Impulsreferat Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
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Impulsreferat Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
Frauke Heiligenstadt Niedersächsische Kultusministerin Impulsreferat der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt in der Vollversammlung „Regionales Übergangsmanagement Schule-Beruf“ in Göttingen am 30.11.2015 - Es gilt das gesprochene Wort - Anrede, für die Gelegenheit, hier im Rahmen Ihrer Vollversammlung sprechen zu dürfen, danke ich. Die wesentliche Säule der beruflichen Bildung ist das duale Ausbildungssystem mit dem Schwerpunkt der Ausbildung in der betrieblichen Realität. Durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis an den Lernorten Betrieb und Schule erwerben die Auszubildenden persönliche und berufliche Kompetenzen, die ihnen ermöglichen, unmittelbar nach der Prüfung als vollwertige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Tätigkeit aufzunehmen. Der kürzlich vorgelegte Berufsbildungsbericht 2015 zeigt erfreulicherweise: Das duale System der beruflichen Bildung ist nach wie vor die wesentliche Säule für die Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs der Wirtschaft. Nicht zuletzt manifestiert sich im dualen System eine Verantwortungspartnerschaft von Staat und Sozialpartnern für die Entwicklung junger Menschen. Anrede, Trotz der guten Ausgangslage steht die duale Berufsausbildung vor großen Herausforderungen, die in der demografischen Entwicklung, der Fokussierung der Jugendlichen auf wenige Ausbildungsberufe und dem Trend zum Erwerb formal höherer Schulabschlüsse oder hochschulischer Ausbildung liegen. Daher geht die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge bundes-weit zurück. Schiffgraben 12 30159 Hannover Telefon (0511) 120-7101 Telefax (0511) 120-7454 E-Mail: [email protected] In Niedersachsen betrug der Rückgang 2014 im Vergleich zum Vorjahr erfreulicherweise nur 1 % und liegt damit unter dem Bundeschnitt von 1,4 %. Die aktuelle Statistik der Regionaldirektion mit Stand 30.09. zeigt erneut eine sinkende Zahl der Bewerberinnen und Bewerber (-5,3 %), während die der angebotenen Ausbildungsplätze steigt (+2,7%). Der Zwischenstand zu den Ausbildungs-verträgen weist im Jahresvergleich einen Rückgang von 1,1% aus, wobei er im Handwerk mit 0,7% unter dem Durchschnitt liegt. Aufgrund der späten Sommerferien und den positiven Erfahrungen der Nachvermittlungsverfahren in den letzten Jahren bin ich jedoch optimistisch, dass wir uns hinsichtlich der abgeschlossenen Ausbildungsverträge noch verbessern werden. Anrede, Es liegt auf der Hand, dass wir diesem Befund nicht tatenlos zusehen können. Daher haben wir uns in der Landesregierung entschieden, hier mit dem „Bündnis Duale Berufsausbildung“, kurz BDB, gegenzusteuern. Das Bündnis ist Teil der Fachkräfteinitiative Niedersachsen, die die Sicherung der Fachkräftebasis in unserem Land zum Ziel hat. Das Bündnis, das in der Federführung meines Hauses liegt, ist ein zentrales Handlungsfeld dieser Initiative. Es ist unsere Absicht, das duale System der Berufsausbildung zu stärken und das Übergangssystem zu reduzieren. Wir wollen die Funktionsfähigkeit der dualen Berufsausbildung erhalten und die Gleichwertigkeit und Attraktivität zu anderen Ausbildungen und Bildungswegen deutlich machen. Im Bündnis haben wir zunächst fünf Handelsfelder festgelegt: 1. die Berufsorientierung, 2. die Integration unversorgter Jugendlicher in duale Ausbildung, 3. die koordinierte Beratungsstruktur: Jugendberufsagentur, 4. Einstiegssystem BBS und 5. wohnortnahe Beschulung Anrede, Zum 1. Punkt: Berufsorientierung noch immer werden viele Entscheidungen zu individuellen Bildungswegen „aus dem Bauch heraus“ getroffen. Ziel unserer Bemühungen muss es daher sein, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern eine begründete Berufswahlentscheidung zu ermöglichen. Wir haben ganz offensichtlich auch mit Defiziten in der Kenntnis der Möglichkeiten des berufsbildenden Systems zu kämpfen. Im zweiten Teil meines Beitrages werde ich auf die vorgesehenen Maßnahmen und Projekte näher eingehen. Zum Punkt: JBA Die Zusammenführung der unterschiedlichen Hilfe- und Unterstützungsleistungen in „Jugendberufsagenturen“ trägt nach Einschätzung aller Partner dazu bei, den Übergang Schule – Beruf zu optimieren. Junge Menschen haben dabei idealerweise eine Ansprechpartnerin, einen Ansprechpartner, die oder der niederschwellig erreichbar ist. Die Verantwortung liegt primär bei Kommune, Job-Center und Agentur für Arbeit. Es bedarf aber eines Netzwerkes, dem Schule, Wirtschafts- und Sozialpartner und weitere Akteure angehören. Aufbau der Jugendberufsagenturen unterstützen wir mit einem Begleitprojekt an dem sich 12 Kommunen mit ihren Partnern beteiligen. Wir stellen 60 Anrechnungsstunden bereit, damit die Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen mit ihren guten Kontakten zu Kammern und Betrieben die Netzwerkarbeit unterstützen können. Zum Punkt: Einstiegssystem Mit einer Arbeitsgruppe, die sich auch mit der Integration unversorgter Jugendlicher in duale Berufsausbildung befassen wird, wollen wir ausgehend von den Zielgruppen erörtern, welche Bildungsgänge neu geordnet oder sogar abgeschafft werden müssen. An 8 BBSen läuft ein Schulversuch in der Berufseinstiegsschule (BVJ / BEK) zur Dualisierung. Durch Praktika und Kontakt mit der betrieblichen Realität erhoffen wir uns „Klebeeffekte“ und den direkten Einstieg in eine duale Berufsausbildung. Mit den Partnern erörtern wir, ob weitere Schulformen, wie die Berufsfachschule oder die Fachoberschule (Klasse 11) vergleichbar ausgerichtet werden können. Die Interessen der Jugendlichen haben dabei Priorität, ohne die der Betriebe aus dem Auge zu verlieren. Die Nutzung der Angebote der Agenturen für Arbeit wie EQ (Einstiegsqualifizierung) oder AsA (Assistierte Ausbildung) wollen wir mit der Schulpflicht abgleichen. Da es trotz aller Bemühungen weiterhin „unversorgte“ Jugendliche geben wird, werden wir erörtern und prüfen, ob eine geförderte außerschulische oder außerbetriebliche Ausbildung zielführend ist. Zum Punkt wohnortnahe Beschulung: Funktionsfähige und wohnortnahe berufsschulische Angebote sind für die Attraktivität der dualen Berufsausbildung sind Dreh- und Angelpunkt. Gerade in der Fläche ist dies eine besondere Herausforderung, der wir mit einem Bündel an Maßnahmen, das von der gemeinsamen Beschulung einzelner Berufe bis zum E-LearningProjekt im Weserbergland reicht, entgegentreten. Um gerade in den Mangelfächern wie Technik und Pflege die Lehrerversorgung zu gewährleisten, haben Absolventinnen und Absolventen entsprechender Studiengänge über besondere Qualifizierungswege die Möglichkeit, in den Lehramtsberuf eintreten. Anrede, ich komme nun zurück zu dem angekündigten Schwerpunkt Berufs- und Studienorientierung. Es ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung, alle Jugendlichen durch eine umfassende Berufs- und Studienorientierung in allen Schulformen zu einer Berufstätigkeit oder zur Aufnahme eines Studiums zu befähigen. Damit soll die dauerhafte Teilhabe der jungen Menschen am Berufs- und Arbeitsleben gewährleistet werden. Die Handlungsempfehlungen des BDB sehen die Berufs- und Studienorientierung als fortlaufenden Prozess. Dieser wird in Zusammenarbeit zwischen den Schulen, der Bundesagentur für Arbeit und etlichen außerschulischen Partnern u.a. aus der Wirtschaft gefördert werden müssen. Alle Schülerinnen und Schüler sollen am Ende ihrer Schullaufbahn einen gelungenen Übergang von der Schule in den Beruf vollziehen können. Eine gute Vorbereitung trägt dazu bei, Ausbildungs- und Studienabbrüche zu vermeiden. Wichtig ist in diesem Prozess auch die Einbeziehung der Eltern, die nachweislich bei der Ausbildungs- oder Studienwahl Ihrer Kinder nachhaltig mitwirken. Anrede, Um die Potenziale unserer Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich I zu erfassen, werden bereits an vielen Haupt- und Realschulen sogenannte Potentialanalysen durchgeführt. Hierdurch können die Stärken jedes einzelnen Kindes ermittelt und gezielt gefördert werden. Derzeit wird eine Einführung dieses Förderinstrumentes auch für die Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen angedacht. Diese Verfahren sind hinsichtlich des Anforderungsniveaus je nach Schulform unterschiedlich „gestrickt“ und sollten bereits im 7. oder 8. Schuljahrgang durchgeführt werden. Hierbei werden zunächst ganz allgemein die überfachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler ermittelt, bevor in einem weiteren Durchgang im 9. oder 10. Schuljahrgang die beruflichen Neigungen der Jugendlichen erfasst werden können. Diese Ergebnisse stellen oft eine Entscheidungshilfe bei der Ausbildungsplatzwahl oder bei der Entscheidung, die Schullaufbahn fortzusetzen, dar. Für den Sekundarbereich II der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen wird aktuell über ein weiteres Verfahren für den 11. Schuljahrgang diskutiert, der Einblicke in die Kompetenzen hinsichtlich der Studierfähigkeit geben kann. Anrede, Bildung steht für diese Landesregierung an erster Stelle. Mehr Bildungschancen für unsere Kinder und eine Gleichbehandlung aller Schulformen sind für mich zwei wichtige Ziele einer erfolgreichen Bildungspolitik. Bildung, ganzheitlich begriffen, umfasst alle Bereiche des menschlichen Lebens: Naturwissenschaften, Technik, Geistes- und Sozialwissenschaften und musisch-kulturelle Bildung. Alle Schulformen leisten hierbei einen wichtigen Beitrag. Deshalb werden zurzeit die Kerncurricula aller Schulformen teils neu entwickelt bzw. entsprechend überarbeitet. Im Kultusministerium tragen sowohl das Referat, in dem die Berufsorientierung für alle allgemein bildenden Schulen beheimatet ist, als auch die schulfachlichen Referate der einzelnen Schulformen aktuell Sorge dafür, dass künftig auch die Berufs- und Studienorientierung in allen Kerncurricula verankert ist. Anrede, Die Schulformen der Haupt-, Real- und Oberschulen sind in der Berufsorientierung bereits breit aufgestellt, wobei auch hier die Prozesse weiterhin zu optimieren sind. Durch die Neugestaltung des 9-jährigen Gymnasiums ergeben sich für Schülerinnen und Schüler durch den zeitlichen Gewinn eines Schuljahres im Bereich der Berufs- und Studienorientierung vielfältige Möglichkeiten. Bereits im 8. Schuljahrgang setzt auch an dieser Schulform die Berufs- und Studienorientierung ein, damit auch diese Jugendlichen nicht unvorbereitet in die Berufswelt entlassen werden, wenn sie sich dazu entscheiden, das Gymnasium nach dem 10. Schuljahrgang zu verlassen. Wie an den übrigen Schulformen sollen auch hier u.a. breit angelegte Berufsfelderkundungen durchgeführt und individuelle Beratungen eingeleitet werden. Der 11. Schuljahrgang im Sekundarbereich II der Gesamtschule und der Gymnasien soll deutlich der Berufs- und Studienorientierung gewidmet werden. Die Landesregierung hat erkannt, dass sich in diesem Schuljahrgang gute Chancen für die Schülerinnen und Schüler bieten, sowohl Einblicke in die duale Berufsausbildung als auch in den Bereich der verschiedenen Studiengänge zu erlangen. Unterstützt wird die - auch in der gymnasialen Oberstufe - breit angelegte Berufs- und Studienorientierung, indem im 11. Jahrgang ein zweites Betriebspraktikum für diese Schülerinnen und Schüler verankert werden soll. Hier haben die Jugendlichen die Möglichkeit sich gezielt im Bereich der dualen Berufsausbildung, dem dualen Studium oder einem Hochschulstudium zu informieren und Erfahrungen zu sammeln. Diese gewonnenen Erfahrungen sollen auch zu der Entscheidung bei der Wahl der späteren Prüfungsfächer in der Qualifikationsphase beitragen. Die Praktikumsphasen an allen Schulformen müssen durch die Lehrerinnen und Lehrer intensiv vor- und nachbereitet werden. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass den Lehrkräften ein enger Kontakt zur Wirtschaft ermöglicht wird und somit der Unterricht in Vorbereitung auf den vorübergehenden Wechsel der Schülerinnen und Schüler in die Praxis optimal vorbereitet werden kann. Während des Praktikums sind die Betriebe gefordert, die eine sinnvolle Betreuung der Jugendlichen gewährleisten sollen. Im Anschluss an das Praktikum ist eine detaillierte Nachbereitung bis hin zu einer individuellen Beratung erforderlich. Die individuelle Beratung der Jugendlichen kann nur im Ansatz durch die betreuenden Lehrkräfte erfolgen, daher ist an dieser Stelle eine enge Zusammenarbeit mit den Beratern der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Anrede, Wichtig ist es aus Sicht der Landesregierung den Jugendlichen verschiedene Wege aufzuzeigen und Vorbehalte gegenüber einzelnen Ausbildungsgängen abzubauen. Wichtig erscheint es mir aber auch, die Abbrecherquoten sowohl bei den Auszubildenden als auch in den Studiengängen zu senken und Warteschleifen im Übergangssystem zu vermeiden. Hierzu müssen vielfältige Anstrengungen unternommen werden, die alle, die in den Prozess der Berufs- und Studienorientierung der Jugendlichen eingebunden sind, nur gemeinsam auf einen neuen zielorientierten Weg bringen können. Und dies bedeutet, um an dieser Stelle nur einige Punkte zu nennen: ein Unterricht, in dem bereits der Bezug des Faches zu verschiedenen Berufsfeldern verdeutlicht wird, Bezug zur Praxis, durch einzelne Praxistag für Schülerinnen und Schüler in Unternehmen, für jede Schulform 2 zwei- oder dreiwöchige Betriebspraktika, die durch die Lehrkräfte vor- und nachbereitet und durch den Betrieb intensiv betreut werden, individuelle Beratung der Schülerinnen und Schüler durch geschulte Lehrkräfte und vor allem durch die Berater der Bundesagentur für Arbeit, und die frühzeitige Einbeziehung der Eltern in den Prozess der Berufs- und Studienwahlorientierung. Anrede, Nur über die Schule und die Lehrkräfte sind die Eltern zu erreichen. Durch verschiedene Studien wurde nachgewiesen, dass die Erziehungsberechtigten noch immer maßgeblich an der Berufswahl ihrer Kinder beteiligt sind. Daher sollte auf die Einbeziehung der Eltern ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Anrede, zwischenzeitlich haben wir uns einer weiteren Herausforderung zu stellen. Die aktuelle Zuwanderung von Flüchtlingen bietet zwar viele Chancen, fordert unsere Gesellschaft aber auch. Der Spracherwerb ist eine Grundvoraussetzung, um Flüchtlinge in die Ausbildung oder den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu haben wir allen Schulformen Strukturen geschaffen und Ressourcen bereitgestellt. Bezogen auf die berufliche Bildung sind das die Sprachförderklassen in der Berufsvorbereitung und das Projekt „Sprint“ (Sprach- und Integrationsprojekt). Im Programm sind zusätzlich rund 100 Lehrerstellen (ca. 5,6 Millionen Euro) eingeplant, damit die Schulleitungen der BBSen eigenverantwortlich Personal zur sprachlichen Förderung und Integration jugendlicher Flüchtlinge einstellen können. Die Anzahl der Sprachlernklassen an den allgemein bildenden Schulen wurde zum Beginn des Schuljahres 2015/2016 von 240 auf rund 300 erhöht. Anrede, Im Ergebnis werden alle Aktivitäten, die wir im BDB verabredet und auf den Weg bringen, den Übergang Schule – Beruf optimieren. Sie tragen zudem dazu bei, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Recht auf eine berufliche Ausbildung umzusetzen. Ihrer Vollversammlung wünsche ich einen positiven Verlauf und zielführende Beratungen.