Ich sehe was, was du nicht siehst

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Ich sehe was, was du nicht siehst
Ich sehe was, was du nicht siehst
Predigt zum Ostermontag 2015
„Ich sehe was, was du nicht siehst“ - wir alle kennen das beliebte
Kinderspiel. Einer sucht sich einen Gegenstand im Raum aus,
schaut in die andere Richtung, ruft „Ich sehe was, was du nicht
siehst“ - und die anderen sollen erraten, welchen Gegenstand er
meint. Oft ein endloses Ratespiel. Was alle sehen könnten, sieht
doch keiner.
„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Manchmal sehen andere mehr
als ich. Es gibt Dinge in meinem Leben, die da sind, die ich aber
noch nicht erkenne. Das sind die sogenannten blinden Flecken. Ein
jeder von uns hat sie.
Sie sehen ihn zwar, wie er als Wanderer zu ihnen stößt, erkennen
ihn aber doch nicht. Sie sind sozusagen sehenden Auges blind.
Irgendwie rumort es in ihnen, aber zur Erkenntnis stoßen sie nicht
durch. Später sagen sie über die Begegnung: Brannte nicht unser
Herz in der Brust? Wir hätten's doch eigentlich merken müssen.
Liebe Zuhörer,
die Emmausgeschichte ist eine raffinierte Erzählung. Sie hält uns
einen Spiegel vor und fragt: Geht's dir nicht auch oft so? Du spürst
etwas, aber kommst nicht drauf. Und erst viel später merkst du: Wie
blind war ich doch damals!
Und die Emmausgeschichte ist zugleich eine tröstliche Erzählung:
Als Hörer – zweitausend Jahre später – sehen wir mehr als die
beiden Emmausjünger, die doch damals dabei waren. Ob das nicht
generell gilt? Wer in den heiligen Schriften liest, sieht manchmal in
ganz gewöhnlichen Dingen mehr als andere, die sie unmittelbar
erleben.
Einleitung
In den Köpfen der Kirchengänger ist es klar: Ostermontag, das
heißt: Emmausevangelium. Ein fast schon sprichwörtlicher Satz aus
diesem Evangelium lautet: „Und sie waren wie mit Blindheit
geschlagen.“ Von diesem Satz wollen wir heute einmal anregen
lassen.
Fürbitten
Im heutigen Evangelium heißt es: „Ihre Augen waren wie mit
Blindheit geschlagen.“ Gott, höre unsere Bitten:
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem blicken wir oft nicht
durch
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir oft nicht
die Nöte der anderen
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem oft nicht, worauf es
ankommt
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir nicht die
Schönheit dieser Welt
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem erkennen wir nicht,
was der andere von uns braucht
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir nicht
weiter
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir unsere
eigenen Fehler nicht
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir die
Bemühungen anderer nicht
Du gabst uns Augen zum Sehen – und trotzdem sehen wir das
Gute im Menschen nicht
Herr, unser Gott, höre du unsere Bitten und schenke uns Augen, die
die Nöte dieser Welt erkennen können – heute und in Zukunft.