Workshops - Kunstsommer Arnsberg

Transcrição

Workshops - Kunstsommer Arnsberg
MOSAIK
Das Kunstsommer-Magazin
Auf der Bühne
Workshops
Impressionen
Guerilla Knitting
Der Gutenbergplatz in Strick
Editorial
Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser,
vergangene Woche in Arnsberg: Fremde tauschen sich angeregt über Muskelkater aus (beim
Stammmöbel-Bauen), diskutieren Mode (bei der
Präsentation von „Kleider machen Leute“) oder
Physik (in der Camera Obscura im Limpsturm).
Sie feiern, tanzen, singen, musizieren, proben –
oder genießen einfach die vielen Aktionen in der
Innenstadt. Keine Frage: Passender als Kommunikation hätte das Motto des Kunstsommers
2012 nicht lauten können.
Wir, die Redaktion des Kunstsommer-Magazins,
fühlten uns dem Thema natürlich besonders verpflichtet. Wenn wir in den vergangenen Tagen
nicht gerade schrieben, Kunst schnupperten,
Interviews führten oder mit Ihnen plauderten,
diskutierten wir: „Kann man das so schreiben?“,
„Ist das interessant?“, „Was haltet ihr von der Geschichte?“
Kommunikation war wesentlicher Bestandteil unseres Workshops „Die Kunstsommer-Reporter“.
Auch deshalb verbrachten die engagierten Teilnehmerinnen viel Zeit bei Kursen, Ausstellungen
und Konzerten. Mitgebracht haben sie eindrückliche Geschichten rund um Menschen, Szenen,
Orte – eben ein „Mosaik“ des Kunstsommers
2012.
Mosaiksteine ................................................... 3
Ein riesengroßes Dankeschön an das tolle
Redaktionsteam – macht weiter so!
Guerilla Knitting ........................................... 4/5
„Kleider machen Leute“ .................................. 6
Señora Eloisa ................................................. 7
Impressionen ............................................... 8/9
Fantasie und Experiment .......................... 10/11
Afro Trommeln ..........................................12/13
Tiffany – Gläserne Kunst .............................. 14
Ebenbilder .................................................... 15
Möbelobjekte aus Stammholz .................. 16/17
Kommunikative Kleiderbügel ........................ 18
Interview mit Peter Kleine ............................. 19
Umfrage ........................................................ 20
Impressum
Herausgeber: Stadt Arnsberg - Kulturbüro
Verantwortlich: Juliette Ritz
Redaktion:
Ute Balkenohl, Karola Clarke,
Marita Gerwin, Sigrid Grobe,
Petra Krutmann,
Theresa Maas
Layout:
Petra Krutmann
Herstellung:
becker druck,
F.W. Becker GmbH, Arnsberg
Die Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Diese muss nicht die des
Herausgebers entsprechen.
Juliette Ritz
Dozentin
Die Redaktion
Juliette Ritz
Ute Balkenohl
Karola Clarke
Marita Gerwin
Mit freundlicher Unterstützung
der Redaktion der
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Petra Krutmann
Theresa Maas
Sigrid Grobe
Mosaiksteine
Größtes Atelier im Sauerland eröffnet
Bürgermeister Hans-Josef Vogel hat am Freitag
(10. August) den Arnsberger Kunstsommer 2012
eröffnet. „Kunst und Kultur machen unsere Stadt
lebens- und liebenswert. Wir tun gut daran, den
Ast, auf dem wir sitzen, nicht abzusägen“, sagte
er anlässlich der Eröffnungsfeier in der Handwerkskammer Südwestfalen.
Das Workshop-Angebot des Kunstsommers ist
so vielfältig wie die Interessen der Teilnehmer:
Im Manga-Workshop entstehen beispielsweise
ausgefallene Comics. Cellisten lernen in Meisterklassen-Art bei Musikprofessor Matias Oliveiro de Pinto. Und beim Theaterprojekt „Kleider
machen Leute“ gehen die Teilnehmer der Frage
nach, was es mit dem berühmten Zitat aus Gottfried Kellers Novelle auf sich hat.
Viel geboten wird auch beim Festival der Künste
– ob bei der „Promenadenmischung“, der Ausstellung „Kommunikative Drahtbügel“ in der Auferstehungskirche oder bei Kunstspaziergängen.
Das Alpenpanorama fehlte, dafür ertönte das „Arnsberger Echo“: Die Musiker von „Alpcologne“ interpretierten Alphörner mal anders. Foto: Marita Gerwin
Feurige Alphörner
Kunstsommer-Blog
Bei der Eröffnung tönte das „Arnsberger Echo“
aus Alphörnern – extra für diesen Zweck komponiert vom Kölner Quartett „Alpcologne“. „Alphörner sind ein Instrument zur Kommunikation“, griff
ein Musiker das Kunstsommer-Motto auf. Eigentlich verheißen die Instrumente schneebedeckte
Berge und saftige Wiesen. Die Musiker setzten
jedoch Einflüsse aus unterschiedlichen Kulturen
um. Feurige Rhythmen folgten kölscher Mundart.
Manche Stücke erinnerten an Mouthpercussion,
andere entführten in den Wilden Westen und
fernöstliche Länder, nicht zuletzt durch die Unterstützung von Sängerin Victoria Riccio.
Infos rund um den Kunstsommer, die Teilnehmer
und Dozenten finden sich auch dieses Jahr wieder im Kunstsommer-Blog. 2010 riefen das Kulturbüro und der Online-Experte Christian Kaulich
das Internet-Tagebuch ins Leben, um den Kunstsommer im Internet präsenter zu machen und die
jüngere Generation auf dem Laufenden zu halten. Das Blog ist mit Plattformen wie Facebook
und Twitter nun eine beliebte Nachrichtenquelle.
Wer mehr vom Kunstsommer lesen will, sollte auf
www.kunstsommer.blogspot.de vorbeischauen.
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Titel
Hier waren keine Spinnen, sondern begeisterte Hobby-Strickerinnen am Werk. Sie vernetzten den Baum
auf dem Gutenbergplatz. Foto: Karola Clarke
Eine lustige Masche
Mosaik hat sich auf dem Gutenbergplatz umgesehen
Karola Clarke
G
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uerilla Knitting ist in Arnsberg angekommen. Dass strickbegeisterte Menschen
Bäume, Schilder, ja sogar Busse „bestricken“, kennen wir aus anderen Städten. Aber
hier bei uns? Am Gutenbergplatz sind die Bäume mit leuchtenden Wollschals umwickelt und
die meisten Poller haben einen Strickmantel und
eine Haube aufgesetzt bekommen. Die bunten
Farben kontrastieren den grauen Asphalt des
Gutenbergplatzes.
Aber das ist nicht alles. Am einen Ende des Platzes ist die Hecke mit einem Spinnennetz überzogen. In der Mitte des Platzes „steht“ ein kleines
Fahrrad in einer Baumkrone, natürlich auch mit
leuchtendem Blau, strahlendem Geld und sattem
Grün überzogen. Das Rot leuchtet durch die Blätter. Ein echter Hingucker!
Und dann das Butterbettchen: Endlich hat sie ein
Wolltuch gegen die Kälte bekommen. Sogar ihr
sonst so leerer Korb ist mit gestrickten Möhren
und anderem Gemüse gefüllt. Wie viele Hände
waren wohl für diese Kunstwerke nötig?
Das Staunen wird noch größer wenn man liest,
dass die Kunstwerke von den Bewohnern des
Seniorenheims „Zum Guten Hirten“ angefertigt
wurden. Wie viele Stunden mögen diese Künstlerinnen mit Stricken verbracht haben, um all diese Bäume und Poller anzuziehen? Eine wunderschöne Idee, die den Kunstsommer bereichert.
Endlich nicht mehr frieren: das Butterbettchen mit
warmen Tuch – bei 30 Grad im Schatten.
Foto: Karola Clarke
Titel
Abenteuerspielplatz für die Augen
Wie aus dem Gutenbergplatz ein Laufsteg für Wintergarderobe wurde
Karola Clarke
D
er Gutenbergplatz schwitzt zurzeit im
Wollkleid. Doch wie kam es eigentlich
dazu? „Am Anfang stand ein Strumpf“
verrät Monika Dölemeyer schmunzelnd. Sie ist
Besitzerin des Handarbeitsgeschäfts am Gutenbergplatz. Von Lieferanten bekommt sie häufig
einen Strumpf als Wollmuster. Bald hatten sich
so viele Strümpfe angesammelt, dass sie mit
ihrer Mutter überlegte, was man damit machen
könnte. Die erste Idee war, diese Strümpfe über
die Poller auf dem Platz vor dem Geschäft zu ziehen. Aber das sah nicht aus. Eine Kundin, die im
Geschäft alles mitbekommen hatte, recherchierte im Internet die Idee „Guerilla Knitting“. Schnell
fanden sich weitere Frauen, die bei der Aufwertung des Gutenbergplatzes mitmachen wollten.
Und dann kam auch noch die Zusage des Seniorenzentrums „Zum Guten Hirten“. Die Zusammenarbeit funktionierte sehr gut.
„Viele Bewohner waren an dem Projekt beteiligt“,
erzählt Birgit Krüger, Mitarbeiterin in der Einrichtung. „Sogar die Frauen an der Pforte haben geholfen.“ Die Motivation sei sehr groß gewesen.
Eine der Helferinnen ist Bewohnerin Cäcilie Kordel. „Stricken war schon immer mein Hobby“,
sagt sie. „Deshalb hat mir die Aktion auch so viel
Spaß gemacht.“ Leider kann sie gesundheitsbedingt nicht mehr so viele Stunden mit den Nadeln
umgehen. Auch Bewohnerin Erika Ricke machte
Handarbeit immer Spaß. Ihre Leidenschaft war
jedoch Häkeln. Seit sie nicht mehr so gut sieht,
kann sie ihrem Hobby nicht mehr nachgehen.
Guerilla Knitting
Guerilla-Knitting, auch gestricktes Graffiti genannt, ist eine Form der Streetart, bei
der Gegenstände durch Stricken verändert
werden. Seinen Anfang nahm die GuerillaBewegung in Houston/Texas. Anstatt Socken, Handschuhe oder Pullover zu stricken, wurden Türklinken verschönert. Heute
ist die Kunstform vor allem in den USA, in
Großbritannien und Spanien bekannt. In
Deutschland traten die ersten Arbeiten 2010
in Frankfurt auf.
Aber das Stricken klappt noch.
Im Februar stand die erste Strickstunde für Monika Dölemeyer und ihre Mitstreiterinnen auf dem
Programm. Doch Stricken allein reichte nicht. Die
Bäume und Poller mussten vermessen, die Wolle
ausgesucht werden. Passte das Gestrickte überhaupt? Waren die Farben auch die richtigen?
Fünfeinhalb Monate wurde gestrickt mit dem Ziel,
aus dem Gutenbergplatz einen Abenteuerspielplatz für die Augen zu machen. Besucher sollten
ständig etwas Neues sehen. Auch die Männer
wurden mit eingebunden. Sie waren eine große
Hilfe beim Aufhängen des Netzes und dem Verstauen des Fahrrads im Baum.
„Es gab viele Höhen und Tiefen“, berichtet Monika Dölemeyer. Aber die Strickerinnen motivierten
sich immer wieder gegenseitig. „Und die positive Resonanz, die wir jetzt im Kunstsommer von
allen Seiten bekommen, entschädigt für die Mühen“, freut sich Monika Dölemeyer.
Poller im Strickkleid lassen Damenherzen höher
schlagen. Foto: Marita Gerwin
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Auf der Bühne
Wenn auch aus Urlaub Stress wird: „Kleider machen Leute“ setzte sich kritisch mit Mode-Marotten auseinander. Foto: Juliette Ritz
Was würde Emma Watson sagen?
Theaterprojekt „Kleider machen Leute“ entlarvt Modewahnsinn
Juliette Ritz
S
cheinwerfer tauchen den Laufsteg in glamoröses Licht, die Zuschauer umfängt
Dunkelheit. Eigentlich würde man in den
ersten Reihen Heidi Klum, Victoria Beckham oder
Karl Lagerfeld vermuten. Doch das Stück „Kleider
machen Leute“ bricht mit unseren Erwartungen –
was stattdessen folgt, ist eine Persiflage auf die
Modewelt: Dandyhaft begrüßt uns eine der elf
Schauspielerinnen, bald übertönt von penetranten Stimmen: „Ich liebe Lippenstifte“, „… ein patentes Kleid aus Jersey“, „Emma Watson ist die
Mode-Ikone unserer Zeit“. Von wegen Glanz und
Glamour – die Kakophonie entlarvt Kostüm als
Karikatur.
In kurzen Szenen setzt sich jede der SchauspieleÜber den Workshop
Yehuda Almagor (Regie) und seine Frau Ursula (Dramaturgie) erarbeiteten das Stück mit
elf Teilnehmerinnen. Die Schauspielerinnen
improvisierten, die Workshop-Leiter gaben
Impulse und entwickelten das Stück weiter.
Die Figuren, deren Welten und Geschichten
stammen von den Teilnehmerinnen selbst –
„eine unglaublich kreative Gruppe“, meint Regisseur Almagor.
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rinnen mit ihrem persönlichen Modediktat auseinander: Da ist etwa das junge Mädchen, das sich
die Schauspielerin Emma Watson als Stilikone
auserkoren hat. Morgens der lässige Dress, zum
Interview-Termin die Boyfriend-Jeans, abends
das rote Cocktailkleid. Wir ahnen: anstrengend.
Nicht minder kraftraubend dürfte das Leben der
Mode-Perfektionistin sein, die altert: „Ich war mal
eine Schönheit, eine stattliche Frau – und nun?“
Selbst der Urlaub verkommt zu Stress, Sonnenbrillen- und Kopfbedeckungs-Zwang tun ihr Übriges. Erst am Schluss befreien sich die Frauen.
Ohne knitterfreies Jersey-Kleid, Bogner-Rucksack und Gucci-Tasche sind sie endlich die, die
sie eigentlich sein wollen: sie selbst.
Yehuda und Ursula Almagor vom „Teatron-Theater“ Foto: Juliette Ritz
Auf der Leinwand
„Señora Eloisa“
Ein Film über die Verbindung von Familie und Gesellschaft
Theresa Maas
I
n jeder Familie gibt es Schweigen. Schweigen
über Geschichten und Erlebnisse, die nicht
von Generation zu Generation weiter gegeben
wurden. Gerade deshalb kann es spannend sein,
mal einen genauen Blick auf die Vergangenheit
der eigenen Familie zu werfen – auch wenn dabei Unschönes zu Tage kommen kann.
Francisca Gómez hat genau dies getan. Auf der
Suche nach Antworten, die ihr ihre Eltern nicht
geben können oder wollen, ist sie nach Kolumbien gereist. Dort hat sie sich auf Spurensuche in
ihrer weit verzweigten Verwandtschaft gemacht
und mit Kamera und Mikrofon das Gespräch mit
Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins gesucht.
Der 15-minütige Film „Señora Eloisa“ zeigt Sequenzen dieser einzelnen Interviews. Zentrale Figur des Films ist die verstorbene Señora Eloisa,
Mutter von 14 Kindern und Patriarchin der Familie Gómez. Über sie nähern sich die Interviewten
der Geschichte ihrer eigenen Familie und damit
verbunden auch der Geschichte Kolumbiens.
Kolumbien, eine Republik im Norden Südamerikas, ist heute vor allem für seine Kaffeeanbaugebiete, UNESCO-Weltkulturerbestätten und die
Sängerin Shakira bekannt. Doch es gab Zeiten,
in denen Kolumbien von politischen Unruhen erschüttert wurde. Auch heute gibt es noch Konflikte innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft.
All dies hatte Einfluss auf die Entwicklung der
Familie Gómez. Denn der Film verdeutlicht, dass
Familie nicht nur eine kleine autonome Wirtschaftseinheit ist, sondern auch in einem gesellschaftlichen Kontext verstanden werden muss.
Francisca Gómez gelingt diese Verknüpfung, indem sie die Ansichten der Familienmitglieder in
Bild und Ton einfängt. Sie lässt beispielsweise
Verwandte jeden Alters zum sozialen Aufstieg der
Familie zu Wort kommen. Während die älteren
Familienmitglieder politische Entscheidungen als
Grund dafür sehen, sind die Jüngeren überzeugt,
dass nur Bildung hilft, „vorwärts“ zu kommen.
Letztendlich wird klar: Politik und Bildung sind
nicht voneinander trennbar. Demnach bedeutet
die Auseinandersetzung mit Familie auch immer
eine Auseinandersetzung mit Politik.
Ein kurzweiliger Film, interessant und lehrreich.
Er regt zum Nachdenken an und macht Lust, die
eigene Familiengeschichte zu erforschen.
Interview mit Francisca Gómez
Warum ein Film über Ihre Familie?
Der Tod meiner Oma (Señora Eloisa, Anm. d. R.)
und der Besuch meiner Cousins aus Kolumbien
waren ausschlaggebend dafür.
Wussten Sie, dass es Geheimnisse in Ihrer
Familie gibt?
Vielleicht ist Geheimnis nicht das richtige Wort,
das scheint mir zu konspirativ, ein Schweigen
trifft es besser. Aber ja, das Schweigen haben
meine Cousins, die in Berlin zu Besuch waren,
durchbrochen.
Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film in dieser Art zu machen?
Ich wollte eine Erzählung machen, eine Collage
von Erinnerungen, meine Familie selbst zu Wort
kommen lassen. Wenn es um das Schweigen
geht, bekommt das Interview eine wichtige Rolle.
Was wollten Sie mit dem Film zeigen?
Einen anderen Blick auf Familie und Biografien,
auch eine „Hommage" an meine Oma, Señora
Eloisa, die immer der Mittelpunkt der Familie war
und alles gestemmt hat. Ein anderer wichtiger
Aspekt: Familienkonstellationen immer in sozialen/gesellschaftlichen Kontexten zu verstehen.
Warum stellen Sie den Film trotz des sehr privaten Themas öffentlich vor?
Es geht ja nicht nur um Persönliches, sondern in
dem Film tauchen Fragen auf, die für viele andere auch eine Relevanz haben: das Schweigen in
Familien, Familiengedächtnis und Rekonstruktion von Geschichte. Aber auch die politische Seite
meiner Familie war wichtig. Biografische Arbeiten
sind auch immer ein großer Teil in der künstlerischen Auseinandersetzung gewesen.
Sie zeigen den Film auf dem Kunstsommer.
Auf Einladung Yala Juchmanns habe ich an dem
„Salon Juchmann“ teilgenommen. Es ging bei
dem Projekt auch darum, ganz verschiedene
künstlerische Herangehensweisen zu zeigen; im
Falle des Films: ist es ein Dokumentarfilm oder
Kunst? Diese Schnittstelle interessiert mich.
Francisca Gómez, Jahrgang 1982, hat Kunst studiert und lebt in Berlin.
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Impressionen
Im Schmiedekurs bei
Kunstwerke. (r.) Foto:
Sorgten mit A-Capella-Gesang und „Mundesjugendspielen“ für
Stimmung: das charmante Quintett „High Five“ (o.)
Foto: Ute Balkenohl
Die „Discokugeln“ v
Besuchermagnet: Eröffnung von Claudia van Koolwijks Fotografie-Ausstellung (o.)
Foto: Marita Gerwin
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Was wächst denn da? Die Guerilla-Strickerinnen machten keinen Halt vor umstrickten
Fahrrädern in Baumwipfeln. (r.) Foto: Marita Gerwin
Impressionen
Bernd Bannach schmiedeten die Teilnehmer eigene
Marita Gerwin
von Cornelia Lohmann Foto: Marita Gerwin
Spielerische Annäherung (o.) Foto: Marita Gerwin
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Workshops
Bilder entstehen im Kopf
Frauen arbeiten bei „Fantasie und Experiment“ an eigenen Werken
Sigrid Grobe
D
as Atelier des Künstlers Axel Schubert ist
so, wie man sich eine Werkstatt vorstellt:
unzählige Farbtöpfe, Gläser, Fläschchen,
Pinsel groß und klein, dick und dünn und Werkzeuge jeglicher Art. Vorsicht ist geboten, nichts
darf umfallen oder auslaufen. An den Wänden
hängen viele Bilder des Künstlers. Sie inspirieren
die Teilnehmerinnen des Workshops.
Was verbirgt sich hinter dem Projekt „Fantasie
und Experiment“ der Kunstwerkstatt „Der Bogen“
im Neheimer Kaiserhaus? Es sind ausschließlich Frauen, die gemeinsam malen, fantasieren,
experimentieren, Techniken erlernen und Ideen
ausfeilen. Hier lassen sie ihrer Kreativität freien
Lauf – unter fachmännischer Anleitung des Dozenten und Künstlers Axel Schubert.
Jede Hobbykünstlerin arbeitet konzentriert an ihrer Leinwand auf dem Tisch oder an der Staffelei.
Ein Blick darauf verrät, welche Ideen und Vorstellungen hineinfließen. „Mit Farben und Materialien
schaffe ich mir ein eigenes Umfeld“ meint Teil-
nehmerin Gabriele Risse. Und Vera Wysuwa fügt
hinzu: „... farbenfroh, blumig, leicht und schwebend. Wenn das viele Menschen tun, würde unsere Welt bunter.“
Axel Schubert schaut seinen Schülerinnen über
die Schulter, hilfreich und doch zurückhaltend,
um nicht ihre Gedanken zu beeinflussen. Er
spürt, wo Rat und Hilfe angebracht ist. Er erklärt
die unterschiedlichen Techniken, wie verschiedene Materialien mit Farben harmonisch zusammenfließen. Dieses Wissen gibt er gern an die
Kursteilnehmerinnen weiter.
Zwar ist Kunst ein Studienfach. Der Dozent Axel
Schubert eignete sie sich jedoch mit Begeisterung und Enthusiasmus in Eigenregie an. Seine
Bilder entstehen im Kopf – ob im Urlaub, beim
Radfahren oder in seinem Garten bei einem
Glas Wein. Sein künstlerisches Schaffen macht
ihn glücklich. Diese Freude gibt er an die Hobbykünstlerinnen weiter, die sich schon länger mit
Malen beschäftigen, und beflügelt ihre Fantasie.
Künstler Axel Schubert berät eine Teilnehmerin beim Schaffensprozess. Foto: Sigrid Grobe
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Workshops
Malerin Barbara Padberg experimentiert mit verschiedenen Blautönen. Foto: Sigrid Grobe
Ein royalblaues Bild fällt ins Auge. Die Malerin
Barbara Padberg sagt lachend: „Als ich gestern
kam, wusste ich noch nicht, was ich wollte. Ich
habe einfach mit Farben experimentiert, und es
wurde ein Spiel mit verschiedenen Blautönen.
Vor meinem geistigen Auge entstanden die fließenden Bewegungen der Wellen. Wohin sie
mich tragen, weiß ich noch nicht – ich bin mal
gespannt!“
Ursula Kosse arbeitet mit Holzstückchen, die sie
harmonisch in ein Farbfeld einfügt. „Wir sind zu
dritt und haben eine eigene Werkstatt. Dort arbeiten wir, mal allein, mal gemeinsam. Wir können unsere Arbeit liegen lassen und sie wieder
aufnehmen, ganz nach Zeit, Lust und Laune –
schnell mal in unsere Traumwelt und wieder zurück zur Wirklichkeit“.
Auf dem Arbeitsplatz einer anderen Frau liegen
zwei interessant geformte Holzstücke. Eines ist
sogar von Holzwurmspuren durchzogen. „Schon
seit langer Zeit liegen diese Dinge auf meiner
Fensterbank. Beim Spaziergang habe ich sie gefunden. Ich füge ich sie in mein Bild ein und sie
bekommen ihren besonderen Wert.“
Für einige der Frauen bedeutet das Malen einen
Ausgleich, vom Alltag abzuschalten und eventuell Lebenskrisen zu verarbeiten. Malen schafft
Freude, ist aber auch anstrengend.
Haikus
Die Kunstsommer-Reporterinnen verfassten zu all ihren Eindrücken auch sogenannte Haikus. Das ist
eine japanische Gedichtform, die aus 17 Silben (5-7-5) besteht.
Die Kunst will blühen!
Gemälde in Schaufenstern
Musik und Trommeln
Kunstsommer Arnsberg
staunen, wundern, irritiert sein.
Witz, Spaß, Neugier. Toll!
Workshops überall
Viele Menschen in der Stadt
Kunstsommer Arnsberg
Kunst entführt uns in
eine unbekannte Welt
Atempause. Auszeit.
Karola Clarke
Marita Gerwin
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Workshops
Mal schnell, mal langsam: Die Teilnehmer des Workshops „Afro Trommeln“ lernen verschiedene
Anschlagtechniken. Foto: Theresa Maas
„Man muss den Rhythmus fühlen“
Die Teilnehmer von „Afro Trommeln“ tauchen ein in eine fremde Kultur
Theresa Maas
E
ins, zwei, drei, vier! Eins, zwei, drei, vier!“
Immer wieder ruft Adjei Adjetey diese Zahlenfolge. Vierzehn Augenpaare verfolgen
konzentriert jede seiner Handbewegungen, afrikanische Rhythmen schallen durch die Luft.
Trommeln gehören zu den wichtigsten Instrumenten der traditionellen afrikanischen Musik. Getrommelt wird meistens auf einer so genannten
Djembé. Dabei handelt es sich um eine Blechtrommel, die aus einem Baumstamm handgefertigt wird und mit einem geschorenen Ziegenfell
bespannt ist. Djembén werden mit bloßen Händen angeschlagen und zeichnen sich durch ein
umfangreiches Klangspektrum aus. Daher werden sie zu jedem festlichen Anlass eingesetzt –
sei es eine Beerdigung oder eine Hochzeit.
Das Trommeln wird lauter und schneller. Noch
lauter, noch schneller. Dann ebben die Schläge
plötzlich ab. Adjei Adjetey klatscht in die Hände.
„Toll!“ Fürs erste ist er mit der Leistung seiner
Workshop-Teilnehmer zufrieden. Sie haben gerade einen „Slap“ gelernt, den schönsten, aber
auch schwierigsten Schlag auf der Djembé.
Einen Slap schlägt man am Rande des Fells, da-
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bei schnellen die leicht geöffneten Finger ähnlich
wie eine Peitsche auf das Fell. Es entsteht ein
hoher peitschender Ton.
Übung macht den Meister
Neben dem Slap gibt es noch zwei weitere Grundschläge beim Trommeln auf der Djembé: der tiefe und voluminöse Bass und der offene Schlag,
auch „Open Tone“ genannt. Die Schläge unterscheiden sich vor allem durch Handspannung
und Anschlagpunkt. Wenn sie in unterschiedlichen Reihenfolgen kombiniert werden, entsteht
ein Rhythmus.
„Man muss den Rhythmus fühlen“, sagt Adjei Adjetey. „Es gibt keine Noten“. Die Rhythmen und
Techniken werden nicht aufgeschrieben, sondern
von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. So hat auch Adjetey mit 14 Jahren
trommeln gelernt und übt seitdem jeden Tag für
zwei bis drei Stunden. Denn Übung muss sein –
das gilt auch für erfahrene Trommler. Je häufiger
man übt, desto besser gelingt es, die verschiedenen Schläge und Töne herauszuarbeiten.
Die Teilnehmer des Workshops sitzen im Kreis,
Workshops
jeder von ihnen hat eine Djembé zwischen den
Beinen stehen. Bevor sie einen neuen Grundschlag lernen, steht eine Rhythmusübung auf
dem Plan. „Wir stampfen mit den Füßen, rechts,
links, rechts, links!“, ruft Adjei Adjetey in die Runde. Die Teilnehmer steigen ein und sofort ertönt
ein lautes Trampeln. Dann soll jeder von ihnen
reihum beim rechten Aufstampfen seinen Namen
nennen. Die Koordination von Stampfen, Namen
aufsagen und im Takt bleiben ist nicht leicht und
führt zu einiger Verwirrung. Immer wieder hört
man lautes Gelächter – insbesondere als eine
Teilnehmerin reflexartig einen männlichen statt
einen weiblichen Vornamen nennt.
In den Gesichtern der Teilnehmer spiegeln sich
neben Freude auch Konzentration und Anstrengung wider. Ihre Augen blicken starr auf die
Handbewegungen Adjeteys.
Beim afrikanischen Trommeln leben sie ihr musikalisches Talent aus und tauchen ein in eine
andere Kultur. Gleichzeitig ist Trommeln anstren-
gend und kann auch mal weh tun, wenn man
eine falsche Technik anwendet. „Ein junger Teilnehmer in einem anderen Workshop zeigte mir
mal seine roten Hände und sagte: ‚Ich glaube,
ich habe eine Allergie!‘“, sagt Adjetey und lacht.
„Deshalb ist es wichtig, immer darauf zu achten,
nicht am Rand der Trommel zu schlagen.“
Mittendrin in der afrikanischen Kultur
Wieder schwillt Trommelwirbel an. Mittlerweile
haben die Teilnehmer alle Anschlagtechniken geübt und wenden sie hintereinander an. Sie schlagen mal schneller, mal langsamer, mal lauter, mal
leiser. Dadurch entsteht eine rhythmische Abfolge, die ein traditionelles afrikanisches Trommelstück ergibt.
Die Trommeln sind noch aus einiger Entfernung zu hören. Wer die Augen schließt, verlässt
unmerklich das Laurentianum, Arnsberg und
schließlich das Sauerland und ist mittendrin in
der afrikanischen Kultur.
Haiku
Rotes Glas erstrahlt,
von Sonnenlicht beschienen,
wirft bunte Schatten.
Die Zeit verfliegt schnell,
in Schritten geht es weiter,
das Kunstwerk – es wird.
Blumen ohne Licht,
Schmetterling um Mitternacht,
Glas erklingt im Wind.
Ute Balkenohl
Kunst wirkt öffentlich
Kunst braucht Kommunikation
Der Funke springt über.
Dozent Adjei Adjetey Foto: Theresa Maas
Der Dozent
Adjei Adjetey stammt aus Ghana und ist
professioneller Trommler. Er hat nach einer
Ausbildung zum technischen Zeichner seine
Leidenschaft zum Beruf gemacht und gibt in
ganz Deutschland Trommel-Unterricht. Interessierte Trommler können sich auf seiner
Homepage www.adjetey.de informieren.
Fest für die Sinne
Kunst macht vieles erst sichtbar
hörbar, erlebbar.
Präsentation
Konzerte, Workshops, Walkacts.
Open Space, Ausstellung.
Marita Gerwin
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Workshops
Wenn aus Scherben Kunst entsteht
Teilnehmer fertigen Windspiele und Schmuckstücke
Ute Balkenohl
S
Aus Scherben entsteht ein Windlicht.
Foto: Ute Balkenohl
S
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cherben klirren leise. Das Glas zerbricht
mit einem trockenen Knacken. Die Schleifmaschine summt in hohen Tönen. Am
Tisch mit der Klebefolie herrscht konzentriertes
Schweigen, und an den Lötkolben ist die Wärme
spürbar, die aus Einzelteilen Kunstwerke entstehen lässt. Kreativität ist der rote Faden, der sich
durch den Kurs „Gläserne Kunst – Tiffany“ zieht.
Vom roten Glas sind nur noch kleine Stücke geblieben, der Rest ist schon verarbeitet: in Windspielen, Schmuckstücken, Windlichtern. „Tiffany
hat seine ganz spezielle, unverwechselbare Art.
Ich möchte gerne eigene Designs fördern“, erläutert Dozentin Brigitta Weidlinger-Kaiser und führt
durch den Raum, in dem jeder Verarbeitungsschritt seinen Platz hat.
Brigitta Weidlinger-Kaiser lernte die „gläserne
Kunst“ in Salzburg kennen, reiste unter anderem
schon durch die USA, den Pazifik, Neuseeland
und Asien. Ihr Lieblingsstück, das Fensterbild
„Lebenslabyrinth“, ist in Heidelberg entstanden
und begleitet sie auch in diesem Kurs. „Eigentlich sollte es auf Augenhöhe hängen, damit man
den Spiegel im Innersten sehen kann“, erzählt
sie und deutet auf die viereckige Glasscheibe im
Zentrum des Kunstwerks. Das Stück füllt fast das
gesamte Fenster aus.
„Ich wollte auch zuerst ein Fensterbild erstellen.
Aber dazu braucht man schon viel Zeit, und man
muss alles doppelt machen. Hier kann ich viel
mehr Kreativität einbringen“, sagt Teilnehmerin
Christiane Schulz aus Langscheid und zeigt
auf ihre Einzelteile vor sich. Sie erstellt nun ein
Windspiel, taucht völlig in die Arbeit ein. „Man
hätte noch stundenlang weitermachen können“,
schwärmt sie von den vergangenen zwei Tagen.
Der Kurs ist der Ausgleich zum Alltag, hier bekommt sie einen freien Kopf. Auch Claudia Fischer aus Arnsberg ist begeistert. Sie hat schon
mehrere Werkstoffe ausprobiert, aber das bunte
Glas lässt ihre Augen leuchten. Immer wieder
hält sie es ins Gegenlicht, um das Farbenspiel
zu testen.
Vor Hans Vornweg aus Hachen liegen schon drei
fertige Elemente: eine Weinrebe, ein Weinglas,
eine Ente. „Das vierte Stück wird die Kochmütze“, erklärt er mit verschmitztem Lächeln. Der
Hobbykoch kreiert seine eigene Außenleuchte.
Demnächst kann jeder schon von weitem sehen,
dass bei ihm gut gekocht wird.
Die Kunstwerke füllen nach und nach den Raum.
Ob es so auch bei Dozentin Brigitta WeidlingerKaiser zu Hause aussieht? Sie lacht. „Leider
noch nicht. Ich bin noch nicht ganz so lange in
meiner neuen Wohnung. Bisher hängen eher
Werke von anderen Künstlern bei mir. Aber das
wird noch …“
Tiffany – der Begriff
Den Namen bekam „Tiffany“ von dem amerikanischen Glas- und Malerkünstler Louis
Comfort Tiffany (1848 -1933), der als einer
der bedeutendsten Vertreter des Jugendstils gilt. Er verband als erster Glasstücke mit
Kupferfolie und Lötzinn und wurde mit dieser
neuen Verarbeitung weltberühmt. Die Liebe
zum Detail verhalf ihm zum Erfolg und wird
heute noch oft nachgeahmt, vor allem bei
der Gestaltung von dreidimensionalen Gegenständen wie bei der Fensterverglasung,
Tischleuchten oder Lampenschirmen.
Workshops
Wissen, was wirkt
Ebenbilder – Workshop Fotografie
Petra Krutmann
Plötzlich Modell: Kunstsommer-Reporterin Petra
Krutmann (M.). Foto: Workshop Ebenbilder
P
lötzlich ist man Modell. Nur einfach sitzen
bleiben, aus dem Fenster schauen, nach
oben gucken, den Kopf zur Seite drehen.
Es geht klick, klick …
Im Fotostudio von Barbara Anneser findet ein
Workshop statt. Ebenbilder – Porträtfotografie
statt. Anneser steht inmitten der Teilnehmer, zwei
Männer und neun Frauen, und schaut mitgebrachte Fotokarten und Fotobücher an. In dieser
lockeren Atmosphäre erklärt sie an einer Teilnehmerin, die vor einem Fenster steht, die unterschiedlichen Lichtverhältnisse. Anhand eines
schwarzen Reflektors verändern sich Schatten
im Gesicht. Mit einem Goldenen wirkt das Gesicht weicher, mit einem Silbernen härter.
Noch mal in diese Ecke gehen, mal steht eine
Fotografin auf der Leiter oder geht in die Knie.
„Probier das Ganze noch einmal mit Blende 9“,
gibt Anneser als Tipp. Manchmal fotografiert jeder jeden im Raum alles, um sich der Porträtfotografie zu nähern. Am Nachmittag verlassen alle
das Atelier um auf der Straße Ebenbilder in verschiedenen Situationen zu porträtieren.
Anneser gibt an diesem Tag viel von ihrem Wissen weiter: Erst am Freitag (10. August) wurde
die Ausstellung, die genauso wie der Workshop
„Ebenbilder“ heißt, in der Handwerkskammer
Arnsberg eröffnet. Die 40 Porträts sind vorwiegend in Schwarz-Weiß gehalten und im Studio
erstellt. Durch die Texte zu den einzelnen Porträts bekommen diese eine besondere Wirkung.
„Am Anfang jeden Jahres überlege ich mir eine
Aufgabe“, erklärt Anneser. In den vergangenen
Jahren schuf sie unter anderem die Porträtserie
„Ein starkes Team“. Hier haben sich Familien,
Arbeitskollegen, Vereine, Freunde zusammen fotografieren lassen. Bei „Menschen im Sauerland“
setzte sie Bäuerinnen, Bauern, Metzger, Schaf
und Schäfchen in Szene. „Weibsbilder“ und
„Mannsbilder“ zeigten Porträts außergewöhnlicher Frauen und Männer. Wir sind gespannt auf
Barbara Annesers nächstes Projekt.
Die Dozentin
Barbara Anneser arbeitet als selbstständige
Fotografenmeisterin. Sie ist in Berghausen im
Sauerland geboren und Mutter zweier Töchter. Nach ihrer Ausbildung im Sauerland, absolvierte sie ihre Gesellenjahre in Düsseldorf.
Ihre Meisterprüfung machte sie in Hamburg.
Barbara Anneser (l.) gibt Tipps. Foto: Workshop
Ebenbilder
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Workshops
Eine Liebe fürs Leben
Im Workshop „Möbelobjekte aus Stammholz“ ist viel Kraft gefragt
Marita Gerwin
I
ris Honig aus Arnsberg, eine zierliche, sportliche Frau in schwarzer Latzhose, sitzt auf
einem Baumstamm. Sie trägt derbe Arbeitsschuhe, die langen schwarzen Haare zu einem
Zopf gebunden. Ihre Hände schützen abgewetzte Lederhandschuhe. „Ich weiß, was ich will,
und ich kann zupacken“, signalisiert ihr Erscheinungsbild.
Die fröhlichen dunkelbraunen Augen sind auf ihr
Werkstück gerichtet. Konzentriert bearbeitet Iris
Honig das Stammholz mit ursprünglichen Handwerkszeugen. Körperliche Kraft und Energie sind
spürbar – eine Powerfrau: „Ich sag‘ immer wieder
zu mir selbst: ‚Das schaffst du!‘“ Schweißperlen
kullern ihr von der Stirn. Sie lächelt. Iris Honig hat
sich ein großes Ziel gesetzt: Sie möchte in diesem Workshop einen Tisch für ihr Wohnzimmer
mit Beistelltisch herstellen. Ob sie weiß, worauf
sie sich da einlässt?
Dynamisch hackt, sägt, spaltet und höhlt sie ihr
Werkstück aus. Mit der rechten Hand führt sie
geschickt eine knallrote Bügelsäge hin und her.
Sägespäne fliegen durch die Luft. Winzige Holzstücke purzeln auf die Wiese. Iris Honig zaubert
zentimeterweise aus dem Stamm die Form hervor.
Im Gras liegen griffbereit Sägeblätter, Stemmei-
sen, Holzschlegel, Zollstock, Kreide und Bleistift,
ihre Handwerkzeuge.
„Mitten in der Nacht, um halb vier, bin ich heute
aufgewacht, um mir eine Schmerztablette reinzuziehen, weil mir die Schulter so weh tat“, berichtet Iris Honig. „Doch ich bin mir sicher, wenn
ich hier fertig bin, sind alle Schmerzen vergessen, wie bei einer Geburt. Jede Blase lohnt sich.“
Sie greift zur Axt und legt los: tack, tack, tack –
bis die Fetzen fliegen. Es duftet nach Eichenholz.
„Ich spreche mit meinem Tisch, ich streichele ihn
immer und immer wieder.“ Sie legt den Kopf zur
Seite, tritt einen Schritt zurück und betrachtet ihr
Werkstück mit kritischem Blick. Wird es ihren Ansprüchen genügen?
Drei Tage später präsentiert sie stolz ihr Stück –
sie strahlt Zufriedenheit aus. Man ahnt, wie viel
Muskelkraft und Schweißtropfen in diesen Tisch
geflossen sind. „Eine Tablette brauche ich nicht
mehr! Die erste Ibuprofen war Gold wert“, erzählt
sie lachend. Sie hat noch mehr Blessuren davon
getragen: einen eingequetschten Finger, Knieprobleme und blaue Flecken. „Aber ich bin glücklich!“ Verliebt streichelt sie über die Rundungen
ihres Tisches. Eine Liebe fürs Leben – geboren
im Kunstsommer-Workshop „Möbelobjekte aus
Stammholz.“
Iris Honig hackt, spaltet und höhlt – irgendwann ist das ein Tisch. Foto: Marita Gerwin
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Workshops
Franz Schröger, Foto: Marita Gerwin
Bildhauerisches Tai Chi
Franz Schröger schwört auf Anstrengung und Entspannung
Marita Gerwin
M
it seinem breitrandigen Strohhut, den
lebendigen Augen, dem offenem Blick
und den Händen, die auf seine handwerklichen Erfahrungen hinweisen, beobachtet
Franz Schröger gelassen das Geschehen im
Workshop „Möbelobjekte aus Stammholz“. Der
Innenarchitekt und Kunstbildhauer aus Romelsloh leitet den Workshop. Alle Teilnehmer mögen
sein angenehmes zurückhaltendes Wesen und
seine Kompetenz. Er vermittelt ihnen die Technik,
die Kniffe, gleichzeitig auch die nötige Gelassenheit und Ruhe, sich künstlerisch dem Stammholz
zu nähern.
Er schlendert über die Festwiese, gibt seinen Rat
und sein Expertenwissen weiter, wenn er gefragt
wird. Gerade diskutiert er mit den Teilnehmern
Norbert Baumeister und Bernd Koch, die beide
einen Tisch kreieren: der eine aus Zedernholz,
der andere aus einer dicken Eiche. Eine BleistiftSkizze lehnt an einem Baumstumpf. „Riechen Sie
mal, wie das Zedernholz duftet“, fordert Norbert
Baumeister auf. Tatsächlich: unverwechselbar.
Es riecht nach Zedernhölzern in Omas Kleiderschrank, die die Motten fernhalten sollten.
Eine schlanke Taille, soll er bekommen, der Tisch
von Norbert Baumeister. „Mein lieber Scholli, das
ist aber ‘ne Nummer“, kommentiert ein Besucher,
der Norbert Baumeister bei seiner künstlerischen
Arbeit über die Schulter schaut. Lachend antwortet der: “Ja, da haben Sie recht. Ich komme
nur sehr langsam zum Ziel. Man braucht körperliche Fitness, um diesem Stammholz eine Form
abzuringen. Axt und Säge kenne ich bisher nur
zum Zerkleinern, nicht zum Gestalten. Schauen
Sie, dieser Ast hier. Ich gebe der natürlich verlaufenden Maserung eine besondere Bedeutung,
in dem ich sie herausarbeite.“ Kursleiter Franz
Schröger bringt sich in das Gespräch ein: „Das
ist ein Prozess, der sich ganz allmählich entwickelt. Wir betreiben hier ‚Bildhauerisches Tai Chi‘
und ‚Werkzeug-Akrobatik‘“, sagt Franz Schröger
und alle lachen. „Ich habe einen besonderen Bezug zum Eichenbaum. Die Eiche hat was Beständiges.“ Ihm geht es um Reduktion, denn in der
Einfachheit liegt die Essenz. So ein Stammholz
hat Präsenz. Die Stämme könnten auch unbearbeitet hingelegt werden. Sie wirken durch sich
selbst. Die Eiche ist erlebbar. „Es geht darum, einen sinnvollen Rhythmus zu finden, um durchzuhalten. Es ist ein Wechselspiel von Anstrengung
und Entspannung.“ Zustimmendes Kopfnicken in
der Runde der Teilnehmer. Das war das Schlüsselwort: Sie läuten eine ausgedehnte Mittagspause im Schatten einer dicken Eiche ein.
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Workshops
Gemeinsam mit den Praktikanten Juliane Rogge, Lina Brake und Marjorie Even hat Kathrin Ueberholz die
Kunstwerke in der Kirche angebracht. Foto: Ute Balkenohl
Kunst in der Kirche
„Kommunikative Drahtbügel“ widmen sich dem Thema Kommunikation
Ute Balkenohl
E
s ist still in der Auferstehungskirche. Die
Ausstellung hat noch nicht begonnen. Vor
den Fenstern sind transparente Werke angebracht. Sie lassen Licht herein und den Blick hinaus. Die Klarsichtfolien von Heike Wiegand-Baumeister ergänzen sich mit dem Blau des Himmels,
lassen die farbenfrohen „Botschaften“ erstrahlen.
Wer die Kirche durchquert, entdeckt neue Blickfänger, wird von ihnen in neue Bereiche gezogen.
Wie eine Stola schmückt das gelbe Kleid die
Kanzel. Der Geruch von Bienenwachs steigt in
die Nase. Wachs und Fäden verbinden sich zu
einem Kleid, das dem der Engel in den Kirchenfenstern gleicht. Engel, die Botschafter zwischen
Mensch und Gott.
Der große Fisch von Rosi Luigs „Anglerglück“
schwebt als Symbol der Christen im Eingang.
Immer wieder wird die Verbindung von Kunst und
Kirche in den Werken aufgegriffen. Eine große
schwarze Decke an der Wand fesselt die Aufmerksamkeit. Aus schwarzem Stoff sind Mann
und Frau als Scherenschnitt herausgearbeitet.
Mann und Frau, Adam und Eva.
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Ein buntes Kreuz ziert eine Nische. Hier findet
sich auch das Kunstwerk „Hallo, hier spricht S.“
von Sonnia Janssen: Telefonkarten aus aller Welt
zeugen von unzähligen Gesprächen mit Freunden und Familien. Die „Monstranz“ von Maria
Wilkop scheint über dem Mittelpunkt des Raumes zu schweben. Eine Monstranz in einer evangelischen Kirche? Vielleicht eine Art Dialog der
Kirchen, kunstvoll ausgedrückt.
An anderer Stelle fällt eine Kreation in Blau ins
Auge: Ein Hut aus Kronkorken, Kleiderbügeln
und Federn ist mit viel Liebe zum Detail erstellt
worden. Sogar die Ohrringe an dem Ausstellungskopf darunter sind farblich abgestimmt.
Jeder Künstler nähert sich dem Thema auf seine ganz eigene Art. Das genutzte Material lässt
erahnen, aus welchem Bereich der Künstler
kommt. Die Werke geben viel von ihm Preis –
seiner Lebenswelt, seinen Erfahrungen, seinen
Vorlieben. Das Werk „Tonspuren“ von Heike
Wiegand-Baumeister hängen als Bandsalat vom
Drahtbügel herab. Gestörte Kommunikation, veraltete Medien.
Hinter den Kulissen
„Irgendwann greift alles ineinander“
Das Kulturbüro hält beim Kunstsommer die Fäden in der Hand
P
eter Kleine bekommen wir in diesen Tagen nicht so leicht an die Strippe – der
Leiter des Kulturbüros hat alle Hände
voll zu tun: Künstler müssen betreut, Teilnehmer
nach- oder abgemeldet und letzte Requisiten beschafft werden. Gemeinsam mit dem Team aus
dem Kulturbüro wuppt er den Kunstsommer. In
einem ruhigen Moment beantwortete er MosaikReporterin Juliette Ritz ein paar Fragen.
Mosaik: Die Hälfte des Kunstsommers ist
schon vorüber. Wie fällt Ihr Resümee der vergangenen Tage aus?
Peter Kleine: Der Kunstsommer funktioniert
wunderbar als Plattform für verschiedene künstlerische Initiativen. Ein Beispiel: Gerade sitze ich
an der Ruhr und schaue auf die Arbeiten heimischer Künstler im Wasser. Gegenüber auf der
Festwiese finden Workshops statt und neben
mir sorgt Heinz-Werner Bauerdick von RWE für
eine zauberhafte Beleuchtung. Wir haben von so
vielen Menschen und Firmen Anregungen und
Unterstützung bekommen. Ohne sie wäre diese
Veranstaltung gar nicht möglich gewesen.
etwa das Festival am vergangenen Wochenende. Wir hatten ein vielseitiges Bühnenprogramm,
ausgezeichnete Acts und ein begeistertes Publikum. Eindruck hinterlässt auch eine Berliner
Künstlergruppe, die eine Künstlerin aus unserer Region hierher geholt hat. Sie setzten sich
im Salon Juchmann mit dem Thema Leerstand
auseinander – sehr konzeptionell. Gleich gegenüber engagierte sich ein Essener mit niederländischen Künstlerfreunden. Ihre Paper Toys haben
eine ganz besondere Formensprache, die bei
den Besuchern gut ankam. Die Menschen sind
im Kunstsommer sowieso viel eher bereit, sich
auf einen Austausch einzulassen.
Wie geht es nach dem 19. August weiter?
Nahtlos: aufräumen, Rechnungen bezahlen, alles wieder an seinen Ort bringen. Für die meisten beginnen dann direkt die nächsten Veranstaltungen. Die Theater starten wieder mit ihrem
Programm, und die Phantasiewerkstatt, betreut
von Ulrike Stratmann, geht weiter. Was da im
Moment schon parallel geleistet wird, ist wirklich
unglaublich!
Wie sah in den vergangenen Tagen und Wochen ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Ähnlich wie bei allen Kulturbüro-Mitarbeitern:
permanent telefonieren, reden, sich auf ordentlich geführte Zettel verlassen, ganz viel anschauen und aufnehmen, spontan organisieren. Wir
sind eigentlich nonstop im Einsatz. Unglaublich
ist etwa das Pensum, das unser Azubi Tim Werner in den vergangenen Tagen absolviert hat: Er
war Freitag, Samstag und Sonntag ganztägig auf
dem Kunstsommer unterwegs.
Da braucht man viel Motivation. Was spornt
Sie an?
Andreas Witte aus dem Kulturbüro hat es so schön
gesagt: 'Irgendwann fängt alles an, ineinanderzugreifen.' Ein tolles Gefühl, wenn man merkt, dass
die Künstler gut drauf sind, die Musiker Leidenschaft versprühen und eine positive Resonanz
aus dem Publikum kommt. Das beflügelt.
Ihre persönlichen Highlights?
(überlegt) Mich hat vieles beeindruckt. Toll war
Peter Kleine Foto: Kulturbüro
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Umfrage
Was ist Ihr Kunstsommer-Highlight 2012?
Andreas
Papenbrock,
Teilnehmer „Möbelobjekte aus Stammholz“, Oeventrop
„Für mich waren die Auseinandersetzung und Grenzerfahrung mit Kraft besondere Herausforderungen.
Wir haben mit sehr massiven Elementen gearbeitet.
Nach vier Tagen merken
Sie, was Sie getan haben.“
Anja Elkmann, Teilnehmerin „Holzbildhauerei“,
Andernach/Rhein
„Die Stimmung unter den
Künstlern ist toll, die Energie um uns herum einmalig
– sie beflügelt!“
Brigitte Klingler, Teilnehmerin „Holzbildhauerei“,
Moers
„Mein persönliches Highlight wird mein Werkstück
– wenn es denn mal fertig
ist.“
Prof. Dr. Reinhard Voß,
Teilnehmer „Holzbildhauerei“, Köln
„Toll waren die schottischirischen Bands ‚Cara‘ und
‚Old Blind Dogs‘ auf der
Bühne I. Lebendige Musik,
Sonne, nette Menschen
und Getränke – das war
Sommer pur!“
Paula-Luise Madden, Teilnehmerin „Cello“, Soest
„Ich finde es immer wieder
cool, wie die Menschen hier
an den Skulpturen arbeiten.
Wenn ich groß bin, will ich
auch mal an so einem Kurs
teilnehmen.“
Arischa, Labrador-Hündin
aus Essen
„Mir haben vor allem die
Ruhr und der Eisbär gefallen.“
Anneliese
Schaffranik,
Besucherin
Kunstsommer, Unna/Arnsberg
„Die gehäkelten Dinger auf
dem Gutenbergplatz. Und
die bunten Mülleimer.“
Nicole Horn, Helferin in
der Kulturschmiede und
bei der Übermittagsbetreuung der Zirkus-Workshop-Kinder, Arnsberg
„Arnsberg lebt zu dieser
Zeit.“