KAISER-KARLS-GYMNASIUM ZU AACHEN 1898/99 Chronik. 1. D
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KAISER-KARLS-GYMNASIUM ZU AACHEN 1898/99 Chronik. 1. D
KAISER-KARLS-GYMNASIUM ZU AACHEN 1898/99 Chronik. 1. D i e A n s t a l t. Gleich in den ersten Tagen des neuen Schuljahres wurde das Gymnasium von einem harten Verluste betroffen: nach langem und schwerem Leiden starb am 26. April 1898 der langjährige Director der Anstalt, Herr Dr. Heinrich Schwenger. Durch das besondere Vertrauen der vorgesetzten Behörde schon in dem jugendlichen Alter von 35 Jahren (am 1. October 1874) an die Spitze einer der grössten Lehranstalten der Rheinprovinz gestellt, hat er die ihm übertragene Aufgabe stets fest und zielbewusst im Auge behalten und mit dem reichsten Erfolge an ihrer Lösung gearbeitet, für Lehrer und Schüler ein glänzendes Vorbild unentwegter Pflichttreue. Jahre hindurch zehrte ein schleichendes Leiden an dem Mark seines Lebens; das aber hielt ihn nicht ab, unverdrossen und fast bis zum letzten Atemzuge alle seine Kräfte dem Wohle der ihm anvertrauten Anstalt zu widmen. Er war ein edler, charaktervoller Mann, ein hervorragend tüchtiger Lehrer und Director, ein tiefgläubiger Christ, treu ergeben seinem Gott und seinem König. Sein Name wird überall mit der grössten Hochachtung genannt werden und in der Geschichte der Anstalt für alle Zeit eine bedeutsame Stellung einnehmen. In diesem Sinne äusserte sich auch das Königliche Provinzial-Schulkollegium gerichteten Beileidschreiben: "Wir haben in dem Verstorbenen stets einen Mann von gediegener Wissenschaftlichkeit, von tiefer Einsicht und unwandelbarer Pflichttreue in der Wahrnehmung seines Amtes, von hervorragender Begabung als Lehrer und Erzieher und von trefflichen Charaktereigenschaften geschätzt und werden sein Andenken bleibend in Ehren halten." - Sämtliche Lehrer und Schüler beteiligten sich am 29. April bei den Exequien in der Gymnasialkirche. Bis zur Ernennung eines neuen Directors wurde die Leitung der Anstalt dem Professor Dr. Alsters übertragen. Zum Nachfolger des Verstorbenen wurde durch Ministerialerlass vom 2. Juni der Berichterstatter, bisher Director des Königlichen Gymnasiums in Münstereifel, ernannt, welcher am 1. September sein Amt antrat. Der 19. September wurde zur öffentlichen und festlichen Einführung des neuen Directors bestimmt. Der als Vertreter der Königlichen Staatsregierung erschienene Geheime Regierungs- und Provinzial-Schulrat Dr. Deiters wohnte mit dem Director dem feierlichen Hochamte bei, welches am Morgen des für die Anstalt so bedeutungsvollen Tages in der Gymnasialkirche abgehalten wurde. Im grossen Saale des städtischen Kurhauses fand dann nachher die amtliche Einführung statt, an welcher sich ein zahlreiches Publikum, darunter die Spitzen der städtischen und Vertreter anderer Behörden, beteiligte. Nach einem einleitenden Chorgesang betrat der Vertreter der vorgesetzten Behörde die Rednerbühne und entwarf zunächst in eingehender Schilderung ein Bild von dem Charakter und der Wirksamkeit des verstorbenen Directors; die von tiefer Verehrung eingegebenen Worte liessen in allen Anwesenden noch einmal ein wirkungsvolles Bild des Heimgegangenen und seiner gesegneten Thätigkeit aufleben. Dann wandte sich der Redner an den neuen Leiter der Anstalt, überschaute kurz seine bisherige amtliche Laufbahn und bezeichnete ihm mit eindrucksvollen Worten und in grossen Zügen die neue Aufgabe, indem er zunächst im allgemeinen die mannigfaltigen Pflichten des Directors einer höheren Lehranstalt darlegte und dann auf einzelne Besonderheiten der gerade hier in Frage kommenden Anstalt näher einging. Die im Auftrage der Königlichen Staatsbehörde vollzogene Einführung in das neue Amt schloss mit herzlichen Wünschen für das fernere Gedeihen des Kaiser-Karls-Gymnasiums. Nachdem das zweite Lied verklungen war, gab der Director seinem Danke für die auf ihn gefallene Wahl des Herrn Ministers und seiner Freude darüber Ausdruck, dass es ihm vergönnt sei, in seiner Vaterstadt das Gymnasium zu leiten, dem er ehedem auch als Schüler und Lehrer angehört habe. Alle seine Kräfte werde er einsetzen, um ein würdiger Nachfolger der bedeutenden Männer zu sein, welche vor ihm diese Stelle bekleideten. In längerer Ausführung behandelte er dann die Frage, worin auch heute noch das humanistische Gymnasium, obwohl allmählich mehrere andere Arten höherer Lehranstalten neben ihm entstanden seien, seine Eigenart erkennen lasse; er fand diese in der nachdrücklichen Betonung des Geschichtlichen im weiteren Sinne, die aber der fürsorglichen Rücksicht auf die Anforderungen des modernen Lebens sich nicht enziehe und als gediegene Grundlage für Hochschulstudien und verantwortungsvolle Stellungen auch heute noch zu betrachten sei. Die Lehrer bat er um ihre gerade in der letzten Zeit so treu bewährte Hingabe an ihren Beruf; den Schülern stellter er jegliche Förderung in Aussicht, wenn sie in Betragen und Fleiss ihren guten Willen bekundeten; die Eltern endlich ersuchte er, die erziehliche Arbeit der Schule zu unterstützen, wie er seinerseits ihnen, falls es nötig sei, bereitwillige Hülfe versprach. Mit einem Chor aus dem Messias von Händel schloss die erhebende Feier. Aus Anlass des Amtsantritts fand am 22. September im festlich geschmückten Gartensaale des Kurhauses ein Festessen statt, an welchem sich abermals die Spitzen der städtischen und Vertreter anderer Behörden, Mitglieder des Verwaltungsrates, die Directoren und viele Lehrer der übrigen höheren Lehranstalten und ausserdem zahlreiche Freunde und ehemalige Schüler der Anstalt beteiligten. Nach dem ersten Gange brachte Herr Oberbürgermeister Veltmann den Kaisertoast aus: ausgehend von der Thatsache, dass das Kaiser-Karls-Gymnasium eine der wenigen Anstalten sei, welche zugleich unter staatlichem und städtischem Patronate stehen, betonte er das von beiden Seiten dem Gymnasium entgegenbrachte Wohlwollen und gedachte des Kaisers als des Schützers und Förderers der Künste und Wissenschaften. Herr Justizrat Jörissen widmete dem neuen Director als dem Leiter der Anstalt, die den Aachenern von jeher ans Herz gewachsen und früher die einzige gewesen sei, der sie ihre Söhne zum Unterricht und zur Erziehung anvertrauten, seinen Trinkspruch, der der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck gab, dass ihm eine lange und gesegnete Amtsführung beschieden sein möge. Die Wünsche des Lehrerkollegiums sprach Herr Professor Sommer aus; er gedachte pietätvoll des verewigten Directors Dr. Schwenger, bezeichnete das heutige Fest, indem er auf die stets bewahrte Einmütigkeit des Lehrerkollegiums hinwies, als eine Art Familienfest und wünschte dem neuen Director den Geist seines verdienstvollen Vorgängers. Der Gefeierte sprach seinen Dank für die ihm dargebrachten Ehrungen aus und verglich den Abschied aus seiner bisherigen Stellung mit der Einführung in das neue Amt: in Münstereifel eine wenn auch überreichliche Anerkennung des bethätigten guten Willens, in Aachen ein herzliches Willkommen, das er nur als Aufforderung betrachten könne, auch dem neuen Amte alle seine Gedanken und Kräfte zu widmen; indem er dies zu thun versprach, brachte er ein Hoch auf die dauernde Blüte des Kaiser-KarlsGymnasiums aus. Im Namen der Directoren der übrigen höheren Lehranstalten begrüsste den neuen Amtsgenossen Herr Gymnasialdirector Dr. Regel, indem er auf das gemeinsame Ziel hinwies, die Schüler zu sittlicher Reife heranzubilden und zur Mitwirkung an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit zu befähigen. Herr Iwan Kayser gedachte des erkrankten Herrn Professors Dr. Alsters, dessen Verdienste um das Gymnasium er mit warmen Worten gebührend hervorhob. ________ 20. April: Aufnahmeprüfungen. 21. April: Beginn des Schuljahres. Die Dauer der Ferien ist aus dem vorigen Jahresbericht S. 35 zu ersehen. 15. Juni, 18. October: Gedenktage des hochseligen Kaisers Friedrich. 26. Juni: 58 Schüler feierten das Fest ihrer ersten hl. Kommunion, wozu sie von dem Religionslehrer der Anstalt, Oberlehrer Schnütgen, in besonderem Unterrichte vorbereitet worden waren. Im Laufe der Sommermonate wurden, meist Leitung der Ordinarien, Klassenausflüge in die berg- und waldreiche Umgebung der Stadt Aachen unternommen. 13. August: Im Auftrage des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten übersendet das Königliche Provinzial-Schulkollegium fünf Exemplare des Prachtwerkes "Unser Kaiser" von Georg W. Büxenstein zur Verteilung als Prämien an fleissige und befähigte Schüler; auf Beschluss der Lehrerkonferenz wurden dieselben den Oberprimanern Havers und Schweitzer, den Unterprimanern Mockel und Peters und dem Obersecundaner Schäfer durch den Director überreicht. 15. September: Der Geheime Oberregierungs- und Vortragende Rat im Ministerium für geistliche und etc. Angelegenheiten, Herr Dr. Meinertz, besichtigte eingehend das Schulgebäude, dessen unzulängliche Beschaffenheit und Ausdehnung an den massgebenden Stellen längst erkannt worden ist. Hierdurch ist aufs neue die Hoffnung angeregt worden, dass die zwischen der Königlichen Staatsregierung und der Stadt Aachen schwebenden Verhandlungen wegen Aufbringung der Mittel für den dringend notwendigen N e u b a u d e s G y m n a s i u m s demnächst zu einem befriedigenden Abschluss gelangen werden. 27. September: Im Auftrage des Herrn Ministers der geistlichen etc. Angelegenheiten wohnte Herr Professor Stiller, Director der Königlichen GewerbeAkademie zu Düsseldorf, dem Zeichenunterrichte auf den verschiedenen Klassenstufen bei. 11. November: Herr Weihbischof Dr. Schmitz erteilte in der Gymnasialkirche 331 Schülern höherer Lehranstalten das Sakrament der h. Firmung; hiervon gehörten 132 dem Kaiser-Karls-Gymnasium an. 24. und 25. November: Die Schüler der Ober- und Unterprima besuchten in Begleitung mehrerer Lehrer das städtische Archiv, wo Herr Archivar Pick in zuvorkommendster Weise eine Reihe von wichtigen Archivalien vorzeigte und eingehend erläuterte. 25. Januar: Aus einer Stiftung Seiner Majestät des Kaisers wurde dem Oberprimaner Lefarth das Prachtwerk "Deutschlands Seemacht sonst und jetzt" durch den Director als Geschenk überwiesen. 26. Januar: Vorfeier zum Geburtsfest Seiner Majestät des Kaisers im grossen Saale des städtischen Kurhauses; Oberlehrer Dr. Fritz hielt die Festrede, in welcher er, anschliessend an die Befreiungskriege, die Vorgeschichte der Errichtung des neuen deutschen Reiches in übersichtlicher Weise darlegte. Am folgenden Tage wohnten Lehrer und Schüler einem feierlichen Hochamt in der Gymnasialkirche bei. 29. Januar: Feierliches Hochamt in der Gymnasialkirche zum Gedächtnis Kaiser Karls des Grossen. 8. Februar: Nach längerer Krankheit verschied der Untertertianer Joseph Linzen, ein ebenso braver und fleissiger wie begabter Schüler. Alle Lehrer und Mitschüler gaben ihm das letzte Geleit. 22.-27. Februar: Schriftliche Abschlussprüfung; die mündliche erfolgte unter Vorsitz des Directors am 14. und 15. März. 9. und 22. März: Gedenktage des hochseligen Kaisers Wilhelm. 2. D a s L e h r e r k o l l e g i u m. Ostern 1898. Durch die schwere Erkrankung des Directors und ein Augenleiden des mit der einstweiligen Leitung der Anstalt beauftragten Professors Dr. Alsters wurde zum Ersatz eine neue Lehrkraft erforderlich; daher wurde dem Gymnasium der Kandidat Caspar vom Gymnasium zu Emmerich überwiesen. - Oberlehrer Dr. Kelleter schied aus seiner Stellung aus, um die Direction der städtischen Lehrerinnenbildungsanstalt zu übernehmen; als Ersatz trat Kandidat Hacks vom Gymnasium zu M.-Gladbach ein. - Die beiden neugegründeten Oberlehrerstellen wurden durch den Hülfslehrer Dr. Joseph Schell von der städtischen Oberrealschule zu Bonn und den seit Herbst 1897 am hiesigen Gymnasium beschäftigten Hülfslehrer Constantin Scheubel besetzt. - Hülfslehrer Nassen wurde an das Königliche Gymnasium zu Münstereifel, Hülfslehrer Dr. Heim an das Königliche Gymnasium zu Kempen versetzt. - Dem Maler Desclabissac wurde einstweilen die Erteilung des Zeichenunterrichts übertragen. - Zum 1. Juni schied Oberlehrer Oppenhoff vorläufig aus seiner Stellung aus, um die kommissarische Verwaltung des Kreisschulinspectionsbezirks Aachen I zu übernehmen; sein Unterricht wurde so gut es anging, bis zum Herbst unter die übrigen Lehrer verteilt. - Durch Allerhöchsten Erlass vom 28. April 1898 wurde den Professoren Hankamer und Dr. Schüller der Rang der Räte vierter Klasse verliehen. - Durch Erlass des Herrn Ministers vom 5. Juli 1898 wurde dem Oberlehrer Dr. Schäfer der Charakter als Professor verliehen. Herbst 1898. Professor Dr. Alsters wurde wegen seines Augenleidens auf ein halbes Jahr beurlaubt; den grössten Teil des von ihm bisher erteilten Religionsunterrichts übernahm im Nebenamte Divisionspfarrer Dr. Goussen. - Professor Dr. Eisenhuth konnte wegen geschwächter Gesundheit erst am 17. October seine Thätigkeit aufnehmen. - Als Vertreter für den beurlaubten Oberlehrer Oppenhoff wurde dem Gymnasium der Hülfslehrer Dr. Knepper vom Progymnasium zu Zillisheim (Elsass) überwiesen, welcher jedoch schon am 8. October wieder ausschied, um eine kommissarische Oberlehrerstelle am bischöfflichen Gymnasium zu Bitsch zu übernehmen. An seine Stelle trat am 21. October der Hülfslehrer Dübel von der städtischen Realschule zu Unna. - Die neugegründete Zeichenlehrerstelle wurde dem Volksschullehrer Jacob Egyptien übertragen, wodurch die Thätigkeit des Malers Desclabissac ihr Ende erreichte. - Durch Allerhöchsten Erlass vom 25. October wurde den Professoren Dr. Eisenhuth und Dr. Schäfer der Rang der Räte vierter Klasse verliehen. - Am 9. Dezember verfiel Professor Dr. Eisenhuth in eine schwere Krankheit; da ein Vertreter nicht zu beschaffen war, so wurden in der Unterrichtsverteilung die oben (S. 6) angegebenen Veränderungen getroffen. - Am 21. Januar beendete der als Rector nach Essen versetzte Kaplan Dr. Fink seine nebenamtliche Thätigkeit bei der Vorschule; den bis dahin von ihm erteilten Unterricht übernahm Kaplan Schmitz. - Am 22. Februar hatte Oberlehrer Hild das Unglück, den linken Fuss zu brechen; seine Unterrichtsstunden wurden bis zu den Ferien unter die übrigen Lehrer verteilt. Ostern 1899. Professor Dr. Alsters hat sich durch sein Augenleiden genötigt gesehen, seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, nachdem er seit dem Herbst 1871 der Anstalt angehört hat. Durch unermüdliche Hingabe an seinen Beruf als Lehrer und Erzieher hat er sich die Dankbarkeit seiner zahlreichen Schüler und ihrer Eltern, durch rechtliche Gesinnung und zuvorkommender Freundlichkeit die Hochachtung aller seiner Amtsgenossen erworben. Wie er den Director des Gymnasiums schon in dessen langwieriger Krankheit nach Kräften unterstützte, so liess er sich auch nach dem Hinscheiden desselben trotz des eigenen Leidens bereit finden, auf ein halbes Jahr die Leitung der Anstalt zu übernehmen; dass er diese verantwortungsvolle Aufgabe zur Zufriedenheit der vorgesetzten Behörde erfüllte, sprach ihr Vertreter in seiner Rede bei der Einführung des neuen Directors öffentlich aus. Mit dem grössten Bedauern sieht das Lehrerkollegium einen lieben Amtsgenossen scheiden, der, was körperliche Rüstigkeit und geistige Frische betrifft, seine verdienstvolle Wirksamkeit noch manches Jahr hätte fortsetzen können. Möge ihm ein langes Leben in wohlverdienter Ruhe beschieden sein! Zum Ersatz für den ausgeschiedenen Oberlehrer Dr. Kelleter wurde schon im Juli 1898 der Oberlehrer am städtischen Gymnasium zu Warburg Franz Uelentrup ernannt; da derselbe jedoch seine bisherige Stellung nicht schon zum Herbst aufgeben konnte, wird er erst zu Ostern die neue Stellung antreten. Abiturienten. Zur Reifeprüfung meldeten sich 18 Oberprimaner; die schriftliche Prüfung wurde am 30. Januar bis 4. Februar, die mündliche unter dem Vorsitz des Geheimen Regierungs- und Provinzial-Schulrats Dr. Deiters am 1. März abgehalten: alle Prüflinge erhielten das Zeugnis der Reife, 14 wurden von der ganzen mündlichen Prüfung befreit.