Abendprogramm Jeremy Deller

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Abendprogramm Jeremy Deller
ACID BRASS
JEREMY DELLER
Konzert / Film / Party
Deutsche Erstaufführung
Sa 12. Juli 2014, 20:30 Uhr
Haus der Berliner Festspiele
In englischer und deutscher Sprache
Im Anschluss
Acid House Party
EIGN
AIRS
13.7.14
–
Mit: Jeremy Deller, The Fairey Band (Konzert),
Massonix (Solo-Live-Set von Graham Massey of 808 State),
Jeremy Deller / Mike Figgis (Film) und einem Intro des englischen Autoren
und DJs Dave Haslam
„Jeremy Deller: The Battle Of Orgreave (An Injury To One Is An Injury To All)“ (2001)
Video, 62 min, Regie: Mike Figgis
Im Auftrag von Artangel und Channel 4, The Artangel Collection
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds
Mit Unterstützung von: British Council
Foto: © Jeremy Deller
Ist ein 1966 geborener englischer Konzept-, Video- und Installationskünstler und
Turner-Preisträger 2004. Bekannt wurde Deller mit „The Battle of Orgreave“ (2001),
einem öffentlichen Re-enactment einer Auseinandersetzung zwischen Berg­
arbeitern und Polizisten während eines Streiks im Jahr 1984, für die er rund 1000
Menschen zusammenbrachte. Von 2007 bis 2011 wirkte Deller als Kurator der Tate
Gallery. 1997 schloss sich Deller mit der Fairey Band aus Stockport zum Musikprojekt „Acid Brass“ zusammen. Viele seiner Arbeiten entstehen gemeinschaftlich.
Sein Werk weist einen starken politischen Aspekt auf, in seinen Themen und durch
die Einbindung anderer in den kreativen Prozess. So wurde das „Folk Archive“, eine
Sammlung von „Kunstwerken der Leute“, in ganz Großbritannien ausgestellt.
2004 organisierte Deller für die Eröffnung der Manifesta 5 eine „Soziale Parade“
durch die Straßen von Donostia-San Sebastián, wobei er ortsansässige alternative
Gemeinschaften und Unterstützergruppen zur Teilnahme motivierte. Ende 2006
initiierte er das „Bat House Project“, einen Architekturwettbewerb mit dem Ziel,
ein Fledermaus-Haus am Londoner Stadtrand zu entwerfen. Im folgenden Jahr
hatte der unter der Co-Regie von Nick Abrahams entstandene Dokumentarfilm
„The Posters Came From The Walls” über Fans von Depeche Mode aus aller Welt
beim London Film Festival Premiere. 2009 veranstaltete Deller die „Procession“,
eine Parade durch das Stadtzentrum von Manchester entlang der Hauptstraße
Deansgate, in Zusammenarbeit mit dem Manchester International Festival und
dem Cornerhouse Manchester. Für das The Three M Project kreierte Deller „It Is
What It Is: Conversations About Iraq“ und lud Experten ins Museum ein, welche die
Besucher ermutigten, sich über die Probleme im Irak auszutauschen. Den Turner
Prize, mit dem Deller 2004 ausgezeichnet wurde, widmete er „jedem, der Rad
fährt, jedem, der in London Rad fährt, jedem, der sich um die Tier- und Pflanzenwelt kümmert, und der Quäkerbewegung.“ Zu seiner Präsentation in der Tate
Britain gehörten eine Dokumentation über das Projekt „Battle of Orgreave“ und
die Installation „Memory Bucket“ (2003), eine Dokumentation über das texanische
Crawford, die Heimatstadt von George W. Bush. Von 2012 bis 2013 war Deller
Mitglied des Kuratoriums des Foundling Museum, London.
THE FAIREY BAND
Die Band, die 1937 von Angestellten der Fairey Aviation Company in Stockport
gegründet wurde, feierte unter ihrem Dirigenten Harry Mortimer über dreißig
Jahre lang musikalische Triumphe. Sie gewann 16 Mal bei den British Open
Championships und 9 Mal bei den National Championships of Great Britain
und wurde mit Auszeichnungen wie „Best of Brass“ von der BBC und „Band of
the year“ von Granada geehrt. Besonders erfolgreich war die Band in den
1990er Jahren: 1993 gewann sie sowohl die British Open Championships als auch
die National Championships, 1994 siegte sie bei den European Championships.
Seit ihrer Gründung arbeitete die Band unter verschiedensten Dirigenten, u.a.
Harry Mortimer, Leonard Lamb, Kenneth Dennison, Richard Evans, Walter
Hargreaves, Geoffrey Brand, Major Peter Parkes, Roy Newsome, James Gourlay,
Howard Snell und Allan Withington. Ihre Übersee-Tourneen haben die Band nach
Kanada, Hongkong, Schweden, Deutschland, Belgien und Luxemburg, in die
Niederlande und in die Schweiz geführt. In den letzten Jahren erfuhr die Band
auch außerhalb der Brassband-Szene Anerkennung, nicht zuletzt dank des
Projektes „Acid Brass“, mit dem sie bei Auftritten auf Rock- und Popfestivals
in Großbritannien und im Ausland zu Gast war.
FORE
AFFA
26.6.
GESPRÄCH MIT JEREMY DELLER
Die Grundlage für Ihr „Acid Brass“-Projekt,
das bei Foreign Affairs zum ersten Mal in
Deutschland zur Aufführung kommen wird,
bildet eine Zeichnung mit dem Titel „The
History of the World“. Ist es eine urbane
Legende, dass die Zeichnung in einem Pub
entstanden ist?
Jein. Die Idee ist in einem Pub entstanden,
die Zeichnung entstand ein paar Tage später
an einem anderen Ort.
Ihr Freund Scott King, zu dessen „Festival of
Stuff“ Sie eine neue Arbeit, einen FledermausFilm, beisteuern, ist ein großer Verfechter des
Pubs als Ideeninkubator. Geht es Ihnen
ähnlich?
Für eine bestimmte Art von Ideen ist der Pub
tatsächlich sehr gut – für Ideen, die etwas
komisch, die auf den ersten Blick nicht eingängig sind und nicht der Norm entsprechen.
An dem Tag stimmten die Umgebung und die
Stimmung, und so wurde die Idee geboren,
die Geschichte der Brass Bands mit der von
Acid House zu kombinieren.
Können Sie sich noch an den Moment erinnern,
in dem Sie die Idee hatten?
Wir saßen dort in einer Runde mit alten
Schulfreunden zusammen. Und sprachen, wie
wir das schon unser ganzes Leben lang tun,
über Musik… und, das war das Besondere,
über merkwürdige musikalische Kombinationen. Irgendwann sagte ich dann „Acid House“
und „Brass Bands“ und wusste, dass ich ins
Schwarze getroffen hatte.
Die Umgebung, in der diese Idee geboren
wurde, war eine vertraute. Sehen Sie Ihre
alten Schulfreunde regelmäßig?
Nicht oft genug, so wie das eben mit alten
Schulfreunden ist. Aber wir kennen uns sehr
gut, seit Ewigkeiten, wir haben zu Schulzeiten
sogar in einer Band gespielt.
In fast allen Ihrer Arbeiten spielt Musik eine
große Rolle. Wann begann Ihre Beschäftigung
mit Musik?
Schon sehr früh, mithilfe des Fernsehens, im
Alter von 5 oder 6 Jahren. Glam Rock war das
erste Genre, das mir gefiel. Ich verpasste
keine der Sendungen von „Top of the Pops“,
eine Geschichte, die Sie sicherlich schon von
vielen englischen Popmusikern und bildenden
Künstlern gehört haben.
Auf jeden Fall. Mein „Top of the Pops“ hieß
„Formel Eins“, eine Musikvideosendung, die in
Deutschland von 1983 bis 1990 ausgestrahlt
wurde.
Ich habe davon gehört! Slade, Sweet, Gary
Glitter, Roxy Music, Marc Bolan – diese Bands
begeisterten mich.
Und dann gab es diese Gruppen, die Sie so
begeisterten, dass Sie sie in Ihre künstlerischen Arbeiten integrierten, ich denke da
nicht nur an „Acid Brass“, sondern z.B. auch
an „The Uses of Literacy“, eine Installation
aus dem Jahr 1997, in der Sie ‚Fan-Kunst‘
ausstell­ten, die sich mit einer Ihrer aktuellen
Lieblingsrockgruppen aus Wales beschäftigte,
den Manic Street Preachers.
Ganz genau. Ich kann nur empfehlen, sich als
Künstler mit dem zu beschäftigen, für das
man sich interessiert, das man liebt. Für mich
hat sich das immer sehr natürlich angefühlt.
Alles andere ergibt doch keinen Sinn!
auch so intendiert. Absurd und treffend
zugleich, eine historische Bedeutung aufzeigend, ein Abbild britischer Geschichte des
20. Jahrhunderts, das herzustellen war das
Ziel der Arbeit
Ist das noch immer Ihre Maxime oder hat sich
das im Laufe Ihrer Karriere geändert?
Wieviel Deller steckt in der Arbeit? Waren Sie
selbst Raver?
Nein, nein, ich kann nur Kunst mit, über, von
Sachen machen, die mich interessieren, die
ich verehre. Alles andere ist Quatsch. Und es
macht es einfach, weil es eben nur diese eine
Regel gibt.
Ein bisschen, ich war auf einigen Raves, aber
nicht auf den großen, berühmten, eher auf
den kleinen, unbekannten. Die Arbeit ist von
1996, sie ist bald 20 Jahre alt, Acid House war
da gerade erst tot, es ging mir also auch um
so etwas wie ‚instant nostalgia‘, umgehend
eintretende Nostalgie – der Blick auf eine
Bewegung, die gerade erst aufgehört hatte
zu existieren. Ein nostalgischer Blick?
Vielleicht! Gleichzeitig ein Blick, der die
Acid-House-Bewegung einbettet in eine
Geschichtsschreibung, die bis heute gültig ist
und viel über das Vereinigte Königreich sagt.
Ich gab der Bewegung vielleicht auch mehr
Bedeutung, als sie eigentlich hatte, aber das
gefällt mir sehr gut, bis heute. Es ging auch
um Unterstützung!
Wie haben Sie zwei auf den ersten Blick doch
sehr disparate Musikrichtungen, Blasmusik
und Acid House, mithilfe eines Flussdiagramms zusammengebracht?
Nehmen wir diese Zeichnung: Ich habe
zwischen zwei Musikstilen Verbindungen aufgemalt, auf die noch niemand vorher gekommen war, die mir aber sofort einleuchteten,
als ich begann, über sie nachzudenken. Mir
fiel auf, dass die gesellschaftliche Geschichte
und Verankerung beider Musikstile sich
ähnelt, ihre Beziehung zur industriellen Produktion gleich ist und beides Volksmusiken
sind. Hinzu kommen geografische Verbindungen, es geht hier sehr viel um ‚the north‘, den
Norden Englands, in dem beide Musikrichtungen ihr Zuhause haben. Natürlich war
diese Unternehmung ein großes Risiko, ich
kämpfte sehr dagegen, es nicht einfach nach
einem Comic aussehen zu lassen, der einen
nur zum Lachen bringt – wobei die Zeichnung
natürlich auch sehr lustig ist, und das muss
und soll auch so sein, und wurde von mir
Woher kannten Sie sich so gut mit der
Be­deutung der Brass Bands für den Norden
Englands und den Bergbau aus?
Ich komme aus dem Süden Englands und
lebe hier noch immer. Hier spielen Brass
Bands keine besondere Rolle. Im Norden hingegen sind sie extrem populär, man findet
eine richtige Kultur vor, die wiederum sehr
eng verwoben ist mit der Industrialisierung,
denn Brass Bands traten immer in Verbindung mit Fabriken, Minen und Arbeitern auf.
Das gab es einfach im Süden nicht. Mir war
die Existenz dieser Bands schon immer
bewusst und ich mochte sie von Anfang an.
Wie waren die Reaktionen der Acid-HouseProduzenten, deren Stücke Sie umarrangieren
ließen?
Was macht den Norden so anziehend?
Sehr positiv. A Guy Called Gerald war begeistert, Bill Drummond von The KLF so angetan,
dass er die Band sogar einlud, mit dem KLFNebenprojekt 2K eine Single aufzunehmen,
Graham Massey, den Sie ja auch eingeladen
haben, war stolz.
Der Norden ist so anders… Er sieht anders
aus, funktioniert kulturell ganz anders, hat
eine andere Geschichte, einen anderen
industriellen Hintergrund, die Musik, die dort
herkommt, unterscheidet sich sehr von der
aus dem Süden – ach, und es ist immer gut,
London zu verlassen und unterwegs zu sein.
Gestern war ich zum Beispiel in Blackpool,
auch im Norden gelegen, eine arme Stadt mit
immensen Drogenproblemen.
Wann stand für Sie fest, dass die Zeichnung
zum Leben und Klingen erweckt werden
sollte?
Eigentlich von Anfang an. Ich bewarb mich
bei einer Galerie in Liverpool um Fördermittel
für ein „Kunst-Musik-Projekt“. Glücklicherweise bekam ich das Geld, es war nicht allzu
viel, aber es versetzte mich in die Lage, die
Fairey Band, die nun auch in Berlin auftreten
wird, anzusprechen. Die Herren waren sofort
bei der Sache und so fand die Uraufführung
in Liverpool im Jahre 1997 am Liverpool Institute of Performing Arts statt. Und das Projekt lebt bis heute weiter. Anfänglich war ich
noch bei jeder Aufführung dabei, das muss
jetzt aber nicht mehr sein. Nach Berlin werde
ich kommen, auch um Scott Kings „Festival
of Stuff“ zu sehen, aber mittlerweile ist das
Projekt eigentlich das Projekt der Fairey Band
und hat ein eigenes Leben entwickelt, was
mich sehr glücklich macht.
Bereitet es Ihnen keine Mühe, nach so vielen
Jahren noch immer über dieses Projekt sprechen zu müssen?
Nein, überhaupt nicht! Es ist eine meiner
Lieblingsarbeiten. Es ist ein bisschen so, als
ob ich in einer Band wäre und immer wieder
über den einen Song sprechen müsste, mit
dem ich meinen Durchbruch hatte bzw. mit
dem eine neue, andere Karriere begann.
Markierte die Arbeit einen Wendepunkt in
Ihrer Entwicklung?
Wahrscheinlich ja. Das Projekte führte mir vor
Augen, dass ich als Künstler existieren könnte,
ohne greifbare Kunstwerke anfertigen zu
müssen.
Und Ihnen war immer klar, dass Sie eigentlich
kein Maler werden wollten.
Dass das unmöglich war, wusste ich immer
schon.
Interview: Martin Hossbach
Veranstalter: Berliner Festspiele · Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH · Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien · Intendant: Dr. Thomas Oberender · Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben · Foreign Affairs · Künstlerische Leitung: Matthias von Hartz · Assistenz der künstlerischen Leitung: Maria Rößler · Dramaturgie: Carolin Hochleichter · Musikkurator:
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BOUVET LADUBAY
BRUT
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