Steuern Spezial

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Steuern Spezial
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Düsseldorf, 23-01-2013
XXIII. Jahrgang
Beilage Nr. 03/13
Übertragung von Immobilien
- Nutzen Sie die schenkungsteuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten – von StB Bernd Meyer und WP/StB Jochen Ball, beide Bad Homburg v.d.H. –
Zum Privatvermögen gehörende Immobilien stehen häufig im Mittelpunkt von Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge. Die damit verbundenen schenkungsteuerlichen Fragestellungen sind grundsätzlich überschaubar. Gleichwohl verdienen sie im Detail besondere Aufmerksamkeit, damit entsprechende Übertragungen überraschungsfrei gelingen.
1. Das selbstgenutzte Familienheim im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht
Regelmäßig besteht keine Veranlassung, das eigengenutzte Familienheim auf die Ehefrau zu übertragen,
noch weniger auf nahe Angehörige. An diesem Tabu soll hier nicht gerüttelt werden. Dennoch lohnt
es, über die folgenden Dispositionen nachzudenken.
1.1. Schenkweise Übertragung des Familienheims auf den Ehegatten
Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks auf den Ehegatten ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a
ErbStG schenkungsteuerfrei, wenn sich darin eine Wohnung befindet, die zu eigenen Wohnzwecken
genutzt wird (sog. Familienheim). Unbeachtlich ist der Wert des Familienheims, es darf auch eine
Millionenvilla sein. Steuerfrei ist ebenso die Tilgung dafür aufgenommener Kredite oder die Übernahme
nachträglicher Herstellungskosten. Schließlich kann die Vergünstigung mangels "Objektsverbrauchs“
sogar mehrfach in Anspruch genommen werden. Unbeachtlich ist die Haltedauer der Immobilie beim
beschenkten Ehegatten. Eine Sperrfrist kennt das Gesetz nicht. Das eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten.
Beispiel 1: Ehemann M ist Alleineigentümer einer 400 qm großen Villa in Düsseldorf (Verkehrswert 2 Mio. €). Die Eheleute verlegen ihren Lebensmittelpunkt Ende 2014 nach Frankfurt und
beziehen dort ebenfalls ein erworbenes Einfamilienhaus. M schenkt Anfang 2013 die Villa seiner
Ehefrau F. F wiederum veräußert diese 2015 für 2 Mio. €.
Die Schenkung der Villa ist hier gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei, gleichgültig, ob sie weiter
auf Dauer den Lebensmittelpunkt der Ehegatten bildet oder, wie in Beispiel 1, später veräußert wird.
Damit hat F über den Umweg des Immobilienerwerbs letztendlich Geldvermögen in Höhe von 2 Mio. €
steuerfrei von M erhalten.
1.2. Übergang des Familienheimes durch Erbfolge als gleichwertige Alternative?
Das obige Steuerprivileg greift seit dem 1.1.2009 auch beim Immobilienerwerb durch Erbfolge (§ 13 Abs.
1 Nr. 4b ErbStG). Bitter stößt jedoch auf, dass die Steuerbefreiung rückwirkend vollständig entfällt,
wenn der überlebende Ehegatte das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erbfall nicht mehr
zu eigenen Wohnzwecken nutzt, also insbesondere veräußert, vermietet oder Angehörigen zur unentgeltlichen Nutzung überlässt. Anderes gilt nur bei Aufgabe der Selbstnutzung wegen Pflegebedürftigkeit oder Tod. Der Erwerb des Familienheimes durch Erbfolge ist damit gegenüber einer schenkweisen
Übertragung zweitklassig und kann mit erheblichen Steuermehrbelastungen verbunden sein.
Beispiel 2: Zum Nachlass des am 1.2.2013 verstorbenen Ehemannes gehört Kapitalvermögen
von 2 Mio. €. Hinzu kommt ein Familienheim (Grundbesitzwert 1 Mio. €). Durch den Erbfall
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ISSN 1431-1275
ii-Beilage 03/13, Seite 2
entsteht nach Abzug des Freibetrags von 0,5 Mio. € sowie unter Anwendung der Steuerbefreiung
des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG eine Erbschaftsteuer von 285.000 € (19% v. 1,5 Mio. €). Anfang
2014 wird das Familienheim veräußert. Damit ändert sich die Steuerbelastung rückwirkend auf
den Zeitpunkt des Erbfalles wie folgt:
Steuerpflichtiger Erwerb (bisher)
+ Wert Familienheim
Steuerpflichtiger Erwerb (neu)
Erbschaftsteuer (Steuerklasse I) 19%
1.500.000
1.000.000
2.500.000
475.000
€
€
€
€
Die Steuerbelastung steigt also durch Veräußerung des Familienheimes innerhalb der 10-jährigen
Sperrfrist rückwirkend zum 1.2.2013 um beachtliche 190.000 €.
Hinweis: Derart überraschende Steuerbelastungen sind vermeidbar, wenn das Familienheims rechtzeitig schenkweise übertragen wird (s. Tz. 1.1.), freilich unter Vorbehalt eines Schenkungswiderrufs insbesondere für den Fall des Vorversterbens des beschenkten Ehegatten.
1.3. Vermeiden Sie eine Vernichtung des Steuerprivilegs
Durch vernünftig erscheinende, aber gleichwohl ungeschickte Dispositionen kann das Steuerprivileg
des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG beseitigt werden.
Beispiel 3: Vater V stirbt 2012. Nach dem Testament erhält Sohn S die Familien-Villa (Verkehrswert
1 Mio. €). Mutter M hingegen erhält daran einen lebenslangen Nießbrauch (Kapitalwert 0,3 Mio. €)
sowie Geldvermögen von 0,5 Mio. €. Die persönlichen Freibeträge sind noch nicht verbraucht.
Abwandlung: Mutter M wird Alleinerbin (Berliner Testament). 2013 schenkt sie die Villa ihrem
Sohn S unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs (Kapitalwert 0,3 Mio. €).
Auf den ersten Blick erscheint das Testament im Grundfall sinnvoll. S erhält bereits im ersten Erbgang
die Familien-Villa und nicht erst, wie beim Berliner Testament, über Mutter M im zweiten Erbgang. M
wiederum kann die Villa bis zum Lebensende dinglich abgesichert nutzen. Der spätere Wegfall des Nießbrauchs ist aus Sicht des S steuerneutral, falls M die Fristen des § 14 Abs. 2 BewG überlebt (= 6 Jahre;
siehe auch Tz. 2.2.). Allerdings erbt S hier kein Familienheim iSd. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Denn er
nutzt es nach dem Erbfall nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken, auch dann nicht, wenn er es
gemeinsam mit M bewohnt. Damit werden die persönlichen Freibeträge bei S (400.000 €) und M (500.000 €)
vollständig verbraucht. Außerdem entsteht aufgrund der Bereicherung von S sowie M eine Steuerbelastung
von jeweils 33.000 € (11% von 0,3 Mio. €).
Im Fall der Abwandlung entsteht 2012 zunächst keine Erbschaftsteuer, weil das Familienheim gem. § 13
Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerfrei bleibt und außerdem der Freibetrag der M von 0,5 Mio. € greift. Die Übertragung der Immobilie auf Sohn S unter Nießbrauchsvorbehalt hingegen ist erbschaftsteuerlich gesehen
dramatisch. Denn einerseits entfällt nun bei M wegen Sperrfristverletzung rückwirkend für 2012 die Steuerfreiheit des Familienheimerwerbs von V. Andererseits ist die Schenkung M an S mangels unverzüglicher
Aufnahme der Eigennutzung nicht steuerbegünstigt. Schließlich fällt auch der Erwerb des Nießbrauchs
durch M nicht unter § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG (so aktuell FG Köln v. 8.8.2012 – 9 K 3615/11). Damit entsteht Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer von insgesamt 323.000 € (V an M: 190.000 €; M an S 133.000 €).
2. Übertragung vermieteter Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt
Bei vermieteten Immobilien bietet sich aus schenkungsteuerlichen Gründen an, diese lebzeitig auf die
nachfolgende Generation zu übertragen, und zwar unter Nießbrauchsvorbehalt. Hier ist zum 1.1.2009
eine Änderung des Erbschaftsteuerrechts in der Weise eingetreten, dass der Kapitalwert des Nießbrauchs
abweichend zur bisherigen Rechtslage (§ 25 ErbStG) vom Steuerwert des übertragenen Vermögens abgezogen wird (bisher nur Stundung der anteilig auf den Nießbrauch entfallenden Schenkungsteuer).
2.1. Bedeutung des Nießbrauchsvorbehalts für die Minderung der Schenkungsteuer
Der Nießbrauch mindert den Wert der schenkungsteuerpflichtigen Bereicherung unter Beachtung der
Abzugsbeschränkungen des § 10 Abs. 6 ErbStG.
Beispiel 4: Der 71-jährige Vater V überträgt zum 1.1.2013 eine Immobilie auf Tochter T. Der
Verkehrswert beträgt 2,5 Mio. €, der Grundbesitzwert 2 Mio. €. V behält sich im Rahmen der
Übertragung einen lebenslangen Nießbrauch an der Immobilie zurück. Der durchschnittliche
Jahreswert der Nutzungen beträgt 80.000 €. Im Vergleich zur nießbrauchsfreien Übertragung
stellt sich die Steuerbelastung wie folgt dar (persönliche Freibeträge bereits verbraucht):
Steuerwert der Immobilie
Kapitalwert Nießbrauch 80.000 € ×
9,393 (gerundet)
Steuerpflichtige Zuwendung
Schenkungsteuer 19%
Kapitalwert Steuer ohne Steuer mit
Nießbrauch Nießbrauch Nießbrauch
2.000.000 € 2.000.000 €
750.000 €
2.000.000 €
380.000 €
-750.000 €
1.250.000 €
237.500 €
2.2. Risiken durch vorzeitigen Wegfall des Nießbrauchs
Der steuerliche Vorteil des Nießbrauchs besteht darin, dass er einerseits den Wert der Zuwendung
(= nießbrauchbelastete Immobilie) und damit auch die Schenkungsteuer reduziert. Andererseits bleibt
die spätere Wertsteigerung der seinerzeit zugewendeten Immobilie mit Wegfall des Nießbrauchs durch
Tod des Berechtigten als bloßer Rechtsreflex unbesteuert. Der Gesetzgeber hat sich jedoch eine Nachversteuerung vorbehalten, falls der Nießbraucher innerhalb einer bestimmten Frist verstirbt. Dann
richtet sich der Abzug der Last nach der wirklichen Dauer des Nießbrauchs. Diese Frist beträgt bei einem
71-jährigen Schenker gem. § 14 Abs. 2 BewG 5 Jahre. Verstirbt der Nießbraucher innerhalb dieser 5-Jahresfrist, erfolgt eine nachträgliche Erhöhung der ursprünglich festgesetzten Schenkungsteuer. Die Nachsteuer mindert sich allerdings kontinuierlich durch Zeitablauf. Der Tod des Nießbrauchers führt damit
zu unangenehmen, mitunter überraschenden Steuerbelastungen. Solchen potentiellen Steuernachzahlungen ist bei Übertragung nießbrauchsbelasteter Immobilien vorsorglich Rechnung zu tragen.
3. Übertragung vermieteter Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt auch
zugunsten des Ehegatten
Ist der Schenker verheiratet, wird er regelmäßig das Versorgungsbedürfnis seines Ehegatten beachten.
In Betracht kommen zwei Nießbrauchsvarianten:
a) Der Ehegatte erhält ein Nießbrauchsrecht aufschiebend bedingt nur für den Fall, dass der
Schenker vorverstirbt oder
b) der Nießbrauch wird von Anfang an auch zu Gunsten des Ehegatten als Gesamtberechtigter
gem. § 428 BGB bestellt. Folge davon ist, dass mit dem Tod des Schenkers der überlebende Ehegatte in vollem Umfang in dessen Rechtsposition eintritt und fortan die gesamten Nießbrauchserträge erhält (alternativ nur einen Teil davon).
Beispiel 5: Die im Alleineigentum von Vater V stehende Immobilie (Verkehrswert 2 Mio. €) wird
unter Nießbrauchsvorbehalt zum 1.1.2013 auf Sohn S übertragen. Nießbrauchsberechtigt ist zunächst allein V, Mutter M hingegen nur aufschiebend bedingt für den Fall des Vorversterbens von V.
Der Kapitalwert des Nießbrauchs beträgt nach der Lebenserwartung von M 1 Mio. €, nach der
Lebenserwartung des V lediglich 0,8 Mio. €. V stirbt am 1.1. 2015 (Kapitalwert des Nießbrauchs der
M noch 0,9 Mio. €; alle Kapitalwerte aus Vereinfachungsgründen geschätzt). Die persönlichen
Freibeträge sind verbraucht.
Abwandlung: Alternativ wird der Nießbrauch V u. M als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB) bestellt.
3.1. Der Ehegatte als aufschiebend bedingt Nießbrauchsberechtigter
Im obigen Beispiel 5 entsteht im Grundfall unter Berücksichtigung einer Nießbrauchslast von 0,8 Mio. €
zunächst eine Schenkungsteuer von 228.000 € (19% v. 1,2 Mio. €). Sollte M vor V versterben, verbleibt
es dabei. Da V jedoch vorverstirbt, erwirbt M von Todes wegen zum 1.1.2015 von V ein Nießbrauchsrecht
im Wert von 0,9 Mio. €, verbunden mit einer Steuerbelastung von 171.000 € (Freibetrag verbraucht). Bei
Sohn S bleibt diese Last wegen ihrer aufschiebenden Bedingung bis zum Tod des V schenkungsteuerlich
zunächst außer acht. Damit entwickelt sich Fall a)
Stichtag
Schenkungsteuer Sohn S
2.000.000 €
die Steuerbelastung des S wie folgt, wobei Schenkung V an S 01.01.2013 Immobilie
- Kapitalwert Nießbrauch
800.000 €
der gem. § 14 Abs. 2 BewG neu berechnete
steuerpflichtige Zuwendung
1.200.000 €
Schenkungsteuer 19 %
228.000 €
Kapitalwert des Nießbrauchs 100.000 € betragen soll:
Tod V
01.01.2015 + Wegfall Nießbrauch V
700.000 €
(§ 14 Abs. 2 BewG)
- Entstehung Nießbrauch M
900.000 €
Die Schenkungsteuerbelastung von Sohn
Minderung Zuwendung
200.000 €
Minderung Schenkungsteuer 19 %
38.000 €
S beträgt damit saldiert 190.000 €. Hinzu
kommt allerdings die Erbschaftsteuerbelastung bei M aufgrund des Nießbrauchserwerbs von Todes
wegen in Höhe von 171.000 € (19% von 0,9 Mio. €), womit eine Gesamtsteuerbelastung von 361.000 €
entsteht. Sollte V erst nach dem 1.1.2019 versterben und folglich § 14 Abs. 2 BewG entfallen, reduziert
sich diese Belastung um stolze 133.000 € (19% von 0,7 Mio. €).
ii-Beilage 03/13, Seite 3
Der Nießbrauchsvorbehalt bewirkt nach
allem eine Steuerentlastung in Höhe von
stolzen 142.500 €. Die Steuerbelastung ist
allerdings nicht zwingend endgültig
(s. Tz. 2.2.).
ii-Beilage 03/13, Seite 4
Vorzeitiger Tod des Nießbrauchers: Verstirbt Mutter M innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 BewG (hier:
1.1.2015 + 6 Jahre = 1.1.2021), droht Sohn S erneut rückwirkend zum 1.1.2015 eine Steuernachbelastung
von über 135.000 €, falls M z.B. bereits 2016 verstirbt. Damit einher geht jedoch eine Minderung der Erbschaftsteuer bei M, sofern sie nicht von der Jahresbesteuerung gem. § 23 Abs. 1 ErbStG Gebrauch gemacht
hat. Denn der Wert des von M erworbenen Nießbrauchs ist gem. § 14 Abs. 2 S. 1 BewG auf Antrag (!) neu
zu berechnen ist. Dieser Vorteil kommt S aber nur zugute, wenn und soweit er seine Mutter beerbt.
3.2. Der Ehegatte als Gesamtberechtigter
In der Abwandlung zum obigen Beispiel 5 liegt im Zeitpunkt der Immobilienschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten von Vater V und Mutter M als Gesamtberechtigte iSd. § 428 BGB im
Gegensatz zum Grundfall bereits am 1.1.2013 eine Schenkung des V an M vor. Gegenstand der Schenkung ist das anteilig auf M entfallende Nießbrauchsrecht, dessen Kapitalwert sich wie folgt errechnet:
Kapitalwert Mutter M (100%)
- Kapitalwert Vater V (100%)
1.000.000 €
800.000 €
auf M entfallender Mehrwert
+ 50% vom Kapitalwert Vater V
Kapitalwert Mutter M
200.000 €
400.000 €
600.000 €.
Damit entsteht bei unterstelltem Verbrauch des persönlichen Freibetrags zum 1.1.2013 eine Schenkungsteuer von 90.000 € (zur Stundung gem. § 23 Abs. 1 ErbStG s. oben). Diese Steuer fällt später nach
Maßgabe des Güterstandes ggf. gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG durch Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch der M gegen V rückwirkend wieder weg. Aus Sicht des Sohnes als Beschenkter ist
der auf einer Gesamtberechtigung beruhende Nießbrauch vorteilhaft, weil sich der steuermindernde
Kapitalwert am Lebensalter und Geschlecht derjenigen Person orientiert, für die sich der höchste
Vervielfältiger (also Lebenserwartung) ergibt (§ 14 Abs. 3 BewG). Der Wert der Zuwendung reduziert
sich damit im obigen Beispiel um 1 Mio. € mit der Folge einer Schenkungsteuerbelastung von 190.000 €
(anstatt 380.000 € ohne Nießbrauch). Die Gesamtsteuerbelastung beträgt nach allem 280.000 €. Dies
kann im Einzelfall Motiv sein, sich für diese Fallvariante zu entscheiden.
Tod des Schenkers: Stirbt Vater V (Schenker) am 1.1.2015, erstarkt der Anteil am Gesamtnießbrauch
von Mutter M nunmehr zum Vollnießbrauch. Der damit einhergehende Wertzuwachs ist erbschaftsteuerrechtlich irrelevant, d.h. nicht als Erwerb von Todes wegen gem. § 3 ErbStG zu versteuern. Es
handelt sich um eine Werterhöhung aufgrund steuerneutraler Anwachsung, weil das Nießbrauchsrecht des V durch Tod untergeht. Damit erstreckt sich das Nießbrauchsrecht der M nunmehr ohne
weiteren Rechtsakt auf die gesamte Immobilie.
Vorversterben des Ehegatten als Gesamtberechtigter: Nachteilig ist freilich die Konstellation, dass Mutter
M als eine der beiden Gesamtberechtigten vor ihrem Ehemann V verstirbt. Bei diesem Geschehensablauf
wird die obige Schenkungsteuer von 90.000 € zur Definitivsteuer. Schlimmer noch, sie wäre im Fall aufschiebend bedingter Nießbrauchsbestellung (s. Tz. 3.1.) zugunsten von M erst garnicht entstanden.
3.3. Empfehlungen zum Ehegattennießbrauch
Welche Nießbrauchsvariante zu favorisieren ist, bleibt der individuellen Entscheidung im konkreten
Einzelfall vorbehalten. Die nachstehende Übersicht mag geeignet sein, eine Entscheidungshilfe zu geben
(Eigentümer = Schenker).
Aufschiebend bedingter Gesamtnießbrauch i.S.d. §
Sachverhalt
Gleichwohl verbleibt ein
Nießbrauch vorteilhaft
428 BGB vorteilhaft
X
Restrisiko, das die Beteilig- Eigentümer deutlich älter als Ehegatte
X
Ehegatte deutlich älter
ten hinnehmen müssen.
Ehegatte deutlich jünger, jedoch hoher
X
Im Falle ausreichend hohen Zugewinnausgleichsanspruch
Ehegatte deutlich jünger, jedoch niedriger oder
Zugewinnausgleichsankein Zugewinnausgleichsanspruch
X
X
Freibetrag Ehegatte nicht verbraucht
spruchs kann eine durch
Freibetrag beim Ehegatten verbraucht, beim
den Gesamtnießbrauch
Kind hingegen nicht
X
bedingte Steuermehrbelastung unter dem Aspekt späterer Reduzierung der Schenkungsteuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
(Wegfall früherer Zuwendung durch Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch) in Kauf genommen werden. Fazit: Wer jegliches Risiko und dafür auch Mehrsteuern in Kauf nimmt, sollte sich
grds. für einen aufschiebend bedingten Nießbrauch zugunsten des Ehegatten entscheiden.