Gewässer im Stresstest

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Gewässer im Stresstest
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Wiener Zeitung
issue
01/12/2011
page
17
Europäisches Projekt untersucht Auswirkungen des Klimawandels auf große Seen
Gewässer im Stresstest
Von Heiner Boberski
Experten versuchen, das Austrocknen
des Neusiedler Sees zu verhindern.
Wien. Noch ist das Meer der wasserwirtschaftlichen
Wiener" in passablem Zustand,
aber gerade der Neusiedler See
macht den Limnologen Erforschern von Binnengewässern in
Zeiten des Klimawandels zunehmende Sorgen. Ständig steigende
Temperaturen könnten
wie
schon von 1864 bis 1870 zum
völligen Austrocknen des Sees
führen, befürchtet Gerhard Soja
vom Austrian Institute oft Technology AIT im Gespräch mit der
Wiener Zeitung".
Das AIT ist wie der Naturschutzbund Burgenland und sieben weitere Partner in Italien, Ungarn und Polen
am Projekt Eu- Wi^Pn
ropean
Lakes vviaac" =
under Environmental Stresses" Europäische
Seen im Klimawandel beteiligt.
Für dieses vom Central Europe
Programme" der El mit fast drei
Millionen Euro dotierte Projekt,
das von 1. April 2010 bis 31. März
2013 läuft, wurde am Dienstag
und Mittwoch auf einer Tagung
an der Wiener Universität für Bodenkultur eine Zwischenbilanz
gezogen. Konkret geht es um wissenschaftliche Untersuchungen
über den Zustand und die Zukunftsperspektiven von vier mitteleuropäischen Seen, die, so Gerhard Soja, zu 75 Prozent einmal
zur österreichisch-ungarischen
Monarchie gehört haben": Neusiedler See, Plattensee Ungarn,
Gardasee Italien und Charzykowskie See Polen.
Gesamtprojektleiter ist der Italiener Nicola Gallinaro, der am
Gardasee forscht. Er erwartet,
dass den europäischen Seen aufgrund des Klimawandels große
Umweltprobleme
bevorstehen.
Wenn diese Seen ihre bisherigen
touristischen, ökologischen und
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Funktio-
nen auch in Zeiten des Klimawandels erfüllen sollen, sind rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen erforderlich", ergänzte Gerhard Soja, der in Österreich das Projekt
koordiniert.
An den vier Seen konzentriert
sich die Forschung auf unterschiedliche Risikofaktoren und
deren Auswirkungen unter zukünftigen Klimabedingungen. Am
Charzykowskie See 13 Quadratkilometer besteht das Problem in
Altlasten: Schwermetalle und Pestizide im Seesediment belegen,
dass früher viele ungeklärte Abwässer in den
See geleitet wur=^^=^^^^
den< im Plattensee 593 Quadratkilometer haben etliche neu
eingedrungene Fischarten das
ökologische Gleichgewicht durcheinander gebracht.
Am Gardasee 368 Quadratkilometer bereitet die Zunahme
schädlicher Cyanobakterien früher: Blaualgen Sorgen. Dort ist
auch der Anfall an Abwässern, da
in der Umgebung immens viel gebaut wurde, und wegen der südlichen Lage auch die Erderwär- Im Winter verwandelt sich das Tourismus- und Naturschutzgebiet
mung am größten.
Neusiedler See in den größten Eislaufplatz Europas. Foto: apa/i'esseniehner
Sanierungkommt teuer
Am Neusiedler See 320 Quadratkilometer}, der sich zu 90 Prozent
aus natürlichen Niederschlägen
nährt, wäre bei seiner durchschnittlichen Tiefe von 1,2 Meter
schon ein Rückgang um einen
halben Meter eine Katastrophe.
Man müsse sich über so ein Szenario Gedanken machen, meint
Gerhard Soja, denn sowohl Land-
Salzgehaltes neigt der See nicht
zur Algenbildung.
Wie in einem kleinen Gewässer wie der Alten Donau in Wien
mit Chemikalien im sogenannten
Wassertemperatur signifikanter Riplox-Verfahren Einsatz von Eianstieg als die Lufttemperatur.
senchlorid und Kalziumnitrat zur
Mit stärkerer Erwärmung geht Reduktion von Phosphor und Sein der Regel eine Verschlechte- dimenten die Wasserqualität wierung der Wasserqualität einher, der entscheidend verbessert werder Neusiedler See liegt aber, was den konnte, erläuterte der Hydrowirtschaft als auch Tourismus eine Anreicherung mit zu vielen biologe Martin Dokulil. Doch die
sind in diesem Gebiet auf ausrei- Nährstoffen anlangt, noch im me- E ntsch ei du ngs träger sollten wischende Wasserreserven angewie- sotrophen, nicht im bedenklichen sen: So eine Sanierung im Nachsen. Eine externe Wasserzulei- eutrophen Bereich. Dank seines hinein kommt sehr teuer.
tung wäre eine Möglichkeit. In
den letzten Dekaden gab es im
Durchschnitt ständig einen Temperaturanstieg, insbesondere im
Frühling und Sommer, wobei die
Artikelfläche 46711 mm²
Artikelwerbewert Euro 2802.66
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