Die Kunden lieben die Anonymität

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Die Kunden lieben die Anonymität
AutomatenMARKT | Mai 2004 | Praxis
Filmverleih aus dem Automaten
Die Kunden lieben die Anonymität
Video- und DVD-Verleihautomaten haben sich binnen eines Jahres einen
festen Platz am Markt erobert. Für dauerhaften Erfolg ist ständige Pflege
des Filmbestandes von entscheidender Bedeutung.
Wenn sich neue Chancen bieten, sollte man sie nutzen.
Vor einem Jahr hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass
Video- und DVD-Verleihautomaten den Anforderungen
des Jugendschutzes genügen, wenn der Kunde sich am
Gerät über einen Fingerprint identifizieren muss.
Seitdem gibt es Rechtssicherheit, was diesen Markt
betrifft, und immer mehr Automatenunternehmer nutzen
die Möglichkeiten des Zusatzgeschäftes.
In erster Linie ist das natürlich das Geschäft mit dem
Ausleihen von DVDs gegen Gebühr. Bei cleverer
Abwicklung des Anmelde-Procederes bieten sich aber
auch Chancen zur Werbung für die Spielstätte, wie das
Beispiel von Karl Weber zeigt.
Der Automatenkaufmann aus Kleve hat in seiner neuen
Spielstätte Game Factory einen DVD-Verleih integriert.
Dieser befindet sich in einem eigenen Bereich, der vom
Vorraum aus zu betreten ist. So ist sichergestellt, dass
die Filmkunden an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr
Zutritt haben, auch dann, wenn die Spielstätte
geschlossen ist.
Karl Weber hat an sein
Verleihsystem in der
Game Factory vier
Auswahlterminals
angeschlossen. Zwei
sind in die Wand
eingelassen, zwei
stehen frei im Raum.
Die große Glasfront mit aufgeklebter Folienschrift und
zwei Plakaten von aktuellen Filmen zeigt schon von
weitem, welcher Service hier geboten wird, erlaubt aber auch von außen einen Blick
auf Filmauswahl- und -ausgabeterminal. Das Interesse ist geweckt.
Riesiger Andrang
Webers Idee war nun, dass die Neukunden die
Anmeldeformalitäten in der Spielstätte mit den
dortigen Mitarbeiterinnen abwickeln.
„Der Andrang war aber gerade am Anfang
riesig. Das Personal konnte das gar nicht
nebenbei leisten“, erinnert sich Weber.
„Deshalb haben wir dafür extra eine
Teilzeitkraft eingestellt.“
Filmauswahl (rechts) und entnahme spielen sich an
verschiedenen Terminals ab.
Von seinem Plan, die Interessenten am
Filmausleih in die Spielstätte zu locken, ist er
trotzdem nicht abgerückt. Datenaufnahme und
Ausgabe der Kundenkarte findet zwischen
Flipper und Fungames statt.
„So schauen viele zum ersten Mal in eine
moderne Spielstätte, die sonst wegen ihrer Vorurteile einen großen Bogen machen
würden“, erklärt Weber seinen Hintergedanken.
Er animiert die Leute nicht zum Spielen, lässt sie nur einmal schauen. Auch das ist
ein kleines Stück Imagewerbung. Denkbar wäre bei einem an die Spielstätte
angegliederten DVD-Verleihautomaten aber auch, jedem Neukunden im Filmbereich
einen Freispielgutschein zur Begrüßung zu schenken.
Dass Synergieeffekte zwischen der Spielstätte und der Automatenvideothek möglich
sind, haben eine Reihe von Unternehmern realisiert. Sie nutzen den Filmverleih als
Zusatz- beziehungsweise Nischengeschäft. Nach übereinstimmender Aussage der
drei auf der diesjährigen IMA vertretenen Anbieter, haben sich auf der Messe viele,
auch qualifizierte Kontakte zu Automatenkaufleuten ergeben. Das liegt natürlich
nicht zuletzt am Urteil des Bundesgerichtshofes.
Und die Nachfrage potenzieller Kunden ist zweifellos vorhanden: Karl Weber hat
bereits im Sommer vergangenen Jahres einen DVD-Verleihautomaten an seine
Spielstätte in Xanten angegliedert. Binnen eines halben Jahres wuchs die Zahl der
Kunden auf 700. In Kleve waren es nach drei Monaten bereits 450 Nutzer.
„Den meisten Kunden ist die Anonymität, die der Automat gewährleistet, am
wichtigsten“, weiß der Unternehmer. „Hardcore- und Actionfilme, die erst ab 18
Jahren freigegeben sind, laufen am besten.“
Gerade in einem kleinstädtisch oder ländlich
geprägten Gebiet seien viele Leute auch bereit,
etliche Kilometer zu fahren, um die Anonymität
der automatisierten Ausleihe zu nutzen.
Ähnlich wie bei einem Geldautomaten stehen
die Kunden bei der Auswahl vor einem in die
Wand eingelassenen Terminal und sind vor
neugierigen Blicken geschützt.
Niemand sieht, welche Filmkategorie und
welchen Film der Kunde wählt. Die Ausgabe
der DVD erfolgt in einer neutralen
Plastikverpackung, egal ob Benjamin Blümchen
oder Gina Wild drin sind.
Wer allerdings eine längere Anfahrt auf sich
nimmt, hat nicht die Möglichkeit, von KurzzeitPreisen zu profitieren. Die Verleihautomaten
erlauben dem Betreiber eine individuelle
Gestaltung der Zeitfenster und Preise.
Für den Kunden unsichtbar ist
das Lager hinter der Wand – hier
eine Darstellung des Videomat –,
das weit über 2 000 DVDs fasst.
Bezahlen mit Kundenkarte
Während in der Videothek oftmals ein Kalendertag die kleinste mögliche Einheit ist,
kann der Automat beispielsweise auch auf drei Stunden für 50 Cent eingestellt
werden. Auch diese individuelle Abrechnung ist ein Service, den Kunden zu schätzen
wissen.
Bezahlt wird bei Rückgabe durch Abbuchung vom Konto der Kundenkarte. Reicht das
Guthaben nicht aus, kann über den Geldscheinakzeptor direkt am Terminal
nachgeladen werden.
Die durchschnittliche Verweildauer der Kunden am Auswahlterminal liegt laut Weber
bei fünf bis zehn Minuten. Eine sehr kurze Zeit gemessen an dem, was in
Videotheken üblich ist.
„Wartezeiten gibt es nicht“, so der Unternehmer, der dafür in der Game Factory
auch durch vier Auswahlterminals vorgesorgt hat.
Große Bedeutung für den Erfolg des automatisierten Verleihs, auch über den
Neuheiten-Effekt hinaus, hat der Filmbestand: „Wenn ein Film neu auf Video
beziehungsweise DVD erscheint, sollte man ihn auch im Programm haben“, meint
Weber. „Enttäuschte Kunden sind sehr schnell ehemalige Kunden.“
Neue Titel bekommt Weber über eine Einkaufsgenossenschaft. Jeden Monat gibt es
eine Liste mit Neuheiten, aus der er auswählt, was in seinen Verleih-Automaten
hinein soll. Alte Filme aussortieren und im Lagerregal Platz schaffen muss der
Unternehmer selbst. Darüber hinaus informiert Weber den Gerätehersteller, welche
Filme raus- und welche reinkommen.
„Die bestellten DVDs werden per Nachtkurier geliefert. In derselben Nacht wird vom
Geräteservice die Datenbank aktualisiert. Ich muss morgens nur noch meine
Operatorkarte einstecken und die neuen Filme in den Ausgabeschacht schieben. Das
Gerät sortiert sie selbstständig in freie Plätze und findet sie natürlich auch wieder.“

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