newsletter - Aidshilfe Rheinland

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newsletter - Aidshilfe Rheinland
NEWSLETTER
die Aids-Hilfen in Rheinland-Pfalz
AUSGABE MAI/JUNI 2016
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In dieser Ausgabe
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Liebe Leserinnen und Leser,
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Bedarfsorientiert, integriert, sektorenübergreifend (BIS) 2030
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Aus „Gib AIDS keine Chance“ wird „LIEBESLEBEN“
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Präventionsveranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften von Juvente
8IDAHOT
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Projekt „GAIA“ in Koblenz
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11. Trier Nacht der Solidarität
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Vorschau auf zukünftige Veranstaltungen der Aids-Hilfe Mainz
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Neues aus der AIDS-Hilfe Arbeitskreis Ludwigshafen
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Workshops von RAT&TAT Koblenz zu HIV und Hepatitis C
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HIV & your Body: Neue Termine in Trier
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Medizinische Rundreise in Landau: noch wenige Plätze frei!
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Frühlingsfest der AIDS-Hilfe Trier am 21. Mai
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Im Sumpf der Drogen
http://aidshilfe-rlp.de
AH RLP * Landesverband - Saarstrasse 55, 54290 Trier - 0651-9704420
AH Trier * Saarstr.55, 54290 Trier - 0651-970440 http://aidshilfe-rlp.de/trier
RAT&TAT Koblenz * Moselweißerstr. 65, 56073 Koblenz - 0261-16699
http://aidshilfe-rlp.de/koblenz
AH Kaiserslautern * Pariserstr. 23, 67655 Kaiserlsautern - 0631-18099 http://aidshilfe-rlp.de/kaiserslautern
AH Landau * Weißenburgerstr. 2b, 76829 Landau - 06341-88688
http://aidshilfe-rlp.de/landau
AH Ludwigshafen * Frankenthaler Str. 71, 67059 Ludwigshafen - 0621-68567521
http://checkpoint-ludwigshafen.com
AH Mainz * Mönchstrasse 17, 55130 Mainz - 06131-222275
http://www.aidshilfemainz.de
Mitwirkende am Newsletter (Texte, Redaktion und Layout)
ub - Ulrike Bischoff bg - Bernd Geller
hj - Hanna Jones
ml - Mike Ludwig
fk - Frank Kürsten
AIDS-, Drogen- und Jugendhilfe Landau e.V.
AIDS-Hilfe Trier e.V. ( & Redaktion)
RAT&TAT Koblenz e.V.
AIDS-Hilfe Ludwigshafen e.V.
AIDS-Hilfe Mainz e.V. ( & Layout)
Weitere Infos zur Arbeit der AIDS-Hilfen in Rheinland-Pfalz unter www.aidshilfe-rlp.de.
Der nächste Newsletter erscheint im Juli 2016.
Liebe Leserinnen und Leser
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Liebe Leserinnen und Leser,
Bedarfsorientiert, integriert, sektorenübergreifend: Diese drei Schlagworte kennzeichnen die neue
HIV- und STI-Bekämpfungsstrategie der deutschen Bundesregierung und sie stehen für nichts Geringeres als das Bemühen, die AIDS-Epidemie bis 2030 weltweit zu beenden. Wir möchten Ihnen dieses ambitionierte Projekt näher vorstellen und die Rolle beleuchten, die den AIDS-Hilfen in diesem
Prozess zukommen soll. Als Gestalterinnen HIV- und STI-bezogener Präventionsarbeit, Beratung
und Testung, von Selbsthilfe und Unterstützungs- und Begleitungsangeboten sind und bleiben die
deutschen AIDS-Hilfen zentrale Akteure der AIDS-Arbeit in Deutschland.
Ein anderer dieser zentralen Akteure ist zweifelsfrei die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Sie hat nach fast drei Jahrzehnten das erfolgreiche „Gib AIDS keine Chance“ in die
neue Kampagne „LIEBESLEBEN“ überführt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und BZgA-Chefin Dr. Heidrun Thaiss haben „LIEBESLEBEN“ Anfang Mai der Öffentlichkeit vorgestellt. Wir
möchten Ihnen einen ersten Einblick in die neue Kampagne geben.
Wie in jedem Jahr steht der Mai in den rheinland-pfälzischen AIDS-Hilfen ganz im Zeichen des
IDAHOT bzw. IDAHOBIT: Des Internationalen Tages gegen Homophobie, Biphobie und Transphobie. Was in den einzelnen Regionen rund um den Gedenktag organsiert und ausgerichtet wurde, ist
eines unserer Schwerpunktthemen in diesem Newsletter.
Weitere Themen sind u.a. die 11. Trierer Nacht der Solidarität, das GAIA-Projekt von RAT & TAT
Koblenz e.V., das Frühlingsfest der AIDS-Hilfe Trier e.V. sowie verschiedene interessante neue Workshop- und Partytermine in Koblenz und Ludwigshafen. Im dritten Teil des Specials „Im Sumpf der
Drogen“ beschäftigt sich unsere „Leseratte“ dieses Mal mit der Frage: „Warum sind wir süchtig?“
Eine interessante Lektüre wünscht Ihr
Newsletter-Team
Bedarfsorientiert, integriert, sektorenübergreifend
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Bedarfsorientiert, integriert, sektorenübergreifend (BIS) 2030
Neue Strategie der Bundesregierung zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen
sexuell übertragbaren Infektionen
Die Zielsetzungen sind anspruchsvoll: Bis 2030 sollen weltweit die AIDS- und Tuberkulose-Epidemien beendet, der Kampf gegen Hepatitis B und C deutlich intensiviert und der universelle Zugang zu
Diensten und Informationen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte sichergestellt
sein. So sieht es zumindest die „Agenda 2030“ vor, die die Internationale Gemeinschaft aufgestellt hat.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hat sich den Agenda-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung
verpflichtet. Aber lassen sich diese hochgesteckten Ziele tatsächlich verwirklichen und wenn ja, wie?
Mit „BIS 2030“ hat die Bundesregierung im April diesen Jahres eine neue Strategie zur Eindämmung
von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen vorgelegt. „BIS“ steht dabei für „bedarfsorientiert, integriert, sektorenübergreifend“. Einfacher formuliert: Die Maßnahmen der Gesundheitsförderung sollen
an unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichem Bedarf an Informationen, Beratungs-, Testungs-, Selbsthilfeund Unterstützungsangeboten gerichtet sein. Bei der konkreten Ausgestaltung solcher Angebote können und sollen
staatliche und nichtstaatliche Stellen eng miteinander kooperieren.
Aus unserer Sicht besonders begrüßenswert: Die AIDS-Hilfen werden gleich an mehreren Stellen des Strategiepapiers
als zentrale Akteure der Selbsthilfe sowie der zielgruppenspezifischen Informations- und Präventions-, Beratungs- und Testangebote hervorgehoben. Damit wird zum
einen der Beitrag gewürdigt, den die AIDS-Hilfen bereits
heute in ihrer Arbeit mit und für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Jugendliche, intravenös Drogen konsumierende Menschen, Sexarbeiter_innen und ihre Kunden,
trans*-Menschen, Migrant_innen und Flüchtlinge und
Bundesministerium für Gesundheit (2016)
auch die Allgemeinbevölkerung leisten; zum anderen können viele der geplanten neuen Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV und STIs nicht wirken, wenn sie nicht von Multiplikator_innen wie den AIDS-Hilfen
in die Sprachen ihrer jeweiligen Zielgruppen übersetzt an den einzelnen Menschen weitergegeben
werden.
So werden die AIDS-Hilfen ganz konkret benötigt, um die HIV- und STI-Testbereitschaft auf dem be-
LIEBESLEBEN
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stehenden Niveau zu halten bzw. weiter zu erhöhen. Angesichts der Tatsachen, dass immer noch ein
Drittel aller HIV-Neudiagnosen erst in einem bereits fortgeschrittenen Krankheitsstadium erfolgen,
dass viele Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Infektionen noch nicht diagnostiziert sind und dass lediglich
12 % der Frauen unter 25 Jahren das jährliche Chlamydien-Screening in Anspruch nehmen, bleibt
hier noch vieles zu tun. Aber auch in der Vermittlung aktueller Informationen über Schutzmaßnahmen wie Kondomnutzung, HPV-Schutzimpfung, HIV-PEP und vielleicht auch in absehbarer Zeit der
HIV-PrEP sind die AIDS-Hilfen als fachlich versierte Beratungsstellen gefragt.
Es bleibt zu hoffen, dass „BIS 2030“ nicht bloß eine wohlklingende Absichtserklärung bleibt, sondern
sich auch in der konkreten Politik auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene niederschlagen wird.
Laut BIS-Strategiepapier stellen die „Wahrung der sexuellen Rechte und die Akzeptanz von Diversität
sowie die Selbstbestimmung des Einzelnen und die Eigenverantwortung, sich selbst und andere zu
respektieren und zu schützen […] wesentliche Prinzipien“ der bundesdeutschen HIV- und STI-Bekämpfungsstrategie dar. Ebenso wird auf die „Einbeziehung der Selbsthilfe, Empowerment und Partizipation“ als „zentrale Grundpfeiler der bisherigen Erfolge“ verwiesen. Das klingt erst einmal gut.
Die entscheidende Frage ist jedoch, ob diese Grundsätze auch ihren Widerhall finden werden in der
gesetzlichen Neuregelung des Prostitutionsgesetzes, der Flüchtlingspolitik, den parteipolitischen
Auseinandersetzungen mit den wieder lauter werdenden rechtspopulistischen Positionen in unserer
Gesellschaft und letztlich auch in der finanziellen Ausstattung der Beratungs-, Präventions- und Testangebote.
An diesen Zielen ist der Erfolg von BIS 2030 in Wirklichkeit zu messen und nicht daran, ob das aller
Wahrscheinlichkeit nach doch zu ehrgeizig gesteckte Ziel einer Beendigung der weltweiten AIDS-Epidemie bis 2030 gelingen kann.
Aus „Gib AIDS keine Chance“ wird „LIEBESLEBEN“
28 Jahre sind eine lange Zeit und ein stolzes Alter für eine Gesundheitskampagne. 1987 hat sich wohl
auch niemand vorstellen können, dass die im Auftrag der damaligen Bundesgesundheitsministerin
Prof. Dr. Rita Süßmuth von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelte
nationale AIDS-Präventionskampagne einmal
auf eine so lange Geschichte wird zurückschauen können.
Doch alle guten Dinge kommen bekanntlich
einmal zu einem Ende. Auch wenn sich „Gib
https://www.gib-aids-keine-chance.de
LIEBESLEBEN
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AIDS keine Chance“ über die Jahre immer wieder gewandelt hat, war schließlich der alte Kampagnenname selbst nicht mehr zeitgemäß.
Und so wird nun aus „Gib AIDS keine Chance“ die neue Kampagne „LIEBESLEBEN“: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Dr. Heidrun Thaiss, haben sie Anfang des Monats der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit gut zwei
Wochen sind auch die ersten Plakatmotive der neuen Kampagne in Rheinland-Pfalz und in ganz
Deutschland zu bestaunen.
http://www.liebesleben.de
http://www.liebesleben.de
bzw. genauer gesagt: AIDS fokussiert. „LIEBESLEBEN“ umgeht dieses Problem genauso wie die Tatsache, dass das sperrige
Kürzel „STI“ zwar korrekt sexuell übertragbare InESTUNLIC
fektionen bezeichnet, sich bislang in der Sprache
IFAH.
der Menschen aber noch nicht wirklich einbürgern
konnte. Die Eleganz dieser Umschreibung wird allerdings zu dem Preis eingekauft, dass der Name
„LIEBESLEBEN“ erst einmal in keinem intuitiven
Bezug zum Thema sexuelle Gesundheit steht und
sich die neue Kampagne die Aufmerksamkeit des
alten „Gib AIDS keine Chance“ erst einmal erar-
beiten muss.
dashochhaus.de & stefan-wirkus.de
Die Plakate sind in einem witzigen Cartoon-Stil gehalten, zeitgemäß und daher gerade auch für jüngere Menschen ansprechend. Die bewährte „Benutz‘ Kondome“-Botschaft wird durch die Aussage
„Wenn was nicht stimmt, ab zum Arzt“ ergänzt. STIs sind somit fest integrierter Bestandteil der Kampagne, was der aktuellen epidemiologischen
Situation gerecht wird. Das war zwar zuletzt auch schon bei „Gib AIDS
keine Chance“ der Fall, doch der Kampagnenname war noch stark auf HIV
BUT
KNDOME.
www.liebesleben.de
Eine Aktion der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA), gefördert durch die
Bundesrepublik Deutschland.
Bestell-Nr. 70601007
Ein weiteres Manko: In der aktuellen Cartoon-Kampagne tauchen leider ausschließlich heterosexuelle Paare auf, Homosexualität als gleichwertige sexuelle Orientierung bleibt – ganz der heteronormativen Tradition folgend – unsichtbar. Da war Eure alte Kampagne doch schon deutlich weiter, liebe BZgA!
BZGA-16-02922_GAKC_LL_Cartoons_A2_RZ.indd 4
http://www.liebesleben.de
Allerdings wäre es vorschnell, aus den bisherigen Motiven der Cartoon-Serie auf die komplette Kampagne zu schließen. Auch „LIEBESLEBEN“ wird wieder eine Vielzahl von Maßnahmen zur HIV/
STI-Prävention bündeln wie etwa TV-, Hörfunk- und Kinospots, die Kampagne zum Welt-AIDSTag, die BZgA-Informationsbroschüren zur HIV/STI-Prävention, die Jugendfilmtage, die Ausstellung
„Große Freiheit“ und die Methodenangebote sowie anonyme Telefon- und Online-Beratungsangebote. Wir freuen uns somit auf die Bereicherung unserer Informations- und Präventionsarbeit durch die
Medien und Materialien der neuen Kampagne.
21.03.16 09:08
Präventionsveranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften
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Rückblick auf vergangene Veranstaltungen
Präventionsveranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften von
Juvente
Eine Mitarbeiterin von der Clearingstelle für unbegleitete
minderjährige Asylsuchende der Stiftung Juvente in Mainz
meldete sich Anfang April bei der Aids-Hilfe Mainz wegen Informationsmaterialien für minderjährige männliche
Migranten. Der Mitarbeiter des Präventionsbereichs signalisierte sofort beim Telefonat neben dem Zurverfügungstellen von Präventionsmaterial auch seine Bereitschaft Präventionsveranstaltungen vor den Jugendlichen zu halten. Die Einrichtung nahm den Vorschlag gerne
an und so wurde der Präventionist in die Flüchtlingsunterkunft, die sich in der Zwerchallee in Mainz
befindet, eingeladen. Vor 20 männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren hielt der
Sozialpädagoge einen Vortrag mit den Inhalten, was ist HIV und Aids, welche sexuell übertragbaren
Infektionen gibt es noch und welche Übertragungswege führen zu einer Infektion und bei welchen
Aktionen bzw. Handlungen ist eine Übertragung ausgeschlossen. Des weiteren war der Schutz vor
STI´s, der Kondomgebrauch und die Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen Thema der
Veranstaltung. Der Präventionist hielt den Vortrag in deutscher Sprache und ein Dolmetscher übersetzte die Inhalte für die Teilnehmer in die syrische Sprache. Vielen der Jugendlichen konnte man
anmerken, dass sie bis zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch keinen Kontakt zu Verhütungsmitteln,
insbesondere zu Kondomen hatten. Sie bekamen erst erklärt, was Kondome sind und aus welchem
Material sie bestehen. Die Übung zum Kondomgebrauch lief deshalb etwas zögerlich ab, weil sich die
Teilnehmer mit dem Ganzen erst einmal vertraut machen mussten. Ganz anders als mit Schulklassen,
die meistens schon vor den Präventionsveranstaltungen Kontakt zu Verhütungsmitteln, insbesondere
Kondomen hatten. Die Teilnehmer bedankten sich beim Referenten für den Vortrag und für die Geduld und Zeit, die er sich bei den Kondomübungen für die Jugendlichen nahm.
Anfang Mai fand eine weitere Präventionsveranstaltung vor unbegleiteten jungen männlichen Migranten in einer weiteren Unterkunft von Juvente in Trechtingshausen statt. Hier bekamen die Teilnehmer
das Gehörte in Suaheli, Afghanisch und ins Arabische übersetzt. Viele der Teilnehmer hatten großes
Interesse an den Übertragungswegen und an den alltäglichen Situationen, bei denen man sich nicht
mit HIV infizieren kann. Nebenbei konnte der Sozialpädagoge feststellen, dass die jungen Männer
schon erste Kontakte zu Kondomen geschlossen hatten, denn sie wussten schon einiges über deren
Handhabung und was man beim Gebrauch von ihnen beachten muss.
IDAHOT
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IDAHOT
Jedes Jahr am 17. Mai wird der IDAHOT, der Internationale Tag
gegen Homophobie und Transphobie, begangen.
Leider ist dieser Tag, der an die Streichung von Homosexualität aus der Liste der psychischen Krankheiten durch die WHO erinnert, kein Grund zum Feiern: In 76 Staaten wird Homosexualität nach
wie vor strafrechtlich verfolgt, in sieben Staaten droht sogar die Todesstrafe. Nicht in dieser Statistik
berücksichtigt sind Staaten wie Russland, in denen Homosexualität zwar nicht offiziell verboten ist, in
denen aber offen homosexuell lebenden Menschen staatliche Repressalien drohen sowie kein hinreichender Schutz vor der Bedrohung durch homophobe Angriffe gewährleistet wird.
Ebenso sind transidente Menschen nach wie vor Angriffen, Anfeindungen und Ablehnung ausgesetzt.
Ein schon seit langem nicht mehr zeitgemäßes und in zentralen Teilen vom Bundesverfassungsgericht
bereits als verfassungswidrig außer Kraft gesetztes Transsexuellengesetz legt auch in Deutschland
transidenten Menschen weiterhin immense Hürden in den Weg.
In Rheinland-Pfalz stand der IDAHOT 2016 unter dem Motto „Willkommenskultur für alle Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter*“. Ehrensache, dass sich auch die rheinland-pfälzischen
AIDS-Hilfen jedes Jahr rund um den IDAHOT (oder IDAHOBIT, wie er in Landau heißt), engagieren. Hier ein Rückblick auf den IDAHOT 2016 in den einzelnen Regionen:
IDAHOBIT in Landau: Eine Woche voller Überraschungen
Wie heißt es in einem Spruch so schön: „ Wenn das Leben Dir Zitronen
gibt, mach Limonade draus“ – so ging es uns in diesem Jahr auch…und
wir haben tolle Limonade aus den Zitronen gemacht, die uns vor die
Füße rollten.
© (Aids-Hilfe Landau e.V.)
Eigentlich hatten wir ja für dieses Jahr passend zum neuen Motto auch
ein neues Logo geplant, aber leider erkrankte unser Grafiker vor der
Endphase und konnte uns nicht weiter unterstützen. Was also tun??
Glücklicherweise gibt es in unserem großen Organisatoren-Team einige kreative Köpfe und in einer langen Diskussion konnten wir uns auf
einen der vielen schönen Vorschläge einigen. Mona aus der „HSG für
sexuelle Vielfalt“ hat unser Rathaus in schlichter Strichführung gemalt,
unser Erkennungsmerkmal - das Landauer Reiterstandbild mit der Regenbogenfahne davor gesetzt und voilá – ein super schönes Plakatmo-
IDAHOT
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tiv war gefunden!! Kurz danach erreichte uns die nächste schlechte Nachricht – Holger Edmaier
musste seinen geplanten Auftritt leider aus organisatorischen Gründen absagen. Auf die Schnelle war
auch kein Ersatz mehr zu engagieren, so dass
dieser geplante kulturelle Programmpunkt gestrichen werden musste. Aber auch im nächsten
Jahr gibt es ja wieder einen 17. Mai! Aufgrund
der Pfingstfeiertage war es in diesem Jahr auch
nicht besonders einfach, einen Schirmherrn
für unsere geplanten Aktionen zu finden. Die​
Landrätin des Kreises SÜW und der Bürgermeister der Stadt Landau befanden sich leider
im Urlaub und auch der Oberbürgermeister unserer Stadt konnte aufgrund anderer Termine
das Amt nicht übernehmen. Aber eine Veran(Foto: Aids-Hilfe Landau e.V.)
staltungswoche ohne einen Schirmherren? Wir
waren der Meinung das geht nicht und so fragten wir den Vorsitzenden der SPD-Fraktion des rheinland-pfälzischen Landtages Herrn A. Schweitzer an, ob er sich vorstellen könnte, dieses „ Amt“ zu
übernehmen und an unserem Infostand einige Grußworte zu sprechen. Glücklicherweise stimmt er
zu und so konnten wir auch diesen Punkt erfolgreich auf der To-do-Liste abhaken.
Aber was lief denn eigentlich in Landau an diesen Tagen?
Den Start der IDAHOBIT-Woche machte die zweimalige Vorführung des Filmes „Sommersturm“ für
Schüler der regionalen Schulen am Montag und am Mittwoch der Veranstaltungswoche. „Sommersturm“, ein Coming-of-Age-Film, behandelt unter anderem die Coming-Out-Geschichte des Hauptdarstellers. Mit einer Prise Humor bei der Darstellung von Vorurteilen und Klischees bekamen circa
70 Schüler_innen einen Einblick in Coming-Out-Prozesse und hatten im Anschluss die Möglichkeit,
Fragen zu geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen an unsere Experten zu stellen.
Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Schulen in Rheinland-Pfalz“ war einer der fachlichen Programmpunkte der Woche. Die eingeladenen Gäste, u.a. R.
Haug als Schulleiter der IGS Landau, J. Schulte als Mitbegründer von Queernet und SCHLAU RLP,
Frau C. Niedlich und Dr. M. Lenz von der Universität Koblenz-Landau erzählten viel von ihren Erfahrungen in der Schule, der Universität und dem Alltag und lieferten damit spannende und informative Aspekte zum Diskussionsbereich. Das Fazit des Abends war, dass eine Sensibilisierung für die
LSBT*I*Q-Thematik schon im (Lehramts-)Studium nötig ist, sowie die Wichtigkeit einer Sichtbarkeit von LSBT*I*Q auch im Mikrokosmos Schule.
Einen tieferen Einblick in das Thema Homosexualität in der Schule und in Jugendgruppen und dem
IDAHOT
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Umgang damit erhielten die Teilnehmer der Fortbildung am Donnerstag, die dazu im Kreishaus der
Südlichen Weinstraße stattfand. Frau Fuchs und Herr Grandpierre von Queernet-RLP vorsorgten die
anwesenden Schulsozialarbeiter_innen und Jugendamtsmitarbeiter mit dem nötigen Basiswissen und
Handlungsmöglichkeiten. Auch hier zeigte sich, dass das Zeigen einer „Willkommenskultur“ ein sehr
wichtiger Aspekt in der Arbeit mit Menschen ist, die sich in der Coming-out-Phase befinden.
Der Donnerstagabend konnte gleich mit zwei verschiedenen Programmpunkten aufwarten. Dem
Thema Transsexualität widmete sich ein offener fachlicher Austausch unter dem Thema „Transsexualität:
Psychotherapie – Beratung – Lebensrealität“. Die anwesenden Expert_innen kamen aus den Bereichen
(Kinder- und Jugend-)Psychotherapie, Begutachtungen und Beratung, sowie transsexuelle Menschen,
die sich z.B. politisch im Verein ATME e.V. (Aktion
Transsexualität und Menschenrechte e.V.) stark machen. Sie und die 40 Zuschauer_innen waren aktiv im
Austausch über den Ist-Zustand von transsexuellen
Menschen in Deutschland und wie dieser verbessert
werden kann, eingebunden und konnten so ihre Fragen und Meinungen austauschen.
Zeitgleich, aber durch den
kulturellen Aspekt kein
Konkurrenzprogramm, las
die Herxheimer Autorin R.
Pfanger aus zwei ihrer Bücher, in denen das Thema
(Foto: Aids-Hilfe Landau e.V.)
Homosexualität eine Rolle
spielt. Unterstützt wurde sie von der Cellistin I. Eichenlaub, die durch ihr
gefühlvolles Spiel die Atmosphäre der Bücher sehr gut einfing.
Mit ganz vielen bunten Luftballons wand sich am Samstag der Flashmob
durch Landau und zog das Interesse auf sich. Viele der Besucher blieben auch
am Infostand stehen und fragten in vielen Punkten nach. Sei es zur Situation
von homo- oder transsexuellen Menschen in Deutschland und weltweit, als
auch in Bezug auf die Möglichkeit, das Thema in den Schulklassen anzusprechen. Gut, dass die Ansprechpartner von SchLAu Landau vor Ort waren und
(Foto: Aids-Hilfe Landau e.V.)
ihr Angebot erklären konnten. Natürlich ließen es sich auch viele Politiker
nicht nehmen und besuchten uns am Stand. Neben den Bundes- und Landtagsabgeordneten T. Hitschler und Wolfgang Schwarz, vielen Vertretern der Stadtratsfraktionen, kam auch der Dekan der
IDAHOT
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evangelischen Kirche in Landau, Herr Janke, vorbei. Alle bekundeten ihre Unterstützung und Solidarität zum IDAHOBIT. Nachdem unser Schirmherr A. Schweitzer in seinem Grußwort nochmals die
Wichtigkeit des Themas hervorhob und auch davon sprach, dass es in der neuen Legislaturperiode
zur Einführung von ehrenamtlichen Vielfalts-Beauftragten kommen soll, ließen wir alle zusammen
die Ballons fliegen. Wie immer getreu dem Motto: „Wir lassen die Homophobie fliegen und die Akzeptanz & Toleranz steigen“. Was für ein schönes Bild!!
Harmonisch und familiär verlief der Samstagabend beim gemeinsamen Public Viewing des Eurovision Song Contest im Gloria Kulturpalast. Mit Spannung wurden die Auftritte und die Punktevergabe
verfolgt und heiß diskutiert. Nach den Auftritten der Gesangstars des ESC fing auch die Queerulanten-Party an und zu melodischem House und guten Club-Remixen von Hits der 80er, 90er und
2000er bis heute durch DJ Ted Poole wurde bis in die Nacht hinein getanzt, gelacht, gefeiert.
Und da das Feiern so viel Spaß macht, ging es Pfingstmontag im Café Regenbogen der Landauer
Aids-Hilfe weiter. 30 Gästen bedienten sich am Büffet mit Spargelsuppe, Brötchen, Salaten und Kuchen und lauschten der Musik von Lena & Viola, die sich recht kurzfristig bereit erklärt hatten, den
Abend musikalisch zu bereichern. Schön war es, dass auch neue Gesichter den Weg in unsere Einrichtung fanden - wir hoffen, es hat ihnen so gefallen, dass wir sie mal wieder in einem der anderen
Sonntagscafés begrüßen dürfen?!!
Den Abschluss der Aktionswoche bildete die Vorführung des Films „Freier Fall“. Die Geschichte, die
in diesem Filmdrama beschrieben wird, ist aus dem Leben gegriffen. Ein Bereitschaftspolizist mit
Haus und schwangerer Freundin lernt einen Kollegen kennen und bemerkt, dass er für diesen Kollegen Gefühle entwickelt, die er bisher so nicht kannte. Mehr soll zur Story des Filmes nicht verraten
werden…Leider fanden neben den Organisatoren nur vier Menschen den Weg ins Gloria, so dass
auch der Austausch hinterher eher für die Organisatoren spannend war und schon für ein erstes Fazit
zur Woche genutzt werden konnte.
Rückblickend zeigt sich, dass es auch im dritten Jahr recht schwer ist, die Allgemeinbevölkerung bei
dem Thema zu erreichen. Die Veranstaltungen werden besucht, aber meistens dann doch von denen,
die sich gut damit auskennen oder für die Toleranz und Akzeptanz für LSBTI* kein Problem darstellt.
Aber gerade deshalb müssen und wollen wir uns weiter auf den Weg machen.
Ein großes Dankeschön daher an dieser Stelle an alle Helfer , Mitarbeiter , Ehrenamtler und Mit-Organisatoren, die diese Woche auf die Beine gestellt haben und die sich auch durch die ein oder andere
Zitrone auf dem Weg nicht haben beirren lassen!! DANKE!!!
Projekt „GAIA“ in Koblenz
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IDAHOT in Koblenz
Die queeren Vereine in Koblenz haben auch in diesem Jahr am 17. Mai einen gemeinsamen
IDAHOT-Infostand am Löhrrondell durchgeführt. Selbstverständlich war RAT & TAT Koblenz ebenfalls mit dabei.
IDAHOT in Trier
Schon eine Tradition ist der Trierer „Rainbow Walk“, der am 17. Mai um 18:00 Uhr von der Porta
Nigra bis zum Kornmarkt zog: Nach einer kurzen Eröffnungsrede auf dem Porta-Nigra-Platz fanden
sich „spontan“ viele gleichgeschlechtliche Paare zusammen, die Händchen haltend durch die Trierer
Innenstadt gingen, die oft „unsichtbare“ Homosexualität zu einem sichtbaren und selbstverständlichen Bestandteil gesellschaftlicher Realität werden ließen und wieder bei vielen Passant_innen für
erstaunte Gesichter sorgten. Einige Teilnehmer_innen waren selbst schwul, lesbisch oder bisexuell,
andere wiederum waren heterosexuelle „Verbündete“, die auf diesem Weg ihre Solidarität und ihr Engagement gegen Homophobie und Transphobie bekundeten. Am Kornmarkt fanden sich schließlich
alle „Rainbow Walk“-Paare zur Abschusskundgebung zusammen, zu der die AIDS-Hilfe Trier auch
in diesem Jahr wieder einen eigenen Redebeitrag beisteuerte. Eine tolle Veranstaltung, die sicher auch
in den nächsten Jahren ihre Fortsetzung findet – solange, bis Homo- und Bisexualität sowie Transidentität endlich als Variationen der Normalität verstanden werden und somit nicht mehr „der Rede
wert“ sind.
Projekt „GAIA“ in Koblenz
In diesem Jahr wird bei RAT &TAT Koblenz e.V ein Projekt mit Asylbewerbern für Asylbewerber
durchgeführt. Das Projekt heißt Gaia (Gesunder Alltag in Asylbewerberheimen). Beim Projekt geht
es darum, gemeinsam mit Asylbewerbern anschauliches und selbsterklärendes Informationsmaterial
zu den Themen Hygiene/STIs (sexuell übertragbare Infektionen) zu erstellen. Dabei soll im Vordergrund stehen, dass die Asylbewerber selbst dafür sorgen können, gesund zu bleiben. Vor allem in Anbetracht des engen Zusammenlebens in Erstaufnahme- und Sammelunterkünften muss dem Schutz
vor Infektionsrisiken eine wichtige Bedeutung zugemessen werden.
Ziel des Projektes ist es außerdem, RAT&TAT Koblenz e.V. als Ansprechpartner für den Bereich „sexuelle Gesundheit“ bekannt zu machen. Da Prävention eine unserer Hauptaufgaben darstellt, werden
wir darüber hinaus interessierte MitarbeiterInnen der Einrichtungen schulen.
Das Projekt wird finanziell durch die LZG und die JoHo-Schängel-Stiftung gesponsert.
Trierer Nacht der Solidarität
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11. Trierer Nacht der Solidarität
Bereits zum 11. Mal beteiligt sich die AIDS-Hilfe Trier an der deutschlandweit stattfindenden „Nacht
der Solidarität“ und ruft damit zur Solidarität und zum Engagement im Kampf gegen HIV auf. Schwerpunkt ist auch in diesem Jahr Südafrika, denn nach wie vor ist dieses Land eine der am stärksten von
der HIV-Pandemie betroffenen Gegenden weltweit. In den vergangenen Jahren konnten auch dank
internationalen Engagements immer mehr betroffene Menschen eine lebensrettende antiretrovirale
Therapie beginnen. Gleichzeitig konnten die Neuinfektionsraten durch zahlreiche Präventionsbemühungen markant gesenkt werden. Dennoch erscheint gerade in Subsahara-Afrika die von der internationalen Gemeinschaft ausgegebene Losung, man wolle AIDS bis 2030 besiegen, nach wie vor als zwar
erstrebenswerte, aber dennoch eher realitätsferne Utopie.
Auch in diesem Jahr sammelt die AIDS-Hilfe Trier e.V. bei der Nacht der Solidarität Spenden, die je
zur Hälfte an die Jugendpräventionsarbeit vor Ort und die Arbeit des HOPE-Projektes in Kapstadt
fließen. HOPE ist eine wichtige NGO, die sich in Südafrika gegen HIV engagiert. HOPE betreibt
Präventionsarbeit, unterstützt Menschen mit HIV und Kinder, deren Eltern an AIDS verstorben sind.
Die 11. Trierer Nacht der Solidarität startet am Samstag, 11. Juni, um 17:00 Uhr auf dem Trierer
Kornmarkt. Schirmherr ist Oberbürgermeister Wolfram Leibe, der gegen 22:30 Uhr die Schweigeminute eröffnet. Dann werden auch wieder um die 300 Kerzen, aufgestellt in Form einer AIDS-Schleife,
entzündet. Außerdem freuen wir uns sehr, in diesem Jahr mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer einen
ganz besonderen Ehrengast begrüßen zu dürfen. In der etwa sechsstündigen Veranstaltung erwartet
die Gäste wieder ein buntes Programm mit Live-Auftritten zahlreicher Trierer Musiker_innen, die
das Event kostenlos unterstützen.
Wir würden uns freuen, Sie bei unserer Nacht der Solidarität ebenfalls begrüßen zu dürfen!
Veranstaltungen der Aids-Hilfe Mainz
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Vorschau auf zukünftige Veranstaltungen der Aids-Hilfe Mainz
5.Juli 2016 – Aktionstag zur Nacht der Solidarität
Am Dienstag, den 5.Juli wird es den 7.Aktionstag zur Nacht der Solidarität der Mainzer Aids-Hilfe auf
dem Neubrunnenplatz geben. Diese Veranstaltung wird die Beratungsstelle gemeinsam in Kooperation mit dem Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz, ELAN e.V., UNICEF Mainz
und dem Eiscafé N´Ice aus der Neustadt durchführen.
Das Motto des diesjährigen Aktionstages heißt „Ein Ende von Aids ist möglich,
wenn…“ und wurde vom Aktionsbündnis
gegen Aids festgelegt.
In der Zeit von 12.00-18.00 Uhr werden die
teilnehmenden Organisationen mit Präventions, -Informations, -und Aktionsständen
vor Ort sein. Gemeinsam wollen wir auf die
Hürden, die für ein Ende von Aids sprechen,
hinweisen und machen uns stark gegen
Aids-Hilfe Mainz e.V.
Nacht der Solidarität 2015
Stigmatisierung und Diskriminierung von
HIV-positiven und an Aids Erkrankten, aber auch für Menschen, die einem höheren Infektionsrisiko
ausgesetzt sind.
Das Aktionsbündnis gegen AIDS ist ein Netzwerk aus 300 Gruppen und Organisationen. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, das ALLE Menschen weltweit den benötigten Zugang zu HIV-Prävention,
Behandlung, Betreuung und Pflege erhalten. Dieses Anliegen betrifft vor allem die benachteiligten
Länder. Näheres zum Aktionsbündnis gegen Aids und seinen Zielen können Sie nachlesen unter www.
aids-kampagne.de. Wenn Sie Näheres zum Aktionstag erfahren möchten, können Sie den Mitarbeiter für Prävention und Öffentlichkeitsarbeit Thomas Becker unter www.aidshilfemainz.de oder unter
06131-222275 erreichen.
AIDS-Hilfe Arbeitskreis Ludwigshafen
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Neues aus der AIDS-Hilfe Arbeitskreis
Ludwigshafen
Workshop „Psychische Erkrankungen bei HIV“ am 02.06.2016
Herr Dipl.-Psych. Christopher Knoll
von der Beratungsstelle der Münchener
Psychische
AIDS-Hilfe e.V. und Frau Annette Piecha
Erkrankungen
vom Kompetenznetz HIV/AIDS e.V. setbei HIV
zen den Schwerpunkt auf psychische He02. Juni
rausforderungen für Menschen mit HIV/
AB 18.30 H
AIDS. Themen sind u. a., wie wir Symptome rechtzeitig erkennen und was wir
tun können, um uns gesund zu halten
oder gesund zu werden. Für einen kleinen Snack wird gesorgt sein.
Workshop
Wir bitten um schriftliche oder telefonische Anmeldung.
Dildo-Party
Am Freitag, 10. Juni ab 17:00 Uhr wird es
im Check-Point lustvoll. Wir laden euch
10. Juni zur ersten frech-spritzigen Dildo-Parab 17.00 h
ty ein. Unsere Beraterin Nicole von der
Firma Liebesengel präsentiert in lockerer
Atmosphäre hochwertige Dildos sowie
Vibratoren für Sie und Ihn, Öle, Cremes,
Gleitmittel und vieles mehr. Durch die
Präsentation könnt ihr alle Produkte sehen und fühlen. Lasst euch live verzaubern und genießt den Abend.
Einen kleinen Snack wird es ebenfalls geben. Bitte meldet euch telefonisch oder schriftlich bei Interesse an.
Dildo-Party
Entspannungsgruppe
15.30 - 17.30 H
06. Juni
20. Juli
GAY & GRAY
AB 19.00 H
01. Juni
06. Juli
immer am 1. Mittwoch im Monat
AIDS-Hilfe Arbeitskreis Ludwigshafen
16
Aids-Hilfe, Arbeitskreis Ludwigshafen
Frankenthaler Str. 71 - 67059 Kudwigshafen
Telefon:
Email:
0621 - 68567521
[email protected]
Mo-Di-Do-Fr
Mi
11:00 - 15:00 Uhr
geschlossen
Workshops von RAT&TAT Koblenz zu HIV und Hepatitis C
Workshop-Termine in Koblenz
Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung erwünscht
unter 0261-16699 oder per Email an [email protected]
WORKSHOPS VON RAT&TAT KOBLENZ
WORKSHOPS VON RAT&TAT KOBLENZ
HIV Umgang mit
Langzeitnebenwirkungen
Heilung, Möglichkeiten 2016
Erfahrungen mit den neuen Therapien
6. Juli 2016
18.00 h
19. Oktober 2016
18.00 h
Referent: Dr. Ansgar Rieke
Moderation: Annette Piecha
Referent: Dr. Ansgar Rieke
Moderation: Annette Piecha
Konferenzzentrum, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein
Koblenzer Str. 115-155
56073 Koblenz
mit freundlicher Unterstützung durch
Hepatitis C
Konferenzzentrum, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein
Koblenzer Str. 115-155
56073 Koblenz
HIV & your Body
17
mit freundlicher Unterstützung durch
HIV & your Body: Neue Termine in Trier
Die medizinische Behandlung der HIV-Infektion hat enorme
Fortschritte gemacht. Dennoch ist eine gelingende Therapie
weiterhin auf informierte, selbstverantwortliche und mündige
Patienten angewiesen.
WORKSHOPS IN DER AIDS-HILFE TRIER
Um Menschen mit HIV zu unterstützen, sich im Dschungel der
verschiedenen Medikamenten und Kombinationen zurecht zu
finden, sich über Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten und Medikamentengruppe zu informieren und deren
Auswirkungen auf Körper und Psyche richtig einzuschätzen,
haben wir eine Workshopreihe initiiert, die am 9. Mai 2016
startet.
9. Mai 2016
18.00 - 20.00 h
Eins, zwei, drei, ganz viele
Wechselwirkungen zwischen
HIV-Medikamenten und dem Rest
der Welt
Referent: Bernd Vielhaber, Medizinjournalist
Moderation: Annette Piecha, HIV-Hepatitis-Contact
AIDS-Hilfe Trier e.V.
Saarstr. 55
54290 Trier
WORKSHOPS IN DER AIDS-HILFE TRIER
Für uns wesentlich ist, dass in den Workshop kein „trockenes“
medizinisches Wissen vermittelt wird, das nur wenige verstehen, sondern dass die TeinnehmerInnen die Möglichkeit
erhalten, das persönliche Infektionsgeschehen interaktiv zu
reflektieren und in dieser fachlich begleiteten Auseinandersetzung Informationen neu verarbeiten und selbststärkend integrieren können.
Besonders freut uns, dass wir für die Workshops drei versierte
ExpertInnen als ReferentInnen gewinnen konnten:
1. Annette Piecha, Beraterin, Referentin und Trainerin im Bereiche HIV
und AIDS, Gründerin von „HIV-Hepatitis-Contact“ im Kompetenznetz HIV und AIDS
2. Bernd Vielhaber: freiberuflicher Medizinjournalist mit den Schwerpunkten HIV/Aids, Hepatitis und sexuell übertragbare Krankheiten
3. Siegfried Schwarze, Mikrobiologe, Herausgeber von Projekt Information, langjähriger Aids-Aktivist und Mitglied im Patientenbeirat des
Kompetenznetzes HIV und Aids.
Wir freuen uns sehr auf Ihre/Eure Teilnahme, bitten aber
zwecks Planung um telefonische Anmeldung bei Jürgen
Birster, AIDS-Hilfe Trier e.V., Tel 0651/97044-17 oder per
Mail an [email protected].
HIV und Depression
4. Juli 2016
18.00 - 20.00 h
Referent: Bernd Vielhaber, Medizinjournalist
Moderation: Annette Piecha, HIV-Hepatitis-Contact
AIDS-Hilfe Trier e.V.
Saarstr. 55
54290 Trier
WORKSHOPS IN DER AIDS-HILFE TRIER
Aktueller Stand der HIV-Therapie
und
Ausblick auf das, was noch kommt
5. September 2016
18.00 - 20.00 h
Referent: Siegfried Schwarze, Projekt Information
Moderation: Annette Piecha, HIV-Hepatitis-Contact
AIDS-Hilfe Trier e.V.
Saarstr. 55
54290 Trier
Medizinische Rundreise in Landau
18
Medizinische Rundreise in Landau: noch wenige Plätze frei!
Mit der medizinischen Rundreise hat die DAH eine tolle Seminarreihe geschaffen, um den Beratungsstellen vor Ort die neuesten Erkenntnisse aus den Arbeitsfeldern HIV, sexuell übertragbare Krankheiten und Hepatitiden zu vermitteln. In den Fortbildungen wird nicht nur viel Wert auf den fachlichen
Input gelegt, sondern auch Diskussion und Nachfragen der Teilnehmer sind gewünscht, so dass das
neue Wissen gut und schnell weitergegeben werden kann.
Neben den aktuellen Aspekten der Behandlungsrealität sind weiterhin folgende Themen Inhalte des
Seminars:
1. Neue Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen von HIV
2. Medikamentöse und medizinische Ansätze der Prävention (aktuelle Studien und Erkenntnisse zu PrEP, PEP, etc.)
3. Verhaltensorientierte Ansätze der Prävention (Safer Sex und Schutz durch Therapie; Serosorting und Seropositioning
etc.)
4. Testverfahren, HIV-Schnelltest (Funktion, Aussagekraft und Verlässlichkeit sowie eine Abwägung der Vor- und Nachteile von Testverfahren)
Welche Schwerpunkte im Seminar genau besprochen werden, orientiert sich an den konkreten Fragen der Teilnehmer und ist abhängig vom Wissensstand. Einzelne Themen werden möglicherweise
intensiver, andere vielleicht oberflächlicher behandelt. Vorkenntnisse zu den Grundlagen der HIV Infektion werden voWORKSHOP IN DER AIDS-HILFE LANDAU
rausgesetzt.
Die Medizinische Rundreise
„Neue Erkenntnisse in der
Die Fortbildung richtet sich in erster Linie an Fachkräfte aus
Grundlagenforschung AIDS-Hilfen, Gesundheitsämtern und anderen Einrichtunneue Ansätze in der Prävention“
gen, aber auch Betroffene, deren Angehörige und sonstige In9. Juni 2016
10.00 - 17.00 h
teressierte sind herzlich willkommen. Um in einen guten Aus(incl. Mittagsimbiss)
tausch zu dem Thema zu kommen, ist die Teilnehmerzahl auf
Referent: Bernd Vielhaber, Edemissen
20 begrenzt. Die Veranstaltung ist kostenfrei, ÜbernachtungsModeration: Ulla Clement-Wachter, Stuttgart
AIDS-, Drogen- und Jugendhilfe Landau e.V.
kosten oder Fahrtkosten können nicht von den Veranstaltern
Weißenburger Straße 2b
76829 Landau
übernommen werden.
Teilnahmebestätigungen werden an die Teilnehmer ausgegeben.
Nähere Informationen und verbindliche Anmeldungen bitte bis zum 18. Mai2016 unter info@
aids-drogen-jugendhilfe.de oder unter 06 341 / 88 6 88.
Frühlingsfest der AIDS-Hilfe Trier
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Frühlingsfest der AIDS-Hilfe Trier am 21. Mai
FRÜHLINGSFEST IN DER AIDS-HILFE TRIER
Unterhaltungsprogramm
leckeres Essen
Getränke
21. Mai 2016
14.00 - 22.00 h
im Hinterhof der
AIDS-Hilfe Trier e.V.
Saarstr. 55
54290 Trier
Zum Start in die Freiluftsaison lädt die AIDS-Hilfe Trier e.V. herzlich ein zu ihrem diesjährigen Frühlingsfest am Samstag 21. Mai in den „Hinterhof “ in die
Saarstraße 55. Zwischen 14:00 und 22:00 Uhr möchten
wir bei einem bunten Unterhaltungsprogramm und leckerem Essen und Getränken mit Euch feiern, Euch die
AIDS-Hilfe und ihre Mitarbeiter_innen vorstellen und
mit Euch einen schönen Frühlingstag genießen.
Alle Einnahmen kommen selbstverständlich dem Förderverein der AIDS-Hilfe Trier und damit unserer Präventions- und Betroffenenarbeit zugute.
Wir freuen uns auf Burritos (mit Huhn/vegetarisch/vegan) von Burritos Hermanos und die beliebten
Cocktails vom Louisiana. Außerdem erwarten Euch Kaffee und Kuchen, Pommes, Frühlingsbowle
und Sekt und ein Getränkestand.
Im Sumpf der Drogen
20
Im Sumpf der Drogen
Teil 3
Warum sind wir süchtig?
Bisher hatten wir uns angeschaut, wie der Krieg gegen die Drogen
geführt wurde und dass und wie drogengebrauchende Menschen unter diesem Krieg am meisten gelitten haben. Von der Prohibition des
Alkohols in Amerika und deren unrühmlichem Ende, von der Verfolgung Billie Holidays durch Harry Anslinger und dem ‚Reefers Madness’, und von den Kartellen in Mexiko und den Angels in Ciudad
Juaréz. Wir sahen, dass Drogen gerade in den Innenstädten Amerikas
immer noch oder gerade wegen der Strafverfolgung noch immer
Menschen ins Elend stürzen und was das amerikanische Rechtssystem
dem in „Tent City“ entgegenzusetzen hat. Wenn man schon von einem Krieg sprechen kann, fragt man sich spätestens jetzt, worin der
Sinn in einem solchen „Kampf“ liegt. Es klingt natürlich gut, wenn
die Vereinten Nationen offiziell verlauten lassen, eine „drogenfreie
Welt zu schaffen“. Wer (außer den Gebrauchern natürlich) würde
dem nicht sofort zustimmen? Die UN meint, es gäbe keinen „Drogenkonsum zur bloßen Entspannung“. Jemand, der es gewohnt
ist, Entspannung durch „legale“ Mittel zu erreichen (oder sie zur
Freude der Pharmaindustrie vom Arzt verschrieben bekommt),
wird auch diesem Argument zustimmen. Die etablierte Wissenschaft und die Politiker, die sie finanzieren, gehen davon aus,
dass nur der Mensch (als Krönung der Schöpfung) die Fähigkeit
besitzt, sich willentlich und motiviert zu einem bestimmten
Zweck Drogen zuzuführen. Und in diesem Moment betritt Ronald Siegel die Bühne.
Im Sumpf der Drogen
21
Im Verlauf vieler Untersuchungen, Beobachtungen und Experimente mit Tieren aller Art,
hatte der Forscher versucht Mungos mit halluzinogenen Drogen zu füttern. Dazu benutzte
er ein Alkaloid, das er aus der Pflanze Ipomea violacea gewonnen hatte
und das beim Menschen LSD-artige Zustände verursacht. Die Tiere
probierten davon, aber auch nicht mehr. Sie ließen die Pflanze einfach
liegen. Als eines Tages ein Mungo-Männchen um sein verstorbenes
Weibchen „trauerte“, konnte Siegel etwas Interessantes beobachten: auch wenn das Männchen
vorher die Pflanze mit dem Wirkstoff vermieden hatte, fraß es jetzt
freiwillig davon und gab sich anschließend seinem Rausch hin.
Im Tierreich sei das kein Einzelfall, weiß Siegel. Katzen lieben Katzenminze,
Mungos in Hawaii, Elefanten in Südafrika und Heuschrecken haben ihre bevorzugten Pflanzen, mit denen sie sich in eine Art Rauschzustand versetzen können.
Wieder einmal wird dem Menschen etwas von seiner „Einzigartigkeit“ genommen. Auch Tiere können sich gezielt Drogen zuführen. In seinem einzigartigen Buch „Intoxication“ bringt er dafür eine ganze Menge Beispiele. In Indien wird aus der Mahua-Pflanze
nicht nur Öl, sondern auch ein alkoholisches Getränk hergestellt. Im Jahr 2012 wurde eine
Herde Elefanten von dessen Geruch angelockt und sie machten sich gierig über das Getränk
her. Im Rauschzustand liefen sie Amok und töteten dabei fünf Menschen. So ungefähr wie
™ 21 ˜
Im Sumpf der Drogen
22
auf der Abbildung auf der vorherigen Seite könnte das hinterher ausgesehen haben.
In diesen und anderen Beobachtungen sieht Siegel einen Beleg dafür, dass wir Menschen
gut in die evolutionäre Abstammungsreihe passen. Besoffene Kühe, bestonte Büffel und
torkelnde Bienen erzählen auch eine Geschichte über den Menschen. Im ewigen Kreislauf
ums Fressen und gefressen werden haben sich unzählige Pflanzen (und auch Tiere) vor ihren
Fressfeinden durch die Entwicklung giftiger Chemikalien zu schützen gewusst. Manche
davon sind so giftig, dass der einmalige Genuss tödlich ist (wie zum Beispiel beim Tabak),
andere Gifte führen zu den bekannten Nebenwirkungen und können das Bewusstsein verändern. Wenn wir Menschen also zu diesen betäubenden Mitteln greifen, unterscheiden wir
uns gar nicht so stark von anderen Tieren.
Denn ohne Chemie und chemische Stoffe
wäre unsere Welt ziemlich reizlos. So gibt es
zum Beispiel in unserem Gehirn den Botenstoff Dopamin, der uns in entsprechenden
Situationen Freude, Euphorie und das Gefühl der Belohnung vermittelt (u.a. beim Orgasmus), quasi auf „natürliche“ Weise.
Amphetamine und Kokain stimulieren dieses
System und verstärken den Belohnungscharakter. Opiate greifen in das körpereigene Endorphinsystem ein, das u.a. immer dann aktiviert wird, wenn wir Schmerzen empfinden.
Sie eignen sich deshalb hervorragend als Schmerzmittel. Keine Droge könnte in unserem
Körper eine Wirkung entfalten, wenn wir nicht die entsprechenden Rezeptoren zur Verfügung hätten, die uns mitteilen, dass die Droge überhaupt da ist. Und da sich unser Körper
nicht im Hinblick auf einen zukünftigen Drogenkonsum entwickelt hat, müssen diese Systeme in uns auch ihren biologischen Sinn machen. Was also fangen wir mit einem Gehirn
an, das unter normalen Bedingungen ein Gefühl der Belohnung produziert (wie beim Dopaminsystem), jedoch zu Halluzinationen führt, wenn es überreagiert (wie beim Drogengebrauch, oder bei psychischen Störungen wie der Schizophrenie)? Siegel gibt darauf die einfache Antwort: Wir nutzen diese Systeme aus! Genauso wie Tiere neigen wir dazu, unter
bestimmten Umständen die Grenzen zu überschreiten. Wie Tiere diese Grenzüberschreitung empfinden, können wir nicht wissen. Wir wissen aber, dass es dem Menschen wichtig
ist, sich dieser Grenze immer wieder und mit voller Intention zu nähern, um einen kleinen
Blick darauf zu werfen, was sich jenseits davon befindet. Das macht er, seit er beim Naschen
fremdartiger Pflanzen diese Jenseitserfahrung gemacht und überlebt hat. Anthropologen
und Archäologen bestätigen dies immer wieder. Den eleusinischen Mysterien wurde schließlich im vierten nachchristlichen Jahrhundert der Garaus gemacht. Der Mensch mit der
Fähigkeit zur chemischen Ekstase war undenkbar. Auf die gleiche Weise wurde mit dem
Im Sumpf der Drogen
23
steigenden Einfluss der christlichen Lehre der Sexualität Einhalt geboten, sie wurde in Ketten gelegt und unterdrückt und durfte fürderhin nur in einer Form in Erscheinung treten,
die von oberster Stelle abgesegnet war oder in einer Form, die als solche nach außen keinen
Anschein von Lust und Erotik mehr bot (später sollte dies in Gewand des Freudschen Abwehrmechanismus der Sublimation Soziologen die Gelegenheit geben, auch darin einen
entscheidenden Schritt zu sehen, ohne den die moderne Gesellschaft nicht möglich gewesen sei, denn wer schreibt schon gerne Liebesromane oder komponiert schmachtende Musik, wenn er/sie das gleiche in Echtzeit hätte erleben können).
Von den eleusinischen Mysterien bis zu den Drogendealern in unseren Großstädten, den
wegen Drogenbesitzes oder kleineren Diebstählen inhaftierten Menschen in überfüllten
Gefängnissen ist es jedoch ein weiter Weg. Eine Studie der Vereinten Nationen für Drogenund Verbrechensbekämpfung kommt zu dem Schluss, dass gut 90% der Menschen, die Drogen konsumieren, keinerlei nachteilige oder gar schädigende Folgen zu befürchten haben, ja
(außer dass sie Drogen vorher in ihrem Besitz gehabt haben) noch nicht einmal kriminell
werden. Das wiederum soll bedeuten: Nur 10% aller Drogenkonsumenten haben auch ein
Drogenproblem. In einer weiteren Studie aus dem Jahr 1995 kommt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Schluss, dass Kokain in der überwiegenden Zahl der Fälle
experimentell oder gelegentlich konsumiert wird, der zwanghafte Konsum jedoch eher die
Ausnahme ist. Die amerikanische Regierung wollte der WHO daraufhin die Fördergelder
Beispielhaft seien dafür die „Mysterien im Tempel
von Eleusis“ erwähnt, die von dem Kulturhistoriker
Stuart Walton in seinem lesenswerten Buch „Out of
it“ beschrieben werden. Bei diesem jährlich stattfindenden zehntägigen Fest durfte jeder, der teilnahm,
aus einem Becher trinken, der ein undefiniertes
chemisches Gebräu mit halluzinogener Wirkung
enthielt und die Feiernden hemmungslos werden
ließ. Außerhalb des Festes und während des Rests
des Jahres war der Konsum von Drogen streng untersagt. Das Fest fand mit dem Einzug des Christentums im dritten Jahrhundert ein Ende. Mit dem
Übertritt des oströmischen Kaisers Konstantin in Byzanz zum Christentum stand der Konsum bewusstseinserweiternder Drogen im krassen Gegensatz
zum christlichen Dogma, jeder könne seinen Gott
auf eigene, persönliche Weise erfahren. Damit begann die rigorose Unterdrückung der Lusterfahrung
und des Rauschverlangens in diesem Teil der Welt.
Im Sumpf der Drogen
24
streichen, falls der Bericht veröffentlicht werde. Er wurde nie veröffentlicht, gelangte aber
schließlich doch inoffiziell an die Öffentlichkeit. Unserer Einstellung Drogen gegenüber hat
dies jedoch keinen Abbruch getan. Wie passt diese Erkenntnis zu dem kostenaufwändigen
und verbissenen Kampf, den unsere Politiker
Die „Gründungsväter“ der westlichen Welt
seit Jahrzehnten gegen die Drogen führen?
Wie kann eine Regierung behaupten, es gäbe
... waren schlicht und einfach Drogenkonsumenten:
keinen unproblematischen Konsum, noch
Sie bauten den Stoff an, verkauften ihn und - wichtiger
noch - nahmen ihn zu sich ... die antike Welt kannte
nicht einmal zur bloßen Entspannung? Für
keine Nancy Reagan, führte keinen Milliarden schwewas brauchen wir eine „drogenfreie Welt“,
ren Drogenkrieg, verhaftete keine Menschen, die Drogen nahmen, und hielt Nüchternheit nicht unbedingt
wenn doch nur so wenig Menschen wirklich
für eine Tugend. Man genoss ... und diese Welt, die
ein Problem mit Drogen haben? Es lässt sich
Drogen für einen universell akzeptierten Teil des Lebens hielt, brachte Kunst, Literatur, Wissenschaft und
leider nicht leugnen, dass die 10% problemaPhilosophen hervor ... Der Westen hätte ohne diese
tischer Drogengebraucher genau 100% unsogenannten Junkies und Drogendealer nicht überdauert.
seres Bildes von ihnen ausmachen (jedenfalls
D.C.A. Hillmann (2008). The Chemical Muse. Drug Use and
solange man nicht in Baltimores Ghettos
the Roots of Western Civilization.
oder in Ciudad Juárez wohnt).
In den frühen Siebzigern war Bruce Alexander ein junger Professor für Psychologie an der
Cambridge Universität in Amerika. Er übernahm einen Lehrauftrag über „Gesellschaftsfragen“. Brennende Gesellschaftsprobleme waren zu dieser Zeit der Vietnamkrieg und Drogen. Alexander beschäftigte sich mit dem näher liegenden, dem Drogenproblem. Dazu arbeitete er in einem Zentrum für Abhängige und entdeckte zwei merkwürdige Dinge: erstens
berichteten fast alle Menschen, die er betreute, von einer traumatischen Kindheit (ein Thema, auf das wir später noch im Zusammenhang mit dem kanadischen Arzt Gabór Maté
zurückkommen werden) und zweitens einem Phänomen, das Alexanders spätere berufliche
Laufbahn beeinflusste. In den siebziger Jahren war es (wenigstens einmal) der kanadischen
Polizei von Vancouver gelungen, den Hafen der Stadt komplett zu blockieren, so dass kein
Heroin mehr in die Stadt gelangen konnte. Vancouver ist eine Stadt mit einem extrem hohen Anteil an Drogengebrauchern. Laboruntersuchungen zu dieser Zeit ergaben dann auch
tatsächlich, dass das auf der Straße verkaufte Material kein Heroin enthielt. Nach gängiger
Meinung mussten die davon Abhängigen nun durchdrehen, zumindest sollte sichtbar werden, wie die Junkies unter der Situation an schlimmeren Entzugssymptomen leiden sollten.
Merkwürdigerweise war dies aber nicht der Fall! Sie verhielten sich so wie immer: sie versuchten das nötige Geld durch Raub, Diebstahl oder Prostitution zusammen zu bekommen, aber sie litten nicht unter mehr Entzugserscheinungen als sonst auch. Diese Beobachtung führten Alexander zu einer revolutionären Hypothese, die dem bis dahin gültigen
„gesunden Menschenverstand“ widersprach: „Drogen verursachen keine Abhängigkeit“.
Im Sumpf der Drogen
25
Hoppla! Wie kann das denn sein? Tatsächlich meinte er aus den Erfahrungen, die er mit den
schwerstabhängigen Junkies gemacht hatte, diesen Schluss ziehen zu können. Die Entzugserscheinungen beim Heroin seien zwar äußerst unangenehm, aber letztlich tolerierbar. Einer Literaturrecherche der Jahre 1875 bis 1968 zufolge sei noch kein einziger
Mensch an den Folgen eines Heroinentzugs gestorben, auch wenn die Droge abrupt abgesetzt wird. Die Meinung der etablierten Forschergemeinde
und somit auch weiter Teile der Öffentlichkeit ging bis dahin davon aus,
dass jede Form von Drogenabhängigkeit unweigerlich zum Tod führen würde, und wenn nicht das, so doch unausweichlich zu Schädigungen, die nicht
mehr rückgängig zu machen seien (schaut man sich das „Aufklärungsplakat“ der amerikanischen Regierung links an, wird dies deutlich. Anm.: wenn
das Ei mal aufgeschlagen ist, verhindert eigentlich nur noch die Thermodynamik, dass man es wieder zurück in die Schale bekommt. Es war ein netter,
wenn auch unwissenschaftlicher Versuch physikalische Gesetze heranzuziehen, um die Irreversibilität des Drogenkonsums zu untermauern!). Tatsächlich stammte diese Übereinkunft aus „wissenschaftlichen“ Experimenten an
Ratten. Sie galten lange (und wenn wir mal ehrlich sind, auch noch heute)
als der Beleg für die pharmazeutische Suchttheorie. Sehr anschaulich wird das in einem Videoclip vorgeführt, das in den achtziger Jahren im amerikanischen Fernsehen präsentiert wurde.
Unter bedrohlicher Musik kommt auf dem Bildschirm eine Ratte zu Tode, nachdem sie zuvor
unersättlich Kokain konsumiert hatte.
Was Alexander sofort auffiel, war die Umgebung,
in der die Experimente stattgefunden hatten. Wie
heute bekannt ist, entscheidet nicht nur die Droge
selbst über die durch sie hervorgerufene Wirkung,
sondern auch die Umgebungsbedingungen (zuhause oder draußen), die Stimmung, in der man
die Drogen konsumiert und ob man allein ist oder
nicht („Set“ und „Setting“). In den Experimenten
befanden sich die Ratten isoliert in einem kahlen
Käfig. Ratten sind von Natur aus neugierige Tiere,
Im Sumpf der Drogen
26
die gerne ihre Umgebung erforschen. Das einzige, was es in diesen Käfigen zu erforschen
gab, war der Behälter, in dem sich die Droge befand. In einer mit vielen Gegenständen angereicherten Umgebung zeigen Ratten ein gänzlich anderes Verhalten.
Alexander wiederholte nun diese alten Experimente und änderte die Bedingungen so ab,
dass sich die Ratten in einer stimulierenden, angereicherten Umgebung befanden. Dies
sollte der berühmte „Rattenpark“ sein. Er verglich dann das Verhalten dieser Ratten mit
solchen, die im isolierten, kahlen Käfig gehalten wurden. Alle Tiere konnten aus einem von
zwei Trinkbehältern trinken, von denen bei einem das Wasser mit einem Opiat angereichert
war. Die Ratten in der angereicherten Umgebung tranken zwar auch von der berauschenden
Flüssigkeit, aber wesentlich weniger als die Tiere im kahlen Käfig. Im Endeffekt bedeutet
das, dass die isolierte Ratte sich so gut wie immer zum Junkie entwickelte, die im anderen
Käfig so gut wie nie. Alexander zog daraus den Schluss, Sucht sei eine Anpassung, bei der es
entscheidend darauf ankommt, wie der Käfig aussieht, in dem man sitzt. Wenn er die Tiere
bis zu zwei Monate lang in Isolation hielt und sie von Opiat abhängig geworden waren und
er sie dann zurück in den angereicherten Käfig brachte, hörten sie alle auf, Opiate zu sich
zu nehmen, obwohl sie alle Anzeichen von Entzug zeigten und
ihnen Trinkwasser mit einer drogenhaltigen Lösung zur Verfügung stand.
2012 veröffentlichte der Comic-Zeichner Stuart McMillen einen Comic über die Rat Park Experimente. Dieser kann unter
http://www.stuartmcmillen.com/comics_de/rat-park-de/ abegerufen und auf deutsch gelesen werden.
Der Artikel von Bruce Alexander erschien 1978 in der Zeitschrift „Psychopharmacology“, nachdem er zuvor von zwei renommierten amerikanischen Fachzeitschriften („Science“ und
„Nature“) abgelehnt wurde. Die Studien blieben nicht unwidersprochen, konnten aber in vielen Fällen repliziert werden.
Wie schon zu Harry Anslingers Zeiten (siehe Teil 1, in unserem
Im Sumpf der Drogen
27
Newsletter 11 von Januar/Februar 2016) versuchte auch jetzt ein ehemaliger hochrangiger Drogen-Zar (in diesem Falle war es Herbert Kleber),
die Studien zu diffamieren, indem er Alexander vorwarf, er
habe seine Ergebnisse verfälscht. Andere Forscher stellten
die Studien in Frage und machten genetische Unterschiede zwischen den verschiedenen benutzten Rattenstämmen
für die Ergebnisse verantwortlich. Es ist natürlich generell
zweifelhaft, ob Schlüsse aus Tierversuchen auf den Menschen übertragen werden können. Oftmals stehen moralische Gründe im Wege, solche Experimente mit Menschen
anzustellen. (In der Psychologie gibt es ein paar gründlich
unethische Studien, die aber heute noch immer gerne zitiert werde. Dazu gehören: das Experiment mit dem „Little
Albert“ von Watson und Raynor über die Konditionierung
von Angstreaktionen; das „Milgram-Experiment“ über den
Gehorsam gegenüber Autoritäten und das „Stanford-Prison“-Experiment von Zimbardo.
Unrühmlich für die amerikanische Gesellschaft ist an dieser Stelle auch das „Tuskeegee“-Experiment zu nennen, das die Erforschung des „natürliche Verlaufs“ der Syphilis zum Ziel
hatte; über mehrere Jahrzehnte wurden dabei Mitbürgern afroamerikanischer Abstammung
längst verfügbare Medikamente vorenthalten.)
Natürlich hat sich auch Bruce Alexander gefragt, ob es für Menschen genauso ist, wie für
Ratten. Da man aus oben genannten Gründen Menschen nicht in Käfige stecken kann,
wartet man auf „natürliche“ Experimente. Jetzt konnte sich Alexander um das zweite gesellschaftliche Problem kümmern, das er bisher vernachlässigt hatte: den Krieg in Vietnam.
Mit Erschrecken musste die amerikanische Bevölkerung feststellen, dass in diesem Krieg
etwa 20% aller Soldaten heroinabhängig geworden war. Wenn die nun alle nach Hause kämen, gäbe es mit einem Schlag mehr Drogenabhängige als bisher in den
gesamten Vereinigten Staaten. Vollkommen vereinnahmt von der alten
pharmazeutischen Theorie der Sucht, sah man schon ein Heer von Zombies durch die Städte schwanken, auf der Suche nach Geld und Heroin.
Als der Krieg aus war und GIs nach Hause kamen, stellte sich jedoch
heraus, dass 95% der von Heroin abhängigen innerhalb eines Jahres von
ihrer Gewohnheit abließen, und das unabhängig davon, ob sie wegen ihrer Sucht in Behandlung waren oder nicht. Irgendwie passte das so gar
nicht zu der liebgewonnenen Theorie. Jetzt aber konnte Alexander den
Kopf heben und sagen, es sei doch nicht ganz unähnlich, wie er es bei seinen Ratten im „Rat-Park“ festgestellt habe. In seinem 2010 erschienenen
Buch „The Globalization of Addiction“ mit dem Untertitel „A Study in
Im Sumpf der Drogen
28
Poverty of the Spirit“ verfolgt er den Weg des Menschen in seiner Entwicklungsgeschichte
von den Jägern und Sammlern bis heute. Er entdeckte, dass Sucht immer dann zum Problem wurde, wenn Menschen aus der Gemeinschaft fielen oder ihrer sozialen Bezüge beraubt
wurden, besonders als die immer schneller werdende technologische Entwicklung die Anpassungsfähigkeit des Menschen überforderte: die Armut der Stadtbevölkerung im England
des 18. Jahrhunderts führte zu einer „Gin-Epidemie“, in den Siebzigern und Achtzigern
verlagerte man die Fabrikjobs in Amerika in die Außenbezirke der Städte und zerstörte die
dazugehörenden Gemeinschaften, die Folge war ein steigender Konsum von Crack, die
Ureinwohner Nordamerikas wurden in Reservate verfrachtet und verkamen hoffnungslos
im Alkoholismus, zunehmende ArbeitsBruce Alexander meint, dass es ...
losigkeit, der immer größer werdende
Abstand zwischen Arm und Reich, die
... zur heutigen Suchtschwemme kommt, weil unsere
Abhängigkeit von Konzernen führte in
hyperindividualistische, hektische, von Krisen gebeutelte Gesellschaft dafür sorgt, dass sich die meisten
den Neunzigern zum dramatischen AnMenschen gesellschaftlich und kulturell isoliert fühstieg des Crystal-Gebrauchs.
len. Chronische Isolation aber lässt die Menschen nach
Erleichterung suchen. Und zeitweise finden sie die in
der Sucht ... denn diese erlaubt ihnen, ihren Gefühlen
zu entfliehen, ihre Sinne zu betäuben - ein Leben mit
der Sucht ist somit Ersatz für ein erfülltes Leben.
Diese Vorstellung von Sucht, die durch
zunehmende Isolation und Bindungslosigkeit hervorgerufen wird, ergänzt gut
in Hari, Johann (2015). Drogen. Die Geschichte eines langen Krieges. S. 211
die Ansichten von Gabór Maté aus Vancouver, der eine Ursache des Drogengebauchs in der Vernachlässigung und im
Missbrauch von Kindern in frühester Jugend sieht. Diese könnten keine befriedigenden
Bindungen eingehen und es fällt ihnen schwer zu anderen Menschen Vertrauen aufzubauen. Sie verhielten sich schließlich wie Ratten im Einzelkäfig. Und wer zu einer anderen Person keine Bindung herstellen kann, bindet sich leicht an etwas anderes, das Erleichterung
schaffen kann: Drogen, Computerspiele, Pornografie. Und aus ebendiesem Grund setzten
die Junkies ihr gewohntes Verhalten fort, selbst nachdem man sie durch die Hafensperre
völlig ihres Suchtstoffs beraubt hatte. Soziale Isolation, berufliche Perspektivlosigkeit und
die Bindung an eine Subkultur, die den Abhängigen trotz allem noch das Gefühl gibt, irgendwo dazu zu gehören, für irgend ein Ziel zu leben, sorgen dafür, dass sich das Verhalten
nicht ändert. Denn mit den Drogen aufzuhören, würde den letzten Rest der mühsam aufgebauten Identität dieser Menschen zerstören und es bliebe nichts mehr übrig. So hart es
auch klingen mag, auch ein „Scheiß-Leben“ ist ein Leben und allemal besser als kein Leben.
Erinnern wir uns aber noch einmal an die Ergebnisse der WHO-Studie, nach der nur etwa
zehn Prozent aller Menschen, die Drogen gebrauchen, auch tatsächlich ein Problem damit
entwickeln. Es sind diese zehn Prozent, die unser Bild vom Junkie prägen. Viele fallen mit
ihrer Abhängigkeit erst gar nicht auf, oder kommen mehr oder weniger gut damit zurecht.
Im Sumpf der Drogen
29
Alexanders Ansicht trifft jedoch nicht nur auf Drogenabhängige zu. Fast alle Menschen
kommen in ihrem Leben in eine Situation, in der ihr Umfeld wegbricht, die soziale Unterstützung fehlt und sie sich einsam und verlassen fühlen. Immer mehr Menschen haben
immer weniger wirklich enge Freunde, auf die sie sich verlasen können. In dem Maße, in
dem unsere sozialen Bindungen verkümmern, werden wir Opfer der Heilbringer, die uns
Befriedigung im permanenten Konsum versprechen, oder was fast noch schlimmer ist, uns
mit Psychopharmaka vollstopfen (worin nicht nur eine leichte Ironie liegt, wenn man bedenkt, dass auf der einen Seite ein Krieg gegen illegale Drogen geführt wird, dem sehr viele
Menschen zum Opfer fallen, und wir auf der anderen Seite mit legalen Drogen gefüttert
werden, damit uns unsere Beziehungsunfähigkeit nicht allzu bewusst wird). Eine „Schöne
neue Welt“, das ist es, was uns Alexander klarmachen will, brauchen wir, aber nicht wie bei
Huxley mittels einer Droge.
Zu behaupten, die Chemie der Drogen würde nun überhaupt keine Rolle spielen, ist natürlich weit übertrieben. Wir haben aber gesehen, dass die Chemie nur einen Teil des Problems
ausmacht. Nehmen wir beispielsweise die Abhängigkeit vom Nikotin. Nach Einführung
der Niktotinplaster in den Neunzigern stellte man fest, dass es nur knapp 18 Prozent der
Raucher gelang, mit diesen Pflastern ihre Sucht in den Griff zu bekommen. Bei so vielen
Rauchern ist das natürlich schon eine ganze Menge. Allerdings muss man dabei bedenken,
dass ein wesentlicher Teil der Menschen weiter zum Glimmstengel greift, obwohl sie sich
durch das Pflaster ja den chemischen Wirkstoff in ausreichender Menge zuführen. Hier
stoßen wir auf das Wesen der Sucht. Das Gefühl, ohne die Droge nicht auskommen zu
können, ist bei weitem stärker als der Schrei unserer Rezeptoren nach der Chemie. Um mit
Alexander zu sprechen, macht es keinen Sinn, die Chemie zu substituieren (ob nun mittels
eines Pflasters oder in den vielen Methadon-Programmen), wenn sich grundlegend an den
Lebensumständen der Betroffenen nichts ändert. Hier liegt das größte Versagen in diesen
Programmen: nach der pharmakologischen Theorie sollte es langen, den Wirkstoff “schadensminimierend“ zuzuführen. Und das ist auch, was tatsächlich gemacht wird. Um den
Rest muss sich der Abhängige selbst kümmern. Hier bekommt er keine Hilfe. Der Rückfall
wird ihm als moralische Schwäche ausgelegt und er wird mit Sanktionen belegt, schlimmstenfalls aus dem Programm entfernt. Die Gefühle von Hilf- und Hoffnungslosigkeit werden
mit Psychopharmaka behandelt, sodass die Betroffenen letztlich nicht nur von ihrer substituierten Droge, sondern auch noch von Tabletten abhängig werden, ohne dass sich an den
Ursachen ihres Problems auch nur das Geringste geändert hätte.
Menschen in dieser Lage treffen wir im „Reich der hungrigen Geister“, in das wir uns nun begeben werden. Der Schauplatz: Downtown Eastside in Vancouver, Kanada. Seit Jahrzehnten
trostloser Sammelplatz von Drogenabhängigen der Stadt. An allen Ecken werden Drogen
zum Verkauf angeboten, bieten Prostituierte ihre Dienste an und konsumieren Abhängige
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öffentlich ihre Suchtstoffe. Downtown Eastside ist ein
ehemals blühendes Viertel der Stadt, in dem Baumstämme verladen wurden und die Holzfäller anschließend ihr
mühsam verdientes Geld ausgaben. Heute ist das Viertel
Sammelpunkt von verarmten, heimatlosen und heruntergekommenen Menschen, die nirgends sonst hin können.
Die einstmals vornehmen Kaufhäuser sind Ruinen und
die großen Hotels wurden von der Stadt für Obdachlose umgebaut. Hier arbeitet der Arzt Gabór Maté für die
Portland Hotel Society, einer Wohltätigkeitsorganisation, die sich um Drogenabhängige kümmert. In Gesprächen mit diesem Menschen fand er heraus, dass fast alle
eine traumatische Kindheit hinter sich hatten, geprägt
von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Sie waren durch
ihr Umfeld geschädigt, bevor
sie zu den Dro-
gen griffen. In vielen
Studien wurde seitdem
herausgefunden, dass
die Wahrscheinlichkeit
als Heranwachsender
drogenabhängig
zu
werden, mit dem Ausmaß der traumatischen Erfahrungen in der Kindheit dramatisch ansteigt. Die dadurch
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bedingten Verhaltensstörungen gehen der Sucht voraus, diese ist also ein Symptom und
nicht die Ursache von persönlichen und sozialen Störungen. Wir sollten dabei immer im
Hinterkopf behalten, dass wir von den 10% Abhängigen sprechen, denen im Verlauf ihres
Lebens der Gebrauch von Drogen zum Problem geworden ist. Wie allerdings schon erwänt,
machen diese Wenigen unser Gesamtbild von „dem Abhängigen“ aus. Es mag fast wie eine
Weisheit aus dem Bauernkalender klingen, bei dem sich der eine oder andere zum Widerspruch genötigt fühlt: „Aber wer will, kann mit ein wenig Anstrengung auch sein Leben
wieder in den Griff bekommen!“, dass das jedoch nicht so leicht geht (wie die zehn Prozent
belegen), drückt ein Betroffener am besten mit einfachen und eigenen Worten so aus:
Natürlich haben nicht alle, die einen probEin Junkie aus Vancouver:
lematischen Umgang mit Drogen pflegen,
eine traumatische Kindheit hinter sich, sind
„Das Kindheitstrauma sorgt dafür, dass du dich stänGewalt ausgesetzt gewesen oder sexuell missdig schlecht fühlst, wegen der eigenen Familie, wegen
deines Lebens. Und wenn du Drogen nimmst, fühlst
braucht worden. Matés Erkenntnisse ergändu dich gut, dein Leben ist gut, du bist gut, die ganze
zen jedoch die Vorstellung von Sucht, die beWelt ... Die Leute fragen sich, warum Süchtige immer
weiter machen. Einfach, weil sie sich dann gut fühlen,
reits von Bruce Alexander oder Ronald Siegel
ein Gefühl, das ihnen der Rest ihres Lebens nicht gibt.“
erschüttert wurde. Es ergibt sich ein Bild von
in Hari, Johann (2015). Drogen. Die Geschichte eines lanDrogenabhängigkeit, das sich nicht mehr so
gen Krieges. S. 196
leicht in unsere liebgewonnene Vorstellung
vom „bösen Heroin und Kokain“ pressen
lässt. Auf der anderen Seite reichen weder unser biologisches Erbe, die Verwerfungen unserer kulturellen und sozialen Entwicklungen in der Neuzeit, noch traumatische Kindheitserlebnisse aus, um die Sucht hinreichend zu erklären. Wir stellen uns vor diesem Hintergrund
Harry Anslinger (siehe Teil 1) vor, wie er kopfschüttelnd vor diesen Erkenntnissen steht und
hartnäckig der Meinung ist, ein solches soziales Problem benötigt eine einfache und praktikable Lösung: stoppt das Angebot, verhindert die Nachfrage. Und bei wem das nichts hilft,
kommt zu Joe Arpaio in die „Tent City“ (siehe Teil 2). Die Lösung, die Maté im Sinn hat,
nämlich präventiv zu handeln und Problemfamilien von Anfang an Unterstützung bei der
Erziehung ihrer Kinder anzubieten, wäre ihm wahrscheinlich nur lächerlich vorgekommen,
zumal kostspielig und arbeitsaufwändiger als Gefängnisse zu bauen. Es hätte aber vielleicht
Billie Holyday und Chino Hardin zu einem anderen, besseren Leben verholfen.
Mit den amerikanischen Staaten haben wir Maßnahmen kennengelernt, die uns angesichts
der vielen gegenteiligen Forschungsergebnisse in Staunen versetzen sollten. Zum Glück gibt
es aber so engagierte Menschen wie Alexander und Maté, die nicht aufgeben, dagegen anzugehen. Von denen werden wir noch mehr kennenlernen. Im nächsten Teil wenden wir
unseren Blick mehr auf Europa und schauen uns an, zu welchen Ergebnissen die europäische Drogenpolitik (besonders in der Schweiz und in Portugal) gekommen ist. Wir werden
aber auch einen ehemaligen Staatspräsidenten aus Uruguay treffen und vor ihm unseren
Hut ziehen.
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Zum Weiterlesen:
Hari, J. (2015). Drogen. Geschichte eines langen Krieges. Frankfurt: S. Fischer.
Huxley, A. (1970). Die Pforten der Wahrnehmung. Himmel und Hölle. München: Piper.
Freud, S. (1996). Schriften über Kokain. Frankfurt: Fischer.
Maté, G. (2013). In the Realm of Hungry Ghosts. Toronto: Random House Canada.
Walton, S. (2002). Out of It. London: Penguin UK.
Rudgley, R. (1998). The Alchemy of Culture. Intoxicants in Society. London: British Museum Press.
Siegel, S. (2005). Intoxication. South Paris: Park Street Press.
Weitere Infos zur Arbeit der AIDS-Hilfen in Rheinland-Pfalz unter www.aidshilfe-rlp.de.
Der nächste Newsletter erscheint im Juli 2016.

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