Der richtige Riecher
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Der richtige Riecher
PORTRÄT Der richtige Riecher Der Geschmack von Bernd Beetz ist vielfältig. Einen Abend schaut er sich begeistert das Wagner-Werk »Rheingold« in der Metropolitan Opera an, um in der gleichen Woche die Popikone Lady Gaga im Madison Square Garden zu bewundern. Der gebürtige Heidelberger, der den Parfümkonzern Coty leitet, ist ein flexibler Mensch. Das muss er auch sein, mischen sich bei ihm doch schnell Privates und Geschäftliches. Im Frühjahr 2012 will er einen Lady-Gaga-Duft auf den Markt bringen: »Mit zehn Millionen hat Lady Gaga mehr TwitterFans als US-Präsident Barack Obama«, sagt Beetz. Seine einfache Kalkulation: Die Massen wollen Gaga nicht nur hören, sondern auch riechen. Autorin: Nele Husmann, Fotograf: Adam Friedberg 33 Beetz in seinem Büro in der New Yorker Park Avenue. N icht viele dürften seinen Namen kennen, aber Bernd Beetz ist ein deutsches Managerwunder. Seit zehn Jahren führt er Coty; in dieser Zeit vervierfachte sich der Umsatz auf geschätzte vier Milliarden Dollar für 2011. Das New Yorker Unternehmen hatte Probleme und eine bewegte Vergangenheit, bevor der Deutsche an Bord kam. Viele Jahrzehnte gehörte es zum Pharmariesen Pfizer, 1992 wurde es an die Benckiser GmbH verkauft – die Finanzholding der Ludwigshafener Milliardärsfamilie Reimann. Die holte Beetz 2001, um das schlingernde Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Beetz trägt ein strahlendes Lächeln. Das Haar sitzt akkurat, sein schwarzer Anzug mit weißem Hemd wirkt modisch, aber zurückhaltend – stilistisch perfekt europäisch. Der Manager hat große Pläne. Bis 2015 will der 59-Jährige den Umsatz auf sieben Milliarden Dollar steigern – und das bei soliden zweistelligen Gewinnmargen. Sein Wachstumsrezept: Coty zum international führenden Kosmetikkonzern ausbauen. Noch ist Parfüm das wichtigste Standbein, aber Farbkosmetik und Hautpflegeprodukte sollen stark aufholen. Das Ziel will Beetz vor allem mit Zukäufen erreichen. Ende 2010 war er mit gleich vier Akquisitionen, darunter Dr. Scheller und Philosophy, in einem Quartal erfolgreich. Zudem setzt der Deutsche stark auf »Starparfüms«. Jennifer Lopez, Beyoncé, Halle Berry, Kate Moss, Céline Dion, David und Victoria Beckham, Sarah Jessica Parker – die Parfüm-Namensträger von Beetz hören sich an wie eine Einladungsliste zu den MTV Awards. Der Bereich ist laut Bernd Beetz ausbaubar; bislang macht er erst 15 Prozent des Umsatzes aus. »Menschen suchen nach Impulsen und Inspiration für ihr Leben – und Stars geben ihnen das. Daher kaufen sie die Produkte«, stellt der Coty-Chef fest, der durch die Vermarktung von Lady Gaga & Co. »mit dem Zeitgeist in Berührung bleiben« will. Neben den Stars hat Coty zahlreiche Dauerbrenner wie Calvin Klein und Davidoff im Angebot, die den Großteil des Umsatzes ausmachen. PORTRÄT Jennifer Lopez, Beyoncé, Halle Berry, Kate Moss, Céline Dion, David und Victoria Beckham, Sarah Jessica Parker – die ParfümNamensträger von Beetz hören sich an wie eine Einladungsliste zu den MTV Awards. Beetz’ Büro liegt im 17. Stock an der New Yorker Park Avenue – ein Teil von Coty befindet sich auch in einem Stockwerk des Empire State Building. In der Lobby steht eine stilisierte Sitzlandschaft vor einem Kamin, und es gibt eine kleine Parfümerie, wo man alle Coty-Düfte kaufen kann – fast wie ein Duty-free-Geschäft innerhalb des Unternehmens. Beetz’ Reich selbst ist hochmodern mit weißen Möbeln eingerichtet. Auf dem Fensterbrett tummeln sich Fotos des Managers mit allen möglichen Stars – er ist viel unterwegs auf Prominentenveranstaltungen, nicht zuletzt, um auch neue Celebrities für seine Duftlabels zu gewinnen. Bodenständiger Typ im Luxussegment Vom Typ her ist Beetz ein bodenständiger Deutscher. Dass er ausgerechnet im Luxussegment landen würde, ließ sich zu Beginn seiner Karriere kaum erahnen. Über Jahre vermarktete er für den amerikanischen Konsumgüterkonzern Procter & Gamble Zahnpasta, Toilettenpapier oder Babywindeln. Dort verdiente er sich seine Sporen mit Turnarounds in schwierigen Märkten wie der Türkei. Der Mann ist ein Sprachenwunder; seine Auslandskarriere hat Spuren hinterlassen. Er spricht fließend Englisch, Französisch, Türkisch, Italienisch und Spanisch. Der französische Luxuskonzern LVMH hörte von seinem Talent als Krisenmanager und holte ihn 1998 an die Spitze von Christian Dior – seinerzeit ein echter Affront für die Mitarbeiter. Die Kronjuwelen einer französischen Luxusmarke in der Hand eines Teutonen, das war unvorstellbar. Beetz nahm es gelassen, machte seine Arbeit gut. Dank seiner umgänglichen, aber energischen Art gewann er rasch Freunde im Unternehmen. Aus zahlreichen Gesprächen mit den Topmanagern von Dior zog er viele Ideen, entwarf ein neues Konzept und wagte sich an neue Produkte. Dann bringt er den Duft »J’adore« auf den Markt – mit riesigem Erfolg, denn der Gewinn von Dior verdoppelt sich. Keine schlechte Leistung für den Quereinsteiger – nach einer Branchenformel floppen 90 Prozent aller Markteinführungen von Parfüms. »Bei Procter & Gamble habe ich die Marketing-Grundsätze für schnellverkäufliche Konsumwaren gelernt, bei LVMH die Feinheiten für Luxusgüter – jetzt besitze ich das nötige Verständnis für beide Kategorien«, sagt Beetz, der zudem einige Ähnlichkeiten zwischen beiden sieht. »Zahnpasta mag zwar funktionaler sein als Parfüm, aber man verkauft auch das schöne Lächeln.« Der Ruf des Deutschen zieht seine Kreise. 2001 spricht ihn Coty an, eine noch größere Baustelle. Das Unternehmen hat zwar eine Menge Parfüms auf dem Markt und wächst, besitzt aber weder ein Markenkonzept noch eine langfristige Strategie. Beetz reizt die Aufgabe, ein 35 großes Unternehmen zu führen. Auch beim neuen Arbeitgeber spielt er seine Stärke aus: erst zuhören, dann handeln. »Man muss Brücken bauen, ehe man wirklich führen kann.« Zudem hilft ihm seine bisherige Erfolgsbilanz: »Die Menschen folgen einem bereitwilliger, wenn man bewiesen hat, dass man etwas kann.« Urteilskraft, Geschmack und Unerschrockenheit Das Prinzip behält er auch bei seinen zahlreichen Akquisitionen bei. So kauft Beetz Ende 2010 gleich vier Kosmetikhersteller, neben Dr. Scheller aus Deutschland und Philosophy aus den USA auch das ebenfalls amerikanische OPI sowie Tjoy aus China. Stets baut er Brücken zur neuen Belegschaft: »Wir kaufen die Expertise der Mitarbeiter«, sagt Beetz, »also hören wir ihnen ganz genau zu, ehe wir etwas sagen.« Dazu kommt es laut Beetz auf die Urteilskraft, einen hervorragenden Geschmack und Unerschrockenheit an. »Nein, nein«, wiegelt er ab, damit meine er keinesfalls sich selbst, sondern dass seine Organisation bei Coty diese Stärken mitbringe. Das Konzept ist lukrativ – und macht Spaß. Ursprünglich hatte Beetz mit Aufsichtsratschef Peter Harf vereinbart, erst einmal für zwei Jahre die Leitung von Coty zu übernehmen – inzwischen sind es zehn, und kein Ende ist in Sicht. »Bernd Beetz hat ein unglaublich großes Bestreben, nach vorn zu denken«, sagt Gunter Thoß, der Präsident des deutschen Kosmetikverbandes VKE und Verwaltungsratschef des Direktvertriebs PM-International. Beetz hat ambitionierte Ziele: Cotys Umsatz soll auf sieben Milliarden Dollar steigen. PORTRÄT »Bernd Beetz hat ein unglaublich großes Bestreben, nach vorn zu denken.« Beetz ist ein bescheidener Typ, braucht im Gespräch lange, bis er auftaut. Ist sein Interesse aber erst einmal geweckt, nimmt er sich alle Zeit der Welt, zeigt Fotos und Filme auf seinem iPhone und gerät ins Plaudern, ganz ohne Rücksicht auf spätere Termine. Sein Englisch trägt eher einen undefinierbar französischen Akzent als einen deutschen. Auf alle Fälle war Beetz so lange im Ausland, dass man ihn kaum noch als »deutschen Manager« beschreiben kann. Seinem Job als Coty-Chef geht er halb in Paris, halb in New York nach. Beetz liebt seine Branche: »Kosmetik ist ein kleiner Beitrag zum Wohlbefinden.« Dass manche Menschen Abstand nehmen von dramatischen Düften und mehr auf Natürlichkeit setzen, bereitet ihm keine Sorgen – das sei lediglich eine Frage der Anpassung des Produktsortiments. »Die Wichtigkeit der Produkte nimmt eher zu, auch wenn sie vielleicht nicht mehr so riechbar und sichtbar sind«, sagt Beetz. Der Rudersport ist die große Leidenschaft des Managers, der als Jugendlicher deutscher Meister im Rudern war und noch heute bei drei bis vier Regatten im Jahr mitfährt. Um fit zu bleiben, benutzt er auf jedem Flug sein Deuserband, das er stets ordentlich aufgerollt in seiner Aktentasche mitführt. »Okay, zugegeben, ich fliege erster Klasse, da sind auch die Badezimmer größer«, schmunzelt er. Andere Vorstände würden allerdings auf einem eigenen Flugzeug bestehen. Fußball ist eine weitere Leidenschaft, aber eher passiver Natur: »Ich habe zwar in Italien und der Türkei in Hobbymannschaften mitgespielt, aber da war ich nie gut«, sagt Beetz. Heute widmet er sich ganz dem Zuschauen: Im Schnitt schafft er es, bei jedem dritten Heimspiel seines Lieblingsvereins, der TSG 1899 Hoffenheim, dabei zu sein. Doch statt in der Loge des SAP-Milliardärs und Hoffenheim-Sponsors Dietmar Hopp zu sitzen, nutzt er seine eigene Dauerkarte für die Tribüne. »Ich bin ein Vagabund«, beschreibt sich Beetz, der für Procter & Gamble alle drei Jahre umgezogen ist und heute zwischen seinen Häusern und Wohnungen in Deutschland, Paris, New York und Mailand pendelt. Zum Skifahren fährt er nach Tirol. »Ich habe keine Lieblingsstadt, ich genieße die Besonderheit von jedem Ort, an dem ich gerade bin« – mag das eine Oper oder ein Lady-Gaga-Konzert sein. Wissenswertes » Im Jahr 2009 betrug der Gesamtumsatz im Parfümerie-Einzelhandel in Deutschland 2,63 Milliarden Euro. Es gab zu diesem Zeitpunkt 2700 Einzelhandelsgeschäfte im Parfümsektor. » Das Wort »Parfüm« kommt aus dem Lateinischen und setzt sich aus den Wörtern »per« und »fumus« zusammen (übersetzt: »durch Rauch«). Duftstoffe wurden erstmals um 5000 v. Chr. als Parfüm eingesetzt. Handelszentren in Europa wurden schließlich Venedig und Grasse in Südfrankreich. » Man unterscheidet zwischen reinem Parfüm, das mit 20–30 Prozent die höchste Konzentration an Parfümöl enthält, Eau de Parfum, Eau de Toilette und Eau de Cologne. 37