Von Atlanta nach Sydney - WAN-IFRA

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Von Atlanta nach Sydney - WAN-IFRA
Schwerpunkt
Valérie Arnould
Juni 2000
zeitungstechnik
PressPoint globalisiert die Printzeitung
Von Atlanta nach Sydney
Welche Vorteile sein System für
den globalen On-Demand-Druck
von Zeitungen bietet, hat PressPoint bereits bei den Olympischen
Spielen in Atlanta gezeigt, als die
Firma noch ein „Start-up“-Unternehmen von Scitex war. Einige
Jahre sind seitdem vergangen und
wieder stehen die Zeichen auf Erfolg. Den Beweis wird PressPoint
bei den Olympischen Spielen in
Sydney im Herbst dieses Jahres
erbringen, wenn im Verlauf der
Veranstaltung etwa 50 Zeitungstitel über PressPoints „Global
On-Demand Newspaper System“
publiziert werden.
Die ist nur eine Auswahl von Titeln, die PressPoint
weltweit vertreibt.
nen lassen sich in vier große Bereiche
unterteilen: Reise und Tourismus (Hotels,
Fluglinien, Tagungszentren, Kreuzfahrtschiffe etc.), offizielle Stellen (Botschaften,
Konsulate und andere Regierungsvertretungen), Geschäftswelt (Großunternehmen und
Menschen, die im Ausland leben und arbeiten) sowie der Einzelverkauf (Touristen
oder Geschäftsreisende) an den Verkaufsstellen oder im Abonnement.
PressPoint ist seit 1998 ein eigenständiges amerikanisches Unternehmen,
dessen Kapital von zwei Investmentfonds
und den Managern des Unternehmens gehalten wird. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass PressPoint für seine eigene
Unternehmensentwicklung in Zukunft
Partnerschaften mit Presseunternehmen
oder Pressegrossisten eingeht, um in synergetischem Verbund Verlagen den OnDemand-Druck einer täglichen Ausgabe in
der ganzen Welt anbieten zu können.
Das Funktionsprinzip ist ganz einfach: Die Verlage sind verantwortlich für
den Inhalt (Auswahl der Artikel), den Umbruch (Anpassung des Layouts an das A3Format), die Erstellung der PDF-Dateien
und die Übermittlung der zu publizierenden Ausgabe an das PressPoint-Zentrum.
PressPoint überprüft die Integrität der
Dateien und gibt sie an die PressPointDruckstationen weiter – meistens per Internet, aber auch über proprietäre Netze wie
das von Vio, wenn die Daten in Länder
übertragen werden sollen, in denen die
Bandbreite nicht ausreicht. Die elektronisch
versandten Ausgaben werden direkt vor Ort
an einer PressPoint-Verkaufsstelle auf Digitalkopierern ausgedruckt oder an Druckstationen mit Kopierern, die in der Lage
sind, große Datenmengen schnell zu verarbeiten. Die örtlichen PressPoint-Statio-
In immer mehr Städten
Gegenwärtig verfügen etwa 15 Großstädte über große PressPoint-Stationen –
Tendenz rapide steigend. So fällt es nicht
immer leicht, die Prioritäten richtig zu
setzen. „Der Ausbau des Netzes von Datenempfangsstationen erfolgt in Abstimmung
mit den Partnerverlagen, die strategische
Orte für den On-Demand-Druck ihrer Zeitungen vorschlagen“, erklärt Maiki Benedict, Marketingleiterin von PressPoint.
„Auch mit Organisationen wie Vertriebsgesellschaften, Hotels oder Flughäfen
schließen wir in allen Großstädten der
Welt, in denen wir denken, präsent sein
zu müssen, Verträge ab.“
Für Verlage bietet PressPoint den
Vorteil, dass bei dieser Art der Zeitungsauslieferung Kostenfaktoren wie der Transport
per Luftfracht oder der dezentrale Druck
auf Rotationen entfallen. Auch die Vorbehalte, die manche Leser oder Verlage ge32
gen Internet-Ausgaben haben, stellen bei
diesem Distributions- und Druckprinzip
kein Hindernis mehr dar, denn das erstellte
Produkt sieht der normalen Ausgabe zum
Verwechseln ähnlich (Farben inbegriffen).
Dahinter steckt die Idee, die Beziehung
zwischen dem Leser und seiner Zeitung
aufrecht zu erhalten, ganz gleich wo er sich
gerade auf der Welt befindet.
Darüber hinaus hat ein Verlag, der
das PressPoint-Serviceangebot nutzt, die
Garantie, dass die Ausgaben nur in der Anzahl gedruckt werden, in der sie benötigt
werden. Kosten durch Remittenden, Kioske,
an denen die Zeitung bereits ausverkauft
ist, der Verkauf von Zeitungen vom Vortag
(im günstigsten Fall) – dies alles gehört der
Vergangenheit an. Die in mehr als 100 Länder ausgelieferte International Herald Tribune, die tagtäglich mit den Problemen des
dezentralen Druckens konfrontiert wird,
hat Anfang Mai begonnen, das System in
Brasilien anzuwenden, um zu testen, auf
welche Resonanz eine PressPoint-Zeitung
bei ihren Lesern stößt. In Brasilien erhielten
die Leser die Ausgabe der IHT bisher einen
Tag später, während sie nun die Tagesausgabe lesen können. Aus dem gleichen
Grund wurde die Financial Times PressPoint-Kunde. Sie will in Australien Verspätungen und Transportkosten reduzieren.
Einnahmenverteilung
Das Serviceangebot von PressPoint
ist für die Verlage kostenlos. Sie müssen im
Gegenzug die gesamte Organisation für die
Erstellung der elektronischen Inhalte übernehmen. Wenn das System gut eingeführt
ist, muss nach Schätzungen von Jim Cutie,
CEO von PressPoint, bei einer Zeitung eine
Person täglich zwei Stunden für die Erstellung und den Versand der Daten einplanen.
Einer Zeitung ermöglicht das System einerseits ihre Reichweite über ihr traditionelles
geografisches Absatzgebiet hinaus auszudehnen und andererseits ihre Leser auch
dann zu erreichen, wenn sie auf Reisen
sind. Von den Einnahmen aus dem Verkauf
der PressPoint-Zeitung erhält sie einen bestimmten Prozentsatz. Der Verkaufspreis
ihrer Ausgabe beläuft sich auf 2,50 Dollar
– ein Preis, der sogar oft unter dem Preis
liegt, der für im Ausland verkaufte Zeitun-
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Juni 2000
gen verlangt wird, deren „Verfallsdatum“
bereits mehrere Tage zurück liegt. Nach
Meinung von Jim Cutie ist dieser Verkaufspreis in den meisten Ländern wettbewerbsfähig. Die Verkaufserlöse werden hauptsächlich zwischen den Verlagen, den
Verkaufsstellen und PressPoint aufgeteilt.
Die genaue Anzahl der über das PressPoint-System publizierten Exemplare lässt
sich nur schwer beziffern, da sich fast jeden Monat neue Zeitungen dem System
anschließen und dementsprechend auch
immer neue Stationen entstehen. Jim Cutie
zufolge werden monatlich nahezu 150 000
Exemplare verkauft, das sind 6000 Exemplare täglich von Montag bis Freitag.
Mittelfristig wird sich jedoch der Verkauf von Anzeigenseiten zu PressPoints
größter Einnahmequelle entwickeln. Der
Service ist zwar kostenlos, doch dafür behält sich das Unternehmen in seiner PressPoint-Ausgabe Anzeigenraum vor. In der
Regel handelt es sich um die Rückseite der
gedruckten Seiten. „Ein Verlag hat auch die
Möglichkeit, auf den für ihn reservierten
Seiten Anzeigenraum an einen seiner eigenen Anzeigenkunden zu verkaufen“, erklärt
Jim Cutie. Die dabei erzielten Einnahmen
stehen allein dem Verlag zu.
Ein ausgeklügeltes System
Dank seiner Erfahrung konnte PressPoint sein Serviceangebot im Laufe der Zeit
auf weitere Bereiche ausdehnen. In diesem
Zusammenhang ist insbesondere die Partnerschaft mit dem Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg zu nennen.
Bloomberg hat eine tägliche Printausgabe
entworfen, die eine Reihe von Artikeln aus
seinem Informationsdienst enthält. Zur Erstellung dieser Printausgabe haben PressPoint und Bloomberg die Artikel aus dem
Informationsdienst umformatiert. Die daraus entstandene neue Zeitung wurde, laut
Maiki Benedict, vom Markt sehr gut aufgenommen. Bei den auf dem PressPoint-Service basierenden Bloomberg News handelt
es sich bislang um ein einmaliges Konzept.
Die Verbreitung von Nachrichten und
Informationen auf internationalen Großveranstaltungen stellt für PressPoint ein
weiteres interessantes Gebiet dar. Von riesigen Fachmessen wie die Broadcast-Messe
NAB oder die Computermesse Comdex über
internationale Sportveranstaltungen bis hin
zu Gipfeltreffen wie das Wirtschaftsforum
in Davos – solche überall auf dem Globus
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Eines der wichtigsten Ereignisse in
diesem Jahr stellen für PressPoint die
Olympischen Spiele in Sydney dar. Anlässlich dieser Großveranstaltung wird PressPoint acht Wochen lang – vom 15. August
bis zum 20. Oktober – seine Präsenz in
ganz Australien verstärken, um die vielen
Menschen, die sowohl zu den Spielen als
auch zu den im Vorfeld und während der
Spiele stattfindenden kulturellen Veranstaltungen anreisen werden, mit PressPointAusgaben zu versorgen. Allein in Sydney
wird PressPoint voraussichtlich 285 000
Exemplare von etwa 50 Zeitungstiteln täglich drucken. Insgesamt wird das Unternehmen in Australien an die 460 000 Exemplare drucken. „Wir haben bereits mehrere
Verkaufsstellen auf dem Olympiagelände
(im Pressezentrum, im Mediendorf, im
Olympiadorf und in den Geschäften von
Souvenir World, dem offiziellen Anbieter
von Lizenzprodukten der Spiele in Sydney),
in Darling Harbour, wo ein weiteres Medienzentrum eröffnet wird, in mehreren
Hotels sowie in Melbourne, Canberra, Brisbane, Perth und Auckland“, erklärt Maiki
Benedict. Die Olympischen Spiele werden
zu einem idealen Public Relations Event.
Jim Cutie hofft, dass dieses Ereignis dazu
beitragen wird, die Akzeptanz einer neuen
Zeitungsgattung zu fördern.
stattfindenden Foren bergen für PressPoint
ein enormes Potenzial. Um dieses spezielle
Potenzial auszuschöpfen, wurde von PressPoint ein neuer Bereich geschaffen: EventWorks. Maiki Benedict beschreibt dessen
Aufgaben folgendermaßen: „EventWorks
trifft eine Auswahl, welche renommierten
internationalen Veranstaltungen in Betracht kommen. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Veranstaltern kann sich
EventWorks ein besseres Bild von der Anzahl und Art der zu erwartenden Besucher
machen, um danach die Zeitungstitel auszuwählen und die jeweiligen Exemplarzahlen festzulegen. Auch Verlage, mit denen
wir zusammenarbeiten, können mit Vorschlägen an uns herantreten, wenn sie unseren Dienst auf einer bestimmten, für sie
lohnenswerten Veranstaltung in Anspruch
nehmen möchten.“ Jim Cutie ist der Ansicht, dass EventWorks für PressPoint und
seine Partnerverlage künftig ein besonders
entwicklungsträchtiger Bereich sein wird:
„Da es sich um regelmäßig stattfindende
Events handelt, können uns die Veranstalter genaue Informationen über die Nationalität und die Zahl der Teilnehmer liefern.
Mit genauen Planungen anhand von Veranstaltungskalendern versprechen wir uns,
pro Jahr eine Million Exemplare über die
reguläre Auflage hinaus abzusetzen. Die
Zeitungen haben die Möglichkeit, die Artikel ihrer internationalen Ausgabe auszuwählen, um sich bei einer solchen Veranstaltung „optimal in Szene zu setzen“. In
den meisten Fällen werden die PressPointZeitungen direkt vom Veranstalter im Voraus gekauft, der die Kosten auf die Eintrittspreise umlegt oder sie durch einen
Sponsor deckt. Für die Verlage ist dies besonders interessant.“
Ursprung 1992 in Israel
Die ersten Prototypen von PressPoint
wurden 1992 in einem Labor von Scitex in
Tel Aviv entwickelt. Die ursprünglichen
Modelle werden fortlaufend verändert und
lassen neue Nischenmärkte für die traditionelle Zeitungsbranche entstehen. Auch Digitalkopierer dürften zu einer wachsenden
Verbreitung dieses Mediums beitragen. <
> PressPoints Zeitungspartner
Brasilien: Gazeta Mercantil und Jornal do Brasil. Deutschland: Der Tagesspiegel, Handelsblatt und Süddeutsche Zeitung. Dubai: The Daily Albayan. Frank reich: International Herald Tribune, Les Echos und Libération. Großbritannien:
The Daily Telegraph, Financial Times und The Guardian. Italien: Il Giornale und
La Stampa. Korea: The Dong-A Ilbo und Maeil Business Newspaper. Libanon:
An-Nahar. Mexiko: El Financiero. Österreich: Der Standard. Polen: Gazeta
Wyborcza. Russland: Komsomolskaja Prawda und Neue Iswestija. SaudiArabien: Asharq Al-Awsat. Schweden: Aftonbladet, Dagens Industri und
Dagens Nyheter. Spanien: El Mundo. USA: The Atlanta Journal-Constitution,
Bloomberg News, The Daily Deal, Daily News, El Nuevo Herald, The Miami
Herald und Washington Post National Weekly.
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