Empirische Erfassung regionaler Innovationsintensität und

Transcrição

Empirische Erfassung regionaler Innovationsintensität und
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Seminar zur Raumwirtschaft
„Innovation, Agglomeration und regionale Entwicklung“
Wintersemester 2007/2008
Prof. Dr. Johannes Bröcker
Thema 11
Empirische Erfassung regionaler Innovationsintensität und
regionaler Wissens-Spillovers
Romina Lundszien
Volkswirtschaftslehre, 9. Fachsemester
Eckernförder Str. 143, 24116 Kiel
Abgabetermin: 03. 01. 2008
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................................II
Abbildungsverzeichnis........................................................................................................................ III
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................ III
Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................................... III
1. Einleitung......................................................................................................................................... 1
2. Determinanten regionaler Innovationsintensität und regionaler Wissens-Spillover ............... 2
2.1 Inputorientierte Indikatoren ............................................................................................................ 3
2.1.1 FuE-Aufwand............................................................................................................................... 3
2.1.2 FuE-Personal................................................................................................................................ 4
2.1.3 Wissens-Gemeinschaften............................................................................................................. 5
2.2 Throughput-Indikatoren.................................................................................................................. 6
2.2.2 Patente.......................................................................................................................................... 6
2.2.2 Patentzitate................................................................................................................................... 8
2.3 Outputorientierte Indikatoren.......................................................................................................... 9
2.3.1 Befragungen................................................................................................................................. 9
2.3.2 Umsatzrelationen ....................................................................................................................... 10
3. Globalindikator nach Arvanitis und Hollenstein....................................................................... 11
4. Fazit................................................................................................................................................ 12
Anhang................................................................................................................................................ 14
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................ 15
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Innovationsprozess mit entsprechendem Indikator ................................. 13
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Verwendete Innovationsindikatoren ............................................................. 14
Abkürzungsverzeichnis
BIP:
Bzw.:
Ca.:
EU:
EPO:
f.:
FuE:
KOF/ETH
OECD:
p. a.:
PatG:
PATSTAT:
PCT:
POJ:
SPRU:
USPTO:
Vgl.:
z. B.:
Bruttoinlandsprodukt
Beziehungsweise
circa
Europäische Union
European Patent Office
Folgende
Forschung und Entwicklung
Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich
Organisation for Economic Co-operation and Development
Pro Jahr
Patentgesetz
Worldwide Statistical Patent Database
Patent Co-operation Treaty
Patent Office Japan
Science and Technology Policy Research University of Sussex
United States Patent and Trademark Office
Vergleiche
Zum Beispiel
III
1. Einleitung
Ziel dieser Seminararbeit ist es, die Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Erfassung regionaler Innovationsintensität und regionaler Wissens-Spillovers1 aufzuzeigen.
Die Relevanz dieser Untersuchung begründet sich im allgemeinen Einvernehmen, dass
Innovationen als wichtigstes Indiz für Fortschritt verstanden werden2. Der Einfluss von
Wissens-Spillovers auf Firmen wurde durch Romer3 postuliert und später durch Grossman und Helpman4 bestätigt. Bei der Betrachtung von Wissens-Spillovers kann
zwischen Wissenstransfers zwischen Firmen sowie zwischen Firmen und Externen,
z.B. Universitäten, unterschieden werden. Wersching simulierte das Verhalten von
Firmen, die sich im Wettbewerb zueinander befinden, es in diesem Prozess aber
trotzdem zu einem Austausch von Wissen kommt. Seine Analyse zeigt, dass die Zahl
von Produktinnovationen stark ansteigt, sobald es zu Wissens-Spillovers kommt. Auf
Prozessinnovationen erkennt er einen positiven, aber nicht so stark ausgeprägten
Effekt.5 Bei der Betrachtung der Interaktionen zwischen Firmen und Universitäten stellt
sich die Frage, inwieweit Wissens-Spillover räumlicher Nähe bedürfen. Audretsch und
Lehmann6 kommen in einer empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass
räumliche Nähe eine notwendige Bedingung bei Wissens-Spillovers ist7. Sie betonen,
dass räumliche Nähe zu einer Universität allein nicht hinreichend für die
Innovationstätigkeit einer Firma ist. Bei der Betrachtung der Spillovers kodifizierten
Wissens zeigen sie, dass sich die Relevanz räumlicher Nähe reduziert.8 Für Spillovers
nicht kodifizierten Wissens beschreiben Nonaka und Takeuchi die besondere
Bedeutung räumlicher Nähe: dieses wird in Netzwerken weitergegeben, was
regelmäßige Kontakte und die Bildung einer Vertrauensbasis zwischen den Akteuren
voraussetzt9. Für dieses Wissen ist eine Pfadabhängigkeit bezeichnend.
Die empirische Erfassung regionaler Innovationsintensität und regionaler WissensSpillovers stellt eine besondere Herausforderung für Innovationsforscher dar, da es
keinen Globalindikator gibt, mit dem die Innovationsintensität erfasst werden kann.
1
Wissens-Spillover stellen für den Nutzer positive Externalitäten dar, da der Nutzer keine Gegenleistung
an den Innovator zahlen muss. Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 7.
2
Vgl. OECD Oslo Manual (2005), S. 3,. Grupp (1997), S. 143.
3
Vgl. Romer (1989), S. 1002 – 1037.
4
Vgl. Grossman und Helpman (1991), S. 44,. Koschatzky (2001), S. 74 – 76.
5
Vgl. Wersching (2005).
6
Vgl. Audretsch und Lehmann (2005), S. 9, 14 – 24.
7
In ihrer Untersuchung verglichen Audretsch und Lehmann die Einflüsse von Spillovers in den
Bereichen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften. Weitere Quellen von Spillovers fanden keine
Berücksichtigung. (Anm. d. Verf.).
8
Vgl. Audretsch und Lehmann (2005), S. 17.
9
Vgl. Nonaka und Takeuchi (1997), S. 18.
1
Vielmehr bedarf es der Analyse abgeleiteter Indikatoren. In der Konsequenz stelle ich
in Kapitel 2 die Determinanten regionaler Innovationsintensität und regionaler Wissens-Spillovers vor und zeige auf, wie diese empirisch erfasst werden können. In
diesem Zusammenhang lege ich ein rückgekoppeltes Innovationsmodell10 zu Grunde
und nehme diesem folgend eine Differenzierung in Input-, Throughput- und Outputindikatoren der Innovationsintensität und Wissens-Spillovers vor. Bei der Betrachtung
der einzelnen derivativen Indikatoren gehe ich auf die zu beachtenden Besonderheiten
bei der Interpretation ein und unterziehe sie einer kritischen Würdigung. In Kapitel 3
erfolgt die Darstellung des Globalindikators der Innovationsintensität nach Arvanitis
und Hollenstein, der einen Versuch darstellt, aus den einzelnen Indikatoren ein Gesamtmaß für die Innovationsintensität zu entwickeln. Hernach ziehe ich im letzten Kapitel
ein Fazit über die gewonnenen Erkenntnisse.
2. Determinanten regionaler Innovationsintensität und regionaler WissensSpillover
Bevor die einzelnen Determinanten regionaler Innovationsintensität und regionaler
Wisssens-Spillovers vorgestellt werden, ist es unabdingbar, zunächst die Begriffe
„Innovation“ und „Wissens-Spillovers“ zu definieren. Der vorherrschenden Meinung in
der Literatur Rechnung tragend, wird der Begriff „Innovation“ erst ab dem Stadium der
erfolgreichen Markteinführung verwendet. Die vorgelagerten Phasen der Innovation
werden somit im Folgenden vom Innovationsbegriff abgegrenzt. Im Kontrast zum
Begriff „Erfindung“ ist mit der Innovation das Ziel der Kommerzialisierung bzw. der
Erzielung eines Geldwertes fundamental verknüpft11. Gemäß Schumpeter (1911) lassen
sich fünf Arten von Innovationen differenzieren: Produktinnovation, Prozessinnovation,
die Erschließung eines neuen Marktes, die Entwicklung neuer Quellen für Rohmaterial
oder andere Inputs und die Organisationsinnovation12. Dieser Begriffsdefinition wird
heute noch gefolgt, so konzentriert sich z.B. die OECD im Oslo Manual auf die ersten
beiden Innovationsarten, um für Studien wohl definierte und gut messbare Kategorien
zu verwenden13. Bei der Betrachtung räumlicher Charakteristika wird im Folgenden
davon ausgegangen, dass sich Innovationen auch über große Entfernungen verbreiten
können14.
10
Im Vergleich zum linearen Innovationsmodell bietet das rückgekoppelte Innovationsmodell den
Vorteil, dass Feedbacks durch Wissens-Spillovers berücksichtigt werden können. Vgl. Franke (2002), S.
4, zum linearen Innovationsmodell vgl. Herrmann (2007), S. 40.
11
Vgl. Rogers (1998), S. 5.
12
Vgl. Schumpeter (1987), S. 100 f., OECD Scoreboard (2007), S. 94.
13
Vgl. Rogers (1998), S. 7.
14
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 7.
2
Wissens-Spillovers hingegen weisen auf Grund der bedingten Akkumulationsfähigkeit
und des Transfers über Netzwerke eine begrenzte räumliche Verfügbarkeit auf. Acs et
al. untersuchen den Einfluss von Universitäten mit Forschungsschwerpunkt auf Unternehmen und sich damit ergebenden Wissens-Spillovers. Sie zeigen, dass trotz sinkender
Informationskosten regionale Wissens-Spillover die Relevanz persönlicher Netzwerke
erhöhen und einen immanenten Einfluss auf den Transfer von Wissen in die Firmen
haben.15 Neben Netzwerken diffundiert Wissen auch über Jobwechsel sowie bei
Veranstaltungen, bei denen Spezialisten Wissen sammeln und austauschen16. Audretsch
und Feldman zeigen, dass sich die Innovationsintensität geographisch vornehmlich bei
FuE-intensiven Branchen clustert, bei denen Wissens-Spillovers eine entscheidende
Rolle spielen17. Soziokulturelle und institutionelle Strukturen einer Agglomeration
bereiten den Boden zum Austausch von Wissen. Somit können Wissens-Spillovers aus
den Agglomerationsvorteilen18 abgeleitet werden19. Inwieweit die Determinanten der
Innovationsintensität und die generierten Wissens-Spillovers einer Region erfasst
werden können sowie welche Vor- und Nachteile die einzelnen Möglichkeiten bergen,
wird nachfolgend dargestellt.
2.1 Inputorientierte Indikatoren
Unter inputorientierten Indikatoren werden diejenigen Messmöglichkeiten verstanden,
die es möglich machen, Aufwendungen personeller, monetärer, investiver und sonstiger
Art direkt Forschung, Entwicklung und Innovation zuzuordnen. Dieses Verständnis
wird auch mit der synonymen Verwendung des Begriffs „Ressourcen-Indikatoren“ zum
Ausdruck gebracht.20
2.1.1 FuE-Aufwand
Der am häufigsten zitierte inputorientierte Indikator ist die Erfassung des Aufwands für
Forschung und Entwicklung (FuE). Quellen für Gelder, die im Bereich FuE eingesetzt
werden, können dabei aus firmeninternen Zahlungsströmen oder aus externer Geldzuweisung (z.B. durch Finanzmittel der EU) entstehen. Es wird unterstellt, dass der
Innovationsoutput nicht unabhängig von der Finanzierung des technischen Inputs ist.
Nicht alle Firmen verfügen über eine FuE-Abteilung, womit sich eine Erfassung des für
15
Vgl. Acs, FitzRoy und Smith (2002), S. 156 – 171.
Vgl. Izushi (2007), S. 6.
17
Vgl. Audretsch und Feldman (1996), S. 4 – 6, 11 – 16.
18
Unter Agglomerationsvorteilen werden Skalenerträge, Lokalisationsvorteile durch die Agglomeration
spezialisierter Unternehmen und Urbanisationsvorteile im Sinne einer Diversifizierung von Betrieben an
einem Standort verstanden. Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 8.
19
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 7.
20
Vgl. Grupp (1997), S. 144.
16
3
FuE getätigten Aufwands somit als schwierig erweisen kann.21 Es ist daher sinnvoll
eine weiter gefasste Definition von FuE zu verwenden. So definiert das Frascati
Handbuch 2002 FuE als „creative work undertaken on a systematic basis in order to
increase the stock of knowledge, including knowledge of man, culture and society, and
the use of this stock of knowledge to devise new applications.“22.
Vorteilhaft ist, dass sich die FuE-Ausgaben verschiedenen Regionen zuordnen lassen.
Die OECD ermittelt einen Innovationsintensitätsindikator, indem die Entwicklung der
FuE-Ausgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt wird: im
Zeitraum 1991 – 2005 weisen Schweden, Finnland und Japan mit über 3 % die
höchsten Intensitäten auf.23 Bei der Interpretation des Intensitätsmaßes ist zu beachten,
dass die Innovationsintensität sinkt, wenn das BIP bei gleich bleibenden FuE-Ausgaben
steigt. Hierbei besteht die Gefahr der Unterschätzung der Innovationstätigkeit einer
Region.
Kritisch ist anzumerken, dass die Erfassung der FuE-Ausgaben allein nicht ausreicht,
um den Innovationsinput hinreichend zu beschreiben. Das weit verbreitete Vorgehen
des so genannten „reverse engineering“24, also des Kaufens und Nachahmens kann
insoweit auch zu Innovationen führen, sofern sie erfolgreich in einem Markt eingeführt
werden können, auf dem das Gut bisher nicht etabliert war. Die Betrachtung der FuEAusgaben kann somit nur einen Einblick in einen Teilaspekt des Innovationsinputs
bieten. Eine weitere Schwachstelle stellt die Datenverfügbarkeit dar. Die in Deutschland verfügbaren Daten zu FuE-Ausgaben setzen sich aus Informationen nach dem
Finanzstatistikgesetz, nach dem die FuE-Ausgaben des Staates erfasst werden müssen,
Angaben zu FuE-Ausgaben der Hochschulen und Informationen des Stifterverbands für
die deutsche Wirtschaft zusammen.
2.1.2 FuE-Personal
Zu dem im FuE-Bereich engagierten Personal zählen Forscher, Techniker, Ingenieure
und unterstützende Kräfte, wie z.B. Assistenten, die dem Bereich FuE zugerechnet
werden können. Zwischen dem Ausmaß des FuE-Personals und der erzielten Innovationen besteht eine positive Korrelation. Die Erfassung des Personals erfolgt in zweierlei Weise: zum einen werden die „Köpfe“ gezählt (Headcount), zum anderen werden
sie in Vollzeitäquivalenten erfasst. Statistiken für den Bereich FuE werden seit 1963
21
Vgl. Ebenda, S. 147.
Vgl. OECD Frascati Manual (2002).
23
Vgl. OECD Scoreboard (2007), S. 24.
24
Vgl. Grupp (1997), S. 147.
22
4
länderbezogen standardisiert im Frascati Handbuch veröffentlicht25. Im Jahr 2005 war
Finnland mit 23 Beschäftigten im FuE-Bereich pro 1.000 Beschäftigte der Spitzenreiter
im internationalen Vergleich.26
Von Vorteil ist hier wie bei den FuE-Ausgaben die direkte Zuordnungsmöglichkeit des
Personals zu Betrieben und/oder Regionen. Nachteilig wirkt sich hier die
unzureichende Versorgung mit Datenmaterial aus. Für kleinere Regionen, z.B. Bundesländer stützen sich die Statistiken meist auf eine Auswertung der im FuE-Bereich
Beschäftigten. Dieses Vorgehen wird dann umso kritischer, je kleiner die betrachteten
Betriebe werden, da diese meist keine FuE-Abteilung vorhalten (können). Es wäre
natürlich voreilig davon auszugehen, dass diese Betriebe nicht zu Innovationen fähig
sind, dennoch werden die Ergebnisse durch die mangelnde Repräsentativität limitiert.
2.1.3 Wissens-Gemeinschaften
Mit dem technischen Fortschritt und damit auch komplexer werdenden Produkten,
werden Forscher und FuE-Beschäftigte mit einem immer größeren Innovationsdruck
konfrontiert. Diesem kann durch Produktivitätswachstum begegnet werden, was in
einem ersten Schritt eine Auseinandersetzung mit dem dafür erforderlichen Wissen
bedeutet. Hierbei kann es zur Entstehung von „Wissens-Gemeinschaften“ des FuEPersonals kommen.27 Bislang wurde die Literatur von zwei Ansätzen dominiert, die
Produktivitätswachstum erklären: Zum einen durch das Modell von Solow und Swan28,
bei dem ausgehend von abnehmenden Grenzerträgen ein Produktivitätswachstum durch
Kapitalakkumulation generiert werden kann. Die Produktivitätswachstumsrate wird
somit von der (Human-) Kapitalwachstumsrate29 determiniert. Zum anderen wird durch
das Modell von Romer30 angenommen, dass Wissens-Spillover über Unternehmensgrenzen hinweg zu einem wachsenden Wissensbestand des FuE-Personals führen. Der
Wissenspool führt in der Konsequenz eher zu Produktivitätswachstum als die reine
Akkumulation von FuE-Beschäftigten. Der Ansatz von Izushi verfolgt in Abgrenzung
zu den beiden Modellen eine dynamische Betrachtung der Wissens-Gemeinschaften,
bei der sich Spezialisten zusammenschließen, um durch Wissensaustausch schneller
Innovationen generieren zu können.31 Das Produktivitätswachstum bestimmt sich hierbei durch eine Kombination aus der Zahl der FuE-Beschäftigten in einer Wissens25
Vgl. OECD Frascati Manual (2002).
Vgl. Ebenda, S. 54.
27
Vgl. Izushi (2007), S. 2.
28
Vgl. Barro und Sala-i-Martin (2007), S. 30 – 37.
29
Das Solow-Swan Modell wurde von Lucas durch die Berücksichtigung des Humankapitals erweitert.
30
Vgl. Barro und Sala-i-Martin (2007), S. 212 – 216.
31
Vgl. Izushi (2007), S. 5.
26
5
Gemeinschaft und der Wachstumsrate des FuE-Personals. Man kann festhalten, dass
das Modell FuE-intensive Regionen besser beschreibt, da hier der Grad des
Wissensaustauschs in Kern höher ist als in der Peripherie.32
2.2 Throughput-Indikatoren
Throughput-Indikatoren33 beschreiben Nebenprodukte des Innovationsprozesses, d.h.
sie können weder direkt dem Innovationsinput noch dem –output zugeordnet werden.
In der Literatur wird zwischen der literaturgestützten Innovationsstatistik, Patenten
sowie Patentzitaten unterschieden. Bei der literaturgestützten Innovationsstatistik werden Zeitschriften auf Werbeanzeigen für neue Produkte untersucht und diese gezählt.
Auf Patente und Patentzitate wird nachfolgend detailliert eingegangen.
2.2.2 Patente
Patente werden herangezogen, um einen Innovationsindikator zu erzeugen, da sie als
Hinweis auf einen regionalen Output kodifizierten Wissens verstanden werden.34 Patente charakterisieren sich insbesondere dadurch, Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber
zu schaffen und bereits in einer sehr frühen Entwicklungsphase Erfolg versprechende
Entwicklungen zu dokumentieren35. Durch den Patentschutz wird dem Patentierenden
eine zeitweilige Monopolstellung gewährt. Damit ist die Patentierung im Rahmen der
Innovationsökonomik das wichtigste Eigentumsrecht.36 Aus der Verwendung eines
„intellektuellen Eigentums“ eine etwaige Innovation abzuleiten, begründet sich in der
Auffassung, dass das Unternehmen für die Patentierung bezahlt und dies nur in Kauf
nehmen wird, wenn es sich eine Amortisation des eingesetzten Kapitals verspricht37.
Bei der empirischen Messung der Innovationsintensität mittels Patente muss beachtet
werden, dass eine einfache Zählung der eingereichten Patente dazu führen würde, dass
alle den gleichen Gewichtungsfaktor erhielten. Dieses Vorgehen wäre der Sache nicht
gerecht, da es viele geringwertige Patente gibt und nur wenige von hohem Wert.38
Durch die Verwendung der Triadischen Patentfamilien versucht die OECD valide
Indikatoren zu ermitteln. Hierbei werden Patentanmeldungen berücksichtigt, die beim
EPO (European Patent Office), JPO (Japan Patent Office) und USPTO (United States
32
Vgl. Ebenda, S. 30.
Vgl. Ebenda, S. 103.
34
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 23, Herrmann (2007), S. 65.
35
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 68.
36
Vgl. Grupp (1997), S. 159.
37
Vgl. Rogers (1998), S. 11.
38
Vgl. Griliches (1990), S. 1669, Trajtenberg (2002), S. 29.
33
6
Patent and Trademark Office) 39 die gleiche Erfindung schützen. Über die Zahl der PCT
(Patent Co-operation Treaty)-Anmeldungen können innovative Regionen identifiziert
werden, die im globalen Kontext Wissensquellen darstellen. Ein reines Abzählen der
angemeldeten Patente wäre auch hier irreführend: Im Jahr 2004 wurden von der Region
Kalifornien rund 780 PCT-Patente im Bereich Biotechnologie angemeldet, in der
Region Düsseldorf ca. 170. Ausgedrückt in Patentintensitäten (PCT-Patente im
Verhältnis zu den Erwerbstätigen in diesen Regionen) erhält man für die Region
Kalifornien 44 und für die Region Düsseldorf 64 PCT-Patentanmeldungen je einer
Million Erwerbstätiger. Die Patentintensität in der Region Düsseldorf weist somit eine
höhere Konzentration aus als Kalifornien.40, 41, 42
Um die Innovationsintensität einer Region sinnvoll jener anderer Regionen gegenüber
stellen zu können, ist eine hohe Vergleichbarkeit des statistischen Materials notwendig.
Die Patentstatistik als dominierender outputorientierter Innovationsindikator wird durch
methodische Einschränkungen in ihrer Interpretation limitiert. So wird z.B. nicht jede
patentierbare Entwicklung auch tatsächlich angemeldet und nicht jede in der Zukunft
potenziell zu einer Innovation führende Entdeckung ist patentierfähig43. Internationale
Vergleiche werden durch unterschiedliche Patentgesetze erschwert44. Zudem ist eine
Vergleichbarkeit in Bezug auf die Werthaltigkeit eines Patents insbesondere zum
Zeitpunkt der Anmeldung in der Regel nicht abschätzbar.45 Kritiker führen an, dass die
Verwendung von Patenten als Indikator für Innovationen nicht adäquat sei, da diese
noch nicht zu einer Kommerzialisierung der Erfindung geführt haben und es daher
nicht gesichert ist, dass das Patent zu einer Innovation führt.46 Daneben wird die
empirische Erfassung von Patenten durch Verzerrungen erschwert: Patente werden
vornehmlich von inländischen Innovatoren beantragt als von ausländischen. Es gibt
also unterschiedliche „Patentierneigungen“47. Wird bei der Datenerhebung nur ein
39
Hierbei ist zu beachten, dass die vom USPTO erfassten Patente nur die tatsächlich gewährten Patente
umfasst. (Anm. d. Verf.).
40
Vgl. OECD Scoreboard (2007), S. 88.
41
Das gleiche Bild zeichnet sich im Bereich der PCT-Patentanmeldungen im Bereich Informations- und
Kommunikationstechnologie beim Vergleich der Regionen Kalifornien und Noord-Brabant (Niederlande) ab. Vgl. OECD Scoreboard (2007), S. 89.
42
Für eine kritische Betrachtung der Verwendung solcher Intensitätsmaße im Hinblick auf den Beitrag
einer Region zum Innovationsoutput vgl. Brökel und Brenner (2007).
43
Zur Patentierfähigkeit in Deutschland vgl. §§ 1 – 5 PatG.
44
Vgl. OECD Compendium (2007), S. 8.
45
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 68-69.
46
Vgl. Rogers (1998), S. 11.
47
Vgl. Herrmann (2007), S. 65.
7
Patentamt berücksichtigt, werden Indikatoren von den dort vorherrschenden
Patentierungsprozeduren stark beeinflusst.48
Die größte Kritik erfährt die Verwendung der Patentstatistik durch die proklamierte
mangelnde Datenaktualität. Informationen werden im Schnitt erst 18 Monate nach dem
Zeitrang49 veröffentlicht. Die Dauer hängt entscheidend von der Patentierungsprozedur
ab und kann sich erheblich unterscheiden: zwischen Anmeldung und Gewährung eines
Patentes liegen in den USA durchschnittlich 5 Jahre50. Hierdurch kommt es zu erheblichen Problemen bei der Datenaggregation durch die PATSTAT (Worldwide Statistical
Patent Database). Anfang dieses Jahres wurden Verfahren zur Ermittlung der
tatsächlich verfügbaren Patente bis zum Zeitrang 2005 entwickelt (nowcasting). Durch
diese Verfahren kann die Zeitverzögerung auf unter zwei Jahre reduziert werden.51
2.2.2 Patentzitate
Im Gegensatz zu der Verwendung von Patenten zur Messung der Innovationsintensität,
werden Patentzitate zur Betrachtung der Diffusion des Wissens verwendet. 52 Patentzitate werden in diesem Zusammenhang nicht nur auf ihre Quelle untersucht, sondern
auch dahingehend, inwieweit sich das Wissen innerhalb der Region und über diese
hinaus in Form von Patentzitaten verbreitet.53 Sie entstehen, wenn in der Dokumentation eines Patentes ein Verweis auf frühere Patente geliefert wird. Um die Patentzitate
zu zählen, kann entweder eine Vollerhebung erfolgen oder eine Teilerhebung dergestalt, dass nur Patentzitate desselben Technologietyps verwendet werden. Die vollständige Erfassung bietet den Vorteil, dass die Spillovers auf entfernte Forschungsgebiete
erfasst werden, die teilweise Zählung hingegen bietet sich an, wenn technologiespezifische Aussagen getroffen werden sollen. Der Vorteil der Patentzitate gegenüber den
Patenten besteht darin, dass aus den Zitaten ein Index der Wichtigkeit der Patente entwickelt werden kann. Hierzu werden die Zitate eines Patentes in allen nachfolgenden
48
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 103.
Unter dem Zeitrang versteht man im Sinne des PatG den Zeitpunkt, ab dem ein Patentanspruch
verfolgt werden kann. Der Zeitrang ist entscheidend bei der Entscheidung über die Priorität, wenn es zur
Anmeldung mehrerer ähnlicher Patente kommt. Das Patent erhält in dem Fall derjenige mit dem ältesten
Zeitrang.
50
Vgl. OECD Compendium (2007), S. 9.
51
Das erste Verfahren schätzt die EPO-Patentanmeldungen basierend auf der Anzahl der Euro-PCTPatentanmeldungen. Ein weiteres Verfahren zur Schätzung der Triadischen Patentfamilien leitet diese
aus der Menge der biadischen Patentfamilien aus den Daten des EPO und JPO, bei denen ein Trend
erkennbar ist, ab. Vgl. OECD DSTI (2007), S. 5.
52
Vgl. Peri (2005), S. 310 – 312, Trajtenberg (2002), S. 30 – 33, 43 – 44.
53
Vgl. OECD Compendium (2007), S. 8.
49
8
Patenten gezählt und aus dem Ergebnis ein Gewichtungsfaktor ermittelt mit dem die
absolute Zahl der Patente multipliziert wird.54
Kritisch anzumerken ist bei der Beurteilung der Patentzitate, dass alte Patente eine
höhere Wahrscheinlichkeit haben, zitiert zu werden. Dies würde zu einer Verzerrung
der Gewichtungsfaktoren führen. Trajtenberg führte daher einen χ 2 – Test durch und
konnte negieren, dass ältere Patente nur auf Grund des Zeitablaufs häufiger zitiert
wurden.55 Somit zeigen sich Patentzitate dem reinen Abzählen von Patenten überlegen.
Durch diesen Indikator kann den zitierten Patenten ein monetärer Wert zugeordnet
werden und für das neueste Patent ein Wert geschätzt werden. Dies ist ein immenser
Vorteil, waren die Patente vom Problem der Wertbestimmung restringiert.
2.3 Outputorientierte Indikatoren
Outputorientierte Indikatoren werden nachfolgend zwischen dem Erfassen der
tatsächlichen Innovationstätigkeit und der Betrachtung der marktorientierten Indikatoren differenziert. Unter marktorientierten Indikatoren werden die Indikatoren verstanden, die einen direkten Bezug zum Markt herstellen. Kommerzialisierung und Marktorientierung stehen explizit im Fokus der Betrachtung.
2.3.1 Befragungen
Das weit verbreitete Medium der Unternehmensbefragungen ist eine outputorientierte
Variante Innovationen in der Form des Abzählens zu messen56. Hierbei erhalten die
Experten Fragen bezüglich von Produkt- und Prozessinnovationen vorgelegt, die meist
nur mit einem reinen Kontinuum „Ja/Nein“ beantwortet werden können. Amtliche
Statistiken bieten bis heute keine Erfassung der betrieblichen Innovationen an. Daher
stützt sich die Interpretation des Innovationsoutputs auf Befragungen, die weniger
regelmäßig durch verschiedene Stellen durchgeführt werden.57 Eine differenzierte
Befragung bei 117 Unternehmen über betriebliche Innovationsprozesse stellen
Hauschildt und Schlaak (1999) vor. Zentrales Ergebnis ihrer Arbeit ist die Erkenntnis,
dass mittelgroße Unternehmen die Innovationsgrade neuartiger Produkte höher
einschätzen als große Unternehmen.58
Statistiken, die sich auf Befragungen gründen, wie z.B. die SPRU Datenbank für
Innovationen, die ein Panel von Industrieexperten führt, können in ihrer Aussagekraft
54
Vgl. Trajtenberg (2002), S. 29.
Vgl. Ebenda, S. 33.
56
Vgl. Grupp (1997), S. 196.
57
Vgl. Herrmann (2007), S. 69.
58
Vgl. Hauschildt und Schlaak (1999), S. 161- 181.
55
9
eingeschränkt sein. Die befragten Experten geben eine Einschätzung über die Einführung innovativer Produkte oder Prozesse in ihrer Firma. Die Selbsteinschätzung birgt
das Problem der Subjektivität, da nicht jeder Befragte das gleiche Verständnis einer
Innovation hat und sich die Antworten nicht bedenkenlos vergleichen lassen können.59
Insbesondere die Verwendung von stichprobenartigen Befragungen ist durch ihre
intertemporale Vergleichbarkeit und die Gefahr von Stichprobenfehlern limitiert60.
2.3.2 Umsatzrelationen
Über das reine Abzählen von Innovationen hinausgehend, werden in der Praxis häufig
die Umsatzrelationen als Innovationsindikator verwendet. Beispielsweise kann der
Umsatzanteil der Produkte in der Einführungsphase des Produktlebenszyklus ins Verhältnis zu allen in der betreffenden Periode verkauften Produkten ermittelt werden, um
die Produktinnovationsintensität messen zu können.61 Unabhängig davon, dass zunächst das Produkt entweder vollkommen neu sein muss oder zumindest eine neue
Produktqualität entwickelt wurde, muss auch der Begriff „neues Produkt“ bestimmt
werden. Die Zeitspanne, ab der ein Produkt als neu gilt, wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Vornehmlich werden Zeiträume zwischen 3 – 4 Jahren62 verwendet. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt insbesondere in der monetären Bewertung der
Innovation in der Einführungsphase des Produktes63. Durch dieses Vorgehen wird nur
die Produktinnovation betrachtet. Meist geht dieser auch eine Prozessinnovation voran,
die sich allein aber nicht in den Umsatzerlösen niederschlägt, sondern in der Regel die
Produktionskosten reduziert.64
Als weiteren marktorientierten Indikator für die Innovationsintensität wird auch der
Exportanteil eines Landes zitiert. Er wird als Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz definiert und als Erfolgsindikator für die Auslandsorientierung einer Region
verstanden.65 Der Rückschluss des Erfolgsindikators auf ein Intensitätsmaß erfolgt
dergestalt, dass der internationale Markterfolg der handelbaren Güter auf der technischen Leistungsfähigkeit und somit gleichermaßen auf der regionalen Innovationsintensität basiert.66 Empirische Ergebnisse über den Exportanteil lassen sich nur auf
59
Vgl. Rogers (1998), S. 10, Grupp (1997), S. 196.
Vgl. Herrmann (2007), S. 65.
61
Vgl. Arvanitis und Hollenstein (1990), S. 526.
62
Vgl. OECD mit empfohlenen 3 Jahren, Grupp (1997), S. 198 mit angegebenen 4 Jahren.
63
Vgl. Grupp (1997), S. 198.
64
Vgl. Mohnen, Mairesse und Dagenais (2006), S. 11.
65
Vgl. Herrmann (2007), S. 51.
66
Vgl. Ebenda, S. 117.
60
10
Basis einzelbetrieblicher Angaben erzielen, z.B. in Form einer Befragung.67 Aus der
von Herrmann durchgeführten Analyse des Exportanteils in Schleswig-Holstein für das
Jahr 2004 resultiert eine Bestätigung der Exportschwäche verglichen mit den anderen
Bundesländern. Für die innovationsintensiven Bereiche „Chemische Grundstoffe“ und
„Geräte der Telekommunikationstechnik“ hingegen wurden verglichen mit den westdeutschen Bundesländern bessere Ergebnisse verzeichnet.68
Beschränkungen der Aussagekraft von Innovationsindikatoren können auch im Fall der
Messung durch die Umsätze der Unternehmen mit neuen Produkten entstehen, da zum
einen keine Aussage über den Grad der Neuerung gegeben werden kann und zum
anderen die Festlegung der Definition „neues Produkt“ immer mit Willkür behaftet ist.
Dieses Problem lässt sich aber nicht umgehen, da die Festlegung eines Zeitpunktes
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Branchen zu restriktiv wäre: Ein neues
Produkt im Bereich Computertechnologie mit einem neuen Produkt in der Heizungstechnik gleichsetzen zu wollen würde das Ergebnis darüber hinaus verzerren.
3. Globalindikator nach Arvanitis und Hollenstein
Die Motivation für die Entwicklung eines Globalindikators der Innovationsintensität
liegt in dem Bestreben einen einzigen interpretierbaren Indikator zu erhalten und nicht
ausschließlich die in Kapitel 2 vorgestellten derivativen Innovationsindikatoren zu
verwenden. Arvanitis und Hollenstein69 sehen im bisherigen Vorgehen den Nachteil,
dass die Betrachtung der Einzelindikatoren immer nur einen Teilaspekt im Innovationsprozess beleuchtet und mit der empirischen Erfassung häufig auch Messfehler
einhergehen. Sie versuchen aus den Einzelindikatoren ein Indikatorenbündel zu
gestalten, das als Ganzes sinnvoll interpretierbar bleibt.
Ihre Analyse basiert auf zwei Quellen: Zum einen verwenden sie die Angaben zur
Innovationstätigkeit aus der KOF/ETH-Innovationsumfrage für den Zeitraum 1988 –
1990. Zum anderen entnehmen sie Angaben über die Zahl der Patente, die von den
befragten Unternehmen aus der Innovationsumfrage angemeldet wurden, aus der
Patentstatistik des IFO-Instituts für den Zeitraum 1982 – 1990. Ihre Datenbasis umfasst
520 Unternehmen70.
67
Vgl. Ebenda, S. 71.
Vgl. Ebenda, S. 118.
69
Basierend auf Arvanitis und Hollenstein (1994), S. 523 – 535.
70
Diese Zahl entsteht nach einer Bereinigung: Die Grundgesamtheit von 686 befragten Industrieunternehmen verringern sie durch die Berücksichtigung nur derer, die im Zeitraum 1988 – 1990 in der
Innovationsumfrage beim Kriterium „Innovation: ja“ angegeben haben.
68
11
Im weiteren Vorgehen definieren sie die zu berücksichtigenden Innovationsindikatoren
einschließlich der zu verwendenden Skalierung sowie den Wertebereich. Die Indikatoren werden zunächst den Bereichen input-, output- oder marktorientiert zugeordnet.
Eine Übersicht über die verwendete Struktur bietet Tabelle 1. Die dort dargestellten
Indikatoren werden getrennt nach Produkt- und Prozessinnovationen einer Faktoranalyse unterzogen. Aus der Analyse der Produktinnovation resultiert eine deutlich höhere
Signifikanz für technikorientierte Größen. Ökonomische und marktorientierte Indikatoren fallen weniger ins Gewicht. Die Prozessinnovation hingegen wird gleichermaßen
von ökonomischen und technikorientierten Indikatoren beeinflusst. Die anschließend
durchgeführte Korrelationsanalyse nach Variablen bzw. Variablenkombinationen bestätigt die in der Faktoranalyse erhaltenen Ergebnisse. Arvanitis und Hollenstein haben
somit die Informationen zur Innovationsintensität der Einzelindikatoren gebündelt.
Trotz der statistisch befriedigenden Ergebnisse wird Globalindikatoren in der Praxis
keine große Bedeutung beigemessen. Neben dem vorgestellten Indikatorenbündel, welches sich auf betriebliche Auswertungen stützt, werden in der Literatur auch Globalindikatoren vorgestellt, die sich auf volkswirtschaftliche Indikatoren, wie z. B. die Entwicklung der Beschäftigung beziehen. Kritik entsteht an allen Varianten insofern, als
inputorientierte Indikatoren auf der einen Seite und Throughput- bzw. Output-Indikatoren auf der anderen Seite zusammengefasst werden, was voraussetzen würde, dass es
stabile und eindeutige Beziehungen zwischen den berücksichtigten Indikatoren gibt.71
4. Fazit
Die Analyse der empirischen Erfassung regionaler Innovationsintensität und regionaler
Wissens-Spillovers hat aufgezeigt, dass die Innovationsforscher auf eine Vielzahl derivativer Indikatoren zurückgreifen können. Erläutert wurde zudem die Kritik an diesen,
die durch uneinheitliche oder ungeeignete Datenquellen, mangelnde Datenverfügbarkeit und Aktualität sowie die Datenqualität entsteht.
Nicht alle Indikatoren sind gleichwohl für die Erfassung der regionalen Innovationsintensität und regionaler Wissens-Spillovers geeignet. Das Zusammenspiel der Indikatoren im rückgekoppelten Innovationsprozess wird in nachfolgender Abbildung am
Beispiel der Produktinnovation verdeutlicht. Die Patentzitate nehmen hierbei eine
besondere Stellung ein, da sie sowohl ein Indikator der Innovationsintensität sein
können, als auch die Diffusion des Wissens dokumentieren.
71
Vgl. Fraunhofer-Institut (2000), S. 51.
12
Abbildung 1: Innovationsprozess mit entsprechendem Indikator
Quelle: eigene Darstellung
13
Patentzitate
Feedbackschleife
Informationsfluss
Gemeinschaften
Wissens-
Forschung
Erfindung
Testphasen
Angewandte
Ausgaben
Personal
Grundlagenforschung
FuE-
FuEgungen
Befra-
Indikator für Wissens-Spillover
Indikator für Innovationsintensität
Patentzitate
Produktion
Patente
zitate
Patent-
Vermarktung
anteil
Export-
Diffusion
relationen
Umsatz-
Anhang
Variable
1. Inputorientierte Indikatoren
INNIN
Verwendete Innovationsindikatoren
Definition
Skalierung
Gesamtmaß für den FuE-Aufwand
INNR
INND
INNDC
RDEQ
Forschungsaufwand
Entwicklungsaufwand
K/D-Aufwand
FuE-Ausgaben als Umsatzanteil (%)
Innovationsaufwendungen als
INEXQ
Umsatzanteil (%)
Anteil der Beschäftigten im FuE-Bereich
RD*
(%)
Anteil der Beschäftigten mit höherer
TECH*
technischer Qualifikation (%)
2. Outputorientierte Indikatoren
PATQ*
Anzahl Patente in Relation zum Umsatz
Beurteilung der Innovationen in
ASST
technologischer Sicht
Beurteilung der Innovationen in
ASSE
ökonomischer Sicht
INNEW
Neuheitsgrad der Innovationen
ITECHPD
Technische Schwerpunkte bei
Produktinnovationen
ITECHPC
Technische Schwerpunkte bei
Prozessinnovationen
3. Marktorientierte Indikatoren
Umsatzanteil der Produkte in der
NEW**
Einführungsphase des Lebenszyklus (%)
Umsatzanteil von Produkten in der
NEWGROW**
Wachstumsphase des Lebenszyklus (%)
Ordinal
1: Konstruktion/Design (K/D)
2: Entwicklung
3: Forschung
Ordinal
Ordinal
Ordinal
Metrisch
Werte
1,3
1,5
1,5
1,5
0,100
Metrisch
0,100
Metrisch
0,100
Metrisch
0,100
Metrisch
≥0
Ordinal
1,5
Ordinal
1,5
Ordinal:
1: wesentlich weiterentwickelt
2: neu für die Firma
1,4
3: neu für die Schweiz
4: neu für die Welt
Ordinal:
1: neue
Materialien/Vorprodukte
1,3
2: neue Funktionslösungen
3: grundlegend neue Produkte
Ordinal:
1: neue Fertigungstechniken
2: Automatisierung
1,3
3: neue techn.-organis.
Strukturen
Metrisch
0,100
Metrisch
0,100
Mit Ausnahme der mit * markierten Indikatoren werden alle getrennt nach Produktund Prozessinnovation gemessen; ** wird nur für Produktinnovationen verwendet.
Tabelle 1: Verwendete Innovationsindikatoren
Quelle: Arvanitis und Hollenstein (1990), S. 526.
14
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