magazin z - Neue Zürcher Zeitung

Transcrição

magazin z - Neue Zürcher Zeitung
DIE SUBSTANZ DES STILS
Geschenke 2016
15
22
26
28
ZUTAT HONIG
ZU TISCH A LICE IM W UNDERL A ND
STADT-DESTILLAT BROOK LY N
ROUND TABLE KÖRPERLOSER SE X
ZEUG DER BREIT K REMPIGE HU T
PRODUKTE SPIT ZEN WÄSCHE
IM PORTRÄT P R A DA
IM GESPRÄCH ERMENEGILDO ZEGN A
Schöne Bescherung
BEIM S CHE NK E N IS T V IE L E S E R L AUB T –
SOL A NGE M A N NICH T DE N HUMOR V E R L IE R T
Seite 3 5
Helle Köpfe
DE R L E UCH T E NP RODU Z E N T F OSC A RINI
W EIS S DIE S TÄ R K E N DE S I TA L IE NISCHE N
H A NDW E R K S RICH T IG EIN Z USE T Z E N
Seite 4 4
Craft-Beer
IM S CH W EI Z E R JUR A W IR D E IN S A F T
GE BR AU T, AUF DE N SE L BS T NE W YOR K E R
NICH T V E R Z ICH T E N MÖCH T E N
Seite 4 8
DEZEMBER 2016
52
54
57
61
CHANEL .COM
Beyond Perfume
louisvuitton.com
Gepflegte Haut durch edle Seide.
Seide trifft Sakura
Die unendlich feuchtigkeitsspendende Kraft der Seide.
Das gleichzeitige Aufblühen der Sakura-Blüten.
Die ULTIMATIVE Begegnung, um das volle Potenzial der Haut auszuschöpfen.
www.sensai-cosmetics.com
ULTIMATE
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Z
ZEUG
15
Outlaw
E IN S T A L S E R K E N N U N G S Z E I C H E N E I T L E R GO C K E L , G A N G S T E R U N D C O W B O Y S S T I G M AT I S I E R T, S I N D H Ü T E
MIT BREIT ER K REMPE HEU T E AUF L AUFS T EGEN EBENSO ZU SEHEN W IE AUF DEN KÖPF EN S TIL BE W USS T ER F R AUEN
Tex t DAV I D S T R E I F F C O R T I
KEINE
A LT E N
HÜTE
Maison Michel: Die
französische Manufaktur
entwirft Hüte für die ModeKollektionen von Chanel.
Gladys Tamez: Die
grandiosen Kreationen der
mexikanischen Designerin
werden von Stars wie Lady
Gaga getragen.
Mühlbauer: Trotz über
100-jähriger Geschichte
hat das Wiener Unternehmen
keinen Staub angesetzt.
F o t o J O N A S M A R GU E T
Wenn man bei einem Hutmacher nicht gleich an den
verrückten aus dem Buch «Alice im Wunderland»
denkt, so doch zumindest an einen Handwerker,
dessen Metier nicht minder brotlos als antiquiert
erscheint. Nick Fouquet passt in keine der beiden
Schubladen – mit der Vergangenheit beschäftigt er
sich nicht über die Massen, auch weil sich seine Gegenwart ebenso aufregend wie erfolgreich gestaltet.
Der studierte Umweltwissenschafter entwirft
in seinem Atelier in Los Angeles Hüte, die nicht
einfach Bilder aus alten Kriminalfilmen evozieren
Nick Fouquet
und kaum mit dem Pferderennen in Ascot in Verbindung gebracht werden. Vielmehr kommen die eigenständigen Kreationen wie die Kopfbedeckung edler
Vagabunden daher und erweisen sich dadurch als
überaus Laufsteg-tauglich.
Mit dem Hutmacher hat sich aber auch seine
Kundschaft gewandelt. Lange galt das Huttragen als
Bekenntnis zu einer spezifischen Gruppe, heute aber
trägt Hut, wer gern mit Konventionen bricht.
Filzhut (1150 Fr.), von Nick Fouquet, bei Trois Pommes
T
H
E
A
R
T
Big Bang Unico Italia Independent Green Camo.
Entwickelt in Zusammenarbeit mit der Lifestyle-Marke
Italia Independent. Gehäuse gefertigt aus camouflagegrünem Texalium und einer 18K Rotgold-Legierung.
UNICO Kaliber, Chronograph mit Säulenrad. Militärgrünes Chino-Armband, aufgenäht auf schwarzem
Kautschuk. Auf 250 Exemplare limitierte Serie.
BOUTIQUES
GENEVE • GSTAAD • LUZERN
ZURICH • ZERMATT
O
F
F
U
S
I
O
N
GESCHENKE
Z
17
INHALT
4 8 — Z E NI T
Schaumkrone
Die Schweizer trinken nicht mehr Bier als
früher, aber immer öfter handwerklich
Gebrautes von kleinen, innovativen Herstellern
5 2 — Z U TAT
Honig
Was von der Biene zur eigenen
Nahrungsversorgung erzeugt wird,
bekommt auch dem Menschen gut
ZEITGEIST
19 — NEUE S AUS DER SCH W EIZ
2 0 — NEUE S AUS DER W ELT
2 2 — PRODUK T E
2 4 — SCHÖNHEI T
5 4 — Z U T ISCH
Alice im Wunderland
In der Erzählung von Lewis Carroll werden
nicht nur kleine Mädchen hinters Licht geführt
Seite 35, Im Bilde: Gaben für
eine gelungene Familienfeier.
Seite 57, Stadt-Destillat: BedfordStuyvesant, Brooklyn, New York.
2 6 — IM P OR T R ÄT
Familienangelegenheit
Aus der Boutique, die Mario Prada 1913 in
Mailand eröffnete, hat seine Enkelin Miuccia
einen globalen Luxuskonzern gemacht
2 8 — IM GE SP R ÄCH
ZÄSUR
Seite 28, Im Gespräch:
Ermenegildo «Gildo» Zegna.
3 1— RICH A RD K ÄGI
3 2 — EL ISA BE T H BRONF EN / R A PH A EL GÜL L ER
3 3 — BA RBA R A V INK EN / BICE CURIGER
3 4 — SA R A H IL L ENBERGER
Ermenegildo Zegna
Der italienische Unternehmer über
Massanfertigungen, stationären Handel und
seinen persönlichen «Intelligence Service»
3 5 — IM BIL DE
Oh du fröhliche
Mit sorgsam ausgewählten Geschenken
vermag man Freude zu bereiten, ohne sich dem
totalen Konsumrausch hinzugeben
FOTOS: RENÉ FIETZEK, DOUGLAS MANDRY, NICOLE BACHMANN, MASSIMO GARDONE, MOHAMED SOMJI
Seite 44, Manufaktur:
Foscarini.
Seite 52, Zutat: Honig,
im Lebkuchen und am Braten.
4 4 — M A NUFA K T UR
Lichtblicke
In Marcon bei Venedig produziert Foscarini
hochwertige Leuchten und setzt dabei auf das
handwerkliche Know-how der Region
Seite 22, Produkte: Spitzenwäsche
für den Alltag.
Dezember 2016
ZUGABE
5 7— S TA DT-DE S T IL L AT
6 0 — IMPRE SSUM / BE ZUGSQ UEL L EN
6 1— ROUND TA BL E
6 2 — Z I TAT
ZEITGEIST
Z
19
NEUES AUS DER SCH W EIZ
SHOPPING
UHREN
Prada-Store
Blau in den Winter
Bahnhofstrasse 42, Zürich
Es wurde einem einiges an Geduld
abverlangt, doch das Warten hat sich
gelohnt: Mit einer ausschweifenden
Cocktailparty feierte das italienische
Modelabel Prada diesen Herbst die
Eröffnung einer eigenen Boutique an
der Zürcher Bahnhofstrasse. Zuvor
war ganze zwei Jahre lang gehämmert,
gebohrt, gefeilt und auf Hochglanz
poliert worden. Nun erwarten einen
– verteilt über 1100 Quadratmeter und
drei Etagen – nebst Damen- und Herrenmode, Lederkreationen und Accessoires auch viel Teppich, Samt, schöne
Borsani-Stühle, grosse Videoleinwände und ein ikonischer SchachbrettBoden. (ijo.)
prada.com
Cover des Magazins «Adam» (1961).
AUSSTELLUNG
bucherer.com
Les Suisses de Paris
Viu-Flagship-Store
«Blue Editions Manero Peripheral»
(6500 Fr.), von Carl F. Bucherer.
ACCESSOIRES
Gestalterischer Kulturaustausch
www.museum-gestaltung.ch
Die Taschen von Nasire auf dieser
Seite zu präsentieren, hat durchaus
seine Berechtigung – denn entworfen
werden sie in Zürich. Für die Herstellung seiner geradlinigen und zeitlosen
Kreationen vertraut das Schweizer
Unternehmen allerdings auf marokkanisches Handwerk. In Marrakesch
wird pflanzlich gegerbtes Rindsleder
in traditioneller Machart zu hochwertigen Produkten verarbeitet. (das.)
GENUSS
Limmatquai 16, Zürich
Wie passend: Ausgerechnet im ehemaligen Kino Nord-Süd hat sich der
zweite Zürcher Flagship-Store von Viu
niedergelassen. Denn Kino-Fans sind
mit den Sehhilfen der Schweizer Brillenmarke sehr gut bedient – weil sie
sowohl qualitativ als auch optisch
bestens abschneiden. Im neuen Laden
ist die gesamte Kollektion an Korrektur- und Sonnenbrillen erhältlich.
Beraten wird von zertifizierten Augenoptikern. (ban.)
Stilvoll Zähne zeigen: Silberring
(ab 350 Fr.), von Doryphoros.
SCHMUCK
Bijous mit Biss
Museum für Gestaltung Zürich,
bis 19. März 2017
Nicht nur des urbanen Lockrufs
wegen sind viele Schweizer Grafiker
und Typografen in den fünfziger Jahren nach Paris gezogen. An der Seine
fanden sie mit ihrer Ausbildung interessante Aufgaben bei Zeitschriften,
Werbeagenturen und kulturellen Institutionen. Ihre Arbeiten zeigt nun
das Museum für Gestaltung. (das.)
Im Zürcher Prada-Store wähnt man
sich in einer Filmkulisse.
Seit 1888 bietet Bucherer seiner Kundschaft feinste Schweizer Zeitmesser.
Um der generationenübergreifenden
Kooperation mit führenden Manufakturen zu huldigen, haben diese für den
Luzerner Juwelier exklusive Uhren
kreiert. Ob Audemars Piguet «Royal
Oak» oder Chopard «Happy Sport»:
13 Häuser – auch Bucherer selbst mit
der «Manero Peripheral» – sind mit
einem Mal blau. Hicks. Prosit! (fzo.)
Shizuku
Flüelastrasse 25/27, Zürich
Doryphoros ist der Name einer bekannten Statue der griechischen Antike. Es handelt sich dabei um einen
Speerträger aus Marmor. Doryphoros
ist auch der Name der Schmuckkollektion von Sebastian Schaub. Inspiriert
von Zeichnungen, die der Zürcher
Künstler vor ein paar Jahren angefertigt hat, sind massive Fingerringe in
Form von Gebissen entstanden, handgemacht und aus Sterling-Silber. (ban.)
doryphoros.ch
HOTEL
Hotel Huus
Schönriedstrasse 74, Saanen-Gstaad
nasire.com
Premium-Sake-Trio.
Doppelzimmer im Hotel Huus.
Zum Drei-Jahre-Jubiläum der Firma
machte sich Marc Nydegger selbst
das grösste Geschenk. In Zürich Albisrieden, in der Siedlung James, hat er
seinem Online-Sake-Shop ein physisches Domizil gegeben. Wer auf Sake
steht oder sich davon verführen lassen
möchte, findet in Nydegger einen kundigen Experten – und im Shop erstklassige Tropfen aus Japan. (ols.)
Bewegung steht beim «Huus» im Zentrum, schliesslich steht das eben eröffnete Hotel auch in Gstaad. Von Skikursen über Canyoning und Klettern
bis zu geführten Winterwanderungen
bietet man viele Aktivitäten an. Zur
Regeneration eignet sich dagegen das
grosszügige Spa mit Bergsicht. Und
auch das stilvolle Interieur trägt zur
Entspannung bei. DZ ab 250 Fr. (das.)
Tolle Optik zu vernünftigem Preis:
Sehbrillen (195 Fr.), von Viu.
Tasche «O525» (519 Fr.),
von Nasire.
shizuku.ch
Dezember 2016
huusgstaad.com
FOTOS: PD
shopviu.com
ZEITGEIST
20
Z
NEUES AUS DER W ELT
RESTAURANT
Wandregal «Zodiac» (einzelne Teile
ab 155 Fr.), von Zaozuo.
DESIGN
SHOPPING
La Maison des Têtes
Qwstion invites
19, rue des têtes, Colmar
Zieglergasse 38, Wien
Unter der Leitung von Marilyn und
Eric Girardin ist die «Maison des
Têtes» zum feinsten Hotelrestaurant
von Colmar geworden. Im Juni hat
sich zur währschaften winstub ein
gastronomisches Restaurant gesellt.
Während dort mit Sorgfalt zubereitete
Regionalgerichte den Gaumen erfreuen, bilden hier noble Produkte aus
ganz Frankreich – etwa Froschschenkel, Hummer, Täubchen – die Basis für
subtil austarierte Kreationen. (zit.)
Der Name ist hier Konzept – so werden
im Wiener Geschäft von Qwstion nicht
einfach nur die Erzeugnisse des
Schweizer Taschenlabels verkauft.
Vielmehr laden sie andere Marken, die
ihre Idee von ebenso funktionalen
und qualitativ hochstehenden wie
ästhetisch ansprechenden Produkten
teilen, dazu ein, sich einer entsprechend interessierten Kundschaft zu
präsentieren. (das.)
Blindtext und hier wieder
und länger hier dann Blindtext
Cashmere-Body mit Spitze (450 Fr.),
von Eric Bompard x Albertine.
qwstion.com
MODE
la-maison-des-tetes.com
Anpassungsfähig
Modular und flexibel einsetzbar muss
heute nicht nur der Mensch sein, wir
verlangen es auch von unserem Mobiliar. Schliesslich wissen wir nicht,
ob wir morgen noch wohnen, wo und
wie wir es heute tun. Das Wandregal
«Zodiac», vom italienischen Designer
Luca Nichetto für den chinesischen
Produzenten Zaozuo entworfen, ist
jedenfalls für jede Situation gewappnet. Es lässt sich je nach Bedürfnis
oder Notwendigkeit umbauen, redimensionieren oder für ganz andere
Zwecke nutzen als einst gedacht. (das.)
Exquisit sind in der «Maison des
Têtes» Küche wie Tischkultur.
zaozuo.com
Tausendsassa
Kuschlige Spitze
ACCESSOIRES
Feinste Wolle trifft auf edle Spitze:
Der französische Cashmere-Experte
Eric Bompard hat mit der jungen
Unterwäschemarke Albertine zusammengespannt und eine limitierte
Kollektion in zarten Wintertönen
kreiert. Die Kniestrümpfe, klippbaren
Bodys und Négligés sind feminin,
glamourös und bequem zugleich. Erhältlich sind die guten Stücke im
Online-Shop von Eric Bompard. (ijo.)
eric-bompard.com
Verschiedene Anbieter, gemeinsame
Philosophie: Qwstion invites.
SCHMUCK
Fingerzeig
Von Freitag bis Sonntag
Vom Berg auf den Gipfel
Eigentlich scheint es bedenklich,
wenn man selbst für seine Freizeit
eine Agenda braucht. Andererseits
wird künftigen Ereignissen – auch der
erfreulichen Art – mehr Wert beigemessen, wenn man sie sorgfältig niederschreibt. Ganz besonders auf dem
hochwertigen und in Rindsleder eingefassten Papier der deutschen Firma
Treuleben, die einen Kalender anbietet, der dem Wochenende genügend
Platz einräumt. (das.)
Früher trug Moncler, wer sich mit
Steigeisen an einem Hang zu schaffen
machte, heute zeigt man damit modisches Flair. Zum steilen Aufstieg passt,
dass der einstige Bergsport-Spezialist
einen Flagship-Store an der Madison
Avenue in New York eröffnet hat. Zu
diesem Anlass haben diverse Gestalter
mit speziellen Moncler-Entwürfen der
Stadt ihre Ehre erwiesen. (das.)
FOTOS: PD
treuleben.com
Agenda «Work Life» (153 Fr.),
von Treuleben.
Rollkoffer (ab 1960 Fr.), von Marc
Newson (Bild) für Louis Vuitton.
moncler.com
Marc Newson entwirft seit Jahren erfolgreich Möbel, Accessoires und elektronische Geräte, wobei einige seiner
Kreationen auf Auktionen Preise im
sechsstelligen Bereich erzielen. Als
Designer hochwertigen Reisegepäcks
ist er bisher allerdings noch nicht
gross in Erscheinung getreten. Der
Entwurf des ultraleichten Rollkoffers
für Louis Vuitton dürfte ihm aber nicht
schwergefallen sein – hat er doch auch
schon Flugzeuge konzipiert. (das.)
louisvuitton.com
Die Daunenjacken von Moncler trägt
man jetzt auch in New York City.
Dezember 2016
Ringuhr «J12 XS», Unikat (Preis
auf Anfrage), von Chanel.
Wer sagt denn, dass eine Armbanduhr
ans Handgelenk gehört? Der Arm
reicht doch bis zu den Fingerspitzen.
Und so findet Chanel mit der MiniUhr «J12 XS» souverän den Weg in
die Verlängerung. 19 mm Durchmesser, hochpräzises Quarzwerk, Keramik, Weissgold, Brillanten, facettierte
Diamanten: Dieses «Jöö»-Juwel gehört
an ihren Finger. Damit er ihr diskret
aus der Hand liest, ob es langsam an
der Zeit wäre, von der Aufwärmphase
in den Angriff überzugehen. (fzo.)
chanel.com
HAPPY DREAMS
HAPPY DIAMONDS
22
Z
ZEITGEIST
SPIT ZENGEFÜHL
WA R U M S O L LT E M A N B E S O N D E R E WÄ S C H E N U R Z U B E S O N D E R E N A N L Ä S S E N T R A G E N ?
AUCH ZU HAUSE VOR DEM F ERNSEHER M ACHEN SPIT ZEN EINE GU T E FIGUR
Re dak tion A N N A K A M I N S K Y
Fotos DOUGL AS MANDRY
B
Überraschend
Unterm weissen
T-Shirt bleibt «Ingo»
unsichtbar. Fallen
die Hüllen, wird die
nudefarbene Linie
mit gepunkteter
Spitze jedoch zum
Hingucker.
A
BH und String
«Ingo» (80 Fr.
und 45 Fr.),
von Marie Jo
Elegant
Im Alltag Wäsche
aus Chantilly-Spitze,
bestickt mit floralen
Elementen und
gesäumt von
weichem Lycra, zu
tragen, ist nicht
übertrieben, sondern
zum Träumen schön.
Panty und BH
«Talisman»
(490 Fr. und
405 Fr.),
von La Perla
C
Avantgardistisch
Extremer Look,
extrem bequem. Das
Zürcher DesignerDuo Lyn Lingerie
versteht es, edle
Spitze von Bischoff
aus St. Gallen modern
zu inszenieren.
Low-Rise-Brief
«Liz» (140 Fr.),
von Lyn Lingerie
D
Zugeknöpft
Der Ausdruck
«zugeknöpft» ist
beim Body aus
Viskose-Satin mit
Spitzeneinsätzen
als Kompliment zu
verstehen.
Body (160 Fr.),
von Hanro
Produkte
ZEITGEIST
24
Z
Weihnachten in der Nase
Gold, Weihrauch, Myrrhe und Gewürze brachten die Weisen aus dem Morgenland bei ihrem
Besuch in Bethlehem mit. Wer es ihnen gleichtun will, verschenkt orientalische Parfums mit kostbaren
Ingredienzien wie Moschus, Patschuli oder Oud – das mittlerweile sogar teurer ist als Gold
Tex t U R S U L A B O R E R
1
Exzentrisch
Der Mix aus
Schokolade,
Pfeffer und
Moschus braucht
eine Portion Mut.
2
«Boccanera»,
EdP, 50 ml,
etwa 190 Fr.,
von Orto Parisi,
bei Spitzenhaus
Zürich
Il lus t r a t ion A L I C E T Y E
3
Betörend
Kardamom,
Kaffee und
Patschuli ver­
führen wie ein
Schleiertanz.
«Noir Premier
L’Origine Or
Intemporel»,
EdP, 100 ml,
etwa 290 Fr.,
von Lalique
Lifting ohne Spritze und Skalpell
Wer sich bei Glow in Zürich auf den Behandlungstisch legt, schaut
nicht an eine weisse Wand, sondern auf den See. Aussicht und
Räumlichkeiten sind denn auch keine Details, sondern Konzept des
Beautycenters. Besitzerin Andrea Engelbrecht setzt auf Schönheit,
die wortwörtlich unter die Haut geht, weil sie auch die Seele von
Ballast befreit. Neben energetischer Körperanalyse mit Global
Diagnostics bietet sie Gesichtsbehandlungen oder Haarentfernung
an. Einen unmittelbaren Lifting­Effekt hat die Anti­Age­Behandlung
von Biologique Recherche. Nach einer Hautanalyse wird das Gesicht
mit den Produkten der Traditionslinie gereinigt. Danach werden
hochkonzentrierte, aber natürliche Seren und Crèmes mit einer
speziellen Massagetechnik in die Epidermis eingearbeitet. (na.)
«Biologique Recherche Soin et Lissant» (60 Min, 220 Fr.),
Glow Medical Beauty Center, Utoquai 49, Zürich; glow-mbc.ch
Schönheit
Würzig
Zimt, Kardamom
und Weihrauch
versetzen in
eine besinnliche
Stimmung.
«Black I», EdP,
50 ml, 298 Fr.,
von Widian by
AJ Arabia, bei
Parfümerie
Osswald Zürich
4
Sanft
Veilchen, Rosen
und Oud um­
fassen einen wie
eine Umarmung.
«Oud Satin
Mood», EdP,
70 ml, etwa
259 Fr., von
Maison Francis
Kurkdjian,
bei Globus
Wie riecht denn das?
«Der kuschlige Oversize-Mantel unter den Duftkerzen.»
– «Wie Melania Trumps Pyjama.» – «Gut, ein wenig nach
Skihütten-Wellness.» – «Irgendwie religiös, sozusagen ‹Der
Name der Rose›, auf Lifestyle getrimmt.» – «Wie das Wohnzimmer meiner Eltern.» – «Erinnert mich an den Duft in
der Bad- und Bettwäscheabteilung eines Warenhauses.»
– «Weckt provenzalische Sommergefühle, selbst im tristen
Winter.» – «Riecht dezent und sieht super aus.»
«Lavendel», handgemachte Duftkerze (138 Fr. für 900 g),
aromatisch, krautig und leicht blumig, die natürliche
Lavendel-Duftnote wirkt dank dem Wirkstoff Silexan
entspannend und lindert Unruhezustände, von Acqua di Parma
PARIS
PREMIER
BAG
IM PORTRÄT
26
Z
Prada
W E R M O DI S C H E T WA S A U F S I C H H I E LT, K A U F T E S C H O N V O R H U N D E R T J A H R E N B E I P R A D A
E I N . U N T E R D E R L E I T U N G V O N M I U C C I A P R A D A , E N K E L I N D E S F I R M E N G R Ü N D E R S , U N D IH R E M
PA R T N E R PAT R I Z I O B E R T E L L I W U C H S DI E M A I L Ä N D E R M A R K E Z U M G L O B A L E N K O N Z E R N
Tex t K I M DA N G
BE S T SE L L E R
DI E P R A DA - GR U P P E
Gr ün der
CEO
E igene Geschä f t e
Marken
1913
Das erste Geschäft in der
Galleria Vittorio Emanuele II.
Elegantes Gepäck, Accessoires und
Luxuswaren – das Sortiment des
ersten Prada-Geschäfts unterscheidet sich kaum von jenem der heute
weltbekannten Marke. 1913 eröffnet
Mario Prada eine Boutique in der
Mailänder Einkaufspassage Galleria
Vittorio Emanuele II. Bald beliebt
bei der Aristokratie und der europäischen Elite, wird das Unternehmen
1919 zum königlichen Hoflieferanten
ernannt – daran erinnern das Wappen des Hauses Savoyen und die vier
Savoy-Knoten im Logo. 1958 übernimmt Mario Pradas Tochter Luisa
die Leitung und übergibt diese 1978
an ihre Tochter Miuccia. Zusammen
mit ihrem Geschäftspartner und
späteren Gatten Patrizio Bertelli
baut Miuccia Prada die Firma zum
globalen Luxuskonzern mit mehreren
Marken aus. Heute produziert die
Gruppe Lederwaren, Kleidung und
Schuhe für Frauen und Männer. Seit
Juni 2011 ist das Unternehmen mit
20 Prozent seiner Aktien an der
Hongkonger Börse kotiert.
19 13
PAT R I Z I O BE R T E L L I
C E O und C he f de s igner in
Miuccia Prada
und Patrizio Bertelli.
Gr ün dungsjahr
M A R I O P R A DA
U m s a t z ( 2 0 15 )
M I U C C I A P R A DA
6 2 2 I N 7 0 L Ä N DE R N
3 , 5 4 8 M R D. €
M i t ar bei t er
12 414
CA R SHOE , CHURCH’S, M A RCHESI 18 24, MIU MIU, PR A DA
GESCHÄFTSFELDER
GESTALTUNGSPHILOSOPHIE
Mode
«Den Kern von Pradas Kreativität bilden die Neugier und
das sorgfältige Beobachten
der Welt, der Gesellschaft und
Kultur. Dieses Streben sprengt
die physischen Grenzen von
Modeboutiquen und fördert
die Auseinandersetzung mit
den unterschiedlichsten und
scheinbar fernen Welten. Das
Resultat davon ist ein neuartiges Entwerfen einer natürlichen, fast modelosen Mode.»
Miuccia Prada und Patrizio
Bertelli
3,6
Mio. m²
Leder verarbeitet
die Prada-Gruppe im Jahr.
4
Mio. m
Stoff verarbeitet
die Prada-Gruppe im Jahr.
Die « Galler ia B ag»
aus S a f f ian - L eder
gib t es sei t 2 0 0 7. Ihr
Name is t eine R eve r en z an die Galler ia
V i t t or io E manuele II ,
w o der ur spr üngliche
P r ada - L aden s t eh t .
Brillen
Schuhe
Parfums
Handtaschen
und Gepäck
Hauptsitz: Mailand
Produktionsstandorte:
Arezzo, Toskana
Buresta, Toskana
Civitanova Marche, Marken
Dolo, Venetien
Fucecchio, Toskana
Levane, Toskana
Montegranaro, Marken
Montone, Umbrien
Piancastagnaio, Toskana
Scandicci, Toskana
Torgiano, Umbrien
Schauspielerin Jessica
Chastain in der ResortKampagne 2017 von Prada.
Mailand
Northampton (UK)
Isle, Limoges (F)
Die vor gut 25 Jahren von
Miuccia Prada und Patrizio
Bertelli ins Leben gerufene
Kunststiftung veranstaltet
Ausstellungen, Konferenzen
und Filmzyklen. 2011 eröffnete sie in Venedig ein Domizil
in einem Palazzo aus dem
18. Jahrhundert. 2015 ist im
Süden Mailands ein 19 000 m²
grosser Kultur-Campus (Bild
links) in einer von Rem
Koolhaas umgebauten Brennerei dazugekommen.
fondazioneprada.org
Die Savoy-Knoten, die das
Firmenlogo zieren, erinnern
an die Ernennung Pradas
zum Hoflieferanten um 1919.
Gemälde des Firmengründers
Mario Prada.
Dezember 2016
FOTOS: PD
Fondazione Prada
KAFFEE, AN DER
SPITZE DER E VOLUTION
MI T N ESC A FÉ ® D O LC E GUSTO ®
Mit dem neusten Design MOVENZA gibt NESCAFÉ® Dolce Gusto®
dem Kaffee eine neue Dimension
Der raffinierte Klappmechanismus der neuen MOVENZA verwandelt das Designstück auf
Knopfdruck in eine aussergewöhnliche Kaffeemaschine. Durch die einfache und intuitive
Touch-Technologie lassen sich starke Espressi, schaumgekrönte Latte Macchiatos oder heisse
Schokolade geniessen.
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COFFEE IS NOT JUST BLACK
IM GESPRÄCH
28
Z
Ermenegildo «Gildo» Zegna
Der 61-Jährige führt als CEO das Unternehmen, das sein Grossvater Ermenegildo Zegna 1910 gegründet
hat und das heute eine der führenden italienischen Luxusmarken für Männermode ist. Ein Gespräch in London
INTERVIEW J E R O E N VA N R O O I J E N
Was verbindet
Sie mit
der britischen
Hauptstadt?
Meine ersten Erinnerungen gehen zurück auf das Jahr 1974. Ich
war damals 19 Jahre jung und kam als Schüler hierher, machte mein
A-Level und ging aufs College. Heute lebt mein Sohn in London,
die Stadt ist also ein zweites Zuhause. Auch geschäftlich ist London
wichtig für uns. Wir sind seit 1987 mit einem eigenen Geschäft
tätig und befinden uns hier in einem extrem kompetitiven Umfeld.
Das spornt uns an.
FOTO: MOHAMED SOMJI
Den Zegna-Flagship-Store an der New Bond Street in London
haben Sie zwei Jahre lang umgebaut und nun wiedereröffnet –
Sie glauben also weiterhin an das traditionelle
Format des Ladengeschäfts und den stationären Handel?
Sie denken also nicht, dass wir
sehr bald schon alles, inklusive
Massanzügen, nur noch im
Internet bestellen werden?
Natürlich sind Läden immer noch relevant.
Es ist für unsere Kunden noch immer
das Bequemste und Beste, einen
Laden zu besuchen. Sie wollen
gerne Geschichten hören, Kontakt mit
Menschen haben und «umarmt» werden.
Wir gehen zurück zu den alten Tagen:
«Hug your customer.» Es geht
um Gefühle und Erlebnisse. Nur so schafft
man heute langfristige Beziehungen.
Ich höre nun schon mein ganzes Leben lang, dass Roboter uns bald auf allen Ebenen ersetzen werden.
Das ist doch Bullshit. Natürlich sind gewisse industrielle Jobs automatisiert worden, aber man kann die
Menschen nicht überall ersetzen. Allerdings wird es immer anspruchsvoller. Handel zu betreiben, ist
heute eine komplexe Sache. Es geht um das richtige Produkt, den Preis, die engagierten Mitarbeiter, die
Schaufenster, die Markenpräsentation. Alles muss stimmen.
Retail is detail.
Ermenegildo «Gildo» Zegna
30
IM GESPRÄCH
Z
Wie wissen Sie, was Ihre Kunden von Ihnen wollen?
Wir haben eine sehr fortgeschrittene Kundendatenbank, daraus
kann ich viel lesen. Ein gutes CRM-System ist viel wert. Darüber
hinaus ist es wichtig, selbst den Kontakt in die Geschäfte hinein
zu halten. Ich spreche oft mit unseren Kunden. Ausserdem mache
ich manchmal
Mystery Shopping
und besuche die Stores unangemeldet. Dabei sehe ich den Laden
so, wie ihn die Kunden auch erleben. Last, but not least habe ich
eine Reihe von Personen ausserhalb der Firma, denen ich
vertraue – ich nenne sie meinen eigenen «Intelligence Service».
Der Zegna-FlagshipStore an der Londoner
New Bond Street
erstrahlt nach dem
Umbau in neuem Glanz.
Was sind das für Männer,
Viel unterschiedlicher, als Sie wahrscheinlich denken. Es sind
nicht nur vermögende Chinesen und Russen. Vielleicht sind
sie nicht durchs Band blutjung, aber dafür haben sie Geschmack
und Niveau. Und wir tun viel dafür, dass auch ihre Söhne
eines Tages zu Zegna kommen. Sneakers sind zum Beispiel eine
gute Möglichkeit, jüngere Kunden an die Marke heranzuführen.
Dieses Cross-Selling funktioniert.
Die Märkte sind gesättigt,
das Wachstum ist flacher geworden –
wie kann Zegna noch wachsen?
Es gibt noch genügend
unerschlossenes Marktpotenzial.
Wir richten unser Augenmerk
vor allem auf Nischen, die
wir entwickeln können.
Personalisierung wird wichtiger,
das Angebot an Massanfertigung wird breiter werden,
Lederaccessoires stellen eine
grosse Chance dar, und auch
in der Sportswear ist noch
nicht alles gesagt.
Neben den bekannten Anzügen wird
bei Zegna auch das edle Schuhwerk
für den Mann auf Mass gefertigt.
2016 war für viele
Luxusunternehmen
ein hartes Jahr.
Welche Prognose
machen Sie für 2017?
Wir erleben eine Zeit des raschen Wandels und der
fortgesetzten Instabilität. 2015 haben wir unsere Produktion
effizienter aufgestellt, 2016 die Organisation gestrafft.
Man muss die Kosten gut im Griff
haben, in der ganzen Organisation sehr
diszipliniert sein und am Ball bleiben.
Zuschauen liegt nicht mehr drin. Ich
würde gerne prophezeien, dass 2017 ein
besseres Jahr wird als das zurückliegende,
aber solches lässt sich heute nicht
mehr sicher voraussagen.
Ich werde auf jeden Fall sehr vorsichtig budgetieren.
Ermenegildo «Gildo» Zegna
FOTOS: PD
die sich
bei Zegna
einkleiden?
Kaffeegenuss –
frisch gemahlen,
nicht gekapselt.
Roger Federer
Inspirierendes Vorbild,
unerreichter Rekordhalter
als Grand-Slam-Sieger
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ZÄSUR
Erst kommt das Fressen . . .
Tex t R I C H A R D K Ä G I
Il lus t r a t i on G R A F I L U
Der Autor trifft Alfred, ein Wollschwein, dessen Bauch er an
seinem Geburtstagsessen zubereiten wird. Ein faktennahes Gespräch
Hallo Alfred, es ist mir ein wenig
peinlich, dass . . .
Alfred: (unterbricht) Du meinst, weil
du mein bestes Stück essen wirst?
Kein Ding, das hat bei uns eine andere
Bedeutung als bei euch Jungs.
Äh, nein, aber wir plaudern hier bei
Äpfeln und hartem Brot, und uns beiden
ist bewusst, wie die Geschichte ausgehen
wird. Fatal für dich, wunderbar für
mich. Bestimmt bist du mir gram?
Alfred: Ach was. Hampi (der Bauer, also
Alfreds Boss) hat uns schon beizeiten
darauf vorbereitet. Das Leben bei ihm ist
zwar kein Rübenschlecken, aber so gut
wie wir hat es kaum ein Schwein. Wir
leben in einer Art Symbiose mit Hampi.
Obwohl er gar nie Schweine wollte.
Seine steilen Hänge oberhalb des Walensees sind mit keiner Maschine zu
bewirtschaften, nur wir Wollschweine
werden mit all dem Gestrüpp fertig.
Dafür dürfen wir den Boden komplett
umgraben und finden immer wieder neue
Stellen mit würzigen Kräutlein. Deren
Aromen findest du in meinem Bauchfett
wieder, freu dich darauf!
Darauf kannst du Speck nehmen. Woher
kommst du überhaupt, so struppig, wie
du aussiehst?
Alfred: Ursprünglich aus Ungarn. Unsere
Rasse – Mangalitza – wühlt sich seit
200 Jahren durch die Böden Osteuropas.
Dank den dichten Haaren und der enormen Speckschicht fühlen wir uns durch
alle Jahreszeiten sauwohl draussen.
Darum riechen wir auch viel besser, nach
Büschlein und dem Wind, der unsere
Borsten zerzaust. Vor einiger Zeit
verdrängte uns das profane englische
Hausschwein beinahe. Sie sind auf
schnelles Wachstum und weniger
Fettanteil gezüchtet, der Markt verlangte
nach den mageren, bleichen Cousins.
Unser Bestand schrumpfte bis auf
wenige hundert Kollegen. Doch dann
nahmen sich einige Gourmets unserer
Sache an und sicherten durch ihre Gier
auf unser Fett den Fortbestand.
Aha. Aber auch hier sind ja deine weissen Verwandten viel verbreiteter, leider
weggesperrt in grossen, fensterlosen
Ställen, aus denen es so schrecklich
riecht. Gibt es da Konkurrenzdenken?
Alfred: Stimmt, die haben nichts zu
grunzen dort. Vermutlich ist es eher Neid
auf unser schweinisch schönes Leben
an der frischen Luft. Als die Ersten von
uns in die Schweiz kamen, das war schon
schwierig. Dunkle Haut und Kraushaare! Kannst dir ja vorstellen, welche
Gedanken das hierzulande auslöste.
Aber da waren einige Enthusiasten, die
sagten: «Wir schaffen das!» Sie teilten
uns interessierten Bauern in der ganzen
Schweiz zu. Solchen, denen das Schweinewohl am Bauch liegt. Wir waren überall
willkommen. Ausser in einem Kaff
namens Oberwil-Lieli. Dort wollen sie
nur bleiche Schweine. Scheint ein gallisches Dorf zu sein. Frisches Blut und
noch dazu von dunklen Kraushaarigen
wie uns ist da unerwünscht. Das öffnet
der Inzucht Tür und Tor, was für eine
Menscherei!
Fleisch essen gilt ja immer mehr als
Verbrechen an unserem Planeten.
Müssen wir Karnivoren uns bald
bei Nacht und Nebel zum Metzger
schleichen, falls der nicht schon von
militanten Veganern zum MandelmilchAbfüllen zwangsrekrutiert wurde?
Alfred: Tja, es läuft gerade gewaltig
schief. Die Hälfte der Weltproduktion
an Getreide wird für die Tierfütterung
verschwendet, was für ein Irrsinn. Würde
jedermann drei Tage in der Woche
vegetarisch essen, die Welt wäre eine
andere. Dabei muss auch niemand gleich
zum Gemüse-Fundi werden. Und bitte
ohne Ersatzprodukte wie Schnitzel
aus Soja oder Käse aus Cashewnüssen,
comme c’est dégoûtant! Du hast ja auch
keine Ersatzfrau zum Aufblasen, oder?
Äh, ja, hast recht, eine Richtige oder
keine, klar. Und meine Luft brauche ich
für anderes, zum Beispiel um damit die
Grillglut anzufachen, auf der ich deinen
31
Bauch rösten werde. Du hast nie etwas
anderes als Gemüse, Gras und Obst
gefressen? Kaum zu glauben, so fett wie
du bist! Ein veganes Schwein!
Alfred: Fast. Bei der Mama etwas Milch
gezapft, ein paar Wochen lang. Sonst nur
Gemüseresten und altes Obst. Und was so
auf unserer Steilwiese wächst. Das Beste
sind die vergärten Trester im Herbst,
die uns Hampi überlässt, wenn er seinen
Wein keltert. Da laden wir jeweils die
Nachbarsschweine zur Stallparty und
lassen echt den Menschen raus.
Hört sich nach einem glücklichen Dasein
an. Ich verspreche dir, eine exquisite
Zubereitung wartet auf dein Bäuchlein,
du darfst deinem Ableben gelassen
entgegensehen.
Alfred: Schön. Schon Brecht sagte:
Die Sau ist erst wirklich tot, wenn
niemand mehr an sie denkt. Und ich
weiss, meinen Bauch wirst du nie
vergessen. Also: Schwein gehabt!
R I C H A R D K Ä GI i s t F ood­ Scou t bei
Globus . A u f der Suche nach de m w ahr ha f t
Gu t en r ei s t er um die ganze Wel t . Das
Wollschwein ­ R e zep t f inden S ie au f
gl obus .ch /de /delica t es s a / f oodscou t
ZÄSUR
WAHRGENOMMEN
Ein Lob der Butter
Tex t E L I S A B E T H B R O N F E N
FOTO: GETTY IMAGES
Marlene Dietrich soll, laut ihrer Tochter, die
Qualität ihrer Liebhaber daran gemessen
haben, ob sie ihre berühmten Rühreier mit
Begeisterung verspeisten oder diese mit
verstohlener Ausrede zur Seite schoben. Als
Prüfung von deren Sinneslust gedacht, be­
stand das Rezept der Filmdiva darin – und
das machte es auch so besonders –, auf drei
Eier ein Pfund But ter zu verwenden.
So ungewöhnlich diese Speise als
Beweis intimer Freundschaf t auch erschei­
nen mag, der Exzess triff t im Kern, warum
die einen die But ter so loben, die anderen
sie verteufeln. Sie steht für eine süsse
Geschmeidigkeit, die, im Übermass verwen­
det, auch als Zeichen dekadenter Opulenz
gesetzt werden kann. Zugleich verbessert
sie jede Speise, der sie hinzugefügt wird, so
dass sie nicht nur als etwas Angenehmes
und Nützliches begriffen wird, sondern
regelrecht für jenen Zusatz steht, der
notwendig ist, damit eine Sache gelingt. So
sagt man von jemandem, der ent täuscht ist
und den Mut verloren hat, «ihm fällt die
But ter vom Brot». Jemandem die But ter auf
dem Brot nicht zu gönnen, bedeutet hinge­
gen, neidisch auf ihn zu sein, sich nicht die
Il lus t r a t i o n N A O M I E L L I O T T
But ter vom Brot nehmen zu lassen, dass man
sich nicht benachteiligen lässt. Ist einem
wiederum das Glück nicht günstig, so sagt
das Sprichwort: Es bleibt keine But ter auf
seinem Brot liegen.
Mein Lob der But ter hat aber vor­
wiegend damit zu tun, dass ich den ihr
zugesprochenen apotropäischen Zauber
ganz konkret in meiner Küche zum Einsatz
bringe. Vor kühnen E xperimenten brauche
ich keine Angst zu haben, kann ich mich
doch auf einen einfachen Grundsatz des
Kochens verlassen: Fast jede Speise wird
mir gelingen, wenn ich den Mut aufbringe,
genug But ter zu benutzen. Die Tomaten­
sauce erhält eine cremige Süsse, das im
Zehn Dinge, die dich
im neuen Jahr
weniger glücklich
machen werden
Tex t R A P H A E L GÜ L L E R
Auf dem Rückflug von San Francisco habe
ich eine digitale Geschäf tsidee ersonnen.
Ich war dabei, einen Selbstverbesserungs­
artikel in Listenform zu lesen. So à la «Zehn
unnütze Dinge, die du wissen musst. Num­
mer sieben wird dein Leben für immer
verändern!». Die sind gerade schrecklich
populär. Und das natürlich nicht ohne Grund:
Unser Hirn versteht die Welt in Schubladen.
In den «Listicles», wie die Artikel im Fach­
jargon genannt werden, wird uns das
Sortieren und Abgrenzen von Informationen
abgenommen. Schon Got t war sich wohl der
Trägheit seines Menschen bewusst, als er
die Zehn Gebote formulierte.
Während der Lek türe des Ar tikels ist
mir eingefallen, dass ich mir bald wieder
gute Vorsätze fürs neue Jahr zurechtlegen
muss. Natürlich nur, um dann beim Korken­
knallen zu monieren, dass man sich sowie­
so nie daran hält. Wieso also nicht eine
App star ten, die Listen, Vorsätze und Moti­
vierung kombinier t? Die App würde basie­
rend auf meinem Verhalten zehn Dinge
vorschlagen, in denen ich mich verbessern
soll. Die Vorsätze wären selbst verständ­
lich individualisier t, das ist heute Standard
im Web. Wie neulich, als ich Kondome auf
Amazon Prime Now bestellt habe. Die wer­
den da ganz praktisch inner t einer Stunde
geliefer t. Aber mein ganzes Instagram war
danach voll mit personalisier ter Präser­
vativ­Publicit y. Unheimlich reibungslos.
Die App jedenfalls würde dann im neu­
en Jahr mit dem Coaching beginnen und
zum Vorsatz «Keine Nägel kauen!» aufzei­
gen, was ich in der letzten Stunde alles
Ekliges angefasst habe. Und im Fast­Food­
Restaurant zeigt sie ein Video darüber, wie
Chicken­Nuggets hergestellt werden, da­
mit ich dem Ziel «Sixpack!» näher komme.
Einzig den Vorsatz «Weniger Zeit am
Smar tphone!» würde die App nicht un­
terstützen. Das wäre schlecht für den
Geschäf tsgang, schliesslich soll mich die
Idee ja schnell reich machen. Für die Mone­
tarisierung werden gesponser te Tipps
sorgen. Zum Vorsatz «Wieder mehr Sex!»
32
Ofen geröstete Obst die richtige Kara­
mellisierung, und aus dem Kar tof felpüree
wird eine samtige Delikatesse. Doch auch
weil sie so reich an Ver wandlungen ist,
begeister t mich diese umstrit tene Zutat.
So bildet sie beim Zubereiten von brauner
But ter zuerst eine schaumige, weisse Flüs­
sigkeit, wird dann durchsichtig golden und
schlägt grosse, luf tige Blasen, bevor sie
schliesslich eine braune Farbe annimmt
und einen nussigen Duf t verströmt. Um
einen Crumble zuzubereiten, lasse ich die
mit Mehl und Zucker vermischten But ter­
flocken so lange durch die Finger gleiten,
bis sich winzige Perlen gebildet haben. Und
wenn ich beim Abschmecken einer Speise
den Eindruck habe, es fehle ihr et was,
erinnere ich mich an den Geheimtipp der
französischen Spitzenköche: Einfach mehr
But ter ver wenden. Sie ver wandelt alles zu
einem wunderbaren Ganzen.
E L I S A B E T H B R O N F E N is t P r o f e s s or in f ür angl o ­
amer ik anische L i t er a t ur­ und K ul t ur w is sen ­
scha f t en an der Uni ver si t ä t Z ür ich . Ihr neus t es
Buch , «B e se s sen . M eine K ochmem oir en» , is t i m
N o vember bei m E ch t zei t­Ver lag er schienen .
kann Amazon die Kondomlieferung in Stun­
denfrist anpreisen, zum Vorsatz «Mehr Zeit
mit den Kindern verbringen!» McDonald’s
seine Chicken­Nuggets.
Ebenfalls unterschlagen würde die
App gewisse Tipps zum Vorsatz «Glücklich
sein!». Gemäss Studien waren Er wachsene
ab dreissig in den USA letztes Jahr weniger
glücklich als Jugendliche – zum ersten Mal
seit Beginn der Erhebung in den siebziger
Jahren. Eine gängige Definition von Glück
ist Realität, dividier t durch Er war tungen.
Öf fnen die vielen Listen und Vorsätze die
Kluf t zwischen Wunsch­Ich und Realitäts­
Selbst immer mehr? Wird mit steigendem
Alter of fensichtlich, dass wir die überhöh­
ten Er war tungen an uns selber nie er füllen
werden? Macht uns die Suche nach dem
Glück unglücklich?
Meine Vorsätze für diesen Silvester
lauten auf jeden Fall «Weniger Selbstver­
besserungs­Artikel!» und «Keine schwach­
sinnigen Business­Ideen!». Aber wie wir
wissen, halten diese Vorsätze eben nie.
Interessierte Investoren finden meine Kon­
taktdetails in der Kurzbiografie unten.
R A P H A E L GÜ L L E R be t r eu t als Mar kenber a t er in
L ondon z ahlr eiche i n t er na t ionale U n t er neh men .
K or r e sp on den z i n L is t en f or m ni m m t er ger ne
un t er hell o @ r aphaelgueller.com en t gegen .
ZÄSUR
WELTORDNUNG
Verliegen
Tex t B A R B A R A V I N K E N
Apropos schenken: Wünschen sich die
meisten Leute nicht immer geschenkte
Zeit? Hier ein Traum zum Zeitgeschenk,
den mir gleich mehrere Freunde erzählt
haben: Sie träumten davon, nicht mehr
aufzustehen und mit der Geliebten, dem
Geliebten einfach liegen zu bleiben.
Dieser Traum war keineswegs eine
erschreckende Vision von Bet tläge­
rigkeit, es war nicht Todessehnsucht,
sondern Wunschtraum. Sofort denkt
man an Erec und Enide, blieben doch im
gleichnamigen mit telalterlichen Roman
die frisch verheirateten, über die Ohren
verliebten Königskinder einfach im Bet t
– bis zum Mit tag! Sie verliggen sich,
stat t sich um ihre gesellschaf tlichen
Pflichten zu kümmern, und werden zum
Spot t des Hofes.
Ans Bet t werden Eric und Enide
vom Eros gefesselt, während die heu­
tigen Zeitgenossen darin eher einen
Or t sehen, wo sie von allem und jedem
verschont bleiben. Hier wird man in
Ruhe gelassen, keiner stellt Ansprü­
che. Keine erotischen Hochleistungen,
keine spor tlichen Gipfelleistungen,
kein Feststress, kein Akkord, kein
Zwang zu Dauergenuss und Dauer­
glück, kein scheinbar zwangloses,
umso angestrengteres Eingepasstsein
in Arbeitsabläufe, keine Abenteuer­
reisen – kurz, man entzieht sich allen
Ansprüchen, den eigenen wie jenen
der Welt, im Guten wie im Schlechten:
Il lus t r a t i on J E A N - M I C H E L T I X I E R
zur richtigen Zeit am richtigen Or t
zu sein, optimal zu funktionieren, alles
wie am Schnürchen laufen zu lassen,
punk tgenau zu landen, maximalen
Spass zu haben.
Seit Jahren wird folglich das Bet t
als Or t des Schlafens gefeier t. Noch
nie aber hat man das Für und Wider –
et wa: welche Matratze? – hin­ und
hergewendet wie heute. Jeder ist eine
Prinzessin auf der Erbse geworden.
Ein unerschöpfliches Thema sind die
möglichen Füllungen der Kopfkissen,
Sand vom Meer oder Kirschkerne?
Selten sahen so viele Leute das Glück
der Welt nicht auf dem Rücken der
P ferde, sondern in der Horizontalen.
Der Schlaf – früher glat te Zeit ver­
schwendung oder als Schwester des
Todes die dunkle Seite des Lebens –
wird zum himmlischen Höhepunkt. Die
einst ver fängliche Frage: «Schläfst du
mit mir?», kann plötzlich ganz wör tlich
gemeint sein. Das Cocooning hat mit
dem Kult ums Bet t eine neue Radi­
kalisierung er fahren; die Auszeit, das
Zeitschenken hat eine andere Dimen­
sion erreicht: «Sunday in Bed» – eine
Firmierung mit Zukunf t. Um wirklich zu
leben, nicht am Leben vorbeizuleben,
steht man nun nicht mehr auf, sondern
bleibt einfach liegen.
Aber auch hier gilt: Gewusst wie,
denn man liegt, wie man sich bet tet.
Die Sehnsucht nach dem Bet t ist so
gross, dass es bis auf die Strasse
reicht: Morgenmantel und Hausrock
werden jetzt auch draussen getragen,
und selbst Bet t wäsche ist reif für
öf fentliche Bewunderung. Der ero­
tisch­exotische Boudoir­Stil der neun­
ziger Jahre mit Marabufedern, Satin­
laken, jungle fever und Versace­Ara­
besken ist dem heimisch Ver trauten
gewichen. Flanellschlafanzüge, Woll­
Hausröcke und Cashmere­Pantof feln
werden zu Lieblingskleidern, aus de­
nen man gar nicht mehr herauskommt.
Zudem heissen und verheissen Par­
fums «frisch gebügelte Baumwoll­
wäsche» oder «weisses Leinen».
Das Bet t ist ein neuer Lustor t, weil
wir hier einfach einmal gar nichts tun,
sondern uns sinnlos verliggen. An
schönen Sachen, die man hier für ver­
schenken oder geschenk t bekommen
kann, mangelt es nicht.
B A R B A R A V IN K E N is t P r o f e s s or in f ür
A llgemeine L i t er a t ur w i s senscha f t und
R o manische P hil ol ogie an der L M U i n
M ünchen . E in br ei t es P ub l ik um er r eich t e
sie m i t i hr en Über legungen zur deu t schen
F am ilienpol i t ik und z ur M ode .
AUS DEM AUGENWINK EL
Jugendlicher
Übermut
Tex t un d F o t o gr a f ie BI C E C U R I G E R
BI C E C U R I G E R is t k üns t ler ische Dir ek t or in der F on da t ion V incen t van Gogh
A r les und C he f r edak t or in der K uns t pub l ik a t ion «Par ke t t » .
Z u vor w ar sie w ähr end 2 0 Jahr en K ur a t or in am K uns t haus Z ür ich .
33
ZÄSUR
Ooooh!
Te x t un d Ill us t r a t ion S A R A H I L L E N BE R G E R
Jahresende! Zeit für selbstgemachte Ge­
schenke. Meine Lieblingszeit! Wenn ich
et was schenke, gehe ich genauso vor wie
bei der Arbeit an einem neuen Projek t:
Brainstorming, Recherche, Produktion und
schliesslich Präsentation. Das klingt viel­
leicht über trieben und unpersönlich, aber
das ist es keineswegs. Ich versuche, mir ab
einem Monat vor Weihnachten nicht mehr
viel anderes vorzunehmen, um mich ganz
auf das Schenken zu konzentrieren. Ich bin
quasi ein Geschenk­Nerd.
Schuld daran sind meine Eltern. Als ich
klein war, haben sie sich geweiger t, mir
gekauf te Geschenke zu Gebur tstagsfeiern
mitzugeben. Ich solle mir doch et was Per­
sönliches einfallen lassen, meinten sie.
«Wieso bastelst du nicht lieber et was
selbst? Du kannst das doch so gut!» Wie
of t habe ich mich in Grund und Boden ge­
schämt, wenn eine coole Freundin dann
eine von mir gebastelte Collage aus dem
Geschenkpapier riss. Erst Jahre später
habe ich meine Eltern verstanden, als
Freunde von mir anfingen, sich dafür zu
entschuldigen, mir «nur et was Gekauf tes»
zum Gebur tstag zu überreichen.
In Japan gibt es 25 verschiedene An­
lässe zum Schenken: Wenn jemand auf
eine Reise geht, zur Genesung, zu Neujahr
oder als Beileidsbekundung. Es gibt sogar
Sommer­ und Winter­Schenkfeste. Kein
Wunder, wird Japan auch das Land des
Schenkens genannt.
Die Kritik am Schenken habe ich nie
verstanden. Man muss sich dem Konsum­
terror nicht beugen, es geht vielmehr um
die Auseinandersetzung mit und Wer t­
schätzung für Menschen, die einem wichtig
sind, um eine kleine Geste, um ein Ritual,
das uns Besinnung bescher t.
S A R A H I L L E N B E R GE R be w eg t s ich i n ihr en
Wer ken z w ischen K uns t und Design . O f t se t z t sie
A ll t agsgegens t ände i n einen über r aschenden
K on t ex t . Im Magaz i n « Z » gib t die gebür t ige
M ünchner in und Wahlber liner in E inb l ick i n ihr e
Bil der­ und Gedanken w el t .
34
Z
IM BILDE
Alle Jahre wieder
FOTOS D O U G L A S M A N D R Y
REDAKTION K I M D A N G , A N N A K A M I N S K Y
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COPENHAGEN bei KURZ, Damenuhr «Classique Phase de Lune», Weissgold, Automatik, 30 mm (24 100 fr.)
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Papier (etwa 50 fr.) HAY bei EINZIGART, Chronograf «Artelier Calibre 112», Edelstahl, 43 mm (6300 fr.) ORIS,
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FOTO-ASSISTENZ A L A DIN B O R I O L I
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Tischtuch Karo schwarz, Leinen (16 fr. und 258 fr.)
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Hayon (94 fr.) FRIT Z HANSEN bei
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Kristallglas (95 fr.) MOSER bei MEISTER SILBER,
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Diamanten, (72 500 fr.) CARTIER,
Spiegel «Rainbow Mirror», Design: Studio Roso
(833 fr.) FRIT Z HANSEN bei WOHNBEDARF
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37
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Vintage-Weinkelch, Kristallglas, Einzelstück (420 fr.) AUX ARTS DU FEU,
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Geschenke
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Z
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FRIT Z HANSEN bei WOHNBEDARF, Vase «Nuage large», Aluminium (249 fr.) VITR A
bei TEO JAKOB, Teppich «Terrazzo Red», 150×220 cm (1425 fr.) SCHÖNSTAUB,
Sitzkissen, Velours (290 fr.) ARTIANA
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Schachtel-Set (5 Stück) «Box Box Desktop», Karton, Papier (etwa 50 fr.) HAY bei
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Gelbgold, 28 mm (8100 fr.) ROLE X , Mantel, Neopren, und Rollkragenpulli, Alpakaund Schurwolle (etwa 750 fr. und 380 fr.) BOSS
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IM BILDE
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Z
Z
43
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44
MANUFAKTUR
Z
TEXT D AV I D S T R E I F F C O R T I
Jenseits von Nostalgie
Lagune oder Autobahn? Die meisten von uns
brächte diese Wahl wohl kaum ins Grübeln. Auch
Carlo Urbinati nicht. Der italienische Architek t
mag das Meer, doch Mit te der neunziger Jahre
wählte er die Option, die weniger nach Salzwasser roch. Dafür jedoch nach Zukunf t. Denn mit
dem Umzug von Murano nach Marcon, aufs venezianische Festland, erschloss er seiner Firma
nicht nur ein ef fizientes Distributionsnetz, das
sich inzwischen bis nach China und in die USA
erstreck t, sondern legte den Grundstein für ein
modernes Design-Unternehmen, das auch in einem
leidgeprüf ten Markt noch immer expandier t.
Foscarini bezeichnet sich als Produzent hochwer tiger Leuchten – nicht jedoch als Hersteller,
was häufig in denselben Topf gewor fen wird, im
vorliegenden Fall jedoch einen signifikanten Unterschied darstellt. Schon als die Firma noch auf
der Insel der Glasbläser zu Hause war und riesige,
massgeschneider te Kronleuchter für eine vermögende Klientel aus dem arabischen Raum fer tigte,
war man auf Zulieferer und ex terne Werkstät ten
angewiesen, da es an einer eigenen Produktionsstät te fehlte. Auf Murano erntete man dafür
skeptische Blicke, doch was damals noch als
Schwäche betrachtet wurde, hat sich mit tlerweile als eine der grossen Stärken von Foscarini
entpuppt. Ohne Fabrik muss man weder einen
Maschinenpark am Laufen halten noch Handwerker dauerhaf t beschäf tigen. Vor allem aber
kann man bei jedem Projek t auf spezifische
Herausforderungen – seien sie technologischer
oder materieller Ar t – reagieren und sich jeweils
an jene Spezialisten wenden, die im entsprechenden Fall das beste Resultat versprechen.
Dies war insofern wichtig, als die jungen Gestalter Carlo Urbinati und Alessandro Vecchiato
bei ihrem Einstieg in die Firma darauf drängten,
nicht mehr nur auf Bestellung zu ent wer fen, sondern eine eigene Kollek tion aufzubauen. Dabei
wollten sie sich nicht auf Muranoglas beschränken, das neben vielen Vorzügen durchaus auch
Nachteile auf weist und nicht für jedes Projek t
geeignet ist. An der Verbundenheit von Foscarini
zur umliegenden Region hat dies nichts geänder t.
Ohne die hier vorherrschenden Strukturen könnte die Firma kaum in der Form bestehen, wie sie
dies heute tut. «Was italienisches Design auszeichnet, ist das engmaschige Netz aus familiengeführ ten, kleinen Werkstät ten und Unternehmen, die über viel Sachkenntnis ver fügen, flexibel
auf spezifische Wünsche eingehen und diese
rasch umsetzen können», sagt Urbinati. Bei grossen Industriebetrieben, wie man sie beispielsweise in Deutschland häufig vor finde, könne man
OBEN Der Architekt
Carlo Urbinati ist
Miteigentümer und
Manager von Foscarini.
RECHTS OBEN Der Hauptsitz von Foscarini
in Marcon sieht von
aussen aus wie eine
Fabrik, im Innern
gleicht er eher einer
Schönheitsklinik.
RECHTS Die Leuchte
«Aplomb» hat man
zusammen mit einem
Beton-Spezialisten
realisiert.
Foscarini
FOTOS: PD
Der Leuchtenproduzent Foscarini stammt aus Murano. Das berühmte Glas der Insel bestimmt die
Arbeitsweise der Firma jedoch ebenso wenig wie dessen romantisches Image. Vielmehr setzt das
innovative Design-Unternehmen auf Forschung, Kreativität und das Know-how der Region
Z
nicht einfach an die Tür klopfen und er war ten, dass diese
bereit seien, einen kleinen Protot yp für einen zu bauen. Das
gehe nur, wenn man eine persönliche, enge und über viele
Jahre erprobte Beziehung zu den Zulieferern aufgebaut habe.
«Die Manufakturen müssen nahe sein, damit ein stetiger Austausch stat t findet, wir gemeinsam Produk te ent wickeln und
die Arbeitsprozesse auch kontrollieren können.»
So zogen Urbinati und Vecchiato, nachdem sie Foscarini
Ende der achtziger Jahre übernommen hat ten, denn auch nicht
weit vom Gründungsor t weg. Murano ist von Marcon aus mit
Auto und Wasser taxi in rund fünfzig Minuten erreichbar, der
Flughafen ist wesentlich näher, und die Autobahn liegt direkt
vor der Tür. Die Szenerie ist dafür auch eine ganz andere. Aus
der weitgehend gesichtslosen Industriezone sticht das Hauptquar tier von Foscarini höchstens durch den markanten roten
Namenszug her vor. Umso mehr überrascht die ätherische
Atmosphäre im Innern. Lichtdurchflutete Räume, glänzende
Böden, kaum Lärm und kein Gestank – weder nach Leim und
Farbstof fen noch nach gegerbtem Leder. Man wähnt sich
beinahe in einer Klinik für plastische Chirurgie.
Der Verdacht, hier würde nur verschöner t und dekorier t,
was anderswo mit viel Schweiss erarbeitet wurde, verflüchtigt
sich allerdings schnell. Während in der hauseigenen Werkstat t
Designer Modelle aus St yropor bauen und Materialstudien
betreiben, beugen sich in der Ent wicklungsabteilung Ingenieure über eine Handvoll elek tronischer Finger, anhand derer
Stromstärken geprüf t werden, erproben in der Klimakammer
das thermische Verhalten technischer Komponenten, bringen
in Er fahrung, wie heiss ihre Leuchten bei intensiver Nutzung
werden, oder forschen nach einem passenden LED-Modul. In
der Qualitätskontrolle überprüf t und setzt man hingegen die
Teile zusammen, die von den verschiedenen Zulieferern nach
Marcon gebracht werden. Diese sind alle in Italien zu Hause,
einige von ihnen nur einen Steinwur f ent fernt.
So fähr t man gerade einmal ein paar Kilometer über die
Poebene, um bei einer der grössten Glasmanufak turen der
Region auf tätowier te Männer zu tref fen, die glühende Glaskugeln vor sich her tragen und daraus filigrane Lampenschirme
formen. Die Unternehmenskultur ist hier eine andere als bei
Foscarini, wo man alles, was man tut, auch in Wor te fasst und
MANUFAKTUR
eloquent beschreibt. Die Glasbläser sind eine verschlossene
Gesellschaf t, die Geheimnisse ihrer Zunf t werden meist nur in
der Familie, bestenfalls im eigenen Betrieb weitergegeben. Sie
hät ten jedoch grosse Schwierigkeiten, Nachwuchskräf te zu
finden, betont Urbinati – zu wenig passen wohl 9 0 0 Grad heisse Schmelzöfen, lange Nachtschichten und die antiken, aus
Birnbaumholz geschnitzten Werkzeuge der maestri, pallinai
und assistenti zur Lebenswelt junger Italiener.
Das Know-how, das in solchen Betrieben steck t, ist für
Foscarini jedoch unersetzlich. Deshalb versuchen sie auch
gemeinsam mit diesen Lösungen zu finden, um sie am Leben zu
erhalten. Beispielsweise, indem man gewisse Arbeitsschrit te
in semiindustrielle Prozesse über führ t, um Kosten zu sparen.
Oder indem man ihnen neue Geschäf tsfelder erschliesst. «Wir
liefern ihnen die Ideen zu ihren Fähigkeiten und Technologien,
das heiss t , wir zeigen ihnen, wie sie noch anders nut zen
Ohne eigene Fabrik muss man weder einen Maschinenpark
am Laufen halten noch Handwerker dauerhaft beschäftigen.
Foscarini
45
OBEN Die Leuchte
«Spokes», inszeniert
für das Magazin
«Inventario».
UNTEN Ingenieure in
der Entwicklungsabteilung experimentieren
mit Materialien und
Lichttechnologien.
46
Z
Gestalter. Ergänzt werden diese Listen mit Por träts vergessener Visionäre, verrückten Ideen oder kulturgeschichtlichen
Analysen. Die Firma als solche kommt nur auf den ersten und
letzten beiden Seiten vor, jeweils in Form einer Inszenierung
ihrer Leuchten durch einen Fotografen oder Künstler, wobei
die Produkte manchmal gar nicht zu erkennen sind.
Was nach Luxus aus vergangenen Zeiten klingt, ist für
Foscarini ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur. «Inventario» dient ihnen als Fallstudie für künf tige Projek te und
soll ihre Herangehensweise illustrieren. Auf Murano, wo mit tler weile eine Glashüt te nach der anderen schliessen muss,
runzelt man deswegen wohl hin und wieder die Stirn. Doch die
Insel ist – wenn überhaupt – nur noch am Horizont zu erspähen.
Näher liegt die Autobahn.
Foscarini
Der Leuchtenproduzent Foscarini
wurde zwar ursprünglich auf
Murano gegründet, setzt jedoch
schon länger nicht mehr aus­
schliesslich auf das berühmte Glas
der Insel in der venezianischen
Lagune. Je nach Gestalt, Funktion
und Zweck eines Produkts expe­
rimentiert man gerne mit Kunst­
stoffen, Aluminium, Beton, Holz
oder gar Washi­Papier – wobei
man hierzu jeweils mit dafür geeig­
neten Werkstätten und Betrieben
zusammenspannt. Der Mitinhaber
und Architekt Carlo Urbinati hat
es in den letzten dreissig Jahren
geschafft, aus einem kleinen
Produzenten massgeschneiderter
Kronleuchter ein Design­Unterneh­
men mit fast 100 Mitarbeitern zu
machen, das jährlich 45 Millionen
Euro umsetzt. Foscarini unterhält
Büros im italienischen Marcon,
in London, New York sowie in
Japan und verfügt über ein hoch­
modernes, digitales Distributions­
system, das Kunden von Mailand
bis Tokio innerhalb weniger Tage
beliefern kann. In Bezug auf die
Gestaltung arbeiten die internen
Design­ und Entwicklungsabtei­
lungen mit Designern wie Rodolfo
Dordoni, Ferruccio Laviani und
Patricia Urquiola zusammen. (das.)
foscarini.com
OBEN Die vielfältige
Materialwahl des
Unternehmens zeigt
sich bei den Leuchten
«Aplomb» aus Beton,
«Caiigo» aus Glas und
Aluminium, «Jamaica»
aus beschichtetem
Papier, «Birdie» aus
Kupfer und «Chouchin»
aus mundgeblasenem
Glas (von links nach
rechts).
UNTEN LINKS Bevor
die Leuchten des
italienischen
Produzenten auf den
Markt kommen, werden
sie zahlreichen
Tests unterzogen.
FOTOS: PD
können, was sie schon längst beherrschen», erklär t Urbinati.
So grif f man beispielsweise bei der Leuchte «Twiggy» auf ein
Komposit-Material zurück, das von einer Firma stammt, die bisher hochwer tige Angelruten hergestellt hat te, die der billigen
Konkurrenz aus Asien jedoch nichts mehr entgegenzusetzen
hat te. Die Pendelleuchte «Aplomb» stammt hingegen aus einer
Betonfabrik, die mit Design so wenig zu tun hat te wie Foscarini
mit gegossenen Treppen.
Urbinati spür t eine Verant wor tung für den Erhalt dieser
gewerblichen Strukturen in seiner Region. «Wir aktivieren die
Manufakturen, lassen sie nicht einschlafen.» Of t sei dafür ein
langes Pingpongspiel vonnöten, da sich nicht alle mit demselben Enthusiasmus auf ein E xperiment mit dem Leuchtenproduzenten einliessen. «Wir sind jedoch har tnäckig und
flexibel, so dass am Ende alle Seiten profitieren», sagt der
kreative Unternehmer. Sich mit einem «Handcraf ted»-Stempel
zu brüsten, wie dies zurzeit sehr in Mode ist, liegt ihm jedoch
fern. Es entspricht schlicht nicht dem Image, das er mit seiner
Firma transpor tieren will. «Wir sind keine Handwerker, wir
machen Industriedesign», betont Urbinati, obwohl viele Leuchten von Foscarini durchaus Spuren eines handwerklichen
Prozesses auf weisen.
Viel wichtiger sind Urbinati jedoch die Wer tschätzung für
gute Ent wür fe und die damit einhergehende Förderung einer
Produk tkultur. Diese erreicht Foscarini unter anderem mit
«Inventario», einer Publikation, die weit über die werberischen
Hauspostillen vieler Unternehmen hinausgeht. Die Unterzeile
«Tut to è proget to!» verrät den Ansatz des ebenso gut geschriebenen wie gestalteten Magazins, das eine Ar t Kompendium für
architek tonische Elemente, Möbelstücke und Alltagsgegenstände darstellt – hier findet man witzige, interessante und
zuweilen kuriose Zusammenstellungen von Raumfluchten über
Ventilatoren und Aschenbecher bis zu Eisskulpturen bekannter
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ZENIT
48
Z
Marke Eigenbrau
Die Zahl der Personen, die das Maximum aus Malz, Hopfen und Hefe herauszuholen
versuchen, steigt rasant. Die Schweizer Bierszene ist so innovativ wie unüberschaubar
und reicht von der Brasserie BFM mit Weltruf bis zu «gypsy brewers» wie Tom Strickler, die
nur sehr kleine Mengen herstellen. Sie alle brauen, wonach die Szene lechzt
TEXT O L I V E R S C H M U K I
In der Bierbranche werde gerne über ihn gefrotzelt. «Sie nennen
mich den lustigen Welschen», sagt Jérôme Rebetez, Gründer der
Brasserie des Franches-Montagnes (BFM). Deswegen anzufangen
zu schäumen, käme ihm jedoch nicht im Traum in den Sinn. Vielmehr schwingt Stolz in seiner Stimme mit. Seine Brasserie, gegründet 1997 und gelegen in Saignelégier in den jurassischen Freibergen, gehört zu den grössten Kleinbrauereien der Schweiz. Hier
werden im Wochentakt bis zu acht Sude à 20 Hektoliter bière artisanale gebraut, der jährliche Bierausstoss beläuft sich in diesem Jahr
auf rund 4500 Hektoliter – nicht wenig, aber doch nur ein Tropfen,
verglichen mit den geschätzten 1,8 Millionen Hektolitern, die etwa
Feldschlösschen jährlich produziert.
Den Ruf als Schweizer Craft-Beer-Pionier – als Craft-Beer
bezeichnet man in der Regel Bier, das nicht in Massen und hand-
FOTOS F A B I A N U N T E R N Ä H R E R
werklich gebraut wird – geniesst Rebetez, der natürlich genauso
gut auszuteilen wie einzustecken weiss, sichtlich. Für die Festtagszeit liess er für sein malziges, dunkles Winterbier «La Mandragore»,
das man an vielen Orten in der Deutschschweiz sowie in CoopFilialen der Romandie findet, eine spezielle Verpackung entwerfen.
Auf dieser prangt in grossen Lettern der Satz: «Die Bier vom Weihnachten». Eine zynische Salve in östlicher Richtung über den
Röstigraben? Bien sûr. Wohlgemerkt, solche Gags produziert das
Kernteam der 25-köpfigen Brasserie des Franches-Montagnes –
genau wie ihren äusserst populären Gerstensaft – im Minutentakt.
Hat jemand eine besonders gute Idee, etwa bei einem Mittagessen
oder einer Partie Tischfussball, bricht die Mannschaft jeweils
in lautes Grölen aus, hält sich den durchtrainierten oder auch
wohlgerundeten Bauch.
Bier
Seit ihrer Gründung
1997 ist die
Kleinbrauerei
Brasserie des
Franches-Montagnes
(BFM) in Saignelégier (JU) stetig
gewachsen.
ZENIT
Z
49
VON UNTEN RECHTS
IM UHRZEIGERSINN
Der jurassische
Braumeister Jérôme
Rebetez; pro Jahr
braut die Brasserie
BFM rund 3000 Hektoliter Bier; das
«Abbaye de Saint
Bon-Chien», ein
im Eichenfass
gelagertes Sour
Ale, ist das vielleicht bekannteste
Schweizer Bier;
die Brauereikatze
hört auf den Namen
«Vingt-sept».
Zahlen und
Fakten
Steuerpflichtige
Brauereien
in der Schweiz
734
(STAND OKTOBER 2016,
QUELLE: EZV)
Bierkonsum
in der Schweiz
(2015)
55,8
LITER PRO KOPF
(QUELLE: BfS)
Die Gags reichen von Etiketten, auf denen Anti-BügeleisenPiktogramme zu finden sind, über sonderbare Ladenöffnungszeiten – 13.16 bis 01.21 Uhr – bis zu der absurd genauen Alkoholgehalt-Deklaration 10,276% auf einem Imperial Stout namens «Alex
le Rouge». Ein Einfall verrät besonders viel darüber, was Rebetez
von den nach immer neuen Sorten lechzenden sogenannten beer
geeks hält. Am 1. April dieses Jahres pries BFM auf Facebook unter
dem Slogan «Neu auch in Dosen» zwei neue Produkte an: eine
Panaché-Variante des Verkaufsschlagers «La Salamandre» und eine
Wodka-Caramel-Version des Salbei-Biers «La Meule», beide im
Energydrink-Look. Dem Photoshop-Joke krochen einige auf den
Leim, die Nachfrage nach den Bieren im Brauerei-Shop tags darauf
sei gross gewesen, erzählt der Jurassier.
Rebetez habe gut lachen, könnte man nun einwenden. Schliesslich gehört sein Betrieb zu den 49 professionellen Brauereien der
Schweiz, die einen Jahresausstoss von über 1000 Hektolitern
haben. Rebetez war einer der Ersten, die nach dem Fall des Schweizer Bierkartells 1991, das ein halbes Jahrhundert lang Innovationen
verhindert hatte, mit ihren Kreationen auf sich aufmerksam
zu machen wussten – und fand Abnehmer und Anhänger. Am
Publikumsevent, dem «Brassin public» Anfang November, kamen
rund 2000 Besucher in den Genuss von nicht weniger als 17 Sorten
BFM-Bieren. Das bekannteste davon, das «Abbaye de Saint BonChien», eine säurestarke Cuvée, die bis zu einem Jahr im Eichenfass
verbringt, wurde 2009 von der «New York Times» zum besten holzgelagerten Bier der Welt erkoren. Heute wird es in 17 Gliedstaaten
der USA serviert und ist in den angesagtesten Bars von Tokio zu
finden. Rebetez bezeichnet das «Bon-Chien» als das bekannteste
Schweizer Bier überhaupt. Eine dreiste Übertreibung? Urteilen Sie
selbst. Nun drängt sich die Frage auf, was BFM anders macht als
Bier
andere Brauereien. Nebst dem Umstand, dass sie über einen charismatischen Inhaber verfügt, der ein eigentliches Anti-Marketing
betreibt – Rebetez nennt es «Schluck-für-Schluck-Propaganda» –,
fällt die deutliche Linie auf, die geschmacklich verfolgt wird.
«Unsere Biere haben alle viel Körper und einen markanten Nachtrunk. Das ist unsere Signatur», sagt Rebetez. Er halte nicht viel von
Kategorien wie Weissbier, Rotbier und so weiter: «Autos beurteilt man ja auch nicht nach ihrer Farbe.» Er, der studierte Önologe,
erkannte früh eine Lücke und setzte auf Biere, die sich durch eine
Balance auszeichnen anstatt durch «Hopfen, Hopfen, Hopfen».
Eine Produktelinie, die er «Degustator» nennt, gibt ihm die
Möglichkeit, seine Ideen in kleinen Mengen umzusetzen und in
kurzen Zeitabständen auszuprobieren. «Ich gehe damit bewusst
gegen den Trend», sagt Rebetez. Beer geeks verlangten nach kräftigen Imperial Stouts; ihnen gehe es ums Eichenfass, um viel Alkohol
und um Säure – solche Leute seien dann entsetzt, wenn sie etwa das
neuste «Degustator» probierten, ein Weizenbier, dem Orangenblütenhonig zugegeben wurde sowie weisser und rosa Pfeffer. Auf
Ratebeer.com, einem bei der Craft-Beer-Community sehr beliebten
Online-Portal, lautet ein Urteil dazu: «Zu viel Kohlensäure, zu
leichter Körper, etwas ölig, aber immerhin gut ausbalanciert.» Ein
Kommentar ganz nach Rebetez’ Geschmack.
Doch die «Degustator»-Linie folgt natürlich auch dem Trend,
indem sie eben limitiert ist. «Der Craft-Beer-Trinker verlangt ständig nach etwas Neuem», sagt etwa Tom Strickler, der es mit seinem
Label Storm & Anchor ebenfalls zu einem guten Ruf in der
Schweizer Bier-Landschaft gebracht hat. Er sei ein grosser Fan des
India Pale Ale (IPA), nach dem immer mehr Leute verlangen. Vorbilder dieses Biertyps findet er in Übersee, im «Heady Topper» von
The Alchemist in Vermont oder im «Pliny the Elder» der kalifor-
50
ZENIT
Z
Die Bierszene hat sich ausser durch Experimentierfreudigkeit
und die Unabhängigkeit der Produzenten von Anfang
an durch einen hohen Grad an Transparenz ausgezeichnet.
3
Stevan Paul
Der gelernte Koch Stevan Paul arbeitet seit gut 15 Jahren als freier FoodJournalist. Zudem ist der Deutsche
Blogger und Kochbuchautor. Zuletzt
erschien von ihm das «Craft Beer
Kochbuch» (Brandstätter, 2015).
nutriculinary.com
Wie sind Sie auf die Idee für ein
Bier-Kochbuch gekommen?
Stevan Paul Als Kochbuchautor bin ich
immer auf der Suche nach künftigen
Trends. Da lag Bier auf der Hand. Es
geht um zwei Aspekte: kochen mit und
kochen zu Bier. Ich war der Küchenjunge für den Rezept-Teil, Torsten
Goffin hat die Brauerei-Porträts und
Wissenstexte geschrieben.
Ist Bier im Begriff, Wein als Essensbegleiter teilweise abzulösen?
SP Ablösen mit Sicherheit nicht.
Aber in zukunftsorientierten
Restaurants ist Craft-Beer ein grosses
Thema. Der Mehrwert gegenüber
industriell hergestelltem TV-Bier,
wie ich es nenne, ist, dass diese Biere
komplexe Aromenwelten mitbringen.
Es werden spezielle Hopfen verwendet, es wird kalt nachgehopft, Biere
werden in Fässer gesteckt und sogar
verschnitten – beim Craft-Beer
wurde das Bierbrauen nochmals
neu gedacht.
Bier
Wie erklären Sie sich den anhaltenden Boom in dieser Szene?
SP Es gibt drei Trends, die für mich
zusammengehen: Street-Food, die
Kaffee- und Barista-Kultur und das
Craft-Beer. Alle entstehen aus einem
gesellschaftlichen Wandel heraus:
Es gibt eine neue Generation von
bewussten Geniessern, die sich über
das Geniessen hinaus Gedanken
machen: Wo kommt etwas her, wer hat
es gemacht, was steckt drin? Diese
aufgeklärten Verbraucher haben den
Industriemüll satt und verlangen nach
handwerklich gemachten Dingen, die
das Wort Lebensmittel verdienen.
Welches Bier passt zu welchem Essen?
SP Es geht immer um Bitterkeit, Süsse
und um Säure. Wenn man kombiniert,
steht die Frage im Raum: Kontrastieren oder begleiten? Süss-herbe Biere
passen gut zur asiatischen Küche und
zu einer starken Würz-Küche. Dunkle,
malzige Biere kommen auch gut
zurecht mit Schärfe. Sour-, Weizen-
und Wit-Biere wiederum passen
hervorragend zu Fisch und Meeresfrüchten. Das sind erste Ansätze, die
auch zeigen, dass da viel Luft nach
oben ist, um die Biere in die feine
Küche zu überführen.
Bier und Spitzengastronomie – wie
geht das zusammen?
SP Craft-Beer hebt sich nicht nur
geschmacklich von der Masse ab,
sondern auch, weil es nicht unbegrenzt erhältlich ist. Viele regionale
Spezialitäten sind nur im Spezialgeschäft oder online zu finden. Dieser
Handel schafft eine neue Wertigkeit,
die über das Brauen hinausgeht.
Natürlich kostet Gutes immer auch
etwas mehr. Aber viele Craft-Biere
sind preiswert, im Wortsinn.
Interview: Oliver Schmuki
Schweizer Lokale mit
ausgewählten Bieren finden
Sie auf: bellevue.nzz.ch
LINKE SEITE Rebetez
(links) hat in
Franck Grare vom
«Croix Fédérale» in
Muriaux einen Koch
gefunden, der es
versteht, Bier in
der Küche zu verwenden. Hier wird eine
Sauce mit einem
Schuss «Torpille»
von BFM verfeinert;
Juralandschaft im
Spätherbst.
Steuerpflichtige Brauereien: 612
Bierkonsum
Schweiz (in Mio. hl)
5
4
322
3
154
2
32
33
1
1990
1995
81
2000
2005
2010
2015
IMMER MEHR KLEINBRAUEREIEN
Die Zahl registrierter Brauereien wuchs seit 1990 stark
an, während der Bierkonsum relativ konstant ist.
(Quelle: Schweizer Brauerei-Verband)
nischen Brauerei Russian River Brewing Company. «Das Brauen von IPA ist ein Wettkampf.
Alle versuchen, immer noch mehr Frucht ins
Aroma zu bringen, man muss ständig an der
Rezeptur arbeiten», sagt Strickler, der vor zwölf
Jahren und im ganz kleinen Stil mit dem Bierbrauen begonnen hat.
Heute braut Strickler rund 440 Hektoliter
pro Jahr, Tendenz steigend. «Seit drei Jahren bin
ich als gypsy brewer tätig und miete mich jeweils
bei Brauereien wie Doppelleu oder Stadtguet
[beide in Winterthur] ein», erklärt Strickler, der
nebenbei in der Marketingabteilung des Sportamtes Winterthur arbeitet. Er nutze lediglich
die Anlagen dieser Betriebe, bringe jedoch seine
eigenen Rezepte und auch Ingredienzen mit.
«Ich nehme mir die Freiheit heraus, das zu
brauen, worauf ich Lust habe», sagt er. Ideen
entstünden, wenn er zum Beispiel auf einen
spannenden Hopfen stosse. Diese Arbeitsweise
resultierte bisher in über 60 verschiedenen
Bieren, die Namen tragen wie «Little Monster
Double IPA», «Galaxy» oder «Sailor Grave».
Strickler zeigt sich begeistert von der CraftBeer-Bewegung hierzulande, in der gerade sehr
viel passiere. Das sei auch an Anlässen wie dem
Zürcher Craft Beer Festival von Intercomestibles
zu spüren, an dem er als Aussteller teilnahm.
Rebetez, aber auch Raphaël Mettler von der
Brasserie des Trois Dames in Sainte-Croix bezeichnet er als Väter der hiesigen Szene. Unter
anderen sei es ihnen zu verdanken, dass heute
die Vielfalt derart gross sei.
Ja, man kann sogar rechtens behaupten,
dass die Schweiz, gemessen an den Einwohnern,
die höchste Brauereidichte der Welt hat. Das
bestätigt Marcel Kreber, Direktor des Schweizer
Brauerei-Verbandes. Kreber relativiert jedoch:
«Unsere Gesetzgebung ist gleichzeitig sehr
liberal. Erst ab 400 Litern pro Jahr ist man
biersteuerpflichtig und muss sich bei der
Zollverwaltung registrieren lassen.» Ausserdem
könne man sich in der Schweiz relativ rasch als
«Brauer» oder als «Braustätte» bezeichnen. So
findet man heute in der Schweiz über 730 registrierte aktive Brauereien – 2006 waren es noch
deren 175, Ende der achtziger Jahre rund 35. In
ganz Deutschland, wo ähnliche Bedingungen
herrschen, existieren derzeit 1390 Brauereien.
Kreber sieht im Trend, selber Bier zu brauen,
einen regelrechten Volkssport: «Die Affinität
ist stark am Wachsen, gerade bei Jungen und
vor allem auch bei den Frauen.» Seit 2011 wurde
sogar ein Biersommelier-Ausbildungsgang ins
Leben gerufen. Trotz der rasant steigenden Zahl
an Hobbybrauern und Braustätten müsse man
aber hervorheben, dass nach wie vor 49 Brauereien für 99,2 Prozent der in der Schweiz
produzierten Menge Bier verantwortlich seien,
sagt Kreber.
Auch Rebetez, der sich übrigens eher als
Szene-Grossvater verstanden haben möchte, ist
erfreut über das steigende Interesse an seinem
Beruf. Lobend erwähnt er Berufskollegen, die
bei der Officina della Birra in Bioggio arbeiten
oder bei Sudwerk in Pfäffikon (ZH), deren Biere
ebenfalls eine unverkennbare Handschrift trügen. Die USA wiederum, die Geburtsstätte des
Craft-Beer, seien ihm, der als BFM-Markenbotschafter viel international unterwegs ist,
etwas zu «n’importe quoi». «Das ist vergleichbar
mit einem Restaurant, das Sushi, Rösti und
Pizza gleichzeitig anbietet», so sein Fazit. Zudem
stosse er sich an der Tendenz, sogar Bittereinheiten und pH-Werte zu deklarieren: «Einfach widerwärtig!»
Wobei: Die Szene hat sich ausser durch
Experimentierfreudigkeit und die Unabhängigkeit der Produzenten von Anfang an durch
einen hohen Grad an Transparenz ausgezeichnet. Damit will man sich – getreu dem Credo der
modernen Do-it-yourself-Bewegung – vom Einheitsbrei gesichtsloser Massenware distanzieren. Kein Wunder, spricht Rebetez begeistert
über die Bierszene Italiens, wo man auf eine
von grossindustriellen Einflüssen weitgehend
verschonte Vergangenheit zurückblicke: «Mir
gefällt der ‹Chilometro zero›-Ansatz, der ganz
auf Regionalität setzt», sagt er. Zudem werde in
Italien auf natürliche, unverkrampfte Weise
Bier mit Essen kombiniert und zum Kochen verwendet. Er, der selbst gerne und oft Bier in der
Küche einsetzt, spannt immer wieder einmal
mit Köchen zusammen wie mit Franck Grare
vom Restaurant de la Croix Fédérale im nahe
gelegenen Muriaux, mit dem er das Wirtepatent
gemacht hat und der gerne ab und zu BFM-Biere
für Saucen oder zum Marinieren verwendet.
Dass immer mehr Menschen BFM-Biere
trinken werden, ist zu erwarten. Nächstes Jahr
wird mit dem Bau eines zusätzlichen Produktionsgebäudes begonnen. Das Ziel ist eine
Verdoppelung der Produktion. An der Attitüde,
das Bier stets neu erfinden zu wollen, ohne
sich selbst untreu zu werden, wird Rebetez aber
festhalten: «Wir stellen 0,005 Prozent des
Schweizer Bierkonsums. Wir können machen,
was wir wollen.»
Bier
Erhältlich bei
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w
verkauft keinen Wein, Champagner und Schaumwein an Jugendliche unter 18 Jahren. www
ZENIT
Z
DIE PERFEKTE BALANCE
Legaris entsteht durch die Charakteristik des Bodens auf
dem er wächst. Hergestellt aus sorgfältig ausgewählten
Tempranillo-Trauben der Region Ribera del Duero.
Seine Unverkennbarkeit wird durch die Reifung in über
21 verschiedenen Fassarten aus französischer und
amerikanischer Eiche geprägt. Dies wird bei Legaris als
„Cooperage“ bezeichnet. So definiert er seinen eigenen
Stil, erwirbt neue Aromen, Eleganz und höchste
Komplexität in perfekter Balance.
52
ZUTAT
Z
Honig
(MEL)
H O N I G I S T E I N N AT U R P R O D U K T, WA S J E D O C H N I C H T U N B E D I N G T B E D E U T E T, D A S S J E D E R H O N I G A U C H N AT Ü R L I C H H E R G E S T E L LT W I R D
Tex t CHRIS T IN A HUBBEL ING
F o t o NIC OL E BACHM A NN
S t y ling A L EL I L E A L F ÜR S T UDIO L A RDO Illus t ra t ion P E T ER J A ME S F IEL D
Seit weisser Industriezucker die Verkörperung des Bösen darstellt, haben
Süssungsmittel wie Agavendicksaft,
Ahornsirup oder Honig stark an Popularität gewonnen. Honig besteht
hauptsächlich aus den Zuckerarten
Fructose (Fruchtzucker) und Glucose
(Traubenzucker) und wird von der
Honigbiene (Apis mellifera) zur eigenen Nahrungsversorgung erzeugt. Es
scheint eine starke Verunsicherung zu
geben, ob es denn nun eine gute oder
schlechte Sache sei, Honig zu konsumieren. Sicher ist: Industriell hergestellten (Import-)Honig sollte man
nicht kaufen, denn er ist selten artgerecht produziert. Beim (Bio-)Imker
aus der Region kann man hingegen
davon ausgehen, dass er verantwor-
tungsvoll mit seinen Bienenvölkern
umgeht und diese nicht ausbeutet.
Nebst Blütenhonig gibt es den sogenannten Waldhonig. Dieser entsteht
aus Honigtau, einer Melasse, die von
Blattläusen und anderen Insekten ausgeschieden und von Bienen gesammelt wird. Beim Blütenhonig wird
zwischen gemischtem und sortenreinem unterschieden. Letzterer stammt
zu mindestens 50 Prozent aus einer
Pflanzentracht. Ob rein oder nicht, ist
kein Qualitätskriterium, sondern nur
eine Frage des Geschmacks. Jeder
noch so gute, naturbelassene Honig
kristallisiert übrigens nach einer gewissen Zeit. Um ihn wieder zu verflüssigen, stellt man ihn bei rund 30 Grad
ins warme Wasserbad.
Honigmousse
Lebkuchen
Zutaten für 4 Portionen
3 Blatt Gelatine, 5 Eigelb, 2 EL Marsala,
2 EL Akazienhonig, 2½ dl geschlagener
Vollrahm, 2 filetierte Orangen
Zutaten für 1 Cakeform
2 TL Lebkuchengewürz, 200 g Honig, flüssig,
150 g Weissmehl, 100 g Roggenmehl,
120 g Rohrohrzucker, 1 dl Vollmilch,
Schale von 2 Bio-Orangen, 2 TL Backpulver
Zubereitung
Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Eigelb
und Marsala mit 1 EL Honig verrühren. Im heissen Wasserbad 7 Minuten mit dem Schneebesen aufschlagen. Gelatine ausdrücken, in
der heissen Masse auflösen. 1 EL Honig zugeben, im kalten Wasserbad rühren. Schlagrahm unterheben. In Dessertformen füllen,
zugedeckt mind. 6 Stunden kalt stellen. Stürzen, mit den Orangenschnitzen dekorieren.
Zubereitung
Gewürz und Honig vermischen, 15 Minuten
ziehen lassen. Nach und nach Mehl, Zucker,
Milch, Orangenschale und Backpulver beimischen. Cakeform mit Butter einfetten. Die
Teigmasse einfüllen, 45 Minuten im auf
180 Grad vorgeheizten Ofen backen. Abkühlen
lassen. Kuchen in Scheiben schneiden, mit
Butter bestreichen und geniessen.
Braten an Honigsauce
Zutaten für 4 Personen: 80 g Honig, 1 TL scharfer Senf, 50 g weiche Butter, 1 kg Schweinebraten, Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle,
2 EL Bratbutter, 50 ml Cognac, 2 dl Kalbsfond, ½ dl Doppelrahm, Salz und Pfeffer, 1 Bund frischer Thymian
1. Ofen auf 80 Grad vorheizen,
Honig, Senf und Butter mischen.
Fleisch mit Salz und Pfeffer rundum würzen. In der heissen Bratbutter im Bräter scharf anbraten.
2. Honig-Butter-Mischung beifügen.
Mit Cognac ablöschen, einköcheln.
Das Fleisch im Ofen zirka 4½ Stunden
bei 80 Grad garen, bis die Kerntemperatur 63 Grad beträgt.
3. Bratenjus und Kalbsfond in ein
Pfännchen geben, bei mittlerer
Hitze zur Hälfte reduzieren. Rahm
beifügen, köcheln, bis Sauce leicht
bindet, salzen und pfeffern.
Weitere Rezepte finden Sie online auf:
bellevue.nzz.ch
4. Vor dem Servieren Sauce wärmen,
Thymianblättchen abzupfen, beifügen. Braten in Scheiben schneiden,
auf vorgewärmte Teller anrichten,
mit der Sauce übergiessen.
L É M A N
G R A N D
B L E U
Caran d’Ache hat sich von der landscha�lichen Schönheit des Genfersees und seinem Farbzauber zu einem
Schreibgerät inspirieren lassen, das Fernweh weckt und uns träumen lässt. Das Léman Grand Bleu Schreibgerät
überrascht ebenso wie er blendet. Durchscheinender blauer Lack lässt die fein eingravierten Wellen so intensiv
glitzern wie das kristallklare Seewasser. Erhältlich als Füllfederhalter, Tintenroller, Kugelschreiber und Minenhalter.
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54
ZU TISCH
Z
Afternoon-Tea mit
Alice
F
D
B
E
C
A
A
C
B
«Phantasie ist
die einzige Waffe
im Krieg gegen
die Realität.»
Serviette (14 Fr.),
bei Artiana
«Scheine, was du
bist, und sei,
was du scheinst.»
Teller «Clown»
(160 Fr.), von
Marcel Wanders
für Koninklijke
Tichelaar
Makkum, bei
Limited Stock
D
«Es tut mir leid,
dass ich mich
nicht erklären
kann, aber ich bin
nicht ich selbst.»
Hase (59 Fr.),
von Porzellanmanufaktur
Fürstenberg,
bei Aux arts du feu
E
«All das Gerede
von Blut und
Erschlagen
verdirbt mir
den Appetit auf
Tee.»
Keramik-Teekanne
(280 Fr.), von
Jurgen Bey für
Koninklijke
Tichelaar
Makkum, bei
Limited Stock
F
«Du musst deine
Augen schliessen,
sonst wirst du
nichts sehen.»
Teekanne aus dem
Set «Tête à tête»
(6 Teile, 835 Fr.),
von Ginori,
bei Aux arts du feu
«Ich bin nicht
verrückt. Meine
Realität
ist einfach ein
bisschen anders
als deine.»
Teekanne
«Cendrillon»
(320 Fr. ), von
Astier de Villatte,
bei Limited Stock
ZU TISCH
Z
55
Tex t DAV I D S T R E I F F C O R T I
F o t o s N I C O L E B A C H M A N N S t y l i ng A L E L I L E A L F Ü R S T U DI O L A R D O
Der britische Schriftsteller Lewis Carroll schrieb in den 1860er Jahren ein verrücktes
Buch, das rasch zum Bestseller avancierte. Bis heute wird «Alice im Wunderland» in vielfältiger
Weise zitiert. Wir servieren ein paar Aphorismen daraus zum Tee
I
H
G
G
H
«Das Unmögliche
zu schaffen,
gelingt einem nur,
wenn man es für
möglich befindet.»
Teller «Pistacia»
(65 Fr.), von
John Derian,
bei Limited Stock
I
«Wir sind keine
Kerle. Wir sind
Herren. Du kannst
mit uns reden wie
mit vernünftigen
Menschen.»
Messerbänke in
Pilzform (6 Stück,
85 Fr.), von Ateliers
d’Art La Galine,
bei Limited Stock
Alice im Wunderland
«Es ist besser,
gefürchtet
zu werden, als
geliebt.»
Frühstücksteller
«Rhomben»
(95 Fr.),
bei En Soie
Design & Wohnen
Kochen & Geniessen
Uhren & Schmuck
Reisen & Entdecken
Auto & Gadgets
Foto: Luke & Nik
Mode & Beauty
Schöne Ausblicke
für Uhrenkenner
und Schmuckliebhaber
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ZUGABE
T
57
- D E S TI
T
L A
S TA
L
D
Z
B
N
R O
O K L Y
Vorgartengespräche
V O R GU T 2 5 J A HR E N M A C H T E SP IK E L E E S F IL M «DO T HE R IGH T T HIN G» DA S Q U A R T IE R BE DF O R D - S T U Y V E S A N T IN
B R OOK LY N BE K A NN T. V IE L E S H AT SIC H S E I T HE R V E R Ä NDE R T, E INIGE S IS T JE DO C H GL E IC H GE BL IE BE N . IN «BE D - S T U Y»,
JE N S E I T S DE S S HOP P IN G - R U M M E L S V ON M A NH AT TA N , K A NN NOC H E C H T E R NE W Y O R K E R A L LTA G E R L E B T W E R DE N
Tex t M O N I C A P O Z Z I
Die U-Bahn taucht aus dem Untergrund von Manhattan auf und
rattert über die Williamsburg-Brücke, vorbei am Hipster-Quartier
und hinein in die Perle von Brooklyn, Bedford-Stuyvesant, kurz
Bed-Stuy. An der Strassenecke spielen ein paar Männer Domino.
Laut klopfen die Steine auf den Campingtisch. Es riecht nach
frisch grilliertem Fleisch. Ein Wagen fährt um die Ecke. Der Bass
erschüttert das Geschehen. «Bed-Stuy, the place where my head
rests», rappt Biggie Smalls in «Machine Gun Funk». Es ist Freitagabend. Mister Softees Eiswagen hat am Ende des Blocks parkiert.
Die Türen der kleinen Kirche im Ladenlokal gegenüber sind offen.
Laut ertönt die Predigt, raus bis auf die Strasse. Bedford-Stuyvesant hat mehr als siebzig Kirchen, Tempel und Moscheen.
Das Quartierleben findet hier nicht hinter verschlossenen
Türen statt. Im Sommer ist der Vorgarten die Erweiterung des
Wohnzimmers. Dort spielt sich ein grosser Teil des Alltags ab. Man
sitzt auf der Treppe vor dem Haus, dem stoop, politisiert über den
Gartenzaun mit Nachbarn und Passanten. Mit Lockenwicklern im
Haar und dem do-rag auf dem Kopf macht man Besorgungen im
Laden an der Ecke und geniesst das allabendliche Treiben auf der
Strasse. Der Cornerstore, auch Bodega genannt, ist die Lebensader
des Quartiers. Dort findet man alles, was man zum Überleben
Fotos RENÉ FIETZEK
braucht: ein frisches Egg-Roll-Sandwich, heissen Kaffee, NewportZigaretten, forties (Starkbier) für die Party, Heftpflaster, gefälschte
Yeezy-Sneakers, den Lottomat und die Tageszeitung.
Die Wandbilder im Viertel erzählen die Geschichte seiner
berühmtesten Bewohner. Der Baseballspieler Jackie Robinson, die
Politikerin Shirley Chisholm, der Komiker Chris Rock sowie die
Rapper The Notorious B.I.G., Lil’ Kim, Mos Def und Jay Z wuchsen
in Bed-Stuy auf. In den dreissiger Jahren verliessen viele Afroamerikaner das damals übervölkerte Harlem, um sich hier niederzulassen. Bis heute stellen sie über die Hälfte der Einwohner
und machen das Quartier zu einem Zentrum afroamerikanischer
Kultur.
Der Spruch «Bed-Stuy, Do or Die» beschreibt die einst prekären Lebensverhältnisse. Armut, Drogen und Kriminalität waren
Synonyme für das Viertel. Noch immer leben viele Bewohner äusserst bescheiden in einer der 21 sozialen Wohnungsbauten, den
Projects. Doch heute heisst der Feind im Quartier gentrification.
Zynisch wurde auch der Slogan angepasst: «Do or Dine». Ein Taubenschwarm fliegt hoch über den Dächern. Und weiter fährt die
U-Bahn auf dem Hoch-Trassee raus nach Brownsville und East
New York, wo die Mieten noch erschwinglich sind.
Brooklyn
ZUGABE
58
Z
COMMUNITY
Nachbarschaft wird in Bedford-Stuyvesant grossgeschrieben. Jeder kennt jeden. Man
grüsst sich, fragt: «How are you today?», und verweilt am Gartentor für ein kurzes
Gespräch. Im Sommer veranstaltet jeder Strassenzug eine Block-Party. Filmemacher
Spike Lee lockt mit seinem Fest an der Lexington Avenue, dem Drehort von «Do the Right
Thing», grosses Publikum nach Bed-Stuy. Wer keinen eigenen Vorgarten hat, feiert
die Familienfeste im Herbert Von King Park. Dort wird grilliert und mit lauter Musik aus
der Boombox bis in die Nacht gefeiert. Nebenan im Hattie Carthan Community Garden
gackern derweil die Hühner. Die frischen Eier, Kräuter, Früchte und Gemüse werden auf
dem Wochenendmarkt im Garten verkauft.
08 – Saraghina
01 – Anchor Coffee
TRINKEN
01 Japanisch
02 Polnisch
03 Jamaicanisch
Anchor Coffee
Japanische Gastfreundschaft mitten
in Brooklyn und ein
perfekter Matcha Latte
machen diesen winzigen Coffee-Shop zum
Juwel. Der nussige
Espresso wird mit
einer italienischen LaMarzocco-Maschine
gebrüht. Im Sommer ist
auch der Affogato auf
der Karte. «Klein, aber
fein» trifft hier zu.
Zabka
Zabka, Fröschchen,
wird in Polen liebevoll
ein Kind oder ein
Liebhaber genannt.
Kaffee, aber auch
Piroggen, polnische
Wurst und saure Gurken werden in diesem
gemütlichen Quartierlokal angeboten. Vom
sympathischen Besitzer
Clifton erfährt man,
was neu ist im Quartier.
Natural Blend Juice
Bar & Bakery
«Ital» steht in der
jamaicanischen Küche
für vegetarisch bis
vegan – und bildet die
kulinarische Grundlage des kleinen Lokals.
Neben frisch gepressten Säften gibt es ein
perfektes jamaicanisches Frühstück mit
gerösteter Brotfrucht,
Akee und Stockfisch
oder Cassava Pone,
einen süssen Mix aus
Pudding und Kuchen.
zabkacafe.com
anchorcoffeebk.com
07 – Brooklyn Museum
Eine Reihe brownstones
06 – Manny’s
ARCHITEKTUR
Das Quartier ist bekannt für seine brownstones. Die dreigeschossigen
Reihen-Wohnbauten aus braunrotem Sandstein wurden Ende des
19. Jahrhunderts erbaut. In den letzten fünfzehn Jahren wurden sie
zu beliebten Spekulationsobjekten. Entsprechend sind auch die
Immobilienpreise kontinuierlich gestiegen. Leider ist Denkmalschutz
in der Finanzmetropole New York ein Schimpfwort. Auch in BedfordStuyvesant schiessen architektonisch fragwürdige Um- und Neubauten wie Pilze aus dem Boden und zerstören das historische
Strassenbild. Die Bedford-Stuyvesant Society for Historic Preservation wirkt dieser Entwicklung entgegen. Der «Stuyvesant Heights
Historic District» wurde bereits 1975 unter Schutz gestellt. 2013
wurden zahlreiche Gebäude dem historischen Viertel angeschlossen
und bilden heute ein einmaliges Architektur-Freiluftmuseum.
243 Malcolm X Boulevard
05 – Clementine Bakery
BRUNCH
05 Vegan
06 Klassisch
Sumner Café
Der Avocado-Toast ist
die Visitenkarte eines
jeden australischen
Cafés in New York. Im
«Sumner» macht man
den besten der Stadt.
Zudem lässt sich hier
gemütlich brunchen
und auch einmal
einen Nachmittag lang
Home-Office machen.
Clementine Bakery
Die vegane Bäckerei
verführt mit Scones,
Muffins und Brownies,
und seit kurzem ist die
kleine Backstube auch
ein hübsches CornerCafé. Der Latte wird
mit cremiger Mandelmilch geschäumt. Bei
«Clementine» trifft man
gelegentlich Hebamme
Kimm (siehe rechte
Seite), denn in diesem
Café darf ungestört
gestillt werden.
Manny’s
Auf rotem Kunstleder
sitzend, eine ausgestopfte Hirschkuh im
Nacken, so schmeckt
French Toast mit
Ahornsirup am besten.
«Manny’s» ist ein klassisches Brunch-Lokal,
das Omeletten, Spiegeleier und köstliches
Gebäck anbietet. Auch
der Gestalter Trevor
Andrew, bekannt als
«Guccighost», holt sich
seinen Kaffee hier.
sumnercafe.com
clementinebaker y.com
mannysbrooklyn.com
04 Grün
07 – Brooklyn Museum
MYRTLE AV
E
m
3300’ ’
in
E
DEKALB AV
06
AV
BEDFORD
12 – Bedstuy Fly
09
E
13
03
E
GATES AV
08
E
RALPH AV
HALSEY
05
10
HERBERT
VON KING
PARK
ST
FULT
14
ON S
T
01
GT
WASHIN
ATLANTIC AVE
ON AVE
Brooklyn Museum
Das Brooklyn Museum
ist mit Direktorin Anne
Pasternak und Kuratorin Nancy Spector
neu fest in Frauenhand.
Offen stehen die heiligen Hallen der Kunst
aber jedermann. Eintritt bezahlt man nur so
viel, wie man kann.
Jeweils am ersten
Samstag im Monat
veranstaltet das
Museum gratis Workshops und Führungen.
DJ spielen bis in die
Nacht. Anfang September tanzt der Caribbean
Carnival mit einer
Million Besuchern am
Museum vorbei.
ILLUSTRATION: GIULIO MIGLIETTA
07 Kunst
02
brooklynmuseum.org
NEW YORK AVE
KULTUR
11
04 – Sumner Café
04
12
07
EASTERN PKWY
15
ZUGABE
Z
59
Blick von Brooklyn auf Manhattan
E I N E N AC H T I M L E BE N V O N K I M M S U N , 5 7
(RECH T S), H AUSGEBUR T-HEBA MME UND
I N I T I A N T I N DE S H U M A N BI R T H P R O J EC T
03 – Natural Blend Juice Bar & Bakery
ESSEN
08 Pioniere
09 Fusioniert
10 Helvetisch
11 Preiswert
Saraghina
Die im Holzofen gebackene neapolitanische
Pizza des «Saraghina»
lockte schon vor Jahren
Manhattan-Foodies an
die Ecke Lewis Avenue
und Halsey Street. Die
labyrinthartigen Räume
der Pizzeria haben
den rustikalen Charme
eines Brockenhauses.
Die jüngste Erweiterung ist eine Bäckerei
mit Laden. Im Angebot:
Ciabatta, hausgemachte
Pasta und ein starker
Espresso.
750 Myrtle Diner
Das täglich wechselnde
Menu mit japanischer
Fusionsküche enttäuscht den experimentierfreudigen Gaumen
nie. Hier werden
spanischer Chorizo
und Tofu auf rezyklierter Pappe aufgetischt.
Das HeimwerkerArt-déco-Ambiente
bricht humorvoll mit
Traditionen.
L’Antagoniste
Im Herzen von
Bedford-Stuyvesant
eröffnete der TibetSchweizer Amadeus
Broger sein jüngstes
Restaurant. Schweizer
Perfektion, Liebe zum
Detail und eine authentische französische
Küche treffen hier auf
eine entspannte Atmosphäre. «Von der Farm
auf den Tisch» lautet
das Motto der Küche.
Klassiker wie Steakfrites oder Duck à
l’orange werden mit
saisonalen Gerichten
ergänzt. Zweifellos
auch der beste Service
im Quartier.
A&A Bake &
Double Shop
«Mild», «plenty» oder
«slight» sind die magischen Worte beim
Bestellen. Das kleine
Take-out-Lokal frittiert
Doubles, ein typisches
Frühstück aus Trinidad. Die mit Kichererbsen-Curry gefüllten
Teigtaschen sind mit
Tamarinde, Apfel- und
Mangosauce gewürzt
und füllen den Magen
für wenige Dollars.
750 Myr tle Avenue
saraghinabrooklyn.com
481 Nostrand Avenue
lantagoniste.com
«Oft schlafe ich im Auto auf einem Parkplatz
in der Nähe der werdenden Mutter und warte,
bis der Anruf kommt. Letzten Montag wollte
eine Frau mit ihrem Mann bis zum letzten
Moment allein sein. Sie erwartete ihr zweites
Kind, hatte ein breites Becken. Das Pressen
würde nicht lange dauern. Kurz nach Mitternacht schrieb mir die Doula, es sei so weit. Ich
kam gerade noch rechtzeitig in der Wohnung
an, um dem Baby auf die Welt zu helfen. Um
vier Uhr morgens war ich wieder zu Hause
und unter der Dusche. Zwei Geburten in weniger als zwölf Stunden hinterliessen ihre Spuren. Am Morgen danach fuhr ich nach Philadelphia, um dort als Wahlhelferin für Hillary
Clinton zu arbeiten. Sie steht für Frauenrechte,
das Recht auf gute medizinische Versorgung,
das Recht auf Selbstbestimmung und das
Recht auf eine natürliche Geburt. Auf meinem
Weg zurück nach Brooklyn realisierte ich,
dass Trump auf dem Siegeszug war. Meine
Tochter und ich weinten aus Verzweiflung
gemeinsam am Telefon. Noch am selben
Abend kam der nächste Anruf. Ein kleines
Mädchen war auf dem Weg in eine ungewisse
Zukunft und wollte geboren werden.»
facebook.com/humnbirth
10 – L’Antagoniste
UNTERWEGS
Wandbild der lokalen Rap-Legende The Notorious B.I.G.
SHOPPING
Bedford-Stuyvesant ist von Manhattan aus mit der
U-Bahn in zwanzig Minuten zu erreichen. Am schönsten
ist die Fahrt im J-Train über die Williamsburg-Brücke.
Angekommen, mietet man sich am besten ein «Citibike»,
um das Quartier zu erkunden. Brooklyn ist mehr oder
weniger flach. So ist man auf dem Fahrrad bequem
unterwegs. Besuchern bietet Citibike einen Tagespass
an. Aber aufgepasst, das Fahrrad muss alle dreissig
Minuten eingeloggt werden. Wer ein Stück Quartieralltag erleben will, der fährt im Bus. An jeder Ecke
gibt es eine Haltestelle. Die Standorte von Citibike
findet man auf citibikenyc.com.
SCHLAFEN
12 Streetwear
13 Made in Brooklyn
14 Süss
15 Feudal
Bedstuy Fly
Authentischer StreetStyle aus der hood
(Nachbarschaft), so
bezeichnet Besitzer
S. King seine Kleidermarke. Zwei Tauben,
das Markenzeichen,
zieren T-Shirts, Sweatpants und BaseballCaps. Auch die
Brooklyn-Rapperin
Young M.A (ihr Hit:
«OOOUUU»), die
gerade die Charts
stürmt, ist stolze
Trägerin des Labels.
KidSuper Studios
Die Modekollektion
von KidSuper wird in
limitierter Auflage in
Brooklyn von Hand
bedruckt und bemalt.
Der Laden mit hellblauer Fassade ist
Atelier, Werkstatt und
Treffpunkt zugleich.
Zurzeit arbeitet der
Künstler, Designer und
Geschäftsführer Colm
Dillane an einem neuen
Logo für die Schweizer
Eishockeymannschaft
Genf/Servette.
Dough Brooklyn
Die besten Doughnuts
im Grossraum New
York. Der herrlich
süss-fettige Duft dringt
bis auf die Strasse und
lockt in den Laden. Wer
die Wahl hat, hat auch
die Qual. Hibiskus,
Blutorange, Zimt und
Zucker, Passionsfrucht
und Kokosnuss liegen
in der Auslage. Leider
hat nur eine dieser
Kalorienbomben in
einem durchschnittlichen Magen Platz.
Akwaaba Mansion
Das Bed & Breakfast in
einer herrschaftlichen
Bierbrauer-Villa aus dem
19. Jahrhundert hat nur
vier Zimmer. Ein deftiges
southern Frühstück am
offenen Kamin, High Tea
auf der Veranda oder ein
frisches Glas Limonade
unter dem Kastanienbaum
geniesst, wer frühzeitig
plant und bucht. Akwaaba
heisst: Willkommen zu
Hause in Stuyvesant
Heights! DZ ab 205 Dollar.
bedstuyfly.com
kidsuper.land
doughdoughnuts.com
11 – A&A Shop
Brooklyn
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15 – Akwaaba Mansion
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ZUGABE
60
Z
ZU GEWINNEN
Britische Weihnachten
1
2
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2
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Teilnahmeschlus s
11. DE Z E M BE R 2 0 16
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Wer Düfte mag, kommt kaum
an Jo Malone London vorbei.
Vor über 20 Jahren fing die
gleichnamige Gründerin an, in
ihrer Küche verschiedene Öle
zu mischen. 1994 eröffnete
sie eine eigene Manufaktur
und Boutique in London, die
schnell einmal zum Geheimtipp avancierte. Mittlerweile
darf man die zeitlosen, eleganten Düfte für sie, ihn und das
Zuhause als Klassiker bezeichnen. Das Besondere: Jeder Duft
ist so aufgebaut, dass er gut
mit anderen Malone-Nuancen
kombiniert werden kann – was
es einem ermöglicht, seinen
persönlichen Signature-Duft
zu kreieren. Zu Weihnachten
gibt es limitierte GeschenkBoxen. Dazu gehört die
Christmas Miniatures Candle
Collection mit den fünf Duftkerzen Sweet Almond &
Macaroon, Green Tomato Leaf,
Frosted Cherry & Clove,
Pomegranate Noir und Peony
& Blush Suede. Ein weiteres
Highlight ist die Christmas
Miniatures Soap Collection
mit den vier Seifen Lime Basil
& Mandarin, English Pear &
Freesia, Pomegranate Noir und
Red Roses. Wir verlosen
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Wert von je 178 Franken.
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nzz.ch. Viel Glück!
Mi tarbei tende der N Z Z-Mediengruppe sind zur
Teilnahme am Wet tbewerb nicht berecht igt .
Aus den richtigen Einsendungen werden eine
Woche nach Erscheinen des Magazins in der
Redak tion die 3 0 L ose gezogen. Die Gewinner
werden schrif tlich benachrichtigt . Mit der
Teilnahme am Wet tbewerb erklären Sie sich
dami t einvers tanden, dass die Neue Zürcher
Zei tung AG alle für die Durchführung und
A bwicklung des Wet tbewerbs er forderlichen
Daten erhebt und diese für den Zei traum des
Wet tbewerbs speicher t . Ausserdem erklären
Sie sich dami t einvers tanden, dass Ihre Daten
für Marketingz wecke, zur Kundenpflege
und für personalisier te Werbung ver wendet
werden dür fen. Die Daten können zu diesen
Zwecken auch innerhalb der NZ Z-Mediengruppe
wei tergegeben und ver wendet werden.
Die Gewinnerlis ten werden nicht öf fentlich
publizier t . Der Recht sweg is t ausgeschlossen,
Mehr fachteilnahmen werden gelöscht .
Teilnahmeschluss für den Wet tbewerb is t
der 11. 12 . 2 016 .
IMPRESSUM
Z – Die Substanz des Stils
is t ein Magazin der N Z Z
Chefredak tion
F elix E . Müller (fem.)
Nicole A l thaus (na.)
Redak tionelle Leitung
Malena Ruder (rud.)
Redak tion
K im Dang (kid.)
Chris tina Hubbeling (chu.)
Jocelyne Iten (ijo.)
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Peter Keller (kep.)
Oliver Schmuki (ols.)
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Rober to Zimmermann (roz.)
F lorian Zobl (fzo.)
Autoren
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Elisabeth Bronfen, Bice Curiger,
Raphael Güller, Sarah Illenberger,
Richard Kägi, Manfred Paps t ,
Monica Pozzi, Jeroen van Rooijen,
Barbara V inken, Marc Zi t zmann
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Unternehmensleitung
Vei t Dengler (CEO)
Projek t verant wor tung
S teven Neubauer
Projek tleitung
L arissa Bieler
ISSN 16 6 2 –15 7 3
© 2 016 Neue Zürcher Zei tung AG
Dezember 2016
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Wohnbedar f
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Z
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ZUGABE
ROUND TABL E
R edak t io n J O C E LY N E I T E N
WIR LEBEN IN EINER SEXUALISIERTEN GESELLSCHAFT OHNE SEX
M AGGI E TA PERT
«Sexper tin» und Buchautorin
A LE X A N DR E H Ä F ELI
«Wir sind oversexed and underfucked. Diese
traurige Angelegenheit resultiert aus sexueller Langeweile. Jahre mit dem gleichen
Partner, im gleichen Bett mit demselben
repetitiven Programm: eine Zunge hier,
ein Finger da; rein, raus, schlafen. In
Langzeitbeziehungen gibt es selten Überraschungen. Viele Pärchen geben sich mit
unerfülltem, Orgasmus-gesteuertem Sex
am Ende eines strengen Arbeitstages
zufrieden. Mit diesem vorherrschenden
sexuellen Minimalismus verlieren selbst
hingebungsvolle Paare ihren kreativen
Sex-Drive. Um die Erotik wiederaufleben
zu lassen, muss Sex Priorität haben. Und
zwar indem die eigene Sexualität entdeckt
und die tiefsten Sehnsüchte dem Partner
mitgeteilt werden. Nur so wird der eigene
sexuelle Ausdruck authentisch. Eine ehrliche Kommunikation ist das heilende
Elixier, um das Feuer zwischen den Laken
wieder zu entfachen.»
Fotograf
«In meinen Fotografien fokussiere ich komplett
auf die Erotik des männlichen Körpers. Erotik
entsteht meiner Meinung nach aus dem, was
wir sehen und was nicht. Viel davon hat mit
Projektionen und Phantasien zu tun. Meine Bilder
sollen zum Hinschauen, Träumen und Begehren
anregen. Ich mag es, Grenzen auszuloten, und
zelebriere das Spiel zwischen blosser erotischer
Andeutung und offener Sexualität. Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram machen
den Körper zum Objekt, und das scheint völlig
akzeptiert zu werden. Aber sie verbieten wiederum
strikt die Darstellung von blanker Nacktheit und
Sexualität. Ich plädiere deshalb für eine visuelle
Infragestellung und Darstellung des Körpers und
der Sexualität.»
TA L AYA SCH M I D
Festivalleitung Porny Days Zürich
«Uns wird alles als sexy verkauft, doch wenn es um echten
Sex samt Schweiss und Körperdüften geht, herrscht Zurückhaltung. Zu Beginn des Film-Kunst-Festivals ‹Porny Days›
war es schwierig, Nicht-Mainstream-Material zu finden. Wir
hatten lediglich eine einzige DVD mit subversiven, überraschenden und feministischen Sexfilmen. Doch die Wahrheit
ist, dass es eine wachsende Menge an kreativen Netzwerken
und Alternativen zur oberflächlichen Sexiness gibt. Die
Werbung, People-Magazine und kommerzielle Pornografie,
welche als schnell konsumierbare Ware angepriesen wird,
erregen aber viel mehr Aufmerksamkeit als unabhängige,
subversive Stimmen.»
E ST H ER ELISA BET H SCH Ü TZ
Klinische Sexologin und Leiterin des Instituts für Sexualtherapie in Uster
«Diese Hypothese scheint mir etwas gewagt, denn Sexualität spielt für
beide Geschlechter nach wie vor eine wichtige Rolle. Die durchschnittlichen Paare haben auch nicht weniger Sex als vor dreissig Jahren. Unter
dem Begriff der sexualisierten Gesellschaft wird oft verstanden, dass
unsere Gesellschaft zu sehr auf das Thema fokussiere und dies die sexuelle Lust vermindere. Für Einzelne mag das zutreffen. Die Mehrheit aber
ist froh, dass die Zeiten der Ur- und Grosseltern vorbei sind, in denen
alles rund um Sexualität tabuisiert wurde und es viel öfter zu verdeckter
sexueller Gewalt kam. Heute werden wir mit vielen Angeboten konfrontiert. Wir müssen selbst entscheiden, was, wie und wie häufig wir selbst
oder in einer Liebesbeziehung Sexualität ausleben möchten. Eine offene
Gesellschaft trägt aus meiner Sicht dazu bei, das eigene Sexualverhalten
zu überdenken, weiterzuentwickeln, um dessen Genuss als Quelle der
Lebensfreude für sich selbst und in einer Liebesbeziehung zu nutzen.»
K A R I N ST I ER LI N
Sexualpädagogin und Gründerin von Taboobreaker
«Die sexualisierte Gesellschaft kann als tabuloser Umgang mit sexuellen Themen definiert
werden. Eine Gruppe, die dabei oft in den Fokus gerät, sind die Jugendlichen. In meiner Arbeit
als Sexualpädagogin nehme ich diese Zielgruppe als verantwortungsbewusst und kritisch wahr,
die sich in dieser vielschichtigen Thematik mit einer gesunden Neugierde bewegt, ohne dass
diese in einem Extremverhalten gipfelt. Das Entdecken und Ausprobieren einer lustvollen und
selbstbestimmten Sexualität hat aus meiner Sicht wenig mit sexualisiertem Benehmen zu tun.
Viel mehr tun wir als Erwachsene gut daran, Jugendlichen auf gleicher Augenhöhe ohne
moralisierenden Zeigefinger zu begegnen, um ihnen eine reflektierte und bereichernde Auseinandersetzung mit der komplexen Vielfalt der Sexualität zu ermöglichen.»
Dezember 2016
62
Z
ZUGABE
ZITAT
A us ge s uch t un d ko m men t ier t v o n M A N F R E D PA P S T
«
Opiat,
Of fene
TÜR
das:
im Gefängnis
DER
IDENTITÄT;
führt in den
GEFÄNGNISHOF.»
Ambrose Bierce (1842 –1914),
amerikanischer Journalist und Schriftsteller
Wir sind gefangen in unserem Ich. Im Traum, im Rausch, im Sex versuchen
wir, Grenzen zu überschreiten und wenigstens vorübergehend uns selber
zu entrinnen. Wir wollen nicht nur anders sein, als wir sind, sondern jemand
ganz anderer werden. Drogen, so scheint es uns, können dabei helfen. Sie
stossen Türen auf. Doch diese führen nicht ins Freie, sondern lediglich auf
den Gefängnishof. Da können wir eine Runde drehen, bevor wir wieder in
die Zelle unserer Nüchternheit eingeschlossen werden. Diese Einsicht steht
im «Wör terbuch des Teufels» von Ambrose Bierce, einer unerschöpflichen
Quelle für gestandene Zyniker und solche, die es werden wollen.
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des mechanischen Uhrwerks mit seinen Siliziumkomponenten und
der goldenen Schwungmasse. Wir schreiben die Geschichte fort...
B O U T I Q U E S B R E G U E T – B A H N H O F S T R A S S E 3 1 Z Ü R I C H + 4 1 4 4 2 15 11 8 8 – B A H N H O F S T R A S S E 1 G S TA A D + 4 1 3 3 7 4 4 3 0 8 8
4 0 , R U E D U R H Ô N E G E N È V E + 4 1 2 2 3 1 7 4 9 2 0 – W W W. B R E G U E T. C O M

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