62. Pubmed PMID: 24948144.
Pubmed Central PMCID: 4078960
14
FACHKURZINFORMATION
Advagraf 0,5 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 1 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 3 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 5 mg Hartkapseln, retardiert.
2. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede retardierte Hartkapsel enthält 0,5 mg Tacrolimus (als
Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 1 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 3
mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 5 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 51,09 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede
Kapsel enthält 102,17 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 306,52 mg Lactose.
Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 510,9 mg Lactose. Die Drucktinte, die zur Markierung
der Kapsel eingesetzt wird, enthält Spuren entölter Phospholipide aus Sojabohnen (0,48% der Gesamtzusammensetzung
der Drucktinte). Liste der sonstigen Bestandteile: Kapselinhalt: Hypromellose, Ethylcellulose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat. Kapselhülle: Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172), Natriumdodecylsulfat, Gelatine. Druckfarbe (Opacode S-1-15083): Schellack, Entölte Phospholipide aus Sojabohnen, Simeticon,
Eisen(III)-oxid (E 172), Hyprolose. 3. ANWENDUNGSGEBIETE: Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen
Nieren- oder Lebertransplantatempfängern. Behandlung der Transplantatabstoßung, die sich gegenüber anderen Immunsuppressiva als therapieresistent erweist, bei erwachsenen Patienten. 4. GEGENANZEIGEN: Überempfindlichkeit gegen
Tacrolimus oder einen der sonstigen Bestandteile. Überempfindlichkeit gegen sonstige Macrolide. 5. PHARMAKOTHERAPEUTISCHE GRUPPE: Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunsuppressiva, Calcineurin-Inhibitoren; ATC-Code: L04AD02.
6. INHABER DER ZULASSUNG: Astellas Pharma Europe B.V., Sylviusweg 62, 2333 BE Leiden, Niederlande. 7. VERTRIEB IN
ÖSTERREICH: Astellas Pharma Ges.m.b.H, Donau-City-Straße 7, A-1220 Wien, Tel: +43 1 877 26 68, E-Mail: office.at@
astellas.com. 8. STAND DER INFORMATION: 06/2015, 9. REZEPTPFLICHT / APOTHEKENPFLICHT: Verschreibungspflichtig.
„Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft, Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit
und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der
veröffentlichten Fachinformation.“
JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 45 mg Tabletten/JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC®
60 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 90 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten.
q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 Fachinformation. Zusammensetzung:
Wirkstoff: Jede Tablette enthält Tolvaptan 15 mg, 30 mg, 45 mg, 60 mg, 90 mg. Sonstige Bestandteile: Maisstärke,
Hyprolose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Mikrokristalline Cellulose, Indigokarmin, Aluminiumlack. Anwendungsgebiete: Verlangsamung der Progression von Zystenentwicklung und Niereninsuffizienz bei autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) (Stad. 1 - 3 zu
Behandlungsbeginn mit Anzeichen für rasch fortschreitende Erkrankung). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen
Tolvaptan oder sonstige Bestandteile; erhöhte Leberenzyme u./o. Anzeichen oder Symptome von Leberschäden vor Behandlung, die Kriterien für dauerhaftes Absetzen von Tolvaptan erfüllen; Volumendepletion; Hypernatriämie; Patienten, die
keinen Durst empfinden / nicht auf Durstgefühl reagieren können; Schwangerschaft; Stillzeit. Pharmakotherapeutische
Gruppe: noch nicht zugewiesen, ATC-Code: noch nicht zugewiesen. Pharmazeutischer Unternehmer: Otsuka Pharmaceutical Europe Ltd., Gallions, Wexham Springs, Framewood Road, Wexham, SL3 6PJ - Vereinigtes Königreich. Abgabe: Rezept-
24
und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen zur sicheren Anwendung,
Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen und zutreffendenfalls Angaben über
Gewöhnungseffekte sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information: V003, Oktober 2015.
Mimpara® 30 / 60 / 90 mg Filmtabletten.
Qualitative und Quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 30 / 60 / 90 mg Cinacalcet (als Hydrochlorid). Sonstige
Bestandteile: Jede 30 / 60 / 90 mg Tablette enthält 2,74 / 5,47 / 8,21 mg Laktose. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Vorverkleisterte Stärke (aus Mais), Mikrokristalline Cellulose, Povidon, Crospovidon, Magnesiumstearat, Hochdisperses Siliciumdioxid. Tablettenfilm: Karnaubawachs, Opadry II grün: (Laktose-Monohydrat, Hypromellose, Titandioxid
(E 171), Glyceroltriacetat, Indigocarmin (E 132), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172)), Opadry klar: (Hypromellose, Macrogol). Anwendungsgebiete: Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus (s-HPT) bei dialysepflichtigen Patienten
mit terminaler Niereninsuffizienz. Mimpara kann als Teil eines therapeutischen Regimes angewendet werden, das je nach
Bedarf Phosphatbinder und/oder Vitamin D umfassen kann. Verminderung von Hyperkalzämie bei Patienten mit Nebenschilddrüsenkarzinom, bei Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus (p-HPT), bei denen eine Parathyreoidektomie
aufgrund der Serumcalciumspiegel (wie in den relevanten Behandlungsrichtlinien definiert) angezeigt wäre, jedoch klinisch
nicht angebracht oder kontraindiziert ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen
Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Nebenschilddrüsenhormon-Antagonisten. ATC-Code: H05BX01. Inhaber der
Zulassung: Amgen Europe B.V., 4817 ZK Breda, NL; Vertreter in Österreich: Amgen GmbH, 1040 Wien. Verschreibungspflicht/
Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Stand der Information: Juli 2014. Weitere
Angaben zu Dosierung, Art und Dauer Anwendung, besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung,
Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen Schwangerschaft und Stillzeit sowie zu
Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.
Nephrotrans® 500 mg magensaftresistente Weichkapseln, Nephrotrans® 840 mg magensaftresistente Weichkapseln.
Wirkstoff: Natriumhydrogencarbonat. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine magensaftresistente Weichkapsel enthält 500 mg oder 840 mg Natriumhydrogencarbonat. Liste der sonstigen Bestandteile: Gelbes Wachs, hydriertes
Sojaöl (Ph. Eur.), partiell hydriertes Sojaöl (DAB), raffiniertes Rapsöl, (3-sn-Phosphatidyl)cholin aus Sojabohnen, Eisen(II,III)oxid (E 172), Glycerol 85%, Gelatine, Lösung von partiell dehydratisiertem Sorbitol (Ph. Eur.), Salzsäure 25%, Hypromellose,
Hydroxypropylcellulose, Talkum, Polyethylenglykol, Methacrylsäure-ethylacrylat-Copolymer (1:1) (Ph. Eur.), Polysorbat 80,
Natriumdodecylsulfat, Propylenglykol, Glycerolmonostearat, gereinigtes Wasser. Nephrotrans® 500 mg enthält zusätzlich
den Farbstoff Titandioxid (E 171). Anwendungsgebiete: Zur Behandlung der metabolischen Azidose und zur Erhaltungsbehandlung gegen erneutes Auftreten der metabolischen Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz bei Erwachsenen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Soja, Erdnuss oder einen der sonstigen Bestandteile. Metabolische
Alkalose , Hypokaliämie, Hypernatriämie, natriumarme Diät, Kinder und Jugendliche. Darreichungsform und Packungsgrößen: Nephrotrans® 500 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln, Klinikpackungen mit 500 magensaftresistenten Weichkapseln (5x100), Nephrotrans 840 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln (2x50),
Klinikpackungen mit 500 magensaftresistenten Weichkapseln (10x50). Weitere Informationen betreffend Warnhinweise und
Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte
entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antazida mit Natriumbicarbonat, ATC-Code: A02AH. Inhaber der Zulassung: Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Kuhloweg 37, D-58638 Iserlohn.
Vertrieb: Medice Arzneimittel GmbH, Römerstraße 14, A-5400 Hallein, Österreich, eine Tochter der Medice Arzneimittel
Pütter GmbH & Co. KG. www.medice.at. Verschreibungspflicht / Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Stand
der Information: Februar 2014.
Velphoro® 500 mg Kautabletten.
Zusammensetzung: Jede Kautablette enthält 500 mg Eisen als „Sucroferric Oxyhydroxide“, auch als Gemisch von vielkernigem Eisen(III)-hydroxid-oxid, Sucrose und Stärken bezeichnet. Der Wirkstoff Sucroferric Oxyhydroxide enthält 750 mg
Sucrose und 700 mg Stärke. Anwendungsgebiete: Velphoro wird zur Kontrolle des Serumphosphatspiegels bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) eingesetzt, die sich einer Hämodialyse (HD) oder einer Peritonealdialyse (PD) unterziehen. Velphoro sollte im Rahmen eines multiplen Therapieansatzes zum Einsatz kommen, dazu zählen
die Zuführung von Calcium-Präparaten, 1,25Dihydroxyvitamin D3 oder einem seiner Analoge oder Kalzimimetika, um die
Entstehung einer renalen Osteodystrophie zu vermeiden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder
einen der sonstigen Bestandteile. Hämochromatose oder sonstige Eisenüberladungskrankheiten. Liste der sonstigen Bestandteile: Waldbeeren-Aroma, Neohesperidindihydrochalcon, Magnesiumstearat, Hochdisperses Siliciumdioxid. Pharmakotherapeutische Gruppe: Mittel zur Behandlung von Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie. ATC-Code: V03AE05.
Abgabeform: Rezept- und apothekenpflichtig. Inhaber der Zulassung: Vifor Fresenius Medical Care Renal Pharma France,
713 Boulevard Paul-Emile Victor, 92521 Neuilly-sur-Seine, Frankreich. Stand der Information: September 2015. Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Schwangerschaft und Stillzeit, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind dern veröffentlichten Fachinformationen zu
entnehmen. q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung.
Fotos: privat
Adenuric 80 mg Filmtabletten, Adenuric 120 mg Filmtabletten.
Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 80 mg bzw. 120 mg Febuxostat. Liste der sonstigen
Bestandteile: Jede Tablette enthält 76,50 mg bzw. 114,75 mg Lactose (als Monohydrat). Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, Mikrokristalline Cellulose, Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Hyprolose, Croscarmellose-Natrium, Siliciumdioxid-Hydrat.
Filmüberzug: Opadry II gelb, 85F42129 enthält: Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol 3350, Talkum, Eisen(III)hydroxid-oxid x H2O (E172). Anwendungsgebiete: Adenuric ist zur Anwendung bei Erwachsenen bestimmt. Adenuric 80
mg: Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die bereits zu Uratablagerungen geführt haben (einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthritis). Adenuric 120 mg: Adenuric wird angewendet zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die
bereits zu Uratablagerungen geführt haben (einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthritis). Adenuric wird angewendet zur Vorbeugung und Behandlung einer
Hyperurikämie bei erwachsenen Patienten mit hämatologischen Malignomen, die sich einer Chemotherapie mit einem
mittleren bis hohen Risiko für ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) unterziehen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den
Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Gichtmittel, Urikostatika, ATC-Code:
M04AA03. Inhaber der Zulassung: Menarini International Operations Luxembourg S.A., 1, Avenue de la Gare, L-1611,
Luxemburg. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den Abschnitten
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie
Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand der Information: Dezember 2015.
FOCUS
NEPHRO Script
uu
Studiendaten
legen Überwässerung als einen der wichtigsten modifizierbaren
­Risikofaktoren für die Mortalität bei DialysepatientInnen nahe.
uu
Die Bioimpedanz-Technologie als Messverfahren der Überwässerung wird
­inzwischen nicht nur in vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern zu derzeit
noch wissenschaftlichen Zwecken auch bei PatientInnen ohne terminale Niereninsuffizienz,
außerhalb der Dialyse (Kardiologie, ­Anästhesie etc.).
Von DialysepatientInnen lernen
Flüssigkeitshaushalt bei
terminaler Niereninsuffizienz
I
n der klinischen Nephrologie mehren sich die Hinweise dafür,
dass die Überwässerung einen der wichtigsten, vielleicht den
wichtigsten modifizierbaren Risikofaktor bei DialysepatientInnen
hinsichtlich deren Mortalität darstellen könnte, noch f­ undamentaler
als die Mangel­ernährung. Der folgende Beitrag gliedert sich
­zunächst in die Themen „Trockengewicht“, „Mess-Verfahren der
Überwässerung“, „Bedeutung der Überwässerung“ und basiert
auf zwei Review-Artikeln1, 2 der drei genannten Autoren. Zu dem
einen der beiden Review-Artikel hat der Nephrologe Rajiv A
­ garwal
ein Editorial geschrieben, das den Titel trägt: „Volumens-Überladung an der Dialyse: Der Elefant im Zimmer, den niemand
sehen kann“3. Somit hat Agarwal uns ein klares „Ja“ dazu ausge­
sprochen, den Fokus bei der Dialyse vor allem auf den a­ däquaten
Flüssigkeitshaushalt zu setzen. Von DialysepatientInnen lernen
wir aber nicht nur als NephrologInnen, sondern auch als Ärzte
und Ärztinnen im nicht-­nephrologischen Setting: Ordinationen,
Ambulanzen und Stationen der inneren Medizin, die sich mit der
Behandlung von Krankheitsbildern wie Herzinsuffizienz, Hyponatriämie und Leberzirrhose ­beschäftigen, wobei es sehr häufig
um eine Einschätzung des Flüssigkeitszustands geht. Auch
­perioperativ dreht sich vieles um die Frage: Mehr oder weniger
intraoperative Flüssigkeitsgabe, insbesondere bei RisikopatientInnen und vor großen chirurgischen Eingriffen?
Fotos: privat
Trockengewicht
Um die Überwässerung bei DialysepatientInnen zu verstehen, ist
es hilfreich, sich das Konzept des „Trockengewichts“ in ­Erinnerung
Assoc. Prof.
Dr. Manfred Hecking*
Dr. Peter Wabel**
Prof. em.
Friedrich K. Port***
* Innere Medizin III/Klinische Abteilung für Nephrologie,
Medizinische Universität Wien/AKH Wien
** Fresenius Medical Care, Bad Homburg, Deutschland
*** Arbor Research Collaborative for Health, Ann Arbor, Michigan (USA)
zu rufen, welches „so alt ist wie die Dialyse selber“4. Infolge
­klinischer Wissensvermehrung und technischer Fortschritte hat
sich die Definition des Trockengewichts über die Zeit verändert:
• Thomson et al. definierten im Jahr 1967 das Trockengewicht
als eine „Blutdruck-Regulation in Richtung Hypotension während der Ultrafiltration“.5
• Henderson schrieb im Jahr 1980 über das Trockengewicht, es
sei „jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung,
bei dem der/die PatientIn in > 50 % der Fälle symptomatisch
wird (in der englischen Originalfassung: „will become symptomatic and go into shock“).6
• Charra et al. befanden im Jahr 1996, das Trockengewicht sei
„jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung, bei
dessen Unterschreitung der/die PatientIn bis zur n
­ ächsten ˘
25
FOCUS
NEPHRO Script
Dialyse­behandlung (idealerweise ohne Blutdruck-Medikation)
normotensiv bleibt.7
• Raimann et al. waren im Jahr 2008 die ersten AutorInnen, die
das Trockengewicht rein technisch definierten als „Abflachung
der ‚baseline/instantaneous impedance ratio curve‘ für mindestens 20 Minuten während der Ultrafiltration, wenn die
­kontinuierliche Waden-Bioimpedanz-Methode (,calf bioimpedance‘) angewandt wird“.8
• Sinha und Agarwal sahen im Jahr 2009 das Trockengewicht als
eine Kombination subjektiver und objektiver Messungen an.9
Die verschiedenen Möglichkeiten objektiver Bestimmung des
Flüssigkeitszustandes und somit der Überwässerung bzw. des
Trocken­gewichtes sollen in der Folge näher dargestellt werden.
Messverfahren der Überwässerung
Was ist Überwässerung? Wie kann Überwässerung gemessen
werden? Die Überwässerung kursiert als medizinischer Fach­begriff,
für den es auch einen ICD-Code (International Classification of
Diseases) gibt (ICD-9 276.6, ICD-10 E87.7)10, aber die ­Definition
der Überwässerung ist unklar. „Objektive“ Methoden zur Bestimmung der Überwässerung beinhalten:
• die Messung des Durchmessers der Vena cava inferior (VCI)11
• die Messung biochemischer Parameter wie des BNP (Brainnatriuretisches Peptid)12
• das kontinuierliche Blutvolumen-Monitieren (BVM)13, das
auch Relatives-Plasmavolumen-Monitieren genannt wird14
• die Messung extravaskulärer Lungenflüssigkeit durch Bestimmung der „Lungenkometen“ („lung comets“) im Ultraschall15
• die Bioimpedanz-Technologie16
Bei der Bioimpedanz-Technologie wird ein Wechselstrom ­niedriger
Stromstärke durch den Körper geleitet17; die Bioimpedanz gibt
dabei Auskunft über die elektrischen Eigenschaften des Gewebes,
durch das der Strom fließt. Die Impedanz (der Wechselstrom­
widerstand) ist von der Frequenz des Wechselstroms abhängig,
ebenso wie vom Gewebetyp, durch das der Strom fließt.18 Wechsel­
strom niedriger Frequenz fließt präferenziell im Extrazellulär­
volumen (ECV), da die Zellmembran bei niedrigen Frequenzen
nicht durchdrungen werden kann, wohingegen Wechselstrom
hoher Frequenz sowohl das extrazelluläre als auch das intrazelluläre Flüssigkeits-Kompartiment durchdringt.19 Man unterscheidet
zwischen Mono- und Multifrequenz-Bioimpedanz, wobei der
wichtigste Unterschied bei den Multifrequenz-Bioimpedanz-­
Methoden darin besteht, ob der Strom innerhalb eines Körpersegments (z. B. Arm, Rumpf, Wade) oder innerhalb des gesamten
Körpers appliziert wird.
Es lässt sich darüber debattieren, welche der oben genannten Methoden zur Bestimmung der Überwässerung, insbesondere welche
Bioimpedanz-Methode20 die beste ist. Die Tabelle gibt aber die
Zusammenfassung einer umfangreichen Diskussion verschiedener
26
Autoren wieder (weitere Details, auch über die hier genannten
Methoden finden sich in: Hecking M. et al., 20131).
Der Body Composition Monitor (BCM, Fresenius Medical Care)
wendet die Ganzkörper-Bioimpedanz-Spektroskopie an und berechnet die Überwässerung im extrazellulären Kompartiment
(ECV) anhand der Resultate der Bioimpedanz-Messung in den
unterschiedlichen Wechselstromfrequenzen, wobei die niedrigen
Frequenzen für das ECV besonders wichtig sind (s. o.). Dabei
gelangt ein physiologisches Gewebemodell (Drei-KompartimenteModell) zur Anwendung, bei dem auch der Hydratationszustand
verschiedener Gewebe einbezogen wird.21 Der BCM liefert dadurch für die vermessenen PatientInnen numerische Werte für
das ECV (in Litern) und für die Überwässerung (in Litern und
in % des ECV). Dies ist der große Vorteil des BCM gegenüber
den anderen Verfahren, bei denen es sich entweder um indirekte
Nachweise der Überwässerung handelt (VCI-Durchmesser, BNP),
bei denen ein anschaulicher Wert nicht verfügbar ist oder wo es
z. B. aufgrund der Beurteilung eines Bildes zu InterpretationsUnterschieden kommen muss. Als anschauliches Beispiel sei neben
den oben genannten Verfahren der Nachweis einer Stauung im
Lungenröntgen genannt („zwei Untersucher – drei Meinungen“).
Bedeutung der Überwässerung
Warum ist der Nachweis der Überwässerung bei DialysepatientInnen so wichtig? Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Dialyse­
patientInnen 10- bis 30-mal höher als in der Allgemein­
bevölkerung.22, 23 Als primäre Risikofaktoren gelten höheres Alter,
Diabetes und andere Komorbiditäten24, 25, aber diese Faktoren
sind nicht modifizierbar. Traditionelle modifizierbare Risikofaktoren beinhalten zentrale Venenkatheter, inadäquate Dialyse­
qualität (Behandlungszeit und Kt/V) und Mangelernährung.26 In
einer umfangreichen Analyse war von allen untersuchten, modifizierbaren Risikofaktoren ein Serum-Albumin < 3,5 g/dl (als Maß
für die Mangelernährung) mit dem höchsten relativen Risiko für
die Mortalität (von 1,38, p < 0,0001) assoziiert.27 Die Überwässerung wurde in diese Analysen aber nicht mit einbezogen.
Unseres Wissens nach haben erst drei Analysen die Assoziation
zwischen Überwässerung und Mortalität untersucht:
• Wizemann et al. führten eine verblindete Studie durch und stellten bei 269 PatientInnen mit BCM-gemessener Überwässerung
(prädialytisches ECV > 15 %) im Vergleich zur restlichen Gruppe
(prädialytisches ECV < 15 %) eine adjustierte Hazard-Ratio von
2,1 für die Mortalität fest (90%-Konfidenz­intervall 1,39–3,18).28
• Chazot et al. verglichen eine positiv selektionierte Referenz­
population von 50 „normohydrierten“ PatientInnen aus dem
„Long, Slow Dialysis“-Programm des Zentrums in ­Tassin/
Frank­reich mit 35 überwässerten PatientInnen aus Gießen/
Deutschland (BCM-gemessen durchschnittlich 20,2 ± 4,8 %
prädialytisches ECV) und ermittelten für die überwässerten
PatientInnen eine a­djustierte Hazard-Ratio von 3,41
(90%­­-Konfidenz­intervall 1,62–7,17).29
FOCUS
NEPHRO Script
Tab.: Vergleich einiger Methoden zur Bestimmung der Überwässerung
Biochemische
Marker
Mono- und
Multifrequenz-­
Bioimpedanz
Segmentale
Bioimpedanz-­
Spektroskopie
der Wade
GanzkörperBioimpedanz-­
Spektroskopie
Monitieren des
relativen
­Plasmavolumens
„Lungenkometen“-­
Bestimmung im
Ultraschall
Sensitivität
­gegenüber dem
Volumen-Status
+/–
+
+
+
+
+
Akkuratheit der
Bestimmung des
extrazellulären
Volumens (ECV)
–
–
+/–
+
–
–
+/–
+
+
+
+/–
+
Einfachheit der
Anwendung
+
+
+
+
+
+
Anwendbarkeit
außerhalb der
Hämodialyse
+
+
–
+
–
+
Reproduzier­
barkeit
+: gut; –: schlecht; +/–: mittelmäßig • Agarwal publizierte eine Studie mit 309 PatientInnen, die
Plasma­volumen-monitiert wurden.30 Jene PatientInnen mit
­raschem „Refilling“ (entsprechend einer Steigung unterhalb
des Medians von 1,39 % pro Stunde als Indikator für die Überwässerung) hatten eine Hazard-Ratio von 1,72 für die M
­ ortalität
(95%-Konfidenzintervall 1,14–2,58) im Vergleich zu jenen
PatientInnen mit steileren Steigungen.
Die oben genannten Ergebnisse relativ kleiner Studien können nicht
mit der davor beschriebenen Risikofaktoren-Analyse27 verglichen
werden. Trotzdem handelt es sich bei Hazard-Ratios für Mortalität
­zwischen 1,72 und 3,41 um sehr hohe Risiken im Vergleich mit
dem Risiko von 1,38, welches mit Serum-Albumin < 3,5 g/dl
­assoziiert ist.27 Daher könnte die Überwässerung der überhaupt
wichtigste modifizierbare Risikofaktor für die Mortalität bei
­DialysepatientInnen sein.
Ausblick: Von DialysepatientInnen lernen
Die Bioimpedanz-Technologie wird inzwischen nicht nur in
­vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern auch
auf wissenschaftlicher Basis bei PatientInnen ohne terminale
Niereninsuffizienz, außerhalb der D
­ ialyse. Bei PatientInnen mit
chronischer Nieren­insuffizienz (CKD) in den CKD Stadien 3
und höher fand sich eine Assoziation zwischen Überwässerung
und kardio­vaskulären Risiko­faktoren31 und, abhängig vom
Schwere­grad einer Anämie, auch mit der Mortalität32. An der
Medizinischen Universität Wien w
­ erden mit Bioimpedanz gewonnene Daten wissenschaftlich nicht nur in der Gruppe von
Andreas Vychytil (Peritoneal­dialyse), sondern auch auf der Kardiologie (Arbeitsgruppe Diana Bonderman, Arbeitsgruppe Irene
Lang) und Anästhesie (­Arbeitsgruppe Edith Fleischmann) aus-
Die Unterschiede wurden auf der Basis der Durchsicht der Literatur getroffen.1
gewertet, nachdem M
­ arlies ­Antlanger, Marcus Säemann und
Manfred Hecking dort Ko­operationen eingegangen sind. In
Kürze werden prospektive Daten der Bonderman-Gruppe zur
Überwässerung und Mortalität bei PatientInnen mit diastolischer
Herzinsuffizienz publiziert (Manuskript abgeschlossen). Auf der
Anästhesie konnte bereits nachgewiesen werden, dass das BCM-­
Gerät die intra­operativ gegebene Flüssigkeit erkennt und dass
die intraoperativ gegebene Flüssigkeit einen klinisch bedeutsamen
Anstieg des ECV zur Folge hat.33 Matthäus ­Ernstbrunner, der
diese Daten publizierte, führte daraufhin eine BCM-gestützte
Interventionsstudie zur intraoperativen Flüssigkeitsgabe versus
Standard-Flüssig­keitstherapie durch und des Weiteren eine ­Studie
mit gesunden Probanden, denen er innerhalb von 1 Stunde 2
Liter Elo-Mel infundierte (Manuskripte in Vorbereitung). Ein
Ergebnis sei vorweg­genommen: Die BCM-­Messungen bei den
­gesunden, männlichen Probanden waren, wie vorbeschrieben34,
sehr gut reproduzierbar. Nur mäßige E
­ rfahrungen können mit
dem BCM-Gerät allerdings auf der Intensivstation gemacht
­werden, wo die PatientInnen hinsichtlich ihrer Flüssigkeitskompartimente „­derangiert“ sein können. Außerhalb des stationären
Settings sollten die Patienten ü
­ brigens mindestens 5 Minuten
waagerecht liegen, bevor sie gemessen werden, ansonsten kann
es auch hier zu fehlerhaften Werten kommen.
ZUSAMMENFASSEND spricht vieles dafür, neben dem sehr ­häufig
durchgeführten Lungenröntgen bei Verfügbarkeit eines BioimpedanzGerätes auch außerhalb der Nephrologie eine Flüssigkeitsmessung
durchzuführen, um beispielsweise Diuretika bei kardial dekompensierten PatientInnen oder PatientInnen mit Leber­zirrhose z­ ielgerichtet
einzusetzen oder den Flüssigkeitszustand bei PatientInnen mit Hyponatriämie zu bestimmen. Auf diese Weise lernen wir von DialysepatientInnen für die nicht-nephrologische Praxis.
˘
■
27
FOCUS
NEPHRO Script
Hecking M. et al., Karaboyas A., Antlanger M., Saran R., Wizemann V., Chazot C., Rayner
H., Horl W.H., Pisoni R.L., Robinson B.M. et al.: Significance of interdialytic weight gain
versus chronic volume overload: consensus opinion. American Journal of Nephrology 2013;
38 (1): 78–90
2
Hecking M., Rayner H., Wabel P.: What are the Consequences of Volume Expansion in
Chronic Dialysis Patients?: Defining and Measuring Fluid Overload in Hemodialysis Patients.
Semin Dial 2015; 28 (3): 242–247
3
Agarwal R.: Volume overload in dialysis: the elephant in the room, no one can see. American
Journal of Nephrology 2013; 38 (1): 75–77
4
Agarwal R., Weir M.R.: Dry-weight: a concept revisited in an effort to avoid medicationdirected approaches for blood pressure control in hemodialysis patients. CJASN 2010; 5
(7): 1255–1260
5
Thomson G.E. et al.: Hemodialysis for chronic renal failure. Clinical observations. Arch
Intern Med 1967; 120 (2): 153–167
6
Henderson L.W.: Symptomatic hypotension during hemodialysis. Kidney Int 1980; 17
(5): 571–576
7
Charra B. et al.: Clinical assessment of dry weight. Nephrol Dial Transplant 1996; 11
(Suppl. 2): 16–19
8
Raimann J. et al.: A fresh look at dry weight. Hemodial Int 2008; 12 (4): 395–405
9
Sinha A.D., Agarwal R.: Can chronic volume overload be recognized and prevented in
hemodialysis patients? The pitfalls of the clinical examination in assessing volume status.
Semin Dial 2009; 22 (5): 480–482
10
Arneson T.J. et al.: Hospital treatment for fluid overload in the Medicare hemodialysis
population. CJASN 2010; 5 (6): 1054–1063
11
Franz M. et al.: Living on chronic hemodialysis between dryness and fluid overload. Kidney
Int Suppl 1997; 59: S39–42
12
Chazot C. et al.: Fluid overload correction and cardiac history influence brain natriuretic
peptide evolution in incident haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation
2011; 26 (8): 2630–2634
13
Lopot F. et al.: Use of continuous blood volume monitoring to detect inadequately high
dry weight. The International Journal of Artificial Organs 1996; 19 (7): 411–414
14
Steuer R. et al.: A new optical technique for monitoring hematocrit and circulating blood
volume: its application in renal dialysis. Dial Transplant 1993; 22: 260–265
15
Picano E. et al.: Ultrasound lung comets: a clinically useful sign of extravascular lung water.
Journal of the American Society of Echocardiography 2006; 19 (3): 356–363
16
Davies S.J., Davenport A.: The role of bioimpedance and biomarkers in helping to aid
clinical decision–making of volume assessments in dialysis patients. Kidney Int 2014; 86
(3): 489–496
17
Frequently asked questions about bioimpedance analysis and Imp DF50 device. In:
Metagenics USA 2009
1
University College London: Brief Introduction to Bioimpedance. http://www.ucl.ac.uk/
medphys/research/eit/pubs/bioimpedance_overview.pdf. (access year)
Dou Y., Zhu F., Kotanko P.: Assessment of extracellular fluid volume and fluid status in
hemodialysis patients: current status and technical advances. Seminars in Dialysis 2012;
25 (4): 377–387
20
Raimann J.G. et al.: Comparison of fluid volume estimates in chronic hemodialysis patients
by bioimpedance, direct isotopic, and dilution methods. Kidney Int 2014; 85 (4): 898–908
21
Chamney P.W. et al.:A whole-body model to distinguish excess fluid from the hydration
of major body tissues. The American Journal of Clinical Nutrition 2007; 85 (1): 80–89
22
Foley R.N. et al.: Clinical epidemiology of cardiovascular disease in chronic renal disease.
American Journal of Kidney Diseases 1998; 32 (5 Suppl. 3): S112–119
23
Sarnak M.J. et al.: Kidney disease as a risk factor for development of cardiovascular disease:
a statement from the American Heart Association Councils on Kidney in Cardiovascular
Disease, High Blood Pressure Research, Clinical Cardiology, and Epidemiology and
Prevention. Circulation 2003; 108 (17): 2154–2169
24
Rayner H.C. et al.: Mortality and hospitalization in haemodialysis patients in five European
countries: results from the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS).
Nephrology Dialysis Transplantation 2004; 19 (1): 108–120
25
Wagner M. et al.: Predicting mortality in incident dialysis patients: an analysis of the United
Kingdom Renal Registry. American Journal of Kidney Diseases 2011; 57 (6): 894–902
26
Leavey S.F. et al.: Body mass index and mortality in ,healthier‘ as compared with ,sicker‘
haemodialysis patients: results from the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study
(DOPPS). Nephrology Dialysis Transplantation 2001; 16 (12): 2386–2394
27
Port F.K. et al.: DOPPS estimates of patient life years attributable to modifiable hemodialysis
practices in the United States. Blood Purification 2004; 22 (1): 175–180
28
Wizemann V. et al.: The mortality risk of overhydration in haemodialysis patients.
Nephrology Dialysis Transplantation 2009; 24 (5): 1574–1579
29
Chazot C. et al.: Importance of normohydration for the long–term survival of haemodialysis
patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2012; 27 (6): 2404–2410
30
Agarwal R.: Hypervolemia is associated with increased mortality among hemodialysis patients.
Hypertension 2010; 56 (3): 512–517
31
Hung S.C. et al.: Volume overload correlates with cardiovascular risk factors in patients
with chronic kidney disease. Kidney Int 2014; 85 (3): 703–709
32
Hung S.C. et al.: Association of fluid retention with anemia and clinical outcomes among
patients with chronic kidney disease. J Am Heart Assoc 2015; 4 (1):e001480
33
Ernstbrunner M. et al.: Bioimpedance spectroscopy for assessment of volume status in
patients before and after general anaesthesia. PloS one 2014; 9 (10): e111139
34
Wabel P., Chamney P., Moissl U.: Reproducibility of Bioimpedance Spectroscopy (BIS)
for the Assessment of Body Composition and Dry Weight (Abstract). Journal of the American
Society of Nephrology 2007; 18: 255 A
18
19
Foto: privat
Die MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH unterstützt diese Veranstaltung mit dieser Gratiseinschaltung.
28
TOPICS | Zystenniere
NEPHRO Script
uu
Mit
Tolvaptan steht erstmals ein Medikament zur Progressionshemmung der
ADPKD für PatientInnen im CKD-Stadium 1–3 und rascher Progression zur
­Verfügung.
uu
Parameter zur Identifikation von PatientInnen mit rascher Progression: Nachweis eines
­definierten eGFR-Abfalls bzw. einer raschen Zunahme des Nierenvolumens (TVK).
uu
Eine Tolvaptan-Therapie sollte den PatientInnen nach strenger Selektion und unter
­engmaschiger Überwachung angeboten werden.
Empfehlungen und PatientInnenselektion
Therapie der ADPKD mit Tolvaptan
Foto: privat
I
n Österreich leiden 7 % aller Patienten mit NierenNeue zukünftige Studienergebnisse können diese Empersatztherapie an autosomal dominant polyzystischer
fehlungen natürlich verändern. Die Empfehlungen
Nierenerkrankung (ADPKD). Etwa 70 % aller von
sind in folgende Bereiche unterteilt:
ADPKD Betroffenen entwickeln eine terminale
Nieren­insuffizienz im durchschnittlichen Alter von 58
CKD-Stadium und Alter
Jahren. Bisher war es nicht möglich, den natürlichen
Prim. Prof.
Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen. Dies hat sich
Da Patienten über 50 Jahre und solche mit einer eGFR
Dr. Karl Lhotta
mit der Zulassung von Tolvaptan, basierend auf den
< 45 ml/min nicht in TEMPO 3:4 eingeschlossen
Abteilung für Nephrologie
Ergebnissen der TEMPO-3:4-Studie, geändert. In
waren, wird deren Behandlung mit Tolvaptan derzeit
und Dialyse,
TEMPO 3:4 wurden 1.445 erwachsene Patienten mit
mangels Erfahrung nicht empfohlen. Folgende PatiAkademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch
einer eGFR ≥ 60 ml/min und einem totalen Nierenenten haben wahrscheinlich eine langsame Progression
volumen (TKV) ≥ 750 ml mit Tolvaptan behandelt.
und sollten auch nicht behandelt werden: Alter 30–40
Die Therapie führte zu einer Reduktion der TKV-Zunahme um
und eGFR > 90 ml/min, Alter 40–50 und eGFR > 60 ml/min.
49 % und zu einer Abnahme des jährlichen Verlustes an eGFR
von 3,70 auf 2,72 ml/min. Dies würde bedeuten, dass pro 4 Jahre
ADPKD-PatientInnen mit rascher Progression
Therapie die Dialysepflichtigkeit um ein Jahr verzögert werden
kann. Die Behandlung mit Tolvaptan musste in der Studie bei
Nachweis mittels eGFR: Der sicherste Progressionsparameter ist
23 % der Patienten vorzeitig abgebrochen werden.
der Nachweis eines Abfalls der eGFR im Verlauf der Erkrankung.
Tolvaptan ist von der EMA seit Mai 2015 für die Behandlung
Rasche Progression ist definiert als eGFR-Verlust von ≥ 5 ml/min
der ADPKD bei Erwachsenen im Stadium 1–3 der CKD und
in einem Jahr oder bei einer längeren Beobachtungsperiode von
einer raschen Progression zugelassen. Letztere ist allerdings nicht
5 Jahren ≥ 2,5 ml/min pro Jahr. Die Berechnung der eGFR ist
exakt definiert. Die ERA-EDTA Working Group on Inherited
dabei ausreichend, eine direkte Messung der GFR ist nicht notKidney Disorders und European Best Practice haben daher Empwendig. Andere Ursachen der Funktionsverschlechterung sind
fehlungen veröffentlicht, wie Patienten mit einer raschen Progresaber auszuschließen.
sion am besten identifiziert werden können, um sicherzustellen,
dass nur Patienten, die tatsächlich von Tolvaptan profitieren, damit
Nachweis mittels TKV: Bei Patienten unter 30 Jahren ist die GFR
behandelt werden (Nephrol Dial Transplant 2016; 31: 337–348).
meist stabil. Sie beginnt erst ab einem TKV von 1.500 ml abzuDer Vorstand der ÖGN hat beschlossen, sich diesen E
­ mpfehlungen
fallen. In diesem Erkrankungsstadium gilt vor allem der Nachweis
bei der Verordnung von Tolvaptan vollinhaltlich anzuschließen.
einer raschen Zunahme des TVK von > 5 % pro Jahr als ˘
29
Zystenniere | TOPICS
NEPHRO Script
Eine genetische Testung von PKD1 und PKD2 wird nur bei den
wenigsten Patienten vorliegen. Sollte eine„ truncating“ Mutation von
PKD1 nachgewiesen sein, eine Hypertonie oder urologische Komplikationen (Zystenblutung oder Infektion) vor dem 35. ­Lebensjahr
auftreten, so ist ebenfalls von einem raschen Progress auszugehen.
Patienten, die nicht für eine Therapie anhand der angeführten
Kriterien qualifizieren, aber zum Beispiel eine Familienanamnese
mit Auftreten der terminalen Niereninsuffizienz vor dem 58.
A) Klassifizierung anhand des auf Körpergröße und Alter adjustierten Nierenvolumens
(TKV)
B) Prognostizierter GFR-Verlust der Klassen 1A–1E für Männer (Ausgangsalter 44 a)
100
Class 1E
10.000
8.000
6.000
4.000
Class 1B
Class 1A
70
p=
0,653
60
50
p = 0,001
30
35
40
45 50 55
Patientenalter
60
65
70
75
p=
0,018
40
30
10
25
■D
■E
20
200
20
■B
■C
80
Class 1C
1.000
800
600
400
■ Normal
■A
90
Class 1D
2.000
100
15
Tolvaptan sollte nur an einem nephrologischen Zentrum mit Erfahrung im Management der ADPKD und nach ausführlicher
Aufklärung des Patienten verordnet werden. Kontraindikationen
wie schwere Lebererkrankung, Schwangerschaft oder Stillen sind
zu beachten. Harnabflussstörungen müssen ausgeschlossen w
­ erden.
Elektrolyte, Nierenfunktion, Harnsäure und Blutzucker bei
­Diabetikern sollten monitorisiert werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Diuretika wird nicht empfohlen.
Spezielles Augenmerk ist auf die Überwachung der Leberfunktions­
proben zu legen. In TEMPO 3:4 wurde bei 4,9 % der Patienten
eine Erhöhung der Leberenzyme beobachtet, die allerdings nach
Absetzen des Medikaments komplett reversibel war. Die Leber­
enzyme und Bilirubin müssen daher während der ersten 18 Therapiemonate monatlich überwacht werden, dann in 3-monatigen
Abständen. Bei einem Anstieg der Leberenzyme ist die Therapie
zu unterbrechen. Bei persistierender Erhöhung oder Anstieg über
das 8-Fache der Norm muss Tolvaptan abgesetzt werden.
Die Behandlung wird üblicherweise mit 45 mg morgens und
15 mg 8 Stunden später gestartet und kann schrittweise bei guter
Verträglichkeit bis auf 90/30 mg erhöht werden. Unter der Maximaldosis muss mit Tagesharnmengen von 5–6 Liter gerechnet
werden. Sollte der Patient keine Zugang zu Flüssigkeit haben oder
die Gefahr einer Dehydrierung bestehen, ist Tolvaptan zu pausieren. Auch in Situationen mit vermehrtem Flüssigkeitsverlust,
vor sportlicher Betätigung oder vor Tätigkeiten, bei denen eine
Diurese sehr störend wäre (Langstreckenflug, Kino), kann Tolvaptan auch einmal pausiert werden. ■
Prognostizierte GFR
Körpergröße-adjustiertes TKV (ml/m)
20.000
Initiierung und Überwachung der Therapie
80
0
p = 0,040
0
2
4
6
8
10
12
14
Jahre ab TKV-Messung
p = 0,001
p = 0,044
16
18
20
Nach: Irazabal et al., J Am Soc Nephrol 2015; 26: 160
Abb.: Nierenvolumen-Zunahme und prognostizierter GFR-Verlust
30
ADV/2016/0005/AT
Genetische Faktoren und Familienanamnese
­ ebensjahr haben, sollten in regelmäßigen Abständen (3–5 Jahre)
L
neuerlich evaluiert werden.
Fachkurzinformation siehe Seite 24
Progressionsparameter. Dieser Nachweis sollte durch mindestens
3 Messungen, die mehr als 6 Monate auseinander liegen, erfolgen.
Zur Bestimmung des TKV sind MRI (bevorzugt, da ohne Strahlen­
belastung) und CT geeignet. Die TKV-Bestimmung ist rasch,
einfach und präzise mit der elliptischen Formel möglich.
Auch mit Hilfe einer einzelnen Messung lässt sich die renale Prognose, allerdings mit etwas mehr Unsicherheit, vorhersagen. Anhand des auf Körpergröße und Alter adjustierten TKV lassen sich
5 Gruppen (1A–1E), die mit unterschiedlichem eGFR-Verlust
einhergehen, bilden. Ein Nomogramm erlaubt die Kategorisierung jedes einzelnen Patienten (Abb.). So haben Patienten der
Klasse 1A eine stabile eGFR, solche der Klasse 1C einen e­ rwarteten
eGR-Verlust von 2,5 ml/min pro Jahr und die der Gruppe 1E
von 4,6 ml/min im Jahr. Definitionsgemäß gelten daher Patienten
der Klassen 1C–1E als solche mit rascher Progression und damit
Behandlungsindikation.
Ob eine Bestimmung es TKV mittels Sonografie exakt möglich
ist, bleibt zweifelhaft. Eine rezente Studie fand einen renalen Längsdurchmesser > 16,5 cm bei Patienten unter 45 Jahren als P
­ rädiktor
für das Auftreten einer CKD 3 innerhalb von 8 Jahren. In dieser
Studie wurde allerding nicht auf Größe und Alter adjustiert.
Entgeltliche Einschaltung
NEPHRO Script
Tacrolimus retard (Advagraf TM)
Weniger (oft) ist mehr
Die Immunsuppression mit Tacrolimus 1-mal täglich ist gegenüber der 2-mal täglichen
­Anwendung mit besserem Transplant- und Patientenüberleben assoziiert.1 Die Umstellung auf
­Tacrolimus retard scheint effektiv und gut verträglich.2–4
Redaktion: Dr. Eva Maria Riedmann
D
ie Behandlungserfolge nach der Transplantation (TX) haben
sich nicht zuletzt aufgrund effektiver immunsuppressiver Therapiekonzepte in den letzten Jahren signifikant verbessert.5 Das
Immunsuppressivum Tacrolimus greift spezifisch in die Signaltransduktion und Aktivierung von T-Zellen ein und ist in der EU bereits
seit Mitte der 1990er-Jahre unter dem Namen Prograf TM erhältlich.
2007 folgte die EU-Zulassung von Advagraf TM, das sich durch eine
langsamere Freisetzung des Wirkstoffs Tacrolimus von Prograf TM
unterscheidet. Das Medikament ist deshalb nur 1-mal täglich (quaque die [QD]) einzunehmen (Prograf TM 2-mal täglich [BID]).6, 7
ADV/2016/0005/AT
Tacrolimus QD bringt Vorteile
Tacrolimus retard hat gegenüber der BID-Formulierung den Vorteil niedrigerer maximaler Talspiegel von Tacrolimus und deutlich
geringerer Variabilität der Tacrolimus-Konzentration im zeitlichen
Verlauf.8 Darüber hinaus wirkt sich die 1-mal tägliche Einnahme
positiv auf die Adhärenz aus.9
Eine rezente Analyse der Daten des Europäischen Lebertransplantationsregisters (ELTR) zeigt einen Überlebensvorteil und weniger Transplantatverluste unter Tacrolimus QD.1 Insgesamt wurden 4.367 Patienten inkludiert, die in den Jahren 2008–2012 an
21 verschiedenen europäischen Zentren einer primären Lebertransplantation (LTX) unterzogen worden waren. 528 Patienten
erhielten Tacrolimus QD, 3.839 Tacrolimus BID. Die Gabe von
Tacrolimus BID wurde als signifikanter Risikofaktor für geringeres
Transplantat- und Patientenüberleben identifiziert. Nach 3 Jahren
betrug der absolute Überlebensvorteil unter Tacrolimus QD 8 %
für das Organ, und 6 % für Patienten.1
Fachkurzinformation siehe Seite 24
Switch von BID zu QD – effektiv und gut verträglich
Mehrere Studien2, 3, 4 bestätigen die Effektivität und Sicherheit einer
Umstellung von 2- auf 1-mal täglich Tacrolimus bei nierentransplantierten (NTX) Patienten.
Im Rahmen einer spanischen Studie2 wurden 1.832 stabile NTXPatienten von Tacrolimus BID auf die QD-Formulierung umgestellt.
Die Konversion erfolgte im Verhältnis 1:1 (mg:mg) bezogen auf die
Gesamtdosis. Nach der Umstellung wurde eine geringfügige Reduktion der Tacrolimus-Talspiegel beobachtet, was eine Anpassung
der täglichen Dosis erforderlich machte. Der wichtigste Parameter
zur Beurteilung der Nierenfunktion, die glomeruläre Filtrationsrate
(GFR), zeigte keine signifikante Änderung über einen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten hinweg. Proteinurie, Blutdruck,
Lipid-, Leber- und Glukose-Parameter blieben stabil. Die retardierte
Formulierung war gut verträglich, die Abstoßungsrate mit 0,4 %
gering. Fast alle Studienteilnehmer (99,4 %) bevorzugten die
QD-Formulierung, als Begründung gaben sie die verringerte
­
­Dosisfrequenz (66 %) und eine verbesserte Adhärenz (34 %) an.2
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine kleinere multizentrische
Studie3, die 128 stabile NTX-Patienten einschloss, die Tacrolimus
BID ≥ 12 Wochen erhalten hatten. Nach 6 Wochen erfolgte die
Umstellung auf Tacrolimus QD im Verhältnis 1:1 (mg:mg), anschließend wurden die Patienten über 12 Wochen beobachtet. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der Kreatinin-Clearance (Vergleich vor und nach dem Switch), sekundäre Endpunkte
waren Biopsie-belegte akute Abstoßung, Patienten- und Organüberleben sowie Sicherheit. Die renale Funktion blieb nach dem Switch
auf die retardierte Formulierung stabil. Es trat kein Fall von akuter
Abstoßung auf, das Patienten- und Organüberleben lag bei 100 %.3
Die Sicherheit der Umstellung von Tacrolimus BID zu QD belegt
auch eine retrospektive Studie4 mit 589 NTX-Patienten, die nach
einer mittleren Post-Transplant-Periode von 4,6 Jahren auf Tacrolimus QD umgestellt worden waren. Eine retrospektive Analyse der
Krankengeschichten zeigte, dass die renale Funktion nach Konversion über 12 Monate hinweg weitestgehend stabil geblieben war.
Das Organüberleben lag ein Jahr nach der Umstellung bei 96,3 %,
das Patientenüberleben bei 99 %.4
FAZIT: Die Umstellung stabiler TX-Patienten von Tacrolimus
BID auf die retardierte QD-Formulierung ist in Übereinstimmung
mit der Fachinformation möglich, beeinträchtigt nicht die Nierenfunktion und geht mit geringen Abstoßungsraten und guter
Verträglichkeit einher.
■
Adam R. et al., Am J Transplant 2015; 15 (5): 1267–82
Guirado J. et al., Am J Transplant 2011; 11 (9): 1965–71
3
Lauzurica R. et al., Transpl Int 2012; 25 (1): 48–55
4
Slatinska J. et al., Transplant Proc 2013; 45 (4): 1491–6
5
Adam R. et al., J Hepatol 2012; 57 (3): 675–88
6
Fachinformation Advagraf TM
7
http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/
human/000712/WC500022235.pdf
8
Sanko-Resmer J. et al., Transpl Int 2012; 25 (3): 283–93
9
Kuypers D.R. et al., Transplantation 2013; 95 (2): 333–40
1
2
31
Entgeltliche Einschaltung
NEPHRO Script
Phosphat- und Kaliummanagement bei CKD-Patienten
Bei dialysepflichtigen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) kommt es häufig
zur Entwicklung einer Hyperphosphatämie. Die Erhöhung des Phosphatspiegels im Blut geht mit
schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einher und war ein wichtiges Thema bei der dies­
jährigen OEGN-Wintertagung in Salzburg.
„Der Zusammenhang zwischen Phosphatüberladung und hohen
Mortalitätsraten geht aus vielen vergangenen observationellen Studien hervor“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Graz,
einleitend bei seinem Vortrag über den therapeutischen Nutzen
und den praktischen Einsatz von Phosphatbindern und verweist
auf ältere und neue Studien, in denen der Zusammenhang zwischen
CKD und kardiovaskulären Ereignissen untersucht wurde. So ließ
sich in einer Studie mit 1.120.295 erwachsenen nicht-dialysierten
Patienten, bei welchen die Kreatinin-Konzentrationen im Serum
zwischen 1996 und 2000 erfasst wurden, ein Zusammenhang zwischen einer reduzierten GFR, dem Mortalitätsrisiko, kardiovaskulären Ereignissen und Hospitalisierungsraten herstellen.2 In einer
Studie von Eddington et al.3 (n = 1.203) konnte gezeigt werden,
dass erhöhte, jedoch noch immer im normalen Referenzbereich
befindliche Serum-Phosphatwerte bei CKD-Patienten in den Stadien 3 und 4 mit einer erhöhten Mortalität assoziiert waren. Diese
Daten bestärken den Bedarf nach einem optimierten Phosphatmanagement bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz.1, 3
32
14
12
AT/VEL/16/0023a
Erhöhte Serumphosphatwerte
erhöhen die Mortalität
Eine Maßnahme, um den Serum-Phosphatspiegel zu senken, ist
die phosphatarme Diät. Da derartige alimentäre Phosphatrestriktionen bei vielen CKD-Patienten alleine jedoch nicht ausreichen,
um die Serum-Phosphatwerte zu senken, wird die Gabe von Phosphatbindern notwendig. Es stehen unterschiedliche phosphatbindende Substanzen zur Verfügung, und obwohl diese eine effektive
Behandlungsmöglichkeit darstellen, erreichen bis zu 50 % aller
CKD-Patienten nicht ihren erstrebten Phosphatspiegel.4 Als Hauptgründe hierfür gelten schlechte Verträglichkeit und mangelnde
Therapietreue aufgrund der hohen Tablettenlast. Im Durchschnitt
müssen Dialysepatienten 19 Tabletten täglich schlucken, etwa die
Hälfte davon entfällt auf Phosphatbinder.5 Rosenkranz: „Je mehr
Tabletten ein Patient schlucken muss, desto geringer ist die Therapietreue.“ Wurde lange Zeit auf kalziumhältige Phosphatbinder
zurückgegriffen, stehen CKD-Patienten mittlerweile kalziumfreie
Präparate zur Verfügung, die im Vergleich zu kalziumhältigen
Phosphatbindern mit einem geringeren Hyperkalzämierisiko einhergehen.6 „Es gibt keine optimale Therapieform, jede Intervention
hat ihre Vor- und Nachteile und wie bei anderen Erkrankungen
sollten beim Phosphatmanagement zukünftig multifaktorielle Therapieoptionen angestrebt werden“, so Rosenkranz.
■ PA21
■ Sevelamerkarbonat
10
6,0
6
4
2
0
8,7
8,1
7,6
8
2,0
Behandlungsstart
2,8
Woche 0–12
3,3
3,1
Woche 0–24
Woche 0–52
Abb.: Durchschnittliche Tablettenlast durch
­Phosphatbinder: Vergleich von PA21 und Sevelamer7
Fachkurzinformation siehe Seite 24
B
ereits in Frühphasen der Niereninsuffizienz finden sich Störungen des Kalzium-Phosphat-Haushalts und des Knochenmetabolismus, welche progredient mit dem Verlust der exkretorischen Nierenfunktion ansteigen. Die Phosphatretention
bei chronischer Niereninsuffizienz ist wahrscheinlich auf den Verlust der glomerulären Filtrationsrate (GFR) sowie auf einen relativen Vitamin-D-Mangel zurückzuführen, in dessen Folge es zu
einer Hypokalzämie kommt.1 Die erhöhten Serumphosphatwerte
begünstigen Phosphat- und Kalziumablagerungen im Gefäßsystem
und folglich mitunter das Auftreten von Herzinsuffizienz, Arrhythmien und koronarer Herzerkrankung, weswegen der Hyperphosphatämie mittlerweile eine immer wichtigere Bedeutung
für das Überleben von CKD-Patienten beigemessen wird.
Herausforderung Therapietreue
Tablettenanzahl/Tag
Redaktion: Katharina Miedzinska, MSc
Entgeltliche Einschaltung
NEPHRO Script
Sucroferric Oxyhydroxide: reduzierte Tablettenlast
Neue Therapien bei Hyperkaliämie
Mit dem 2014 zugelassenen Phosphatbinder Sucroferric Oxyhydroxide (PA21) steht dialysepflichten erwachsenen Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz nun ein neues Präparat zur Kontrolle
des Serum-Phosphatspiegels zur Verfügung. Sicherheit und Wirksamkeit des kalziumfreien, eisenbasierten Phosphatbinders, der in
Form einer Kautablette eingenommen wird, wurden im Rahmen
einer offenen randomisierten, aktiv kontrollierten Phase-III-Studie
mit 1.055 dialysepflichtigen Patienten mit Hyperphosphatämie
überprüft (Abb.).7 Dabei erhielten 707 Patienten PA21 in einer
Dosierung von 1 bis 3 g pro Tag, 348 Patienten wurden mit Sevelamer, dem bisherigen kalziumfreien Behandlungsstandard, in einer
Dosierung von 4,8 bis 14,4 g behandelt. Nach insgesamt 24 Wochen wiesen beide Behandlungsgruppen eine vergleichbare Reduktion der Serumphosphatspiegel gegenüber den Ausgangswerten auf,
doch während Patienten des Sevelamer-Arms täglich zwischen 8
und 10 Tabletten schlucken mussten, waren bei Patienten unter
PA21 nur 3 bis 4 Tabletten pro Tag für eine effektive Hyperphosphatämie-Kontrolle erforderlich. Rosenkranz: „Die Studienergebnisse zeigen, dass PA21 bei reduzierter Tablettenlast genauso wirksam ist wie die Vergleichssubstanz.“ Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Sucroferric Oxyhydroxide zählen Diarrhö, Übelkeit
und Stuhlverfärbung. Die empfohlene Anfangsdosis für PA21 beträgt 3 Tabletten pro Tag (eine Tablette pro Mahlzeit).
Auch für CKD-Patienten mit Hyperkaliämie, welche mitunter
zu Arrhythmien, Muskelschwäche und Parästhesien führen kann,
stehen bald neue Therapien zur Verfügung. „Bei Hyperkaliämie
handelt es sich nicht nur um ein biochemisches von der Norm
abweichendes Ereignis. Ein zu hoher Kaliumspiegel im Blut ist
ein großes klinisches Problem und kann zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen“, betont Univ.-Prof. Dr. Rainer Oberbauer, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Medizinische Universität Wien. Momentan befindet sich ein in den
USA bereits mit Ende 2015 zugelassener Kaliumbinder im Zentrum klinischer Forschungsaktivitäten, welcher die Absorption
von Kalium durch die Bindung im Magen-Darm-Trakt reduziert.
Ergebnisse einer Phase-III-Studie8 bestätigen die Wirksamkeit und
Sicherheit der Substanz und zeigten bei Patienten unter Placebo
4-mal häufiger wiederkehrende Hyperkaliämien als unter Verum
(60 % vs. 15 %).
■
Ritter C.S. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2016 Feb 10; 2 Go A.S. et al., N Engl J Med 2004
Sep; 351 (13): 1296–305; 3 Eddington H. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2010 Dec; 5 (12):
2251–7; 4 Yolee P.M. et al., J Nephrol 2014; 27 (6): 673–679; 5 Chiu Y.W. et al., Clin J Am
Soc Nephrol 2009; 4 (6): 1089–1096; 6 Jamal S.A. et al., Lancet 2013 Oct; 382 (9900):
1268–77; 7 Floege J. et al., Kidney Int 2014; 86 (3): 638–647; 8 Weir M.R. et al., N Engl J
Med 2015; 372: 211–221
Fachkurzinformation siehe Seite 24
AT/VEL/16/0023a
1
33
Fachkurzinformation siehe Flappe

Documentos relacionados