Paradigmen der Innovationsforschung
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Paradigmen der Innovationsforschung
PARADIGMEN DER INNOVATIONSFORSCHUNG: VERÄNDERTE ROLLEN DER AKTEURE Rainer Frietsch KIT 09. Juni 2011 © Fraunhofer ISI S t r u k t u r d e s Vo r t r a g s 1. Definition von Innovation 2. Schlüsselrollen im Innovationsprozess – a) von Schumpeter … b) … bis heute 3. Bildungsverzerrter technologischer und organisatorischer Wandel (SBTC) 4. Warum eigentlich immer noch MINT? 5. Deutschlands AkademikerInnen im internationalen Vergleich 6. Die zukünftige Entwicklung – Demografie und ihre erwarteten Folgen 7. Der Bologna-Prozess und seine Auswirkungen auf Deutschland © Fraunhofer ISI Seite 2 Definition von Innovation © Fraunhofer ISI Seite 3 Wa s i s t F o r s c h u n g u n d E n t w i c k l u n g ? “R&D covers both formal R&D in R&D units and informal or occasional R&D in other units. However, interest in R&D depends more on the new knowledge and innovations and the economic and social effects that result than on the activity itself.” OECD (ed.) (2002): Proposed standard practice for surveys on research and experimental development: Frascati manual 2002. Paris: OECD, page 17. © Fraunhofer ISI Seite 4 Wa s i s t I n n o v a t i o n ? Innovation ist nicht gleich Invention (Erfindung) "Invention ist die im Ergebnis von Forschung und Entwicklung entstandene erstmalige technische Realisierung einer neuen Problemlösung" (Pleschak & Sabisch, 1996). "Idee, die etwas Neuartiges darstellt„ (Burr, 2004) Erst der gesamte Prozess, von der Planung über die Erforschung und Erfindung bis hin zur Vermarktung bzw. Umsetzung, kann als Innovationsprozess und sein Ergebnis als Innovation bezeichnet werden (Grupp, 1997, S. 15). Innovation ist mehr als nur Technologie (Schumpeter 1911) => Innovation ist ein systemischer Prozess © Fraunhofer ISI Seite 5 Wa s i s t I n n o v a t i o n ? “Technological innovation activities are all of the scientific, technological, organisational, financial and commercial steps, including investments in new knowledge, which actually, or are intended to, lead to the implementation of technologically new or improved products and processes.” (OECD & Eurostat (1997): Oslo manual, 2nd edition) “An innovation is the implementation of a new or significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method, or a new organisational method in business practices, workplace organisation or external relations.” (OECD & Eurostat (2005): Oslo manual, 3rd edition) © Fraunhofer ISI Seite 6 Ty p e n v o n I n n o v a t i o n Quelle: Kinkel et al. (2004), Dreher et al. (2005) © Fraunhofer ISI Seite 7 Schlüsselrollen im Innovationsprozess – von Schumpeter… © Fraunhofer ISI Seite 8 Schumpeters Perspektive Innovationen also ist der erfolgreiche Weg von der Idee zum Markt; Invention und Diffusion sind also beide relevant Innovationen sind der Kern von Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Dabei betont er: Innovationen entstehen aus dem Produktionsprozess heraus, selten durch vorher „arbeitslose Arbeitermassen“ „Der Unternehmer einer früheren Zeit war nicht nur in der Regel auch der Kapitalist, er war – und das ist er meist heute noch – auch der Ingenieur seines Betriebes oder doch dessen technischer Leiter, soweit das nicht dasselbe ist und nicht in besonderen Fällen ein fachlicher Spezialist zugezogen wird“ (Schumpeter, <1911> 1997, S. 114) © Fraunhofer ISI Seite 9 D re i P a r a d i g m e n n a c h S u n d b o (1995, 1998, 2001) 1. Gründer-Paradigma • Industrielle Revolution und Gründerzeit • Entrepreneur als „kreativer Zerstörer“ • Eine Person als wirtschaftlicher und technischer Verantwortlicher 2. ökonomisches Paradigma • Zeit der technologischen Entwicklung der modernen Gesellschaft • FuE als zentraler Antrieb des technischen Fortschritts (science push) • Innovationstheorie und –indikatoren sind entsprechend auf FuE-Prozesse ausgerichtet • Ingenieure und Naturwissenschaftler als wichtigste Akteure © Fraunhofer ISI Seite 10 D re i P a r a d i g m e n n a c h S u n d b o (1995, 1998, 2001) 3. strategisches Paradigma • Komplexe Technologien • Technologien müssen über absatzfördernde Maßnahmen vermarktet werden • Manger, Marketing und Vertrieb werden wichtigere Akteure • Bedeutung von Wissen als Innovationstreiber © Fraunhofer ISI Seite 11 (Frietsch und Grupp 2007) Schlüsselrollen im Innovationsprozess – … bis heute © Fraunhofer ISI Seite 12 Wissen und Kompetenzen für Innovation Moderne Innovationsprozesse verlangen nicht nur technisches oder technologisches Wissen, sondern auch Planung und Steuerung, rechtliches (z. B. Patente) und regulatorisches (z. B. Verordnungen, Standards, Normen) Wissen, Kenntnisse über Märkte und (z. B. Marketing, Marktforschung) etc. Daher sind verschiedene Kompetenzen für den Erfolg notwendig: Ingenieure und Naturwissenschaftler, Controller, Beschäftigte in der Produktion, Marketingspezialisten, Rechtsexperten etc. Bereits Schumpeter hatte die Bedeutung erkannt: „...so vollziehen sich Neuerungen in der Wirtschaft doch nicht so, dass erst neue Bedürfnisse spontan bei den Konsumenten auftreten und durch ihren Druck der Produktionsapparat umorientiert wird..., sondern so, dass neue Bedürfnisse den Konsumenten von der Produktionsseite her anerzogen werden, so dass die Initiative bei der letzteren liegt...“ (Schumpeter, <1911> 1997, S.100). © Fraunhofer ISI Seite 13 G e s t e i g e r t e A n f o rd e r u n g e n a n B i l d u n g u n d Qualifikation 1. Komplexität moderner Produkte und Prozesse fordern tiefes fachliches Wissen aber auch Disziplinen-übergreifende Projektteams 2. Moderne und kreative Arbeitsprozesse benötigen auch moderne Strukturen: Autonomie und Eigenverantwortlichkeit: Der Innovationsprozess ist zwar zielgerichtet, das Ergebnis ist aber häufig nur schwer vorherzusagen. Begründungen für die gesteigerte Nachfrage nach höheren Qualifikationen : veränderte Bedeutung von Innovationen für das erfolgreiche Wirtschaften gesteigerte Komplexität der Produkte und Prozesse Erhöhung des internationalen Wettbewerbs © Fraunhofer ISI Seite 14 Bildungsverzerrter technologischer und organisatorischer Wandel (SBTC) © Fraunhofer ISI Seite 15 SBTC-Hypothese – die Theorie in der Realität Decken sich diese theoretischen Erkenntnisse mit der empirischen Realität? In der Tat lässt sich eine deutliche Ausweitung der qualifizierten Beschäftigung in den letzten Jahren und Jahrzehnten nachweisen. Bildungsexpansion: Es lässt sich eine deutliche Ausweitung der qualifizierten Beschäftigung in den letzten Jahren und Jahrzehnten nachweisen; Akademikerquoten haben sich in den vergangen 40 Jahren mehr als vervierfacht. Diese Zunahme ging in erster Linie zu Lasten der Personen ohne beruflichen Bildungsabschluss. Die Qualifikationsintensität, d. h. die Anteile von Personen mit hohen Bildungsabschlüssen, steigen in nahezu allen Branchen im Zeitverlauf an. Außerdem lässt sich zeigen, dass im Zeitverlauf ein Strukturwandel stattgefunden hat, der sowohl innerhalb von Sektoren und Branchen als auch zwischen den Branchen zu Verschiebungen beim Bedarf an Qualifikationen führte (Legler et al., 2005; Legler, Gehrke & Krawczyk, 2005; Frietsch et al., 2005). © Fraunhofer ISI Seite 16 Man könnte argumentieren, dass diese Ausweitung der Bildungsabschlüsse nur wegen der Erhöhung des Angebots zustande kam. Das lässt sich nur indirekten überprüfen: Es fand eine Bildungsexpansion statt! Da das Angebot gestiegen ist, die ausbildungsinadäquate Beschäftigung nicht deutlich angestiegen und die Löhne und Gehälter bzw. die Bildungsrenditen nicht oder nicht so deutlich gesunken sind, wie dies auf Grund des erhöhten Angebots hätte erwartet werden können, schließt man daraus, dass die erhöhte Nachfrage eine echte Nachfrage ist. Der technische und organisatorische Wandel ist also bildungsverzerrt (SBTC), d.h. er begünstigt besonders die höheren Qualifikationen. SBTC erklärt allerding „nur“ (aber immerhin) die Veränderung innerhalb von Branchen bzw. Unternehmen. Die Veränderung zwischen den Sektoren (Sektorstrukturwandel) lässt sich eher mit Internationalsierung, gesteigerter Komplexität und gesteigerter Konkurrenz erklären. © Fraunhofer ISI Seite 17 Warum eigentlich immer noch MINT – oder schon wieder? © Fraunhofer ISI Seite 18 Wa r u m M I N T ? MINT = Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften Es gibt verschiedene Programme der Bundesregierung und anderer Organisationen (bspw. Deutsche Telekom Stiftung), welche die Steigerung der MINT-Absolventen zum Ziel haben Leszczensky et al 2011: „Das Gewicht der Fächergruppen Mathematik/Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften in der Fächerstruktur nimmt zu“ (S.4) Leszczensky et al 2011: „Die MINT-Fachrichtungen können ihre Absolventenzahlen weiter steigern; der Anteil der Absolventinnen in diesen Fächern bleibt jedoch unterdurchschnittlich“ Hat Sundbo sich geirrt und wir brauchen immer noch nur MINT? © Fraunhofer ISI Seite 19 Entwicklung wissensintensiver Beschäftigung Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 20 A n t e i l e d e r W i s s e n s c h a f t l e r / I n g e n i e u re a m F u E - P e r s o n a l i m i n t e r n a t i o n a l e n Ve r g l e i c h Quelle: Leszczensky, M.; Frietsch, R.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2010): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2010, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 21 Sichere Verrentungen von Akademiker/innen – absolut und in Relation zu den Absolvent/innen) – 2007-2014 Quelle: Leszczensky, M.; Frietsch, R.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2009): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 8-2009, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 22 Deutschlands AkademikerInnen im internationalen Vergleich © Fraunhofer ISI Seite 23 S t u d i e n b e re c h t i g t e n q u o t e n i n a u s g e w ä h l t e n OECD-Ländern Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 24 S t u d i e n a n f ä n g e rq u o t e n i n a u s g e w ä h l t e n OECD-Ländern Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 25 Studienanfänger/innen in ausgewählten OECD-Ländern nach Fächergruppen Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 26 A b s c h l u s s q u o t e n i m Te r t i ä r b e re i c h i m i n t e r n a t i o n a l e n Ve r g l e i c h Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 27 Die zukünftige Entwicklung – Demografie und Ihre erwarteten Folgen © Fraunhofer ISI Seite 28 Zahl der Abgänger/innen aus allgemeinbildenden Schulen Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 29 S t u d i e n b e re c h t i g e i n D e u t s c h l a n d Quelle: Leszczensky, M.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2011): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2011, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 30 15 18,0% 14 17,0% 13 16,0% 12 15,0% 11 14,0% 10 13,0% 9 12,0% 8 11,0% 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023 2025 2027 2029 2031 2033 2035 2037 2039 2041 2043 2045 2047 2049 2051 2053 2055 2057 2059 Millionen Personen Die demografische Entwicklung in Deutschland 15-30jährige in % der Bev. Variante 1 - W1: Untergrenze der "mittleren" Bevölkerung: Geburtenhäufigkeit: 1,4 Kinder je Frau, Lebenserwartung: Basisannahme, Wanderungssaldo: 100 000 ab 2014 Quelle: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060 - Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung; http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/BevoelkerungDeutsc hland2060,templateId=renderPrint.psml; eigene Berechnungen und Darstellung © Fraunhofer ISI Seite 31 Entwicklung der Erwerbspersonen 44 42 Millionen Erwerbspersonen 40 38 36 34 32 30 2005 2020 2030 Quelle: Statistisches Bundesamt: Demografischer Wandel in Deutschland - Heft 4 - Auswirkungen auf die Entwicklung der Erwerbspersonenzahl - 2009; http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/BevoelkerungDeutsc hland2060,templateId=renderPrint.psml; eigene Berechnungen und Darstellung © Fraunhofer ISI Seite 32 Anteil der 57- bis 64-Jährigen in der gewerblichen W irtschaft in Europa 2007 in % Quelle: Leszczensky, M.; Frietsch, R.; Gehrke, B.; Helmrich, R. (2010): Bildung und Qualifikation als Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.), Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 1-2010, Berlin. © Fraunhofer ISI Seite 33 Der Bologna-Prozess und seine Auswirkungen auf Deutschland © Fraunhofer ISI Seite 34 D e r B o l o g n a - P ro z e s s In der Bologna-Erklärung sowie in den Kommuniqués der Ministerkonferenzen wurden folgende Inhalte des Bologna-Prozesses vereinbart: Einführung eines Systems von verständlichen und vergleichbaren Abschlüssen (Bachelor und Master) Einführung einer gestuften Studienstruktur Transparenz über Studieninhalte durch Kreditpunkte und Diploma Supplement Anerkennung von Abschlüssen und Studienabschnitten Verbesserung der Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal Sicherung von Qualitätsstandards auf nationaler und europäischer Ebene Umsetzung eines Qualifikationsrahmens für den Europäischen Hochschulraum Steigerung der Attraktivität des Europäischen Hochschulraums auch für Drittstaaten Förderung des lebenslangen Lernens Verbindung des Europäischen Hochschulraums und des Europäischen Forschungsraums Quelle: BMBF: http://www.bmbf.de/de/3336.php; zuletzt besucht am 02.06.2011 © Fraunhofer ISI Seite 35