Filmanalyse The hills have eyes von Alexandre Aja
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Filmanalyse The hills have eyes von Alexandre Aja
Kathrin Wagner Filmanalyse The Hills Have Eyes von Alexandre Aja Seminar: Backwood Horror - Natur tötet! Dozent: Dr. Marcus S. Kleiner Sommersemester 2012 Universität Siegen Fakultät 1 – Philosophische Fakultät Sommersemester 2012 In Zeiten, in denen der Filmmarkt von Remakes nur so überschwemmt wird, war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis der Kultfilm Hügel der blutigen Augen von Wes Craven, aus dem Jahre 1977, neu verfilmt wurde. Craven ließ es sich jedoch nicht nehmen, dem Jungregisseur aus Frankreich, Alexandre Aja, als Produzent über die Schulter zu schauen. Das Ehepaar Bob und Ethel Carter feiert silberne Hochzeit, typisch amerikanisch kommt da nur eins in Frage: mit dem Rest der Familie in den Wohnwagen und ab nach Kalifornien. Soweit so Klischee. Mit an Bord sind neben dem Ehepaar Sohn Bobby, die Töchter Brenda und Lynn sowie Lynns Ehemann Doug und Töchterchen Catherine. Nicht zu vergessen: die beiden Schäferhunde Beauty und Beast. Trotz Gewissensbissen rät der Tankwart den Reisenden dazu eine Abkürzung zu nehmen, die ihnen zwei Stunden einsparen soll. Familienoberhaupt Bob zögert nicht lange und biegt auf die unbefestigte Straße ab. Nach kurzer Zeit kommt es dann zum unvermeidlichen Unfall: Alle vier Reifen sind geplatzt und eine Weiterfahrt schier unmöglich. Die Gruppe trennt sich, die Männer suchen nach Hilfe, die Frauen halten Kaffeeklatsch und Bobby macht sich auf die Suche nach der entlaufenen Beauty. Während der Suche nach dem Hund fühlt sich Bobby beobachtet und bemerkt schon bald, dass etwas nicht stimmt. Spätestens als er Beauty aufgeschlitzt und ausgeweidet findet, fühlt er sich in seiner Annahme bestätigt. Nach einer Panikattacke stürzt er aber von einem Felsvorsprung. Hier folgt der erste Auftritt der Mutantin Ruby, die Bobby berührt und ihren verwandten Mutanten mit Verachtung straft, als dieser sich auf einem Felsen die Überreste des Hundes schmecken lässt. Nach langem Fußmarsch erreicht Doug einen Autofriedhof in einem Bombenkrater und Bob die Tankstelle. Bob ist sofort misstrauisch; Doug denkt sich nichts Böses und schaut, ob in den Autos noch etwas zu holen ist. Bob findet auf der Toilette den 2 betrunkenen Tankwart, der sich vor lauter Selbstvorwürfen die Kugel gibt und Bob macht kurz darauf Bekanntschaft mit dem Mutantenoberhaupt Jupiter, der ihn dann schwerverletzt in die Mine trägt. Jetzt geht es aber erst richtig los – denn die Mutanten, so scheint es, haben zunächst eine kleine Aufwärmphase gebraucht. Ab jetzt sind Horror und Terror keine Grenzen mehr zu setzen. Während sich der Rest der Familie schlafen legt, wird Bob an einem Baum gekreuzigt und als Ablenkungsmanöver in Flammen gesetzt. Der Rest der Familie rennt aus dem Wohnwagen, nur Brenda bleibt dort und wird von Jupiters Söhnen Pluto und Lizard brutal vergewaltigt. Als Lynn dazu stößt, nötigt Lizard sie ihn zu stillen und kurz darauf trifft auch die Mutter im Wohnwagen ein und wird mit einem Bauchschuss außer Gefecht gesetzt. Dann geht alles sehr schnell. Lynn wird mit einem Kopfschuss getötet, die Mutanten flüchten und die übrig Gebliebenen sinnen auf Rache. Als Doug dann auch noch bemerkt, dass die Mutanten sein Baby entführt haben – ist von dem durchschnittlichen Gutmenschen nicht mehr viel übrig. Er schnappt sich Beast und wandert unbewaffnet in Richtung Minen. Im großen Showdown trifft er in der Mutantenstadt - einem ehemaligen Atomtestgelände - auf Big Brain, welcher der Drahtzieher der Mutanten ist und muss gegen Pluto kämpfen. Schließlich flüchtet Ruby mit Catherine vor Lizard und sie opfert sich am Ende, um Doug und Catherine vor ihm zu beschützen. Aja hat mit The Hills Have Eyes ein grobes und brutales Werk geschaffen. Er spielt mit Klischees und der Erwartungshaltung des Zuschauers und überrascht das ein oder andere Mal mit unerwarteten Wendungen. Die Story an sich ist eher flach und im Prinzip nichts Neues: Eine Gruppe von Menschen kommt an einen isolierten Ort und wird von Antagonisten angegriffen. Aja gelingt es jedoch ab der ersten Sekunde des Films der Kritik an der Atompolitik Amerikas Ausdruck zu verleihen und lässt somit auch die Familie in einem anderen Licht erscheinen. Denn der Film startet mit einem Zitat, welches seine Thematik, eine bis heute umstrittene Angelegenheit, sofort auf den Punkt bringt: 3 „Between 1945 and 1962 the United States conducted 331 atmospheric nuclear tests. Today, the Government still denies the genetic effects caused by the radioactive fallout.“ Die Forscher in der Anfangssequenz stützen diese These, da sie mit ihren Geigerzählern die Radioaktivität des Wassers untersuchen und auch bestätigen. Nach dem Eröffnungskill werden die Openingcredits des Films mit einem Werbespot, der beim Zuschauer nostalgische Gefühle hervorrufen und die vermeintlich heile Welt der Amerikaner zeigen soll, eingeleitet – dann kommt durch das Ausblasen der Kerzen und die Stimme aus dem Off „Time for the show – Everybody on stage!“ ein Cut und es werden in einer Montage Folgen von Verstrahlung eingeblendet, diese Aufnahmen sind real und in einem Tschernobyl-Museum aufgenommen worden, sowie Kernwaffenexplosionen. Untermalt wird die Montage kontrastierend von dem Country Song More and More von Webb Pierce, welcher das Vergessen besingt: „More and more, I‘m forgetting the past. More and more, I‘m living at last“ Der Horrorfilm, der in das Backwood Genre eingeordnet wird, dauert im Directors Cut 104 Minuten und thematisiert typisch für das Genre Tod und Überleben, Rache und, nicht ganz so typisch, Politik, denn durch die amerikanische Atompolitik konnte das Grauen, welches die Familie erwartet, erst entstehen. Thematisiert wird auch der Konflikt zwischen Demokraten und Republikanern. Die politischen Vorstellungen von Bob und Doug werden immer wieder aufgegriffen und der Republikaner als Familienoberhaupt und Doug als der klassische Pantoffelheld dargestellt. Der Film beinhaltet einen klassischen dramatischen Bogen, bestehend aus Exposition, Aufbau des Konflikts, Klimax, Peripetie und Schluss. In der Exposition wird der Zuschauer in das Geschehen eingeführt und die Rahmenbedingungen werden definiert. Der Ort des Geschehens ist die Wüste New Mexicos; außer der Tankstelle gibt es keinerlei Infrastruktur. Zeitlich befindet sich die Handlung in der Gegenwart und die handelnden Personen sind Familie Carter, der Tankwart und die Mutantenfamilie. Ausgangssituation ist, dass der Tankwart mit seinem 4 Gewissen zu kämpfen hat und den Mutanten nicht mehr helfen will, in dem er die Opfer zu ihnen führt. Er fühlt sich aber von Lynn ertappt und beschließt die Familie doch in den Tod zu schicken. Der Aufbau des Konflikts tritt sofort nach dem Verlassen der Straße ein, denn schon nach kurzer Zeit legt ihnen Lizard eine Falle und alle vier Reifen des Wagens platzen. Nach dem Unfall trennt sich die Familie und der Schäferhund Beauty wird von Bobby tot aufgefunden. In diesen Szenen stellt sich der Mutant Lizard zum ersten Mal bewusst durch die Falle und das Töten des Hundes den Opfern entgegen und somit wird die antagonistische Kraft zum ersten Mal sichtbar. Den Höhepunkt erlangt die Handlung als Brenda im Wohnwagen von Lizard und Pluto vergewaltigt, Bob das Familienoberhaupt verbrannt wird, Lynn und Ethel erschossen werden und Catherine entführt wird. Das Wohnwagenmassaker stellt den ersten dramatischen Höhepunkt des Films dar. In der Peripetie begibt sich Doug in das Mutantendorf und versucht seine kleine Tochter zu retten, er wird selbst zum Mörder und greift zur Waffe. Sein Feldzug kann fast als eigenständige Geschichte verstanden werden, sein Wandel zum Helden der Geschichte zählt aber auch als weiterer Höhepunkt der Geschichte, denn im Dorf wird er selbst zum Rächer und bringt einige Mutanten um. Währenddessen schaffen es die Geschwister Bobby und Brenda, das Mutantenoberhaupt Papa Jupiter zu töten. Den Schluss stellt dann das Zusammentreffen der übrig gebliebenen Familie dar, diese sind zwar erstmal in Sicherheit vor den Mutanten, haben aber keine Möglichkeit aus der Wüste zu fliehen und hinzukommt, dass sie immer noch beobachtet werden. Da das Ende offen ist, handelt es sich hier um eine offene dramatische Form. Der Zuschauer hat im Gegensatz zu den Protagonisten oft einen Informationsvorsprung und sieht durch die Point-of-View-Shots und die Schatten der Mutanten von Anfang an, dass die Familie beobachtet wird. Das ein oder andere Überraschungsmoment gibt es dennoch, wie zum Beispiel die Szene in der Lizard das Baby schlachten will, aber nur ein Schwein unter dem Tuch vorfindet. 5 Die Familie ist in den Hügeln am häufigsten von externen Konflikten betroffen, so wird dazu die Auseinandersetzung der Familie mit der Mutanten Familie gezählt, aber auch der Konflikt aufgrund der sozialen Herkunft der Mutanten, dem Problem, dass sich für die Familie ergibt, als sie eine unsichtbare Grenze überschreiten und sich auf dem Gebiet der Mutanten wiederfinden und der Kampf der Protagonisten gegen die Natur und die Technik, denn natürlich funktionieren in der Wüste weder Handys noch die Funkgeräte. Der Einzige, der einen inneren Konflikt austrägt, ist Doug, als er sich auf seinen Rachefeldzug beziehungsweise die Rettung seiner Tochter begibt, denn er verabscheut zwar Gewalt, sieht aber keine andere Lösung mehr, als es den Mutanten mit gleichen Mitteln heimzuzahlen. Die Protagonisten stellen allesamt das prototypisierte, perfekte Bild einer amerikanischen Familie dar. Nur Doug will zu Beginn nicht richtig hineinpassen. Angeführt wird die Familie von Bob Carter, er ist ehemaliger Detective, ein Kontrollfreak und stolzer Republikaner. Nach dem Unfall verteilt er Schusswaffen und verhält sich im Allgemeinen patriotisch und zeigt seine Liebe zum Vaterland, was unter anderem daran deutlich wird, dass das Auto von einer Amerikaflagge geschmückt wird. Seine Frau Ethel ist die typische Mutter und mischt sich in das Leben ihrer Kinder ein. Dadurch wird dem Zuschauer klar, dass der schöne Schein leicht bröckelt, denn Lynn und ihre Mutter geraten aneinander, als diese ihr Ratschläge in Sachen Kindererziehung gibt. Ethel wirkt zunächst arrogant und hält sich für etwas Besseres, dies wird besonders bei der ersten Begegnung mit dem Tankwart deutlich. Sie ist religiös, prinzipientreu und sarkastisch. Wie ihr Mann ist auch sie Republikanerin und trägt stolz ein T-Shirt, auf dem die Amerikaflagge abgebildet ist. Doug Bukowski durchlebt die bemerkenswerteste Veränderung: So wirkt er zu Beginn wie ein typischer Pantoffelheld und charakterlos, steigt aber im Laufe der Handlung zum Helden der Geschichte auf, der vor nichts zurückschreckt, um seine Familie vor dem Bösen zu bewahren. Hier hat Aja erneut mit der Erwartungshaltung des Zuschauers gespielt, denn zu Beginn war die Erwartungshaltung definitiv die, dass Bob am Ende noch lebt und Doug einer der Ersten ist, die ermordet werden. Dass allerdings Bob, der starke Republikaner, der die Familie zusammenhält und ein Kontrollfreak ist, als 6 Erster das Zeitliche segnet, war sehr überraschend. In The Hills Have Eyes überleben anders als in den meisten Horrorfilmen, nicht die gewitzten Personen, sondern viel mehr die unsympathischen und (auf den ersten Blick) „talentfreien“. Ähnliches lässt sich in Wolfcreek feststellen, dort überlebt der uninteressanteste Charakter und das vermeintliche Final Girl stirbt recht zügig. Brenda beschwert sich den ganzen Film über die Situation und ist die Vorbotin des Bösen, so kündigt sie kurz nach dem Unfall an: „Wir sind total im Arsch.“ Sie ist unmotiviert, arrogant, dümmlich und recht freizügig. Nun, hier schließt Aja wohl mit einem Klischee des Horrorfilms ab, denn in den meisten Fällen sterben die freizügigen Charaktere recht schnell. Im Film ist es jedoch so, dass ihre sehr konservative Schwester mit einem Kopfschuss hingerichtet wird und Brenda dem Tod von der Schippe springen kann und von nun an auf Rache sinnt. Bobby ist das Nesthäkchen, weist auch keine besonderen Fähigkeiten auf, er steckt mitten in der Pubertät und hat seine eigene Rolle noch nicht gefunden. Einerseits eifert er Vater Bob nach, andererseits will er Doug ähneln. Seine Handlungen zeichnen sich durch unbedachtes und wütendes Betätigen des Revolvers und emotionale Zusammenbrüche aus. Dennoch überlebt auch er bis zum Schluss. Anders ergeht es den Charakteren, die die Familie scheinbar zusammenhalten und das konservative Bild repräsentieren: Lynn, die durch konservativen Kleidungsstil und ebenso konservative Lebenseinstellung glänzt - sie hat nie selbstständig gearbeitet und hilft lieber Doug in seinem Laden, spielt ebenfalls keine große Rolle. Ihr Charakter bleibt sehr farblos und sie kommt erst in den Fokus des Zuschauers, als Lizard sich von ihr stillen lässt. Neben den Carters spielen der Tankwart Frank sowie die Mutantenfamilie noch eine wichtige Rolle. Der Tankwart stellt den Stereotypen des Südstaatlers dar. Er hat schlechte Zähne, ist verschwitzt und ungewaschen. Er arbeitet mit den Mutanten zusammen und zerbricht 7 aber an seiner Rolle und begeht, von seinen Schuldgefühlen zerfressen, Selbstmord. Er stellt das Bindeglied und die Grenze zwischen den Mutanten und der Familie da. Die Mutanten haben bis auf Ruby keine sonderlichen Charaktereigenschaften. Sie alle sind brutal und gemeingefährlich. Der vermeintliche Anführer ist Papa Jupiter, er ist nicht ganz so deformiert wie die anderen und ist der Vater der Mutanten. Lizard ist sehr brutal und sadistisch, er beißt Vögeln die Köpfe ab, missbraucht Brenda und lässt sich von Lynn stillen, er verhält sich animalisch. Pluto spielt die Rolle des Handlangers, er ist groß und muskelbepackt und wirkt oft fast kindlich, gerade in der Szene, in der das Baby ihn berührt, wirkt er gerade zu traurig. Ruby ist der einzig gute Mutant, sie schämt sich für ihre Familie und hilft Doug seine Tochter zu retten, sie repräsentiert die gute Seite der Mutanten. In dem Atomtestdorf trifft Doug auf Big Brain, dieser gibt die Befehle per Walkie-Talkie an den Spion Goggle raus und erinnert an Frankenstein, da er sagt You made us what we’ve become. Die Mutanten stellen also das Monster dar und Amerika den Schöpfer Dr. Frankenstein. The Hills Have Eyes spielt und bricht mit vielen Klischees des Backwood Horror Genres. In vielen Horrorfilmen ist der Eröffnungskill Gang und Gäbe, so wird zum Beispiel in Freitag, der 13. ein junges Pärchen getötet, in The Texas Chainsaw Massacre werden geschändete Leichen gezeigt und in 2001 Maniacs zeigen die Credits blutige Morde an Unbeteiligten. Der Aufbau der Credits ist in Wrong Turn, 2001 Maniacs und The Hills Have Eyes nahezu identisch und alle zeigen verstörende Bilder. Die Hauptstory beginnt immer mit Reisenden im Auto, in Freitag, der 13. ist das erste Opfer zunächst zu Fuß unterwegs, steigt dann aber in ein Auto. Die obligatorische Tankstelle lässt sich ebenfalls in allen Filmen wiederfinden, genauso wie der zurückgebliebene oder verrückte Tankwart immer auftaucht. In den meisten Fällen findet sich hier auch ein Hinweis auf eine Umleitung, die immer ins Verderben führt, in BackWoods wird die Tankstelle durch eine Kneipe ersetzt, in der die Protagonisten den Tipp der Umleitung erhalten, die sie allerdings nicht direkt in den Tod führt – hier ist also eine Ausnahme zu setzen. 8 In so gut wie jedem Film hört die Gruppe auf den dubiosen Tankwart und nimmt die Abkürzung, die in den sicheren Tod führt. Der Stereotyp der heilen Familie ist ganz klar ein Klischee, wie in vielen Filmen sieht man aber auch hier, dass es hinter der scheinbar heilen Fassade anfängt zu bröckeln. Das äußere Erscheinungsbild der Familie ist sehr konservativ. Einzig Brenda bricht damit und gibt sich freizügiger, zum Beispiel sonnt sie sich im Bikini und erntet damit einen lüsternen Blick von Doug. Die konservative Lebensweise unterstreicht die Stereotype der amerikanischen Familie. Der typische Amerikaner wird als Republikaner dargestellt, es sind immer Waffen griffbereit und diese werden wie selbstverständlich auch an den pubertierenden Sohn verteilt. Sticheleien gegen Andersdenkende sind an der Tagesordnung und im Filmsetting tauchen häufig Amerikaflaggen auf. Der Vater selbst trägt natürlich eine verspiegelte Sonnenbrille, was in Amerika ein Symbol für Autorität und Unnahbarkeit darstellt. Der Autounfall beziehungsweise das Versagen des Autos ist wie in anderen Filmen, zum Beispiel Wrong Turn, Freitag, der 13. und Wolfcreek unvermeidlich und wird durch eine Falle der Antagonisten provoziert. Ebenso klischeehaft ist, dass niemand hinterfragt, warum alle vier Reifen auf einmal geplatzt sind und die Protagonisten weiterhin unbeschwert sind; bis sie merken, dass etwas nicht stimmt, ist es dann meistens schon zu spät. Typisch für das Genre ist ebenfalls, dass die Opfer isoliert von der Außenwelt sind, hier mitten in der Wüste, abgeschnitten von der Zivilisation, die Technik versagt, das Handy funktioniert nicht und das Auto ist kaputt. Natur und Kultur stehen sich in einem Kampf gegenüber, den die Repräsentanten der Kultur oft verlieren, denn die Kultur schafft es nicht, sich in der Natur zurechtzufinden und zu überleben. Untypisch hingegen ist, dass es nicht nur eine finale Person gibt, die überlebt, sondern vier Menschen plus Hund Beast und es unklar bleibt, ob die Personen wirklich überleben, da sie sich noch mitten in der Wüste befinden. Da es sich hier nicht um einen Cliffhanger für eine Fortsetzung mit derselben Besetzung handelt, 9 ist ein offenes Ende jedoch sehr erstaunlich, da der Film sonst nicht viel Freiraum für Interpretationen lässt. Es überleben Personen, von denen der frühe Tod erwartet beziehungsweise erhofft wird, Sympathieträger und Anführer sterben als Erstes. Für einen Horrorfilm untypisch ist auch, dass die Charaktere nicht wirklich polarisieren, sondern alle ihre liebenswerten Eigenschaften haben. So haben sie zwar ihre Macken, aber so schlimm, dass der Zuschauer sich über den Tod der Figur freut, ist keine von ihnen. Durch den Mord an Schäferhündin Beauty, was in Amerika immer wieder zu Diskursen führt, setzt der Regisseur frühzeitig ein Zeichen, dass ab diesem Zeitpunkt alles passieren kann und sämtliche Tabus gebrochen werden. Durch den Tod des Tankwarts wird ebenfalls signalisiert, dass die letzte Verbindung zwischen Natur und Kultur zerbrochen ist und von nun an alles passieren kann. Ein weiteres No-Go im amerikanischen Film ist es, dass jemand die amerikanische Nationalhymne falsch singt, doch genau das passiert in einer Szene. Mutant Big Brain vertauscht ein Wort. So singt er anstatt „O‘er the ramparts we watched“, „O’er the ramparts we had“. Was bedeutet, dass die Mutanten um sich herum die Mauern hatten und nicht wie im Originaltext diese beobachtet haben. Sie waren also schon immer eingesperrt und von Mauern umgeben. Es wird eine starke Antipathie gegen die Mutanten aufgebaut, diese verhalten sich brutal und reißen eine Familie auseinander. Spätestens bei der Vergewaltigungsszene empfindet man Empathie für die Familie. Durch die Verluste, Ängste und Konflikte bietet sich die Chance, sich mit den Protagonisten zu identifizieren. Es geht um teilweise banale Themen wie Jobsuche, Unzufriedenheit, die Rolle einer jungen Mutter und das Leben als Rentner. Aja verwendet in The Hills Have Eyes oft Anspielungen auf sein Regiedebüt High Tension. Übereinstimmungen sind zum Beispiel Kamerafahrten oder aber auch Requisiten wie zwei grüne Vögel und ein (toter) Hund. Besonders einprägsam ist allerdings die Szene, in der Lynn den letzten Atemzug nimmt und sich ihr Körper aufbäumt. Diese Szene ist 10 eine Hommage an High Tension, denn dort passiert genau dasselbe. Die Mutter, deren Kehle durchtrennt wurde, nimmt einen letzten Atemzug und fragt die vermeintliche Freundin ihrer Tochter „Warum?“. Die situative Rahmung des Films ist weitaus komplexer als es im Backwood Genre üblich ist. Im Normalfall steht nur ein Handlungsort im Vordergrund, der zwar durch einige Nebenschauplätze ergänzt wird, im Fokus der Handlung steht jedoch nur ein Ort. Dies ist bei The Hills Have Eyes anders, denn neben der Isolation durch die Berge, stellt die Tankstelle den Schnittpunkt zwischen Mutanten und Mensch dar, die Mine dient als Durchgang zum stillgelegten Atomtestdorf und ist somit auch als Frontier zu verstehen. Der Wohnwagen und das Auto der Carters sind ebenfalls ein zentraler Raum des Horrors, denn dort wird die halbe Familie von den Mutanten ausgelöscht. Der Film erzählt eine Handlung, die etwa zwei Tagen dauert und somit ist die Erzählzeit nicht die erzählte Zeit. The Hills Have Eyes ist durch reinen Terror und Elemente des rape-and-revenge-Films geprägt. Brenda wird vergewaltigt, überlebt und tötet am Ende des Films das Oberhaupt der Mutanten mit einer Axt. Hauptsächlich werden Familienängste angesprochen: Brenda wird missbraucht, die Eltern werden ermordet und lassen ihre Kinder hilflos zurück, die kleine Tochter Catherine wird entführt und Doug verliert seine geliebte Frau. Die Wirklichkeit bleibt außerhalb der Berge, innerhalb der Berge findet der Horror statt. Der Film stellt Angst plakativ dar, dem Zuschauer wird alles genau vorgeführt, es ist nicht von Nöten sich selbst etwas hinzuzureimen, denn alles wird schonungslos gezeigt. Als Ausnahmen fungieren einzig die Ermordung des Forschers hinter einem Stein und das Ende des Films. Dort bleibt unklar, ob die restliche Carter Familie überlebt oder nicht. Im folgenden Teil meiner Analyse werde ich mich mit dem Einsatz ästhetischer Mittel beschäftigen. Dies beinhaltet die Kameragestaltung, den Lichteinsatz sowie Ton und Sound. Die Kameraführung in The Hills Have Eyes ist geprägt von Point-Of-View-Shots, die 11 den Zuschauer näher an die Handlung binden. Die Kameraführung lässt sich grob in zwei Abschnitte einteilen. Bis zu der Vergewaltigung im Wohnwagen und den Morden an der Familie werden viele Weitwinkelperspektiven gezeigt, der Bildaufbaist geschlossen und die Kameraführung ist ruhig. Ab dem „Wohnwagenmassaker“ wird hauptsächlich eine Handkamera eingesetzt und durch die verwackelten Aufnahmen der Kamera wird Chaos und Unruhe ausgedrückt. Durch die Vibration der Kamera werden Emotionen verdeutlicht, diese tritt zum Beispiel ein, wenn Doug nach dem Tod von Lynn zusammenbricht. Durch den Einsatz der Vibrationen wird die Intensität der Szene gesteigert und der Zuschauer kann sich besser in die Situation hineinversetzen. Durch Close Ups und Nahaufnahmen wird beim Zuschauer Verwirrung gestiftet. Hauptsächlich werden diese Aufnahmen im Wohnwagen verwendet aber auch in der Kühltruhenszene, dort sieht der Zuschauer zunächst Doug und erst im Laufe der Szene wird erkennbar, dass er von Leichenteilen umgeben ist. Zur Orientierung für den Zuschauer dienen Establisher und Totale. So wird zum Beispiel des Öfteren ein Schwenk über die Berge gezeigt, welcher die Bedrohlichkeit und die Isolation der und durch die Berge betont. Besonders hervorgehoben wird durch die Kameraführung die Entwicklung des AntiHelden Doug. Zu Beginn wird er grundsätzlich von unten gefilmt, was ihn klein, unscheinbar, hilflos, durchschnittlich und schwach wirken lässt. Nachdem er allerdings auf Rache sinnt und in das Dorf zieht, um seine Tochter zu retten, steigt er auf und wird als (Western-)Held zelebriert. Von nun an wird er nur noch aus der Obersicht gefilmt, was ihn groß, machtvoll, stark und dominant wirken lässt. Während der meisten Einstellungen wird dramatisches Licht verwendet, beispielsweise wenn Bob nach dem Suizid des Tankwarts auf dem Tankstellengelände umherirrt und versucht die Stimme zu orten, die Daddy zu sich ruft. Er wird lediglich von Autolichtern angeleuchtet, was die Dramatik der Szene verstärkt und auch die Gefahr, in der er sich befindet, verdeutlicht. Low Key wird nur im Haus der Mutanten und in der Tankstelle verwendet, um die Abgründe der Charaktere zu betonen. Die Szenerie, in der sich Familie Carter befindet, also die Wüste und der Wohnwagen werden im Normalstil 12 gefilmt und oft durch sonnengeflutete Szenen ergänzt. Eine Szene, in der das Sonnenlicht eine entscheidende Rolle spielt, ist die, in der Bobby und Brenda ihre tote Mutter und Schwester in den Wagen verfrachten. Dort symbolisiert das Sonnenlicht sozusagen den letzten Hoffnungsschimmer der beiden. Interessant ist auch, dass die Tankstelle, was die Beleuchtung angeht, zweigeteilt ist. Zum einen ist der vordere Bereich mit großen Fenstern ausgestattet und noch normal beleuchtet. Je weiter man aber zu den privaten Räumen des Tankwarts kommt, desto dunkler wird es. Diese Beleuchtung spricht wieder für die Symbolik der Verkommenheit des seelischen Zustands des Tankwarts. Zu beachten ist außerdem, dass die Opfer weder im dunklen noch hellen sicher vor ihren Gegnern sind. Zwar greifen sie bevorzugter im Dunklen an, allerdings stellt Lizard die Falle, die die Autoreifen platzen lässt, am Tag und auch Papa Jupiter wagt sich im hellen zum Wohnwagen. Die Hintergrundmusik ist unterschwellig, von Tiefenbasselementen geprägt und lässt den Zuschauer während des Films immer das Schlimmste erwarten und signalisiert durch die tiefen Frequenzen Bedrohung und Gefahr. Das Gefühl von Bedrohung und Gefahr wird durch dissonante Klänge wie zum Beispiel in dem Stück „Beast finds Beauty“ und den abwärts geführten Melodieverlauf noch mehr herausgearbeitet. Spätestens durch die hypernaturalistischen Geräusche wird Unbehagen und Spannung erzeugt. Neben der Hintergrundmusik läuft auch noch eine Surroundatmo mit, zum Beispiel der starke Wüstenwind. Neben diesen Quellen läuft allerdings auch oft Musik im Radio der Carters oder in der Tankstelle. Dies sind oft Oldies oder Countrysongs, die die Handlung kontrastierend betonen. Auffällig ist auch, dass das Tempo der Musik sich dem Tempo der jeweiligen Szene anpasst und der Musikeinsatz illustrierend ist. Durch die Mood-Technik werden die emotionalen Zustände und die atmosphärischen Eindrücke auf den Zuschauer übertragen. Bei den Montagen in den Openingcredits und bei der Einblendung der Vermisstenanzeigen, Reportagen und Berichten im Wohnhaus des Tankwarts wird ein pointierender Musikeinsatz gewählt, der die Bilder noch intensiver wirken lässt. Neben 13 elektronischer Musik werden auch tiefe Streichinstrumente wie Celli oder Kontrabass eingesetzt, in vereinzelten Stücken auch Violinen und Bläser. Nach dem Doug sich dazu entschlossen hat, sich in das Dorf der Mutanten zu begeben, ändert sich die Musik zu Westernmusik und setzt Doug feierlich als Held in Szene. Daneben werden weiterhin Score and Scource Klänge eingesetzt. Durch die subjektive Tonabmischung wird die Wahrnehmung emotional gesteuert, so sind zum Beispiel die Schreie der Opfer, das Lachen der Mutanten oder das Geräusch, wenn jemand stirbt, immer lauter als alle anderen Geräusche. Die Symbolik der Amerikaflagge wird während des Films oft eingebracht. So steht sie zu Beginn für den Nationalstolz und Patriotismus der Familie Carter. Im Laufe der Handlung nimmt ihre Symbolik aber einen anderen Charakter an. So wird die verbrannte Leiche von Bob mit der Amerikaflagge geschändet und somit auch entweiht und schlussendlich bringt Doug Pluto mit einem gezielten Stich durch den Hals mit ebendieser um. Somit schließt sich der Kreis: Amerika hat Pluto geschaffen und ihm auch wieder das Leben genommen, somit war er immer nur ein kleiner Spielstein in einem großen System und konnte jederzeit eliminiert werden. Die Kreuzigung von Bob symbolisiert den übertriebenen Glauben vieler Amerikaner, so ist auch Mutter Ethel ein Religionsfanatiker, sie besteht darauf, dass gebetet wird. Später findet sie ihren Ehemann gekreuzigt und verbrannt an einem Baum. Das Feuer symbolisiert hier das Fegefeuer, in das sich ihr Ehemann begeben wird, denn er muss stellvertretend für Amerika für alles büßen was sie den Mutanten angetan haben. The Hills Have Eyes ist einer der wenigen Horrorfilme, der nicht nur unterhält, sondern auch Kritik übt. Von Anfang an wird deutlich, dass das Einsetzen von Atomkraft und die daraus resultierenden Folgen kritisiert werden. Die Mutanten leben in einem ehemaligen Testdorf, welches von den Amerikanern in den 50ern tatsächlich so erbaut wurde. Dieses Dorf spiegelt die typische US-Vorstadtidylle wieder und nur die verschmutzten Dummies und der Verfall des Dorfes deuten darauf hin, dass alles marode ist und der Schein trügt, 14 den die sonst so perfekte Oberfläche in den USA preisgibt. Die Dummies sind im Dorf oft zu sehen; am einprägsamsten sind sie aber in der Szene, in der Lizard das Frühstück zubereiten will. Dort stehen die Figuren in vulgären Positionen und symbolisieren, dass der amerikanische Lebensstil nach außen hin religiös, keusch und perfekt ist, sobald sie sich aber hinter verschlossenen Türen befinden, zu triebgesteuerten Menschen werden. Big Brain symbolisiert meines Erachtens Frankensteins Monster, denn er ist nicht nur äußerlich ein Monster, sondern spricht auch davon, dass die Amerikaner ihn erst zu dem gemacht haben, was er ist. Frankensteins Monster erleidet dasselbe Schicksal, er wird von einem Doktor aus vielen Leichenteilen erschaffen und wird von da an als Abschaum der Gesellschaft betrachtet und von den Menschen des Dorfes verjagt. In The Hills Have Eyes symbolisieren also die Mutanten Frankensteins Monster, ein verletzliches Monster, welches sich nach Liebe und Anerkennung sehnt und die Familie Carter steht stellvertretend für Doktor Frankenstein, den Schöpfer eines Monsters. Der unbändige Wille etwas zu erschaffen hat die Situation so weitgebracht, dass die Mutanten ihr Dasein abgeschottet von der Außenwelt fristen müssen, die Verantwortung wurde abgegeben und die Opfer im Stich gelassen. Kathrin Wagner Quellen: The Hills Have Eyes (2006): Aja, Alexandre. DVD, 107 Minuten. Vereinigte Staaten von Amerika: Twentieth Century Fox. Titelbild: http://4.bp.blogspot.com/-ansWakJbb0M/Ti73wds-G7I/AAAAAAAAAyo/ SnZBZQu9hZU/s1600/HillsHaveEyes2006.jpg 15