Court Jester Concept® Management als Kunst der Reflexion oder

Transcrição

Court Jester Concept® Management als Kunst der Reflexion oder
Court Jester Concept®
Management als Kunst der Reflexion oder: Die Rückkehr des Hofnarren
Prof. Dr. Wolfgang Winter
Winter Management Consulting
Herrsching am Ammersee
Das Court Jester Concept® (CJC), gemeinsam mit Hans Wüthrich und Andreas F. Philipp
entwickelt, ist alles andere als ein klassisches Beratungstool zur Personal- und
Organisationsentwicklung. Es nutzt die Kraft von Metaphorik und historisierenden
Verfremdungen und verführt Personen, Teams und Organisationen, mit dem Hofnarren an
der Hand, zu experimentellen Zeitreisen in die eigene Vergangenheit. Und, dies bei allem
Ernst, stets mit einem Augenzwinkern.
»So hätten, behaupten die Mathematiker, Könige und
Narren ein und dasselbe Horoskop.«
Rabelais
Vom theoretischen Konstruktivismus zum praktizierenden Konstruktivisten?!
Die Beschäftigung mit systemisch-konstruktivistischem Denken im und für das Management
geht in eine zweite, wenn nicht bereits in einer dritten Phase über. Vor knapp 20 Jahren
begann die Auseinandersetzung mit dem Thema mit den Wurzeln und Grundlinien dieser
Denkhaltung. In den Wirtschaftswissenschaften insgesamt, aber auch im Management wurde
der Konstruktivismus - wenngleich zögerlich - begrüsst, von seinen Vertretern gar lautstark
als Revolution gefeiert. Vielleicht etwas vorschnell, denn bereits in dieser frühen Phase
zeigten sich erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit dem Sujet, die zu einem grossen Teil
dem Umstand geschuldet waren, dass systemisch-konstruktivistisches Denken keine
einheitliche, konsistente Richtung aufwies, eher ein „... shared consciousness, rather than a
movement“ (Gergen 1985: 266) war, und dass „...die Expansion mehr epidemisch als
epistemisch.“ (Luhmann 1990:31) verlief. Gar von einem Paradigma(-wechsel) zu sprechen,
erwies sich angesichts der Entwicklung als nicht gerechtfertigt. Zu viele (systemische)
»Konstruktiv-Ismen« mit unterschiedlichsten Argumentationslinien waren im Umlauf.
1
Wenngleich die Beschäftigung mit dem Konstruktivismus nach diesem eher unübersichtlichen
Massenstart zu Beginn der 90er Jahre dazu übergegangen war, das Teilnehmerfeld auf die
theoretischen Anwendungsmöglichkeiten überzuleiten, hat sich an der Vielzahl der
Strömungen und Interpretationen bis heute wenig geändert.
Seit Ende der 90er Jahre, allerspätestens mit dem Jahrtausendwechsel - so scheint es befinden wir uns nun in einer dritten Phase. Sie ist im Gegensatz zur Vorgeschichte in hohem
Masse
gekennzeichnet
von
dem
Bemühen,
die
theoretisch
sondierten
Anwendungsmöglichkeiten in die Praxis zu transferieren und systemisch-konstruktivistische
Denk- und Handlungsmaximen nun auch im Managementalltag endlich auf breiter Basis
salonfähig zu machen.
Bisweilen unklar scheint dabei jedoch nach wie vor, wie sich denn Verantwortungsträger, die
sich mit konstruktivistischem Management beschäftigen (sollten/möchten), am besten auf
dieses Thema ansprechen ließen, wie man m.a.W., z.B. als systemisch ausgerichteter
Organisations- oder Personalentwickler, einen verbesserten Anschluss an die Denkweisen
und v.a. an die Sprachdomäne „klassischen“ Managements gewährleisten könnte. Oder
einfach gesagt: wie eine Antwort auf die u.E. nach wie vor ungeklärte Frage gefunden
werden kann, wie sich Manager zu praktizierenden Konstruktivisten machen ließen.
Dass systemisches Management sehr viel mit der Fähigkeit zur Beobachtung und zur
Reflexion zu hat, dürfte ebenso unstrittig sein wie die Tatsache, dass hierfür mittlerweile in
den einschlägigen Bücherregalen ausreichend und v.a. ausreichend theoretisch fundierter
Lesestoff zur Verfügung steht. Nun aber ist Reflexion in der Praxis ein mühsames Geschäft.
Sie braucht Zeit, reißt mitunter alte Wunden auf, löst Emotionen aus, kurzum eine ernste
Angelegenheit., der so mancher gerne aus dem Weg geht. Apropos: wann hatten Sie Ihr
letztes Mitarbeitergespräch?
Vermutlich muss man es einfach so sehen: es ist bislang nicht gelungen, mit der Sprache des
Managements eine konstruktivistische Grundhaltung, allen voran die Kunst der Reflexion, in
die Sprache des Managements einzuführen und dort nachhaltig zu verankern. Es ist nicht
gelungen, der im doppelten Wortsinne theoretisch zuständigen Figur des Beobachters ein
einprägsames, ausdrucksstarkes Gesicht zu verleihen, das als einfach handhabbare und
farbenfrohe
Metapher
mehr
Kraft
besitzt,
unhinterfragte
Prämissen
managerialen
Entscheidungsverhaltens und pathologischer Kommunikationsroutinen in Organisationen zu
durchbrechen und welche im Hinblick auf Dynamisierungs- und Flexibilitätszumutungen
2
seitens Wirtschaft und Gesellschaft das Management und die Organisation mit einer
gesteigerten Fähigkeit zur Reflexion auszustatten vermag. Und dies, bei allem Ernst, stets
mit einem Augenzwinkern. Ganz nach dem Motto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
So geht das court jester concept® einen ganz eigenen Weg. Nur vordergründig
spaßeshalber nähern wir uns mit vollem Ernst der Eingangsfrage, wie sich aus Managern
praktizierende Konstruktivisten machen ließen, nicht von Seiten der Managementlehre. Nicht
in der Geschichte des Faches, v.a. nicht in der Geschichte ihrer Beschäftigung mit
systemisch-konstruktivistischem Denken suchen wir nach Alternativen, übersehenen
Abzweigungen und verschütteten Spuren, die freigelegt und weiterverfolgt werden könnten,
auch nicht im Vergleich mit Prozessen und Ergebnissen der Auseinandersetzung mit dem
Konstruktivismus in anderen Disziplinen, sondern im Vergleich aktueller Managementpraxis
mit ihrer eigenen Geschichte.
Wir tun dies bewusst extrem gerafft und eher essayistisch denn akademisch, da wir - soviel
sei verraten - ohnehin nur einen, dafür entscheidenden Punkt im Visier haben. Wir skizzieren
sozusagen eine bewusst auf das Notwendigste reduzierte Parabel, als Einladung zur
Reflexion über Auffälligkeiten im heutigen Managementalltag.
Die Rückkehr des Hofnarren
Betrachten wir die Macht-, Rollen- und sonstigen Alltagsspiele an historischen und
»modernen« Höfen, so lässt sich eine erstaunliche Ähnlichkeit erkennen und es fällt
bisweilen schwer zu glauben, dass ein halbes Jahrtausend dazwischen liegt.
Ein
Zeitreisender, der aus der Vergangenheit zu uns in die Gegenwart kommt und sich hier
umsieht, würde sagen: »Diese hohen Türme und Paläste, die gleißenden Fassaden der
Macht und des Geldes, all diese großen, schönen Karossen, die Titel und Orden; das habe
ich alles schon mal gesehen, das kenne ich!«
Drei Säulen auf denen »höfisches Leben« beruht, scheinen zeitlos zu sein:
»Heilige Herrschaft«: Vergleichbar mit dem mittelalterlichen Hofstaat, gehorchen auch
heutige Unternehmen und öffentliche Verwaltungen einer gewissen heiligen Ordnung. In
hierarchischen
Organisationen
werden
wichtige
Entscheidungen
von
wenigen
Führungskräften, den Hierarchen, getroffen. Auf die Nutzung des Kreativpotentials, durch
Involvierung Direktbetroffener, wird oft dankend verzichtet. Eigenverantwortlichkeit scheint
wenig erwünscht und ist folglich schwach ausgeprägt.
3
»Misstrauen«: Viele Unternehmen tragen die Züge einer Misstrauensorganisation. Systeme
werden auf den schlimmsten aller denkbarer Fälle ausgelegt: Prophylaxe für den worst case.
Nur
ein
Beispiel:
In
einem
großen
deutschen
Versicherungskonzern
war
es
selbstverständlich, dass Mitarbeitende auf Dienstreise ihre Geschäftskleidung auf Kosten der
Firma reinigen lassen konnten. Hin und wieder kam es vor, dass ein Mitarbeiter seine
gesamte Schmutzwäsche im Hotel auf Firmenkosten waschen ließ. Reaktion auf diesen
Missbrauch war ein firmenweiter Wäscheerlass: »Wäsche waschen nur jeden zweiten Tag ein
Hemd«. Mangelndes Vertrauen kann durch Verordnungen nicht kompensiert werden. Mit
Sicherheit aber frustriert man die Vertrauenswürdigen und lenkt kreative Energie in Richtung
Systembetrug.
»Rollenspiele«: Rituale, Zeremonien, Intrigen und Seilschaften prägten das Bild höfischen
Lebens. Auch im heutigen Politik- und Wirtschaftsalltag ist geschmeidiges Ein- und
Unterordnen,
politisches
Taktieren
sowie
die
Beachtung
informeller
Spielregeln
überlebensentscheidend. In Sitzungen, Tagungen und Gesprächen erleben wir oft die
typischen Rollenspiele. Verdeckt und subtil wird taktiert, wohl abwägend zwischen den
eigenen Zielen und den möglichen Reaktionen des Gegenübers. Der Vorgesetzte wird zum
wichtigsten Kunden und die eigene Karriere hat Vorrang vor der eigenen Meinung.
Belassen wir es bei dieser schlaglichtartigen Einführung in die historisierende Betrachtung
der Managementpraxis und erinnern an die Intention: der These Ausdruck zu verleihen, dass
auch ein systematischer Vergleich kaum gravierende Unterschiede zutage fördern würde im
Hinblick auf Symbole, Rituale und Strukturen, sowie auf die kommunikativen und politischen
Mechanismen, die in diesen Strukturen ablaufen.
Ein Unterschied, der einen Unterschied ausmacht, lässt sich dennoch ausmachen. Management
und Organisation von heute mangelt es an einer Institution, die fester Bestandteil aller
historischen Höfe war und deren Blütezeit sich über mehrere Jahrhunderte erstreckte: die
Figur des Hofnarren.
In dieser Epoche, vom Spätmittelalter bis zum Rokoko hatte er bei Hofe die Funktion der
Beratung und Reflexion inne. Der Narr war der Spiegel seines Herrn. Er hielt ihm den Spiegel
vor, gab ihm die Möglichkeit, sich selbst wiederzuerkennen, fernab von offiziellen,
geschönten Portraits, ganz so, wie es bei Bert Brecht heisst: »bis zur Kenntlichkeit entstellt«.
Mit der Verbannung des Hofnarren Mitte des 18. Jahrhunderts ist Organisationen eine
wichtige, institutionalisierte Form der Reflexion abhanden gekommen.
4
Das System ist der Parasit des Narren, nicht umgekehrt!
Mit Blick auf die bisweilen grotesk anmutenden Szenen im
heutigen Manageralltag und die sich mit dem Hofnarren
eröffnenden Möglichkeiten einer pragmatischen Intervention mit Humor und ohne die üblichen Belastungen
durch komplizierte Theoriesprache und akademisierten
Instrumentekasten fällt es sicher nicht schwer, dem
Charme dieser farbenfrohen Figur zu verfallen. Die
entsprechende
Forderung,
sie
aus
der
Verbannung
zurückzuholen, wäre verständlich, aber voreilig. Denn der
Erfolg des Hofnarren beschränkte sich in der Regel auf
Kleinigkeiten (regionale Gesetzgebung, lokale Verwaltungsakte und personenbezogene Begünstigungen). Auf strategischer,
sozusagen
»gesamtunternehmerischer«
Ebene
blieb sein Einfluss eher gering. Er hatte anders gesagt nie
das Potenzial zu einem Change Agent im großen Stil.
Hierfür zeichnet ein fundamentaler Mechanismus im System verantwortlich, der in der
Debatte um den Hofnarren, um institutionalisierte Reflexionsinstanzen generell gerne
übersehen wird. Der Hofnarr ist ein Instrument des Systems und nicht umgekehrt. Ob er es
bemerkt oder nicht, trotz all seiner Interventionen in den kommunikativen Alltag des Systems
trägt er letztlich zu dessen Stabilisierung bei. Der Fürst ist der Parasit, nicht der Narr. Er
versteckt sich hinter der Narrenfigur und schließt in ihr ein, was er aus dem System
exkludiert wissen möchte, und er tut dies eben dadurch, dass er im System alles auf den
Hofnarren bündelt, was ihm im Kern suspekt ist. Der Hofnarr ist ein Ventil. So schrill er dem
Herrscher im Einzelfall ins Ohr pfeift; alles dient letztlich nur der Regulierung eines
gefährlichen Überdrucks, der zu Umsturz oder Zusammenbruch des Systems führen könnte.
Sein Einschluss in Form von definierter Redefreiheit, Verbeamtung, verbrieftem Recht auf
Umgehung des Dienstweges etc. sowie der weithin sichtbaren Markierung durch
entsprechende närrische Kleiderordnung garantieren den Ausschluss all dessen, was im
System vermieden werden soll: selbstorganisierende autonome Subsysteme, kreatives
Chaos, Pluralität von Meinungen, Feedback von allen Seiten, v.a. aber Veränderungen von
der Basis her. Der Hofnarr mag in dieser Paradoxie wie geschickt auch immer oszillieren,
auflösen kann er sie nicht. Seine Existenz bleibt Warnung und Beweis zugleich. Sie
signalisiert und beweist dem System letztlich eindrucksvoll die Unmöglichkeit, sich selbst von
innen heraus und ohne Initiative und Placet von oben fundamental zu ändern.
5
Unter dieser, zugegebenermaßen radikalisierten und ernüchternden Optik erscheint eine
modernisierte Wiedereinführung des Hofnarren in Amt und Würden nach klassischem Vorbild
nicht als eine Lösung, mit der sich nachhaltig Bewegung in die Kommunikationssperren der
Organisation bringen ließe. Selbstverständlich benötigt Management auf allen Ebenen die
Funktion der
Reflexion, des Überdenkens und Unterbrechens. Aber dies lässt sich nicht
einfach einkaufen, indem man gar die Stelle eines Chief Court Jester (CCJ) definiert, ganz so
wie man sich einen Ethik- oder Umweltbeauftragten leistet. Aber wie dann?
Jeder muss sein eigener Narr sein!
Natürlich waren – historisch gesehen – Geist und Macht stets getrennt,
Herrschaft und Reflexion sauber auf zwei verschiedene Stellenbeschreibungen aufgeteilt. Philosophisch gewendet jedoch war beides
stets als ein und dasselbe zu denken, als zwei Seiten ein und derselben
Medaille. Nicht umsonst wird beiden, Herr und Narr, nachgesagt, sie
hätten dasselbe Horoskop. Denn im Kern geht es stets um die
Fähigkeit, neben sich zu treten, sich zu beobachten, sich selbst zu
hinterfragen und die Situation zu durchleuchten, um dann sagen zu
können:
Ich Narr!
6
Court Jester Concept®
Exakt
bei
dieser
Einladung,
jeder möge sein eigener Narr
sein,
setzt
1
Be in
spire
d!
das
Impu
ls
exklu referate
fü
s
Mitar ive Kund r
e
beite
rvera n- und
en.
nstalt
ung
Hofnarrenkonzept (CJC) ein. Es
ist
modular
bietet
als
Methode
aufgebaut
und
Metapher
und
allen
Ebenen
Unternehmen,
Teams,
im
(Personen,
Gesamtorganisation)
eine Vielzahl von Möglichkeiten
zur
konstruktivistischen
Reflexion
über
die
verwunderlichen Schleifen und
2
3
t!
? ou
Time
ng: d
etzu
n
Ziels holen u
t
f
• Lu gshektik .
Allta rechen e im
rb
er
unte nd and
n.
hu
• Sic gel sehe ntliches
Spie r Wese
it fü n.
• Ze
inne
gew
he
)t
,
in !®
(
en en.
4
m
m
ol
Fo yste neh tion
s
The
n
er titu
t
e
art o Jester´
h
Weg
s
f ref
Un Ins
sc
e
i
r
lectin job!
f
zu e
,
ö
fü en
U
iner
g ma
n
h
tern
e
"
g
n
s
nage
e
e
l
n
u
hme
Ziels
en n.
men
.
nsku en
pu altu ng:
n
e
n
t
t
z
e
e
e
ung:
ltur.
z
n
Im rw tzu
n
g
e ra
S en
e
e
•
m
f
e
Fasz
V els
k
s er
k
i
r
s
in
n
t
e
en
Zi
te
Narr ation de
ha hin
ro ns"
entu
s
hm
ec
ms e kollekt
• G ebe
m und ßna
•
iven
Q
rlebe
L
ualif
a
em en
n.
t
izier
m
s
g
u
s
i
ung
y e
nd d
g
S
z
d
n
e
• uf
(ihre r Beleg es Man
ltu n.
a
agem
sc
r) Fu
ta re
nktio haft in
es erie
• Au
sein ents
G
n als
fbau
• en
"
Narr er
eine
g
Refle
".
r na
xion
skult chhaltig
ur.
en
Sperren sowohl im organisatorischen Alltag wie im privaten
Umfeld. Hierzu abschließend, um einen kleinen Einblick zu geben, ein kurzes Beispiel aus den
jester´s labs, bewusst experimentell und offen gehaltenen Workshops, mit Teams und
kleineren Abteilungen. Wir lassen uns zunächst von drei Einsichten bzw. Grundannahmen
leiten:
Außerhalb der Sprache existiert nichts, da alles nur in den Unterscheidungen eines
Beobachters existiert. Die Grenze unserer Sprache ist die Grenze unserer Welt.
Metaphern als bestimmte sprachliche Ausdrucksformen erzeugen Bilder, bisweilen
ganze Weltbilder, die Verfremdungen und damit wirksamere, weil indirektere Formen
der Reflexion und Intervention ermöglichen als jedes noch so bemühte und im
Managementalltag sattsam bekannte „straight talking“.
Die Sprache einer Organisationen formt ihre (Reflexions-!)Kultur wie kaum ein
anderes Medium im System. Dabei erzeugt und verändert sie Strukturen und verrät
die „klimatischen Verhältnisse“ zwischen den Systemmitgliedern.
Die Übung im jester´s lab besteht einzig und allein in der Einladung, mit dem Hofnarren eine
Zeitreise in die Vergangenheit zu unternehmen, um in seiner Lebenswelt nach dem
Vokabular und den sprachlichen Routinen zu suchen, die heute in der eigenen Organisation
mehr oder weniger unreflektiert wichtige Bestandteile der Sprachkultur bilden.
„Etwas mehr Narrenfreiheit bitte!“ hört man dabei oft als einen typischen Einstieg in diese
Sprachexpedition. Und es dauert meist nicht lange, bis man auf Brunnenvergifter und
Steigbügelhalter
stößt,
Fehdehandschuhe
einsammelt,
sich
wegen
alter
7
Unternehmenslegenden von rollenden Köpfen gruselt, erlebt, wie in der Diskussion die eine
oder andere Person an den Pranger gestellt wird und es zu Unruhen in den eigenen Reihen
kommt. Während der eine auf dem hohem Roß sitzt, das Szepter schwingt und seine
Paladine um sich schart, üben andere geharnischte Kritik und brechen eine Lanze für das
unterprivilegierte Fußvolk. Aber mit offenem Visier kämpft da kaum noch jemand.
Ein erster Schritt ist, in fast spielerischer Art, getan, ein anderes Bewusstsein über die eigene
Kultur zu entwickeln. Für ihre Prägung z.B. durch martialischen Gestus, nebulöse und
fluktuierende Koalitionen, latentes Misstrauen und (frauen-?)feindliche Grundeinstellung,
aber auch die Rolle von Status und Titeln oder die Handhabung von Emotionen wie den
Umgang mit der eigenen Angst. Erfahrene Schlachtrosse melden sich auf einmal wieder zu
Wort und erzählen von alten Wunden, die ihnen die Kraft und Motivation genommen haben,
sich noch einmal so richtig ins Zeug zu legen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Kurzum Situationen und Strukturen, die so mancher nach jahrelangem Spießrutenlauf ohnehin
nur noch mit Galgenhumor quittiert. Aber auch von Helden ist die Rede, den white knights, die
die offene Flanke schlossen und dem Unternehmen die Kronjuwelen retten konnten, und sei
dies nur deshalb, weil sie sich im rechten Moment mehr Narrenfreiheit herausnahmen als das
System üblicherweise und wohldosiert nur seinen treuesten Paladinen zuteilt.
Literatur:
Elias, N. (1990): Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums
und der höfischen Aristokratie; 5. Aufl., Suhrkamp, Frankfurt/M.
Erasmus v. Rotterdam: (1511): Lob der Torheit; in der Übersetzung von A. Hartmann; 6.
Aufl., Birkhäuser, Basel 1966
Gergen, K.J. (1985): The social constructivist movement in modern psychology, in:
American Psychology, 49, 1985, S. 266-275
Hyer, M.C. (Hrsg. 1969): Holy Laughter; New York
Lever, M. (1983): Zepter und Narrenkappe. Geschichte des Hofnarren; Dianus-Trikont,
München
Luhmann, N. (1990): Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven;
Westdeutscher Verlag, Opladen
Tuchman, B. (1982): Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert; DTV, München
Winter, W. (1999): Theorie des Beobachters – Skizzen zur Architektur eines Metatheoriesystems; verlag neue wissenschaft, Frankfurt/M.
8
Winter, W. (2002): Managerrõ - Konstruktivismus im Management als Kunst der Reflexion;
in Rusch (Hrsg. 2002): Konstruktivismus in den Wirtschaftswissenschaften. DELFIN
2001; Suhrkamp, Frankfurt/M.
Wüthrich, H.A./Winter, W./Philipp, A.F. (2001): Die Rückkehr des Hofnarren.
Einladung zur Reflexion – nicht nur für Manager!; GELLIUS, Herrsching a. Ammersee
Kurzportrait:
Prof. Dr. Wolfgang Winter, Dipl.-Kfm., seit 1994 selbständiger Managementberater und trainer, Autor des vielbeachteten Grundlagenwerkes „Theorie des Beobachters“ (1999) sowie
mehrerer Veröffentlichungen zu systemischem Management und Unternehmenskultur.
Träger des Preises für Gesellschafts- und Organisationskybernetik 2003 der Deutschen
Gesellschaft für Kybernetik. Lehrt Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Internationales
Management an der University of Cooperative Education Heidenheim.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Hans A. Wüthrich (Universität der Bundeswehr München) und Dr.
Andreas F. Philipp (PhilOs Managementberatung, München) hat er das court jester concept®
entwickelt. www.court-jesters.com
9

Documentos relacionados