Wie gammlig sind unsere Kebabs?

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Wie gammlig sind unsere Kebabs?
SPEZIAL: KEBABTEST
Wie gammlig sind
unsere Kebabs?
Kebab boomt, und hat trotzdem ein schlechtes Image. Nach den GammelfleischSkandalen in Deutschland ist das bereits angeschlagene Vertrauen weiter
gesunken. Wie viele Eiterbakterien und Fäkalkeime befinden sich in unserem
Kebab? – Salz&Pfeffer und Tele Züri wollten es genau wissen und haben in der
Kebab-Hochburg Zürich fünf Take-Aways getestet. Die Ergebnisse überraschen.
TEXT: TOBIAS HÜBERLI / SIMON BÜHLER FOTOS: TOBIAS HÜBERLI / TELE ZÜRI
Zürich – Langstrasse 135: An der Bar des Kebab-Take-Aways
«Elite» sitzen drei ältere Männer mit Stoppelbärten vor ihren
Espressos und rauchen rote Marlboros. Irgendwo läuft ein
Fernseher, keiner schaut hin. An der Wand zeigen die üblichen
Bilder das übliche Angebot: Döner-Kebab, Hot Dog, Falafel
oder Börek. Der Verkäufer betrachtet gelangweilt das Treiben
auf der Strasse und säbelt nebenbei dünne Tranchen vom
Spiess.
Lebensmittelspezialist Prisco Mark vom renommierten Zürcher Labor Veritas betritt das Lokal, kauft einen Kebab ohne
Salat und Sauce, bezahlt acht Franken und verlässt den TakeAway. Tele Züri filmt die fachgerechte Verpackung des fünften
und letzten Corpus Delicti. Der Test-Kebab wird von Prisko
Mark in der Tat wie ein kriminologisches Fundstück nach
allen Regeln der Kunst mehrfach verpackt und beschriftet.
Doch erst eine Woche später werden die Labor-Tests abgeschlossen sein.
Hinter den Firmennamen wie «Efal», «Piya» oder «Royal»
steckt darum oft eine Immigrationsgeschichte. Zeynel Demir
beispielsweise, Besitzer der «CeDe Royal Döner GmbH»
stammt aus der kurdischen Region Dersim (heutige Türkei).
In der Schweiz angekommen, arbeitete er zuerst auf dem Bau,
eröffnete dann in Winterthur ein Lebensmittelgeschäft, wo er
Zusammen …
… mit Tele Züri recherchierte Salz&Pfeffer drei Monate lang im
Zürcher Kebab-Milieu. Wir testeten fünf – nach dem Zufallsprinzip ausgewählte – Kebabs im unabhängigen Lebensmittellabor «Labor Veritas». Die Proben wurden auf aerobe
mesophile Keime untersucht. Diese Keime können sich nur
In der Stadt Zürich verkaufen über zweihundert Take-Aways
Döner-Kebab. Nur selten stellen Imbiss-Buden ihre Fleischspiesse noch selber her. Längst wurde die Produktion professionalisiert und den Schweizer Hygienevorschriften angepasst.
Heute dominiert ein gutes Dutzend Grossproduzenten den
Markt.
mithilfe von Wärme und Sauerstoff entwickeln und dienen den
Lebensmittelspezialisten als Hygiene-Indikator. Auch nach
Fäkalkeimen und Eiterbakterien wurde gesucht. Das
Schweizer Lebensmittelgesetz schreibt für gekochte Produkte
ein Toleranzwert von einer Million aeroben mesophilen Keimen
fest. In einer zweiten Testreihe degustierte Christoph Borer,
Souschef im Restaurant Belvoirpark und Instruktor in der
Dass dem Kebab-Geschäft trotzdem hartnäckig dubiose
Machenschaften angedichtet werden, liegt auch daran, dass
kaum ein Schweizer im Markt mitmischt. Nur zwei der dreizehn Hersteller sind Schweizer, die restlichen Firmen sind fest
in kurdischer und türkischer Hand.
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gleichnamigen Hotelfachschule je einen Kebab aus den fünf
ausgewählten Take-Aways auf ihren Geschmack und Konsistenz. Der Bericht von Tele Zürich wurde anfangs Dezember
ausgestrahlt.
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die ersten Kebab-Spiesse produzierte.Vor zehn Jahren gründete er die CeDe Royal Döner GmbH. Heute produziert
Royal täglich dreizehn Tonnen Kebab und liefert monatlich
zwölf Tonnen in die Zürcher City.
Einen Monat später starten wir zum zweiten Teil unserer
Testreihe. Nach dem Labortest wollen wir wissen, wie die fünf
Kebabs im Geschmackstest abschneiden. Für die humoristische Note des Tele-Züri-Beitrages stellte sich Werner Widmer
alias «Bluesmax» zur Verfügung. Für den sensorischen Part verpflichten wir Christoph Borer, Instruktor in der Hotelfachschule Belvoirpark und Souschef im gleichnamigen Restaurant. Insider aus der Kebab-Szene waren keine bereit, den Test
vor der Kamera durchzuführen. Im Kebab-Geschäft kennt
jeder jeden und niemand wollte sich vor laufender Kamera
dazu äussern.
Über die Hintergründe des florierenden Kebab-Geschäfts
dringt auch deshalb wenig an die Öffentlichkeit. Nach deckungsgleichen Aussagen verschiedener Branchenkenner jedoch, vergeben die Kebabfleisch-Grossproduzenten immer
öfter Kredite an Take-Aways. Ähnlich wie beim Bier binden
die Hersteller so ihre Kunden an einen Langzeitvertrag. Der
Vorschuss in Form des technischen Equipments muss der TakeAway dann über einen höheren Fleischpreis zurückzahlen.
Wir kehren zurück an die Langstrasse zum «Elite»-Take-Away
an der Langstrasse 135. Die Spezialisten von Labor Veritas fanden in diesem Kebab 770 000 aerobe mesophile Keime. Diese
Keime können sich nur mit Luft und Wärme entwickeln, und
dienen als Hygiene-Indikator. Der eidgenössische Toleranzwert
liegt bei einer Million Keimen. Unser Tester Christoph Borer
betritt den Imbiss. Der Verkäufer benutzt für Borers Kebab
bereits vorgeschnittenes Fleisch, welches unter dem Fleischspiess
im Öl liegt. Dementsprechend kritisch ist Borers Wertung. Das
Brot ist frisch, das Fleisch hingegen fett, fad und trocken.
Weiter geht’s die Langstrasse hinunter zum «McDonalds» der
Zürcher Kebab-Szene.An der Langstrasse 206 steht die Wiege
der «Newpoint»-Kette. Mit 3000 Keimen war dieser Kebab so
sauber wie ein frisch gewaschener Salat. Im Newpoint
herrscht ein hektisches Kommen und Gehen. Die Verkäufer
reden laut, duzen jeden Gast und wechseln fliessend zwischen
Türkisch und Deutsch. Fünf Minuten und acht Franken später steht Borer leicht konsterniert auf der Langstrasse und
begutachtet den Dürüm in seiner Hand. «Ich habe einen
Döner-Kebab bestellt und einen Dürüm bekommen.», sagt
Borer. Auf seine Reklamation hin meinte der Verkäufer, ein
Dürüm schmecke doch genauso gut. Das Brot kann deshalb
nicht getestet werden. Das Fleisch aber ist würzig und saftig
und bekommt vom Fachmann gute Noten.
Das Labor Veritas entnahm jedem Kebab 10 Gramm Brot und 10 Gramm Fleisch, verdünnte dieses mit einer sterilen Kochsalzlösung
und setzte verschiedene Testreihen an.
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Gleich neben dem Newpoint steht das Kebab-Restaurant «El
Pito». Oder besser «stand». Denn noch bevor wir die Testergebnisse abholen konnten, wurde der Laden verkauft und in
eine Baustelle verwandelt. Im El Pito wurden wir positiv
überrascht. Der Verkäufer verwendete für den Kebab zur
Abwechslung ein Sesambrot. Die Abwechslung schlug sich
auch auf den Preis nieder. Wir zahlten acht Franken fünfzig.
Borer war vom frischen Sesambrot und dem würzigen Fleisch
sichtlich angetan. Obwohl er noch zwei Kebabs vor sich hatte,
genehmigte er sich noch einen weiteren Bissen.
In der Zürcher Peripherie, in Oerlikon, reissen wir einen Stopp
beim «Buhara»-Take-Away an der Birchstrasse 145.Testergebnis: 2000 Keime. Bei einem derart positiven Testergebnis
erwarten wir nur das Beste. Nach dem Kauf des Kebabs
schmilzt die Zuversicht Borers allerdings dahin. Beim Kauen
verformt sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Das Gekaute
landet im Gebüsch und der Kebab im Container. Das Brot ist
trocken, und das Fleisch so kalt wie der Blick des Kebab-Verkäufers, als er die Kamera erspäht.
Wir sehen denn auch keinen Grund, uns länger aufzuhalten,
packen Borer ins Auto und fahren nach Schlieren zum letzten
Test. Der Kebab des «Tartarlar»-Imbisswagens an der BusEndstation Schlieren enthielt laut Laborbericht 340 Keime.
Der Döner-Spiess dreht gemächlich seine ewigen Runden.
Borer bestellt den letzten Kebab des Tages. Der Verkäufer
schneidet das Fleisch zwar ordentlich vom Spiess, erhitzt den
Kebab dann aber nochmals in der Mikrowelle. Borer reuen die
acht Franken sichtlich. Sein Verdikt nach einem Bissen: Das
Brot ist frisch, das Fleisch jedoch fad und nicht knusprig genug.
Keines der getesteten Kebab-Take-Aways verwendete selbst
produzierte Döner-Spiesse. Das Döner-Fleisch wird fertig
angeliefert, noch tiefgekühlt an die Spiesse gehängt und dann
langsam gebraten. «Der Geschmack des Fleisches leidet natürlich unter der Tiefkühlung», gibt Borer zu bedenken.
Dafür waren alle Kebabs sauber. Die Toleranzgrenze für aerobe
mesophile Keime wurde nirgends überschritten. Auch Fäkalkeime oder Eiterbakterien konnten keine gefunden werden.
Mit anderen Worten: Die Rohstoffe unserer Testkebabs sind
sauber produziert und unter Einhaltung der Hygienevorschriften verarbeitet worden.
Im Geschmack aber unterschieden sich die getesteten Kebabs
gewaltig. Während die gut frequentierten Läden wie Newpoint durch Frische brillieren, läuft der Konsument bei weniger gut besuchten Take-Aways Gefahr, trockenes und schon
längst vorgeschnittenes Fleisch im Kebab anzutreffen.
Geprüft wurden die Kebabs auf Verschmutzungsparameter wie Fäkalkeime, Schmutzpartikel und Eiterbakterien. Der Labortest dauerte
eine Woche.
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Fazit: Die Cliché-Befürchtungen haben sich bei unserer
Stichprobe nicht bestätigt. Der grösste Handlungsbedarf für
die Kebab-Branche besteht offenbar weniger in der Hygiene,
sondern bei der Vermarktung des Produktes selbst. Die Zeiten,
als das Kebab-Geschäft einen exotischen Touch hatte und deshalb kein besonderes Marketing benötigte, sind vorbei. Heute
reiht sich Kebab-Stand an Kebab-Stand, und nur wer sein Produkt von der Konkurrenz abheben kann, wird auf die Dauer
redlich überleben. Doch die Take-Aways glänzen mit Einfallslosigkeit. Statt neue Marktlücken zu besetzen, multiplizieren
sie ziemlich uninspiriert das immer gleiche Geschäftsmodell.
Warum nicht einen hochwertigen Bio-Kebab auf den Markt
bringen? Oder anstelle der Industrie-Cocktailsaucen hauseigene Kreationen verwenden? In Deutschland, vornehmlich in
der Kebab-Metropole Berlin, aber auch in München, hat die
Trendwende im Take-Away-Geschäft längst begonnen (siehe
Neue Konzepte, Cosmogrill).Take-Aways mit kreativen Konzepten und kulinarischem Witz dürften auch in der Schweiz
nicht auf sich warten lassen. Der Erfolg ist ihnen gewiss, und
könnte auch dem penetrant schlechten Image des Kebabs ein
Ende setzen.
Die Akteure des Kebabtests
CHRISTOPH BORER (24)
WERNER WIDMER ALIAS
PRISCO MARK (46)
Der Basler ist seit anderthalb Jahren
«BLUESMAX» (55)
Der diplomierte Lebensmittelingenieur
Sous-Chef in der À-la-carte-Küche des
Der in Zürich lebende Kabarettist tourt
ist Hygienespezialist und Abteilungs-
Zürcher Restaurants Belvoirpark und
zurzeit mit seinem Solo-Programm
leiter beim Lebensmittellabor Labor
Instruktor in der gleichnamigen Hotel-
«scharf mit alles» durch die Schweiz
Veritas. Mark sorgte für eine
fachschule. Neben einer sensorischen
und brachte eine humoristische Note in
fachgerechte Behandlung der Test-
Analyse der Kebabs zeigte Borer vor
den TV-Beitrag von Tele Züri. Während
Kebabs während der Recherche und
der Kamera Schauspielerqualitäten und
der Recherche outete sich Widmer als
überwachte anschliessend die
einen stahlharten Magen.
Kebab-Liebhaber.
Labortests.
www.belvoirpark.ch
www.bluesmax.ch
www.laborveritas.ch
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