Pflanzenöl als alternativer Kraftstoff für Dieselmotoren

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Pflanzenöl als alternativer Kraftstoff für Dieselmotoren
ADAC Fahrzeugtechnik
10.04.4000 - IN 27541 – STAND 01-2014
Pflanzenöl als alternativer Kraftstoff für Dieselmotoren
Steigende Kraftstoffpreise führen zwangsläufig zu Diskussionen über alternative Kraftstoffe. Insbesondere die Verwendung von Pflanzenöl für Dieselmotoren findet immer wieder Interesse.
Verwendung von Pflanzenölen in Dieselmotoren
Prinzipiell eignet sich für die Verbrennung in Dieselmotoren jedes saubere, partikelfreie und flüssige
Pflanzenöl – am bekanntesten ist Rapsöl. Das größte Problem jedoch stellt der große Viskositätsunterschied im Vergleich zu herkömmlichem Diesel bzw. Rapsölmethylester (RME) dar. So hat z.B. das
häufig angebotene Rapsöl bei 20 °C eine kinematische Viskosität von 75 mm2/s, RME und Diesel
dagegen nur 6,5 - 9 bzw. 4,7 mm2/s (ca. Werte). Bei 80 °C zeigt das Rapsöl immer noch eine Viskosität von ca. 10 mm2/s.
Um das "zähflüssige" Pflanzenöl somit überhaupt als Kraftstoff verwenden zu können, muss es fließund zündfähiger gemacht werden. Oder es erfolgt eine Anpassung des Motors an den Kraftstoff.
• Kraftstoffanpassung
durch eine chemische Veränderung (Umesterung) des Pflanzenöls. Dies hat eine Senkung der
Viskosität und des Flammpunktes zur Erhöhung der Zündwilligkeit als Ziel. Am bekanntesten ist
hier der aus Rapsöl gewonnene Rapsölmethylester (RME), der in Deutschland auch unter dem
Namen "Biodiesel" vertrieben wird.
• Motoranpassung
durch technische Umbauten am Fahrzeug. Die Anpassungsmaßnahmen unterscheiden sich je
nach Motortyp und variieren auch zum Teil stark zwischen den einzelnen Umrüst-Anbietern. Die
Änderungen erstreckten sich in der Regel auf das Kraftstoffsystem sowie die Gemischbildung.
Zum Teil wird auch der Verbrennungsverlauf durch konstruktive Maßnahmen den Erfordernissen
des Pflanzenöles angepasst.
Motor-Umrüstung
Grundsätzlichen kann man zwischen zwei Umrüstarten unterscheiden: Ein-Tank-System und ZweiTank-System. Beide Systeme ermöglichen den Betrieb mit Dieselkraftstoff, Pflanzenöl oder einer Mischung aus diesen Kraftstoffarten. Die Systeme werden von den Anbietern laufend weiterentwickelt
und an die Entwicklung der Dieseltechnologie angepasst. Welches System zur Anwendung kommt,
hängt in erster Linie vom vorliegenden Einspritzsystem ab.
• Ein-Tank-System
Beim Ein-Tank-System wird das Fahrzeug aus einem Tank versorgt, d.h. das Fahrzeug kann ausschließlich mit Pflanzenöl betrieben werden, da kein Dieselkraftstoff für den Startvorgang benötigt
wird. Hierfür ist jedoch eine Erwärmung des Pflanzenöls erforderlich. Dies erfolgt meist mit der
Kombination von einem Plattenwärmetauscher, der am Öl- oder Kühlkreislauf angeschlossen wird,
und einer elektrischen Kraftstoffvorwärmung. Der Elektro-Erhitzer ist dabei hinter dem Plattenwärmetauscher installiert. Er regelt die Temperatur und schaltet automatisch ab, sobald der Plattenwärmetauscher ausreichend Wärme an das Pflanzenöl abgibt. Hinzu kommen meist zusätzlich
Änderungen an Glühkerzen und an Einspritzdüsen bzw. Einspritzdüsenhaltern zur Eingleichung
der Einspritzvorgänge an das Einspritzbild von Pflanzenöl. Dieses System kommt vor allem bei älteren Dieselmotoren (Vor- und Wirbelkammermotoren mit indirekter Einspritzung) sowie mittlerweile auch bei TDI-Motoren des VW-Konzerns und dTI-Motoren von Renault – beide mit BoschVerteilereinspritzpumpen – zum Einsatz.
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• Zwei-Tank-System
Es kommt zur Anwendung, wenn der Motor nicht mit Pflanzenöl gestartet werden kann. In diesem
Fall erfolgt der Einbau eines zusätzlichen kleinen Zweittanks – meist in der Reserveradmulde untergebracht – über den das Fahrzeug mit Dieselkraftstoff angelassen werden kann. Nach Erreichen der Betriebstemperatur wird die Kraftstoffzufuhr automatisch oder manuell auf Pflanzenöl
umgestellt. Da der Neustart des Fahrzeuges stets nur mit Diesel möglich ist, muss auch einige Minuten vor dem Abstellen des Motors wieder auf Dieselbetrieb umgestellt werden bzw. es ist eine
Kraftstoffzusatzpumpe erforderlich, die die Kraftstoffleitungen nach Abstellen des Motors automatisch durchspült. Die Ausrüstung mit einem Zusatztank muss auf jeden Fall TÜV-geprüft sein. Dieses System kommt bei allen Motoren zum Einsatz, die nicht auf das Ein-Tank-System umgerüstet
werden können. Dies sind insbesondere neue Modelle mit CommonRail- oder Pumpe-Düse-Systemen.
Ob ein Motor umgerüstet werden kann, ist bei den u. g. Betrieben direkt zu erfragen. Teilweise wird
die Umrüstung von Fahrzeugen mit Einspritzpumpen bestimmter Hersteller (z.B. Lucas, CAV, Stanadyne, RotoDiesel, Delphi) abgelehnt, da diese Systeme für einen dauerhaft zuverlässigen Betrieb mit
Pflanzenöl ungeeignet sind. Nicht empfohlen wird vielfach auch die Umrüstung von Dieselmodellen,
die mit einem geschlossenen Partikelfiltersystem ausgerüstet sind (insbesondere Dieselmotoren des
PSA-Konzern mit FAP-System).
Je nach Umfang der Umrüstung (z.B. Änderungen an der Einspritzpumpe, Einbau eines Zweittanks)
kann eine TÜV Abnahme erforderlich sein. Auch dies sollte bereits im Vorfeld mit der beteiligten Firma geklärt werden. Für Zweitanksysteme bei Fahrzeugen ab Erstzulassung Mai 2003 ist ferner eine
Außenbetankung des Zusatztanks Pflicht. Spezielle Auflagen und Hinweise der Umrüstfirma, wie z.B.
verkürze Ölwechselintervalle, zusätzlicher Wechsel des Kraftstofffilters, Zumischung von Dieselkraftstoff im Winter, sollten unbedingt beachtet werden.
Umrüstfirmen und Umrüstkosten
Die Kosten liegen – je nach Umfang – zwischen ca. 1.500 und 5.000 Euro (inkl. Einbau). Bausätze
sind bereits zu deutlich niedrigeren Preisen erhältlich. Erfahrungen bezüglich Qualität und Betriebssicherheit liegen dem ADAC nicht vor. Eine Vergleichsstudie diverser Anbieter wurde 2004 vom
Chiemgauer Regöl-Projekt (www.regoel.de) durchgeführt.
Vor dem Umbau sollte der potentielle Interessent daran denken, dass die Verwendung von Pflanzenöl
als Kraftstoff sowie der damit verbundene technische Umbau grundsätzlich von keinem Automobilhersteller freigegeben ist und somit zum Verlust von Garantie- bzw. Kulanzansprüchen führt. Man
sollte daher im Vorfeld klären, ob die Umrüstfirma in diesem Fall eigene Garantieleistungen anbietet,
und deren Umfang prüfen.
Nachfolgend eine Übersicht der Anbieter von Umrüstsätzen für Pkw (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Stand 01/2014, sortiert nach PLZ).
Firma
Kontakt
ATG Alternative Technology Group GmbH
Raiffeisenstraße 4
89353 Glött
Telefon (09075) 8644
Telefax (09075) 8804
e-Mail: [email protected]
Web: www.diesel-therm.de
ELSBETT Technologie GmbH
Weißenburger Str. 15
91177 Thalmässing
e-Mail: [email protected]
Web: www.elsbett.com/de
Wolf Pflanzenöl-Technik
Birkenring 67
97488 Ellertshausen
Telefon (09724) 906398
Web: www.wolf-pflanzenoel-technik.de
Pflanzenöl-Tankstellen
Grundsätzlich kann man nach der Umrüstung alle Pflanzenölsorten tanken. Das für unsere Breiten
gängigste Pflanzenöl ist jedoch Rapsöl. Die Qualitätsanforderungen an Pflanzenöl zur Verwendung als
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Kraftstoff sind in der Norm DIN V 51605, Ausgabe Juli 2006, definiert. Diese Anforderung wurde in die
Kraftstoffqualitätsverordnung aufgenommen.
Pflanzenöl wird an öffentlichen Tankstellen in Deutschland nur vereinzelt angeboten. Informationen
über Pflanzenöl-Tankstellen finden sich im Internet unter www.poel-tec.com.
Findet man keine Tankstelle mit Pflanzenöl, hat man die Möglichkeit, das Fahrzeug mit Dieselkraftstoff zu betanken (ggf. auch in Mischung mit Pflanzenöl).
Da Pflanzenöle ungiftig, nicht entflammbar, nicht explosiv und nicht wassergefährdend (Wassergefährdungsklasse WGK 0) sind, besteht auch die Möglichkeit, sich ohne gesetzliche Auflagen eine
eigene kleine Tankstelle zu Hause einzurichten. Kunststofftanks (meist 1.000 l) werden u.a. von den
Umrüstfirmen angeboten, über die teilweise auch das Pflanzenöl direkt bezogen bzw. vermittelt werden kann.
Nachdem Pflanzenöl als Kraftstoff seit 1. Januar 2008 gemäß dem neuen Energiesteuergesetz
(EnergieStG) erstmalig besteuert wird, ist von der Verwendung von Pflanzenöl (Salatöl) aus dem Supermarkt grundsätzlich abzuraten, da dies eine Steuerhinterziehung darstellt. Auch aus Gründen des
Verpackungs- und Befüllungsaufwands sollte hiervon Abstand genommen werden.
Preis, Mineralölsteuer
Der Preis für Pflanzenöl schwankt regional sehr stark. Der günstige Preis ergab sich in der Vergangenheit aus der Bevorzugung bei der Mineralölsteuer (herkömmlicher Dieselkraftstoff wird mit 47 Cent
je Liter besteuert). Mit dem neuen Energiesteuergesetzes (EnergieStG) wurde jedoch auch Pflanzenöl seit 1. Januar 2008 mit jährlich steigenden Steuersätzen belegt (siehe Tabelle).
Zeitplan
Steuersatz für Pflanzenöl gemäß EnergieStG
vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008
10 Cent / Liter
vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009
18 Cent / Liter
vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010
26 Cent / Liter
vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011
33 Cent / Liter
ab 1. Januar 2012
45 Cent / Liter
Umweltaspekte
Wenn von Vorteilen bei der Verwendung von Pflanzenöl die Rede ist, werden häufig umweltrelevante
Aspekte genannt:
• "CO2-Neutralität": Man geht dabei davon aus, dass bei der Verbrennung von Rapsöl nur so viel
klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entsteht, wie die Rapspflanzen beim Wachstum der Atmosphäre entziehen und es sich somit im Prinzip um einen geschlossenen Kreislauf handelt. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass der CO2-Einspareffekt gegenüber mineralischem Diesel auch
davon abhängt, wie die Nebenprodukte Rapsschrot/Rapskuchen genutzt werden. Ferner entstehen beim Rapsanbau im Boden in geringen Mengen das Treibhausgas N2O, was nicht vernachlässigt werden darf. Unterschiedliche Betrachtungsweisen führen dazu, dass die CO2-Bilanz nach
wie vor kontrovers diskutiert wird.
• Wesentlich ist die Verminderung der Partikelemission (Dieselruß) um rund 50 % (bei Motoren ohne
Partikelfilter). Die einzelnen Emissionswerte hängen jedoch überwiegend von den Betriebsbedingungen und der vorhandenen Motoren- und Einspritztechnik ab.
• Da Pflanzenöl praktisch schwefelfrei ist, entstehen damit so gut wie keine schädlichen SO2- und
Sulfat-Emissionen. Außerdem: Je niedriger der Schwefelanteil liegt, umso weniger wird die Funktion des Diesel-Kat beeinträchtigt. Für die Umwelt bedeutsamer ist allerdings, dass der Schwefelanteil im herkömmlichen Dieselkraftstoff EU-weit, wie bereits seit Anfang 2003 in Deutschland, auf
max. 10 ppm ("schwefelfrei") gesenkt wird.
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• Als Nischenkraftstoff kann Pflanzenöl einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten. Beispielsweise, wenn der Einsatz von Fahrzeugen in umweltsensiblen Bereichen gefragt ist, wie bei
Schiffsdieselmotoren, weil die gute biologische Abbaubarkeit des Rapsöls die Verschmutzungsgefahr verringert.
Der Anbau von Raps ist aber auch mit negativen Einflüssen auf die Ökologie verbunden: die Pflanzen
setzen Ozon erzeugende Kohlenwasserstoffe frei, Monokulturanbau bedroht die Biodiversität und
Düngung führt zu Eutrophierung von Gewässern.
Verfügbarkeit
Der Anbau von Raps auf stillgelegten Flächen, wie er sich in erster Linie für die Gewinnung von
Pflanzenöl anbietet, wurde in den vergangenen Jahren beträchtlich gesteigert.
Laut Bericht der Bundesregierung (Drucksache 15/5816) vom Juni 2005 ist das Rapsanbaupotential
in Deutschland aus Fruchtfolge- und Flächennutzungsgründen für den Non-Food-Bereich auf ca. 1,5
Mio. ha/a Anbaufläche begrenzt. Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund gesehen werden,
dass Raps nur alle 3-4 Jahre angebaut werden kann. Aus heimischer Produktion könnten somit rund
2,0 Mio. t/a (rd. 2,2 Mrd. Liter) Rapsöl für den Non-Food-Bereich erzeugt werden. Bei einem Dieselbedarf von ca. 30 Mio. t/a könnten somit langfristig, bei Ausnutzung des gesamten Rapsanbaupotentials, ca. 6,7 % des Dieselbedarf durch Rapsöl gedeckt werden.
Daraus wird ersichtlich, dass Rapsöl eigentlich nur einen recht bescheidenen Beitrag leisten kann,
wenn es darum geht, fossile Energieträger zu ersetzen oder die CO2-Bilanz zu verbessern.
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