HP-Version Brandvermeidung an Werkzeugmaschinen

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HP-Version Brandvermeidung an Werkzeugmaschinen
Autoren:
Ralf Apfeld, IFA
Christoph Meyer, BGHM
Paul Rempel, IFA
Harald Sefrin, BGHM
BRANDVERMEIDUNG UND –BEKÄMPFUNG AN
WERKZEUGMASCHINEN
Brandgefahren an Werkzeugmaschinen
Für eine effiziente und wirtschaftliche Produktion kommen in der metallverarbeitenden
Industrie neben den wassergemischten Kühlschmierstoffen (Emulsionen) zunehmend
brennbare, nichtwassermischbare Kühlschmierstoffe auf Mineralölbasis zum Einsatz.
Allein in Deutschland werden für die metallverarbeitende Industrie pro Jahr etwa 30.000
Tonnen mineralölhaltige Kühlschmierstoffe produziert [1]. Insbesondere schwer
zerspanbare Räumprozesse, Tiefbohroperationen und Tiefschleifprozesse werden nahezu
ausschließlich mit nichtwassermischbaren Kühlschmierstoffen durchgeführt und als eine
„Domäne des Öls“ angesehen.
Die vermehrte Verwendung von Kühlschmierstoffen (KSS) auf Basis mineralischer
Grundöle ist auch für den betrieblichen Brandschutz von großer Bedeutung. Diese
Schmierstoffe sind prinzipiell brennbar und können bei entsprechender Vernebelung oder
Verdampfung im Zusammenspiel mit Luft ein lokales reaktionsfähiges Gemisch bilden.
Dies tritt unter anderem in modernen gekapselten Werkzeugmaschinen, z. B. für die
Hochgeschwindigkeitsbearbeitung zwangsläufig auf. Hierbei kommt es immer wieder zu
Flammenaustritten und schweren Unfällen mit Brandverletzungen sowie zu hohen
Sachschäden durch eine mögliche Brandausbreitung.
Ursachen und Auswirkungen
In der industriellen Serienfertigung stellen Kühlschmierstoffe auf Ölbasis und ölgetränkte
Spanrückstände im Maschineninnenraum die wesentliche Brandgefahr dar. Ein Feuer im
Maschineninnenraum kann bei Vorliegen einer „hohen Brandlast“ entstehen, z. B. wenn
große Mengen ölgetränkter Späne oder so genannte „Spänenester“ in Ecken und Kanten
vorhanden sind. Als Zündquellen reichen beispielsweise ein heißes Werkzeug oder ein
heißer Span aus. Auch heiße Oberflächen infolge eines Werkzeugbruchs,
Fehlsteuerungen oder Trockenlaufen können Brände verursachen.
Bei geschlossenen Maschinen mit hohen Vorschub- und Schnittgeschwindigkeiten, wie
etwa bei der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung (High Speed Cutting), entstehen oftmals
starke Verwirbelungen und Vernebelungen des eingesetzten Kühlschmierstoffes. Tritt in
dieser Situation eine Störung, wie beispielsweise durch Werkzeugbruch, Fehlbewegungen
oder Trockenlaufen des Werkzeugs auf, können sich glühende Späne und heiße
Oberflächen bilden, die dann zur möglichen Zündquelle werden. So kann es zur
„Durchzündung“ des Öl-Luft-Gemischs (schlagartige Zündung) im Innenraum der
Werkzeugmaschine kommen – mit Gefahr eines nachfolgenden Brandes. Ebenso können
Flammen sehr stark aus allen Öffnungen der Maschine austreten: aus Türlabyrinthen,
Werkstück-Zuführungen aber auch im Bereich des Späneförderers. Weiterhin können
Rauch und evtl. gefährliche Brandgase austreten.
Besonders tückisch kann eine „Rückzündung“ sein. Auftreten kann sie durch eine
erneute Luftzufuhr lange Zeit nach einem Brandereignis, selbst wenn das Feuer im
Maschineninnenraum sichtbar erloschen ist. Sind noch heiße Oberflächen sowie
reaktionsfähige Brandgase (z. B. Kohlenmonoxid) vorhanden, ist eine schlagartige
Reaktion zu erwarten. Die Folge einer Rückzündung können dann wiederum extrem
heftige Flammenaustritte aus allen Öffnungen der Maschine sein. Ebenfalls können Rauch
und gefährliche Brandgase entstehen.
In der Praxis treten Rückzündungen nach einem Brand bei folgenden Situationen auf:
•
Die Maschinentür wird zu früh geöffnet (z. B. zum manuellen Löschen im
Innenraum).
•
Zu frühes Wieder-Einschalten der Maschine und Entzündung des KSS-Nebels an
heißen Oberflächen.
Brände vermeiden – Brände bekämpfen
Sofern an einer Werkzeugmaschine der Zerspanprozess ausschließlich mit
wassergemischten Kühlschmierstoffen erfolgt und die Bearbeitung von Magnesium
ausgeschlossen werden kann, sind in der Regel keine Maßnahmen zum Brandschutz
erforderlich. In allen anderen Fällen sind Brände nicht auszuschließen, so dass
entsprechende Brandschutzmaßnahmen notwendig sind.
Bevor man Maschinen mit einer Löschanlage ausstattet, sollten zunächst Maßnahmen zur
Brandvermeidung ergriffen werden. Dazu ist die Lektüre der neu überarbeiteten DIN EN
ISO 19353 „Sicherheit von Maschinen - vorbeugender und abwehrender Brandschutz“ [2]
hilfreich. Sie bietet Maschinenherstellern und -anwendern einen Leitfaden zur Erstellung
eines Schutzkonzeptes. Somit wird gewährleistet, dass bereits durch
Konstruktionsmaßnahmen ein Großteil des Brandrisikos reduziert wird.
Als Beispiel wurde in der Norm ein Bearbeitungszentrum mit einer vollständigen
Verkleidung (Einhausung) für die spanende Bearbeitung von metallischen Werkstoffen
(Bohren, Drehen, Polieren/Schleifen, Fräsen) mit nichtwassermischbaren, brennbaren
Kühlschmierstoffen ausgewählt. Darin werden die Maßnahmen zur Brandvermeidung und
-bekämpfung praxisgerecht beschrieben.
Diese Maßnahmen bestehen aus der Wahl eines geeigneten Kühlschmierstoffes
(verdampfungs- und vernebelungsarm), dem Einsatz von Labyrinthdichtungen an
Maschinentüren sowie der Installation von Absaug- und Löschanlagen. Diese Maßnahmen
sind als „roter Faden“ in einem Ablaufdiagramm dargestellt und werden im Anhang
ausführlich erläutert. Dabei wurden aktuelle Erkenntnisse aus Forschungsberichten der
Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in Kooperation mit dem Verein deutscher
Werkzeugmaschinenhersteller (VDW) berücksichtigt, die Zündversuche in einer
Werkzeugmaschine zum Forschungsgegenstand hatten.
Bereits die Verwendung eines emissionsarmen Kühlschmierstoffes mit geringen
Verdampfungs- und Vernebelungseigenschaften sowie hohem Flammpunkt führt zu einer
erheblichen Reduzierung des Brandrisikos. Dies gilt ebenso für die Gewährleistung einer
optimalen Überflutung der Bearbeitungsstelle mit dem Kühlschmierstoff
(Schwallspülung/Überflutung). Eine Überwachung der Durchflussmenge trägt zu einer
zusätzlichen Brandrisikoreduzierung bei. Durch den Einsatz eines Späneförderers, der
Späne aus dem Maschineninnenraum abtransportiert, werden Folgebrände vermieden
und/oder begrenzt.
Um die Verletzungsgefahr durch Flammenaustritte im Falle einer „Durchzündung“ des
Ölnebels für die bedienende Person zu reduzieren, werden Schiebetüren mit
Labyrinthdichtungen eingesetzt.
Skizze des Prinzips der Türlabyrinthe (Quelle: BGHM)
Diese Dichtungsart bremst die Flammen durch das Prinzip „Umlenkung und Expansion“ ab
und hält sie so wirkungsvoll zurück. Mit dem gleichen Wirkprinzip lässt sich durch Einsatz
eines Prallbleches in Kombination mit einer Flammensperre das Eindringen von Flammen
in die Rohrleitungen des Absaugsystems verhindern.
Skizze des Prinzips einer Flammensperre, abweichend von der DIN (Quelle: BGHM)
Feuerlöschanlagen
Bei Feuerlöschanlagen handelt es sich um Sicherheitsbauteile im Sinne der Maschinenrichtlinie [3], so dass hierfür die entsprechenden Anforderungen gelten.
Zu diesen Löschanlagen gehören in der Regel Feuerlöschsteuerungen, die
Sicherheitsfunktionen ausführen. Dabei werden Sensorsignale verarbeitet, um einen
entstehenden Brand zu erkennen und daraufhin die erforderlichen Maßnahmen
einzuleiten: das Einbringen des Löschmittels, das Stoppen des Bearbeitungsprozesses,
die Unterbrechung der KSS-Zufuhr und die Abschaltung der Absauganlage etc.
Schematische Darstellung verschiedener Elemente einer automatischen Löschanlage (Quelle: Kraft &
Bauer Brandschutzsysteme GmbH)
Für die Gestaltung der Steuerungstechnik von Feuerlöschanlagen ist die Norm DIN EN
ISO 13849-1 [4] maßgebend. Sie ist auch für andere Sicherheitsfunktionen relevant, wie z.
B. für die Vermeidung eines unerwarteten Anlaufs von Maschinen.
Aus der Analyse der hier geschilderten Gefährdungen definierte ein Arbeitskreis,
bestehend aus Vertretungen aus der Maschinen- und Feuerlöschanlagen-Herstellung, der
BGHM sowie des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und Verbandsvertretungen
folgende Sicherheitsfunktionen, die auch in die internationale Norm ISO 19353 (allerdings
ohne Angaben des PLr, da dieser maschinenabhängig ist) übernommen wurden:
Sicherheitsfunktionen von Feuerlöschsteuerungen an Werkzeugmaschinen mit PLr (Quelle: BGHM)
Die meisten dieser Sicherheitsfunktionen ergeben sich zwar aus den geschilderten
Gefährdungen, aber warum ist die Auslösung des Löschvorgangs nicht enthalten? Die
Antwort: Durch den Einsatz von Labyrinthdichtungen sind Personen, die sich vor der
Schutztür zum Arbeitsraum aufhalten, weitgehend geschützt. Daher steht das Löschen
selbst nicht im Vordergrund. Es ist jedoch zu verhindern, dass sich ein Brand durch die
Absauganlage oder den Späneförderer ausbreitet (SF3).
Weiterhin besteht eine hohe Gefährdung durch die eventuelle Rückzündung von bereits
erloschenem Feuer bei Sauerstoffzufuhr durch Öffnen einer Schutztür. Die
Feuerlöschsteuerung muss daher verhindern, dass die Schutztür geöffnet werden kann
(SF1).
Eine weitere Gefährdung wird durch den Einsatz der Feuerlöschanlage selbst erzeugt.
Bei dem in der Praxis gerne verwendeten Kohlendioxid als Löschmittel ist ab einer
Konzentration von fünf Volumenprozent in Luft mit Gesundheitsschäden zu rechnen. Ab
einer Konzentration von mehr als acht Volumenprozent besteht Lebensgefahr. Dieser
Aspekt ist insbesondere bei „begehbaren Maschinen“ zu berücksichtigen, bei denen die
Möglichkeit oder Notwendigkeit zum Betreten des Innenraums, z. B. zum
Werkzeugwechsel, zur Wartung und Reinigung besteht. Gleiches gilt für Anlagen in
„engen Räumen“. Die Brandlöschung darf daher nur bei geschlossenen Schutztüren
ausgelöst werden (SF5).
Anforderungen an die Sicherheitsfunktionen
Die Sicherheitsfunktionen sollen das Risiko durch die Entstehung eines Brandes bzw. die
Einbringung des Löschgases angemessen mindern. Entsprechend bestehen bei hohen
Risiken auch hohe Anforderungen an die Ausführung der Sicherheitsfunktionen, während
bei niedrigen Risiken auch die Sicherheitsfunktionen mit geringerem Aufwand realisiert
werden können. Als Messlatte für die „Qualität der Sicherheitsfunktionen“ wird im
Maschinenschutz der Performance Level PL verwendet. Der für eine bestimmte Maschine
erforderliche Performance Level (PLr; r = required/erforderlich) ist durch eine
Risikoanalyse individuell zu bestimmen. Die in Tabelle 1 angegebenen PLr sind vom o. g.
Arbeitskreis festgelegt worden.
Die Funktionen von Maschinen werden heutzutage von komplexen elektronischen
Steuerungen realisiert, die u. a. Motoren starten und stoppen oder Ventile öffnen und
schließen. Die Feuerlöschsteuerung muss zur Erfüllung ihrer Sicherheitsfunktionen
teilweise auf dieselben Motoren und Ventile einwirken. Insofern gibt es eine Schnittstelle
zwischen der funktionalen Maschinensteuerung und der Feuerlöschsteuerung. Diese
Schnittstelle ist zurzeit nicht standardisiert, so dass eine individuelle Absprache zwischen
dem Maschinenhersteller und dem Hersteller der Feuerlöschsteuerung erforderlich ist.
Die Bauteile von sicherheitsrelevanten Steuerungen müssen je nach PLr auf ihre
Funktionsfähigkeit hin überprüft werden. Dies geschieht bei elektronischen Steuerungen in
der Regel automatisch durch Selbsttests und unbemerkt vom Maschinenanwendenden.
Bei den derzeit verfügbaren Sensoren ist das jedoch nicht möglich, denn zum Test werden
z. B. hohe Temperaturen oder UV-Strahlung benötigt. Insofern sind regelmäßige manuelle
Prüfungen erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Branderkennung sicherzustellen.
Veröffentlichung
Erschienen im April 2016 in der Zeitschrift „sicher ist sicher“, Ausgabe 04/2016.
Kontakt
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Weiterführende Veröffentlichungen
Zurzeit ist eine Veröffentlichung des Sachgebiets Maschinen, Anlagen und
Fertigungsautomation in Vorbereitung, in dem der Stand der Technik der
Steuerungstechnik an einem realen Beispiel detailliert dargestellt wird.
Weitere aktuelle Erkenntnisse aus der betrieblichen Praxis sind in der DGUV Information
209-026 (frühere BGI 719) [5] der DGUV enthalten. Zum Umgang mit Magnesium finden
sich Informationen in der DGUV Regel 109-011 (frühere BGR 204) [6].
Literaturverzeichnis
[1] Mineralöldaten für die Bundesrepublik Deutschland; Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle; auch unter:
http://www.bafa.de/bafa/de/energie/mineraloel_rohoel/amtliche_mineraloeldaten/2015/inde
x.html
[2] Sicherheit von Maschinen - Vorbeugender und abwehrender Brandschutz (ISO
19353:2015); Deutsche Fassung EN ISO 19353:2016 (vsl. Juni 2016).
[3] „Feuerlösch- und Brandmeldeanlagen in der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“;
Positionspapier FLA/BMA – Maschinenrichtlinie 2/12 (1); Bundesverband technischer
Brandschutz e. V.
[4] Sicherheit von Maschinen - Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen - Teil 1:
Allgemeine Gestaltungsleitsätze (ISO 13849-1:2006); Deutsche Fassung EN ISO 138491:2008 DIN EN ISO 13849-1.
[5] DGUV Information 209-026 DGUV Information 209-026 - Brand- und Explosionsschutz
an Werkzeugmaschinen (bisher: BGI/GUV-I 719), aktualisierte Fassung März 2012.
[6] DGUV Regel 109-011- Umgang mit Magnesium (frühere BGR 204), aktualisierte
Fassung August 2005.
Autorenangaben
Ralf Apfeld
Referatsleiter Maschinen und Anlagen beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
Christoph Meyer
Mitarbeiter im Sachgebiet Maschinen, Anlagen und Fertigungsautomation (BGHM)
Paul Rempel
Prüfingenieur beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung (IFA)
Harald Sefrin
Mitarbeiter im Sachgebiet Maschinen, Anlagen und Fertigungsautomation (BGHM)