DAs wAHre AbeNTeUer

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DAs wAHre AbeNTeUer
HAUTNAH Trekking Gran Paradiso
Trekking Gran Paradiso HAUTNAH
Rund um den Gran Paradiso
Das wahre
Abenteuer
Der Gran Paradiso ist der leichteste und
dadurch auch begehrteste ­Viertausender
südlich des Alpenkamms. Was kaum jemand
weiss: Das wahre Abenteuer ist seine Umrundung, denn dabei werden Orientierung und
Kondition auf eine harte Probe gestellt.
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HAUTNAH Trekking Gran Paradiso
Der Ciaforon, ein markanter Gipfel neben dem Gran Paradiso.
Alpsiedlung am Piano del Nivolet.
Es sollte die anspruchsvollste Trekkingtour werden,
die wir je unternommen haben. Doch davon wissen wir
noch nichts, als wir an einem schwülen Sommermorgen
im hintersten Talschluss des Valsavarenche aufbrechen.
Auf der Aosta-Seite spielt sich der Tourismus ab und in
der kurzen Sommersaison drängen täglich ganze Horden
auf den Gipfel des Gran Paradiso. Aber das Unbekannte hat seit jeher die Sehnsüchte der Menschen geweckt.
Und auch wir sind auf der Suche nach unberührter Na-
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tur. Also wollen wir erkunden, wie es auf der anderen,
bisher völlig vernachlässigten Seite des Gran ParadisoNationalparks aussieht. Während die Aosta-Seite mit
bewirtschafteten Hütten aufwarten kann, sind diese auf
der piemontesischen Seite bescheidener gestreut. Man
muss auf Biwaks zurückgreifen. Die Selbstversorgerausrüstung macht unseren Rucksack schwer. Weil gerade
Hauptsaison ist, haben wir sicherheitshalber noch ein
Zelt mit eingepackt.
«Il cuore del parco»: Das Seenplateau über dem Col del Nivolet bietet
die schönste Aussicht auf Gran Paradiso & Co.
Zelten verboten, biwakieren erlaubt
Schon auf der ersten Etappe von Pont im Valsavarenche
zum Col del Nivolet treffen wir auf wenig Wanderer.
Dabei handelt es sich um eine leichte Route durch ein
wunderschönes Hochtal. Zum Glück verhinderten die
Richtlinien des Nationalparks einst ein Strassenprojekt,
sonst würde hier der Verkehr durchrauschen. Nur von
der piemontesischen Seite zieht eine Strasse bis zum
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HAUTNAH Trekking Gran Paradiso
So ungemütlich von aussen, so gemütlich drinnen:
das Bivacco Giraudo.
Nivolet-Pass. Dort befinden sich auch zwei bewirtschaftete Hütten. So urgemütlich diese sind, wir haben unser
Zelt geschleppt und ziehen ein Biwak vor auf einem der
schönsten Seenplateaus dieser Region nur eine halbe
Stunde oberhalb des Rifugio Savoia. Zelten, muss man
wissen, ist im Nationalpark verboten, biwakieren hingegen nicht. In eine traumhafte Kulisse betten sich die
Laghi Trebecchi. Das Gran Paradiso-Massiv wie auch die
Grenzgipfel zum französischen Vanoise-Nationalpark
umzingeln uns mit atemberaubender Wucht. Im Raureif
des Morgens kommen uns die Hütten dann doch gelegen und wir geniessen einen feinen Cappuccino im Rifugio Città di Chivasso. Alessandro Bado, der aufgestellte
Hüttenwirt, will auch gleich unsere Rucksäcke wiegen.
Sie bringen 24 (Dieter) und 19 Kilogramm (meiner) auf
die Waage. Das heisst für uns: In den nächsten Tagen
müssen wir viel von deren Inhalt «wegessen». Die Kraft
brauchen wir auch, denn die Strecke wird zunehmend
anspruchsvoller.
Königliche Jagdsteige und
Biwak-Romantik
Die zweite Etappe ist noch einigermassen beschaulich.
Wir folgen der «mulattiera reale», einem kunstvoll in
die steilen Flanken geschlagenen königlichen Jagdsteig
hoch über dem Canavese, wie sich das Gebiet auf der
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piemontesischen Seite des Nationalparks nennt. «The
smiling valley» nannte Francis Fox Tuckett das Tal, über
dem sich die schneebedeckten Gipfel der Levanna türmen. 1859 umrundete der Alpenpionier den Gran Paradiso. Am Col della Terra stossen wir auf die Markierung
der Alta Via del Canavese, die von Ceresole Reale hinauf
führt. Sie wird unsere Route für die nächsten Tage bestimmen und bringt uns zunächst einmal zum Bivacco
Giraudo. Auch die «gelbe Biwakschachtel» haben wir
ganz für uns allein. Klein aber fein ist das hölzerne Interieur. Mit ein paar Kerzen, die jemand zurückgelassen
hat, gestaltet sich der Abend ganz romantisch.
Noch werfen die Berge lange Schatten, als wir am frühen Morgen aufbrechen. Schnell sind wir zu einer Alpterrasse abgestiegen, wo uns wärmende Sonnenstrahlen
und neugierige Kühe begrüssen. Wieder ist es ein königlicher Jagdsteig, der uns entlang der Höhenlinie gemütlich und bei grossartigem Panorama ins nächste Hochtal
leitet. Keine Mühen hatte König Vittorio ­Emanuele II.
gescheut, um sich sein exklusives Jagdrevier mit bequemen Wegen einrichten zu lassen. Nur ihm, dem damaligen Regenten von Savoyen-Piemont und späteren König
des neuen Italien, war es seit 1856 vorbehalten, am Gran
Paradiso, dem letzten Rückzugsgebiet des Steinbocks,
der in anderen Teilen der Alpen im 18. Jahrhundert bereits ausgerottet war, zu jagen. Schon ab 1821 erhobene strenge Schutzbestimmungen sollten den Bestand
seines begehrtesten Jagdobjektes sichern. Der Erbe
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HAUTNAH Trekking Gran Paradiso
Trekking Gran Paradiso HAUTNAH
Mit der Escursionista-Karte ist
man sehr gut bedient. Leider fehlt
eine Etappe. Dann muss man auf
«IGC-Comics» zurückgreifen.
Zelten verboten, biwakieren
erlaubt. Das heisst: Tagsüber ist
der Lagerplatz verschwunden.
Ein spannender und auch geologisch interessanter Felsenweg führt in den Col Lauson.
­ ittorio Emanuele III. schenkte das königliche Jagd­
V
revier schliesslich im Jahre 1919 dem italienischen Staat
– unter der Bedingung, einen Nationalpark einzurichten.
Drei Jahre später wurde dann ein Gebiet von 703 Quadratkilometern zum ersten Nationalpark Italiens erklärt.
Seit der grenzüberschreitenden Zusammenschliessung
mit dem Vanoise-Nationalpark 1972 umfasst das Gelände nun 1233 Quadratkilometer und ist damit das nach
dem Nationalpark Hohe Tauern (1800 km 2) zweitgrösste
Naturschutzgebiet der Alpen.
unter der wuchtigen Südostfront des Gran ­Paradiso
sticht ein bereits vertrauter gelber Fleck ins Auge. Das
­Bivacco Ivrea gleicht dem Zuhause unserer letzten Nacht
fast aufs Haar. Und wieder haben wir die im Innern an
eine gemütliche Schiffskajüte erinnernde Stahlkapsel
für uns. Wir denken nicht einmal daran das Zelt aufzubauen. In der Nähe tummeln sich ein paar Gämsen. Sie
sind scheuer als die Steinböcke, die sich beeindruckende
Rivalenkämpfe liefern, als wir tags darauf die erste Steigung in Angriff nehmen.
Ein Talschluss wie im Himalaya
Fluch der «Karten-Comics»
Zahlreiche Jagdhäuser, so genannte «Case reali di ­Caccia»,
liess der König damals bauen. Zwei davon wurden zu
Alpen­vereinshütten umgenutzt: das von uns bereits passierte Rifugio Savoia und das Rifugio Vittorio Sella, in
dem wir, sofern alles nach Plan verläuft, in ein paar Tagen nächtigen werden. Das Jagdhaus hingegen, das wir
jetzt am Gran Piano erreichen, ist den Parkangestellten
und Naturwissenschaftlern vorbehalten. Von hier zieht
sich unsere Route steil gegen die Bocchetta del Ges. Mehrere Erdrutsche haben dem Königssteig arg zugesetzt,
immer wieder müssen wir durch Blockwerk kraxeln. So
brauchen wir eine ganze Menge Zeit bis ins Vallone di
Noaschetta. Türkisfarbene Bäche mäandern dort durch
einen üppig grünen Talgrund. An verfallenen Alpgebäuden vorbei und im Banne markanter Fels­zacken wie den
Tre Becchi erreichen wir einen Talschluss, wie man ihn
im Himalaya antreffen könnte. Auf einem Moränen­hügel
Auf ein vereistes Schneefeld folgt ein steiles Blockfeld und
macht den Aufstieg zum Colle dei Becchi recht mühsam.
Dafür ist der Ausblick auf den Gran Paradiso und das Gipfelmeer Richtung Frankreich einfach phantastisch. Und
der gerade zu diesem Zeitpunkt perfekte Firn erlaubt uns
ein angenehmes Abrutschen über die Ostseite des Passes. Bald darauf glitzert unter uns der Lago di Telessio
aus dem Vallone di Piantonetto. Dort unten muss sich
auch das Rifugio Pontese befinden, doch es sind noch fast
800 Höhenmeter Abstieg zu bewältigen, bis wir mittags
auf der Sonnenterrasse bei Polenta und Gamsragout wieder Kräfte tanken. Eigentlich sollte man an diesem herrlichen Ort übernachten, doch dann wäre unsere geplante
Folgeetappe zum Bivacco Davito einfach zu lang. So müssen wir uns nochmals aufraffen für einen weiteren, steilen Aufstieg. Kettengesicherte Passagen helfen uns über
die heikelsten Stellen hinweg. Entlang exponierter Fels-
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bänder zieht die Alta Via del Canavese über die Bocchetta
di Valsoera ins nächste Hochtal. In den Gletscherschliff
betten sich mehrere Seen. Direkt über dem gestauten
Lago di Valsoera steht auf hohen Stelzen unser Etappenziel, das unbewirtschaftete Rifugio Meneghello mit dem
Komfort einer grossen Küche. Während die Alta Via del
Canavese hier ins Haupttal Valle dell’Orco absteigt, folgen
wir einer nicht klar ausgewiesenen Route.
Es sind rote Punkte, die uns am Lago Nero vorbei durch
eine Felsrinne auf eine Höhenterrasse mit dem Lago di
Motta leiten. Dann aber sind wir auf unseren eigenen Orientierungssinn angewiesen, denn die roten Punkte geben
eine Richtung vor, in die wir gar nicht wollen. Gemäss einer eingezeichneten Route auf unserer Karte müssten wir
– westlich am See vorbei – nach Norden zum Colle di ­Motta
gehen. Doch da ist nichts. Wir verfluchen wieder einmal
die Comiczeichnungen der italienischen IGC-Karten und
suchen unseren eigenen Weg. Im Klartext bedeutet das:
endloses Blockwerksteigen und nagende Ungewissheit,
wie es wohl hinter dem Colle di Motta aussehen wird.
Böse Überraschung auf dem Pass
Dafür befinden wir uns in absolut unberührter Natur.
Wunderschön spiegelt sich die Gebirgskette der Cottischen Alpen mit ihrem höchsten Spitz, dem Monviso,
im Lago di Motta. Am Pass folgt dann eine böse Überraschung: Würde Schnee liegen, wäre der Steilabstieg gar
nicht mal so schlimm, doch stattdessen erwartet uns ein
Rutschhang aus Schutt und Erde. Weiter unten hat sich
der Gletscher unter Blockwerkmassen verkrochen. Das
sieht nach mühsamem Abstieg aus – und das ist es auch.
Am Bivacco Revelli treffen wir wieder auf einen Pfad.
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HAUTNAH Trekking Gran Paradiso
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Paradiso mit vielen nützlichen Tipps bezogen werden.
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Wir befinden uns nun in einem wunderschönen Talschluss eines der Soana-Täler. Vom Bivacco Davito trennt
uns noch ein zweiter Pass, der uns heftig in Anspruch
nimmt. Denn jenseits des Colle Valletta bricht eine Steilwand ab. Die einzige Lösung scheint uns eine Schuttrinne weiter östlich des Grats zu sein. Jeder Schritt wird behutsam und überlegt gesetzt, ein Abrutschen wäre fatal.
Die Schwierigkeiten scheinen anderntags überwunden. Ein teilweise sogar gepflasterter Felsenweg führt
durch herrlich farbiges Gestein in den Col Bardoney.
Doch die zunehmende Klimaerwärmung hat natürlich
auch auf der Aosta-Seite ganze Arbeit geleistet. Anstatt
vom Permafrost gehaltenes Gestein erwartet uns «Brösel­
werk». Welch eine Erlösung, danach wieder einen königlichen Jagdsteig begehen zu dürfen! Flotten Schrittes
können wir so dem Lauf des Torrent de Bardonney folgen, der weiter unten ein hübsches Moorbiotop bildet.
Hier zweigt der Höhenweg zum Lago di Loie ab, der zu
den schönsten Seen des Cogne-Tals zählt. Nach einer
Kurve strahlt uns die ganze Herrlichkeit des Mont BlancMassivs entgegen. In Lillaz drängen sich alte Holzhäuser, in Cogne, dem drei Kilometer entfernten Hauptort,
pulsiert das «Shopping-Leben». Nichtsdestotrotz ist der
Ort hübsch und die Kulisse einfach phantastisch. Zu den
saftigen Wiesen des breiten Talbodens kontrastiert der
vergletscherte Talschluss des Valnontey. Einen guten
Einblick in die Hochgebirgsflora bietet der Alpengarten
Paradisia am Weiler Valnontey mit seinen 1200 Pflanzenarten.
te übernommen hat, lässt es sich der Vater nicht nehmen,
allabendlich die Runde im Gastraum zu drehen, um jeden
zu fragen, ob es auch schmeckt. Denn alles wurde aus frischen Produkten selbst hergestellt. An den Wänden der
Holzstube hängen bemerkenswerte Naturaufnahmen,
Resultate der hier häufig stattfindenden Workshops. Vorbild ist Vittorio Sella (1859–1943), ein grossartiger Alpinist und zugleich Begründer der Bergfotografie.
Während am Abend ein Leuchten des vergletscherten
Gebirgskammes über dem Valnontey die Gäste verzaubert, ist es am Morgen das schillernde Tuffgestein über
der Lauson Hochebene. In diese Richtung müssen wir
auch wandern, der Alta Via 2 della Valle d’Aosta folgen,
die über den Col Lauson ins Val Savarenche zieht. Oben
am Pass warten Traumblicke zum Monte Rosa und zu
den Vanoise-Gipfeln. Ein Pass hat immer auch Brotzeitcharakter: Der Aufstieg ist bewältigt und neue Kräfte für
den Abstieg müssen getankt werden. Und wo lässt es sich
schöner Picknicken als mit einem atemberaubenden Panorama vor Augen?
Es ist warm, windstill und der blanke Himmel mahnt
auch nicht zur Eile. Mir fällt Francis Fox Tuckett wieder
ein, der nicht selten im Eiltempo die Alpen durchforstete,
oft als einer der Ersten auf einen Gipfel spurtend. Wie
gerne hätte er den Gran Paradiso auf seiner Umrundung
1859 mitgenommen, doch die Grivola lockte ihn mehr:
«The harder nut of the two to crack». Nicht ohne Stolz
schreibt er dann aber in «Peaks, Passes and Glaciers»,
dem Vorläufer des berühmten Alpine Journals, dass
er die Unterwerfung des Königs der Grajischen Alpen
Mr. Cowell und seinem Trupp gönne. Oder wurmte es
ihn vielleicht doch? Denn ein Jahr später (1861) folgte
er den Fussstapfen der Erstbesteiger, um in der zurück­
gelassenen Gipfelflasche auch seinen Namen zu hinterlassen.
Fast hätten wir die Abzweigung des Höhenweges verpasst, der zurück nach Pont führt – in welch einer Kulisse! Krönung ist die Chabod Hütte, deren Lage unter der
Nordwand des Gran Paradiso das schönste Abendglühen
des begehrten Viertausenders offeriert. ✸
Das schönste Abendglühen als Krönung
Nach einem kräftigen Anstieg erreichen wir das Rifugio
Vittorio Sella, eine der beliebtesten Hütten im Nationalpark. Obwohl Sohn Maurizio Mappelli längst die Geschäf-
TEXT UND Fotos
Iris Kürschner
rukka AG - Wiesenstrasse 1 - CH-9327 Tübach - Phone +41(0)71 841 28 28 - Fax +41(0)71 841 28 16
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