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Der letzte Schweizer Bürgerkrieg fand sein
Ende in Gisikon
von Ruth Kocherhans, Gisikon
Der Sonderbund, der letzte Bürgerkrieg in der Schweiz,
der vor bald 170 Jahren stattfand und bei dem General
Guillaume Henri Dufour den Auftrag, hatte den Sonderbund zu zerschlagen, war recht eigentlich ein Blitzkrieg.
Der Historiker Dr. Michael van Orsouw hat eine fiktive
Autobiografie des Helden wider Willen, den die DufourSpitze und die Dufour-Karte bekannter machten als sein
Einsatz als General, geschrieben. Quasi am Tatort, nämlich im Treffpunkt 6038 in Gisikon las der Autor Ende
März 2014 aus seinem Werk. Gut 60 Leute besuchten den
Anlass und diskutierten danach eifrig nicht nur über
Dufour, sondern auch darüber, wie wenig viele von ihnen
über den Sonderbundskrieg wussten, wenn er ihnen
überhaupt bekannt war. Heute kann man im Internet fast
alles finden, was es darüber zu wissen gibt. Das bekannte, detaillierte und viel zitierte Buch «Der Sonderbund» ist
längst vergriffen. Die ganzen geschichtlichen Hintergründe noch einmal aufzurollen, ist kaum von allgemeinem Interesse. Aber wie sah das Geschehen damals für
die Gisiker aus?
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General Guillaume Henri Dufour
Ein letzter Schauplatz des Krieges war bei der Gisiker
Brücke am 23. November 1847, als die liberalen und konservativen Kantone den Streit um die Neuordnung der
Schweiz mit Waffengewalt austrugen. Die Sonderbundstruppen hatten die Brückenzugänge befestigt. Nördlich
des Zollhauses (heute Hotel Tell) oberhalb der Landstrasse befanden sich zwei Artillerieschanzen, südlich davon
eine. Um zehn Uhr begann der Kampf im Reussabschnitt.
Von Gumpelsfahr südlich Eien (Gebiet Dietwil Richtung
Inwil und Gisikon) her rückte die Brigade König über eine
Pontonbrücke auf das rechte Reussufer, zwischen elf und
zwölf Uhr dann gegen Hinter-Sonderi. Da es ihr nicht
gelang, Michaelskreuz einzunehmen, zog sie sich nachmittgs nach Gisikon zurück. Von der linken Reuss-Seite
her feuerte seit ungefähr 13 Uhr die eidgenössische Artillerie mit sechs Vierundzwanzigpfünder-Haubitzen. Die
sonderbündische Artillerie mit vier Geschützen wurde
beim Vorrücken nach Honau an der Spitze getroffen und
setzte sich dann kampflos gegen Root ab. Daraufhin
erwartete General Johann Ulrich Salis-Soglio (Sonderbundsgeneral) an der engsten und tiefsten Stelle in
ungünstiger Hinterhanglage mit nur noch zwei Achtpfünder-Kanonen, zwei Paixhans-Haubitzen und vier
Vierpfündern das Entscheidungsgefecht. Auf eidgenössischer Seite (Dufour) stiess die Brigade Egloff auf der
Land- und der Honauerstrasse zwischen 14 Uhr und
14.30 Uhr Richtung Obermühle vor. Ziegler postierte sich
bergwärts am Waldrand. Die Verteidiger überraschten die
eidgenössischen Angreifer mit einem Kugelregen.
Ulrich Salis-Soglio,
Sonderbundsgeneral
Oberst Eduard Ziegler
Der erste Schuss der eidgenössischen Batterie Rust, ein
Volltreffer Richtung Brücke, bewirkte die Flucht von mehr
als der Hälfte der Sonderbundsartillerie, so dass nur noch
drei Geschütze übrig blieben. Die sonderbündische Infanterie-Gegenwehr bewirkte einen teilweisen Rückzug der
eidgenössischen Truppen nach Honau. Oberst Egloff
führte das zweite Treffen gegen die Sonderbündler mit
nun drei Batterien und zwölf Geschützen sowie zweieinhalb Infanteriebataillonen an. Nachdem Sonderbundsgeneral Salis-Soglio von einem Granatsplitter an der rechten Schläfe verwundet war und die Artillerie in der
Schanze ihre Infanteriedeckung verloren hatte, bewirkte
deren Abzug auch den Rückzug der sonderbündischen
Infanterie. Das ursprüngliche militärische Gleichgewicht
hatte sich infolge taktischen Versagens der sonderbündi-
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Gislikon mit der Brücke, links beim Baum, die Batterie Rust
Die Brücke von Gislikon mit dem alten Zollhaus
schen Militärführung zugunsten eines Sieges der eidgenössischen Truppen nach einem etwa dreiviertelstündigen Gefecht ausgewirkt. Nach einer nochmaligen Aufstellung bei Root, ohne sich allerdings einem weiteren
Gefecht zu stellen, zog Salis-Soglio seine Truppen um
etwa 15.30 Uhr Richtung Ebikon ab und diese marschierten bei Einnachten nach Luzern. Die von Gisikon her vorsichtig vorrückende Division Ziegler besetzte daraufhin
Root und biwakierte ausserhalb des Dorfes beidseits der
Strasse.
von betrunkenen Soldaten verwüsteten Wilhelm Tell hielt
man die Gefangenen. Von Honau berichtet der Zeitzeuge:
«Auf der Strasse, in den Wiesen, überall wimmelte es von
Militär. Da flammten Feuer und Bratspiesse drehten sich
darüber; es wurde geschmort und gebraten, dass es eine
Lust mitanzusehen war. Ärzte und Pfarrer standen mit
dabei, sorgten und segneten die Mahlzeit und schienen
eben nicht gerade Lust zu haben, dabei zu kurz zu kommen. Am Bergabhange lagerten sich die St. Galler im
Stroh, und obgleich es erst 5 Uhr war, schienen sie sich
gegenseitig schon gute Nacht zu wünschen. Nie habe ich
was Possierlicheres gesehen, als diese hingestreckten
Reihen Soldaten, deren Nasenspitze allein noch aus dem
Stroh hervorguckten. Zu den Füssen hatten sie Laden
aufgestellt und durch eingeschlagene Pfähle befestigt,
damit sie nicht etwa mitten im süssesten Traume und
Andenken an die zu Hause sehnsüchtig schmachtende
und mitfastende Frau oder Geliebte den Berg hinunterrutschen möchten.»
Ein Offizier des Bataillons Stahel schildert in den 1847 in
Zürich anonym erschienenen «Erinnerungen aus dem
Feldzuge gegen den Sonderbund» seine Eindrücke vom
Gefechtsfeld. Tote Pferde und verlorene Tschakos lagen
herum, der Boden war aufgerissen und viele Bäume
waren zerschossen. Bei der Schanze dicht neben dem
Wirtshause lag ein baumlanger toter Nidwaldner, von
eidgenössischen Soldaten bedauert. Im Erdgeschoss des
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Die materiellen Schäden
Die eidgenössischen Biwaks in Honau und ausserhalb von
Root verliefen nicht vollauf ordnungsgemäss, wie es Divisionär Ziegler angeordnet hatte. Die hungrigen und in der
kalten Winternacht frierenden Soldaten versorgten sich
teilweise auf eigene Faust. Zudem liessen sich viele mit
Most und Schnaps volllaufen. Aber da sich die Sonderbundstruppen in dieser Nacht auflösten, rächten sich
diese Disziplinlosigkeiten nicht. Das vom Gemeinderat
Gisikon an das Kriegskommissariat der eidgenössischen
Truppen am 22. Dezember 1847 zugestellte Verzeichnis
der Beschädigungen und Entwendungen kam auf eine
Schadensumme von rund 14 520 Franken. Eine zweite,
spezifizierte Eingabe vom 29. Januar 1848 bezifferte den
Schaden auf rund 20 929 Franken. Glücklicherweise war
bei der Zivilbevölkerung kein Menschenleben zu beklagen. Nebst Beschädigungen an Bauten, Verlust von Fahrhabe, Vieh und Lebensmitteln brannten zwei Scheunen
ab, die von Melchior Kost in der Wüste (heute Lindenfeld), veranschlagt auf 1250 Franken, und die von Waisenvogt Jakob Bründler, veranschlagt auf 800 Franken.
Eine bloss teilweise Entschädigung der Kriegsschäden
erfolgte erst geraume Zeit später. Das erklärt, warum die
Gemeinderäte des Strassenbezirks Root in ihrer Eingabe
vom 15. August 1851 um Erlass des Strassenneubaus von
Ebikon bis Gisikon dem Regierungsrat zu bedenken
gaben: «1. Dass unsere Gemeinden vor nicht ferner Zeit
durch die unseligen Kriegsereignisse und deren Folgen,
durch Bivouaks, Einquartierungen, Militärlasten u.d.gl.
auf eine Weise hingenommen wurden, wie sich nur mit
Schauer und Wehmuth daran rückdenken lässt; wie mancher Familienvater nachher nicht mehr wusste, woraus
seiner Familie ihr Leben fristen, womit sie bekleiden,
wodurch sie vor Frost und Kälte schützen, und wie mancher Bürger nicht nur um Unterhalts-, Kleidungs- und
Wärmeapparat, sondern auch um seine übrige Habe, und
selbst um Haus oder Obdach gekommen ist; 2 ...» Der reiche Müller Mathias Lässer in der Untermühle war ebenso
betroffen wie die einfache Dienstmagd M. Josepha Buchmann.
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Die Bundesverfassung
Am 20. August 1848 versammelten sich gemäss Grossratsbeschluss vom 8. August die stimmfähigen Einwohner der Gemeinde Gisikon, um über die Annahme oder
Verwerfung der von der liberalen Tagsatzungsmehrheit
ausgearbeiteten, am 27. Juni angenommenen Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft abzustimmen.
Nachdem der Gemeinderatspräsident Alois Knüsel die
Versammlung eröffnet und die nicht Stimmfähigen weggewiesen hatte, wählte man in offener Abstimmung
Jakob Bründler und Melchior Kost zu Stimmenzählern
sowie Josef Lässer und Kaspar Petermann zu Protokollführern. Dann liess der Präsident den Parlamentsbeschluss und den unter das Volk verbreiteten Bundesverfassungsentwurf ablesen. Hierauf erfolgte der
Namensaufruf, während welchem jedem anwesenden
Stimmberechtigten ein Stimmzettel von der vorgeschriebenen Art übergeben wurde, um denselben entweder für
Annahme oder Verwerfung des Entwurfes der Bundesverfassung in die hieher bestimmte Schachtel beim Büro zu
legen. Bei total 41 stimmfähigen Bürgern waren acht
entschuldigt abwesend. Von den Verbleibenden stimmten
32 durch Einlegen von Stimmkarten, die mit Verwerfung
70
beschrieben waren, einer dagegen zur Annahme durch
Einlegen einer unbeschriebenen Stimmkarte. Die acht
ohne genügende Entschuldigung Abwesenden galten als
Annehmende (Es war bei den Abstimmungen damals
üblich, die Abwesenden bzw. Nichtabstimmenden als Ja
Stimmen auszuweisen, denn wer nichts sagte, stimmte
zu!) Somit verwarf die Gemeinde Gisikon, nach wie vor
traditionell katholisch-konservativ ausgerichtet, mit
zweiunddreissig Stimmen gegen neun den Entwurf der
Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft. Nach Eröffnung dieses Ergebnisses hob der Präsident die Versammlung auf. Ebenso verwarf der Gisikoner
Souverän am 19. April 1874 die revidierte Bundesverfassung.
Beide Vorlagen wurden gesamtschweizerisch aufgrund
des Volks- und Ständemehrs als angenommen erklärt!
Quellen: Zusammenfassung Dr. Alfred Müller, Dr. Michael
van Orsouw, Protokolle der Gemeinde Gisikon vor 1847,
diverse historische Schriften, .
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