Leben mit Multipler Sklerose - KKH Kaufmännische Krankenkasse
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Leben mit Multipler Sklerose - KKH Kaufmännische Krankenkasse
Leben mit Multipler Sklerose Informationen zur Multiplen Sklerose Inhalt Was genau bedeutet Multiple Sklerose? 4 Wie verläuft eine MS? 6 Wie kann eine MS behandelt werden? 9 Der Alltag mit MS 14 MS und Pflegebedürftigkeit 18 Häufige Fragen zu MS und ihre Antworten 20 Sämtliche medizinischen Informationen und Empfehlungen sind neutral und basieren auf den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. oder der anerkannten Lehrmeinung. Diese Broschüre wurde in Zusammenarbeit mit Dr. med. Michael Prang, MBA, Arzt und Medizinjournalist, erstellt. Um unsere Broschüren schneller und einfacher lesbar zu machen, unterscheiden wir nicht zwischen „weiblicher“ und „männlicher“ Schreibweise. 2 Liebe Leser, was geht in Menschen vor, die von ihrem Arzt hören: „Sie haben Multiple Sklerose“? Entsetzen, Zukunftsangst und Unsicherheit sind bei dieser Nachricht sicher nur allzu verständlich. Doch um die Nervenerkrankung „Multiple Sklerose“ ranken sich auch Mythen und Vorurteile. Multiple Sklerose, oft kurz MS genannt, ist keine tödliche Krankheit und endet auch nicht automatisch im Rollstuhl. Die Lebenserwartung der meisten Betroffenen ist unverändert, die Hälfte von ihnen führt ein Leben ohne schwerwiegende Einschränkungen. Nach der Erstdiagnose vergehen im Durchschnitt 30 Jahre, bis Betroffene eine Gehhilfe benötigen, und nur jeder Vierte ist nach 40-jähriger Krankheitsdauer auf den Rollstuhl angewiesen. Dennoch ist klar, dass sich mit der Diagnose MS das Leben verändert und einige Jahre vergehen können, bis ein Betroffener den eigenen Weg im Umgang mit der Krankheit gefunden hat. Wem es aber schließlich gelingt, seine Energie in die Gegenwart zu investieren, der kann trotz MS ein erfülltes Leben führen. Auf den nächsten Seiten haben wir viele wichtige Informationen und praktische Anregungen zum Leben mit MS zusammengestellt. Sie sollen Betroffene dabei unterstützen, sich auf ihre Fähigkeiten statt auf mögliche Behinderungen zu konzentrieren, Lebensziele neu zu definieren und aktiv zu bleiben. Wenn Sie als Betroffener, Angehöriger oder Freund nach dem Lesen noch Fragen haben, stehen Ihnen unsere Mitarbeiter in den Servicestellen gerne zur Verfügung. Ihre Pflegekasse bei der KKH 3 Was genau bedeutet Multiple Sklerose? Bei der Multiplen Sklerose (MS) entstehen im Gehirn und Rückenmark an vielen Stellen zunächst kleine Entzündungsherde, die schließlich zu Narbengewebe (sklerotische Plaques) verhärten und so die Funktion der Nervenbahnen beeinträchtigen. Multiple Sklerose bedeutet deshalb frei übersetzt: viele krankhafte Gewebeverhärtungen. Der medizinische Name der MS lautet Encephalomyelitis disseminata. Er bedeutet, ebenfalls frei übersetzt: eine Entzündung von Gehirn und Rückenmark (Encephalomyelitis), die in Schüben (disseminata) verläuft. Weil die MS erstmals im 19. Jahrhundert von dem französischen Neurologen Jean Martin Charcot beschrieben wurde, wird sie mitunter auch Charcot-Krankheit genannt. Was geschieht bei einer MS im Körper? Zwischen Gehirn, Rückenmark und fast allen Zellen des Körpers laufen über Millionen von Nervenbahnen 4 ständig elektrische Signale hin und wieder zurück. Mit den Signalen werden z. B. Muskeln gesteuert und Empfindungen wie Wärme, Kälte oder Druck ans Gehirn übermittelt. Damit die elektrischen Signale jederzeit schnell und störungsfrei übertragen werden, sind die Nervenbahnen von einer weißen, fettreichen Substanz umhüllt. Die Substanz wird Myelin genannt, die Hüllen heißen Markscheiden. Bei der MS treten im Myelin der Markscheiden stecknadelkopf- bis eurostückgroße Entzündungsherde auf, die im Verlauf der Erkrankung durch sklerotische Plaques ersetzt werden können. Der Körper bildet neues Myelin und versucht so, die Entzündungsherde zu reparieren. Schreitet die Erkrankung allerdings fort, werden die Markscheiden nach und nach immer stärker beschädigt oder sogar ganz zerstört. Aufgrund der beschädigten oder zerstörten Markscheiden können die elektrischen Signale nicht mehr störungsfrei übermittelt werden. Muskeln z. B., die am Ende betroffener Nervenbahnen liegen, erhalten deshalb nur unvollständige Signale und können somit nicht wie gewohnt funktionieren. Welche Symptome können auftreten? Da sich Entzündungsherde und sklerotische Plaques an vielen unterschiedlichen Orten in Gehirn und Rückenmark entwickeln können, sind bei der MS auch viele unterschiedliche Symptome möglich. Die MS wird deshalb auch „die Krankheit mit den tausend Gesichtern“ genannt. Sind z. B. die Sehnerven betroffen, ergeben sich Sehstörungen wie beispielsweise Schleiersehen. Entzündungsherde und sklerotische Plaques in den Nervenbahnen des Rückenmarks und des Gehirns können zu Schwäche oder Gefühlsstörungen in Armen und Beinen und so zu Gehstörungen führen. Auch Schwindel, Koordinationsprobleme, Blasenstörungen und starke Müdigkeit sind häufige Symptome der MS. Bei rund einem Drittel der Kranken macht sich die MS zum ersten Mal durch Kribbeln oder Taubheitsgefühle z. B. in einer Hand, einem Bein oder fleckförmig am Rumpf bemerkbar. Sehr häufig kommen auch Strom- oder Schnürempfindungen auf der Haut vor. Meist treten die ersten Symptome plötzlich aus völligem Wohlbefinden heraus auf und verschwinden nach ein paar Tagen oder Wochen zunächst wieder. Wer erkrankt an MS? In jedem Jahr erkranken in Deutschland zwischen 3.000 und 5.000 Menschen neu an MS, dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Schätzungen haben ergeben, dass weltweit rund 2,5 Millionen Menschen erkrankt sind, allein in Deutschland und Österreich leben über 100.000 Betroffene. Am häufigsten erkranken jüngere Erwachsene im Alter von 20 bis 40 Jahren an MS, Kinder und ältere Erwachsene sind seltener betroffen. Statistisch gesehen ist das Krankheitsrisiko in den gemäßigten Klimazonen wie Nordeuropa und Nordamerika am größten, in den tropischen und subtropischen Regionen ist es am geringsten. Als Ursache dafür vermuten Experten Erb- und Umweltfaktoren. Wie wird MS festgestellt? In vielen Fällen ist das erste Anzeichen einer MS nur ein vorübergehendes „merkwürdiges“ Gefühl in den Armen oder Beinen, das nicht besonders stört und kaum jemanden zu einem sofortigen Arztbesuch veranlasst. Deshalb vergehen mitunter Monate oder sogar Jahre, bis die Diagnose MS endgültig feststeht. Es gibt keinen Test, mit dem sich eine MS auf Anhieb sicher diagnostizieren lässt. Besonders die frühen Symptome wie Kribbeln in Armen oder Beinen können auch von anderen Krankheiten, etwa einem Bandscheibenvorfall, verursacht werden. Erfahrene Ärzte – meist werden Betroffene von Neurologen betreut – diagnostizieren MS deshalb mithilfe der Krankheitsgeschichte des Patienten und den Resultaten verschiedener Untersuchungen. Dazu gehören z. B. eine gründliche körperliche Untersuchung und die Untersuchung der Hirnflüssigkeit nach einer Punktion des Rückenmarkkanals sowie technische Verfahren wie die Kernspintomografie und eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (evozierte Potenziale). Was sind die Ursachen der MS? Die genauen Ursachen der MS sind noch unbekannt. Experten vermuten aber, dass grundsätzlich eine erbliche Bereitschaft zu MS bestehen muss, damit die Krankheit ausbricht. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Kombination mehrerer bestimmter Gene, die nur zusammen eine Fehlsteuerung des Immunsystems auslösen und so den Betroffenen für die MS empfänglich machen. Eine weitere Theorie besagt, dass als Folge einer Virusinfektion im Kindesalter eine Reaktion des Immunsystems angeregt wird, die viele Jahre später schließlich zu der MS führt. Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor Bakterien, Viren und anderen Eindringlingen. Bei manchen Menschen jedoch hält das Immunsystem auch eigenes Gewebe für fremd und attackiert es deshalb. Eine solche irrtümliche Reaktion gegen das Myelin in den Markscheiden der Nervenbahnen spielt vermutlich auch bei der MS eine Rolle. Ärzte bezeichnen die MS deshalb auch als Autoimmunkrankheit. „Auto“ bedeutet hierbei frei übersetzt: gegen sich selbst gerichtet. 5 Wie verläuft eine MS? Bei der MS gleicht kein Krankheitsverlauf dem anderen, denn die Ausprägung und die Schwere der Symptome stellen sich bei jedem Betroffenen anders dar – von kaum spürbaren Symptomen bis zu besonders schweren Verläufen ist alles möglich. Nicht zu wissen, ob irgendwann in ihrem Leben eine Gehstütze oder ein Rollstuhl erforderlich sein wird, ist für viele Kranke sehr belastend. Ärzte versuchen deshalb, den Langzeitverlauf einer MS mithilfe von Beurteilungsskalen abzuschätzen. Eine der am häufigsten eingesetzten Skalen ist die von John F. Kurtzke entwickelte EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale). Sie kombiniert langjährige medizinische Erfahrungswerte mit dem aktuellen neurologischen Untersuchungsbefund des Patienten und gibt den ungefähren Grad der Behinderung durch die MS an. Bei regelmäßigem Einsatz können Ärzte mithilfe einer Beurteilungsskala abschätzen, ob und wie schnell die MS voranschreitet. Eine MS verläuft meist in Krankheitsschüben: Auf eine Zeit vermehrter Beschwerden folgt oft die teilweise oder vollständige Besserung und eine Zeit frei von neuen Symptomen. Die Symptome bleiben meist für einige Wochen bestehen und bilden sich dann über einen Zeitraum von rund einem Monat wieder zurück. Als Faustregel gilt, dass sich bei der Hälfte aller MS-Kranken der Schub komplett wieder zurückbildet. Bei einem Viertel verschwinden die Symptome nur teilweise oder bleiben vollständig bestehen. 6 Die meisten Betroffenen haben innerhalb der ersten fünf Jahre nach Beginn der Erkrankung die meisten Schübe. Später sinkt die Schubrate dann so weit, dass bei älteren MS-Kranken oft gar keine Schübe mehr auftreten. Statistiken zeigen, dass MS-Kranke durchschnittlich 0,8 Schübe pro Jahr haben. Info Von einem Schub sprechen Ärzte, wenn im Abstand von einem Monat entweder óó óó óó neue oder schon bekannte Symptome auftreten, sich die Symptome verstärken oder die Symptome länger als 24 Stunden anhalten. Welche Formen der MS gibt es? óó óó óó Schubförmiger Verlauf Rund 40 Prozent der MS-Kranken haben einen schubförmigen Verlauf (schubförmig remittierende Form der MS). Die Schübe treten plötzlich auf, bilden sich aber nach einer Weile vollständig oder zumindest teilweise zurück. Drei Viertel der Kranken haben innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose einen zweiten Schub. Erfahrungsgemäß kommt es bei einem schubförmigen Verlauf mit den Jahren zu leichten Behinderungen. chubförmig/kontinuierlich verschlechternder S Verlauf Ein sich zunächst schubförmig, dann kontinuierlich verschlechternder Verlauf (sekundär chronischprogrediente Form der MS) tritt ebenfalls mit einer Häufigkeit von rund 40 Prozent auf. Dabei verläuft die MS zunächst in Schüben, bis sie nach 10 bis 15 Jahren in eine Form übergeht, bei der sich der körperliche Zustand des Kranken stetig weiter verschlechtert. Da sich die Symptome dann nur noch teilweise zurückbilden, nehmen auch die Behinderungen immer stärker zu. ontinuierlich verschlechternder Verlauf K Ein sich kontinuierlich verschlechternder Verlauf (primär chronisch-progrediente Form) ist die seltenste und schwerwiegendste Form der MS, betroffen sind 10 bis 20 Prozent aller Erkrankten. Die MS verläuft bei dieser Form nicht in Schüben, sondern verschlimmert sich von Beginn an kontinuierlich und hinterlässt entsprechend ausgeprägte Behinderungen. Einige Betroffene erleben sogenannte Stabilisierungsperioden, in denen sich die Symptome für einen gewissen Zeitraum nicht weiter verschlechtern. óó óó Besonders gutartiger Verlauf Eine MS gilt als gutartig, wenn auch 15 Jahre nach Beginn der Krankheit keine wesentlichen Einschränkungen bestehen und die Betroffenen voll aktiv sein können. Allerdings ist selbst bei einer gutartigen MS auch nach vielen Jahren nicht sicher, ob sie sich nicht irgendwann doch noch verschlimmert. Besonders schwerer Verlauf Unabhängig von den unterschiedlichen Formen sprechen Ärzte von einer besonders schweren Variante, wenn die MS innerhalb von sechs Monaten zu stark ausgeprägten Behinderungen führt. Was löst einen Schub aus? Während eines Schubs entstehen in Gehirn und Rückenmark neue Entzündungen und sklerotische Plaques, die dann die entsprechenden Symptome verursachen. Über die Auslöser von Schüben wissen Ärzte noch relativ wenig. Viele Betroffene machen allerdings die Erfahrung, dass es immer dann zu neuen Schüben kommt, wenn sie z. B. durch Eheprobleme oder Ärger am Arbeitsplatz psychisch sehr angespannt sind. Auch Hitze und körperliche Überforderung sollen einen Schub auslösen können. Wissenschaftlich bewiesen sind diese Zusammen hänge jedoch nicht. Wie ist die Prognose einer MS? MS ist keine tödliche Krankheit und die Lebenserwartung der meisten Betroffenen ändert sich durch die MS nicht. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass auch nach 25 Jahren viele der MS-Erkrankten noch gehen können – wenngleich sie dafür mitunter eine Gehhilfe benötigen. Und etwa die Hälfte aller Betroffenen kann sogar mit einem günstigen Verlauf ganz ohne schwerwiegende Einschränkungen rechnen. Verlaufsformen der MS Für einen relativ günstigen Verlauf der MS spricht, wenn óó als Erstsymptome Gefühls- oder Sehstörungen auftreten, óó sich die Beschwerden jeweils wieder vollständig zurückbilden, óó nach einem Zeitraum von fünf Jahren keine Behinderungen aufgetreten sind. Für einen schweren Verlauf der MS spricht, wenn óó als Erstsymptome Lähmungserscheinungen auftreten, óó es bereits zu Beginn der Krankheit zu Nervenausfällen kommt, óó die Krankheit erst im höheren Lebensalter beginnt, óó im Verlauf der Krankheit viele Schübe auftreten. 7 Ein individueller Therapieplan behandelt Beschwerden und erhöht die Lebensqualität der Betroffenen. 8 Wie kann eine MS behandelt werden? Bisher gibt es keine Behandlungsmethode, mit der die MS geheilt oder wenigstens die Symptome sofort vollständig beseitigt werden können. Die Situation ist damit vergleichbar mit anderen chronischen Krankheiten wie z. B. Diabetes mellitus. Bei der MS lassen sich mit modernen Methoden der Verlauf der Krankheit zum Teil deutlich verlangsamen und die Symptome spürbar lindern. Dafür gibt es grundsätzlich drei unterschiedliche Therapieansätze: eine Dauerbehandlung (Basistherapie), die Behandlung akuter Schübe sowie die gezielte Behandlung der Symptome. Im Folgenden haben wir die am häufigsten eingesetzten Medikamente kurz erläutert. Ob ein bestimmtes Medikament wirksam ist, kann in der Regel aber frühestens nach sechs Monaten sicher beurteilt werden. Häufigkeit und die Dauer von Schüben verringern kann. Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich jedoch verhindert Glatirameracetat Angriffe des fehlgesteuerten Immunsystems auf die Markscheiden der Nervenbahnen und soll außerdem schützende Immunmechanismen aktivieren. Glatirameracetat wird von vielen MS-Kranken besser vertragen als die Beta-Interferone. óó Die Basistherapie Mit der Basistherapie können Krankheitsschübe abgeschwächt oder im Idealfall ganz verhindert werden. Dazu muss sie allerdings möglichst früh nach der Diagnose beginnen und meist ein Leben lang konsequent und diszipliniert durchgeführt werden. Gelingt das, schreitet die MS in der Regel bis zu 30 Prozent langsamer voran. óó Bei der Basistherapie kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, die auf das Immunsystem wirken. Sie müssen einmal oder mehrmals in der Woche unter die Haut oder in einen großen Muskel gespritzt werden. Nach verständlicher anfänglicher Abneigung machen das die meisten Betroffenen schließlich selbst. óó óó Beta-Interferone Eine herausragende Rolle in der MS-Therapie spielen die Beta-Interferone. Sie bringen den Organismus dazu, die Produktion von entzündungsauslösenden Stoffen im Körper zu drosseln und verringern so die Häufigkeit und die Dauer von Schüben. Beta-Interferone können Nebenwir kungen wie Fieber, Müdigkeit, grippeähnliche Symptome und Depressionen verursachen. Glatirameracetat Eine Alternative zu den Beta-Interferonen ist der Wirkstoff Glatirameracetat, der ebenfalls die óó atalizumab N Dieser Wirkstoff ist zur Behandlung besonders aggressiver Formen der schubförmigen MS zugelassen. Er soll verhindern, dass Entzündungszellen zu den Entzündungsherden der MS in Gehirn und Rückenmark wandern. Natalizumab wird einmal im Monat als Infusion verabreicht. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, Harn- und Atemwegsinfektionen, Depressionen, Gelenkschmerzen und starke Müdigkeit. Mitoxantron Bei einem besonders aggressiven Verlauf der MS greifen Ärzte mitunter auf den Wirkstoff Mitoxantron zurück. Er soll verhindern, dass sich Antikörper gegen das Myelin in den Markscheiden bilden. Mitoxantron kann nur etwa zwei Jahre lang eingesetzt werden, da sonst schwere Langzeitfolgen auftreten können. Der Wirkstoff wird einmal im Vierteljahr per Infusion verabreicht und verursacht dann meist einige Tage lang Übelkeit, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. I ntravenöse Immunglobuline Beta-Interferone, Glatirameracetat und Natalizumab sind die Mittel der ersten Wahl bei MS, können aber nicht bei allen Erkrankten eingesetzt werden. Als Alternative kommen dann sogenannte intravenöse Immunglobuline (IVIG) infrage, die z. B. auch in der Schwangerschaft verabreicht werden können. Dabei handelt es sich um „fertige“ Antikörper, die die Entzündungsherde im Myelin der Markscheiden bekämpfen sollen. 9 Die Behandlung akuter Schübe Bei einem akuten Schub wird die Basistherapie durch eine gezielte antientzündliche Behandlung erweitert. So sollen neue Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark möglichst schnell und vollständig zum Abklingen gebracht werden. Ärzte setzen dazu meist Kortison ein – zunächst für einige Tage als Injektion in eine Armvene und anschließend in abnehmender Dosierung in Tablettenform. Um Beschwerden wie Spastiken oder Blasenstörungen zu behandeln, können weitere Medikamente erforderlich sein. Vor einer Kortisontherapie muss niemand Angst haben. Kortison ist ein körpereigenes Hormon, das von der Nebennierenrinde hergestellt wird. Es ist lebensnotwendig und hat im Körper viele wichtige Aufgaben. Heute weiß man, dass die größten Nebenwirkungen einer Kortisontherapie bei einer hoch dosierten und langfristigen Kortisongabe auftreten. Bei einer niedrigen Dosierung sind Nebenwirkungen deutlich seltener oder treten gar nicht mehr auf. Zu den Nebenwirkungen von Kortison gehören u. a. Stimmungsschwankungen, Herzklopfen und Schlafstörungen, die aber nach einigen Tagen meist wieder verschwinden. Auch eine dauerhafte Gewichtszunahme ist nicht zu befürchten. Wegen seiner ausgeprägten antientzündlichen und oft lebensrettenden Wirkung gilt Kortison als eines der wichtigsten Medikamente, das Ärzten in der modernen Medizin zur Verfügung steht. 10 Info Manche MS-Kranke haben so sehr Angst vor einer „Zukunft im Rollstuhl“, dass sie ihre Krankheit verdrängen und eine Basistherapie verweigern. Andere setzen ihre Medikamente nach dem ersten Schub vollständig ab, weil es ihnen wieder gut geht. Und manche MS-Kranke fürchten die Nebenwirkungen der Medikamente so sehr, dass sie sie nicht regelmäßig einnehmen. Ein solches Verhalten ist natürlich verständlich – es kann jedoch dazu führen, dass die MS schneller voranschreitet und stärkere Symptome zeigt. Sprechen Sie unbedingt gleich mit Ihrem Arzt, wenn Sie hinsichtlich Ihrer MS-Therapie unsicher sind oder Fragen haben. Sehr viel Erfahrung und gute Entscheidungshilfen bei der Wahl der optimalen Therapie bieten Ihnen auch die speziellen MS-Ambulanzen an den Universitätskliniken. Die gezielte Behandlung der Symptome Um trotz der MS beweglich und selbstständig zu bleiben, ist eine konsequente und disziplinierte Behandlung sehr wichtig. Neben der Basistherapie und der Therapie akuter Schübe hat die Behandlung der Symptome eine besondere Bedeutung. Dabei stehen nicht nur Medikamente zur Auswahl. Info Das können Sie als Betroffener selbst tun, um Krankheitsschübe zu verhindern: óó óó Bei Gehbehinderungen oder Koordinationsstörungen können z. B. mit einem krankengymnastischen Training oft deutliche Verbesserungen erreicht werden. Versteifte (spastische) Muskeln lassen sich mitunter durch kalte Kompressen besser lockern als durch Medikamente. Und manchen Kranken hilft schon ein kühles Bad, um sich bei einem akuten Schub wohler zu fühlen. Auch Blasenstörungen, Zittern oder Schwindel können teils mit Medikamenten, teils mit ergänzenden Therapien erfolgreich behandelt werden. óó óó Überanstrengen Sie sich nicht und schlafen Sie ausreichend viel. Bleiben Sie innerhalb Ihrer Möglichkeiten aber so aktiv wie möglich. Vermeiden Sie den Kontakt mit Menschen, die an einer Erkältung oder Grippe erkrankt sind. Ernähren Sie sich gesund. 11 Ist eine Spezial-Diät sinnvoll? óó Immer mal wieder machen Nachrichten die Runde, dass MS mit einer bestimmten Diät deutlich gebessert oder sogar geheilt werden könnte. Nach heutigem Wissensstand existiert allerdings keine Form von Ernährung, die ein solches Versprechen halten kann. Dennoch sollten MS-Kranke ihre Nahrungsmittel mit Bedacht auswählen. óó óó Denn eine MS tritt umso häufiger auf, je mehr tierische Nahrungsmittel verzehrt werden. Der Grund: Der Körper kann die entzündungsfördernden Stoffe, die das Immunsystem veranlassen, eigenes Gewebe anzugreifen und so vielleicht eine MS auszulösen, selbst herstellen. Alles, was er dazu braucht, ist die in tierischen Nahrungsmitteln reichlich enthaltene Arachidonsäure. Fisch und pflanzliche Nahrungsmittel dagegen scheinen vor der MS zu schützen, da Fischöle und pflanzliche Öle die Bildung entzündungsfördernder Stoffe im Körper hemmen. Eine gesunde Ernährung bei MS besteht deshalb darin, tierische Nahrungsmittel zu meiden und möglichst viele von den folgenden Vorschlägen umzusetzen: óó óó óó Versuchen Sie, Ihr Normalgewicht zu halten. Essen Sie wenig Nahrungsmittel, die viel Zucker enthalten. Machen Sie stattdessen Vollkornbrot, Naturreis und Haferflocken zu Ihren Grundnahrungsmitteln. Meiden Sie industriell hergestellte und tierische Fette. Verwenden Sie bei der Zubereitung Ihrer Speisen Öl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie z. B. Olivenöl. Essen Sie öfter Fisch, schon wegen des hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und wertvollem Eiweiß. Fischöl soll außerdem die MS günstig beeinflussen können – auch wenn der wissenschaftliche Beweis dafür noch fehlt. Decken Sie Ihren Eiweißbedarf in Höhe von 50 bis 80 Gramm pro Tag besonders durch pflanzliches Eiweiß, wie es z. B. in Hülsenfrüchten reichlich vorkommt. Erhöhen Sie Ihren Ballaststoffanteil in der Nahrung – bringen Sie mehrmals die Woche Obst, Gemüse, Salate und Vollkornprodukte auf Ihren Speiseplan. Essen Sie nicht öfter als zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch und beschränken Sie sich dann auf mageres Fleisch. Info Von folgenden Ernährungsempfehlungen sollten Sie Abstand nehmen, da ihre Wirksamkeit nicht bewiesen ist, und Ihnen außerdem eine einseitige Ernährung schaden könnte: óó óó óó óó óó óó óó óó óó óó óó óó 12 Bakterienfreie Diät nach Ihmig Methanol-Hypothese nach Hentzi Fettarme Diät nach Swank Glutenfreie Diät Essenzielle Fettsäuren bei MS nach Millar Evers-Diät Fratzer-Diät Immun-Milch und Immun-Colostrum nach Aronson et al. Kaslow-Programm Kohlenhydratfreie Diät nach Lutz und Eckel Milchfreie Diät nach Agranoff und Goldberg Klennersche Megavitamin-Therapie Welche alternative Therapie ist die richtige? Trotz aller Errungenschaften der modernen Medizin lassen sich bei der MS-Therapie Nebenwirkungen nicht immer vermeiden. Viele Betroffene akzeptieren dies nicht und sehen sich nach alternativen Therapien um. Dagegen spricht grundsätzlich nichts, denn alternative Therapien können trotz fehlender Wirksamkeitsnachweise in Einzelfällen hilfreich sein. Allerdings gibt es alternative Therapien, die nachweislich unwirksam oder sogar schädlich sind und bei denen die Anbieter vor allem finanzielle Interessen verfolgen. Wenn Sie sich für eine alternative Therapie interessieren, dann sollten Sie zu Ihrer Sicherheit folgende Dinge berücksichtigen: Unterbrechen Sie niemals Ihre laufende schulmedizinische Behandlung, wenn Sie eine alternative Therapie beginnen. Sprechen Sie stattdessen mit Ihrem Arzt darüber – er wird Verständnis dafür haben, dass Sie eine alternative Therapie beginnen. óó óó Manche alternativen Therapien werden von ihren Anbietern zur Anwendung über einen sehr langen oder sogar lebenslangen Zeitraum empfohlen. Bedenken Sie, dass diese Behandlungen fast nie von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden und oft sehr kostspielig sind. Alternative Therapien können, besonders wenn sie nicht wissenschaftlich untersucht sind, gefährliche Nebenwirkungen haben und die MS sogar noch verschlimmern. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt auch darüber, wenn Sie unsicher sind. 13 Der Alltag mit MS Partnerschaft Es gibt keinen Grund, warum MS-Kranke keine Partnerschaften eingehen sollten und darin glücklich werden. Der gesunde Partner sollte jedoch grundsätzlich bereit sein, Pläne immer mal wieder anzupassen, neben seinem Beruf zeitweise auch den Haushalt und die Kinder zu versorgen und sein Leben zu einem gewissen Teil nach dem Zustand des kranken Partners auszurichten. Doch wenn es gelingt, wie selbstverständlich über die Probleme zu reden und sich zu organisieren, kann das zwei Menschen noch enger zusammenschweißen. Fällt das Reden schwer, kann die Hilfe eines Paartherapeuten sinnvoll sein. Sexualität Bei einem Drittel aller Betroffenen hat die MS keinen Einfluss auf das Sexualleben. Zwei Drittel aller MS-Kranken haben Statistiken zufolge jedoch weniger Sex als vor Beginn ihrer Erkrankung. Das ist leicht nachvollziehbar, denn wo ständige Müdigkeit, Spastiken in den Beinen oder Harninkontinenz den Alltag mitbestimmen, kommen Gedanken an Sex 14 meist gar nicht erst auf. Schaffen es die Partner nicht allein, durch offene Gespräche das Sexualleben vor dem Erliegen zu bewahren, sollten sie sich einem Arzt oder Psychologen anvertrauen. Denn Möglichkeiten, sexuelle Probleme in den Griff zu bekommen, gibt es zahlreiche: Sie reichen von einer Gesprächstherapie über unauffällige mechanische Hilfen bei Erektionsstörungen bis zu modernen Medikamenten, die Spastiken mildern. Kinderwunsch Bei Frauen mit MS ist die Fruchtbarkeit grundsätzlich nicht eingeschränkt. Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt des Kindes laufen trotz der MS kaum anders ab als bei gesunden Frauen. Trotzdem sollte eine Schwangerschaft gut geplant sein. Manche Experten glauben, dass schwangere Frauen weniger Schübe haben. Statistisch gesehen ist im ersten Jahr nach der Entbindung das Risiko eines erneuten Schubs aber zwei- bis dreimal höher als sonst. Zu erwarten sind außerdem Belastungen durch die Hormonumstellung und den Aufwand, den die Versorgung eines Kindes verursacht. Es hat sich deshalb bewährt, bei einem Kinderwunsch die behandelnden Ärzte frühzeitig mit einzubeziehen und sich ausführlich beraten zu lassen. Weil eine Therapie mit Medikamenten das ungeborene Kind gefährden könnte, sollten Frauen mit MS nur in einer stabilen Phase der MS schwanger werden. Männer mit MS können Väter werden und gesunde Kinder haben – auch wenn in manchen Fällen Probleme mit der Erektion oder Ejakulation die Zeugung eines Kindes schwieriger gestalten. Familie und Freunde Angehörige und Freunde von MS-Kranken müssen oft erst lernen, mit dem Betroffenen und seinen eventuellen Einschränkungen umzugehen. Die anfängliche Unsicherheit kann dabei schnell zu Missverständnissen führen, die die Betroffenen als Ablehnung oder Desinteresse interpretieren. Info Das können Eltern mit MS für ihre Kinder tun: óó óó óó óó óó Klären Sie Ihre Kinder über Ihre Krankheit auf und halten Sie sie bei Veränderungen auf dem Laufenden. Beziehen Sie Ihre Kinder in Ihren Krankheitsalltag mit ein, denn sie haben das natürliche Bedürfnis, ihren Eltern zu helfen. Lassen Sie Kinder aber nicht die Rolle des Trösters übernehmen, Sie könnten sie damit überfordern. Pflegen Sie soziale Kontakte außerhalb der Familie und achten Sie darauf, dass auch Ihre Kinder das tun. Kinder haben oft Angst, dass der Vater oder die Mutter bei einer Krankheit sterben könnte – sprechen Sie auch darüber mit ihnen. Die folgenden Vorschläge sollen das Miteinander erleichtern: óó óó óó óó óó Setzen Sie sich gegebenenfalls offensiv mit dem Verlust Ihrer hundertprozentigen Selbstständigkeit auseinander. Dass Sie Ihre Krankheit bewältigen, verdient hohen Respekt. Es gibt deshalb nichts, was Ihnen peinlich sein sollte. Erläutern Sie Angehörigen und Freunden die Gründe für Ihre Einschränkungen. Gerade von Ihrem engsten Kreis dürfen Sie erwarten, dass Ihre speziellen Bedürfnisse verstanden und akzeptiert werden. Gestehen Sie Ihren Angehörigen und Freunden aber auch eigene Bedürfnisse zu und seien Sie bereit, auch mal in die zweite Reihe zu treten. Versuchen Sie, so weit wie möglich Ihr Leben zu vereinfachen. Schaffen Sie sich z. B. ein Fahrzeug mit Automatik an oder lassen Sie stolperfreie Fußböden verlegen. Sie machen es damit auch Ihren Angehörigen und Freunden leichter, Sie in alle Unternehmungen zu integrieren. Holen Sie sich Informationen und Hilfe von Ärzten, Psychologen und anderen Fachleuten und bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand. Je mehr Sie über MS wissen, desto besser können Sie sich damit auseinandersetzen. Arbeitsleben Als MS-Kranker müssen Sie weder Ihren Arbeitgeber darüber informieren noch müssen Sie bei Einstellungsgesprächen ungefragt Auskunft dazu geben. Eine chronische Krankheit wie MS ist auch kein Kündigungsgrund. Das Gegenteil ist sogar der Fall, denn Arbeitgeber können umfangreiche Fördermittel erhalten, um behindertengerechte Arbeitsplätze einzurichten. Trotz des Rechts auf Verschwiegenheit sollten Sie mit Ihren Vorgesetzten und Kollegen über eventuelle Auswirkungen Ihrer Krankheit sprechen, weil Einschränkungen einen Wechsel Ihres Aufgabengebietes erforderlich machen könnten. So wäre z. B. ein Lokführer, Pilot oder Taxifahrer mit verstärkter Müdigkeit ohne Frage ein Risiko für sich selbst und für andere. Es kann deshalb nötig sein, dass Sie sich neu orientieren und eine Tätigkeit ins Auge fassen müssen, die körperlich leichter ist und den Gebrauch von Hilfsmitteln erlaubt. Spornen Sie Ihren gesunden Partner und Ihre Kinder an, auch mal etwas ohne Sie zu unternehmen. Sie verhindern damit, dass die Belastung in Ihrer Familie überhandnimmt. 15 Sport Müdigkeit und Schwäche Studien belegen, dass Sport auch bei MS Muskelkraft und Ausdauer steigert und zudem Symptome wie Spastiken, Gleichgewichtsstörungen und Müdigkeit verbessert. Bevor Sie loslegen, sollten Sie allerdings die machbaren Sportarten realistisch ins Auge fassen. Schwimmen, Walking, Reiten und Yoga sind für MS-Kranke meist problemlos möglich. Ob intensives Muskeltraining, Langlauf oder Fußball geeignete Sportarten sind, hängt von Ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit und Ihren Einschränkungen ab. Müdigkeit und körperliche Schwäche sind häufige Symptome der MS. Weil die Ursachen äußerlich unsichtbar sind, bleiben Missverständnisse am Arbeitsplatz (Du bist faul!) oder unterwegs (Der ist ja betrunken!) nicht völlig aus. Reagieren Sie nicht mit Überanstrengung auf solche unberechtigten Vorwürfe, Sie könnten Ihre Symptome dadurch verschlimmern. Klären Sie Ihre Mitmenschen stattdessen über den wirklichen Hintergrund Ihrer Schwierigkeiten auf – Sie werden überrascht sein, wie viel Verständnis und Unterstützung Sie plötzlich erhalten. Versuchen Sie außerdem, möglichst viele dieser Vorschläge zu beherzigen: Die folgenden Vorschläge sollen Ihnen außerdem helfen, Müdigkeit und Schwäche in einem verträglichen Rahmen zu halten: óó óó óó óó óó óó óó Planen Sie vor dem Sport eine Pause ein und ruhen Sie sich auch zwischendurch immer mal wieder aus. Machen Sie zuerst ein paar Aufwärmübungen und beginnen Sie dann mit kurzen Trainingseinheiten. Überfordern Sie sich nicht! Sie liegen mit der Belastung richtig, wenn Sie sich nach dem Sport binnen einer Stunde wieder erholt haben. Klären Sie Mitsportler über Ihre Krankheit und die möglichen Auswirkungen auf. Vermeiden Sie Sport bei Wärme und in überhitzten Räumen. Trinken Sie vorher und hinterher etwas Kaltes. Auch spezielle Kühlwesten oder ein kühles Bad nach dem Sport können dafür sorgen, dass Sie sich gut fühlen. Denken Sie immer daran, dass Ihr Verletzungsrisiko je nach Sportart erhöht sein kann und, dass Verletzungen einen Schub auslösen könnten. Depressionen Neben den körperlichen Auswirkungen kann eine MS auch das Seelenleben der Betroffenen beeinträchtigen. Über zwei Drittel von ihnen haben eine Depression. Dabei muss eine gedrückte Stimmung nicht das einzige Zeichen sein – auch Angst, Konzentrationsprobleme und Vergesslichkeit z. B. können auf eine Depression hinweisen. Depressionen müssen frühzeitig erkannt und von Fachleuten behandelt werden – dann sind sie sogar heilbar. Unterstützung vom Partner, von der Familie, von Freunden oder anderen Betroffenen kann helfen, leichte depressive Verstimmungen auszugleichen. In allen anderen Fällen ist aber eine Therapie durch Fachleute wie Ärzte und Psychologen erforderlich. 16 óó óó óó óó óó óó óó Schlafen Sie in jeder Nacht ausreichend viel. Bleiben Sie körperlich so aktiv wie möglich, aber überanstrengen Sie sich nicht. Erledigen Sie anstrengende Dinge schrittweise. Machen Sie vor jedem größeren Arbeitsschritt eine kurze Pause. Planen Sie anstrengende Dinge für den Vormittag ein, dann haben Sie die meiste Energie. Gönnen Sie sich ein Schläfchen, wenn Sie müde sind. Oder ruhen Sie sich aus, bis Sie sich wieder fit fühlen. Lernen Sie, in jeder Situation Ihre eigenen Grenzen rechtzeitig zu erkennen. Urlaub MS ist kein Grund, auf Reisen zu verzichten. Erfüllen Sie sich auch ruhig den Traum, Urlaub in fernen Ländern zu machen. Beachten Sie dabei aber möglichst viele dieser Vorschläge: óó óó óó óó óó óó óó óó Planen Sie Ihre Reise bis ins Detail gut durch. Kalkulieren Sie mögliche Probleme mit ein und machen Sie dafür einen „Plan B“. Vermeiden Sie körperlich sehr anstrengende Reisen. Planen Sie auch in Ihrem Urlaub immer wieder Pausen ein. Bedenken Sie, dass ein Flug weniger strapaziös sein kann als eine Reise im Bus oder mit der Bahn. Beachten Sie, dass ein heißes Klima Beschwerden hervorrufen oder verstärken kann. Bedenken Sie, dass in heißen Regionen das Infektionsrisiko oft erhöht ist. Nehmen Sie ausreichend MS-Medikamente mit. óó óó Vergessen Sie die ganz normale Reiseapotheke nicht! Achten Sie auf Ihren Impfschutz und lassen Sie sich gegebenenfalls von einem kundigen Arzt dazu beraten. Selbsthilfegruppen Um zu erfahren, welche Erfahrungen andere Betroffene mit bestimmten Institutionen, Kliniken und Ärzten gemacht haben, sind Selbsthilfegruppen der beste Weg. Zudem können Sie dort die alltäglichen medizinischen, psychologischen und sozialen Probleme mit Menschen besprechen, die in der gleichen oder einer ähnlichen Situation sind wie Sie und die Ihnen ihre Erfahrungen ungeschminkt weitergeben. Der richtige Arzt, die passende Klinik Ärzte oder Kliniken zu finden, die in der Betreuung von MS-Erkrankten besonders erfahren sind, ist nicht immer einfach. Hilfe dabei bieten die Landesverbände der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (www.dmsg.de). Sie haben eine „MS-Helpline“ eingerichtet: 01805 777007 (Montag bis Freitag von 9:00 bis 16:00 Uhr) Eine MS-Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe finden Sie über: NAKOS Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen Otto-Suhr-Allee 115 10585 Berlin-Charlottenburg Telefon 030 31018960 Telefax 030 31018970 [email protected] www.nakos.de 17 MS und Pflegebedürftigkeit Je nach Verlauf einer MS-Erkrankung kann diese ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Pflegebedürftigkeit führen. In einer solchen Situation ist es wichtig, von vornherein das Richtige zu tun. Zwar unterscheidet sich eine professionelle Pflege bei MS in den Grundsätzen nicht von der Pflege bei anderen chronischen Erkrankungen – dennoch gelten für die Pflege von MS-Kranken Besonderheiten. Bei der MS kommt es durch Entzündungsherde und sklerotische Plaques in Gehirn und Rückenmark zu Nervenstörungen, die zu einer vollständigen Lähmung betroffener Muskeln führen können, in seltenen Fällen des ganzen Körpers. MS hat jedoch keinen direkten Einfluss auf jene Teile des Gehirns, die für die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Menschen zuständig sind. Für MS-Kranke bedeutet Pflegebedürftigkeit deshalb in erster Linie, auf „körperliche“ Hilfe angewiesen zu sein – die mentalen Fähigkeiten wie z. B. Denken, Problemlösen und Lernen sind grundsätzlich unverändert. In diesen Bereichen benötigen Betroffene keine Hilfe im eigentlichen Sinne, sondern in erster Linie Anerkennung und Respekt. 18 In diesem Kapitel haben wir die wichtigsten Besonderheiten bei der Pflege von MS-Kranken zusammengefasst. Umfangreiche Informationen zum Thema „Pflege“ finden Sie in unseren Broschüren „Zu Hause pflegen“ und „Das Wichtigste zum Thema Wundliegen“. Diese Broschüren können Sie telefonisch in Ihrer KKH Servicestelle anfordern. Den richtigen Pflegedienst finden Soweit es möglich ist, sollten pflegebedürftige MS-Kranke in ihrer gewohnten Umgebung leben und von Pflegekräften betreut werden, die täglich ins Haus kommen. Achten Sie bei der Auswahl der Pflegekräfte bzw. des Pflegedienstes darauf, dass dieser auf die Betreuung von MS-Kranken spezialisiert ist. Dabei bedeutet eine Spezialisierung aber nicht, „unter anderem auch MS-Kranke“ zu betreuen oder in diesem Bereich „Erfahrungen gemacht“ zu haben. Wegen der speziellen Anforderungen gibt es mittlerweile eine zertifizierte Fachfortbildung für die Pflege von MS-Kranken. Einen Pflegedienst, dessen Mitarbeiter erfolgreich an einer solchen Fachfortbildung teilgenommen haben, finden Sie z. B. über die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (www.dmsg.de). Die Auszeichnung „DMSG-geprüfter Pflegedienst“ wird nur verliehen, wenn mindestens zwei examinierte Fachkräfte eines Pflegedienstes erfolgreich an einer 50-stündigen Fachfortbildung teilgenommen haben und sich außerdem regelmäßig fortbilden. Das richtige Pflegeheim finden Ist die Pflege zu Hause nicht mehr möglich, muss ein Platz in einem geeigneten Pflegeheim gefunden werden. Das wirft jedoch oft Probleme auf, da es in Deutschland noch zu wenig spezialisierte Pflegeeinrichtungen oder betreute Wohneinheiten gibt. Pflegebedürftige MS-Kranke werden deshalb häufig in Altenheime eingewiesen, um wenigstens die medizinische und hygienische Pflege sicherzustellen. Die Unterbringung von MS-Kranken in Altenheimen oder nicht dafür ausgerichteten Pflegeheimen ist natürlich keine ideale Lösung. Erfahrungen zeigen, dass in solchen Einrichtungen zwar die medizinische Grundversorgung gegeben ist – eine an den mentalen Fähigkeiten des Betroffenen ausgerichtete soziale Betreuung kommt allerdings meist viel zu kurz. Ein geeignetes Pflegeheim finden Sie ebenfalls über die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (www.dmsg.de). Weitere Informationen dazu sowie umfangreiche Listen mit kritischen Fragen, mit denen Sie die Eignung möglicher Pflegedienste und Pflegeheime hinterfragen können, haben wir für Sie in unserer Broschüre „Zu Hause pflegen“ zusammengestellt. Das richtige Maß an körperlicher Hilfe finden Die Symptome bei MS können von einem Tag zum anderen variieren und in unterschiedlicher Stärke auftreten. Kann ein Betroffener z. B. mehrere Wochen lang einen Arm nicht bewegen, so kann sich dies von einem Tag zum anderen auch wieder ändern. Speziell geschulte Pflegekräfte kennen die Symptome von MS sehr genau und wissen um solche Phänomene. Sie fragen den MS-Kranken deshalb jeden Morgen aufs Neue, ob sich Verände rungen ergeben haben, und finden so das richtige Maß an körperlicher Hilfe. Eine solche tägliche Absprache verhindert, dass MS-Kranke unterfordert oder, bei Zunahme der Symptome, überfordert werden. Sprechen Sie Ihre Pflegekräfte gegebenenfalls darauf an, wenn Sie das Gefühl haben, dass man Ihre körperlichen Fähigkeiten unter- oder überschätzt. Das Selbstbestimmungsrecht wahren MS-Kranke gelten wegen ihrer Einschränkungen meist als schwerbehindert. Gelegentlich veranlasst dies jedoch selbst professionelle Pflegekräfte dazu, Betroffene nicht nur bei den körperlichen Verrichtungen zu unterstützen, sondern auch zu bestimmen, was sie tun und was sie lieber lassen sollten. Dahinter steckt natürlich keine böse Absicht, sondern eher der Wunsch, möglichst umfassend zu helfen. Als MS-Kranker dürfen Sie aber gerade von professionellen Pflegekräften erwarten, dass Ihr Recht auf Selbstbestimmung akzeptiert wird. Vergisst dies mal jemand, dann sollten Sie ihn auch umgehend daran erinnern. Besondere Aufmerksamkeit für die Sehbehinderung Eines der häufigsten Probleme besonders bei pflegebedürftigen MS-Kranken ist die zunehmende Verschlechterung des Sehvermögens. Damit sich Betroffene dennoch gut zurechtfinden, haben sie ihr Umfeld meist sehr exakt geordnet. So steht z. B. das Telefon immer an derselben Stelle auf dem Tisch. Auf MS spezialisierte Pflegekräfte sind über diesen Umstand informiert und verlegen keine Gegenstände ohne Absprache – falls es doch einmal vorkommt, sollte ein Hinweis darauf genügen. Soziale Betreuung in der Familie Eine Pflege zu Hause bedeutet für alle anderen Familienmitglieder meist eine große seelische und körperliche Belastung. Dass dabei Konflikte auftreten, ist menschlich und verständlich. Damit es jedoch nicht zu einer andauernden Überforderung kommt und Konflikte nicht eskalieren, sollten MSKranke und ihre Angehörigen die möglicherweise auftretenden Probleme schon im Voraus mit ihrem Arzt und den Pflegekräften besprechen. Auf diese Weise lernen sie, im Falle eines Falles richtig zu reagieren. Gute Ansprechpartner für diese Problematik können auch Mitbetroffene in Selbsthilfegruppen sein. 19 Häufige Fragen zu MS und ihre Antworten Eine Broschüre kann noch so ausführlich sein, dennoch bleiben immer Fragen offen. Zu den wichtigsten Fragen haben wir die Antworten zusammengestellt. 20 Ist MS erblich? MS wird nicht direkt von den Eltern an ihre Kinder vererbt, MS ist demnach keine Erbkrankheit. Wissenschaftler vermuten aber, dass betroffene Eltern eine gewisse Empfänglichkeit für MS an ihre Kinder weitergeben können, die das Auftreten der Krankheit begünstigt. Dafür spricht, dass MS unter Verwandten deutlich häufiger auftritt: Geschwister von Betroffenen erkranken 20-mal, Eltern und Kinder zwölfmal und entfernte Angehörige fünfmal häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das Risiko für Kinder und Geschwister von Betroffenen, ebenfalls an MS zu erkranken, ist mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von zwei bis vier Prozent aber relativ gering. Ist MS ansteckend? Nein. Auch wenn eine Infektion mit Viren oder Bakterien viele Jahre vor dem Ausbruch der MS eine Rolle bei der Entstehung spielen könnte: MS überträgt sich nicht von einem Kranken auf einen Gesunden. Wird MS eines Tages heilbar sein? Wissenschaftler finden immer mehr Details über die Ursachen und Entstehungsmechanismen der Krankheit heraus. Das macht es wahrscheinlich, dass es eines Tages medizinische Möglichkeiten geben wird, mit denen sich MS von vornherein verhindern oder nach ihrem Ausbruch heilen lässt. Bis dahin gilt: Je früher die MS diagnostiziert wird, desto erfolgreicher lässt sie sich fachgerecht behandeln. Stirbt man an MS? Etwa die Hälfte aller Betroffenen kann mit einem Verlauf ohne schwerwiegende Einschränkungen rechnen. Und für die meisten Betroffenen gilt, dass sich ihre Lebenserwartung durch MS nicht ändert. Nur wenige Erkrankte sterben an den Komplikationen einer weit fortgeschrittenen MS. Ist MS schmerzhaft? Schmerzen können z. B. durch Spastiken auftreten und die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Es gibt heute allerdings sehr moderne Medikamente und Methoden, um Schmerzen zu beseitigen oder deutlich zu lindern. Wenn Sie Schmerzen haben, sollten Sie umgehend mit Ihrem Arzt darüber sprechen. Wann sollte der Arzt eingeschaltet werden? Fragen Sie Ihren Arzt, wie oft er Sie auch ohne besonderen Anlass sehen möchte und bei welchen Veränderungen Sie ihn sofort benachrichtigen sollen. Neue Symptome und Veschlechterungen sollten Sie ihm stets sofort mitteilen, da sie auf den Anfang eines neuen Schubs hinweisen können. Es könnte auch sein, dass ein neues Gesundheitsproblem gar nicht mit der MS zusammenhängt, aber trotzdem einer ärztlichen Behandlung bedarf. Auch dafür wäre Ihr Arzt der richtige Ansprechpartner. Wie wirkt sich Stress auf die MS aus? MS wird durch Stress oder Überanstrengung nicht ausgelöst, kann dadurch aber vorübergehend verschlechtert werden. Im Prinzip kann aber auch jede andere Krankheit die MS verschlechtern. Können Impfungen die MS verschlimmern? Impfungen bei MS sind bis auf wenige Ausnahmefälle bedenkenlos. So sollten Sie sich nicht während eines Schubs, einer Kortisontherapie oder einer Therapie mit Medikamenten, die auf das Immunsystem wirken, impfen lassen, da es sonst zu Komplikationen kommen könnte. Außerdem sollten keine sogenannten Lebendimpfstoffe eingesetzt werden, da sie ebenfalls einen Schub begünstigen können. Sprechen Sie bei nächster Gelegenheit mit Ihrem Arzt über dieses Thema. Was tun bei Blasenstörungen? Viele MS-Kranke haben nie mit Blasenstörungen zu tun. Wenn jedoch z. B. bei einem neuen Schub Blasenstörungen auftreten, können schon „Kleinigkeiten“ wie sehr häufiges Wasserlassen die Lebensqualität beeinträchtigen. Sprechen Sie umgehend mit Ihrem Arzt darüber, wenn bei Ihnen Blasenstörungen auftreten. Hilfe ist meist sehr gut möglich. 21 Sind Haustiere erlaubt? Ja, Haustiere sind sogar zu empfehlen. Denn Tiere tun nicht nur gesunden Menschen gut, sie bedeuten besonders für chronisch Kranke oft eine wertvolle Abwechslung. Krankheitserreger, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können, spielen Studien zufolge bei der Entstehung von MS keine Rolle. Wie wirkt sich Alkohol auf die MS aus? Gegen ein Glas Wein beim Essen oder ein Bier spricht auch bei MS nichts. Dennoch sollten MS-Kranke mit dem Alkohol maßhalten. Größere Mengen Alkohol haben bei jedem Menschen negative Wirkungen; bei MS-Kranken können diese Wirkungen wegen der Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark deutlich stärker ausfallen und die Symptome der MS verschlimmern. Welche Vorteile bringt ein Schwerbehindertenausweis? Wenn Krankheiten zu Behinderungen führen, gelten für die Betroffenen spezielle sozialrechtliche Bestimmungen und Gesetze. Nach dem Schwerbehindertengesetz z. B. wird eine Behinderung unabhängig von ihrem Einfluss auf die Erwerbstätigkeit beurteilt. Die Regelungen, die vom Grad der Behinderung abhängen, beziehen sich u. a. auf den Kündigungsschutz, die Steuerlast oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die wichtigste Voraussetzung für die Anerkennung als Schwerbehinderter sind nachweisbare Behinderungen – die Diagnose MS allein reicht nicht aus. Allerdings sollten grundsätzlich die Vorteile eines Schwerbehindertenausweises gegen mögliche Nachteile abgewogen werden. Denn bei der Stellensuche z. B. könnte ein Arbeitgeber wegen der gesetzlichen Auflagen einen gleich qualifizierten Nichtbehinderten bevorzugen. Sprechen Sie gegebenenfalls mit Ihrem Versorgungsamt über diese Themen, es informiert Sie auch ausführlich über den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter. 22 Bei Fragen steht Ihnen die Pflegeberatung gern zur Verfügung. Kontakt über die KKH Gesundheitshotline 089 950084188 oder per E-Mail unter: [email protected] 23 F 7293 – 12/15 Die Pflegekasse bei der KKH Karl-Wiechert-Allee 61 30625 Hannover [email protected] www.kkh.de