Thema: Fristen - Forum Junge Anwaltschaft

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Thema: Fristen - Forum Junge Anwaltschaft
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Anwalt der Anwälte
G 48742
03/11
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
Thema:
Fristen
Mich frisst die Frist
Lebenslänglich – für immer hinter Gittern?
Fristlos – Bagatelle als Kündigungsgrund
Anwälte in Not – Hilfe vom DAV
Jura global – Arbeiten für NGOs
forum Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
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Wir wollten Ihnen den Arbeitstag verkürzen.
Das ist uns auch gelungen.
Wenn alles an retro kanzleisoftware so zuverlässig wäre wie Abstürze und
Verzögerungen, würden Sie die verlorene Zeit mehr als wettmachen.
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Kanzleien nicht das, was sie sind!“
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Editorial
Adrenalin und bockige Faxgeräte
Fristen begegnen einer Rechtsanwältin/einem
Rechtsanwalt ständig in der täglichen Praxis. Je
nachdem, ob man auf der Klägerseite oder auf
der Beklagtenseite steht, kann dabei die Versäumung ein und derselben Frist durchaus
unterschiedliche Reaktionen auslösen. Hat beispielsweise der Beklagtenvertreter vergessen,
die Verteidigungsanzeige in einem Zivilprozess
rechtzeitig abzusenden, ist dies für den Beklagten - vorsichtig formuliert - problematisch,
für den Kläger hingegen sehr erfreulich.
Fristen, beziehungsweise insbesondere der drohende Ablauf einer Frist, können die Notwendigkeit
nach sich ziehen, kurzfristig private Termine am
Abend abzusagen. Vermutlich jeder hat schon einmal die Nacht zum Tage gemacht, weil der Ablauf
einer Frist kurz bevor stand und aus was für
Gründen auch immer eine Fristverlängerung nicht
(mehr) möglich war. Für zusätzliches Adrenalin im
Blut ist dann noch gesorgt, wenn das Faxgerät des
weit entfernt liegenden Gerichts sich partout weigert, den wichtigen Schriftsatz zu empfangen.
Bei den Fristen gibt es allerdings auch vergleichsweise harmlose Fristen, wie beispielsweise die von
Kollegen in ihren außergerichtlichen Schriftsätzen
gesetzten Fristen. Deutlich „gefährlichere“ Fristen
begegnen einem bei der Frage, ob der Anspruch des
Mandanten möglicherweise bereits verjährt ist. Oder
bei der Frage, ob die „normale“ Verjährungsfrist von
drei Jahren oder eine der vielfältigen Ausnahmen
greift. Wurde die Kündigungsschutzklage zu spät
erhoben? Können Einwendungen gegen eine Nebenkostenabrechnung noch erhoben werden?
Der Beitrag „Wohnen nach der Fristenuhr – Märchenhafte Fristen im Mietrecht“ (Seite 10) beschäftigt sich
anhand eines Beispielfalles mit verschiedenen Fris-
AdVoice
Redaktionsteam
Volker Loeschner, Berlin
Rechtsanwalt
Redaktion und Autor
ten, die im Mietrecht zu beachten sind. Mit der in
der Praxis gerne übersehenen Möglichkeit des
Tatbestandsberichtigungsantrags beschäftigt sich
der Artikel auf Seite 26. Im Beitrag „Jahr um – Frist
futsch“ (Seite 17) berichtet eine Kollegin, wie sie
mit einer versäumten Frist umgegangen ist, und
wie überraschend der Mandant darauf reagiert hat.
Der Kollege Patrick Ruppert beschäftigt sich
schließlich in dem Artikel „Mich frisst die Frist –
Wie Stress im Umgang mit Zeitabläufen begegnet
werden kann“ (Seite 4) im Gespräch mit Dr.
Nikolaus Kriegeskorte, Leiter einer Forschungsgruppe
zur visuellen Objekterkennung in der Cognition and
Brain Sciences Unit des Medical Research Council
in Cambridge, UK, mit der psychologischen Seite
von Fristen.
Daneben möchte ich Euch den Beitrag „Offne
Rechnung – Die Gebührenklage gegen den früheren Mandanten" (Seite 42) ans Herz legen, der sich
mit den Feinheiten des richtigen Vorgehens gegen
zahlungsunwillige Mandanten beschäftigt. Ebenfalls
sei der Artikel „Anwälte in Not – Beratung für
Anwälte in finanziellen Schwierigkeiten“ (Seite 43)
zur Lektüre empfohlen.
Tja, wie geht man also am besten mit Fristen um?
Jeder muss da seinen eigenen Weg finden, den
Stress, das Arbeitsaufkommen, die Mandanten und
das Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Ich
persönlich versuche, unverschiebbare Fristabläufe
schnellstmöglich, spätestens einige Tage vor Fristablauf zu erledigen. Immer gelingt mir das allerdings leider auch nicht.
Ich wünsche Euch stressfreie Fristenabläufe und
viel Spaß beim Lesen
Euer RA Dr. Christoph Triltsch
Tobias Sommer, Berlin
Rechtsanwalt
Chefredakteur
Anke Schiller-Mönch, Weimar
Rechtsanwältin
Redaktion und Autorin
Patrick Ruppert, Köln
Rechtsanwalt
Redaktion und Autor
Stefanie Salzmann, Eschwege
Journalistin
Zentralredaktion
Jens Jenau
Rechtsanwalt
Schloß Holte-Stukenbrock
Bücherforum
Andrea Vollmer, Berlin
Fotografin und Bildredaktion
ADVOICE 03/11
1
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Inhalt
Thema: Fristen
Magazin
4
Mich frisst die Frist
Stress begegnen
20
Warnschussarrest
Abschreckung contra Neuköllner Modell
30
Die UNO und die anderen
Juristen bei Nichtregierungsorganisationen
6
Mit Klebezettel der Geleimte
Fristenurteile
21
Familienrecht auf der Überholspur
Vorrang für Kindeswohl
32
Das Gericht des Monats
Das Amtsgericht Düsseldorf
8
Von Ausländerrecht bis Zivilrecht
Fristen in Rechtsgebieten
22
Von „alles“ bis „gar nichts“
Verantwortung delegieren
34
Uniform statt Robe
Karriere bei der Bundeswehr
10
Wohnen nach der Fristenuhr
Märchenhafte Fristen im Mietrecht
23
Haftungsfall Fristversäumnis
Wiedereinsetzung
36
Schneller als die Post
Neue Wege per Signaturkarte
12
ABC der Fristen
Alphabet für Juristen
25
Die Zuverlässige war’s
Personal und Fristverantwortung
38
Grünes Licht für Patientenrechtegesetz!
Damit Patienten ihre Rechte kennen
14
Nervenkitzel pur
Verlängerungsanträge
26
Frust mit der Frist
Teilzeit- und Befristungsgesetz
40
Im Visier der Verbraucherschützer
Rechtsschutzversicherer
15
Die Fristenfee
Termine im Kopf, Akten unterm Arm
26
Tatbestandsberichtigungsantrag
Urteilsergänzung in 14 Tagen
43
Mehr Mediation machen
Verhandeln statt streiten
16
Schief gelaufen
Gespräch setzt Verjährung in Gang
27
Oma hat den Brief verschusselt
Tückische Alltagsfristen
44
Offne Rechnung
Gebührenklage gegen Mandanten
17
Jahr um – Frist futsch
Ein Erfahrungsbericht
27
Don’t forget
Fristenkalender und Lieblingsfristen
45
Anwälte in Not
Krisendienst hilft bei Schieflage
18
Lebenslänglich
Die Höchststrafe im deutschen Strafrecht
28
Auch Kleinvieh ist Mist
Fristlos entlassen wegen Bagatellen?
46
Kostenlos, aber nicht umsonst
Umschüler können große Hilfe sein
19
Vom Bitten und Betteln
Das Gnadenrecht
2
ADVOICE 03/11
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Inhalt
Euer FORUM
48
GfA-intern
Wer macht hier was?
49
Das Who-is-who des GfA
51
Mitmachen und Wörter zählen
AdVoice-Autoren und Redaktion
Bücherforum
58
Gesamtes Strafrecht
Effektive Strafverteidigung
Info + Service
63
Autorenverzeichnis
64
Das letzte Wort
Verrechnet
64
Impressum
Verteidigung im Ermittlungsverfahren
Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Personalbuch 2011
52
53
Volksnah und dickfellig
FORUMs-Mann Allesch jetzt
Anwaltsvereinschef
Haftungsfallen auf dem
Berliner Stammtisch
Gut besucht und interessant
Bundesdatenschutzgesetz
Datenschutz in der anwaltlichen Beratung
Beck´sches Formularbuch IT-Recht
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
Streitwert-Kommentar
54
Vorteile der FORUMs-Mitgliedschaft
55
FORUM international
Neuer Länderbeauftragter für
_Island
55
Regionalbeauftragte gesucht
56
FORUM regional
Neue Regionalbeauftragte für
Verwaltungsrecht
Handbuch der Testamentsgestaltung
Handbuch Pflichtteilsrecht
Das Ende der Geduld
_LG Mainz
_LG Kleve
_LG Bayreuth
_LG Koblenz
Fotos Inhaltsverzeichnis v.l.n.r.: hoeflechner.net, Rainer Sturm_pixelio.de / privat / Rainer Sturm, Gerd Altmann_pixelio.de
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3
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Thema
Mich frisst die Frist
Stress im Umgang mit Zeitabläufen begegnen
Sie sind uns mindestens genauso geläufig wie
die Willenserklärung, der Kaufvertrag oder der
Diebstahl, die wir nach Uni und Rep im Schlaf
herunterbeten können: Die Fristen begleiten den
praktisch tätigen Jurist nahezu ein ganzes Leben.
Versetzen wir uns in die ersten Semester zurück,
so denken wir an die Verjährungsfristen im BGB,
die uns bereits mit trickreichen. Fallkonstellationen rund um Unterbrechung und Hemmung
in den Wahnsinn treiben konnten. In den später
folgenden Übungen im Verwaltungsrecht lernten
wir, dass Fristen dazu da sind, um Rechtsmittel
rechtzeitig vorzubringen oder verspäteten staatlichen Zugriff zurückzuweisen.
Fristen, so wurde uns spätestens im Referendariat
klar, organisieren Arbeitsabläufe mit anderen Menschen auf den Punkt, machen koordiniertes Zusammenwirken erst möglich. Der Büroalltag bekommt so
Konturen, denn die Aktenarbeit erhält einen zeitlichen Rahmen und die Meetings mit den Sozien
werden terminlich fixiert. So könnte man annehmen,
dass Fristarmut ins Chaos mündet. Diese Sorge ausschließen wollend, neigen Workaholics dazu, beinah
alles mit Fristen zu versehen. Dank elektronischer
Kalenderfunktion auf PC und Smartphone sind die
Fristen ständiger Begleiter. Sie können von autorisierten Bürovorstehern eingetragen, selbst kontrolliert und modifiziert werden. Je mehr Fristen im
Kalender stehen, desto deutlicher das Signal, eine
gefragte Person auf dem Beratungsmarkt zu sein –
Reputation und Geld folgen zwangsläufig, so der
verlockende Schluss.
Doch was geschieht, wenn es überhand zu nehmen
droht, Fristen einander überlagern und die allmorgendliche Weckmelodie im Handy nur noch Reminder für eben jene nicht verschiebbaren Zeitabläufe ist? Mag sein, dass in jungen Jahren Ehrgeiz,
Stolz und die Pumpe signalisieren: No limits! Mit
zunehmendem Alter jedoch steigen die Ansprüche
an die eigene Person stetig. Soziales Gefüge, neue
Aufgabenfelder und letztlich die Gesundheit zerren
und ziehen am Organismus, was im ungünstigsten
Fall zum Kollaps führen kann.
Die Diagnose lautet: Gefressen von der Frist oder
besser: stressbedingte Überlastung. Dies gilt es zu
vermeiden. Die richtigen Entscheidungen in der
Büroorganisation zu treffen, stellt somit das A und O
dar, um möglichst lange und letztlich auch effizient
im Beruf bleiben zu können. Nikolaus Kriegeskorte ist
Psychologe an der Cognition and Brain Sciences Unit
des Medical Research Council in Cambridge. In seiner
4
ADVOICE 03/11
interdisziplinären Forschungsarbeit untersucht er die
Reizverarbeitung im menschlichen Gehirn, schlüsselt
die Funktionsweisen der neuronalen Verschaltung
auf und liefert somit wichtige Erkenntnisse für das
Humanverhalten. Im Interview mit AdVoice geht er
der Frage auf den Grund, welchen Einfluss Fristen im
Alltag beigemessen wird. Auch sagt er, warum nicht
alles als Frist deklariert werden sollte.
A: Warum gibt es überhaupt Fristen?
K: Manche Fristen haben objektive Gründe. Aber oft
ist die Setzung einer Frist ein psychologisches Spiel.
Ich gebe mal ein Beispiel. Wir wollen ein Buch
herausgeben. Zwanzig Autoren haben sich bereit
erklärt, Kapitel beizutragen. Das Buch behandelt ein
bestimmtes Thema und soll innerhalb eines Jahres
erscheinen. Wenn es innerhalb von zwei Jahren herauskommt, dann ist das immer noch gut. Aber je
länger es dauert, desto stärker ist der Inhalt veraltet.
Äußere Umstände begründen keine strenge Frist.
Doch die einzige Möglichkeit, das Projekt zügig
durchzuziehen und die Autoren zu disziplinieren, ist
die Setzung einer Frist.
A: Autoren müssen diszipliniert werden?
K: Das Problem ist, dass bei sehr beschäftigten Menschen viele Projekte im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit stehen. In diesem Wettbewerb muss das
Projekt, ein Kapitel zu schreiben, gewinnen, sonst
wird es nie fertiggestellt. Eine Frist hilft dabei, das
Projekt nicht nur als wichtig, sondern auch als dringend erscheinen zu lassen. Wichtigkeit und Dringlichkeit sind typischerweise die Kriterien für die Entscheidung, was man mit seiner Zeit tut.
A: Ohne solche Deadlines funktionierte nichts?
K: Deadlines sind sehr wichtig, ja! Deadlines sind
motivierend und synchronisieren die Gruppe: Sie
helfen zu erreichen, dass alle in etwa gleichzeitig
fertig werden. Aber – und das ist das Interessante –
es ist auch so, dass Fristen eine gewisse Beliebigkeit
haben. Denn man könnte sie etwa auch einen Monat
später setzen. Das wäre in vielen Fällen gar kein
Problem. Und oft ist es wie im Beispiel des Buches
so, dass es zwar eine Deadline gibt, die dann aber
doch nicht eingehalten wird, weil Autoren ihre
Kapitel später einreichen. Die Frist wird dann einfach
nach hinten verschoben.
A: Fristen sind Motivatoren?
K: Das ist richtig, Fristen motivieren durch Druck.
Wenn Fristen nicht eingehalten werden, dann hast
du den Vertrag nicht erfüllt. Das ist zumindest ein
wenig peinlich. Die Frist führt folglich zu einem Push.
A: Funktioniert das denn? Nutzt sich dieser
psychologische Trick nicht ab, wenn ich weiß,
ich bekomme einen Fristaufschub?
K: Im Juristenalltag mag das deutlich härter sein.
Beim wissenschaftlichen Autor ist es oft so, dass er
oder sie nervös wird, wenn der Tag des Fristablaufs
naht. Man muss sich melden, weil man nicht sicher
sein kann, dass die eigene Arbeit nicht umsonst war.
Normalerweise melden sich die Autoren, bitten um
eine Verlängerung und stehen dann zu ihrem Wort.
Es entsteht sozialer Druck, der oft einen positiven,
einen motivierenden Effekt hat.
A: Wann schlägt die positive Motivation durch
Druck in negativen Stress um?
K: Stress entsteht, wenn sich ein Mensch nicht nur
unter Druck fühlt, sondern zusätzlich einen Kontrollverlust erlebt.
A: Hängt es davon ab, ob der Druck von außen
kommt oder selbstgesetzt ist?
K: Nein. Viele Menschen haben Stress aufgrund des
Drucks, den sie sich selbst machen. Man macht sich
selbst zwanghaft Druck und empfindet daraufhin
Kontrollverlust. Ich würde nicht sagen, dass der
selbstgemachte Druck weniger gefährlich ist in
Bezug auf Stress im negativen Sinn.
A: Führt jeder Druck zwangsläufig zu Stress?
K: Nein. Es gibt den Druck, der dazu führt, dass die
gestellte Aufgabe auf Platz eins der eigenen Priori tätenliste rückt. Es folgt der Entschluss, „jetzt“ anzufangen. Auch wenn es etwas unangenehm ist, weil
man sich erst einmal in das Thema hineindenken
muss, oder weil es irgendwelche Hindernisse zu überwinden gibt, muss kein ungesunder Stress entstehen.
Doch wenn der Druck sich häuft und das subjektive
Erleben hinzutritt, dass man die Lage nicht mehr
unter Kontrolle hat, und dass man drohende negative
Konsequenzen weder abwenden noch hinnehmen
kann, dann entsteht ungesunder Stress.
A: Kann es soweit gehen, wenn die Fristen überhand nehmen, dass Lebensfunktionen eingeschränkt werden, oder dass es sogar zu einer
kompletten Lähmung kommt?
K: Menschen, die dauerhaft Stress erleben, zeigen
psychische und körperliche Symptome. Das können
Schlafverlust, Motivationslosigkeit, Rückzug von sozialen Aktivitäten oder Depressionen sein. Körperlich
können Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen und
langfristig ernstere körperliche Schäden folgen. Der
Nebeneffekt ist, dass man noch weniger schafft, als
man glaubte, nicht hinnehmen zu können.
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Thema
»Stress entsteht, wenn sich
ein Mensch nicht nur unter
Druck fühlt, sondern zusätzlich
einen Kontrollverlust erlebt.«
festgehalten werden, so dass man sie nicht mehr im
Kopf haben muss, aber nicht im Kalender. So hält
man den selbst gesetzten Druck unter Kontrolle und
vermeidet Stress.
A: Was, wenn die Fristen und der Druck von
außen überwältigend erscheinen?
K: Man muss verstehen, dass es die eigene Wahrnehmung ist, die Druck in Stress verwandelt. Wenn
Fristen sich häufen, müssen wir reevaluieren, welche
uns am wichtigsten sind, uns auf diese konzentrieren,
und die Konsequenzen akzeptieren. Diese Weisheit
erwächst aus mehreren Einsichten: dass Druckgesteuertes Handeln nicht erfolgversprechend ist, dass
subjektiver Kontrollverlust zu objektivem Kontrollverlust und damit zu noch größeren realen Verlusten
führt, dass dauerhafter Stress die Gesundheit schädigt, und dass unser subjektives Erleben von Moment
zu Moment die Qualität unseres Lebens bestimmt.
A: Ist Stress trotz hohen Arbeits- und Fristenaufkommens denn überhaupt vermeidbar?
K: Die Frage hierbei muss lauten, wie wichtig die
Einhaltung der Frist erscheint. Das ist der subjektive
Faktor. Du kannst zwei Leuten den gleichen Druck
machen. Der eine fühlt sich dabei total gestresst, der
andere gar nicht.
A: Welche Mechanismen kann man denen empfehlen, die Fristen zu nah an sich heranlassen?
K: David Allens Buch „Getting things done“ enthält
eine zentrale Erkenntnis zum Thema Fristen. Der
Foto: Silke Kaiser_pixelio.de
Autor sagt, dass man seine verschiebbaren Aufgaben
nicht im Kalender planen soll. Eine Aufgabe in den
Kalender zu schreiben, bedeutet die Setzung einer
Frist, selbst wenn man sich bewusst ist, dass diese
Frist verschiebbar ist. Am Tag der Frist ist oft alles
anders und der Plan ist obsolet. Die selbstgesetzten
Fristen können aber Stress bewirken, vor allem, wenn
sie im Wettbewerb mit objektiven Fristen oder Daten
stehen, an denen etwas stattfindet, das nicht verschiebbar ist. Nicht verschiebbare Ereignisse gehören
in den Kalender. Verschiebbare Pläne sollen auch in
einer externen Repräsentation, etwa in einem Planer,
Dr. Nikolaus Kriegeskorte leitet eine Forschungsgruppe zur visuellen Objekterkennung in der Cognition and Brain Sciences Unit des Medical Research
Council in Cambridge, UK. Zuvor war er Mitarbeiter
am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt und am National Institute of Mental Health in
Bethesda, Maryland, USA. Er ist Autor zahlreicher
Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Magazinen.
Das Gespräch führte
RA Patrick Ruppert, Köln
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Thema
Mit Klebezettel ist man der Geleimte
Fristen dürfen nicht auf selbst haftende Zettel notiert werden – Fristenurteile
Bundesgerichtshof
Rosenmontag. Versäumte Berufungsfrist
wegen flächendeckend geschlossener
Anwaltskanzleien
Bundesgerichtshof
Rückgabe des Empfangsbekenntnisses erst
nach Notieren der Frist im Fristenkalender
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233
Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn
sichergestellt ist, dass in den Handakten die
Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt
ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert
worden ist.
BGH, Beschluss vom 2.2.2010 VI ZB 58/ 09; OLG Hamm
(Lexetius.com/2010,263)
Bundesgerichtshof
Ein nicht in Rheinland-Pfalz ansässiger Kläger,
der jedoch in diesem Bundesland in einem Prozess Berufung einlegen möchte, muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass am Nachmittag des Rosenmontags flächendeckend alle
beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwaltskanzleien geschlossen sind. Kommt es
dadurch zum Fristversäumnis, kann dies nicht
als Verschulden des Klägers gewertet werden.
BGH-Urteil vom 15.10.1981 - III ZR 74/80
Bundesgerichtshof
Divergenz zwischen Eingangsstempel
und Vermerk auf Poststellungsurkunde
ZPO § 233 B, Fb, Fd
Zur einer ordnungsgemäßen Organisation des
Fristenwesens in einem Anwaltsbüro gehört
nicht nur die Anweisung an das zuständige
Büropersonal, den für den Beginn der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung eines Urteils anhand der Datumsangabe im unterzeichneten Empfangsbekenntnis oder auf dem
Zustellungsumschlag zu ermitteln. Dem Büropersonal muss auch aufgegeben werden, das
Datum der Zustellung gesondert und deutlich
abgehoben von dem nicht maßgeblichen Aufdruck des Eingangsdatums zu vermerken.
im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 17.10.1990 XII ZB 73/90, VersR 1991, 124, und 15.7.1998 - XII ZB
37/98, NJW-RR 1998, 1442
Organisatorische Maßnahmen
des Rechtsanwalts zur Verhinderung
einer Verwechslung von Fristen
ZPO § 85 Absatz II, ZPO § 233
Wenn in mehreren Verfahren gleicher Parteien
mehrere Fristen für Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründung zu notieren sind, muss der
Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen verhindern, dass eine Verwechslung in der
Behandlung der verschiedenen Verfahren entstehen kann. Er muss durch geeignete Anweisungen
sicherstellen, dass grundsätzlich bei zwei oder
mehr Rechtsmitteln in der Angelegenheit eines
Mandanten die Frist für jedes dieser Rechtsmittel
auch bei gleichzeitigem Fristablauf gesondert
notiert wird. Hat er die Fristenkontrolle auf eine
Fachangestellte übertragen, ist es darüber hinaus
geboten, die notierten Fristen mit zusätzlichen
eindeutigen Erkennungszeichen zu versehen.
Bundesarbeitsgericht
Umdeutung einer Kündigung
mit zu kurzer Kündigungsfrist
Eine vom Arbeitgeber mit zu kurzer Kündigungsfrist erklärte ordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses kann nur dann in eine Kündigung zum richtigen Kündigungstermin gemäß § 140 BGB umgedeutet werden, wenn sie
nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam gilt.
BAG, Urteil vom 1.9.2010, Az.: 5 AZR 700/09. LAG
Mecklenburg-Vorpommern
NJW 2010, 3585, AZ XII ZB 66/10
Foto: (Papier) Thommy Weiss_pixelio.de
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ADVOICE 03/11
AdVoice 03_11_def_Layout 1 22.09.11 09:28 Seite 7
Thema
Verwaltungsgericht
Unzureichende Anweisung
zur Fristnotierung auf Klebezettel
ZPO § 85 II
Ein Rechtsanwalt genügt nicht den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die
Beachtung von Rechtsmittelfristen, wenn er
seine Mitarbeiter durch Anbringung eines Klebezettels auf einem Schriftstück anweist, eine Frist
zu notieren.
Bundesgerichtshof
Zeitliche Grenze für einen
Antrag auf Fristsetzung
OVG Bremen - 4.6.2010 - 2 A 57/10
ZPO § 494a
Ein Antragsgegner, der nach Abschluss eines
selbständigen Beweisverfahrens mit seinem Antrag auf Erhebung der Klage so lange wartet, bis
der etwaige Anspruch des Antragstellers verjährt
ist, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn es für ihn
keine triftigen Gründe gab, den Antrag nicht früher zu stellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
eine Klage zu dem Zeitpunkt, in dem der Antragsgegner redlicherweise spätestens den Antrag auf Fristsetzung hätte stellen müssen, erfolgreich gewesen wäre.
Bundesgerichtshof
Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist
ZPO §§ 233, 520 II 3
Annahmefrist(verlängerung) und Schriftform des langfristigen Mietvertrags Folgen verspäteter Annahme
Ein Prozessbevollmächtigter darf mit der Bewilligung einer erstmals beantragten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechnen,
wenn er zur Begründung des Verlängerungsantrags darauf verweist, eine ausreichende
Rücksprache mit dem Mandanten und die notwendige Beschaffung von Unterlagen hätten
innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht
erfolgen können. In der Regel reicht die pauschale Berufung auf einen dieser Gründe in der
Antragsschrift aus; eine weitere Substantiierung
oder Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich.
BGB §§ 550, 148, 126 Abs. 2
BGH - 16.3.2010 - VI ZB 46/09
BGH - 14.1.2010 - VII ZB 56/07
Bundesgerichtshof
a) Die Verlängerung der Frist zur Annahme der
auf den Abschluss eines langfristigen Mietvertrages gerichteten Erklärung bedarf nicht
der Schriftform des § 550 BGB.
b) Zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB
genügt es, wenn die Vertragsbedingungen eines
konkludent abgeschlossenen Mietvertrages in
einer der „äußeren Form“ des § 126 Abs. 2 BGB
genügenden Urkunde enthalten sind.
BGH, Urt. Vom 24.2.2010 – XII ZR 120/06 (OLG Nürnberg)
Verwaltungsgericht
Fristwahrung bei gemeinsamer Nutzung
eines Nachtbriefkastens durch VG und OVG
Ein an ein unzuständiges Gericht (VG statt OVG)
adressierter Berufungszulassungsschriftsatz,
der am letzten Tag der Begründungsfrist in einen Nachtbriefkasten eingeworfen wird, den
sowohl das VG wie auch das OVG gemeinsam
nutzen, wahrt nicht die Eingangsfrist.
OVG Saarlouis - 28.4.2010 - 1 A 12/10
ADVOICE 03/11
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Thema
Fristen nach Rechtsgebieten
Handeln, bevor
die Woche um ist
Überraschung
und Kopfschmerz
Beim Rechteschutz ticken
die Uhren schneller
STRAFRECHT
AUSLÄNDER- UND ASYLRECHT
EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ
Relevante Fristen für Strafverteidiger sind – auch
wenn sie als solche im Unterschied zu anderen
Rechtsgebieten seltener eine Rolle spielen – in
erster Linie kurz, kurz und nochmals kurz. Hier
geht es meist um „Wochen-Fristen“, deren Einhaltung existenziell für die Mandanten ist, da sie
sich auf Rechtsmittel gegen die einschneidenden Entscheidungen der Justiz beziehen. Wenn
das Bauchgefühl oder besser noch die Kenntnis
eines Rechtsmittels vorhanden ist, sollte also unmittelbar gehandelt werden.
Das Ausländer- und Asylrecht enthält teilweise
überraschende Fristen. Hier ein Überblick über
einige Einfälle des Gesetzgebers, die in der Beratung Kopfschmerzen bereiten können.
Grundsätzlich verjähren Ansprüche in drei Jahren, so will es die regelmäßige Verjährungsfrist
des § 195 BGB. In der Regel muss innerhalb
dieser Zeit geklagt werden, um die Einrede der
Verjährung zu verhindern. Doch bei Rechten, die
im einstweiligen Rechtsschutz durchgesetzt werden sollen, ticken die Uhren schneller.
Die Fristen für die Rechtsmittel Einspruch gegen
einen Strafbefehl (zwei Wochen nach Zustellung)
sowie die Berufungs- und die Revisionsfrist (jeweils
eine Woche nach Urteilsverkündung) gehören zu
den Basics. Eine Begründung jedoch muss lediglich
bei der Revision binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils gefertigt werden. Eine „Berufungsrechtfertigung“ ist zwar gesetzlich mit einer Frist
versehen, in der Praxis jedoch unüblich und daher
ist das Versäumen unschädlich. Der Einspruch kann
in der Praxis begründet werden, muss aber nicht,
daher erfolgt dies sehr selten; allenfalls wird die
Hauptverhandlung hinsichtlich zu sichtender Beweise vorbereitet.
Binnen einer Woche ist die sofortige Beschwerde
nach § 311 StPO einzulegen, wenn die Strafprozessordnung dies vorsieht, z. B. gegen die Ablehnung
eines Befangenheitsantrages, gegen die Ablehnung
der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als
Nebenkläger gegen die Ablehnung der Eröffnung
des Hauptverfahrens und – wichtig – gegen die
Entscheidung über die Kosten des Verfahrens. Sollte
hier zu Lasten des Mandanten entschieden worden
sein, obwohl die Landeskasse die Kosten der Verteidigung zu tragen hat, so ist schnell zu handeln,
möglichst noch am Ende der Hauptverhandlung.
Schlussendlich sollte der Strafverteidiger – falls er
doch eine Frist unverschuldet versäumt – an die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand denken.
Hier ist ebenfalls binnen einer Woche nach Wegfall
des Hindernisses, welches das Einhalten der Frist
unmöglich machte, gem. § 45 StPO der Antrag auf
Wiedereinsetzung zu stellen. In der gleichen Zeit
muss das versäumte Rechtsmittel nachgeholt
werden.
RA Marek Schauer, Berlin
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Die Aufenthaltserlaubnis ist immer befristet, zumeist
zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Wichtig
ist dabei die Fiktionswirkung der Antragstellung
gem. § 81 Abs. 4 AufenthG. Sobald ein Antrag auf
Verlängerung von Aufenthaltserlaubnis oder Visum
gestellt ist, werden diese bis zur behördlichen Entscheidung als weiterbestehend angesehen, obwohl
seine Gültigkeit mit Ablauf der Frist enden würde.
Dies wird aber nach herrschender Auffassung nur
durch einen vor Ablauf der Befristung gestellten
Antrag ausgelöst.
Eine andere wichtige Frist betrifft die Ehe: Ehegatten
eines Ausländers oder Deutschen erhalten nach
neuem Recht seit 1.7.2011 erst nach Bestehen der
ehelichen Gemeinschaft von mindestens drei Jahren
ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Die Frist kann
nur zur Vermeidung einer besonderen Härte unterschritten werden, z. B. bei Straftaten oder Zwangsheirat.
Mehr Fristenfallen hält das Asylverfahren bereit:
Gem. § 74 Abs. 1 AsylVfG beträgt die Klagefrist in
Verfahren nach dem AsylVfG zwei Wochen. Der Widerspruch ist gem. § 11 AsylVfG ausgeschlossen.
Zusätzlich sieht § 74 Abs. 2 AsylVfG vor, dass die
Begründung der Klage innerhalb eines Monats
nach Zustellung des angefochtenen Bescheides
erfolgen muss. Dabei wird auf § 87b Abs. 3 VwGO
verwiesen, so dass mit dieser Frist eine Präklusion
verbunden ist.
Der asylrechtliche GAU ist die Ablehnung eines
Antrages als „offensichtlich unbegründet“ gem. § 30
AsylVfG. Die Klage entfaltet dann keine aufschiebende Wirkung, der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO
muss aber gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG innerhalb
von einer Woche gestellt werden, Gleiches gilt für
die Klage (§ 74 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. AsylVfG).
Nichts hindert dabei das Gericht, über den Eilantrag
vor Ablauf der Begründungsfrist von einem Monat
zu entscheiden.
Deshalb: Augen auf beim Zeitablauf!
RA Henning J. Bahr, Osnabrück
Typischerweise sind es Unterlassungs- und Auskunftsansprüche, die im Immatrialgüter-, Äußerungs- und Wettbewerbsrecht vorab im Wege einer
einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Doch
schon nach wenigen Wochen ist eine Durchsetzung
dieser Rechte vor Gericht erschwert.
Der Hauptsacheprozess bleibt dann innerhalb der
normalen Verjährungszeiten möglich, doch eine
einstweilige Verfügung, die bis zum Abschluss des
Verfahrens ein vorübergehendes Verbot ausspricht
und oft das einzig sinnvolle Vorgehen darstellt,
würde wegen der Verletzung der Dringlichkeitsfrist
kostenpflichtig abgewiesen. Oft kommt es aber gerade darauf an, schnell eine Lösung zu finden, ein
Patent oder eine Marke soll „erst einmal“ nicht weiter genutzt werden, Fotos oder Texte sollen aus dem
Internet entfernt werden usw. usf.
Die Besonderheit: Eine klare gesetzliche Regelung
gibt es nicht, in jedem OLG-Bezirk werden diese
Fristen anders gehandhabt, die Entscheidungen sind
nicht revisibel. Zudem unterscheiden die Gerichte vermutlich aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten – auch zwischen den einzelnen Rechtsgebieten.
Während für Schutzrechtsverletzungen in Berlin
beispielsweise oft eine großzügige 2-Monats-Frist
gilt (z. B. KG Berlin, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 5
W 295/10) sind es im Äußerungsrecht auch mal
weniger als ein Monat. Ohne Kenntnis der lokalen
Besonderheiten ist daher bei der Fristberechnung
Vorsicht geboten.
Für wettbewerbsrechtliche Fälle gilt zudem die kurze
Verjährungsfrist des § 11 UWG. Unterlassung, Beseitigung und Schadenersatz – einschließlich des Anspruchs auf Kostenerstattung der Anwaltskosten bei
einer berechtigten Abmahnung – verjähren bereits
nach sechs Monaten.
RA Tobias Sommer, Berlin
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Magazin
Die Uhr läuft
ab Bekanntgabe
Kardinale
Norm Verjährung
Verjährung
ist alles
VERWALTUNGSRECHT
ORDNUNGSWIDRIGKEITENRECHT
ALLGEMEINES ZIVILRECHT
Maßgeblich für den Lauf einer Frist verwaltungsrechtlicher Rechtsmittel und Rechtsbehelfe ist,
dass dieser erst beginnt, wenn der Beteiligte über
den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder
das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist
schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist,
§ 58 Abs. VwGO. § 70 VwGO regelt die einmonatige Widerspruchsfrist und § 74 VwGO schließlich die einmonatige Klagefrist.
Verkehrsrechtler kennen sich aus im Gesetz über
Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Alles unterhalb
der Strafbarkeitsgrenze, zumeist relevant für das
Punktekonto im Verkehrszentralregister in Flensburg, mündet in den Normenkatalog ein, der von
seiner Struktur an den Allgemeinen Teil des
Strafrechts erinnert.
Die Verjährungsfristen sind wohl die wichtigsten
Fristen im Zivilrecht. Ist der Anspruch verjährt,
kann man sich die Klage sparen. Allerdings
schließt die Verjährung nicht die Aufrechnung
aus, wenn der Anspruch zu dem Zeitpunkt noch
nicht verjährt war, zu dem das erste Mal aufgerechnet werden konnte, § 215 BGB. Gleiches
gilt für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes.
Oft wendet sich der Mandant erst nach Erhalt eines
Bescheides an den Rechtsanwalt. Nicht selten ist
dann der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides nicht genau zu bestimmen. Hier empfiehlt es
sich, für die Berechnung der Frist vom Datum des
Bescheides auszugehen. Gem. § 31 VwVfG gelten
für die Berechung verwaltungsrechtlicher Fristen
die Regelungen der §§ 187 bis 193 BGB. Eine Ausnahme bilden Fristen, die von Behörden gesetzt
werden. Dann beginnt die Frist mit dem Tag zu laufen, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, es sei
denn, dem Betroffenen wird etwas anderes mitgeteilt, § 31 Abs. 2 VwVfG. Fällt das Ende einer Frist
auf einen Sonn- oder Feiertag, endet sie am darauf
folgenden Werktag, es sei denn, für das Ende der
Frist wurde seitens der Behörde ein bestimmter Tag
festgesetzt, § 31 Abs. 3 VwVfG. Ein von einer Behörde gesetzter Termin ist einzuhalten, auch wenn
er auf einen Sonn- oder Feiertag fällt, § 31 Abs. 7
VwVfG.
Versäumte Fristen können von der Behörde verlängert werden – insbesondere dann, wenn es unbillig wäre, die Verlängerung nicht zu gewähren. Die
Verlängerung kann mit einer Nebenbestimmung
nach § 36 VerwVerfG verbunden werden, § 31
Abs. 7 VwVfG. Im Verwaltungsrecht gibt es einige
Regelungen, die ausdrücklich vorsehen, dass verspätete Einwendungen nicht nur einer verfahrensrechtlichen, sondern auch einer materiellen Präklusion unterliegen. Das wiederum hat zur Folge,
dass sie in einem späteren Widerspruchsverfahren
oder gerichtlichen Verfahren nicht mehr wirksam
vorgebracht werden können. § 10 Abs. 3 S. 5 BimSchG
z. B. beinhaltet eine solche Präklusionswirkung. Der
Paragraph bezieht sich auf das Genehmigungsverfahren und regelt wie folgt: Mit Ablauf der
Einwendungsfrist sind alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Auch die § 17a Nr 7 FStrG
und § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG beinhalten derartigen
Ausschlüsse.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Das OWiG ist die Basis, auf die viele Regelungen
des besonderen Verwaltungsrechts verweisen. Somit werden profunde Kenntnisse in Sachen Ordnungswidrigkeitsrecht von den Rechtsanwälten
verlangt, die sich mit öffentlichem Baurecht, Umwelt- und Energierecht oder Ausländer- und Sozialrecht beschäftigen. Auch die Wirtschaftsrechtler wissen um die Bezugnahmen zum OWiG Dank
der Bußgeldvorschriften des GWB, UWG, des HGB
und des AktG.
Kardinale Norm ist zunächst § 31, der die Verjährungsfrist der Verfolgung regelt. Die Dauer der laufenden Zeit hängt von der Höhe der Bußgeldbewährung ab. So sind es drei Jahre bei Geldbußen im
Höchstmaß jenseits der 15.000 Euro, zwei Jahre bei
Geldbußen zwischen 2.500 und 15.000 Euro, ein
Jahr bei Bußgeldern zwischen 1.000 Euro und 2.500
Euro und sechs Monate bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten. Bedeutsam für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Beendigung der Tat. Fallen
jedoch das Ende der Tathandlung und der Erfolgseintritt zeitlich auseinander, ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Erfolg feststellbar ist. Denn erst
dann läuft die Verjährung.
Obacht ist geboten bei diversen Ausnahmeregelungen der Hemmung und Unterbrechung. Demnach kann ein ausstehendes erstinstanzliches Urteil jedwede Verjährung zum Ruhen bringen.
Gleiches gilt, solange nach dem Gesetz die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit nicht begonnen
oder fortgesetzt werden kann, so § 32. In satten 15
Ausnahmetatbeständen werden die Gründe für die
Unterbrechung der Verfolgungsverjährung aufgelistet. Die Möglichkeiten auf Durchsetzung der
Vollstreckung sind allerdings auch limitiert. Nach
§ 34 hat der Staat maximal fünf Jahre ab Rechtskraft der Entscheidung zur Beitreibung des Bußgeldes Zeit. Bei Bußgeldern bis zu 1.000 Euro sind
es gar nur drei Jahre. Wenn es um Rechtsschutz im
OWi-Recht geht, muss jeder Rechtsanwalt nach
§ 67 unbedingt die Einspruchsfrist von maximal
zwei Wochen ab der Zustellung des Bußgeldbescheides beachten.
RA Patrick Ruppert, Köln
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre,
§ 195 BGB. Sie beginnt grundsätzlich zum Schluss
des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und
in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, § 199 Abs.1 ZPO. In Fällen
der Filesharing-Abmahnungen z. B. dürfte daher für
die Verjährung regelmäßig nicht der Tag der Verletzung maßgeblich sein, sondern der Tag, an dem
der Rechteinhaber Auskunft über die Person hinter
dem Internetanschluss erlangt. Das betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Verletzung zum Ende
eines Jahre stattgefunden, die Staatsanwaltschaft
z. B. aber erst zu Beginn des nächsten Jahres den
Internetnutzer ermittelt hatte. „Vergleichsverhandlungen“ können die Verjährung außerdem hemmen.
Denn im Gesetz ist die Rede von Zeitpunkt der
Kenntnis der „Person“, nicht der IP-Adresse. Vielleicht ist das aber auch Auslegungssache. Abweichend von den in den §§ 195 ff BGB geregelten
Verjährungsfristen gilt für die Verjährung von
Mängelansprüchen mitunter eine zweijährige Verjährungsfrist, § 438 Abs. Nr. 3 BGB.Bei den Rechtsmittelfristen sei die Berufungsfrist genannt. Die
beträgt für die Einlegung einen Monat. Sie ist eine
Notfrist und kann gem. § 224 ZPO nicht verlängert
werden. Die Versäumung einer Notfrist führt allerdings entgegen der Ausschlussfrist nicht zwangsläufig zum Rechtsverlust. Wiedereinsetzung ist
möglich, § 233 ZPO. Zurück zur Berufung: Die muss
binnen zwei Monaten begründet werden. Die Berufungsfristen beginnen mit der Zustellung des in
vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens
fünf Monate nach Verkündung. Einschlägige Normen
sind die §§ 511, 517 ZPO.
Interessant, weil nicht ganz so häufig vorkommend,
ist z. B. die zweiwöchige Notfrist für die sofortige
Beschwerde gegen einen Beschluss, der den Erlass
eines Versäumnisurteils ablehnt, § 336 Abs.1, 567,
569 ZPO.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
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Thema
Wohnen nach der Fristenuhr
Märchenhafte Fristen im Mietrecht
geschriebene Ankündigungszeitraum von drei
Monaten (§ 554 Abs. 3 S. 1 BGB) nicht eingehalten
wurde und die avisierten Maßnahmen unzureichend beschrieben waren, hätte Tanja die Maßnahmen gar nicht dulden brauchen. Aber Tanja und
Robert freuen sich, dass das Bad renoviert wird.
Nachdem die Arbeiten jedoch im Herbst 2006 abgeschlossen sind, flattert ihnen im November 2006
eine deftige Mieterhöhung mit Wirkung zum Februar 2007 ins Haus. Robert meint, sie sollen nach
§ 561 BGB von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, aber Tanja will in der Wohnung
bleiben, die so günstig zur Uni liegt. Ein Kniff findet
sich doch: Robert entdeckt § 559b Abs. 2 S. 2 BGB,
so dass sie erst sechs Monate später – also zum
August 2007 – die neue, erhöhte Miete zahlen
müssen.
Wohnen mit Weile.
Foto: Rita Thielen_pixelio.de
Tanja studiert Biologie und Robert Jura, gemeinsam leben sie jetzt in ihrer Wohnung. Im Dezember 2003 schickt Vermieter Girr die erste
Betriebskostenabrechnung zu: eine Nachzahlung
von fast 200 Euro, die jedoch schnell vergessen
wird. Während durchs Studium die Köpfe rauchen, gibt es undichte Fenster, tropfende Wasserhähne und eine oft kalte Heizung. Über ein
Jahr später erinnert ihr Vermieter an die fällige
Forderung aus 2002. Mit Erschrecken stellt Robert fest, dass gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB
zwölf Monate nach Zugang der Abrechnung
keine Einwendungen mehr geltend zu machen
sind. Die 200 Euro sind zu bezahlen.
Am Silvesterabend listen Tanja und Robert alle
Mängel in ihrer Wohnung auf, die sie schon seit
Monaten ärgerten, und machen gegenüber Vermieter Girr eine Mietminderung gem. § 536 Abs. 1
BGB geltend. Herr Girr beseitigt die Mängel umgehend, widerspricht jedoch der Mietkürzung. Und
er hat Recht, denn die Mängel waren nicht unverzüglich angezeigt worden. Die Mieter hatten
dem Vermieter somit die Möglichkeit der Beseitigung genommen, daher durften sie gem. § 536c
Abs. 1 BGB auch keine Minderung vornehmen.
Herr Girr kündigt im Februar 2006 pauschal den
Beginn umfassender Modernisierungsarbeiten für
April 2006 an. Einen Hinweis auf eine zu erwartende Mieterhöhung enthält das Schreiben nicht.
Da der für eine Modernisierungsankündigung vor-
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Jetzt war Herr Girr verärgert und schickte deshalb
im März 2008 eine Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 558 BGB zu. Aber
Robert holt wieder sein BGB hervor und hilft: Zwar
ist für die 15-monatige Wartefrist zwischen zwei
Mieterhöhungen eine Anhebung der Miete auf
Grund von Modernisierungsarbeiten unbeachtlich,
aber Herr Girr hatte sowohl die 20-prozentige Kappungsgrenze innerhalb von drei Jahren nicht beachtet, als auch eine fehlerhafte Berechnung der
ortsüblichen Vergleichsmiete vorgenommen. Somit
konnten beide diese Mieterhöhung abwenden und
hatten endlich wieder Zeit für ihr Studium.
Eines Tages teilt Hauseigentümer Girr mit, dass die
Wohnungen als Eigentumswohnungen umgewandelt und veräußert wurden. Herr Wichtig ist der
neue Eigentümer der Wohnung und somit Vermieter. Er benötigt die Wohnung für seine Tochter,
die vor Ort studieren will und kündigt daher wegen
Eigenbedarf. Zwar ist Robert noch nicht Rechtsanwalt, aber er kennt § 577a Abs. 1 BGB, wonach
bei der Umwandlung in Wohnungseigentum Eigenbedarf erst nach drei Jahren geltend gemacht werden darf. Somit können Tanja und Robert in der
Wohnung wohnen bleiben.
Aber schon zwei Jahre später kursieren im Hausflur
Gerüchte Herr Wichtig sei hoch verschuldet. Daher
waren Tanja und Robert nicht überrascht, als sie
Mitte 2010 die Mitteilung erhielten, Frau Zaster habe
ihre Wohnung im Wege einer Zwangsversteigerung
gekauft. Überraschend flatterte ihnen die Kündigung von Frau Zaster ins Haus, die sich auf ihr
Sonderkündigungsrecht gem. § 57a ZVG berief,
Eigenbedarf geltend machte und mit einer Frist von
drei Monaten die Kündigung erklärte. Zum Glück
hatte Robert schon sein erstes Staatsexamen abgeschlossen und zauberte § 573c Abs. 1 S. 2 BGB hervor: Für Tanja, die seit mehr als acht Jahren in der
Wohnung wohnte, galt nämlich die verlängerte
Kündigungsfrist von drei mal drei Monaten = neun
Monaten. Somit blieben den jungen Eltern Tanja und
Robert wenigstens ein paar Monate mehr Zeit, sich
eine neue Wohnung mit Kinderzimmer zu suchen.
Der Umzug passierte schon fast Hals über Kopf und
Robert war durch sein zweites Staatsexamen abgelenkt. Also räumte Tanja die Wohnung alleine
aus und ließ die Wohnung von einem Maler renovieren. Eigentlich hätte Tanja aufgrund einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel gar nichts
machen müssen. Als Robert seine Zulassung in
Händen hält, stellte er sieben Monate später die
Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel fest,
aber zu diesem Zeitpunkt war der Rückforderungsanspruch gem. § 548 Abs. 2 BGB schon verjährt.
Innerhalb von sechs Monaten hätten sie ihr Geld
zurückfordern können. Nun hatte die junge Familie
zwar kein Geld, aber waren mit ihrem Kind in ihrer
neuen Wohnung glücklich.
RAin Michaela Retzlaff, Berlin
Fristenalarm
Erstattungsansprüche der Mieter wegen
Renovierungskosten bei einer unwirksamen
Schönheitsreparaturklausel verjähren nach
6 Monaten.
(BGH | 4.5.2011 | VIII ZR 195/10)
Berechnung der Frist zur Zahlung der Miete
bis zum dritten Werktag erfolgt ohne Sonnabend. (BGH | 13.6.2010 | VIII ZR 129/09)
Berechnung der Frist zur Kündigung bis zum
dritten Werktag erfolgt mit Sonnabend.
(BGH | 27.4.2005 | VIII ZR 206/04)
Die Kautionszahlung wird erst nach Benennung eines insolvenzfesten Kontos fällig.
(BGH | 13.10.2010 | VIII ZR 98/10)
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Thema
§
ABC – Wann ist die Frist passé?
Fristen-Alphabet - von Ausschlussfrist bis Zahlungsfrist
Ausschlussfrist. („Verfallsfrist“ oder „Präklusionsfrist“ genannt) Frist, nach deren Ablauf Ansprüche,
aber auch Rechte erlöschen bzw. untergehen; auch
wenn der Anspruch entstanden war. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich. Im Unterschied zur Verjährungsfrist, deren
Ablauf nur ein Leistungsverweigerungsrecht begründet, und die deshalb nur nach Erhebung der
Einrede zu beachten ist, führt der Ablauf der Ausschlussfrist zum Erlöschen des Anspruchs oder des
Rechts selbst. Damit ist die Ausschlussfrist von Amts
wegen zu beachten. Ausschlussfristen sind in gesetzlichen Regelungen vorgesehen (z. B. § 124 BGB),
werden aber auch vertraglich, z. B. im Arbeitsrecht,
vereinbart.
Ausschlagungsfrist. Der vorläufige Erbe, der die
Annahme der Erbschaft noch nicht erklärt hat, kann
binnen der in § 1944 BGB genannten Frist die Erbschaft ausschlagen (vgl. § 1944 BGB).
Behördenfrist. Frist, die im Einzelfall von einer Behörde bestimmt wird. Die Behörde kann diese Frist
auch verlängern.
Beginnfrist. Bei den Beginnfrist ist der Beginn des
Tages der für den Fristbeginn maßgebende Zeitpunkt. Dieser Tag wird bei der Fristberechnung mitgerechnet, § 187 Abs.2 BGB. So beginnt z. B. bei
Verjährungsfristen mit dem ersten Tag des Folgejahres die Beginnfrist.
Computerfax zur Fristwahrung. Der gemeinsame
Senat der obersten Gerichtshöfe, des Bundes, hat
mit Beschluss vom 5.4.2000, GmS-OGB 1/98 entschieden: „In Prozessen mit Vertretungszwang
können bestimmende Schriftsätze formwirksam
durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit
eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des
Gerichts übermittelt werden.“
Dauerfristverlängerung. Begriff des Umsatzsteuerrechts. Auf Antrag werden die Fristen für die Voranmeldungen (Umsatzsteuervoranmeldung) und
Vorauszahlungen um einen Monat verlängert. Die
Gewährung der Fristenverlängerung ist mit der
Sondervorauszahlung von 1/11 der Summe der
Vorauszahlungen des Vorjahres (§§ 46–48 UStDV)
verbunden.
Empfangsbekenntnis. Sie spielt für den Fristbeginn
und damit auch für den Ablauf der Frist eine entscheidende Rolle. Der Anwalt soll etwas erst dann
unterschreiben und zurückzusenden, wenn die Frist
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bereits notiert ist. Ohne Akte oder zumindest die
zugestellten Schriftstücke darf das Empfangsbekenntnis nicht unterschrieben werden, weil man
dann nicht wissen kann, ob auch wirklich alle Anlagen eingetroffen sind, für die der Empfang bestätigt wird.
Ereignisfristen. Ereignisfristen sind Fristen, die an
Ereignisse geknüpft sind, wie z. B. die Bekanntgabe
des Verwaltungsaktes (§ 355 AO). Behördenfristen
sind grundsätzlich Ereignisfristen (§ 108 Abs. 2 AO).
Sie beginnen mit dem Ablauf des Ereignistages.
Deshalb wird der Ereignistag selbst bei der Fristberechnung nicht mitgezählt (§ 187 Abs.1 BGB).
Frist. Bestimmter oder bestimmbarer, nicht notwendigerweise zusammenhängender Zeitraum; Termin.
Gesetzliche Fristen. Fristen, die durch Gesetz oder
Rechtsverordnung bestimmt werden. Eine Fristverlängerung ist nur möglich, wenn dies gesetzlich
vorgesehen ist. Wird eine gesetzliche Frist nicht
eingehalten, so tritt die Rechtsfolge ein, die an diese
Frist geknüpft ist. Siehe auch uneigentliche Frist.
Hora (lat.). Zeit(abschnitt), Frist.
Ladungsfristen. Mindestzeiträume, die in einem anhängigen Prozess zwischen Zustellung der Ladung
und dem Verhandlungstermin liegen sollen, vgl.
§ 217 ZPO, § 102 VwGO, § 91 FGO.
Lieferfristen. Die Zeit zwischen Abschluss des
(Kauf-, Werk-)Vertrags und Lieferung der Ware oder
der Werkleistung (auch Lieferzeit).
Materielle Fristen. Fristen im materiellen Recht,
z. B. Gewährleistungsfristen, Anfechtungsfristen. >
prozessuale Fristen.
Ende der Soldatenehe.
herrlein smilla_pixelio.de
Nachfristen. Fristen, die der Gläubiger dem Schuldner im Falle des Nichteinhaltens der vertraglichen
Vereinbarungen zur Bewirkung der Leistung oder zur
Nacherfüllung setzen kann. Regelungen zur Nachfrist finden sich u. a. in § 281 Abs. 1 BGB, § 323 Abs.
1 BGB. § 636 BGB, § 637 BGB.
Notfrist. Eine Frist, die seitens des Gerichts nicht
verlängert werden kann. Wird sie schuldlos versäumt,
kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 233 ZPO). Notfristen werden im
Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet (§ 244
Abs. 1 S. 2 ZPO). Es handelt sich meist um Fristen für
die Einlegung von Rechtsbehelfen.
Intervallum (lat.). Zwischenzeit, Frist, Pause.
In letzter Minute. Der Anwalt darf Fristen bis zum
Ende ausschöpfen (vgl. BGH Beschluss vom 20.12.
2007, III ZB 73/07). In einem solchen Fall muss er
jedoch wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufwenden, um die
Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschlüsse
vom 23.4.1998 - I ZB 2/98, NJW 1998, 2677 und
vom 23.6.2004 - IV ZB 9/04, FamRZ 2004, 1481
m.w.N.; BGH Beschluß vom 15.8.2007, XII ZB 57/07;
BGH Beschluss vom 9.4.2008, I ZB 101/06). Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist deshalb
ausgeschlossen, wenn von ihm nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (vgl. BGH vom 3.5.2004 - V ZB
62/03, NJW-RR 2004, 1217).
Jahresfrist. z. B. § 66 SGG.
Klagefristen. Ausschlussfristen zur Klageerhebung.
Kündigungsfristen. Der (vertraglich vereinbarte)
Zeitraum zwischen Zugang einer Kündigung und
der dadurch bewirkten rechtswirksamen Beendigung des geschlossenen Vertragsverhältnisses.
Notieren von Fristen. Im Kalender ist immer das
genaue Fristende einzutragen. Es ist fehlerhaft, die
Frist sicherheitshalber auf einige Tage früher zu
notieren.
Ohne Frist. Idealzustand für terminfreies Arbeiten.
Prozessuale Fristen. Stehen bei der Anwaltsarbeit
im Vordergrund, z. B. Klagefristen, Berufungsfrist.
Prozessuale Fristen können auch bereits vor dem
Erhalt der schriftlichen Unterlagen zu laufen beginnen. Wird im Termin ein Widerrufsvergleich abgeschlossen, beginnt die Frist am Tage der Verhandlung und nicht erst bei Erhalt des Protokolls.
Das Gleiche gilt, wenn im Termin eine Schriftsatzfrist
eingeräumt wird.
Richterliche Fristen. Diese Fristen werden vom
Richter oder Rechtspfleger gesetzt.
Richterablehnungsfrist/Strafrecht. Die Ablehnung
eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der
Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung
des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags
Quellen: www.wikipedia.de, Creifelds, Rechtswörterbuch, 15. Auflage 1999 / Fotos v.l.n.r.: Harry Hautumm, BirgitH_pixelio.de
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des Berichterstatters zulässig. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen. Nach diesem
Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden,
wenn 1.) die Umstände, auf welche die Ablehnung
gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur
Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und 2.) die Ablehnung unverzüglich geltend
gemacht wird, § 25 StPO.
Schriftsatzfristen/Schriftsatznachlass. § 283 ZPO:
Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären,
weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das
Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung
in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig
wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung
anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung
muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann
das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.
Termin. Rechtswirkungen hängen oftmals von einer
Zeitbestimmung ab, wobei man Fristen und Termine
unterscheidet. Termin ist ein bestimmter Zeitpunkt,
zu dem eine Handlung vorgenommen werden muss,
oder eine Rechtsfolge eintritt (Fälligkeit der Leistung
am …).
Uneigentliche Fristen. Im Gesetz vorgesehene Zeiträume, binnen derer das Gericht Amtshandlungen
vorzunehmen hat, bzw. nach deren Ablauf die Handlungen als vorgenommen gelten. Sie werden auch
als gesetzliche Fristen bezeichnet.
Z
Versäumte Fristen. Die Fristen sind Fälle für die
Haftpflichtversicherung.
Verlängerungsantrag. Der Anwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein Hinweis auf eine erhebliche Arbeitsbelastung vom Gericht als erheblicher Grund für eine Fristverlängerung anerkannt
wird, ohne dass es einer weiteren Substantiierung
bedarf (BVerfG, Beschluss vom 26.7.2007 1 BvR
602/07, NJW 2007, S. 3342, BRAK-Mitt. 2008, S. 59
mit Anm. Jungk). Ein Antrag ohne jede Begründung
reicht aber nicht aus. Daher sollte ein Fristverlängerungsantrag stets einigermaßen konkret und nicht
floskelhaft begründet werden. Der Verlängerungsantrag muss klar und eindeutig gefasst werden (BGH
Beschluss vom 14.6.2007, I ZB 5/06; AnwBl 2007,
S. 796). Unklar oder zumindest problematisch wäre
ein Antrag auf Verlängerung um X Wochen bis zum
Y, wenn der Ablauf auf einen Freitag fällt, als Datum
aber der Montag angegeben wird. Ein Fristablauf am
Freitag ist wegen des frühen Wochenendes bei Gericht immer schwierig, man denke nur an technische
Probleme, die mangels Erreichbarkeit des Gerichts
nicht mehr gelöst werden können.
Widerspruchsfrist. Der Widerspruch ist binnen
eines Monats nachdem der Verwaltungsakt dem
Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich
oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die
den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt
bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate, § 84 SGG.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. War
jemand ohne Verschulden daran gehindert, eine
gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ohne Verschulden bedeutet, dass der Verpflichtete alles getan hat, was ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zuzumuten war, um die Frist
einzuhalten.
Zahlungsfristen. In der Regel vertraglich bestimmte
Fristen, innerhalb derer eine Zahlung zu leisten ist.
Gesetzlich bestimmt.
Zusammengetragen von
RAin Ute Ernst, Schönaich,
RA Matthias Klose, Regensburg,
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
b
I AC
Untätigkeitsklagefrist. § 88 SGG: Ist ein Antrag auf
Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht
beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf
von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme
des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender
Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das
Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten
Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb
dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die
Hauptsache für erledigt zu erklären. Das Gleiche gilt,
wenn über einen Widerspruch nicht entschieden
worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene
Frist eine solche von drei Monaten gilt.
T
Verwertungswiderspruchsfrist. Nach der Widerspruchslösung des Bundesgerichtshofs muss der
verteidigte Angeklagte im Strafprozess der Verwertung eines einem Beweisverwertungsverbot unterliegenden Beweismittels in der Hauptverhandlung
spätestens bis zur Gelegenheit zur Abgabe einer
Erklärung nach § 257 StPO widersprechen.
Ω
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Thema
Nervenkitzel pur
Fristverlängerungsanträge kurz vor Fristablauf
Eine Fristverlängerung gemäß §§ 224, 225 ZPO
stellt für Anwältinnen und Anwälte oft die einzige Möglichkeit dar, eine vollständige und zutreffende Stellungnahme anzufertigen. Doch bis
im Fristenkalender die verlängerte Frist notiert
werden kann, ist es nicht selten ein holpriger
und nervenaufreibender Weg.
Im Idealfall wird die Fristverlängerung so frühzeitig
beantragt, dass vor Fristablauf eine schriftliche Bestätigung vorliegt. Allerdings stellt sich eine hohe
Arbeitsbelastung des Anwalts oftmals erst heraus,
wenn der Fristablauf drohend näher rückt. Auch erklärt der Mandant auf Nachfrage, wann mit der Zuarbeit gerechnet werden könne, nicht selten etwas
gereizt, bisher sei einfach keine Zeit gewesen und
eine Stellungnahme von ihm auch kurzfristig nicht
zu erwarten. Wenn dann der Fristverlängerungsantrag kurz vor Fristablauf bei Gericht eingeht, ist es
für eine schriftliche Bestätigung meist zu spät.
Telefonat mit dem Richter
Die übliche telefonische Anfrage bei Gericht ergibt
leider häufig, dass der Antrag dem Richter noch vorliegt. Zwar lässt sich Gewissheit durch ein Telefonat
mit dem Richter gewinnen; wenn dieser jedoch
nicht erreichbar ist, stellt sich erste Nervosität ein.
Am Tag vor dem Fristablauf mag die Vertröstung auf
den kommenden Tag, an welchem der Richter in
jedem Fall im Hause sei, noch ausreichen. Dagegen
ist der Hinweis am letzten Tag der Frist, die Richterin
werde am späten Nachmittag ihren Sitzungstag
beenden, dann aber wahrscheinlich erreichbar sein,
weniger beruhigend. Zwar mag die Richterin tatsächlich gegen 17 Uhr ans Telefon gehen und bereit
sein, die Frist zu verlängern. Die Zeit bis dahin ist für
den Anwalt allerdings meist nervenaufreibend.
Ist der Richter am Tag des Fristablaufs nicht zu
sprechen, hilft manchmal noch die Frage nach ei nem Vertreter. Dabei sollte der Anwalt von dem
Vorsitzenden eines OLG-Senates, der nach den
Worten „da haben Sie aber tatsächlich ein Problem“
ohne Zögern die Frist verlängert, bis hin zur Erklärung eines Urlaubsvertreters, er könne in Abwesenheit des vertretenen Kollegen nicht über den Antrag
entscheiden, auf alles gefasst sein.
Am Ende zahlreicher zermürbender Telefonate und
Wartezeiten steht dann trotz allem möglicherweise
die Erkenntnis, dass die Frist vor Fristablauf nicht
mehr verlängert wird.
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Notschriftsatz?
Nachdem der erste Schock überwunden ist, stellt
sich regelmäßig die Frage: Was nun? Naheliegend
ist sicherlich der Gedanke, bis Mitternacht zumindest noch einen „Not-Schriftsatz“ anzufertigen. Allerdings scheitert dies häufig schon am Fehlen der von
dem Mandanten beizubringenden Informationen.
In dieser Situation kann das Wissen weiterhelfen,
dass mit Ablauf der Frist noch nicht alles vorbei ist.
Denn sofern das Gericht die Frist tatsächlich verlängert, genügt auch eine Entscheidung nach Fristablauf. Wesentlich ist dann allein, dass spätestens
am letzten Tag der Frist ein vollständiges Fristverlängerungsgesuch mit der zumindest schlüssigen
Angabe erheblicher Gründe bei Gericht eingegangen ist (BGHZ 83, 217 ff.). Dennoch bleibt das Risiko,
dass das Gericht den Fristverlängerungsantrag zurückweist.
Wiedereinsetzung
Sollte dies geschehen, kann über § 296 ZPO eventuell eine Zulassung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel erreicht werden. Je nach Art der
Frist besteht auch die Möglichkeit einer Wieder-
Bei Nicheinhaltung von Fristen droht Verfall der Haltbarkeit.
einsetzung gemäß § 233 ZPO, sofern unter Nachholung der versäumten Prozesshandlung ein Antrag
innerhalb der Frist des § 234 ZPO gestellt wird.
Ausschlaggebend für die Entscheidung über die
Wiedereinsetzung ist, ob der Anwalt auf die Gewährung der Fristverlängerung vertrauen durfte.
Zumindest beim ersten Verlängerungsgesuch ist
dies regelmäßig anzunehmen, wenn der Anwalt
einen erheblichen Grund im Sinne des § 520 II 3
ZPO vorgebracht hat. Sofern es sich um eine zweite
Fristverlängerung handelt, ist dem Gericht auch die
Einwilligung des Gegners mitzuteilen. Zudem müssen außergewöhnliche, nicht vom Rechtsanwalt zu
vertretende Umstände vorliegen, die für die nicht
rechtzeitige Stellungnahme verantwortlich sind
(Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage, § 233 Rn. 23,
„Fristverlängerung“, m. w. N.).
Als Fazit kann unter Berücksichtigung des verbleibenden Risikos und nicht zuletzt auch der Wirkung,
die „versäumte“ und durch Wiedereinsetzung „gerettete“ Fristen auf Mandanten haben, nur geraten
werden, so früh wie möglich zu prüfen, ob eine Fristverlängerung nötigt wird. Zusätzlicher Stress und
Nervenkitzel können dadurch vermieden werden.
RAin Andrea Kirberger, Dresden
Foto: Jürgen Oberguggenberger_pixelio.de
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Thema
Die Fristenfee
Tina Siron schwebt durch lange Flure und erinnert an Fristen aller Art
Mit einem Stapel Akten schwebt SIE durchs
Schloss. Nein, das wird kein Märchen. Das Schloss
gibt es wirklich – in Kromsdorf bei Weimar. Besagtes Schloss beherbergt eine Anwaltskanzlei,
die des Kollegen Peter Möller. Mit der Autobahnkanzlei, die zahlreiche Zweigstellen auf Deutschlands Autohöfen hat, hat er sich einen Namen gemacht, gehört zu den ersten Adressen in Sachen
Straßenverkehrs-Strafsachen und -Ordnungswidrigkeiten. Und SIE gibt es auch.
Tina Siron heißt sie, und sie schwebt tatsächlich
durch die weiten Flure des altehrwürdigen Gemäuers, mit ihren Aktenstapeln in der Hand. Denn Tina
Siron ist „die Fristenfee“ der Kanzlei Peter Möller.
Täglich bis zu 40, wöchentlich im Schnitt 150 Fristen
bearbeitet sie. Von Einspruchsfristen über Schriftsatzfristen, natürlich Rechtsmittelfristen und auch
Widereinsetzungsfristen, alles ist dabei. „Wenn man
vorbereitet ist, am Montag auf seinen Plan schaut
und alles im Blick hat, ist das o.k. Wenn aber plötzlich eine Frist dazu kommt, eine ganz dringende, weil
der Mandant sich am letzten Tag entscheidet, doch
zum Anwalt zu gehen und alle Anwälte zum Termin
sind, dann werde ich schon mal unruhig.“
»Täglich bis zu 40, wöchentlich im
Schnitt 150 Fristen bearbeitet sie.«
Sie erzählt in einer Art von ihrer Arbeit, die sofort
zeigt, warum sie alle „die Fristenfee“ nennen: Ruhig,
ganz unaufgeregt, freundlich, zurückhaltend; aber
in dem Wissen, dass sie weiß, was sie tut. Ja, auch sie
habe unruhige Momente. Wenn z. B. ein Verwer-
Foto: Andrea Vollmer
fungsbeschluss vom Gericht kommt, weil das Fax
mit dem Rechtsmittel nicht eingegangen sei. ‚Ach
du Sch... Ich brauch’ die Akte! Warum hab ich das
vergessen? Aber eigentlich kontrolliere ich das doch
immer’, kreisen ihr die Gedanken dann schon mal
durch den Kopf. Aber bisher habe sich das immer
geklärt. Das Fax ist dann doch aufgetaucht oder sie
konnte dem Gericht belegen, dass es die Kanzlei
jedenfalls rechtzeitig rausgeschickt hat. Nur einmal,
da habe sie wirklich eine Frist vergessen. „Ich hatte
versehentlich die Frist nicht vom Fristenbuch auf
mein Fristenblatt übertragen.“ Jetzt kontrolliert sie
doppelt. Aber damals zum Chef gehen und beichten,
das war kein gutes Gefühl. Naja, locker habe er das
nicht genommen. Aber nach der ersten Aufregung
habe sich alles so klären lassen, dass dem Mandanten kein Nachteil entstand. Das Verfahren wurde
wiedereingesetzt.
Seit zwei Jahren arbeitet die 24-jährige Rechtsanwaltsfachangestellte in Peter Möllers Kanzlei. „Ich
wollte immer ins Büro. Papierkram, Ordner, Akten,
Klarsichthüllen“, das sei genau ihr Ding. So entschied sich die Weimarerin, in eine Anwaltskanzlei
zu gehen, machte eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. In Peter Möllers Autobahnkanzlei ging sie erst einmal für ein Jahr in die
Zweigstelle auf dem Autohof Berg. Dort war sie für
all das zuständig, für was Rechtsanwaltsfachangestellte eben zuständig sind. „Da waren auch
Fristen dabei, aber eben nicht nur“, erinnert sie sich.
In Berg war sie gern. Die Zweigstelle ist klein, ein
Container auf dem Autohof. Für Tina Siron kein
Problem. „Wir sind da direkt bei unseren Mandanten, den LKW-Fahrern.
Die kommen während ihrer Ruhezeit zu uns, bringen Leben in unseren Container.“ Noch immer geht
sie gern nach Berg, z. B. wenn die Kollegin dort
Urlaub hat.
»Ein Anruf bei der Fristenfee und die
Frist kann raus aus dem Kopf – vorerst.«
Nach einem Jahr rief Kromsdorf. Dort laufen die Fäden in der Zentrale zusammen. Bis zu 100 Gerichtstermine in der Woche werden von Kromsdorf aus
koordiniert. Die Aufgaben sind verteilt: Terminkoordination, Telefon, Schreiben und Fristen eben. Letzteres wurde ihre Aufgabe. So geht der erste Anruf der
Anwälte nach der Verhandlung meist zu ihr. Rechtsmittelfrist ja oder nein, das ist wichtig für Tina Siron.
Sie ist es auch, auf die sich die Anwälte verlassen
können. Ein Anruf bei der Fristenfee und die Frist
kann raus aus dem Kopf – vorerst. Bis sie angeschwebt kommt mit den Akten, durch die langen
Flure, treppauf, treppab, und an die Frist erinnert.
„Manchmal, wenn es kurzfristige Sachen sind und
ich weiß, dass die Anwälte schon einen großen Aktenberg liegen haben, der weg muss, denk ich schon
mal: Hm – ausgerechnet jetzt muss ich stören.“ Auch
wenn es für den Moment manchmal nicht zu passen
scheint, die Anwälte wissen, dass es wichtig ist,
wenn sie an die Tür klopft. „Ich kann erst nach Hause
gehen, wenn meine Fristen fertig sind.“ Das klingt
fast liebevoll, und „meine Fristen“ meint sie genau
so, wie sie es sagt – die Fristenfee aus dem Schloss.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
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Thema
Schief gelaufen
Wenn die Verjährung im Gespräch mit dem Anwalt beginnt
„Da ist irgendetwas komplett schief gelaufen”,
sagte der Arzt dem Patienten. Beginnt da die
Verjährungsfrist und hätte der Patient sofort
einen Anwalt aufsuchen müssen? Diese Frist
beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss
des Jahres, in dem der Anspruch entstand und
der Gläubiger von den anspruchsbegründeten
Umständen in der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Ab Kenntnis wird also die regelmäßige Verjährungsfrist von vertraglichen und
deliktischen Ansprüchen von grundsätzlich drei
Jahren (§ 195 BGB) relevant.
Hier ist die Mitteilung zu vage. Sie führt nicht zu
einer Kenntnis des Patienten und ihm ist keine grob
fahrlässige Unkenntnis vorzuhalten. Er hätte nicht
nachfragen müssen, was das bedeutet, denn er ist
Laie und muss nicht zwingend auf einen Behandlungsfehler schließen. Der Patient kann nicht erkennen, ob bei der Krankheit oder der Behandlung
etwas „schief gelaufen” ist.
Allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne
weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein
behandlungsfehlerhaftes Geschehen führt nicht zur
Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis. Das Ausbleiben des Erfolgs muss nicht in der Unzuläng-
lich keit ärztlicher Bemühungen seinen Grund
haben, sondern kann schicksalhaft auf die Erkrankung zurückzuführen sein (GesR 3/2010 Seite 132).
Vertreten wird, dass die Kenntnis ab Vorliegen eines
medizinischen Sachverständigengutachtens besteht,
welches den Fehler belegt. Bei kosmetischen Operationen treten oft Komplikationen auf, über die
nicht aufgeklärt wurde. Dann entdeckt der Patient
im Misserfolg etwas, was er vorher nicht wusste
und erlangt Kenntnis. Bei Behandlungsfehlern mag
im Einzelfall sogar ein Gutachten allein nicht ausreichen. So führt die rechtliche Würdigung zur
Erkenntnis bestehender Ansprüche. Dies kann die
Kenntnis auslösen, so dass die Verjährungsfrist im
Gespräch mit dem Anwalt beginnt.
RA Volker Loeschner, Berlin
Angemerkt
„Wenn ein Arzt einen Kunstfehler macht, hat
er keinen hippokratischen Meineid geleistet,
ihm ist lediglich ein Äskulapsus unterlaufen.“
Saugen bis der Arzt kommt. Foto: Harry Hautumm_pixelio.de
EXKURS „KENNTNIS“ /// a) Anspruchsbegründende Umstände / Im Arzthaftungsprozess beginnt die Verjährung deliktischer Ansprüche nicht zu
laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich ein Abweichen vom ärztlichen Standard ergibt. (BGH, Urteil
vom 23.4.1991, Az. VI ZR 161/90) Kenntnis aller Einzelheiten ist hierbei nicht erforderlich. b) Kenntnis der Person / In einem Arzthaftungsverfahren ist es
ausreichend, wenn der Geschädigte den Namen und die ärztliche Funktion der Krankenhausärzte kennt. (vgl. BGH, Urteil vom 31.2.2000 - VI ZR 198/99)
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Thema
Jahr um – Frist futsch
Vom unguten Gefühl, einer schlaflosen Nacht und einer Entschuldigung
Es war eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag
im Januar diesen Jahres, der sich da zu Ende
neigte. Ich hatte meine Sachen schon zusammengepackt, war im Begriff, das Büro zu verlassen. Da beschlich es mich, so ein ungutes
Gefühl. Wie aus dem Nichts schoss mir eine
bestimmte Akte in den Kopf. Ich hatte nicht an
ihr gearbeitet, kein Schriftsatz nichts, nur ein
ungutes Gefühl. Ich stelle meine Tasche ab, gehe
zum Aktenschrank und ziehe mir die Akte, die
da so plötzlich in meinem Kopf war. Das ungute
Gefühl ist immer noch da. Beim Durchblättern
wird mir plötzlich heiß und kalt – Wie bescheuert kann man eigentlich sein? Die Verjährung
war schlicht und ergreifend auf 2010 gesetzt.
Klar – Schadensersatz – § 195 BGB – drei Jahre.
31.12.2010 war als Verjährung notiert. War ich das?
Hatte ich es nicht kontrolliert? Wahrscheinlich
sogar Letzteres. Hier hatte ich einen Sachmangel,
aus dem der Schaden resultierte, und da sagt §
634a Abs.1 Nr.1 nun mal: zwei Jahre Verjährungsfrist. Die waren definitiv rum. Mensch, dabei hatte
ich die Akte vor Jahresfrist noch in der Hand.
Irgendwie kann ich gerade gar keinen geraden
Gedanken fassen. Vielleicht wollte ich da sogar was
machen? Hatte ich das Datum der Reparatur verwechselt? Nein, da stand 2008, nicht 2009. Da
tröstet es mich auch nicht, dass in der Akte so
manches schief gegangen war, und dass ich auch
ein wenig Zweifel an der Höhe des geltend zu
machenden Schadens hatte, und dass das Verfahren längst anhängig gemacht gewesen wäre, hätte
der Mandant nicht ewig gebraucht, Belege beizubringen und mir seinen zwischenzeitlichen Wohnsitzwechsel mitgeteilt. Dann nämlich hätte die Akte
nicht so lange gelegen und es wäre auch nichts
verjährt gewesen. Leider hatte ich dem Mandanten
nichts mitgeteilt.
Es wird ein unruhiger Abend. Was, wenn das nicht
die einzige Akte ist? Muss ich jetzt die Haftpflicht
informieren? Es ist nach 20 Uhr. Da ruft man niemanden mehr an. Das hat den großen Vorteil, dass
sich über Nacht die Dinge oft relativieren. Also: Erst
mal eine Nacht drüber schlafen.
Am nächsten Morgen: Ich fühle mich immer noch
schlecht, kann aber langsam wieder gerade denken.
Jetzt gehe ich die Sache pragmatisch an. Streitwert? Na ja, knappe 300 Euro. Die Erfolgschancen?
50:50 maximal. Das hatte ich dem Mandanten
auch mal schriftlich mitgeteilt. Na wenigstens was.
Ich greife zum Telefon. „Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht zu erreichen.“ Irgendwie passt
das zu der Akte. Ich diktiere einen Schriftsatz an
Den Finger in die Nase zu stecken, heißt noch lange nicht, in sich zu gehen. (Moltke)
den Mandanten, dass ich die Frist versehentlich
versäumt habe, es mir schrecklich leid tut und dass
ich vorschlage, dass ich 50 Prozent der Summe
trage. Die Rechnung war noch nicht gestellt. Also
würde ich keine stellen und die Differenz ausgleichen. Ob er damit einverstanden sei. Wenn er
jetzt das Vertrauen in mich verloren habe und
deshalb die andere Sache, die ich noch von ihm
habe, an einen anderen Anwalt geben möchte,
könne ich das sehr gut verstehen.
Einige Tage später: Mein Telefon klingelt. Am
andern Ende ist besagter Mandant. „Wissen Sie
was? So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Ich ahne
nichts Gutes. Seelisch und moralisch stelle ich mich
auf eine Moralpredigt ein. „Ein Anwalt, der einen
Fehler zugibt. So etwas gibt es doch gar nicht –
Respekt.“ Jetzt bin ich baff. Nein, die Differenz
müsse ich nicht überweisen. Wenn keine Rechnung
gestellt würde, sei das völlig in Ordnung und die
andere Sache bleibe selbstverständlich bei mir. Wir
unterhalten uns noch eine ganze Weile. Als er
auflegt, bin ich erleichtert und froh, dass mir das
bei einem 300 Euro Fall passiert ist, und dass ich
ehrlich war.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Fotos: Kurt Bouda_pixelio.de
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Thema
Lebenslang – für immer hinter Gittern?
Die Höchststrafe im deutschen Strafrecht – eine Betrachtung
nämlich sehr schnell deutlich, dass Diebstahl und
Betrug die Rangliste der Straftaten anführen. Im
Jahre 2005 wurden 2.781.889 Eigentumsdelikte
registriert, Betrug lag bei 1.102.261. Im festgestellten Zeitraum lag Mord, für den es lebenslangen
Freiheitsentzug gibt, mit 2.396 Fällen erheblich hinter den erwähnten Eigentumsstraftaten. Bei nüchterner Betrachtung der Zahlen ließe sich hieraus
kaum Kapital schlagen, wäre da nicht der durchschnittliche „Normalmandant“, der ein ganz anderes Gespür, auch dank der breiten Medieninformationen, entwickelt hat. Nebenklägervertreter kennen
die Problematik, dass Mandanten hohe Erwartungen an einen „gerechten“ Verfahrensausgang
haben. Und dieser sieht in deren Vorstellung meist
so aus, dass der Täter am besten ohne jedwede
Möglichkeit der Haftentlassung bis an das Ende
seiner Tage in einer dunklen Zelle schmoren möge.
Keine moderne Arche Noah, sondern des Grundrechtes auf Freiheit beraubt.
Lebenslang, das ist die Sentenz, mit denen sich
in Deutschland Straftäter von Kapitalverbrechen
konfrontieren müssen. Hierunter fallen Völkermord, Mord, Hochverrat, Landesverrat, Vorbereitung eines Angriffskrieges, erpresserischer
Menschenraub im Falle des Todes des Opfers,
Raub mit Todesfolge und Brandstiftung mit Todesfolge, um nur die wichtigsten Tatbestände
des Strafgesetzbuchs zu nennen. Es sind bei genauer Lektüre des StGB einige mehr.
Geht man dem Begriff „lebenslang“ auf den Grund,
werden Sprachverständige zunächst richtigerweise
feststellen, dass entgegen den übrigen Straftaten,
auf deren Begehung die Verbüßung einer klar in
Zeit bemessenen Freiheitsentziehung steht, „lebens lang“ keine in Zahlen definierte Größe ist. Lebenslang oder „für den Rest des Lebens“ wäre in der
zeitlichen Dimension logischerweise bei jedem Täter
anders, weil die individuelle Restlebenszeit ab der
Inhaftierung stets verschieden wäre. Mit Vorstellungen von einem verfassungskonformen, berechenbaren Strafsystem hätte ein Nichtauflösen der
Kategorie „lebenslang“ in eine konkrete Zeitdauer
nichts zu tun. Ein individuelles Bestrafungssystem,
der eine Mörder 30, ein anderer 20 Jahre, bis eben
zu seinem Tod, stieße unmittelbar auf Kritik, es wäre
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Foto: Dieter L._pixelio.de
weder den Taten angemessen, noch den Hinterbliebenen und auch dem Straftäter selbst logisch
vermittelbar. Ein solches System wäre eine vorhersehbare Ungleichbehandlung.
Ein weiterer ganz gewichtiger Aspekt ist der Grundsatz, den das Bundeserfassungsgericht aufgestellt
hat: „Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich
eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden.“ (Urteil des BVerfG vom 21.6. 1977,
Az. 1 BvL 14/76). Diese Entscheidung ist auch für
aktuelle Fragen wie etwa dier der Sicherungsverwahrung maßgeblich. Auch ein verurteilter Mörder
ist in seiner verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde zu achten. Nicht selten scheinen gerade Innenpolitiker von diesem Diktum abzurücken,
fordert regelmäßig des Volkes Stimme eine harte
und unnachgiebige Strafe für Täter eines Kapital verbrechens. Emotion und Betroffenheit sind dafür
verantwortlich, was recht, ja gerecht sein soll?
In den allermeisten Fällen der strafrechtlichen Mandatsbetreuung geht es vornehmlich nicht um „lebenslang“. Dies sollte gerade der Berufseinsteiger
klar haben. Anhand der Kriminalitätsstatistiken wird
Der Ruf nach der Wiedereinführung der Todesstrafe
ist übrigens in diesem Zusammenhang nicht fern.
Fingerspitzengefühl ist gefragt, um der Würde des
Opfers zu entsprechen. Die Würde gebietet es aber
in besonderer Weise auch, dass die Frist „lebenslang“ ehrlich erläutert wird. Zwar besagt die landläufige Meinung, dass lebenslang eingesperrte Straftäter unmittelbar nach 15 Jahren automatisch freikommen. Doch tatsächlich heißt dies lediglich, dass
nach der Verbüßung von eben 15 Jahren geprüft
wird, ob der Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung
ausgesetzt werden kann. Und dieses Prüfverfahren
fällt anders als besagter Fehlglaube nicht immer
positiv für den Straftäter aus, ist somit kein Automatismus der vorzeitigen Haftentlassung.
Prominente Beispiele sind die zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten RAF-Mitglieder Christian Klar
und Brigitte Mohnhaupt. Klar wurde nach 26 Jahren
Haft und Mohnhaupt nach 24 Jahren entlassen. In
beiden Fällen hatte das Gericht die Mindesthaftstrafe deutlich angehoben. Insbesondere dann, wenn
in Fällen von Mord die besondere Schwere der Schuld
festgestellt wird, kommt eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nicht in Betracht. § 57a
StGB verweist auf § 57 StGB, der eine als zwingende
Voraussetzung für die Aussetzung der Strafe zur
Bewährung verlangt, dass Sicherheitsinteressen der
Allgemeinheit es zulassen. Es muss „verantwortet
werden“ können, so schreibt das Gesetz, dass der
Täter frei kommt. Dahinter verbirgt sich nichts
weiter als eine günstige Täterprognose – konkret,
dass der Täter sich in Freiheit straffrei verhalten
wird. Um zu einer solchen Prognose überhaupt zu
gelangen, spielt das Verhalten des Sträflings im
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Thema
Vom Bitten und Betteln?
Das Gnadenrecht im Parforceritt
Vollzug die kardinale Rolle. Bedeutsam können aber
auch die Abläufe des Täterverhaltens unmittelbar
nach der Tat sein, die in die Gesamtwürdigung einbezogen werden dürfen. Erst die Prüfung der Gesamtschau der für die Prognose wichtigen Momente lässt überhaupt an eine Haftentlassung denken.
Schließlich wird nach dem Gesetz verlangt, dass der
Gefangene einwilligt. Ohne seine positive Mitwirkung – hierzu kann er nicht gezwungen werden –
ist eine vorzeitige Aussetzung der lebenslangen
Freiheitsstrafe zur Bewährung ebenfalls nicht möglich. Es ergeht im förmlichen Gerichtsbeschluss die
Nichtaussetzung. Stehen jedoch die günstige Prognose und die Einwilligung fest, dann ist der Verurteilte zu entlassen. Einen Ermessenspielraum hat
das Gericht dann nicht.
Für die Frage der Aussetzung sind die großen Strafvollstreckungskammern, die bei den Landgerichten
angesiedelt sind, sachlich zuständig. Die Aussetzung geschieht entweder auf Antrag des Inhaftierten oder von Amts wegen. Bei einer Antragstellung
müssen Strafverteidiger unbedingt berücksichtigen,
dass die ordentliche Feststellung der Täterprognose
erheblich Zeit in Anspruch nimmt. Rechtzeitige
Entlassungsvorbereitungen, zu denen die Begutachtung des Häftlings zwingend dazugehört, müssen dazu führen, den Täter wieder „fit“ zu machen
für die Zivilgesellschaft, die er einen erheblichen Teil
seines Lebens nicht erleben konnte.
Wer sich öfter mit Langzeitinhaftierten auseinandersetzt, der wird rasch merken, dass Anträge, die bei
positiver Bescheidung entweder eine Hafterleichterung bedeuten oder gar die Strafaussetzung, von
den Betroffenen als sehr wichtig empfunden werden.
Aufgrund dieser Wahrnehmung sollten Aussetzungsverfahren mit dem erforderlichen Sinn für zügiges
Arbeiten abgehandelt werden, selbst wenn hinterher
die Mühlen der Strafvollstreckungsverwaltung langsam mahlen. In der betreffenden JVA spricht sich
rasch herum, wenn „der Anwalt“ sich erheblich Zeit
lässt. Die Chancen für eine erfolgreiche Weitervermittlung hängen von dieser Publicity durchaus ab.
Dies ist nicht zu unterschätzen. Wann genau bei
„lebenslang“ ein Aussetzungsantrag zu stellen ist,
wird in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen.
So halten einige Gerichte es für zulässig, einen Antrag bereits im 10. Vollstreckungsjahr zu stellen (OLG
Frankfurt in StV 1995, 539, 541). Das Bundesverfassungsgericht hält einen Vorbereitungszeitraum von
insgesamt drei Jahren für nicht zu lang (NStZ 93, 432).
Wer einmal sitzt, der sitzt und bleibt, bis die Freiheitsstrafe verbüßt ist. Das ist nur gerecht, müsste
man gerade aus Sicht der Opfer meinen. Beliebt ist
die Meinung, in Deutschland hörte man nur die
Täter, die Opfer kämen stets zu kurz, was in angeblich laschen Gesetzen, vermeintlich nicht ordnungsgemäß durchgeführten Haftstrafen und fehlerhaften psychiatrischen Gutachten begründet sei.
Wenn die Bildzeitung reißerisch über einen entlaufenen Kindsmörder textet, dann ist das Abendland dem kriminellen Untergang geweiht, so zumindest die kollektive Subjektive der Massen.
Statistiken belegen jedoch, dass wir uns im Promillebereich bewegen, was Fehlbewertungen angeht, die letztlich zu einer ernsten Gefährdung der
Bevölkerung führen. Ohne das vielfache Leid auf
Seiten der Opfer ausblenden zu können, vergessen
emotional orientierte Menschen rasch, dass eine
lebenslange Freiheitsstrafe in aller Regel einen ganz
erheblichen Eindruck auf die Eingesperrten hinterlässt. Wer lange einsitzt, der verändert den Blick
auf die Welt, auf sich und seine Mitmenschen. Das
bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Täter tiefe
Reue hinsichtlich seiner Tat am Ende der Haftzeit
zeigt. Doch ist es letztlich eine Chance des Wandels
und der Abkehr von begangenem Unrecht.
Zeigt der Täter in seinem Verhalten innerhalb des
Vollzugs glaubhaft, dass er außerhalb der Gefängnismauern künftig straffrei wird leben können, hat
er Anspruch auf Prüfung der vorzeitigen Entlas-
Der Bundespräsident selbst ist die Begnadigungsinstanz.
sung, bei lebenslanger Freiheitsstrafe frühestens
nach 15 Jahren. Ist ein Antrag auf Haftaussetzung
als zu früh gestellt oder im Übrigen als materiell
unbegründet unter Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel abgelehnt worden, bleibt dem Sträfling nur
noch, auf Begnadigung zu hoffen. Anders als bei
der Haftaussetzung hat der Gefangene keinerlei
Anspruch auf Begnadigung. Der Bundespräsident
ist Begnadigungsinstanz auf Bundesebene, während in den einzelnen Ländern Begnadigungsstellen eingerichtet sind. Weil ein Anspruch auf
Begnadigung nicht besteht, sind Rechtsmittel bei
Ablehnung nicht statthaft. Daraus folgt auch, dass
Begnadigungsgesuche keinen inhaltlichen Formalien genügen müssen.
Allerdings dürfte sich von selbst verstehen, dass es
bei der Begnadigung immer um die Auseinandersetzung des Täters mit der Straftat, seinem Verhalten während der Inhaftierung und besondere
persönliche Gründe für eine vorzeitige Haftentlassung oder Umwandlung der Strafe in eine Bewährungsstrafe geht. Wer Gnade für sich einfordert, der
muss in jedem Fall dokumentieren, dass er Gnade
verdient. Ungereimtheiten, Widersprüche und „Hintertüren“ verringern die Chancen, begnadigt zu
werden. Sowohl detailreiche Kenntnisse über den
Inhaftierten als auch Sprachgewandtheit werden
zwingend zum A und O des Strafverteidigers, wenn
er mit einem Gnadengesuch erfolgreich sein will.
RA Patrick Ruppert, Köln
Foto: Dieter Schütz_pixelio.de
RA Patrick Ruppert, Köln
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Warnschussarrest contra Neuköllner Modell
Zweifel an Wirkung des Arrestes bei jugendlichen Straftätern
Im April 2011 prügelten zwei 18-Jährige in der
Berliner U-Bahnstation Friedrichstraße einen
29-Jährigen krankenhausreif. Dem am Boden
liegenden Mann wurde noch bis zur Bewusstlosigkeit auf den Kopf getreten. Die Polizei hatte
zur Fahndung Bilder der Überwachungskamera
des U-Bahnhofs veröffentlicht. Die Täter stellten sich und blieben auf freiem Fuß.
lassen, ist überhaupt nicht zu erkennen. Zudem
böte der kurze Aufenthalt in einer Anstalt auch zu
wenig Zeit, um pädagogische oder therapeutische
Maßnahmen effektiv anzuwenden. Der einzige
sinnvolle Anwendungsbereich könnte sich für
die ganz wenigen Fälle ergeben, in denen vorangegangene gerichtliche Maßnahmen praktisch
fehlen.
Gegen den Haupttäter wurde zwei Wochen nach
der Tat Anklage erhoben. Der Fall war deutschlandweit in der Presse und entfachte die Diskussionen über die Einführung eines Warnschussarrestes erneut: „Die Täter sollen schon mal einige
Wochen am Freiheitsentzug schnuppern.“ Die
Einführung eines solchen Arrestes sieht der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP
vor. Ein entsprechender Gesetzesentwurf hat den
Bundestag bislang jedoch noch nicht erreicht.
Problematisch ist ebenfalls, dass zwischen Tat,
Urteil und Vollstreckung der Strafe oft Monate
oder Jahre liegen. Dies ist teilweise auf die überlasteten Gerichte, aber auch auf die bereits heute
überfüllten Jugendhaftanstalten zurückzuführen.
Durch die Einführung des Warnschussarrestes, ohne
neue Richterstellen oder Anstalten zu schaffen,
würde sich diese Situation sogar noch verschlechtern. Somit rückt der Effekt der zeitnahen Bestrafung noch weiter in die Ferne und der Warnschussarrest wäre wirkungslos.
Aber worum geht es eigentlich bei dem Warnschussarrest genau? Derzeit können bis zu vier
Wochen Jugendarrest als Warnung verhängt werden, wenn die Tat für eine Jugendstrafe nicht
schwer genug ist. Künftig soll zur Abschreckung
ein maximal vierwöchiger Arrest neben einer zur
Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe angeordnet
werden können.
Aus Sicht der Bevölkerung mag dies eine vernünftige Veränderung der Gesetzeslage darstellen.
Beschäftigt man sich aber intensiver mit dem
Vorschlag, kommt man schnell zu dem Ergebnis,
dass die Einführung eines Warnschussarrestes
völlig verfehlt ist.
Schaut man sich dessen Anwendungsbereich an,
zeigt sich, dass nur solche Jugendliche und Heranwachsende in Betracht kommen, die eine Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen oder wegen
der Schwere der Schuld zu erwarten haben. Diese
Täter haben in der Regel bereits mehrere Strafverfahren und auch Jugendarreste hinter sich, Erziehungsmaßregeln sowie Zuchtmittel haben dann
also schon versagt. Dass ein weiterer Jugendarrest
diese Täter beeindrucken soll, kann aus der Praxis
nicht nachvollzogen werden. Beim Jugendarrest ist
die Rückfallquote mit 70 Prozent sehr hoch. Jeder
Freiheitsentzug ist unter Umständen auch eine
„Fortbildung“ in der Anwendung krimineller Energie. Gerade bei Jugendlichen ist die „Ansteckungsgefahr“ untereinander sehr groß. Ein hinreichender
Grund, dass sich diese Täter durch einen Warnschussarrest zu einem straffreien Leben bekehren
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ADVOICE 03/11
Außerdem wird der Warnschussarrest dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts nicht gerecht, das vorsieht, erneuten Straftaten eines
Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenzuwirken (§ 2 Abs. I JGG). Eine präventive Abschreckung, so wie es der Warnschussarrest vorsieht, ist
hiermit aber nicht gemeint.
Es gibt nur ein Modell, das es in die öffentliche
Diskussion geschafft hat: Jugendrichterin Kirsten
Heisig entwickelte, gemeinsam mit einem Kollegen,
aus ihrer Berufserfahrung das sogenannte „Neuköllner Modell“ zur schnelleren Verfolgung von
jugendlichen Straftätern. Praktiziert wird dieses
seit Juni 2010 in Berlin sowie nach einer Probephase in Bamberg seit April 2011 bei den Staatsanwaltschaften Ansbach, Ingolstadt, München II und
Würzburg.
Grundgedanke des Modells ist eine geschicktere
Nutzung des vereinfachten Jugendverfahrens nach
§§ 76f. JGG. Dabei sollen sich junge Täter bei
kleineren Delikten möglichst schnell nach der Tat
vor Gericht verantworten müssen, um erzieherische Wirkung zu erzielen. Es sind Delikte, für deren
Ahndung maximal ein Arrest von vier Wochen in
Betracht kommt. Die Gerichtsverhandlung soll
spätestens drei bis fünf Wochen nach der Tat
stattfinden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist
eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Außerdem werden TäterOpfer-Gespräche oder gemeinnützige Arbeit angeordnet. Zwar ist dieses Verfahren allein nicht
geeignet, auf Intensivtäter einzuwirken, aber ein
Element zur Verhinderung von Intensivtäterkarrieren ist darin durchaus zu sehen.
Anknüpfungspunkte für eine sinnvolle Einwirkung
auf Jugendliche und gegen Jugendkriminalität sind
aber vorwiegend im Bereich der Präventionsarbeit
und nicht in der Verschärfung des Jugendstrafrechts zu sehen. Das aktuelle Jugendstrafrecht sichert bei konsequenter Anwendung, dass Strafen
auch ein Möglichkeit der Erziehung ist.
RAin Christine Frey, Berlin
Die Lehmanns - Eine deutsche Großfamilie
Eine typische Täterkarriere von Jugendlichen:
Familie Lehmann aus Berlin-Neukölln – die
Mutter ohne Beruf, der Vater Handwerker,
fünf Söhne und zwei Töchter. Der Vater
schlägt, die Eltern trennen sich. Die Mutter
trinkt, kommt mit den Kindern nicht klar. Die
drei kleineren Jungen bleiben beim Vater, die
Töchter leben bei den Großeltern, die großen
Brüder sind bald weg, begehen Straftaten
und kommen in Haft. Der Vater prügelt, so
dass die kleineren Jungen später wieder zur
Mutter ziehen. Paul trinkt mit acht Jahren
erstmals Alkohol, mit dreizehn regelmäßig. Er
raucht Cannabis. Mit neunzehn steht er gemeinsam mit seinen Brüdern wegen schweren Raubes vor Gericht.
Er schafft einen Hauptschulabschluss und
kommt mit 17 ins Heim, begeht Straftaten
und gelangt schließlich in eine Pflege-familie.
Dort stabilisierte er sich durch die Geborgenheit und Zuwendung der Familie deutlich.
Nach Beendigung der Unterbringung stürzt
Paul wieder ab. Es begeht die Tat, die ihm
sechs Jahre und drei Monate Jugendstrafe
einbringt.
Die älteren Brüder Ingo und Felix haben im
Wesentlichen dieselbe Entwicklung genommen. Beide beenden die Schule ohne Abschluss.
(Siehe Buchbesprechung „Das Ende der Geduld“ S. 62.)
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Thema
Gerichtsverfahren auf der Überholspur
Vorrangig und beschleunigt soll in Familiensachen verfahren werden
Hier geht es nicht um Schnellverfahren in Strafsachen und auch nicht um Straßenverkehrsdelikte. Der Fokus liegt vielmehr auf § 155 des
Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, kurz FamFG. Hier will der Gesetzgeber zur Beschleunigung im Zivilrecht beitragen. Besonders Kindschaftssachen, wie z. B.
das Umgangsrecht, sollen vor Gericht „vorrangig und beschleunigt“ bearbeitet werden.
Der Termin sollte spätestens einen Monat nach
Beginn des Verfahrens stattfinden. Diese Entwicklung wurde an den Gesetzgeber aus der Praxis
herangetragen; Urheber sind Richter, Rechtsanwälte, Jugendämter und Familienberatungsstellen sowie Psychologen des kleinen Moselortes
Cochem.
Anfang der neunziger Jahre beschrieb man dort,
dass durch gerichtliche Entscheidungen familiäre
Konflikte zwar geregelt, aber selten gelöst werden
können. Entscheidend ist, dass beide Elternteile im
Interesse der Kinder wieder miteinander reden statt
zu streiten. In Cochem wurden am Familiengericht
die Verfahren binnen 14 Tagen terminiert und selbst
Rechtsanwälte beschränkten sich in ihren Schriftsätzen auf den wesentlichen Sachvortrag und die
Anträge, um eine Verschärfung des elterlichen
Konfliktes zu vermeiden. Nach der Trennung ihrer
Eltern leben Kinder oftmals in völlig ungeklärten
Lebensverhältnissen und sind darüber hinaus sehr
häufig Loyalitätskonflikten gegenüber den sich um
das Kind streitenden Eltern ausgesetzt.
henden Kindern nicht noch mehr zu schaden als
durch die Zwistigkeiten der beiden Eltern schon
geschehen ist? Die traurige Antwort lautet: Nein.
Es ist bisher leider nicht selbstverständlich gewesen, Umgangs- und „Herausgabeverfahren“ so
schnell wie möglich durchzuführen, um das Kindeswohl zu schützen. Ein solches Verfahren dauerte in
der Regel etwa sechs bis acht Monate und konnte
sich aber durchaus auch über mehrere Jahre
hinziehen. Gerade bei Kleinkindern besteht schon
bei einer Trennung von nur wenigen Monaten die
Gefahr der Entfremdung vom anderen Elternteil.
Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) wurde Deutschland bereits wegen überlanger und damit unangemessener Verfahrensdauern in Kindschaftssachen verurteilt, vgl. z. B. die
Entscheidung im Verfahren Adam (Nr. 44036/02)
aus dem Jahr 2008. Das Verfahren des Kindesvaters
dauerte mehr als vier Jahre, das Verfahren der
Großeltern sogar über sechs Jahre. Der EGMR rügte
vor allem, dass Anhörungstermine durch die Gerichte viel zu spät anberaumt wurden.
Mittlerweile ist das Konzept des sogenannten
„Cochemer Modells“ bundesweit bekannt und wird
erfolgreich angewendet. Aus diesem Grund wurden seine Elemente bereits 2008 in das FGG und
jetzt auch in das neue FamFG eingearbeitet. Durch
eine verbindlichen Rechtsnorm wie den § 155
FamFG (§ 50e FGG a.F.) haben es alle am Verfahren
Beteiligten nunmehr selbst in der Hand, auf die
Einhaltung dieser Vorschriften zu achten und das
statuierte Vorrang- und Beschleunigungsgebot
aktiv einzufordern.
Nunmehr soll das in § 155 FamFG enthaltene Beschleunigungsgebot Abhilfe schaffen. Der frühe
erste Termin innerhalb eines Monats nach § 155
Abs. 2 FamFG ist jedoch nur der erste Schritt. Das
Vorrang- und Beschleunigungsgebot gilt in jeder
Lage des Verfahrens und für jedes mit dem Verfahren befasste Gericht in allen Instanzen. Einzige
Ausnahme ist nur das Kindeswohl selbst, denn
natürlich darf die strikte Anwendung des Gebots
nicht dazu führen, dass ein früher erster Termin
festgesetzt wird, obwohl noch nicht alle verfahrensrelevanten Fakten ermittelt wurden. Besondere
Beachtung müssen die Fälle von häuslicher Gewalt
erhalten, da sie der gründlichen Ermittlung und
Nachforschung bedürfen. Welcher Richter will schon
dafür verantwortlich sein, die Kinder einem gewalttätigen Elternteil zugesprochen zu haben?
Doch genau diese in der Regel sehr zeitintensiven
Ermittlungs- und Nachforschungsmaßnahmen kollidieren dann mit der Vorschrift des § 155 Abs. 2
FamFG in der Praxis.
Warum aber muss solch eine Selbstverständlichkeit
wie die vorrangige und beschleunigte Regelung
von Kindschaftssachen mit einer Monatsfrist versehen in den Gesetzestext aufgenommen werden?
Ist es denn nicht offensichtlich, dass gerade diese
Verfahren mit besonderer Eile und Sorgfalt betrieben werden müssen, um den im Mittelpunkt ste-
Die Lösung dieses Konfliktes liegt, wie so oft im
Familienrecht, in dem Begriff „Kindeswohl“ verborgen: Hat der mit der Sache befasste Richter ernsthafte Anhaltspunkte für eine potentielle Kindeswohlgefährdung, so hat er der Erforschung dieses
Sachverhaltes Vorrang vor der frühzeitigen Terminierung zu geben. Eine schematische Anwendung
des Beschleunigungsgebots ist grundsätzlich abzulehnen. Es gilt auch hier der alte Grundsatz: Keine
Regel ohne Ausnahme. Neu ist: Es geht also in der
Regel alles schneller, wenn keine Ausnahme vorliegt.
Ass. jur. Katrin Kirchert, Berlin
EXKURS „BESCHLEUNIGUNG“ ///
Bei der Verhängung von U-Haft gilt ebenso
der Grundsatz der Beschleunigung - explizit
geregelt in § 72 Abs. 5 JGG. Im Übrigen ergibt
sich dies aus Art. 6, 5 Abs. 3 S. 2 MRK.
§ 155 FamFG
Vorrang- und Beschleunigungsgebot
(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des
Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren
wegen Gefährdung des Kindeswohls sind
vorrangig und beschleunigt durchzuführen.
(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach
Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in
einem Termin. Der Termin soll spätestens
einen Monat nach Beginn des Verfahrens
stattfinden. (...) Eine Verlegung des Termins
ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der
Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.
Verurteilt
Nach der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs vom 20.1.2011 (Beschwerde Nr.
21980/06, 26944/07 und 36948/08) gilt das
Vorrangs- und Beschleunigungsgebot i.S.d.
Art. 6 Abs. 1 S. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auch bei elterlichem Umgang während des Umgangs- und
Sorgerechtsstreits. Dieser vermag keine
lange Verfahrensdauer zu rechtfertigen. Die
Bundesrepublik Deutschland wurde daher
erneut wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1
S. 1 EMRK verurteilt.
ADVOICE 03/11
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Thema
Alles, ein bisschen – oder gar nichts
Wie viel Verantwortung darf abgegeben werden?
Wenn es um Fristen geht, geht es immer auch
um Kontrolle und Verantwortung. Was muss der
Anwalt kontrollieren? An welcher Stelle darf er
sich auf andere verlassen? Auf wen darf er sich
verlassen? Das alles sind Fragen, auf die man
im Einzelfall oft erst eine Antwort bekommt,
wenn irgendein Rädchen im großen Getriebe
des täglichen Anwaltsgeschäftes klemmt. Sprich:
Wenn einer was versäumt hat.
Organisationsverschulden heißt das Wort, das
dann ins Spiel kommt. Der BGH hatte sich in seiner
aktuellsten, bei juris zu findenden Entscheidung zu
dieser Thematik vom 19.7.2011 (Az.: X ZR16/11) mit
genau diesem Organisationsverschulden auseinanderzusetzen.
Der Beklagten war Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewährt worden. Zu Recht, sagte der BGH. Denn die Beklagte
sei ohne ihr eigenes Verschulden verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, § 233 ZPO. Auch habe
hier kein der Beklagten nach § 85 II ZPO zurechenbares Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten vorgelegen.
Warum? Der Fehler beruhte auf einem Fehler der
Bürokräfte der Prozessbevollmächtigten, den diese
nicht zu vertreten hatte.
Was war passiert? Kurz zusammengefasst Folgendes: In der Patentrechts-Kanzlei der Beklagtenvertreter war eine Bürokraft, nennen wir sie mal A.,
für die zentrale Fristenverwaltung zuständig. Nur
sie durfte Fristen ein- und austragen. Diese Mitar-
Darf hier eigentlich jeder machen was er will?
22
ADVOICE 03/11
beiterin mit 40 Jahren Berufserfahrung war bisher
immer zuverlässig. Sie war auch angewiesen, insbesondere Berufungsbegründungsfristen mit der
Eingangsbestätigung der Berufung seitens des
Gerichtes noch einmal zu überprüfen. Eine weitere,
ebenfalls erfahrene Mitarbeiterin, nennen wir sie
B., führte in Abwesenheit der A. den zentralen
Fristenkalender. Sie durfte Fristen aber, anders als
die A., nicht selbständig berechnen und notieren.
Das musste ein Anwalt tun. Der gab dann die Anweisung, dass die Frist durch B. eingetragen wird.
Genau diese B. hatte nun die Berufungsbegründungsfrist selbst berechnet und falsch eingetragen.
Und die A. hatte diese Frist auch nicht mit der
Eingangsbestätigung des Gerichtes kontrolliert,
was aber ihre Aufgabe gewesen wäre und was sie
bisher auch immer getan hat.
In der Entscheidung heißt es: „Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der
Rechtsanwalt oder der Patentanwalt die Berechnung einfacher und in seinem Büro geläufiger
Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten
überlassen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die
Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert
werden.“ Als notwendige Maßnahme und damit
unverzichtbar seien „insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer
Zuständigkeiten und die zumindest stichproben
artige Kontrolle des Personals (etwa BGH, Beschluss vom 5.2.2003 VIII ZB 115/02, NJW 2003,
1815, 1816 und Beschluss vom 22.6.2010 VIII ZB
12/10 Rn. 9).“
Foto: RainerSturm_pixelio.de
Die Beklagtenvertreter hätten sich darauf verlassen
können, dass B. nicht selbständig Fristen einträgt.
Auch dass die Beklagtenvertreter ihre Mitarbeiterinnen nicht angewiesen hätten, vierwöchige, sondern lediglich zweiwöchige Vorfristen einzutragen,
begründe kein Organisationsverschulden. Diese zwei
Wochen seien im konkreten Fall ausreichend, auch
für eine Berufungsbegründungsfrist. In der Zeit
schaffe das der Anwalt und wenn nicht, sei immer
noch genug Zeit, einen Fristverlängerungsantrag
zu stellen.
Auch, dass nicht sichergestellt gewesen sei, dass
die End- und Vorfristen in die Tischlisten übertragen worden wären, begründe kein Organisationsverschulden. Denn, so das Gericht, das Führen
von Tischlisten sei eine überobligatorische Kontrollmaßnahme in der Büroorganisation der Beklagten, die im Allgemeinen nicht zu einer Verschärfung der Sorgfaltspflichten des Anwalts führen kann (so auch: BGH, Beschluss vom 30.4.1998
VII ZB 5/97).
Übersetzt: Tischlisten müssen nicht sein. Deshalb
begründet der Fehler in der Liste auch kein Orga nisationsverschulden, jedenfalls im Allgemeinen.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Die Berechnung einfacher und im Büro geläufiger Fristen kann einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig
überwachten Angestellten überlassen werden.
Es ist durch geeignete organisatorische
Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fris ten zuverlässig festgehalten und kontrolliert
werden. Unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal,
die Festlegung klarer Zuständigkeiten und
die zumindest stichprobenartige Kontrolle
des Personals. Es muss eine Vorfrist notiert
werden, mit der sichergestellt wird, dass für
die Fertigung z. B. einer Rechtsmittelbegründung hinreichend Zeit verbleibt. Zwei
Wochen Wiedervorlagefrist können reichen.
Das Führen von Tischlisten ist eine überobligatorische Kontrollmaßnahme in der Büroorganisation und führt nicht zu einer Verschärfung der Sorgfaltspflichten des Anwalts.
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Thema
Fristversäumnis – ein Haftungsfall
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die Wahrung von Fristen nimmt in der anwaltlichen Tätigkeit eine besondere Stellung ein.
Hierfür hat der Anwalt eine gut organisierte und
sorgfältig durchgeführte Fristenkontrolle vorzuhalten, um Schaden von dem Mandanten und
letztendlich auch sich selbst abzuhalten. Allerdings kann auch die beste Organisation nicht
verhindern, dass Fehler geschehen und Fristen
versäumt werden. Abhängig von der Ursache des
Fristversäumnisses gewähren viele Verfahrensordnungen die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand.
Fristversäumnis
Für den erfahrenen Anwalt mag die Stellung eines
Wiedereinsetzungsantrags kein großes Problem
darstellen. Anwälte, die noch nie eine Frist versäumt
haben und das erste Mal die Wiedereinsetzung
beantragen, sollten ihr Vorgehen zunächst grundsätzlich überlegen und sich mit dem Thema vertiefend auseinandersetzen.
Dazu folgende grundsätzliche Überlegungen: Die
Versäumung einer Frist stellt zunächst eine Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag dar und löst
gem. § 5 AVB die Anzeigepflicht binnen Wochenfrist
bei dem eigenen Berufshaftpflichtversicherer aus.
Es empfiehlt sich, den Versicherer so früh und so
umfassend wie möglich zu informieren. Nur dann
kann er seinen Versicherungsnehmer optimal unterstützen.
Der Rechtsanwalt muss mit seinem Mandanten
entscheiden, ob und wie die Wiedereinsetzung
beantragt wird. Generell sollte dabei beachtet werden, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand in den jeweiligen Verfahrensordnungen
nicht inhaltsgleich geregelt ist. Es sind daher unbedingt die einschlägigen Rechtsnormen zu prüfen,
um die Unterschiede zu den vielleicht schon bekannten Vorschriften (wie z. B. §§ 233 ff. ZPO) zu
erfassen.
Born, Manfred
Die Rechtsprechung des BGH zur Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand, NJW 2005, 2042; NJW 2007,
2088
Frist unverschuldet versäumt hat, diese also trotz
Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht eingehalten werden konnte.
ANTRAG
Im Antrag muss der tatsächliche Fehler dargestellt
und zusätzlich begründet werden, was die Ursache
hierfür ist. Kann der Anwalt dies nicht oder geht gar
der Fehler auf sein oder das schuldhafte Verhalten
der Partei zurück, bestehen nur geringe Erfolgsaussichten. Ein einzelfallbezogenes Verschulden von
Kanzleimitarbeitern wird der Partei nicht zugerechnet. Das Gericht prüft, wann das Hindernis
weggefallen ist und inwieweit die Organisation der
Fristenkontrolle im Büro, deren Überwachung sowie
die Anweisung des Anwalts im Einzelfall als Ursache
für das Fristversäumnis außer Frage stehen. Entsprechend ist alle Sorgfalt bei der Begründung des
Antrags angezeigt. Ein Nachtrag außerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist ist nicht möglich. Empfehlenswert ist bei Abfassung der Begründung, auch
die aktuelle Rechtsprechung zu überprüfen.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt
einen Antrag der Partei voraus. Der Antrag erfordert
eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen. Zusätzlich wird empfohlen,
den Wiedereinsetzungsantrag im Tatbestand mit
dem Sachantrag optisch hervorzuheben (Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 9. Aufl.,
F-59, S. 187).
Unter Umständen kann ein zurechenbarer Fehler,
der normalerweise die Wiedereinsetzung ausschließt,
gleichwohl die Gewähr rechtfertigen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch in
Betracht, wenn es ohne das schuldhafte Verhalten
durch einen nicht zu verantwortenden Umstand
ohnehin zur Fristversäumung gekommen wäre. In
diesem Fall ist zur Ursächlichkeit der Säumnis detailliert auszuführen.
FRIST
GLAUBHAFTMACHUNG
Die Stellung des Antrags ist an eine bestimmte Frist
gebunden, die ab Wegfall des Hindernisses, das der
Fristwahrung entgegenstand, zu laufen beginnt. Zu
beachten ist, dass die Laufzeiten der jeweiligen
Wiedereinsetzungsfrist unterschiedlich lang sind.
Ferner muss innerhalb dieser Frist die versäumte
Prozesshandlung nachgeholt werden.
Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen
sollen, müssen bis zur Entscheidung über den
Antrag „Glaubhaftmachung" glaubhaft gemacht
werden. Mitarbeiter des Anwalts versichern den in
eigenen Worten wiedergegebenen Sachverhalt an
Eides statt. Der Sachvortrag, den der Anwalt aus
eigener Wahrnehmung hält, muss nicht gesondert
glaubhaft gemacht werden. Hierfür reicht die anwaltliche Versicherung.
Bräuer, Jacqueline
Wiedereinsetzung: Der Wegfall des Hindernisses,
AnwBl. 2007, 621
Goebel, Frank-Michael in AnwF
Zivilprozessrecht, § 19, 3. Auflage 2010
Dr. Müller, Gerda
Typische Fehler bei der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand, NJW 1993, 681.
Voraussetzungen
INHALT WIEDEREINSETZUNGSANTRAG
Für die weitere Vorgehensweise ist es ratsam, sich
mit der Materie vertiefend auseinanderzusetzen.
Nur dadurch kann der Anwalt vor der Antragstellung feststellen, worauf der Fokus bei der Bearbeitung des Wiedereinsetzungsantrags zu legen ist.
In der Literatur finden sich viele Fachaufsätze und
Veröffentlichungen höchstrichterlicher Entscheidungen, die sich mit der Wiedereinsetzung beschäftigen. Nur beispielhaft seien erwähnt:
Steffen Eube, HDI-Gerling, Hannover
Es müssen alle die Wiedereinsetzung begründenden
Tatsachen, mithin also alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit
des Antrags, schlüssig dargelegt werden.
Die weiteren Einzelheiten des Inhalts hängen vom
Einzelfall ab. Allgemein aber gilt, dass die Wiedereinsetzung nur gewährt wird, wenn die Partei die
EXKURS „GLAUBHAFTMACHUNG“
/// Die Glaubhaftmachung gilt auch im Ablehnungsverfahren von Richtern (§ 44 Abs. 2
ZPO) und Gutachtern (§ 406 Abs. 3 ZPO).
ADVOICE 03/11
23
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Thema
»Die stets so Zuverlässige war's!«
Verlagerung der Fristenverantwortung auf das Personal
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Immer dem Fühler nach - Ameisen wissen, wo´s langgeht.
Wer halbwegs bei Trost ist und es bleiben will,
meidet Fristabläufe und räumt die Frist durch Erledigung frühzeitig ab. Über die Kanzlei- und Fristenorganisation muss man allerdings nachdenken,
bevor die Frist verpasst ist. Denn der letzte Rettungsanker, Wiedereinsetzungantrag, kann ohne
Vorbereitung nicht greifen.
405-W/AFB010.10
Zäumen wir das Pferd von hinten auf: War die
Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der
Frist gehindert, kann sie nach § 233 Abs. 2 ZPO bei
bestimmten Fristen Wiedereinsetzung beantragen
und mit der Wiedereinsetzung die Unzulässigkeit
ihres Rechtsmittels vermeiden. Weil sich die Partei
nun nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres
Bevollmächtigten zurechnen lassen muss, nicht
aber das Verschulden von dessen Personal, kommt
es darauf an, ob der Grund, der zur Fristversäumnis
geführt hat, dem Rechtsanwalt oder der Rechtsanwaltsfachangestellten zuzurechnen ist. Nach
§ 236 Abs. 2 ZPO müssen die Gründe, die zur
Wiedereinsetzung führen, im Antrag, spätestens im
Antragsverfahren, vorgetragen und glaubhaft gemacht werden. Es reicht also nicht aus, die Schuld
auf die Reno zu schieben, sondern der Rechtsanwalt – als Bevollmächtigter seiner Partei – muss im
Lichte des glaubhaft gemachten Vortrags völlig
ohne Schuld sein.
1 10:41
Daraus folgt natürlich ohne Weiteres, dass der
Rechtsanwalt sein Büro so organisieren muss, dass
Fristen nicht unerkannt verstreichen. Auch wenn
die Reno „schuld“ ist – falsche Telefaxnummer, unbefugt die Frist gestrichen, Schriftsatz abgeheftet
statt abgeschickt – kann sich der Rechtsanwalt
darauf nicht berufen, wenn er eine unzuverlässige
Angestellte mit der Fristenüberwachung beauftragt,
keine regelmäßigen Kontrollen durchführt, duldet,
dass die Telefaxnummern aus alten Schriftsätzen
oder Textvorlagen übernommen werden, und so
weiter und so fort.
Kein BGH-Handbuch
Ein BGH-geprüftes Handbuch der Kanzleiorganisation gibt es leider nicht. Gelegentlich treten neue
Pflichten hervor. Der BGH hat etwa mit Entscheidung vom 27.1.2011 – Az. III ZB 55/10 – eine weitere
kleine feine Anwaltspflicht ins Licht der interessierten Öffentlichkeit gebracht: „(Ist ein) Faxgerät
technisch nicht dafür ausgelegt, selbständig einen
stetigen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen, hat der Anwalt dafür Sorge zu tragen, dass
regelmäßig eine Überprüfung der Zeiteinstellung
am Faxgerät stattfindet.“
Was war passiert? Der unter Fristendruck stehende
Rechtsanwalt hatte seinen Schriftsatz nach Uhrzeit
seines Faxgeräts um 23:51 Uhr an das Gericht gefaxt. Später kam heraus, dass das Gerät um acht
Minuten 20 Sekunden nachging und bei Gericht
ging das Fax jedenfalls erst nach Mitternacht ein.
Verspätet. Keine Wiedereinsetzung. Die oben dargestellte Organisationspflicht wurde verletzt.
Doppelt genäht
Der „bisher stets zuverlässigen“ Reno darf der An walt allerdings das Führen des Fristenbuchs und das
Streichen von allgemein bekannten Fristen anvertrauen. Läuft dann doch etwas schief, liegt in der
Delegation dieser Aufgaben allein kein Organisationsverschulden. Dann allerdings muss der Anwalt
seine Finger entweder ganz vom Fristenbuch lassen –
blöd, wenn man sich nachts selbst ans Faxgerät
stellen will – oder glaubhaft regeln, wer wann welche Fristen löscht.
Wie es nicht geht, zeigt ein Beschluss des BGH vom
3.11.2010, Az. XII ZB 177/10. Dem Anwalt wurde die
Frist-Akte auf den Wiedervorlagestapel statt auf den
Fristenstapel gelegt, und dort lag sie unbeobachtet,
bis das Gericht nachfragte. „Irgendjemand“ hatte die
Frist im Fristenbuch gelöscht. Wer, ließ sich nicht
aufklären, beide Rechtsanwaltsfachangestellten erinnerten sich nicht, es gewesen zu sein. Eine gab an,
dass auch der Anwalt selbst manchmal Fristen im
Buch lösche. Peng: Mangelnde Büroorganisation.
Doppelt gemoppelt
Der BGH erläutert: „Von einem für die Fristversäumung ursächlichen anwaltlichen Organisationsverschulden ist (...) auszugehen, wenn (...) nicht
festgestellt werden kann, dass nur eine bestimmte
qualifizierte Fachkraft für die Fristennotierung im
Kalender und die Fristenüberwachung verantwortlich ist, sondern es möglich ist, dass mehrere Personen hierfür zuständig sind.“
Und sei dabei der Anwalt selbst. Denn warum es
ausgeschlossen war, dass der Anwalt die Frist gelöscht hat, war im Wiedereinsetzungsantrag nicht
dargelegt worden. Der Rest lief wie immer im
„Fristversäumnisrecht“: Wenn der Anwalt die Frist
gelöscht hat, könnte er selbst schuld sein; wenn der
Anwalt selbst schuld sein könnte, hat er fehlendes
Verschulden nicht glaubhaft gemacht und dann hat
die Partei Pech gehabt.
Ich habe den Spaß eines Wiedereinsetzungsantrags
im Jahre 2006 unternommen und zum Glück gab
es eine stets so Zuverlässige, die „es“ war. Man gab
dem Wiedereinsetzungantrag statt. Allerdings wurde
die Berufung dann nach § 522 Abs. 2 ZPO durch
Beschluss verworfen und mir dräut, dass der Hinweisbeschluss für das Gericht bloß einfacher zu
verfassen war, als die Zurückweisung meines tagelang ausgebrüteten Wiedereinsetzungsgesuchs. Hütet
Euch vor Fristabläufen!
RA Robert Leisner, Berlin
ADVOICE 03/11
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Thema
Frust mit der Frist
Über einen Fallstrick beim Teilzeit- und Befristungsgesetz
Es klingt beinah wie ein schlechter Scherz. Ausgerechnet die Behörde, die sich eigentlich auf
die Seite der Arbeitssuchenden, prekär Beschäftigten und Geringverdiener mit Unterstützung
schlägt, unterliegt vor dem Bundesarbeitsgericht in Sachen Befristung eigener Arbeitsverträge. Die Richter entschieden mit Urteil vom
9. März dieses Jahres, dass eine Vielzahl von
Befristungsregelungen in Anstellungsverträgen
hinfällig ist (Az. 7 AZR 728/09).
Im Tenor heißt es wörtlich: „Die Bundesagentur für
Arbeit kann sich zur Rechtfertigung befristeter Arbeitsverträge nicht auf den Sachgrund der sog.
haushaltsrechtlichen Befristung nach § 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 TzBfG berufen.“ Oops, was war da schief
gelaufen? Zunächst hilft eine kurze Befassung mit
dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Sinn
und Zweck der seit 1996 geltenden Normen ist die
Ermöglichung der flexibleren Ausgestaltung von
Arbeitsverträgen. Um sowohl Arbeitgeber- als auch
Arbeitnehmerinteressen ausgewogen zu berücksichtigen, wurden klare Maßstäbe festgelegt, wie
Arbeitsverhältnisse zeitlich begrenzbar sein können.
Teilzeit, und das hat sich gerade bei jungen Eltern
längst herumgesprochen, kann die Verbindung von
Arbeit und Familie erst gewährleisten, gerade wenn
es um die Aufzucht von Nachwuchs geht. Der
Arbeitgeber muss den Angestellten die Verkürzung
ihrer Arbeitszeit gestatten oder auch die Teilung
des Arbeitsplatzes mit einem Kollegen einrichten.
Arbeitnehmer profitieren somit von den gesetzlichen Bestimmungen zur Teilzeit. Die Befristung
soll hingegen im Schwerpunkt unternehmer- also
arbeitgeberfreundlich sein. Demzufolge müssen
Arbeitgeber nicht „auf ewig“ mit Personal verbandelt bleiben, wenn sie einen sachlichen Grund nach
§ 14 Abs. 1 TzBfG vorweisen können. Das ist besonders bei konjunkturell erheblich schwankenden Betriebseinnahmen sinnvoll.
Die Bundesagentur für Arbeit berief sich im Rechtsstreit auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG. Eine Befristung wäre demnach nur möglich, wenn „der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die
haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird“. Allerdings gelte, so die Richter, diese
sachliche Befristung dann nicht, wenn der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber selbst die Haushaltsmittel beschließt und seine Angestellten hieraus
vergütet. So war es im vorliegenden Fall. Die Befristung war obsolet, dies sicher zum Frust der Verantwortlichen in der Bundesagentur, so dass viele
befristet eingestellte Arbeitnehmer nunmehr frohlocken dürften, sollte der gleiche Befristungsgrund
im Arbeitsvertrag stehen.
RA Patrick Ruppert, Köln
Tatbestandsberichtigungsantrag
Urteilsergänzung binnen zwei Wochen
Da stimmt doch was nicht?
Der Richter hat im Urteil Unstreitiges von der
Beklagtenseite in den streitigen Beklagtenvortrag gepackt und sich so seinen eigenen Tatbestand gebastelt. Da hilft nur noch § 320 ZPO
weiter, denn der Tatbestand eines Urteils erbringt
vollen Beweis für das mündliche Parteivorbringen gem. § 314 ZPO.
Daher hat er besondere Bedeutung, wenn ein
Rechtsmittel, eine Wiederaufnahme oder eine Urteilsergänzung erwogen wird. Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes ist erforderlich, wenn
das Urteil „Unrichtigkeiten, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche“ enthält. Der Antrag unterliegt in Anwaltsprozessen dem Anwaltszwang
und ist gemäß § 320 Abs. 1 ZPO innerhalb einer Frist
von zwei Wochen zu stellen. Diese zwei Wochen
sollten dringend im Fristenkalender des Rechtsanwaltes notiert werden. Sollte diese Frist ungenutzt verstrichen sein, kann der Anwalt seiner Berufungsschrift nur noch den fehlerhaften Tatbestand zugrunde legen. Die Frist beginnt mit der
Zustellung des in vollständiger Form abgefassten
26
ADVOICE 03/11
Urteils. Nur auf Antrag einer Partei wird über den
Antrag mündlich verhandelt. Die Berichtigung ist
ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten
seit der Verkündung des Urteils beantragt wird,
§ 320 Abs. 2 S. 3 ZPO. In der Praxis sehen derartige
Anträge etwa so aus: 1. Der Tatbestand des Urteils
vom (…) ist gem. § 320 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass die Beklagte (…) in der mündlichen Verhandlung auch beantragt hat (…) 2. Nach Berichtigung des Tatbestandes ist das Urteil gem. § 321 ZPO
dahingehend zu ergänzen (…) 3. Bis zur Entscheidung des Gerichts über den vorstehenden Antrag zu
2 ist die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des (…)
vom (…) einstweilen einzustellen. Unter § 320 ZPO
fallen keine Fehler in der rechtlichen Subsumtion.
Die Berichtigung des Tatbestandes darf keine Berichtigung der Entscheidung selbst, also im Tenor
selbst, zur Folge haben. Deshalb ist die Berichtigung
tatbestandsloser Urteile (§ 540 ZPO) unzulässig.
Übrigens gehört § 320 ZPO noch zum Rechtszug
und löst somit keine gesonderten Gebühren aus.
Stud. jur. Jutyar Alkaidy, Berlin
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Thema
Oma hat den Brief verschusselt
Von aus dem Boden schießenden Baustellen und Schneckenpost
Es sind die Fristen, die jeden treffen können,
nicht nur Anwälte. Da ist jemand im Urlaub,
kommt wieder und sein Auto ist abgeschleppt.
Oder der Bescheid in Steuersachen liegt schon so
lange im Briefkasten, dass die Rechtsmittelfrist
verstrichen ist. Ich erinnere mich noch gut an
unseren Professor an der Uni, der uns eingebläut
hat, dass jeder dafür sorgen muss, dass sein Briefkasten während einer Abwesenheit geleert wird.
Wer länger unterwegs ist, müsse jemanden bevollmächtigen, der z. B. auch Rechtsmittel einlegen kann. Das klingt in der Theorie gut und ist
für einen Anwalt oder eine Anwältin ja noch
irgendwie plausibel. Aber alltagstauglich? Und
so ist es wie mit allen Regeln: Die Ausnahmen
bestätigen sie.
DER BUSSGELDBESCHEID
Geblitzt und einen Bußgeldbescheid erhalten, allerdings erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist davon
Kenntnis erlangt, weil ihn die Oma, die immer die
Post leert, dem Sohnemann nicht gegeben hat? So
hässliche gelbe Briefe, das kann ja nichts Gutes
sein. Gut, das Beispiel ist ein wenig überspitzt. Aber
gerade im Bereich der Verkehrs-Bußgeldbescheide
gibt es zahlreiche Gründe, weshalb eine versäumte
Einspruchsfrist wieder eingesetzt werden kann.
Immer dann, wenn es der Betroffene nicht verschuldet hat, dass die Frist versäumt wurde, hat
der Antrag Aussicht auf Erfolg. Gestellt werden
muss er binnen einer Woche nach Wegfall des
Hindernisses. Die Gründe müssen dargelegt und
glaubhaft gemacht werden.
DER SPÄTE STEUERBESCHEID
In seiner Entscheidung vom 21.1.1992 (Az: VII B
234/91) hat der 7. Senat des Bundesfinanzhofes
(BFH) klargestellt, dass derjenige, der nur vorübergehend urlaubsbedingt abwesend ist, nicht dazu
verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass ihn Bescheide so erreichen, dass er rechtzeitig Rechtsmittel einlegen kann.
Der Antragsteller hatte erst sechs Wochen nach
Zustellung des Bescheides Einspruch eingelegt. Das
hätte wohl noch wieder eingesetzt werden können.
Allerdings hatte der Antragsteller im konkreten Fall
die unverschuldete Verspätung nicht hinreichend
glaubhaft gemacht.
In seiner Entscheidung vom 7.8.1987 (Az.: IV R
354/84) stellte der 4. Senat des BFH klar, dass es
ausreicht, wenn man nach Rückkehr von seiner
Reise noch fünf Tage zur Einspruchseinlegung hat.
Diese fünf Tage seien ausreichend für eine schlichte
Prüfung der wichtigsten Punkte des Einkommensteuerbescheides. Der Senat verneinte eine Verhinderung i.S. des § 110 I AO 1977.
Auch eine verzögerte Briefzustellung durch die Post,
die den Einspruch im „Schneckentempo“ und anstatt
innerhalb der normalen Postlaufzeit (3 Tage)
zugestellt hat, kann eine Widereinsetzungsgrund
sein (BFH, Urteil v. 4.6.1992 – IV R 123-124/91). Wer
seinen Brief falsch adressiert, ist allerdings selbst
Schuld (BFH, Beschluss v. 9.1.1992 – IX R 23/90).
IM URLAUB ABGESCHLEPPTES AUTO
Wer sein Kraftfahrzeug ordnungsgemäß abstellt,
kann ab dem vierten Tag nach dem Aufstellen eines
mobilen Halteverbotsschildes auf seine Kosten
abgeschleppt werden. So der VGH Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 13.10.2007
(Az.: 1 S 822/05). Wenn die Änderung der Verkehrsführung mit einem geringeren zeitlichen Vorlauf
angekündigt werde, sei eine Kostenbelastung nur
gerechtfertigt, wenn die bevorstehende Änderung
sich für den Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbar
als unmittelbar bevorstehend abzeichne.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Don´t forget it – Fristenkalender und Lieblingsfristen
Der Alptraum jedes Anwalts ist die versäumte Frist. Wir haben Kollegen nach ihrer „Methode“ der Fristenkontrolle und ihrer „Lieblingsfrist“ gefragt.
Ich nutze den klassischen Fristenkalender. Ich habe es mal eine Zeit lang mit dem Fristenprogramm von RA-Micro probiert – natürlich nur als Ergänzung.
Da Anwälte aber sowieso verpflichtet sind, die Fristen in einem konventionellen Fristenkalender einzutragen, habe ich mir die doppelte Arbeit irgendwann
gespart. Meine Lieblingsfrist ist tatsächlich die Schriftsatzfrist, die den Schluss der mündlichen Verhandlung ersetzt. Ich finde, man schreibt da immer ins
RAin Ellen Russow, Dannenberg
Blaue hinein, da man ja nicht weiß, was die Gegenseite noch so auf Lager hat.
Ich führe – ganz altmodisch – einen Fristenkalender, ein ganz einfacher Kalender aus dem Schreibwarenhandel in Papierform. Das geht immer noch am
schnellsten. Wiedervorlagetermine sind in blau oder schwarz, es sei denn, ein Gerichtstermin steht an, dann steht die Wiedervorlage 10 Tage vorher im
Kalender. Andere Fristen sind in Rot. Und meine Best-of-Frist: Die Tage, an denen (elektronisch) die Steuererklärung für die Mehrwertsteuer (bei mir in GR
RAin Christina auf dem Graben, Patras, Griechenland
zumindest alle drei Monate) eingereicht werden muss.
Wir führen drei Kalender: einen elektronischen in der Anwaltssoftware, einen in Papier auf dem Tisch bei den Rechtsanwaltsfachangestellten, und ich führe
meinen eigenen Fristenkalender. Das hat sich bislang bewährt, da mehr als einmal die Situation vorkam, dass eine Frist nur in einem der drei Kalender stand.
Fristversäumnisse (insbesondere Notfristen) sind bislang in drei Jahren Selbstständigkeit und sieben Jahren Anwaltsdasein noch nie passiert. Nur einmal habe
ich vor ungefähr vier oder fünf Jahren bei einer Berufung die Klägerin falsch bezeichnet (Privat statt GmbH) und das erst am Tag nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist gemerkt. Das ging dann über eine Auslegung trotzdem durch. Die Berufung ging dann aber materiell sowieso baden. Hinterher wollte mich
die Mandantin noch in die Haftung nehmen. Sie hat es dann aber gelassen. Dürfte mittlerweile fast verjährt sein ... hoffe ich ... RA Dr. Reinhart Enßlin, Mannheim
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Thema
Auch Kleinvieh ist Mist
Fristlos entlassen wegen Bagatelle: Emmely und Co.
Vorspann
Job für 1,30 Euro nach 31 Jahren weg
Rausgeflogen nach der Party
Der Fall „Emmely“, Deutschlands bekanntester
Supermarktkassiererin, wirkt sich nachhaltig auf
die Rechtssprechung deutscher Arbeitsgerichte
aus. Ihr war fristlos gekündigt worden, nachdem sie einen verloren gegangenen Pfandbon
im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte. „Wertgrenzen sind völlig abwegig“, sagt Gerhard
Binkert, Vorsitzender Richter und Vizepräsident
des LAG Berlin-Brandenburg.
Nach dem Emmely-Urteil hat ein Umdenken in
der Arbeitsrichterschaft eingesetzt und dazugeführt, dass Arbeitnehmern wegen sogenannter
Bagatelldelikte nicht mehr so leicht gekündigt
werden kann – zumindest dann nicht, wenn der
Mitarbeiter auf Grund langer Betriebszugehörigkeit über ein angesammeltes „Vertrauenskapital“ verfügt.
Seit 1977 arbeite Barbara E., auch Emmely genannt,
als Kassiererin in einer Kaisers Supermarktfiliale in
Berlin. Nach 31 Jahren Firmenzugehörigkeit werden
ihr zwei vergessene Pfandbons im Wert von 1,30
Euro zum Verhängnis. Die Bons waren ihrer zur
Aufbewahrung gegeben worden, sie hatte sie nach
einigen Tagen selbst an der Kasse eingelöst. Daraufhin wurde der Frau fristlos gekündigt. 2009 bestätigt
das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Kündigung. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, dass das
Vertrauensverhältnis irreperabel zerstört sei. Das
Bundesarbeitsgericht revidierte das Urteil, mit der
Unterschlagung der Leergutbons sei das hohe Maß
an erworbenem Vertrauen nicht zerstört. Emmely
musste wieder eingestellt werden. Gleichzeitig betonte das Gericht, dass auch ein geringer Wert bei
Diebstahl ein Kündigungsgrund sei.
40 Jahre bei der Deutschen Bahn musste gefeiert
werden. Für die Party zum Dienstjubiläum im Strausberger Bahnhof (Brandenburg) gab die damals 59jährige Zugbegleiterin 90 Euro aus und blieb damit
unter dem Rahmen, den die DB Station & Service für
solche Feiern üblicherweise bereit ist, zu spendieren.
Dann aber reichte sie bei ihrem Arbeitgeber eine
gefälschte Quittung eines Caterers über 250 Euro
ein und ließ sich das Geld bar auszahlen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg eine „betrügerische Handlung“, für die der
Zugansagerin fristlos gekündigt worden war.
»Unterschlagung ist keine Nichtigkeit«
Hartmut Kilger,
ehemaliger Präsident des DAV.
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Der Betrug der DB-Mitarbeiterin war aufgeflogen,
nachdem das Catering-Unternehmen bei einer
Innenrevision eine Vielzahl ähnlicher Scheinbelege
gefunden hatte, für die keine Leistungen erbracht
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Thema
worden waren und hatte darauf hin die betroffenen
Unternehmen informiert. Die Bahn-Angestellte gab
den Betrug zwar sofort zu, verteidigte sich aber mit
fehlendem Unrechtsbewusstsein. Vorgesetzte hätten
ihr zu verstehen gegeben, dass es üblich sei, die
kompletten 250 Euro in Rechnung zu stellen. Während der Betriebsrat eine Abmahnung für ausreichend hielt, bestand der Arbeitgeber auf fristloser
Kündigung. In einem ersten Prozess hatte das Gericht die Kündigung noch bestätigt. Im Berufungsverfahren, das zeitlich hinter dem „Emmely-Urteil“
lag, entschied das Gericht aber, dass die Zugansagerin zu gleichen Bedingungen weiterbeschäftigt
werden muss.
Illegales Rauchen – raus
Während langer, langweiliger Autofahren zu rauchen klingt erstmal (zumindest für Raucher) nicht
weiter abwegig. Einem Fahrer, der Flüssiggas ausfuhr,
war das Rauchen im Umkreis von zehn Metern des
Gases aber per Arbeitsvertrag ausdrücklich untersagt. Er wurde fristlos entlassen. Das Arbeitsgericht
Krefeld war der Ansicht, dass der Angestellte seine
Pflichten in erheblichen Maße verletzt hatte und
bestätigte die Kündigung.
Maultaschen
Geschenkter Kuchen war gestohlen
Sechs Maultaschen hatte sich eine Reinigungskraft
eines Altenheims aus Baden-Württemberg in der
Heimküche eingesteckt und mit nach Hause genommen. Ihr wurde wegen des Diebstahls des schwäbischen Nationalsgerichts fristlos gekündigt. Bei
der Kündigung blieb es, der Arbeitgeber musste ihr
allerdings rückwirkend eine Abfindung in Höhe von
25.000 Euro zahlen.
Die Backwarenverkäuferin einer Berliner Karstadtfiliale überreichte einem Kollegen, der dort für das
Türaufschließen zuständig war, einen frischen Kameruner mit den Worten: „Der ist für dich“. Genüsslich verspeiste der Mann den Kuchen, wurde dabei
aber vom Kaufhausdetektiv beobacht. Dem Mann
und der Verkäuferin wurde daraufhin fristlos gekündigt. Dem Konzern ging es ums Prinzip: „Wenn
ein Mitarbeiter etwas nimmt, dass er nicht bezahlt,
wird er fristlos gekündigt.“ Das Gericht verlangte von
Karstadt den Beweis, dass der Mitarbeiter wissentlich gestohlenen Kuchen verzehrt habe und schlug
einen Vergleich vor.
Müll genommen – Arbeitsplatz verloren
An einem Kinderreisebett, das sich in einem Altpapiercontainer befand, der bereits auf dem Förderband zur Presse unterwegs war, fand der Mitarbeiter
einer Mannheimer Entsorgungsfirma Gefallen und
nahm das Bett mit nach Hause – offen und vor den
Augen seiner Kollegen. Weil der zweifache Vater bereits im Vorjahr wegen des Diebsstahls von Toilettenpapier abgemahnt worden war, nahm das Unternehmen den Vorfall zum Anlass und kündigte dem
Mann fristlos. Das Gericht erklärte die fristlose Kündigung für wirkungslos, weil unverhältnismäßig und
berücksichtigte dabei auch die über achtjährige Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflicht für Ehefrau und zwei Kinder.
Niemals den Belag des Chefs essen
Ein Bäcker aus Berkamen bestrich sein Brötchen unerlaubterweise mit einem Kräuter-Öl-Belag, der seinem Chef gehörte. Der Chef sah in seinem Angestellten einen Kriminellen und kündigte ihm fristlos.
Der Angestellte erklärte, er habe den Belag nur ab schmecken wollen. Das Landesarbeitsgericht Hamm
erklärte die Kündigung in zweiter Instanz für unverhältnismäßig.
Toilette schlechter Schlafplatz
Appetit auf Bienstich - Job weg
Als die Verkäuferin in einer Bäckerei Hunger bekam,
nahm sie sich ein Stück Kuchen aus der Auslage
und aß es, noch hinter der Theke stehend auf, ohne
die Süßigkeit zu bezahlen. Weil die Frau dabei beobachtet worden war, wurde ihr fristlos gekündigt.
Wegen des geringen Verkaufswertes des Kuchenstücks sah das Gericht die Kündigugung in erster
Instanz als unwirksam an, in zweiter Instanz aber
wurde die außerordentliche Kündigung in eine
fristgemäße Kündigung umgedeutet. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung einer Abfindung
aufgehoben. Das Bundesarbeitsgericht allerdings
stellte fest, dass auch die Entwendung von geringwertigen Sachen einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt.
Weil ein Mann nach Ansicht seines Chefs auf der Toilette eingeschlafen war, wurde ihm fristlos gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied, dass
Einnicken auf der Toilette kein Kündigungsgrund sei.
Der Angestellte, immerhin seit 18 Jahren im Unternehmen, sagte aus, dass er Magenkrämpfe hatte und
deshalb zusammengekrümmt und in sich gekehrt saß.
Briefträger zerreißt Briefe
Familiäre Probleme und ein daraus folgendes Blackout gab ein lange gedienter Postbote als Grund
dafür an, dass er drei Briefe in Stück zerriss. Obwohl
ein Gutachten ihm einen „zeitweise verwirrten Zustand“ bescheinigte, stimmten die Richter der Kündigung zu. Briefevernichtung sei eine Straftat.
Frischkäseklaus bezahlt Frischkäse nicht
Akku geladen - entlassen
Als Angestellter eines Einkaufsmarktes hatte ein
Schlachtergeselle mit seinem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart. Während einer
Freistellungsphase klaute er allerdings in eben jenem
Markt eine Packung Frischkäse im Wert von 1,99
Euro. Der Ladendetektiv stellte ihn, und der Arbeitgeber sprach eine außerordentliche Kündigung aus.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht bestätigten
die Kündigung, weil auch in der Freistellungsphase
das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer erforderlich sei.
Fotos: Eric Isselée_Fotolia.com
Weil der Angestellte einer IT-Firma im Büro den Akku
seines Elektrorollers aufgeladen hatte, wurde er fristlos entlassen. Kosten: 1,8 Cent. Der Mann hatte bereits 19 Jahre in der Firma gearbeitet und sich nichts
zu Schulden kommen lassen. Das Arbeitsgericht
Hamm erklärte die Kündigung für unzulässig, zumal
die Firma bis dahin zugelassen hatte, dass HandyAkkus von Mitarbeitern im Betrieb geladen wurden.
Stefanie Salzmann, Eschwege
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Magazin
Die UNO und die anderen
Alternative Betätigungsfelder für Volljuristen
Die UNO und zahlreiche andere Nichtregierungsorganisationen sind ein weites Betätigungsfeld für Volljuristen.
Wenn irgendwo in der Welt ein Konflikt losbricht, dann ist nicht selten zu beobachten, dass
Waffengänge folgen. In der sogenannten Dritten
Welt stehen kriegerische Auseinandersetzungen
mit unzähligen unschuldigen Todesopfern leider
auf der Tagesordnung. Dort, wo die Staatengemeinschaft ein geopolitisches Interesse sieht,
werden Stabilisierungstruppen entsandt, die verfeindete Konfliktparteien auseinander halten
sollen. Je geringer auch das wirtschaftliche Interesse ist, desto mühsamer und weniger Erfolg
versprechend erscheint jede Aktivität.
Nur so ist zu erklären, dass in den ärmeren Teilen der
Erde Kontinentalarmeen als „Friedenstruppen“ ihren
Dienst versehen. In Europa und westlichen Regionen
hingegen sind vornehmlich Europäer für die Herstellung von Sicherheit und Ordnung involviert. Dies
mag neben dem geschmäcklerischen Vorwurf der
Opportunitätsentscheidung aus wirtschaftlichen Interessen auch rein pragmatische Gründe haben. So
kommen im Zweifel bereits vom Klima afrikanische
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ADVOICE 03/11
Einheiten besser in einem Land wie etwa Somalia
zurecht als europäische. Mentalitäts- und Sprachbarrieren tun zudem ihr Übriges. Doch es geht nicht
nur um militärische Intervention oder Stabilisierung.
Viel wichtiger nach Beendigung kämpferischer Auseinandersetzungen sind insbesondere zivile Aufbaumaßnahmen. Die Versorgung mit existenziell
notwendigen Dingen wie Kleidung und Nahrung,
einer Infrastruktur, einem Schul- und Bildungssystem und einer verlässlichen Administration samt
Judikative steht im Fokus der Bemühungen.
Der Aufbau und die Implementierung gefestigter
Strukturen ist Aufgabe unzähliger (Voll-)Juristen,
die oftmals auch aus Deutschland kommen. Die
Liste von Jobmöglichkeiten für die in Paragraphendingen geschulten Berufsträger außerhalb des
Kanzleialltags ist lang. So kann der Auftrag im
Rahmen des internationalen Wiederaufbaueinsatzes darin bestehen, eine neue Landesverfassung
mit den Landesoberen auszuarbeiten und zu verschriftlichen. In anderer Verantwortung geht es um
Foto: hallmar_pixelio.de
die Unterstützung bei der Organisation und Durchführung von freien demokratischen Wahlen. Vergleichsweise banal, aber dennoch wichtig kann
auch die Begleitung in normalen Bürotätigkeiten
sein, wie etwa die Führung eines Amtes mit all
seinen Mitarbeitern. Wiedervorlagen-, Fristenkontrolle und Postbearbeitung müssen in Ländern wieder erlernt werden, die durch jahrelangen Krieg
daran gehindert worden waren.
Konflikte bedeuten aber nicht nur unmittelbare
Wiederaufbauleistung in deren Anschluss. Die Aufarbeitung von politischem und menschlichem Fehlverhalten ist ebenfalls ein ganz gewichtiger Aspekt,
an dem Juristen regelmäßig beteiligt sind. Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist ein
besonderes Beispiel dafür, wie fundamental bedeutsam die supranationale Bewertung von humanem
Unrecht ist. Dank einiger prominenter Verfahren,
siehe Kriegsverbrechertribunal gegen die Verantwortlichen des Jugoslawienkriegs, konnte die Idee
der überstaatlichen Zusammenarbeit in Fragen des
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Magazin
Strafrechts an Glaubwürdigkeit gewinnen. Neben
überstaatlichen Einrichtungen existiert eine Unzahl von Nichtregierungsorganisationen, die unabhängig von UN oder OSZE wichtige Lücken in der
Überwachung der Einhaltung von Menschenrechten schließen. Ohne die NGOs (non-governmental
organisation) hätten Gefängnisinsassen weltweit
keine Lobby mehr, lebten Journalisten in noch größerer Gefahr vor Gewalt und Verschleppung und
hätten Hungernde keine Chancen auf Überleben.
Ohne NGOs ginge nichts. Wo Volljuristen alternativ
zum Rechtsanwaltsberuf tätig sein können, gibt
AdVoice einen kleinen, nicht vollständigen Überblick.
unter anderem aus dem Marshallplan hervorgegangene Staatenvereinigung trägt seit 14.12.1960 ihren
Namen. Zu ihren Mitgliedern zählen neben den 20
Gründerstaaten 14 weitere Länder, wobei alle zu den
entwickelten Nationen gehören. Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstandes, Förderung der Wirtschaftsbeziehungen unter hoher Beschäftigung gelten seither als Leitlinien des Handelns der OECD. Neben
Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung behandelt
die OECD auch Fragen der Bildung. Prominentes
Beispiel ist die sogenannte PISA-Studie, die für eine
spürbare Änderung der deutschen Schullandschaft
gesorgt hat. www.oecd.org.
das Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften
für die Verwundetenpflege, 1876 umbenannt in Internationales Komitee vom Roten Kreuz. Das IKRK
hat in seinen Statuten sieben Grundsätze verankert, die bis heute gelten: Menschlichkeit, Unpar teilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. Der Rote Halbmond
ist die Schwesterorganisation des Roten Kreuzes.
Die Symbolik „Kreuz“ wurde aus religiösen Gründen
gegen den „islamkonformen“ rote Halbmond getauscht. Seit 1929 ist der rote Halbmond in gleicher
Weise wie das rote Kreuz als Schutzzeichen anerkannt. Informationen unter: www.redcross.int
> UNO
Eigentlich ging es ursprünglich darum, die Gräuel
des ersten Weltkrieges ein für alle mal zu ächten.
Dies sollte der Völkerbund, Vorläufer der Vereinten
Nationen, mit Gründung 1920 in Genf erreichen.
Doch der zweite Weltkrieg folgte mit noch größerer
Brutalität und Opferzahlen, und dies trotz der ersten auf Völkerrecht ausgerichteten Gemeinschaft.
Der Völkerbund konnte den Krieg bis zur Kapitulation des Deutschen Reichs am 8.5.1945 nicht
verhindern. Eine stärkere Organisation, an der vor
allen Dingen auch die großen Nationen wie Russland, die USA, China und Japan neben den europäischen Ländern dauerhaft partizipieren sollten,
musste geschaffen werden. Dies war die Geburtstunde der UNO am 26.6.1945. Inzwischen sind
193 Staaten Mitglied der Vereinten Nationen, die
ihren Hauptsitz in New York City haben. Friedenssicherung weltweit und Umsetzung humanitärer
Mindeststandards sind das Hauptanliegen der wichtigsten supranationalen Vereinigung. Weitere Informationen auf www.un.org.
> GIZ
Sie ist noch nicht besonders alt, denn die Deutsche
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
GIZ ist eine erst im Januar 2011 vollzogene Fusion
aus der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ und dem Deutschem Entwicklungsdienst DED. Die Bundesregierung beschloss, die
Gelder der Entwicklungshilfe stärker gebündelt zu
verwenden. Hauptaufgabe der GIZ ist die Initiierung und Koordination von Entwicklungshilfemaßnahmen. Sie ist im Rahmen der Entwicklungshilfeprojekte auch für die Bildung und Ausbildung
der Menschen in den Entwicklungshilferegionen
zuständig. Die Organisation firmiert als GmbH,
deren alleiniger Gesellschafter der Bund ist. Mehr
unter www.giz.de.
> TRANSPARENCY INTERNATIONAL
Die 1993 in Berlin gegründete Nichtregierungsorganisation Transparency International versteht sich
als Korruptionsbekämpfungsgesellschaft. Vetternwirtschaft und Kumpanei ist nicht nur ein Problem
schlecht entwickelter Staaten, wie TI Deutschland
mehrfach öffentlichkeitswirksam feststellte. Mit
einer sogenannten Schwachstellenanalyse enttarnte
die Organisation 2004 ein zwischen Kassenärzten,
Pharmaindustrie und gesetzlichen Versicherern aufgebautes Beziehungsnetz, das sie als Korruption im
Gesundheitswesen sah. www.transparency.org.
> OSZE
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, vormals KSZE, ist ähnlich der UNO
ein supranationaler Staatenbund, der der Stabilität
und der Friedenssicherung dient. Wichtiges Ziel der
OSZE ist die nachhaltige Förderung von demokratischen Strukturen. Der 1973 gegründeten OSZE
gehören 56 Teilnehmerstaaten an, darunter alle
Staaten Europas, die Türkei und Zypern, die Nachfolgestaaten der UdSSR, die USA und Kanada. Die
Abgrenzung zu anderen Organisationen und ihren
Aufgaben ist nicht immer leicht. So trat die OSZE in
der Vergangenheit nicht selten neben der NATO
und der WEU (Westeuropäische Union) auf. Letztgenannte wurde im Juni 2011 aufgelöst. Ob die
OSZE gleich der UNO ein Völkerrechtssubjekt ist, ist
allerdings umstritten. Mehr unter www.osce.org.
> OECD
Die Unterstützung der Marktwirtschaft ist der Hauptzweck der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Die ursprünglich
> AMNESTY INTERNATIONAL
Das Flagschiff der Nichtregierungsorganisationen,
was die Beachtung von Menschenrechten angeht,
dürfte Amnesty International AI sein. Der Menschenrechtsorganisation, die seit 1961 besteht,
gehören drei Millionen Mitglieder an. Bei eklatanten Verletzungen humanitärer Rechte wie Folter
und Todesstrafe gibt AI den Inhaftierten eine Stimme. Doch auch schon bei Diskriminierung wegen
Geschlechts, Religion und Andersdenken etwa am
Arbeitsplatz schaltet sich AI ein. Besonderen Einfluss auf Regierungshandeln hat inzwischen der
Jahresbericht von AI, der Verstöße gegen Menschenrechte in nahezu allen Ländern der Erde aufdeckt.
www.amnesty.org
> ROTES KREUZ/ROTER HALBMOND
Es war die Schlacht von Solferino mit über 6.000
Toten und viermal soviel Verletzten, die den Schweizer Henri Dunant bewog, eine Gesellschaft ins Leben
zu rufen, die sich der Kriegsverwundeten annehmen sollte. In Friedenszeiten sollten Ärzte und Sanitäter ausgebildet werden, um dann im Ernstfall
erste Hilfe leisten zu können – ein bis dahin nicht
gekannter humanitärer Akt. Wichtig war dem Geschäftsmann Dunant, dass die zur Hilfe Freiwilligen
den Status der Neutralität trugen, also nicht zu
einer Kriegspartei gehörten. 1863 gründete er in Genf
> REPORTER OHNE GRENZEN
Unabhängige Berichterstattung tut Not. Diese Feststellung gilt bei Kriegshandlungen gleichermaßen
wie im alltäglichen, friedlichen Leben, wo es „nur“
um die Darstellung komplexer Zusammenhänge
geht. Journalisten werden oftmals von der Politik,
ganzen Staaten, aber auch von Organisationen und
Unternehmen benutzt, um eigene Interessen zu
verlautbaren. In Zeiten schneller Kommunikation ist
zudem zu beobachten, dass die erforderliche Dauer
der gründlichen Recherche oftmals der Geschwindigkeit einer Nachricht geopfert wird. Die Pressefreiheit steht daher im Mittelpunkt der regierungsunabhängigen Organisation Reporter ohne Grenzen
ROG (Reporters sans frontières). Der seit 1985 tätigen Organisation geht es darum, Journalisten vor
Repressalien jeder Art zu schützen und dies, sofern
geschehen, aufzudecken und publik zu machen.
www.reporter-ohne-grenzen.de
> HUMAN RIGHTS WATCH
Ähnlich wie Amnesty International mahnt Human
Rights Watch die Wahrung der Menschenrechte an.
Die Nichtregierungsorganisation, die sich ausschließlich über Spenden und Geld aus Stiftungen
finanziert, wurde 1978 gegründet. Der Kampf gegen
Korruption, staatliche Gewalt und Diskriminierung
sind die Hauptanliegen von HRW. www.hrw.org
RA Patrick Ruppert, Köln
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Foto: Patrick Ruppert
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Magazin
Selbst Rechtsanwälte wurden mit den behördlich aussehenden Schreiben der sog. Gewerbeauskunft-Zentrale traktiert. Was auf den ersten
flüchtigen Blick wie eine verpflichtende Aufforderung des Gewerbeamtes zur Übersendung
von Unternehmensdaten aussah, entpuppte sich
bei genauerem Hinsehen als teure 2-Jahres-AboFalle für einen Basiseintrag in einem Onlineverzeichnis für Gewerbetreibende. Jährlich anfallende Kosten, im Voraus zu zahlen: 478,20 Euro.
Viele Geschäftsleute fielen bereits darauf herein
und sahen sich in nervigen Inkassoverfahren
wieder. Mit Urteil vom 30.6.2011 (Az. 28 C 15346/
10) verneinte jedoch das Amtsgericht Düsseldorf
die Zahlungsverpflichtung des Abonnementen.
Hierbei ging es allerdings nicht auf den „täuschenden Charakter“ des per Briefpost zugestellten Formulars ein, sondern auf eine von der
Gewerbeauskunft-Zentrale nicht eingehaltene
Annahmefrist nach § 148 BGB.
{
NEU / Gericht des Monats
Das Amtsgericht Düsseldorf
Doch das Ergebnis freut und gibt allen den
Kolleginnen und Kollegen Rückenwind, die von
gewerblichen „Opfern“ mandatiert wurden. In
einem weiteren anhängigen Berufungsverfahren wird sich übrigens das OLG Düsseldorf mit
den Fragen der Lauterkeit des Abo-Angebots der
Gewerbeauskunft-Zentrale auseinandersetzen.
Die mündliche Verhandlung ist auf Mitte Februar 2012 angesetzt, meldet der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V.
Liebes Forumsmitglied, mach mit! Sende uns
Dein „Gericht des Monats“ ein, d. h. ein hochauflösendes Foto, dessen Rechte Du hast, und
eine kurze Geschichte hierzu, je bedeutsamer,
ungewöhnlicher oder auch skurriler desto besser.
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Magazin
Uniform statt Robe?
Über Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr
Wer „Bundeswehr“ hört oder liest, der denkt
möglicherweise an ruchbar gewordene Skandalgeschichten um das Segelschulschiff Gorch Fock,
die sogenannte Kunduz-Affäre und das Ende
der Wehrpflicht, somit des Zivildienstes. In einer Gesellschaft, in der sich der Großteil der
wehrfähigen Männer kurz vor Aussetzung des
Wehrdienstes für den „Ersatzdienst“ entschied,
genießen die deutschen Streitkräfte einen eher
zwiespältigen Ruf. Genährt wird dieser von besagten Geschichten und zahlreichen Anekdoten
Ehemaliger mit teils wahren Begebenheiten aber
auch reichlich „Seemannsgarn“.
Je nach politischer Ausrichtung hat ein „Gedienter“
ein ordentliches gesellschaftliches Standing, weil
er unter Beweis stellte, dass er sich für einen begrenzten Zeitraum Disziplin und Ordnung unterwerfen konnte. Andere hingegen bewerten die Zeit
des Dienens als stumpfsinnige Zeitverschwendung,
da angeblich ausschließlich Herumgammeln, Alko-
holexzesse und überharter Drill mit dem Zweck des
Tötens die Hauptinhalte des Soldatenalltags seien.
Wie so oft, helfen kaum schlichte Klischees weiter,
um den tatsächlichen Zustand der bundesrepublikanischen Armee zu beschreiben. Die Wahrheit
liegt dazwischen, weil anders, als Kritiker der Bundeswehr behaupten, die Streitkräfte keinesfalls ein
Sammelort der Sonderlinge sind, die außerhalb der
Kasernenmauern keine Chance hätten. Die Bundeswehr ist deswegen ein Abbild der Gesellschaft,
nicht besser, aber auch nicht schlechter. Doch der
Beitrag soll nicht der kritischen Bestandsaufnahme
einer im Wandel befindlichen Armee dienen. Er soll
vielmehr das Augenmerk darauf lenken, dass die
Bundeswehr mit ihrer Struktur und ihren Aufgaben
nicht nur ein Arbeitgeber für klassisch militärisch
operierende Beschäftigte ist.
Wer Jura studiert und erfolgreich sein zweites
Examen abgeschlossen hat, für den könnte die
Bundeswehr ein weiteres interessantes Berufsfeld
eröffnen. Und gemeint sind nicht nur Jobs für
Uniformträger in spe, die als Quereinsteiger die
Offizierslaufbahn anstreben. Juristen arbeiten in
vielfältigen Funktionen vor allem als zivile Beamte
in den unterschiedlichen Kommandobehörden. Zivil
werden Assessoren vornehmlich als Rechtsberater
und Rechtslehrer an den Schulen der Bundeswehr
eingesetzt. Auch der sogenannte Wehrdisziplinaranwalt ist ein juristisch ausgebildeter Zivilbeamter
der Bundeswehr.
MILITÄRISCHE LAUFBAHN (StOffz/R)
Gerade jene Volljuristen, die nach dem Abitur während einer kürzeren Verpflichtungszeit oder Reserveübungen die Ausbildung zum Reserveoffizier
durchlaufen haben, sind geeignete Kandidaten, um
sich auf die Stellen der StOffz/R zu bewerben.
StOffz/R sind Stabsoffiziere mit der Befähigung
zum Richteramt. Sie zeichnen sich einerseits durch
Als Qualifikationsvoraussetzung für eine Juristenkarriere setzt die Bundeswehr mindestens zwei befriedigende Staatsexamem als zu überwindende Hürde.
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Magazin
militärischen Sachverstand aufgrund ihrer Vordienstzeit aus. Andererseits besitzen sie als Assessoren das erforderliche juristische Fachwissen. Sie
sind kompetentes Bindeglied zwischen juristischen
Fragestellungen und solchen des militärischen
Spektrums. Daraus folgernd, werden sie im Bundesverteidigungsministerium und in den Ämtern wie
dem Personalamt oder der Stammdienstelle der
Bundeswehr eingesetzt. Gleich höheren Verwaltungsbeamten steigen sie mit der Besoldungsgruppe A13
ein und erhalten ohne weitere Laufbahnprüfung den
Dienstgrad Major. Ihre Verwendung innerhalb der
Bundeswehr wechselt zwischen den Aufgaben eines
Volljuristen in einem Verwaltungsstab und der eines
militärischen Führers im Rahmen einer (stellvertretenden) Kommandeursverwendung.
Als Qualifikationsvoraussetzung erwartet die Bundeswehr gegenwärtig mindestens zwei befriedigende
Staatsexamen oder bei einem ausreichendem Examen
den Ausgleich in der anderen Staatsprüfung durch
„vollbefriedigend“. Hinzukommen als Anforderung die
erforderliche körperliche Fitness, denn StOffz/R
müssen damit rechnen, auch an Auslandseinsätzen
teilzunehmen. Interessierte Referendare haben die
Möglichkeit, im Rahmen ihre Verwaltungsstation im
Bundesministerium der Verteidigung die Arbeit der
StOffz/R kennenzulernen. Weitere Informationen gibt
das Personalamt der Bundeswehr in Köln.
ZIVILE LAUFBAHN
Die Einsatzmöglichkeiten von Volljuristen in der
Wehrverwaltung sind gleichsam vielfältig wie anspruchsvoll. Als Beamte im höheren Dienst können
sie als Dezernenten oder Referenten mit Personalangelegenheiten, Liegenschaftsfragen, Vertragsfragen und allgemeinen Rechtsfragen betraut sein.
Sie sind dann zivile Rechtsberater der Streitkräfte.
Eine weitere typische Verwendung ist die als Rechtslehrer an Schulen und Ausbildungseinrichtungen
der Bundeswehr. Im Fach „Innere Führung“ ist Recht
„Sperrfach“, das heißt: ohne Bestehen des Jurascheins kein Weiterkommen. Schon deshalb tragen
RechtslehrerInnen eine besondere Verantwortung.
So manch didaktisch schlechte Lehrveranstaltung
aus vergangenen Unitagen wird rasch zum Menetekel in Sachen eigener Lehrbemühungen. Neben der
Lehrtätigkeit und der Rolle als Rechtsberater treten
zivile Juristen auch als Wehrdisziplinaranwälte vor
dem Truppendienstgericht in Wehrdisziplinarangelegenheiten auf. Der Wehrdisziplinaranwalt nimmt,
ähnlich einem Staatsanwalt, die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahr. Auskünfte erteilt das
Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn. Sie auch
http://www.streitkraeftebasis.de/portal/a/streitkraef
tebasis/dienst/portraits/persabw.
RA Patrick Ruppert, Köln
Fotos v.l.n.r.: sokaeiko, Triopack_pixelio.de
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Magazin
Schneller, als die Post erlaubt
Neue Kommunikation mit Signaturkarte
Der Postkasten hat bald ausgedient. Die elektronische Signaturkarte könnte der Einstieg in die digitale Kanzlei sein.
Einfach und sicher wie die eigene Unterschrift
soll eine digitale Signaturkarte funktionieren.
Der Rechtsanwalt schreibt ans Gericht: „E-Mail
für Dich.“ Bevor man gefragt hat: „Bin ich schon
drin?“, heißt es schon: „Sie haben Post!“. Wird
es eines Tages nur noch die Online-Akte bei Gericht geben? Ist die Signaturkarte der Einstieg
in die digitale Zukunft der Kanzlei oder landet
das Gesamtpaket in der Besenkammer?
Elektronische Mahnanträge sind heute Alltag. Die
Österreicher sind schon einen Schritt weiter: Der
gesamte Schriftverkehr zwischen Rechtsanwälten
und Gerichten läuft über ein spezielles E-Mail-Programm namens „WEB-ERV“. In der Praxis spart der
Rechtsanwalt Kopierzeit, Papier, Toner und Porto-
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ADVOICE 03/11
kosten. Langwierige Postwege können entfallen,
und bei einem personalisierten Postfach erfolgt
umgehend eine elektronisch signierte Eingangsbestätigung des Empfängers mit dem Wert eines
Einschreibens mit Rückschein. Gerade bei Ablauf
eines Verjährungszeitraumes ist das Fax eines
Gerichtes meist besetzt, weil zeitgleich mehrere
Kollegen versuchen, ein wichtiges Dokument zu
übermitteln. Hier sind Signaturkarten-Inhaber klar
im Vorteil: Die Absendung einer verschlüsselten
E-Mail kann jederzeit problemlos rechtswirksam
erfolgen, der Empfänger ist rund um die Uhr erreichbar, ein Besetztzeichen gibt es nicht. Schneller
als die Post ist das allemal. Das Paket besteht aus
einem externen Lesegerät, Computer-Software und
zugehöriger Signaturkarte. Nach Installation der
Foto: Robert Kneschke_pixelio.de
Software und Anschluss des externen Lesegerätes
kann der Nutzer der freigeschalteten Signaturkarte
seinen Schriftwechsel mit den teilnehmenden Gerichten als gesicherte E-Mails versenden.
NACHRICHTEN SIND VERSCHLÜSSELT
Die Nachricht ist auf dem Weg über das Internet
vor dem Lesen und Manipulieren durch Unbefugte
geschützt (OSCI-Standard, kryptografische Verschlüsselung), so dass Mandatsgeheimnisse gewahrt bleiben. Die Signaturkarte hat das Format
und Aussehen einer Kreditkarte, wird in das Lesegerät geschoben und per PIN freigeschaltet, wie bei
der bargeldlosen Zahlung an der Tankstelle oder im
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Magazin
Restaurant. Parallel dazu wird eine qualifizierte
elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz
benötigt (vgl. § 126a BGB, §§ 130a, 174 Abs. 3 ZPO,
§ 55a VwGO, § 52a FGO). So kann das Dokument
digital signiert, also unterschrieben werden und
erfüllt die Anforderungen der Schriftform gem. §
126 Abs. 3 BGB. Daher muss zusammen mit dem
Antrag beim Anbieter, wo das o.g. Gesamtpaket
bestellt wird, bei der zugehörigen Rechtsanwaltskammer ein Antrag auf Bestätigung der Berufszugehörigkeit gestellt werden. Diese Bestätigung wird
durch den Zertifizierungsdiensteanbieter (ZDA) bei
Vorlage des Personalausweises über ein Post-IdentVerfahren umgesetzt. In der Praxis darf man dann
ein Zertifikat mit Berufsattribut führen, z. B. Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin. Dies ist für „digitale
Signaturen“ als Ersatz der Unterschriften in Verfahren vor Gerichten mit Anwaltszwang erforderlich.
SYNCHRONISIERTES VERFAHREN
Sinn macht das System nur, wenn Sender und Empfänger das gleiche Verfahren, das „Elektronische
Gerichts- und Verwaltungspostfach“ kurz EGVP,
nutzen. Die Entschlüsselung erfolgt nämlich in einer
virtuellen Poststelle auf dem PC des Empfängers.
Das EGVP-Programm erhält man kostenlos online
im Download auf der Webseite www.egvp.de, wo
auch alle Gerichte und Behörden gelistet sind, die
an diesem Verfahren teilnehmen. Daher sollte vor
Abschluss einer Bestellung geprüft werden, ob die
Gerichte, mit denen größtenteils Verbindung besteht,
überhaupt das EGVP nutzen. Am effektivsten ist der
Zugang zu den Mahngerichten und Landgerichten
gewährleistet, aber viele Amtsgerichte, Sozialgerichte, Verwaltungsgerichte und Staatsanwaltschaften sind nur teilweise angeschlossen. Die Übersichtsliste ist nach Bundesländern aufgebaut. Zu
überprüfen ist weiterhin, welche gängigen Dateiformate vom Programm unterstützt werden. Das
EGVP bedient seinerseits alle akkreditierten Signaturkarten der Anbieter nach deutschem Signaturgesetz.
Da die Signaturkarte personalisiert ist, darf die Karte
selbstverständlich nicht aus der Hand gegeben
werden. Um in der Praxis damit flexibel zu arbeiten,
kann der Rechtsanwalt das benötigte Softwareprogramm EGVP auf allen Rechnern, Laptops und
Notebooks installieren und theoretisch so zusammen mit dem mobilen Lesegerät an jedem Ort – also
auch außerhalb seines Büros – entsprechend verschlüsselte Nachrichten versenden. Dies ist aber von
der gekauften Lizenz abhängig.
STEUER & ONLINE-BANKING
Neben EGVP können Signaturkarten einiger Anbieter die Authentifizierung bei der elektronischen
Steuererklärung (ELSTER) unterstützen, www.elster.de.
Es gibt Kartenlesegeräte, die zudem für das sichere
Online-Banking mit HBCI genutzt werden können.
Übrigens kann der neue Personalausweis optional,
also gegen Aufpreis, bei einigen Anbietern mit
Signaturen nach dem Signaturgesetz (SigG) ausgestattet werden. Hier ist jedoch dringend zu empfehlen, für Signaturen auch in Zukunft eine gesonderte Signaturkarte zu verwenden. Ausweisen
und Unterschreiben sollte man sicherheitshalber
trennen.
GEBÜHR PRO VERSANDTER MAIL
Für die Gebührenabrechnung des Rechtsanwaltes
ergibt sich durch das Verfahren ein weiterer, mög licher Vorteil: Wird eine E-Mail verschickt, können
2,50 EUR (vgl. Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG) pro angehangener Datei gegenüber dem Mandanten abgerechnet werden, wenn dies vorher in einer schriftlichen Vergütungsvereinbarung niedergelegt wurde.
Allerdings ist dafür nicht ein gesichertes System,
sondern nur allgemein die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien Voraussetzung.
Durch die Vergütungsvereinbarung wird berücksichtigt, dass die Rechtsschutzversicherungen die
Gebühren je angehangener Datei nicht erstatten –
analog zu den Kopierkosten (vgl. Nr. 7000 Nr. 1d
VV RVG). Diesem Vorteil steht aber auch ein zu
erwartender Nachteil gegenüber: Das Gericht wird
natürlich die Klage mit ihren Anhängen aus der
Datei ausdrucken und seinerseits u. U. Kopierkosten
gegenüber dem Anwalt in Ansatz bringen. Das
Ausdrucken kann wie die Herstellung einer Kopie
gewertet werden, wofür Kosten entstehen (9000
Anl. 1 GKG). Das System wird bisher selten für das
Einreichen von Klageschriften genutzt. Aus der
Praxis sind hier nur wenige Fälle bekannt, in denen
das erfolgte. Die Erfahrungen sind regional unterschiedlich; die meisten Gerichte haben keine Rechnungen gelegt.
Die Zahl der zugelassenen Dateianhänge und die
Gesamtgröße aller Nachrichtenanhänge für eine
Nachricht kann durch die einsetzenden Gerichte
und Behörden beschränkt werden, um eine zuverlässige Übertragung und Verarbeitung sicherzustellen. Bundesfinanzhof und Bundesverwaltungsgericht lassen beispielsweise 100 Anhänge je Nachricht zu, welche zusammen maximal 30 Megabyte
groß sein dürfen.
In den Kinderschuhen steckt das Gesetz über die
Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz seit 2005. Damals wurden unter
anderem die Zugangsregelungen novelliert und
erstmals die Möglichkeit eröffnet, Prozessakten
elektronisch zu führen. Die Signaturkarte ist ein
Anfang, aber der Weg zur elektronischen Akte bei
Gericht ist noch weit.
Rechtsanwälte in Österreich
Alle Anwälte in Österreich sind gesetzlich
dazu verpflichtet, am System „WEB-ERV“ teilzunehmen und die technischen Vorgaben
dazu in der Kanzlei zu errichten. Dieser spezielle Internet-Verkehr umfasst: Klagen, Anträge, Urkundenvorlagen, Rechtsmittel, Urteile, Beschlüsse, Forderungsanmeldungen,
Exekutionsanträge, Vollzugsberichte, Ladungen, Eingaben an das Grundbuch und Firmenbuch usw. Beim Schriftsatz vom Anwalt an
das Gericht werden Daten wie Gericht, Parteien, Rechtsvertreter, Streitwert usw. in einer
Maske am Bildschirm ausgefüllt, ebenso gibt
es ein Feld für die Ausführungen wie „Klagserzählung“ oder Berufungsbegründung.
[Mag. Barbara Kirchner, Wien]
Bürger mit Signaturkarte
Österreich bietet seinen Bürgern die Möglichkeit einer e-card für die Teilnahme am
e-Government Programm. So kann jeder
Österreicher nach Registrierung und Aktivierung mit einem Lesegerät und der dazugehörenden Bürgerkarte seinen Steuerausgleich,
Meldeauskünfte, Strafregisterauszug und viele
andere Behördenangelegenheiten problemlos
an sieben Tagen in der Woche und rund um
die Uhr online erledigen. Graz bietet zudem
mit der Bürgerkarte die elektronische Abwicklung von Amtswegen auf dem Handy an.
[Mag. Barbara Kirchner, Wien]
Leichtes Mahnverfahren
Der Einsatz der Signaturkarte rechnet sich
jedenfalls dann, wenn man nicht nur ab und
zu Mahnbescheide stellt. EGVP ist dabei
ziemlich anwenderfreundlich. Wir verwenden das Programm AdwoMahn, das die umgewandelten Mahnbescheide so zur Verfügung stellt, dass sie bei EGVP dann gleich im
Ausgangskorb liegen. Sicherlich funktionieren andere Programme ähnlich. Die Ausgangsdatei kann markiert werden, und wenn
man mit der Maus rechts klickt, kann man
aus dem Menü die Signatur auswählen.
Dann muss nur noch das Passwort eingegeben werden, und so ist die Datei auch
schon signiert. Bei Mahnbescheiden erhalten wir am nächsten Tag eine Eingangsbe stätigung und ebenso die Erlassnachricht.
Gleiches gilt auch für den Antrag auf Erlass
des Vollstreckungsbescheides. Die Bearbeitungszeiten bis zum Erlass eines MB und
eines VB sind deutlich reduziert.
[RA Ulrich Welcker, Aachen]
RA Volker Loeschner, Berlin
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Magazin
Plädoyer für das Patientenrechtegesetz
Damit der Patient seine Rechte kennt
Eine Kodifizierung der Patientenrechte ist der
Gesetzgeber bisher schuldig geblieben. In diesem
Jahr will der Bundestag ein Patientenrechtegesetz
auf den Weg bringen.
Die Straßenverkehrsordnung regelt als Gefahrenabwehrrecht den Verkehr in Deutschland, damit
niemand verletzt wird oder zu Tode kommt. Beim
Patientenrechtegesetz wäre es genauso: Es würde
den Behandlungsverkehr in Deutschland regeln.
Jedem Patienten und Behandler wäre klar, wann
die Ampel von Grün auf Gelb schaltet und letztendlich auf Rot. Das Patientenrechtegesetz sorgt
dafür, dass Patienten ihre Rechte kennen und
„rechts vor links“ von allen beachtet wird.
Grünes Licht für Patienten.
Foto: Torsten Lohse_pixelio.de
HEILAUFTRAG & KOSTENDRUCK
RECHT AUF EINSICHT
Im Gesundheitswesen herrscht Wirtschaftsverkehr.
Die jetzige Situation gleicht einer Kreuzung ohne
Lichtzeichen und Straßenschilder. Viele Autofahrer
tasten sich Schritt für Schritt voran. In der Mitte der
Kreuzung steht der Arzt als Navigator, der auch
nach seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen und
Zwängen handelt und handeln muss. Ein Verkehrspolizist würde jetzt nach der StVO den Verkehr
regeln: uneigennützig, fürsorglich, der Situation und
in alle Richtungen entsprechend. Der Arzt kann den
Patienten auf einen Weg lotsen, der ihm nutzt.
Zuzahlungspflichtige Behandlungsmethoden, IGeLLeistungen, Wahlleistungsvereinbarungen, Kostenerstattung und sogenannte Disease-ManagementProgramme sind auf dem Vormarsch. Der Patient ist
als zahlender Kunde von Bedeutung. Der Arzt steht
am Kreuzweg zwischen Heilauftrag und Kostendruck. Sein Handeln unterliegt auch sozialrechtlich
dem Wirtschaftlichkeitsprinzip. Er ist in ein Verkehrsnetz eingebunden, das ihn verpflichtet, Gesundheit
unter wirtschaftlichen Aspekten zu gewährleisten.
Das ist ungefähr so, als würde der Arzt von Ihnen
eine Maut für die Benutzung der Straße verlangen.
Nur wer viele Autos abkassiert, überlebt. Sie haben
die Wahl, ob Sie auf den Feldweg oder die Schnellstraße umgeleitet werden.
Ein Patientenrechtegesetz funktioniert so, als würden für den Behandlungsverkehr Straßenschilder
aufgestellt sein. Das Schild „Durchfahrt verboten“ ist
dann genauso sichtbar wie „Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben“. Der Arzt hat die Pflicht zur
Dokumentation der Behandlung; der Patient erhält
ein Recht, die Behandlungsunterlagen einzusehen.
Bisher hat er dieses Recht auch, nur die Wenigsten
wissen von diesem Recht und nehmen es zur
Rechtsverfolgung wahr. Der Arzt entgegnet dem
Patienten, dass er begründen solle, warum er Ein sicht will, oder gar, dass es seine Unterlagen seien.
Der BGH urteilt, dass der Patient jederzeit ohne
Begründung Einsicht erlangen kann. Nur welcher
Patient liest BGH-Urteile? Wenn er nach seinem
Recht sucht, landet er auf einem Irrweg. Es macht
einen qualitativen Unterschied, ob Fragen durch
Case-Law entschieden werden, oder ob der Gesetzgeber von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch
gemacht hat.
GESETZ STATT SATZUNG
Was würden Sie als Straßenverkehrsteilnehmer
sagen, wenn ihr Unfallpartner keine Haftpflichtversicherung besitzt? Könnten Sie sich ein neues
Auto leisten oder zumindest die Reparatur des jetzt
defekten? Es gibt kein Gesetz, dass für Ärzte oder
Krankenhäuser eine Haftpflichtversicherung als Bedingung für die Teilnahme am Behandlungsverkehr
vorsieht. Es gibt eine Satzung, die unzureichend
kontrolliert wird. Es fehlt an einem Bundesgesetz.
Eine Approbation wurde noch nie entzogen, weil
einem Arzt eine Haftpflichtversicherung fehlte. Der
Patient landet in der Sackgasse. Wenn der eine Autofahrer dem anderen auffährt, gibt es vorne Geld,
wenn es hinten rummst. Es gilt ein Anscheinsbeweis,
dass der Hintere den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Die Gefahrtragung und Haftung ist im
Straßenverkehrsgesetz geregelt. Warum soll nicht
auch im Behandlungsverkehr eine Haftung geregelt
sein? Dort wird, durch Ärzte verschuldet, eine Million
Menschen pro Jahr verletzt, dreimal so viele wie im
Straßenverkehr! Haftungssicherheit ist für alle ein
Gewinn.
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SELBSTBESTIMMUNG & MENSCHENWÜRDE
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen
dem Vorhandensein eines Patientenrechtegesetzes
und der Durchsetzungsqualität der Patientenrechte.
Bei der Wesentlichkeit des Selbstbestimmungsrechtes der Patienten unter Beachtung der Menschenwürde ist es unverhältnismäßig, dass es kein Gesetz
gibt. Das Richterrecht ist regional unterschiedlich
und für alle Beteiligten kaum kalkulierbar. Ein ausformuliertes Gesetz garantiert Rechtssicherheit und
die Transparenz im Behandlungsverkehr. Am Rand
der Behandlungsschnellstraße stehen schon zu viele
Kreuze, die Zeit drängt. Je schneller das Wirtschaftlichkeitsprinzip Fahrt aufnimmt, desto wichtiger ist
es, diese Geschwindigkeit zu begrenzen. Gleichberechtigung im Behandlungsverkehr kann nur gewährleistet werden, wenn es Verkehrsregeln gibt.
Ohne diese entsteht Chaos. Der Patient sollte nicht
im Rückspiegel seine Rechte suchen müssen. Schauen
Sie nach vorn: An eine gefährliche Kreuzung gehört
eine Ampel. Grün für das Patientenrechtegesetz!
RA Volker Loeschner, Berlin
> http://www.berliner-anwaltsverein.de/
wordpress/wp-content/uploads/2011/
04/ Patientenrechtegesetz.pdf
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Magazin
Im Visier der Verbraucherschützer
Rechtsschutzversicherer schicken Kunden zu Vertrauensanwälten
Umleitung von Mandantenströmen durch den einen oder anderen Rechtsschutzversicherer an Vertragsanwälte.
Im Straßenverkehr hat’s geknallt, der Chef hat
den Job gekündigt oder es gibt Ärger mit der im
Internet bestellten Ware - für Streit vor Gericht
gibt es viele Gründe. Glücklich schätzt sich dann,
wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt,
denn der Gang vor den Kadi ist in der Regel teuer.
Häufig machen Rechtssuchende die Beauftragung
ihres Anwaltes von der Kostenschutzzusage ihrer
Rechtsschutzversicherung abhängig und lassen die
Einholung der Kostenübernahmebestätigung als lieb
gewonnenen, unentgeltlichen Service von ihrem
Anwalt erledigen. Eine Selbstverständlichkeit ist das
aber nicht – und könnte vom Anwalt durchaus gesondert in Rechnung gestellt werden. In der Regel
verzichten die Anwälte aber auf eine gesonderte
Vergütung, weil „der Mandant diesen bequemen Service zu schätzen weiß“, wie Rechtsanwalt Alexander
Dauer zu berichten weiß. Mandanten, die die Kostenschutzanfrage selbst in die Hand nehmen und
kurz entschlossen zum Hörer greifen, fühlen sich
mitunter von der freundlichen Stimme am anderen
Ende der Leitung verunsichert. Denn die eine oder
andere Versicherung nutzt die Gelegenheit, um
ihrem Kunden eine andere Kanzlei ans Herz zu legen,
als dieser vielleicht wünscht. „Benötigen Sie die Hilfe
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eines erfahrenen und kompetenten Rechts-anwaltes
vor Ort? Wir empfehlen Ihnen gerne einen qualifizierten Rechtsanwalt aus unserem bundesweiten
Anwaltsnetzwerk, der genau auf Ihren Fall spezialisiert ist“, ist beispielsweise auch auf der Homepage
eines Versicherers zu lesen.
VERTRAUENSANWÄLTE
Häufig arbeiten einige Unternehmen nämlich viel
lieber mit ihren „Vertrauensanwälten“ zusammen.
Die Basis einer solchen Kooperation dürfte in den
meisten Fällen ein sogenanntes Regulierungs- oder
Rationalisierungsabkommen darstellen. Bei diesen
Vereinbarungen stimmt der Anwalt zu, geringere
Gebühren als üblich von der Versicherung zu erhalten – um hoffnungsfreudig vom Versicherungsunternehmen im Gegenzug als „Vertrauensanwalt“
empfohlen zu werden. Einige Versicherer bewerben
diese Praxis als zusätzlichen Service für ihre Kunden.
So erklärt Christian Lübke vom Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Rechtsschutzversicherer begreifen sich heute nicht mehr
als reiner Kostenerstatter, sondern möchten ihren
Kunden einen optimalen Service bieten. (…)
Foto: RainerSturm_pixelio.de
Rechtsanwaltsnetzwerke tragen hierzu bei. So erhält der ratsuchende Versicherungsnehmer im Fall
der Kontaktaufnahme zum Rechtsschutzversicherer
zweierlei: eine Aussage über die Möglichkeit der
Kostenübernahme und Hinweise auf in der jeweiligen Angelegenheit versierte, möglichst ortsnahe
Anwälte. Die Erfahrungen zeigen, dass viele Versicherungsnehmer diese Zusatzleistung sehr dankbar annehmen.“
DIENER ZWEIER HERREN
Für die meisten dieser dankbaren Kunden dürfte der
Hintergrund einer solchen Kooperation allerdings
verborgen bleiben. Mögliche Interessenkonflikte des
empfohlenen Advokaten sind für den Versicherten
dadurch nicht erkennbar – für viele Anwälte dafür
umso offensichtlicher. So schreibt Rechtsanwalt
Carsten Hoenig auf der Homepage des RSV-Blogs,
der sich zum Ziel gesetzt hat, über „praktische Erfahrungen mit den Leistungen der Rechtsschutzversicherer“ zu berichten: „Die Empfehlung einer
Kanzlei ist eine Leistung des Versicherers an diese
Kanzlei. Und ohne Gegenleistung geht in der Wirtschaft regelmäßig gar nichts. Ein auf diesem Wege
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Magazin
empfohlener Anwalt ist oft Diener zweier Herren.“
Auch Rechtsanwalt Maier befürchtet auf derselben
Website: „Es sind Fallkonstellationen denkbar, bei
denen ein solcher RSV-RA (Rechtsschutzversicherung-Rechtsanwalt) Parteiverrat/Untreuetatbestände
erfüllt, weil er das Sparinteresse der RSV über das
Rechtsverfolgungsinteresse des Mandanten stellt.“
Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinbarungen sind vielfältig und bestehen seit Jahren:
Dr. Bernhard Dombek, ehemaliger Präsident der
Bundesrechtsanwaltskammer, äußerte bereits 2004
in einem offenen Brief seine Bedenken in berufsrechtlicher Hinsicht, da er in den Abkommen die
Möglichkeit einer unzulässigen Gebührenunterschreitung sah. Auch Rechtsanwalt Dr. Hubert van
Bühren, Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln,
beurteilt die Abkommen dann als illegal, wenn die
Sondervereinbarungen gegenüber den Versicherungsnehmern nicht offengelegt werden. Und Joachim Cornelius-Winkler, Fachanwalt für Versicherungsrecht, hält die Vereinbarungen wegen des
möglichen Interessenkonflikts des Rechtsanwalts
grundsätzlich für unwirksam.
RECHT AUF FREIE ANWALTSWAHL
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)
aus dem Jahr 1989 (AZ BGH – I ZR 242/87) stützt
diese Auffassung: Ein Mieterverein untersagte in
seinen Aufnahmebedingungen den Mitgliedern das
Recht auf eigene Wahl eines Anwalts und arbeitete
stattdessen nur mit selbst ausgewählten Juristen
zusammen. Zur Begründung trug der Verein vor,
dass er im Interesse einer kostensparenden Risikokontrolle auf erfahrene und spezialisierte Anwälte
angewiesen sei, und dass die Erfolgsaussichten einer
Rechtsverfolgung in jedem Fall zurückhaltend zu
prüfen seien. Daraus schlossen die Richter, dass der
Vereins-Anwalt in einen Widerstreit der Interessen
gerate: Zwischen das seines Mandanten auf unabhängige Wahrnehmung seiner Belange und das
Kostensparinteresse des Vereins, dem er möglicherweise den Vorrang einräumen werde. In ihrem Urteil
sahen die Richter daher das Recht des Einzelnen auf
freie Anwaltswahl nach Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auf unzumutbare Weise eingeschränkt
und erklärten die Praxis des Mietervereins für
unwirksam.
QUALITÄTSPRÜFUNG ODER DROHUNG?
Die Versicherungswirtschaft teilt solche Bedenken
freilich nicht. Stattdessen lobt der GDV die „Möglichkeit der Qualitätsprüfung“ durch den „stetigen Kontakt“ mit dem Anwalt, durch den die „Qualität in der
Mandatsbearbeitung“ im Blick gehalten werde, „um
erforderlichenfalls reagieren zu können“. Für die
Anwälte könnte die so gelobte Qualitätsprüfung
allerdings mehr wie eine Drohung denn nach ver trauensvoller Zusammenarbeit klingen. Denn ob es
dabei vorrangig um das Wohl des Versicherungsnehmers geht, oder doch eher oder zumindest auch
um die Kosten des Anwalts, ist jedenfalls fraglich.
Wie groß nämlich das Sparinteresse bei den Versicherern sein kann, zeigt sich – unabhängig von
den Regulierungsabkommen – auch in einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Rechtsschutzversicherungen (ARB). Darin wird der
Kunde verpflichtet, „alles zu vermeiden, was eine
unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte“. Um zu erkennen, welches Verhalten nach dieser Klausel immerhin mit dem Verlust
des Versicherungsschutzes sanktioniert wird, braucht
der Versicherte allerdings einiges Talent im Rätselraten. Genau diese mangelnde Klarheit kritisierte
der BGH bereits 2009 als intransparent und unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Bevor es jedoch zu einer Entscheidung
über die Wirksamkeit der Klausel kam, erkannte die
Versicherung den Anspruch ihres Kunden an und
vermied so eine gerichtliche Entscheidung. Zuvor
hatte sie sich geweigert, in einer arbeitsrechtlichen
Streitigkeit einen außergerichtlichen Klärungsversuch zu vergüten, weil der Anwalt aus ihrer Sicht
gleich hätte klagen müssen, um Kosten zu vermeiden. Die Vorsitzende des IV. Zivilsenats beim BGH,
Sibylle Kessal-Wulf, spricht in einem Beitrag für die
Zeitschrift „Recht und Schaden“ von einem gezielten und systematischen Vorgehen, wenn Versicherer die Notbremse ziehen und den Anspruch anerkennen. „Die Versicherer versuchen systematisch,
Grundsatzurteile zu verhindern“, sagt Kerstin BeckerEiselen, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Was von der Versicherungswirtschaft bestritten wird.
der Argumentation der Versicherungen, die sich
darauf berufen, dass es ohnehin eine gesetzliche
Norm mit ähnlichem Wortlaut wie die Klausel in den
ARB gebe. Rechtsanwalt Joachim Bluhm, der die
Verbraucherzentrale Hamburg in den Prozessen vertritt, räumt ein, dass der fragliche § 82 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – wohl auch dank erfolgreicher Lobbyarbeit der Versicherungswirtschaft –
wenig klar formuliert sei. Auswirkungen auf die
Unwirksamkeit der Klausel habe die Norm dennoch
nicht: „Während das Gesetz unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten darf, die später durch die Rechtsprechung mit Leben gefüllt werden, müssen die ARB
vom Verwender so konkret formuliert sein, dass der
Versicherte ohne Schwierigkeiten erkennen kann,
was von ihm verlangt wird – insbesondere bei solchen Klauseln, die als Obliegenheiten gelten, weshalb ihre Verletzung sanktioniert wird“, erklärt Bluhm.
Auch wenn die Urteile noch nicht rechtskräftig sind
und die Versicherungen voraussichtlich Rechtsmittel
einlegen, dürften die Urteile bereits jetzt Signalwirkung haben und viele Versicherungen zum Einlenken
bewegen, glaubt Bluhm. Und er ist sicher: „Die Versicherungen werden sich in Zukunft nicht mehr auf
die Klausel berufen können, und auch das Gesetz
wird ihnen in den meisten Fällen nicht weiter helfen.“
MEHR SICHERHEIT FÜR ANWÄLTE
Auch für Anwälte werden die Urteile mehr Sicherheit bringen, da sie nicht mehr befürchten müssen,
bestimmte Tätigkeiten von den Versicherungen nicht
erstattet zu bekommen. Wer allerdings ein Regulierungsabkommen abgeschlossen hat, dürfte ja ohnehin auf einen Teil seiner Bezahlung verzichten: So
wird die Deckungsanfrage an die Versicherung in der
Regel als kostenlose Serviceleistung des Anwalts
behandelt, und die übrigen Gebühren-Tatbestände
werden in den Abkommen gegenüber den gesetzlich
vorgesehenen Gebühren deutlich unterschritten –
um 20 bis 40 Prozent, schätzt das Essener SoldanInstitut für Anwaltmanagement. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kam vor Jahren bei einer Untersuchung verschiedener Rationalisierungsabkommen
sogar auf noch höhere Abschläge: So sollen bei
einem der größten Versicherungsunternehmen für
eine Erstberatung statt der gesetzlich vorgesehenen
maximal 190 Euro lediglich 60 Euro in Rechnung
gestellt werden dürfen.
VERBRAUCHER FORDERN KLARHEIT
Noch ein weiterer Verstoß gegen die BRAO ist
denkbar: So ist nach § 49 b BRAO „die Abgabe und
Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder
sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen (…) unzulässig“. Den Verzicht auf Gebühren
könnte man durchaus als eine solche Abgabe
ansehen – und die ausdrückliche Erklärung der
Versicherungen, keine Vermittlung von Mandanten
zu versprechen, als vielleicht lebensfremd: Warum
sonst sollte ein Anwalt auf einen Teil seiner
Gebühren verzichten?
Nun wollen Verbraucherschützer Klarheit in die
Sache bringen. Die Verbraucherzentrale Hamburg
forderte 21 Versicherungen auf, eine Unterlassungserklärung in Hinblick auf die Klausel abzugeben.
Worauf sich 2 der Unternehmen unterworfen haben.
Als 19 der Unternehmen dazu nicht bereit war,
zogen die Verbraucherschützer vor Gericht – mit
Erfolg. Im April ergingen die ersten Urteile, fast alle
Gerichte teilten die Auffassung der Verbraucherschützer. Lediglich das Gericht in Mannheim folgte
Christian Lübke vom GDV sieht in der „grundsätzlich
pauschalisierten Regelung der wichtigsten Gebühren“ für alle Beteiligten nur Vorteile: „Für den Anwalt
bedeutet dies, dass die Schadenabwicklung aufgrund zuvor vereinbarter Regelungen forciert wird
und schlank gehalten werden kann“, wobei er einräumt, dass „selbstverständlich auch der Versicherer
das identische Interesse schlanker Regulierungsabläufe“ habe. Und auch der Versicherungsnehmer
profitiert aus Sicht des GDV: „Neben dem Effizienzgewinn auf beiden Seiten können so auch Ausein-
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andersetzungen über eine angemessene Gebührenhöhe, in die sonst häufig der unbeteiligte Versicherungsnehmer einbezogen würde, vermieden werden.“
dem Bereich der Autohändler. (…) Viele von denen,
die sich darauf eingelassen haben, haben in den
letzten Jahren Insolvenz anmelden müssen.“
HOHER WIRTSCHAFTLICHER DRUCK
GEFAHR ODER CHANCE
Für manchen Anwalt könnte sein angebliches Interesse an „pauschalisierten“ niedrigen Gebühren und
„schlanken Regulierungsabläufen“ wie Hohn klingen.
Denn unter welch hohem wirtschaftlichen Druck
viele Anwälte mittlerweile arbeiten, teilte kürzlich
die Anwaltskammer Berlin in einer Presseinformation mit: „Erschreckend ist das jüngst durch eine
statistische Umfrage ermittelte Einkommen Berliner
Einzelanwälte. Diese hatten nach den jetzt vorliegenden Zahlen für 2008 im Durchschnitt einen
Brutto-Stundenertrag von 22 Euro erzielt. Wenn man
berücksichtigt, dass die Anwälte davon nicht nur
Steuern, sondern auch ihre gesamte Kranken- und
Altersversorgung selbst finanzieren müssen, wird
deutlich, dass die Einkommen nicht der langen akademischen Ausbildung entsprechen.“
Aber nicht nur der einzelne Anwalt ist gefährdet.
Nicht zu überschauen sind die Folgen, die sich für
die gesamte Anwalts-Branche ergeben. Auch aus
diesem Grund hatte Dombek in seinem Brief vor den
Regulierungsabkommen gewarnt: Er befürchtete,
dass sich eine „übliche“ niedrige Gebühr durchsetzen
könne, die dann auch „externen“ Anwälten gegenüber geltend gemacht wird. So könnte eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden, die zu flächendeckenden Dumpinglöhnen von Anwälten führt –
und manchen zu möglicherweise fraglichen Methoden verführt. Schlagzeilen über Abmahn-Anwälte
(ob berechtigt oder nicht) bringen die gesamte Branche in Verruf und lassen vom Ethos des freien und
unabhängigen Rechtsanwalts nicht mehr viel übrig.
Mancher Anwalt sieht in den Regulierungsabkommen aber weniger die Gefahr als eine Chance. Über
den Mandantenstrom von den Versicherungen erhoffen sich die kooperierenden Anwälte eine sichere
Einkommensquelle, welche die Verluste durch die
niedrigeren Gebühren wieder ausgleicht. Und so gehen viele auf den Lockruf der Versicherungen ein.
Laut einer Studie des Soldan-Instituts wurde mehr
als jeder dritte Anwalt angeschrieben – und fast die
Hälfte der Angeworbenen macht mit.
Rechtsanwalt Maier schätzt die Situation so ein:
„Alles in allem nutzt die Versicherungswirtschaft die
zum Teil prekäre wirtschaftliche Situation mancher
Kollegen knallhart aus, um ihre Gewinne zu maximieren. Letztendlich ist es der rechtssuchende Bürger, der für seine Prämienzahlung nicht – wie stets
vollmundig von den RSV versprochen – optimale
anwaltliche Vertretung erhält, sondern bloß einen
‚billigen Jakob in Robe’. Das wird sich irgendwann
auch beim Bürger herumgesprochen haben.“ Und
„Anonym“ schreibt auf derselben Seite des RSVBlogs: „Besondere Vereinbarungen mit den RSVVersicherern unterhalb denen der Gebührenordnung
zu treffen, ist auf lange Sicht mit Gefahren für die
Rechtsanwaltschaft verbunden. Denn es entsteht
ein Zwang, billig abzurechnen. Ich kenne das aus
AGRESSIVE WERBUNG
Der Trend wird sich möglicherweise sogar noch fortsetzen, denn die Versicherungen lassen sich einiges
einfallen, um auch den Versicherten ihre „Vertrauensanwälte“ schmackhaft zu machen. So bieten fast
Erstmal im Visier der Verbraucherschützer, kann die gesamte Branche in Verruf geraten.
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alle Unternehmen Telefon-Hotlines mit einer Beratung durch ihre Kooperations-Anwälte an, die nach
Einschätzung von Rechtsanwalt van Bühren lediglich dazu dienen, den Versicherten vom Gang zum
eigenen Anwalt abzuhalten. Die Qualität der Hotlines schätzt er nicht gut ein, da der Kunde in der
Regel mit keinem spezialisierten Anwalt zu tun habe
und auch keine Unterlagen vorzeigen könne.
Eine andere Variante sind Vergünstigungen, die
Rechtsschutzversicherungen ihren Kunden dann
anbieten, wenn sie Kooperations-Anwälte beauftragen. Julia von Seltmann, Rechtsanwältin und
Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer,
berichtet von einer Vielzahl von Anwälten, die sich
bei der Anwaltskammer über diese Praxis beschweren. Langjährigen Mandanten würde der Verzicht
auf den Selbstbehalt angeboten – also eine Ersparnis
von oftmals bis zu rund 300 Euro – wenn sie statt
des eigenen Anwalts einen Kooperationsanwalt der
Versicherung beauftragen. Von Seltmann steht dieser
Praxis skeptisch gegenüber: „Ein solch aggressives
Werben für die versicherungsnahen Anwälte stellt
aus meiner Sicht eine Marktbeeinflussung dar, und
zudem wird der Kunde in seinem in § 127 VVG verbrieften Recht auf freie Anwaltswahl eingeschränkt.“
Die Anwaltskammer München teilt diese Bedenken.
Sie hat gegen eine Versicherung geklagt, die ihren
Kunden solche Verträge anbietet. Mit einer Entscheidung ist ab Herbst dieses Jahres zu rechnen.
Aber auch ohne entsprechendes Urteil: Sowohl Verbraucher als auch Anwälte haben die Wahl. Versicherungsnehmer können darauf bestehen, den
Anwalt des eigenen Vertrauens zu beauftragen und Anwälte sind nicht gezwungen, sich unter Wert
zu verkaufen. Am Ende profitieren alle davon.
RA Gregor Samimi und
Rechtsassessorin Cornelia Liedtke, Berlin
Foto: Marc Wolf_pixelio.de
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Magazin
Mehr Mediation machen
Drum verhandle, wer nicht ewig streiten will!
Dem Gesetzgeber geht es primär um Kosteneinsparungen durch Entlastung der Justiz. Das „Gesetz
zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“
steht unmittelbar vor der Tür. Das Gesetz hat den
Bundestag noch nicht passiert, obwohl die europäische Richtlinie 2008/52/EG zur Stärkung der
Mediation bis zum 20.5.2011 in deutsches Recht
umzusetzen war. Was bedeutet das Gesetz für die
Anwaltschaft? Startet jetzt ein Boom der Mediationen?
Verschiedene Anbieter bewerben nun Rechtsanwälte, um diese zu Mediatoren auszubilden. Dafür
gibt es wenige Vorgaben. Gemäß § 5 des Gesetzesentwurfs soll der Mediator in eigener Verantwortung seine Ausbildung und regelmäßige Fortbildung
sicherstellen. Mediatoren können ganz unterschiedlichen Berufsgruppen angehören, so gibt es auch
Psychologen mit Mediationsausbildung. In § 135
FamFG ist Mediation bereits vor Inkrafttreten des
Mediationsförderungsgesetzes implementiert worden.
„Dauergäste“ bei Gericht soll es künftig immer weniger geben.
Ob der Konflikt der Beteiligten im Rahmen einer Mediation bearbeitet wird, hängt meist vom Rat des
Anwalts ab, auf den sich der Mandant verlässt. Bevor
eine gerichtsinterne Mediation durchgeführt wird,
befragt das Gericht die Parteien über ihre Bereitschaft, sich auf die Mediation einzulassen.
In der gerichtsinternen Mediation nimmt der Anwalt
an der Mediationssitzung teil. Möglicherweise benötigt er drei Stunden mehr Zeit als für einen durchschnittlichen Gerichtstermin, allerdings verkürzt sich
dadurch auch seine Kanzleiarbeit, die er sonst mit
langen Schriftsatzwechseln und Rechtsprechungsrecherche aufbringt.
In der außergerichtlichen Mediation bleibt der Anwalt Berater und begleitet seinen Mandanten zum
Mediationsgespräch oder bleibt für ihn Experte im
Hintergrund. Zur Vorbereitung einer Mediation sollten sich Anwälte weniger auf die Beweisführung
konzentrieren, sondern den tatsächlichen Verhandlungsspielraum der Mandanten herausarbeiten und
an Varianten denken, z. B. was den Mandanten anstelle von Geld entschädigen würde oder was der
Mandant der Gegenseite anbieten könnte.
Dabei sind die Verdienstmöglichkeiten des Anwalts
nicht unbedingt schlechter als im Prozess in 1. Instanz, wenn der Anwalt auf ein Zeithonorar hinwir-
ken kann. Dann kann er großzügig auf Wünsche
nach Begleitung zu Terminen und weiterer Beratung
eingehen. Beschränkt sich die Tätigkeit auf die
Überprüfung der getroffenen Vereinbarung, lässt
sich gut eine Pauschale abrechnen.
Finanzschwache Mandanten können sich keine Mediation leisten, da ein Beratungshilfeschein an sich
nur das Erstgespräch mit dem Anwalt und einen
Schriftsatz in der Sache bezahlt. Rechtsanwälte
könnten hier auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen,
indem sie vermehrt entsprechende Anträge stellen
und sich nicht durch Antragsabweisung abschrecken
lassen. Die Prozesskostenhilfe greift nur bei gerichtsinterner Mediation. Der Gesetzentwurf zum Mediationsgesetz enthält noch keine Mediationskostenhilfe. Es gibt jedoch eine „Notleiter“: Im Rahmen von
Forschungsprojekten können im Einzelfall auf Antrag
Kosten eines Mediationsverfahrens erstattet werden.
Nach dem Mediationsgesetz soll die Klage- oder
Antragsschrift demnächst die Erklärung enthalten,
ob eine Mediation zuvor versucht worden ist, oder
welche Gründe gegen eine Mediation sprechen würden. Die Lösung von Konflikten liegt oftmals nicht in
der Durchsetzung eines einzelnen Anspruchs. In der
Mediation werden auch nicht justiziable Aspekte
thematisiert, wie „Anerkennung des Anderen“ oder
„Verzeihen“. Emotionale Befindlichkeiten sind vor
allem in Familiensachen und Erbauseinandersetzungen streitentscheidend. Für Geschäftsbeziehungen ist eine Mediation vertrauenserhaltend. Auch bei
Zeitdruck dürfte für den Mandanten eine Mediation
die bessere Alternative sein.
Auch wenn der Mediator selbst Rechtsanwalt ist, ist
er häufig nicht selbst Experte des relevanten Rechtsgebiets. Der Mediator nimmt den Rechtsanwälten
nicht die Mandanten weg, denn er darf seine Neutralität nicht gefährden und daher keinen konkreten
Rechtsrat erteilen. Während einer Mediation haben
mehr die Beteiligten selbst als deren Anwälte das
Wort. Die Anwälte sollten aber zu Vereinbarungen
direkt Stellung nehmen oder alternative Vorschläge
unterbreiten können.
Grundsätzlich kann jeder Mediator mit einer fundierten Ausbildung (über 200 h) jeden Konflikt bearbeiten. Ähnlich wie bei der Kompetenzverteilung
innerhalb der Fachanwaltschaft kann aber eine
Spezialisierung des Mediators sinnvoll sein. In Familiensachen kann ein Mediator mit familientherapeutischer Kompetenz hinzugezogen werden, in
Bausachen empfiehlt sich ein Architekt oder Bau-
ingenieur. Stehen juristische Fragen im Vordergrund,
etwa bei komplizierten Vertragsangelegenheiten,
bieten sich Rechtsanwälte als Mediatoren an. Das
optimale Ergebnis erreicht man mit Mediatoren, die
interdisziplinär im CO-Team (Zusammenarbeit mehrerer Mediatoren unterschiedlicher Fachrichtungen)
arbeiten.
Mandanten fragen immer häufiger nach Mediation,
da Gerichtsverfahren langwierig und teuer sind. Es
gibt ein breites Spektrum an Konflikten. Die Mediation ist ein weiteres Werkzeug für effektive Lösungen, welches jeder Rechtsanwalt in seinem Koffer
bereithalten muss.
RA Lars Anderson, Berlin
Sieben Gründe für die Mediation
• Nicht justiziable Gefühle können
einbezogen werden.
• Streitgegenstände, die nicht rechtshängig
gemacht wurden, finden Berücksichtigung.
• Selbst erarbeitete Lösungen halten
gewöhnlich länger.
• Gespräche sind vertrauenserhaltender
als ein Gerichtsprozess.
• Die Mediationsvereinbarung soll in § 794
Abs. 1 Nr. 4 b ZPO als zusätzlicher
Vollstreckungstitel aufgenommen werden.
• Die Vollstreckbarkeit wird künftig
in § 796 d ZPO geregelt.
• Prozessuale Abläufe werden erheblich
verkürzt und eine Einigung wird
schneller erzielt.
Mediatoren finden?
• Empfehlung von Kollegen
• Arbeitskreis/Arbeitsgruppe Mediation
eines Anwaltvereins
• Internetnetzwerke
• Berliner Bündnis
(www.schlichten-in-berlin.de)
• Berliner Mediationszentrale
(www.berliner-mediationszentrale.de)
• Bundesverband Mediation (www.bmev.de)
• Bundes-Arbeitsgemeinschaft für FamilienMediation e. V. (www.bafm-mediation.de)
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Offene Rechnung
Die Gebührenklage gegen den früheren Mandanten
Es kommt leider immer wieder vor, dass der
Rechtsanwalt seine Gebührenforderung gerichtlich geltend machen muss. Hierfür gibt es zwei
Möglichkeiten: Das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG bietet dem in einem gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt die Möglichkeit, wegen seiner gesetzlichen
Gebühren schnell einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Voraussetzung ist, dass der Mandant keine
Einwendungen erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.
Für alle anderen Gebührenstreitigkeiten zwischen
Rechtsanwalt und Mandant bleibt nur die Honorarklage. Für ihre Zulässigkeit muss jedoch vorgetragen
werden, dass eine Festsetzung nach § 11 RVG nicht
möglich ist, weil sonst das Rechtsschutzbedürfnis
fehlen würde. Die substantiierte Darstellung, des
der Honorarklage zugrunde liegenden Mandatsverhältnisses verletzt zwar die Verschwiegenheitspflicht, jedoch ist der Rechtsanwalt von ihr befreit,
wenn er seinen Honoraranspruch gerichtlich geltend macht. Weitere Voraussetzung für die Klage
ist eine Gebührenberechnung, die dem § 10 RVG
entspricht, bei Rechnungen an Unternehmer, die
nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG erforderlichen Pflichtangaben enthält und vor allen Dingen eigenhändig
unterzeichnet worden ist. Örtlich zuständig für die
Klage ist der allgemeine Gerichtsstand des Mandanten (vgl. BGH in NJW 2004, 54 ff).
An die Substantiierung der Klageschrift sind verschiedene Anforderungen zu stellen, je nachdem,
ob der Rechtsanwalt Gebühren aus einer Vergütungsvereinbarung oder Rahmengebühren nach
§ 14 RVG geltend macht.
Bei der Vergütungsvereinbarung trifft den Rechtsanwalt die Darlegungslast dafür, dass der vereinbarte Stundensatz angemessen ist und dass der
von ihm im Rahmen eines Zeithonorars abgerechnete Aufwand tatsächlich erbracht wurde und angemessen war. Hilfsweise sollten die gesetzlichen
Gebühren und ihre gesetzlichen Voraussetzungen
als Mindestgebühren geltend gemacht werden.
Bei den Rahmengebühren sollten substantiiert die
Voraussetzungen des § 14 RVG geschildert werden,
um darzulegen, dass die vom Anwalt festgesetzte
Gebühr billigem Ermessen entspricht. Es sind deshalb alle Umstände, Umfang und Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten zu schildern.
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Nur wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14
Abs. 1 RVG sorgfältig und substantiiert geschildert
worden sind, kann die RAK auch überprüfen, ob die
Festsetzung der Gebühren durch den Anwalt
billigem Ermessen entspricht. Ansonsten ist die
Gebühr herabzusetzen.
In die Klagebegründung ist deshalb das Gericht auf
die Einholung eines Gutachtens der RAK hinzuweisen (§ 14 Abs. 2 RVG). Dieses Gutachten ist kein Sachverständigengutachten i. S. von § 411 ZPO, denn
über Rechtsfragen kann kein Beweis erhoben werden. Das Gericht soll sich mit der Auffassung der Berufsvertretung vertraut machen, die auf eine Fülle
von vergleichbarem Material zurückgreifen kann.
Anhand eines einfachen Verkehrsunfalls könnte
eine Honorarklage wie folgt aussehen:
In Sachen des Rechtsanwaltes Gut ./. Herrn Michel
aus L. wegen Honorarforderung wird die Klage wie
folgt begründet:
Das Gericht ist örtlich zuständig, da der Beklagte
in L. seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Mit der Klage werden restliche Vergütungsansprüche gegen den Beklagten aus der Vertretung in einem Verkehrsunfall geltend gemacht.
Der Beklagte hat den Kläger beauftragt, Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen
die Haftpflichtversicherung des Schädigers außergerichtlich geltend zu machen. Der Beklagte hat
dieses dem Kläger erteilte Mandat mit Schreiben
vorzeitig gekündigt. Der Kläger hat für seine Tätigkeit aus einem Gegenstandswert von 20.000 Euro
eine 2,5 Geschäftsgebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG
abgerechnet und dem Beklagten eine Rechnung
übersandt, die § 10 RVG entspricht.
Der Beklagte hat auf die Rechnung nur eine Mittelgebühr von 1,5 gezahlt. Er ist der Auffassung, ein darüber hinausgehender Anspruch stehe dem Kläger
nicht zu. Die Auffassung des Beklagten ist unzutreffend. Der Kläger hat zu Recht innerhalb des Rahmens
des § 14 Abs. 1 RVG die im Einzelfall angemessene Gebühr auf den Höchstsatz von 2,5 bestimmt. Die vom
Kläger angesetzte Höchstgebühr ist angemessen.
Die Bedeutung der Angelegenheit war für den
Beklagten überdurchschnittlich. Bei dem Verkehrsunfall wurde dessen neues Auto gemäß dem Gutachten im Werte von 20.000 Euro total beschädigt.
Der Umfang der Tätigkeit und die rechtliche Schwierigkeit des Falles waren überdurchschnittlich. Dies
ergibt sich aus Folgendem: Der Kläger hat insgesamt drei Informationsgespräche mit dem Beklagten geführt. Die den Unfall betreffenden Strafakten
sind vom Kläger eingesehen und ausgewertet sowie
mit dem Beklagten erörtert worden. Außerdem hat
der Kläger insgesamt vier Schreiben an die Haftpflichtversicherung des Schädigers gerichtet und
beantwortet.
Die Ermittlung und Beurteilung des Schadens war
durchschnittlich. Schwierig war indessen die Klärung der Verantwortlichkeit des Schädigers, der ein
Verschulden an dem Unfallgeschehen bestritten
hatte. Es mussten deshalb vom Kläger die in den
Strafakten befindlichen drei Zeugenaussagen gewürdigt und auch ein Sachverständigengutachten
zur Unfallrekonstruktion ausgewertet werden, was
sich in der Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer wiederfand.
Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des
Beklagten über dem Durchschnitt der Gesamtbe völkerung.
Die Gesamtschau der Kriterien ergibt, dass angesichts der überwiegend überdurchschnittlichen
Qualifikation der einzelnen Beurteilungsmerkmale
der Ansatz der Höchstgebühr der Billigkeit entsprach.
Der Gegenstandswert, aus dem die Gebühr berechnet wurde, ergibt sich aus dem Umfang des Schadenersatzanspruches, der für den Beklagten geltend
gemacht wurde. Dieser Gegenstandswert wurde
vom Beklagten bisher nicht bestritten.
RA und Notar Wolfgang Gustavus, Berlin
> Anmerkung der Redaktion zum Beitrag
„Der Aldi unter den Anwälten“ AdVoice 2/2011
Sofern der missverständliche Eindruck entstanden sein
sollte, Rechtsanwaltskollege Dr. Welf Haeger hätte seine
anwaltliche Zulassung „verloren“, so ist dies unzutreffend. Der Autor sprach von Widerruf und nicht von
Verlust der Zulassung. Gegen den Widerruf hat der
betroffene Kollege nach eigenen Angaben fristgerecht
beim Anwaltsgerichtshof Rechtsmittel eingelegt, so
dass er vorerst weiter tätig bleiben darf. Haeger verzichtet jetzt auf die Bezeichnung „DerAnwaltsDiscounter.de“. Seit neustem „firmiert“ er unter „AnwaltSozial“
– das, um sich von Aldi, Schlecker und Co. zu distanzieren, wie er auf seiner Homepage verbreitet.
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Magazin
Anwälte in Not
Krisendienst des Berliner Anwaltsvereines hilft bei finanziellen Schwierigkeiten
Auch bei etablierten Kanzleien kann es finanzielle Probleme geben, insbesondere dann, wenn
sich der Rechtsanwalt privat verschuldet hat,
z. B. mit einer Immobilie, oder wenn familienrechtliche Probleme auftauchen. Junge Rechtsanwälte schließen vielleicht eher die Kanzlei,
bevor auch nur eine Insolvenz drohen kann.
Sind finanzielle Schwierigkeiten abzusehen, sollte unbedingt frühzeitig Hilfe gesucht werden.
Der Rechtsanwaltskammer sollte man sich jedoch
nicht zu früh anvertrauen, da dort bei finanziellen Problemen Ermittlungen eingeleitet werden.
Daher wurde in Berlin ein spezieller Krisendienst
„Beratung für Anwälte in finanziellen Schwierigkeiten“ beim Berliner Anwaltsverein e. V. angesiedelt. Nach außen hin wird nicht allzu viel Werbung gemacht, damit das Problem insolventer
Rechtsanwälte nicht unverhältnismäßig in den
Medien thematisiert wird. Finanzielle Schwierigkeiten entstehen, aber eben nur bei einer Minderheit
aller Rechtsanwälte, beispielsweise aus einer Scheidung, einer zeitweise mangelnden Einnahmensituation oder einer Trennung vom Kanzleipartner.
Die Einrichtung in Berlin wird von Kollegen betrieben, die ehrenamtlich tätig sind, und könnte bundesweit Schule machen. Gegenwärtig sind acht
Rechtsanwälte in der Beratergruppe aktiv; spezialisiert sind die einzelnen Partner der Gruppe unterschiedlich: Rechtsanwälte, Steuerberater, Insolvenzverwalter und Schuldnerberater.
In der Sache findet eine Art Schuldnerberatung
statt und kann als ein Blick von außen auf die eigenen Zustände beschrieben werden. Die Beratung
ist kostenlos und kann auch über mehrere Sitzungen stattfinden. Ziel ist es, bei einer möglichst
frühzeitigen Beratung eine Insolvenz auf jeden Fall
abzuwenden und auf die Einhaltung berufsrechtlicher und strafrechtlicher Pflichten zu achten.
Die Termine werden über die Geschäftsstelle des
Berliner Anwaltsvereins unter der Telefonnummer
030-2513846 vereinbart.
RA Volker Loeschner, Berlin
Kontakt
Geschäftsstelle des Berliner Anwaltsvereins
Tel. 030-2513846.
UMSATZ- UND GEWINN-VERWECHSLUNG
Die AdVoice sprach mit Rechtsanwalt Carsten Cervera, Fachanwalt für Insolvenzrecht, der seit 2006
ehrenamtlicher Berater des Berliner Anwaltsvereins
für in finanzielle Not geratene Rechtsanwälte ist.
A: Wer sucht die Hilfe der Gruppe „Beratung für
Anwälte in finanziellen Schwierigkeiten“?
C: Die größten Schwierigkeiten haben Männer um
die 50 Jahre. Die Probleme sind ganz unterschiedlich. Jüngere Kollegen sind bisher eher seltener in
der Beratung. Es darf Mut gemacht werden, dass
auch diese die Beratung in Anspruch nehmen.
A: Was sind die ersten Schritte nach der Bestandsaufnahme des Istzustandes? Setzen Sie
auf Einsparungen oder neue Geldmittel?
C: In einem Beratungsgespräch geht es zunächst
darum, dem Kollegen möglichst zeitnah und ergebnisorientiert zu helfen. Hierfür muss man sich ein
umfangreiches Bild von seinen persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen verschaffen. Die Problemlösung ist stark von den Besonderheiten des
Einzelfalles abhängig. Es kann ausreichend sein,
dem Kollegen psychologische Hilfestellung bei der
Bewältigung einer derart schweren und gerade für
Rechtsanwälte nachhaltigen Lebenskrise zu geben.
Dies kann durch eine Aussprache oder durch die
Aufstellung eines Ablaufplanes erfolgen. Wesentlicher Punkt einer Sanierung ist aber zunächst das
meist vorhandene Einsparungspotential zu nutzen
und die regelmäßige Schuldentilgung zu erreichen,
wenn ein Insolvenzantrag verhindert werden soll.
Des Weiteren werden die Möglichkeiten von Umsatzsteigerungen erörtert.
A: Welche Art des Controlling ist für die Überwachung von Einnahmen gegenüber Ausgaben
wichtig?
C: Umsatz und Gewinn werden oft in Beratungen
verwechselt. Das Bewusstsein, dabei zu differenzieren, ist manchmal nicht stark ausgeprägt. Einnahmen und Gewinn werden verwechselt. Erst am
Ende eines Gespräches wird deutlich, dass mit den
hohen Zahlen nur Umsätze gemeint waren. (...)
Manche Kollegen haben gar keine Zahlenbasis,
über die gesprochen werden kann. Es fehlt an einem eigenen Controlling. Für junge Rechtsanwälte
kann auch erst einmal ein Businessplan hilfreich
sein. Darüber hinaus ist zu empfehlen, dass die
jungen Kollegen stets Rücklagen für jährlich anfallende Zahlungen wie Einkommenssteuer, Beiträge
zum Versorgungswerk etc. bilden. Die Erfahrungen
haben gerade gezeigt, dass viele Kollegen durch
diese hohen Nachforderungen, die erst bei der
Rückbetrachtung eines Wirtschaftsjahres anfallen,
in die finanzielle Schieflage geraten.
A: Welche berufsrechtlichen und strafrechtlichen
Pflichten sind am ehesten tangiert?
C: Im Falle einer Insolvenz kann die Zulassung wegen Vermögensverfall durch die örtlich zuständige
Rechtsanwaltskammer entzogen werden. Eine Insolvenz muss nicht zwangsläufig den Entzug der
Zulassung bedeuten. Viele Kollegen können auch im
Wege eines Insolvenzverfahrens zielführend saniert
werden. Hierfür kann beispielsweise das Insolvenzplanverfahren ein sinnvolles Sanierungsinstrument
sein. Darüber hinaus sind die Bankrottdelikte strafrechtlich relevant.
Niemand sollte aus Not auf das Fremdgeldkonto
seiner Mandanten zugreifen. Im Fall aller Fälle ist die
Insolvenz bei der Kammer fristgemäß anzuzeigen.
Zur Vorbereitung dieses Schrittes ist es zielführend,
auch unverzüglich unsere Beratungsstelle aufzusuchen, da hier die ehrenamtlichen Berater aufgrund ihrer umfangreichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Insolvenzrechtes und der artverwandten
Rechtsgebiete hilfreich sein können; leider hat die
Vergangenheit gezeigt, dass auch in finanzielle Not
geratene Rechtsanwälte meist zu spät kommen.
Sanierung beginnt aber stets zunächst mit der Erkenntnis des Hilfesuchenden, dass man ein finanzielles Problem hat, das sofortige Maßnahme erfordert. Die Zulassung eines Rechtsanwaltes hängt
schließlich von dessen geordneten Vermögensverhältnissen ab.
Das Gespräch führte
RA Volker Loeschner, Berlin
Die Helfer in der Not
Die ehrenamtliche Beratergruppe für Anwälte in finanziellen Schwierigkeiten gehören an:
Rechtsanwälte Dr. Volker Beissenhirtz, Barbara Kroll, Ulrich Weber, Regina Starke, Carsten Cervera, Birk Becker sowie Bank- und
Kreditexperte Jürgen Tech und Jürgen Petsch.
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Magazin
Kostenlos, aber keineswegs umsonst
Umschüler zu ReFa und ReNo können eine große Hilfe im Büro sein
werden, der alle Verträge und Nachweise abzeichnet und nach außen als Ansprechpartner auftritt.
Ist der Ausbilder Rechtsanwalt und Notar, kann die
gesamte Praktikumszeit des ReNo in diesem Betrieb
geleistet werden. Ansonsten ist der „ReNo“ verpflichtet, ein dreimonatiges Praktikum in einem
Notariat zu leisten. Die Ausbildungsverordnung
(ReNoPatAusbV) regelt die Rechte und Pflichten im
Einzelnen. Ein Rechtsanwaltsfachangestellter (ReFa)
wird ausschließlich in einer Rechtsanwaltskanzlei
ausgebildet. Die Schulen erstellen einen Ausbildungsplan, der von der Rechtsanwaltskammer zertifiziert wird.
Für junge Rechtsanwälte bietet ein Umschüler eine kostengünstige Unterstützung.
Freitagmorgen, 7.30 Uhr. Umschüler Tino Biele
ruft auf meinem Handy an. Er hat eine Frage
zum RVG. Außerdem hat er entdeckt, dass ich
in einer Akte zwei Mandantenanliegen verfolge,
die gesondert abgerechnet werden sollten. Das
freut mich natürlich sehr und ich gebe Bescheid,
dass es reicht, wenn er um 8 Uhr im Büro wäre.
Mein Umschüler ist schon vor mir im Büro! Das
ist nur einer von vielen möglichen Vorteilen eines Umschülers. Ich habe Glück: Herr Biele hat
vorher in der Buchhaltung eines großen Energieversorgers gearbeitet und kennt sich mit Zahlen
bestens aus. Seine Arbeitskraft ist kostenlos, aber
natürlich nicht umsonst …
Normalerweise erhält ein Auszubildender eine Vergütung, was hier jedoch entfällt. Tino Biele hat über
das Arbeitsamt eine Umschulung zum Rechtsan walts- und Notarfachangestellten (ReNo) bewilligt
bekommen. Das Arbeitsamt zahlt Arbeitslosengeld und der Rechtsanwalt stellt den Praktikumsplatz kostenlos zur Verfügung. Wer drei Jahre eine
Ausbildung erhält, ist zwei Tage in der Berufsschule
und drei Tage pro Woche im Betrieb. Bei einer zweijährigen Umschulung findet die Ausbildung drei
Tage pro Woche in der Schule statt und der Umschüler ist nur zwei Tage im Praktikumsbetrieb. Die
Umschüler bewerben sich in der Regel selbst bei
den Kanzleien, aber natürlich kann auch der Rechtsanwalt seinerseits an eine ausbildende Schule herantreten.
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Foto: Rainer Sturm_pixelio.de
Die meisten Schulen halten auch einen Pool an
Rechtsanwälten vor, die ausbilden. Auch so können
Rechtsanwalt und Umschüler zueinander finden.
Der Umschüler bringt seinen Praktikumsvertrag
mit, der – mit Stempel und Unterschrift des Rechtsanwaltes versehen – an die auszubildende Schule
gereicht wird. Für einen Auszubildenden wird ein
Berufsausbildungsvertrag benötigt. Dieses Formular
ist zum Beispiel auf der Webseite der Rechtsanwaltskammer Berlin (www.rak-berlin.de) im Bereich
Aus- und Fortbildung ReNo unter „Formulare“ zu
finden. Hier können online alle Rechtsanwaltskammern als Adressaten ausgewählt werden. Das
Formular wird an die entsprechende Rechtsanwaltskammer des ausbildenden Rechtsanwaltes versendet und dort im Verzeichnis eingetragen. Auszubildende vom JobCenter/Arbeitsamt bringen einen
Bildungsgutschein mit, auf den im Rahmen der
Vergütung verwiesen wird. Daher ist dieser Bildungsgutschein unbedingt zusammen mit dem Ausbildungsvertrag bei der Kammer einzureichen. Bei Umschülern wird der Bildungsgutschein üblicherweise
in der Schule abgegeben und von dieser verrechnet.
Der Umschüler ist zur Anwesenheit laut Stundenplan verpflichtet und muss einen Anwesenheitsnachweis führen, der vom Rechtsanwalt abgezeichnet wird. Ausbilder kann jeder sein, der zwei
Staatsexamina nachweisen kann. In Sozietäten
muss ein Rechtsanwalt als Ausbilder bestimmt
Der Rechtsanwalt hat die Büropraxis und -organisation sowie die Aufgaben und den Aufbau der
Rechtspflege im Allgemeinen zu vermitteln. Fallbezogene Rechtsanwendungen im bürgerlichen
Recht sowie Grundzüge des Wirtschafts- und So zialrechts, Rechnungswesen, EDV- und Bürowirtschaft, Verfahrens- und Vollstreckungsrecht sowie
Kosten- und Gebührenrecht soll der Umschüler in
der Kanzlei lernen. Nach der Hälfte der Umschulungszeit wird die Zwischenprüfung abgelegt, bei
der Anwesenheitspflicht besteht. Diese Note ist für
den Abschluss völlig irrelevant und gilt zur Selbstkontrolle. Wer nicht an der Zwischenprüfung teilnimmt, wird jedoch nicht zur Abschlussprüfung zugelassen.
Da Herr Biele im Kostenrecht sehr fit ist, erstellt er
in meiner Kanzlei auch die Rechnungen und führt
die Korrespondenz mit den Rechtsschutzversicherungen. Inzwischen ist Herr Biele so in die Prozesse
der Kanzlei eingebunden, dass ich ihn als halbe
Arbeitskraft – aufgrund seiner Anwesenheit von
nur zwei Tagen in der Woche – betrachte. Der Aufwand für die Einarbeitungszeit hat sich bei mir
gelohnt. Durch Hinterfragen und Erklären von Abläufen für meinen Umschüler habe ich eine Art
Controlling, die ich zur Optimierung von Abläufen
nutzen kann.
Für junge Rechtsanwälte bietet ein Umschüler z. B.
in der Neugründungsphase eine kostengünstige
Unterstützung. Wächst die Kanzlei, ist schon der
Kontakt geknüpft, um jemanden mit erfolgversprechenden Talenten zu behalten. Ist der Umschüler
schon zwei Jahre in der Kanzlei in die Arbeitsabläufe eingebunden, entfällt bei Übernahme in das
Angestelltenverhältnis eine zeitintensive Einarbeitungsphase. Diese Win-Win-Situation ist optimal.
RA Volker Loeschner, Berlin
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Magazin
NEWS
Zusammengestellt von RA Patrick Ruppert
Prominente Rechtsanwälte inhaftiert
Die Regierung von Burundi hat in der Hauptstadt
Bujumbura zwei regimekritische Rechtsanwälte festnehmen und inhaftieren lassen. Am 15. Juli wurde
die Rechtsanwältin Suzanne Bukuru wegen des Verdachts der Komplizenschaft zur Spionage ergriffen,
nachdem sie fünf mutmaßliche, junge Opfer einer
Vergewaltigung durch einen in Burundi lebenden
Franzosen vor Verfahrensabschluss mit französischen Journalisten sprechen ließ, so Amnesty International. Daraufhin begab sich die Anwaltschaft in
einen unbefristeten Ausstand, um die Freilassung
ihrer Kollegin zu erreichen. Nachdem der Vorsitzende
der nationalen Rechtsanwaltskammer, Isidore Rufikiri, auf einer Streikkundgebung am 27. Juli sprach,
wurde er ebenfalls von Sicherheitskräften gefasst
und in Haft gesetzt. In Burundi, so monieren internationale Organisationen wie Human Rights Watch,
ist die Unabhängigkeit der Rechtspflege, im besonderen die Arbeit der Rechtsanwälte, nicht gewährleistet. Behinderungen, Einschüchterungen und auch
Folter von Juristen gehören zur Tagesordnung.
verfahren, in denen er als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, 55 Leitz-Ordner im einen und 65 im
anderen Verfahren durchzuarbeiten. Hinzu kamen
etliche Termine wie Haftprüfungstermine, im Ergebnis mehrere hundert Arbeitsstunden. Angemessene Vorschüsse auf die anwaltliche Vergütung
wurden mit der obigen Begründung stets zurückgewiesen. Die Verfassungsrichter sahen in dieser
Praxis jedoch einen unzulässigen Eingriff in die
Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Demnach
hat der durch hoheitlichen Akt hinzugezogene
Rechtsanwalt Anspruch auf einen Vorschuss, gerade, wenn die Existenzgefährdung allein durch
seine Arbeitsbelastung als Pflichtverteidiger verur sacht werde.
Betrugswarnung aus der Bloggosphäre
Sofern eine im Termin persönlich geladene Partei,
der PKH bewilligt wurde, Reisekosten vom Gericht
nicht erstattet bekommt, kann sie diese bei der
unterlegenen Gegenseite nach §§ 103 ff. ZPO im
Wege der Festsetzung einfordern. Das entschied
das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss
vom 14.1.201, Az. 4 Ta 145/10. Die Rechtsprechung
ist jedoch uneinheitlich, was die Zuerkennung von
Reisekosten im PKH-Prozess anbelangt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vertritt die Auffassung, dass persönlich geladene Parteien im PKHProzess Reisekosten aus der Staatskasse ersetzt
bekommen müssen (Beschluss vom 22.3.2007, Az.
2 Ta 124/07).
Die Hamburger Strafverteidigerin Alexandra Braun
sieht ihren Namen gegenwärtig in einer Gewinnspielbetrügerei missbraucht. In ihrem Internetblog
weist die Juristin darauf hin, dass sie inzwischen
zahlreiche Anrufe von Privatpersonen erhalten
hätte, die bei einem Gewinnspiel gewonnen haben
sollen. Diese Anrufer seien zuvor von einer „Frau
Schmidt“ telefonisch kontaktiert worden. Diese
hätte sich als Mitarbeiterin ihrer Kanzlei ausgegeben und behauptet, die Kanzlei Braun sei für die
Gewinnabwicklung verantwortlich. Da es sich um
einen Gewinn von 48.000 Euro handele, fielen 250
Euro als Anwalts- und Notarkosten an, die mittels
einer sogenannten Ukash-Karte auszugleichen wären, so die dubiose Anruferin „Frau Schmidt“. Diese
Karten gäbe es an den Tankstellen, und der auf der
Karte abgedruckte Code solle beim erneuten Anruf
mitgeteilt werden. Rechtsanwältin Braun rät mit
Nachdruck, nicht auf diese Masche hereinzufallen.
Sie erklärt zudem, dass sie nichts damit zu tun habe
und dass ihr Name von einer Betrügerbande illegal
genutzt würde.
Existenzgefährdung des Pflichtverteidigers
Ehemaliger BVB-Präsident unterlegen
Pflichtverteidiger müssen in aufwendigen Verfahren nicht um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.
Das Bundesverfassungsgericht wandte sich mit
Beschluss vom 1.6.2011, Az. 1 BVR 3171/10 gegen
die Ansicht, der Pflichtverteidiger müsse sich ausschließlich aus eigenen Anstrengungen gegen eine
wirtschaftliche Schieflage stemmen, sollte er durch
ein Pflichtmandat zeitlich über Gebühr belastet sein.
Der involvierte Rechtsanwalt hatte in zwei Straf-
Der ehemalige BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum
musste wegen finanzieller Schwierigkeiten zunächst
sein Notariat aufgeben. Dann entzog ihm die Rechtsanwaltskammer Hamm wegen Vermögensverfalls
seine Rechtsanwaltszulassung. Schließlich verlor
er am 28.6.2011 vor dem OLG Hamm einen Miet rechtsstreit über Nachforderungen in Höhe von
etwa 760.000 Euro. Der 7. Senat urteilte, dass die
von Niebaum und seiner Rechtsanwaltsgesellschaft
Reisekosten im PKH-Prozess erstattungsfähig
ausgesprochene fristlose Kündigung des gewerblichen Mietvertrags unwirksam war. Niebaum hatte
diese auf einen vermeintlich missachteten Konkurrenzschutz durch den Vermieter gestützt. Nach Urteilsverkündung steht zudem fest, dass auch eine
ordentliche Kündigung nicht zulässig war, da
Niebaum in einem zehnjährigen Zeitmietverhältnis
vertraglich gebunden ist. (OLG Hamm Urteil vom
28.06.2011, Az. I-7 U 54/10)
155.679 zugelassene Rechtsanwälte
Zum Jahresbeginn waren 155.679 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Bundesrepublik zugelassen, so die Jahresstatistik der Bundesrechtsanwaltskammer. Das sind 2.428 Zulassungen mehr
als im Vorjahr (Plus von 1,58 Prozent). Allerdings
hat sich der Anstieg verlangsamt. 2009 hatte das
Wachstum noch 1,91 Prozent betragen. Der mitgliederstärkste Kammerbezirk ist der in München
mit 19.492 Berufsträgern, gefolgt von Frankfurt
mit 17.352 Mitgliedern und Hamm mit 13.573
Rechtsanwälten. Der weibliche Anteil im Bundesgebiet liegt derweil bei rund einem Drittel (49.872
Rechtsanwältinnen = 32,04 Prozent). Auch nahm
die Zahl der verliehenen Fachanwaltstitel weiter zu.
Beliebteste Fachanwaltschaft war die des Arbeitsrechts (8.701), dann die des Familienrechts (8.397),
schließlich die Fachanwaltschaften Verkehrsrecht
(2.744) und Miet- und Wohnungseigentumsrecht
(2.441). Erwähnenswert ist auch die Fachanwaltschaft Bau- und Architektenrecht mit aktuell 2.163
Kolleginnen und Kollegen.
> Gebt uns Eure News!
Teilt uns mit, wenn Ihr etwas Neues
aus der Jurawelt erfahrt.
Richtigstellung
Die Autorin des Romans „Himmel auf Rührei“,
das wir in unserer letzten Ausgabe vorgestellt haben, heißt Birte Meyer. Ihr im
Eigenverlag erschienener Roman ist erhältlich unter www.himmel-auf-rührei.de
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Euer FORUM
GfA-intern
Wer macht hier was?
Neben einer Reihe von anderen interessanten
Veranstaltungen hat auf dem letzten DAT in
Strasbourg auch die Mitgliederversammlung des
FORUM Junge Anwaltschaft stattgefunden. Zur
Wahl standen insgesamt sieben Kandidatinnen
und Kandidaten, von denen sechs nun, zusammen mit zwei vom DAV entsandten Mitgliedern,
den neuen Geschäftsführenden Ausschuss des
FORUM Junge Anwaltschaft bilden. Soweit die
bekannten Fakten.
Was aber nun eigentlich Aufgabe dieses Geschäftsführenden Ausschusses ist und wie diese Aufgabe
umgesetzt wird, wissen aber nur wenige der knapp
6.000 Mitglieder der mittlerweile drittgrößten Ar beitsgemeinschaft des DAV. Höchste Zeit also, an
dieser Stelle Aufklärungsarbeit in Sachen „Wer macht
was im Geschäftsführenden Ausschuss?“ zu leisten.
Zunächst einmal gibt es das Amt der Vorsitzenden,
das seit 2007 Silke Waterschek bekleidet. Als Vorsitzende nimmt Silke an den Sitzungen des Vorstandes des DAV teil und pflegt dabei die Kontakte
des FORUMs zu den übrigen Teilen des DAV. Neben
dieser Gremienarbeit ist auch die allgemeine Presseund Öffentlichkeitsarbeit sehr entscheidend, um
auch Nicht-Anwälte auf die besondere Situation
der anwaltlichen Berufsanfänger aufmerksam zu
machen. Außerdem behält Silke im Auge, in welchem Regionalbezirk eine Gremienwahl ansteht
und steht den örtlichen Kandidaten bei ihrer
Kandidatur hilfreich zur Seite. Silke ist neben der
Arbeit für das FORUM auch Mitglied des Ausschusses „anwaltliche Berufsethik“ des DAV.
Selbst die Vorsitzende des FORUM macht mal
Urlaub und braucht daher eine Stellvertreterin. Das
ist Linda Schwarzer. Linda ist vielen eingefleischten
FORUMs-Mitgliedern bereits als Betreuerin der Regionalgruppen bekannt. In dieser Funktion ernennt
Linda neue Regionalbeauftragte und steht diesen
dann bei vor Ort auftretenden Problemen mit Rat
und Tat zur Seite. Da sich das FORUM nicht nur
national, sondern auch international engagiert, betraut Linda neben den Regionalbeauftragten auch
die Länderbeauftragten. Derzeit sucht Linda dabei
verstärkt nach engagierten FORUMs-Mitgliedern, die
als Länderbeauftragte für die noch nicht besetzten
Nationen fungieren möchten. Wer sich also angesprochen fühlt, möge sich bei ihr melden. Schließlich
ist Linda, weil es so gut dazu passt, auch für den ge samten Bereich „Internationales“ zuständig. In dieser
Funktion hält sie Kontakt zu ausländischen Anwaltsorganisationen und behält die Situation der jungen
Kollegen in anderen Ländern im Blick.
zu tragen, kooperiert das FORUM mit einer Reihe
von Unternehmen, die aus diesem Grund besondere
Leistungen für Junganwälte anbieten. Bereits laufende und geplante Kooperationen werden koordiniert von Helge Heiner. Damit sich Helge ein realistisches Bild über den Erfolg dieser Kooperationen
machen kann, ist er auf die Rückmeldungen der
Mitglieder angewiesen, die er dankbar entgegennimmt. Helge stimmt außerdem die Werbemaßnahmen des FORUM ab, bei ihm können z. B. Plakate und
andere Werbemittel des FORUM für entsprechende
Veranstaltungen bestellt werden.
Frank Röthemeyer ist der Vorsitzende des erst im
vergangenen Jahr eingerichteten Berufsrechtsausschusses des FORUM. In dieser Funktion kümmert
er sich um die berufsrechtlichen Belange der jungen Anwälte, die von den Interessen der älteren Kollegen mitunter erheblich abweichen können. Das
erste Thema, mit dem sich dieser Ausschuss befasst
hat, war das Thema „Reform der Fachanwaltschaften“. Derzeit steht die sozialversicherungsrechtliche
Problematik der Syndikusanwälte auf dem Programm. Frank koordiniert auch, und das hat –
wenn überhaupt – nur am Rande berufsrechtlichen
Charakter, die Zusammenarbeit mit den übrigen
Arbeitsgemeinschaften des DAV. Für fast jede dieser
Arbeitsgemeinschaften gibt es einen Ansprechpartner im FORUM, der bei aufkommenden Fragen den
Kontakt zum Geschäftsführenden Ausschuss der
jeweiligen Arbeitsgemeinschaft herstellen kann, und
der dort als Verbindungsmitglied auch die Interessen
der Junganwälte vertritt. Dass es zukünftig für jede
der im DAV vertretenen Arbeitsgemeinschaften ein
solches Verbindungsmitglied gibt, ist Franks Anliegen. Wer sich also für diese Aufgabe berufen fühlt,
kann sich vertrauensvoll an ihn wenden.
Veranstaltungen sind wichtig zur Aus- und Weiterbildung und zur Netzwerkpflege. Das FORUM ist
daher an den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen des „Forum Start in den Anwaltsberuf“ und
„Forum +3“ beteiligt. Für das Jahr 2012 ist ferner
ein Junganwaltstag geplant, bei dem die angebotenen Vorträge speziell auf die Bedürfnisse der
jungen Kollegen abgestimmt sein werden. Vorschläge für Referatsthemen und Referenten werden gerne von Astrid Ackermann entgegengenommen, die im Geschäftsführenden Ausschuss
für die Organisation der unter Beteiligung des
FORUM stattfindenden Veranstaltungen verantwortlich ist. Astrid kümmert sich außerdem um die
Homepage des FORUM, die im kommenden Jahr
einen Relaunch erfahren wird, und fungiert als
Verbindungsmitglied zur Redaktion der Mitgliederzeitschrift „AdVoice“.
Kooperationen sind dem FORUM generell sehr wichtig. Gemeint sind damit nicht nur die Vernetzung der
FORUMs-Mitglieder untereinander und die Zusammenarbeit mit dem DAV. Um den besonderen Belangen der anwaltlichen Berufsanfänger Rechnung
Termine
28./29.10.2011 Start in den Anwaltsberuf + 3, Darmstadt
Anmeldung unter: www.davforum.de/forumplus3-anmeldung/
11.11. 2011 Start in den Anwaltsberuf, Gelsenkirchen
Anmeldung unter: www.davforum.de/berufseinsteigerforum
Alle diese Aktivitäten setzen voraus, dass die Kasse
stimmt. Hierüber wacht Dr. Christoph Triltsch. Da
der DAV in jedem Bundesland mit einem Landesverband vertreten ist, ist Christoph außerdem zuständig für die Auswahl und Betreuung der Verbindungsmitglieder des FORUM zu den einzelnen
Landesverbänden.
Vervollständigt wird der Geschäftsführende Ausschuss des FORUM von Rita Schulz-Hillenbrand,
die dem Vorstand des DAV bis Juni 2011 angehörte,
und dem DAV-Geschäftsführer Manfred Aranowski.
Jedes dieser Mitglieder des Geschäftsführenden
Ausschusses freut sich sehr darauf, in den kommenden zwei Jahren die Interessen der Mitglieder
des FORUM, also EURE Interessen, vertreten zu
dürfen. Wir haben uns viel vorgenommen und hoffen
bei der Durchführung unserer Pläne auf Eure tatkräftige Unterstützung.
RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M.
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Euer FORUM
Wer ist Wer im GfA?
!
Rita Schulz-Hillenbrandt
Liebe Kollegen/innen, ich bin seit Oktober 1992 in Würzburg als Rechtsanwältin zugelassen. Von 1995 bis 2004
war ich Vorsitzende des Würzburger AV, von 1999 bis Mai
2011 gehörte ich dem Vorstand des DAV an. Mein Arbeitsschwerpunkt liegt im Medizinrecht. Ich bin mit großer
Freude seit 2003 Mitglied des GFA des FJA und glücklich,
meine Erfahrungen an Euch weiter geben zu können. Eure
Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren, ist und bleibt
ein wichtiges Anliegen meiner Tätigkeit.
Manfred Aranowski
Manfred Aranowski ist Geschäftsführer des DAV und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses (GfA). Geboren
1975 in Berlin, Rechtsanwalt seit 2004. Nach Tätigkeit für
ein juristisches Repetitorium und eine Berliner Kanzlei seit
2006 Geschäftsführer des DAV und selbständiger Anwalt.
Im DAV u. a. zuständig für das Forum Junge Anwaltschaft
als Bindeglied zum Gesamtverband, Unterstützung des
GfA und Ansprechpartner für Organisations- und Verwaltungsfragen.
Frank Röthemeyer
Frank Röthemeyer ist seit 2004 Rechtsanwalt in allgemein
ausgerichteter Kanzlei in Balingen, seit einigen Jahren RB
im kleinen Landgerichtsbezirk Hechingen, Vorsitzender des
Berufsrechtsausschusses des FORUMs. Im GfA ist er zuständig für Berufsrecht und Berufspolitik sowie unterstützend in den anderen Ressorts. Berufsrechtliche Themen wie z. B. die Fortbildungspflicht, die Rechtsstellung
angestellter und selbständiger Anwälte, die Veränderungen
der Juristenausbildung und auch die Fachanwaltschaften
sind gerade für junge Anwälte für die zukünftige Berufsausübung sehr wichtig.
Astrid Ackermann
Rechtsanwältin Astrid Ackermann, LL.M. ist Inhaberin der
Kanzlei für Medien- und IT-Recht in Frankfurt am Main,
wo sie derzeit einen Schwerpunkt im IT-Strafrecht ausbaut. Die Regionalbeauftragte für den LG-Bezirk Frankfurt freut sich sehr über die Möglichkeit, nun auch
bundesweit die Belange der Junganwälte vertreten zu
dürfen. Im Geschäftsführenden Ausschuss ist sie zuständig für das Ressort „Fortbildungen und Seminare“ und
die Homepage. Sie hält zudem den Kontakt zur Redaktion
der „AdVoice“.
Dr. Christoph Triltsch
Dr. Christoph Triltsch ist seit Anfang 2006 als selbständiger
Rechtsanwalt zunächst in Kiel und seit Mitte 2009 in Lübeck tätig. Seit 2008 ist er Regionalbeauftragter des FORUMs
für den Landgerichtsbezirk Kiel. Im neuen Geschäftsführenden Ausschuss wird er insbesondere für die Kasse zuständig sein und sich wie bisher auch im Ausschuss Berufsrecht des FORUM Junge Anwaltschaft engagieren.
Linda Schwarzer
Ich bin Linda Schwarzer, 36 Jahre alt, in der dritten Amtsperiode im Geschäftsführenden Ausschuss des FORUM
Junge Anwaltschaft und Silkes Waterscheks Stellvertretung. Zuständig bin ich in erster Linie für die Betreuung
der Regionalbeauftragten des FORUMs. Wir haben derzeit
114 Bezirke, die es zu vernetzen (und manchmal eben zu
besetzen) gilt. Ferner obliegt mir auch die Betreuung der
Länderbeauftragten, ich bin die Ansprechpartnerin für
Internationales und für die Satzungsversammlung im GFA.
✗
!!!!!!!!!
GfA-Köpfe
Der Geschäftsführende Ausschuss des FORUMs Junge
Anwaltschaft wird jeweils für zwei Jahre gewählt.
Kandidieren kann jeder, der Mitglied im FORUM Junge
Anwaltschaft ist.
Helge R. Heiner
Helge R. Heiner ist seit 2006 selbständiger Anwalt in einer
zivilrechtlich ausgerichteten Kanzlei (Partnerschaftsgesellschaft) in Oldenburg. Er ist Fachanwalt für Insolvenzrecht
und sammelt noch die Fälle für den Fachanwalt Bank- &
Kapitalmarktrecht. Er ist seit Mai 2009 Mitglied des GfA
im FORUM Junge Anwaltschaft. Dort ist er seit diesem Jahr
für die Bereiche Kooperationen und Werbemittel zuständig. Darüber hinaus ist er RB für den LG-Bezirk Oldenburg
und Beiratsmitglied der AG „Junge Insolvenzrechtler“ in
der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung.
Silke Waterschek
Als Vorsitzende des FORUMs Junge Anwaltschaft bin ich
als „letzte Instanz“ fast allzuständig. In den Vorstandssitzungen des DAV bin ich an vorderster Front aktiv, wenn
es um die Belange junger Anwälte geht. Im FORUM bearbeite ich ansonsten noch die Bereiche Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, sowie die Koordination und Vorbereitung von Wahlen in diverse Gremien. Dabei ist mir sehr
wichtig, überall begreiflich zu machen, dass der eigene
Nachwuchs nicht nur Förderung verdient, sondern auch
frühzeitig einbezogen werden muss. Neben meinen Aufgaben im FORUM bin ich als Mitglied der Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in
Baden-Württemberg auch dort aktiv und ich arbeite
darüber hinaus im Ausschuss „anwaltliche Berufsethik“
des DAV mit.
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Anwalt der Anwälte
Als junges Magazin und Mitgliederzeitschrift des
FORUM Junge Anwaltschaft greift die „AdVoice“
in Aufsätzen, Erfahrungsberichten und Interviews
alle Fragen rund um das Anwaltsleben auf. Vor
allem junge Anwälte, an die sich die Advoice
speziell richtet, finden hier viele nützliche Tipps
für ihren Start ins Berufsleben und den Anwaltsalltag. Als Magazin, das sich als Stimme eines
starken und aktiven Netzwerkes versteht, bedarf
es des Dialoges und Austausches mit der Leserschaft. Der ständige Dialog mit der Zielgruppe
macht die Zeitschrift zu einer lebhaften, aktuellen
und kompetenten Informationsquelle für all diejenigen, die beim Einstieg in den Anwaltsberuf auf
dem Laufenden sein wollen und Wert auf ehrliche
Informationen aus erster Hand legen.
AdVoice
die Stimme junger Anwälte
Das Magazin zum Mitmachen
und selber schreiben
DARUM:
Macht mit und gestaltet
aktiv an der AdVoice mit!
Schreibt an die Redaktion, welche Themen euch
unter den Nägeln brennen, was für Erfahrungen im
eignen Berufsalltag ihr gemacht habt oder erzählt
eure Gründergeschichte!
Die AdVoice-Redaktion könnt ihr unter folgenden
E-Mail-Adresse erreichen:
[email protected]
AdVoice-Struktur
Schwerpunkt: Die AdVoice erscheint vierteljährlich. Pro Heft fokussiert die Redaktion mit zirka 20seitigen Schwerpunkten wie Internet, Marketing,
Versicherungen, Mobilität, Fachanwälte, Büro oder
Finanzen wichtige Themen aus dem Anwaltsalltag.
Magazin: Im Magazinteil sind bunte und spannende Reportagen zu allen Themen rund um die
Juristerei zu finden sowie nützliche Rubriken wie
die Haftungsbeschränkung, Gründerberichte junger Kollegen, Steuertipps und vieles mehr.
Euer FORUM: Unter der Rubrik Euer FORUM findet ihr alle aktuellen Informationen und Termine
aus dem Verband sowie Berichte, wie das FORUM
Junge Anwaltschaft vor Ort aktiv ist.
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
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Die Inhalte, der Umfang und die Abgabetermine
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hat, findet Ihr immer im Impressum auf der letzten
Seite. Einen Pool an Themen findet die Redaktion in
ihren Konferenzen, Ihr könnt das Spektrum aber
mit eigenen Ideen gern erweitern oder Euch eines
Themas annehmen und dazu schreiben. Im Magazinteil findet sich Raum für alles, was den jungen
Anwalt bewegt oder bewegen sollte. Die Angaben
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(310 Zeichen), wenn gewünscht, unter Angabe von
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teilt das vorher bitte ganz unmissverständlich mit.
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Absprachen getroffen habt.
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sich teilweise anhand der Dateigröße ablesen, die
nicht unter 700 KB, besser über 1 MB liegen sollte.
Beim Fotografieren nicht vergessen:
Die abgebildeten Personen um Erlaubnis fragen, Vorund Zunamen notieren und auf die geplante Veröffentlichung in der AdVoice hinweisen. Bei der Kamera die größte Bildgröße einstellen, in aller Regel L.
Wenn Ihr die Bilder schickt, bitte immer mit Namen
des Fotografen, Ort und der Info wer abgebildet ist.
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Euer FORUM
Volksnah und dickfellig
FORUMs-Mann Oliver Allesch ist jetzt Vorsitzender des Essener Anwaltsvereins
Nah dran, statt nur dabei. So könnte ein wichtiger Wesenszug von Oliver Allesch lauten. Der
seit 2006 tätige Rechtsanwalt aus Essen ist
Regionalbeauftragter im Forum Junge Anwaltschaft und seit Juli 2011 Vorsitzender des Anwaltsvereins Essen. Der gebürtige Sauerländer,
der aber mittlerweile fest verwurzelt ist mit dem
Revier, liebt seinen Job. Allesch hat sich das nötige dicke Fell zugelegt, um sich durch nichts
aus der Ruhe bringen zu lassen.
Schalke hat in der Europaleague Helsinki deutlich
geschlagen. Allesch fieberte 90 Minuten lang mit
und ist hellauf begeistert vom Abschneiden der
Königsblauen. Er jubelt! Schließlich hatten die Kicker
seines Lieblingsvereins, bei dem er Mitglied ist,
einen äußerst mäßigen Saisonstart. Empathie ist
seine Stärke. Das fühlen, was seine Mandanten
fühlen. Der auf Sozial-, Familien- und Verkehrsrecht
spezialisierte Allesch präsentiert sich bescheiden
und überzeugend volksnah. Distanzierte Kühle,
Markenzeichen großer Lawfirms, ist nicht seins.
Wichtig sei es, so Allesch, „den Mandanten zuzu hören“, sicher auch ein Geheimnis seines jungen
Karriereerfolges. Ein Blick in seine Vita offenbart
einen vielseitig interessierten Menschen. Nach dem
Abitur leistete Allesch als Fernmelder seinen Wehrdienst bei der Marine ab und wurde als Hauptgefreiter entlassen. Jura studierte er in Bonn und
assistierte im Referendariat als Korrekturassistent
im Strafrecht unter Prof. Puppe. 17 Jahre lang war
er im Vorstand der Jungen Union, später Kreisvorstand der CDU, die er jedoch verließ. Er ist Gründungsmitglied von Hope Hunter e. V., einer Tierschutzorganisation. Nebenbei pfiff er als Schiri
Fußballspiele und spielt, wenn ihm die Zeit noch
bleibt, als Flötist im Spielmannszug der Freiwilligen
Feuerwehr Bigge Olsberg im Sauerland, seinem
Geburtsort.
Er sagt von sich selbst, er sei konservativ. Klare Regeln, ein gepflegter Auftritt bei Mandanten im
Anzug und Höflichkeit seien notwendig, um als
Anwalt ein glaubwürdiges Bild abzugeben. Im
Gespräch mit AdVoice beschreibt er, der die Insel
Baltrum zu seinem Wahlurlaubsort auserkoren hat,
was ihn am Beruf des Rechtsanwalts fasziniert und
welche Herausforderungen er vor sich sieht.
A: Wie wird man in noch recht jungen Jahren
Vorsitzender des örtlichen Anwaltsvereins?
OA: Ganz klassisch, durch eine ganz normale Wahl.
In Essen wa die Besonderheit, dass bis auf die jährliche Mitgliederversammlung kaum etwas gelaufen
ist – und das trotz eines Jahresbeitrags von immerhin 240 Euro. Wir sind mit einem sehr jungen Team
von vier Anwälten zur Versammlung gegangen,
haben unser Konzept von einer Neuausrichtung
des Anwaltsvereins vorgeschlagen und uns für alle
wichtigen Posten nominieren lassen. Im Ergebnis
hat es dann mit der Wahl von uns geklappt.
A: Ist es erforderlich, ein Machtmensch zu sein,
um in eine solche Führungsrolle zu gelangen?
OA: Machtmensch ist das falsche Wort. Man muss
zumindest ein gewisses Maß an Kenntnis von Mechanismen in einem Verein haben. Meine Wahl hat
auch damit zu tun, dass ich seit Beginn meiner Anwaltskarriere 2006 immer auf die Mitgliederversammlungen gegangen bin und mich dort regel-
Oliver Allesch ist Schalke-Fan, Tierschützer, Ex-CDU-Mitglied und Flötist im Spielmannszug.
Foto: privat
mäßig zu Wort gemeldet habe, wenn mir etwas
nicht gepasst hat. Man benötigt auch ein dickes Fell.
Aber wir Berufsstreiter sollten das ohnehin besitzen.
A: Das Beste am Anwaltsberuf?
OA: Zum einen, dass der Beruf sehr vielschichtig
ist. Zum anderen ist es das Verhandeln vor Gericht,
die Interessen des Mandanten zu vertreten, zu
beraten und vor allen Dingen das Spiel zu gewinnen. Auf der anderen Seite sitzt ja auch ein Kollege,
und ich sehe das sehr sportlich. Mir macht es wahnsinnig Spaß, um das Recht zu streiten.
A: Und die weniger schönen Seiten?
OA: Was mich bisweilen nervt, das sind ungeduldige Mandanten und überzogene Telefonnotizen.
Ich mag außerdem nicht die Schnelllebigkeit durch
E-Mail und Internet, und dass man für alle Fragen
sofort da sein muss.
A: Brauchen wir Rechtsanwälte Statussymbole,
um glaubwürdig zu sein?
OA: Ich glaube, es kommt auf die Rechtsgebiete an.
Im Sozial- und Familienrecht ist das sicher nicht ganz
so wichtig. Wichtiger ist, dass man einfühlsam ist.
Die Mandanten müssen merken, dass man sich für
sie einsetzt. Generell wird mit Anwälten vielfach ein
falsches Klischee verknüpft. Ich finde Statussymbole
nicht so wichtig, ich selbst fahre einen Scirocco.
A: Muss sich die Anwaltschaft verändern?
OA: Die Anwaltschaft hat sich bereits in den letzten
sechs Jahren, in denen ich tätig bin, verändert, vor
allen Dingen durch die Spezialisierung. Die ist sicherlich richtig. Die logische Konsequenz daraus ist, dass
man sich entsprechend vernetzen muss. Wir müssen
allerdings wieder zu mehr Kollegialität finden. Hierzu
gehört auch, dass wir Rechtsrat nicht für zehn Euro
im Internet verkaufen dürfen.
A: Der Tipp für junge Berufsanfänger?
OA: Wer vorhat, selbständiger Rechtsanwalt zu
werden, der sollte die Referendarszeit gut nutzen,
um in einer Kanzlei die erforderlichen Erfahrungen
zu sammeln. Wer es während des Referendariats
nicht geschafft hat, der sollte sich vor dem Start
einer Bürogemeinschaft anschließen oder bei einem
älteren Kollegen für eine Art Praktikum anheuern,
damit man einfache Dinge wie die Zwangsvollstreckung, Mahn- und Rechnungswesen wenigstens
einmal gesehen hat.
Das Gespräch führte
RA Patrick Ruppert, Köln
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Euer FORUM
Haftungsfallen auf dem Berliner Stammtisch
Thema: Steuerliche Fallstricke in der anwaltlichen Beratung
Unter diesem Titel hielt am 18. Juli Dr. Kai Fliegner einen Vortrag auf dem monatlichen Stammtisch des FORUMs in Berlin. Anhand von vier
Beispielsfällen aus verschiedenen Rechtsgebieten
wurde aufgezeigt, wo die Gefahren lauern, wenn
Rechtsanwälte sich der steuerrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns nicht bewusst sind.
Dr. Kai Fliegner, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, ist seit neun Jahren als Rechtsanwalt
zugelassen. Zu Beginn seiner juristischen Karriere
arbeitete er bei der Deutschen Bahn, danach vier
Jahre bei der Kanzlei RöverBrönner im Dezernat
Haftungsrecht für freie Berufe. Seit dem 1. April
diesen Jahres ist er als Syndikusanwalt bei der
Francotyp-Postalia Holding AG tätig.
Die Verantwortlichkeit des Rechtsanwaltes, bei seiner Beratung auch die steuerrechtlichen Konsequenzen im Blick zu haben, ergibt sich aus seiner
Pflicht, die Interessen seines Mandanten allum-
fassend zu vertreten. Dies schließt die steuerlichen
Interessen des Mandanten ein, zumal der Anwalt
auch in steuerrechtlichen Fragen beraten darf.
Wenn auch einer der aufgezeigten Fälle dem Dienstrecht entstammte, so ist das Problem doch häufig
im Bereich des Gesellschaftsrechts anzutreffen.
Insbesondere wenn es zu Umwandlungen von Gesellschaften kommt, ist Vorsicht geboten. Denn ein
Steuerpflichtiger, der sein Einzelunternehmen in eine
bar gegründete GmbH einbringt, muss die stillen
Reserven und den übergehenden Geschäftswert als
Veräußerungsgewinn versteuern. Stille Reserven
werden laut BFH auch versteuert, wenn im Zuge
einer Veräußerung von Betriebsgesellschaft und Besitzgesellschaft die personelle Verflechtung zwischen beiden entfällt, da es dann beim Besitzunternehmen zur Betriebsaufgabe kommt.
eine verdeckte Gewinnausschüttung an diesen dar,
wenn nicht die GmbH gleich hohe Ersatzforderungen gegen den Hauptgesellschafter aktiviert. Im
geschilderten Fall wurden die Verbindlichkeiten des
Einzelunternehmens nach Umwandlung auf die
neugegründete GmbH übertragen, deren Höhe sich
auf 200.000 Euro belief. Daraus ergab sich kumuliert aus Körperschafts- und Gewerbesteuer der
GmbH und Einkommenssteuer des Gesellschafters
eine Gesamtsteuerlast in Höhe von 109.600 Euro.
Fehlt dann die Liquidität im Unternehmen, kann
das wirtschaftlich fatale Folgen haben, der Anwalt
haftet für den Vermögensschaden in Höhe der
Steuerforderung.
Auch diesmal war es wieder eine tolle, gut besuchte und vor allem hoch interessante Veranstaltung.
Friederike Lemme, Berlin
Ebenso stellt laut BFH die Übernahme von Bankschulden des Hauptgesellschafters einer GmbH
De
Dealmaker
almaker wanted!
wanted!
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FORUM
Junge
Anwaltschaft
im DAV
Das FORUM ist:
Die Stimme der jungen Anwälte.
Eine der größten Arbeitsgemeinschaften
innerhalb des Deutschen Anwaltvereins
(DAV).
Das FORUM bietet:
Fortbildungen. Netzwerke.
Lobby. Starthilfe.
Antworten und Hilfe
für den Berufsstart und die ersten
Berufsjahre.
Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus:
Vorteile für alle Anwälte, Assessoren
und Referendare bis 40 Jahre
(Diese Vorteile bietet nur das FORUM
Junge Anwaltschaft.)
Kostenlos:
Anwaltsmagazin AdVoice
Mit Schwerpunktthemen,
Erfahrungsberichten
Unterhaltsames und Wissenswertes aus
der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen
und natürlich viel Service: Checklisten,
Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps
zur Haftungsvermeidung u. v. m.
Vertretung der Interessen
der jungen Anwaltschaft in der
Berufspolitik und der anwaltlichen
Selbstverwaltung
Teilnahme an der Mailingliste,
fachliche Unterstützung durch Kollegen,
Antworten auf fast jede Frage des
Anwaltsalltags, Terminvertretungen,
Fällen von Kollegen
VORTEILE
für alle, die (noch) nicht im DAV sind
günstige Konditionen für die
Berufshaftpflichtversicherung
Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen
mit hohem Sparpotenzial exklusiv für
FORUMsmitglieder
Fortbildung:
eigene Seminare und günstigere
Konditionen bei anderen Anbietern
z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu
50 Prozent bei der Deutschen
AnwaltsAkademie
Netzwerk und Erfahrungsaustausch
national
Regelmäßige Stammtische in den allen
LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und
überörtlichen jungen Kolleginnen und
Kollegen. Regionalbeauftragte als
Ansprechpartner, die Euch gern vor
Ort weiterhelfen.
Netzwerk international
Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei
grenzüberschreitenden Rechtsproblemen.
Kontakte zu internationalen
Organisationen junger Anwälte und
Mitgliedschaft in der European Young
Lawyers Bar Association.
Vergünstigte Teilnahme
bei Veranstaltungen, z. B. beim Deutschen
Anwaltstag und Anwaltstagen der Länder
Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt
günstige Konditionen des DAV
(http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte)
· Auto & Verkehr: z. B. Sonderboni beim
Autokauf, vergünstigte Mietewagen
· Hotels: Mitgliederrabatte des
DAV in vielen Hotels
· Fortbildung/Webdienste: z. B. juris DAV
· Kommunikation: Rahmenabkommen
für Mobilfunk-Rabatte
· Versicherungen: z. B. bei der
Krankenversicherung und
Altersversorgung
Rahmenabkommen für kostenlose
Kreditkarten
NJW-Abo-Ermäßigung um 22 Euro
jährlich (Referendare erhalten vom Verlag
weitere Ermäßigungen)
VORAUSSETZUNGEN
für eine Mitgliedschaft:
Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren,
Referendare und Assessoren
Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50 Euro
Ermäßigungen auf 25 Euro:
1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres
2. für Mitglieder eines dem DAV
angeschlossenen Anwaltvereins
Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung
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Euer FORUM
Länderbeauftragte
stellen sich vor
v
Länderbeauftragter RA Andreas P. Albrecht,
LL.M. für Island
Was verbindet dich mit Island?
Ein dreimonatiges Praktikum im Rahmen des Student Trainee Exchange Programme der European
Law Students‘ Association (ELSA) brachte mich in
Kontakt mit Island. Von Anfang an habe ich mich
in Land und Leute verliebt. Der fachliche Austausch
mit den isländischen Jurastudenten weckte mein
Interesse für das isländische Recht. Damals stritten
die Isländer um ein Gesetz zur Erhebung der Gesundheitsdaten der gesamten Bevölkerung und der
Nutzung dieser Daten durch ein Privatunternehmen.
Foto: Anke_pixelio.de
Übersicht aller Länderbeauftragten unter:
> www.davforum.de/laenderbeauftragte
Wie kannst Du bei Rechtsproblemen helfen?
Isländer sprechen Englisch und viele auch Deutsch.
Von der Verständigung in einer Sprache bis zum
Lösen von rechtlichen Fragestellungen ist es aber
ein weiter Weg. Mit meinen Kenntnissen und Erfahrungen möchte ich jedem ratsuchenden Kollegen oder Mandanten Fragen beantworten oder
zumindest einen geeigneten isländischen Anwalt
nennen. Die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit hat die DeutschIsländische Juristenvereinigung zum Ziel, die sich in
Gründung befindet. Bei Interesse bei mir melden.
[email protected]
Was sollte ein Anwalt über Island wissen?
Das isländische Parlament (Al_íngi) ist das älteste
aktive Parlament der Welt. Es ist ein Einkammersystem. Das Al_íngi berät aktuell über den Entwurf
einer neuen, modernisierten isländischen Verfassung. Die Judikative ist zweistufig ausgebildet.
Island ist seit 1994 EWR-Mitglied und seit 2010
EU-Beitrittskandidat. In Islands Import- und Exportbilanz ist Deutschland jeweils unter den Top 3.
Regionalbeauftragte gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMskolleginnen und -kollegen in den LG-Bezirken
☞
Amberg, Bad Kreuznach, Baden-Baden,
Bückeburg, Coburg, Cottbus,
Deggendorf/Passau, Memmingen,
Mühlhausen, Stendal, Weiden & Zwickau!
In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt ihr
diese Lücken schließen? / Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den
monatlichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden
Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet. Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder
und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter:
> www.davforum.de/469/
ADVOICE 03/11
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AdVoice 03_11_def_Layout 1 22.09.11 09:32 Seite 56
Euer FORUM
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragte RAin Astrid Lilie
für den LG-Bezirk Mainz
Foto: Thorsten Mayer_pixelio.de
Im Juli des Jahres 2011 habe ich das Amt der Regionalbeauftragen des Landgerichtsbezirks Mainz
von meiner Kollegin Dr. Monika Hermel-Liedtke
übernommen und möchte nun die Gelegenheit
nutzen, um mich kurz vorzustellen. In Göttingen
geboren, in Halle aufgewachsen und in Mainz studiert, konnte ich beide Teile des wiedervereinigten
Deutschlands kennen- und vor allem die Mainzer
Region schätzen lernen. Während meines Studiums
habe ich unter anderem wichtige Erfahrungen bei
der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den
Vereinten Nationen in New York sammeln können.
Mein Referendariat habe ich in Wiesbaden absolviert, so dass ich viele Kommilitonen aus der Region
in verschiedenen Rollen als Richter, Staatsanwälte
oder Rechtsanwälte wiedertreffe. Meine berufliche
Laufbahn habe ich schon zu Studienzeiten in der
Kanzlei Knierim & Kollegen Rechtsanwälte begonnen, einer auf das Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts
spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei in Mainz. Dort
arbeite ich seit über einem Jahr als zugelassene
Regionalbeauftragte RAin Anna Rasche
für den LG-Bezirk Kleve
Als neue RB für den LG-Bezirk Kleve möchte ich
mich kurz vorstellen. Ich bin in Polen geboren,
aber es hat mich schon mit sieben Jahren nach
Deutschland verschlagen. Hier habe ich in Bonn
studiert und im LG-Bezirk Kleve mein Referendariat absolviert.
Nun arbeite ich in der mittelständischen Kanzlei
Dr. Sommer & Kollegen in Moers. Ich habe mich
vor allem auf das Miet- und Wohnungseigentumsrecht spezialisiert. Ich berate aber gerne polnischstämmige Mandanten in ihrer Muttersprache auch
in anderen Bereichen.
Im Forum bin ich seit diesem Jahr Mitglied und fand
es sehr schade, dass in meinem Landgerichtsbezirk
schon seit Jahren kein Stammtisch mehr stattgefunden hat. Ich hoffe, dass ich dies als neue RB
ändern kann.
Foto: Thomas Max Müller_pixelio.de
56
ADVOICE 03/11
Anwältin und promoviere zusätzlich im Bereich des
Strafprozessrechts bei Prof. Dr. Zopfs an der Johannes Gutenberg-Universität ebenfalls in Mainz. Für
eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit ist ein gutes
kollegiales Netzwerk unerlässlich. Dieses wichtige
Netzwerk möchte ich gemeinsam mit den jungen
Kollegen in der Region weiter ausbauen und die
Plattform für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch stärken. Gerade in der Rhein-Main-Region
ergeben sich viele Möglichkeiten für einen interdisziplinären Diskurs, da hier viele Anwälte, juristische Vereinigungen & Unternehmen ansässig sind.
[email protected]
Der LG-Bezirk Kleve verfügt über zwei Anwaltsvereine (Kleve und Moers) und ist damit nicht
gerade klein und zudem sehr ländlich. Ich habe
vor, den Stammtisch in wechselnden Lokalitäten
in Moers, Kleve und vielleicht auch Geldern stattfinden zu lassen, um damit jedem die Chance zu
geben, an einem Treffen in seiner Nähe teilzunehmen.
Ich hoffe, dass wir nun auch in LG-Bezirk Kleve
einen regen Austausch hinbekommen.
[email protected]
AdVoice 03_11_def_Layout 1 22.09.11 09:32 Seite 57
Euer FORUM
NEU
Regionalbeauftragte RAin Ruth Wegehenkel
für den LG-Bezirk Bayreuth
Ich bin 33 Jahre alt, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht und bearbeite derzeit meine
Fallliste Versicherungsrecht mit dem Ziel, den
Titel Fachanwältin für Versicherungsrecht führen
zu dürfen.
Den Stammtisch des Landgerichtsbezirks Bayreuth
möchte ich vorab in Bayreuth wieder beleben und
insbesondere auch die jungen Kollegen ansprechen, damit diese sich nicht von den alten Hasen
beeindrucken und verschrecken lassen.
[email protected]
Der Landgerichtsbezirks Bayreuth ist kleinstädtisch geprägt. Bislang gibt es einen monatlichen
Stammtisch des Bayreuther Anwaltvereins. Der
Stammtisch des Forums fand wohl bislang meistens in Kulmbach statt.
Foto: Ulli Przyklenk_pixelio.de
Regionalbeauftragter RA Mag. Iur. Jan Koch
für den LG-Bezirk Konstanz
Ende August 2011 habe ich das Amt des Regionalbeauftragten von meiner sehr geschätzten
Kollegin Frau RAin Sabine Geistler übernommen.
Im Zuge dessen möchte ich mich kurz vorstellen.
Ich bin 27 Jahre alt, seit Mai 2010 als selbständiger Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Freiburg zugelassen. Ebenfalls seit Mai 2010
bin ich als freier Mitarbeiter in der Anwaltskanzlei
Dr. D`Angelo & Collegen im Zentrum von Konstanz
tätig. Meine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im
Familien-, Vertrags- und Mietrecht. Aktuell bin
ich dabei, den Fachanwalt für Familienrecht zu
erwerben.
Foto: Sybille Daden_pixelio.de
Netzwerk weiter auszubauen. Hierzu gehört natürlich auch die Weiterführung der regelmäßigen
Stammtische, welche monatlich in Konstanz stattfinden. Es wird ein gesonderter E-Mail-Verteiler
eingerichtet werden, so dass sich jeder bei Interesse vernetzen kann.
[email protected]
Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Regionalbeauftragter im LG-Bezirk Konstanz wird sein, sowohl
die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, als auch die
neu zugelassenen Anwältinnen und Anwälte zu erreichen, um einen gegenseitigen Austausch untereinander zu ermöglichen. Ziel ist es, das bisherige
ADVOICE 03/11
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Bücher-FORUM
Gesamtes Strafrecht
Effektive Strafverteidigung
Verteidigung im Ermittlungsverfahren
Dölling/Duttge/Rössner (Hrsg.),
2. Aufl. 2011, 3.320 S., 128,00 EUR,
Nomos Verlag
Ulrich Sommer,
1. Aufl. 2011, 708 S., 69,00 EUR,
Carl Heymanns Verlag
Weihrauch/Bosbach,
7. Aufl. 2011, 408 S., 44,95 EUR,
Verlag C. F. Müller
Nachdem die 1. Auflage des Handkommentars Gesamtes Strafrecht positiv aufgenommen wurde und mehrere Gesetzesänderungen und neue Rechtsprechung ergingen, galt es, das Werk
zu aktualisieren.
Gerade im formalisierten Strafverfahren fällt es schwer, allen
Beteiligten gerecht zu werden. Der Autor beginnt daher mit einem
Kapitel über die Theorie der Strafverteidigung, welches sich
inhaltlich hauptsächlich mit dem Spannungsverhältnis zwischen
Verteidiger und Gericht bzw. Verteidiger und Mandant auseinandersetzt. Danach werden vor allem praktische Themen angesprochen. Hierbei wird immer wieder auf die Ethik und die
Psychologie der Strafverteidigung eingegangen.
Im Strafverfahren wird das anwaltliche Können vor allem auch
bereits im Vorverfahren gefordert. Die Zeiten, in denen Strafverteidigung im Wesentlichen der Hauptverhandlung vorbehalten
war, sind lange vorüber. Die richtige Verteidigung im Ermittlungsverfahren hat, gerade im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens oder den Verfahrensabschluss durch Strafbefehl und die
dadurch bedingte Vermeidung der in der Regel öffentlichen – und
stigmatisierenden – Hauptverhandlung, größte Bedeutung und
größten Nutzen für den beschuldigten Mandanten. Falsche Ratschläge und unkluges Verhalten bei Prozesshandlungen oder
gegenüber anderen Strafverfolgungsorganen haben für den
Mandanten hingegen schwerwiegende nachteilige Folgen. Umso
wichtiger ist für jeden Verteidiger eine gründliche Einarbeitung
in die Materie. Dabei genügt Sachwissen allein nicht aus. Gefordert sind auch sichere Taktik und zielgerichtete Strategie.
Der Kommentar zielt darauf ab, die für eine komplette Lösung
eines Praxisfalls erforderlichen Normen von der Problemerfassung
über das Verfahren bis zur Rechtsfindung zusammenzufassen. Es
geht nicht nur darum, materiellrechtliche oder strafprozessuale
Ansätze zu beleuchten. Gesetzesübergreifend sind neben den
kernstrafrechtlichen StGB- und StPO-Vorschriften die nebenstrafrechtlichen Vorschriften, etwa aus dem AktG, BtmG, GmbHG,
SoldG, SubvG, UWG oder WistrG kommentiert.
Die Herausgeber versammeln um sich ein großes Autorenteam
aus Praktikern und Wissenschaftlern, die mit Querverweisen zwischen materiellen und verfahrensrechtlichen Fragen das Gesamtverständnis am Strafrecht schärfen wollen. Um dieses Ziel zu
erreichen, beziehen sie die kriminologischen Grundlagen der Vorschriften ein.
Der Handkommentar ist brandaktuell. Er berücksichtigt die Neuregelungen des Rechts der Sicherungsverwahrung und das 2.
Opferrechtsreformgesetz. Innerhalb der neuen Verständigung im
Strafverfahren sind deren Voraussetzungen und Anforderungen
an die Dokumentations- und Mitteilungspflichten beleuchtet.
Auf die Kronzeugenregelung wird mit der Erläuterung des erweiterten Anwendungsbereichs und der Schutzvorkehrungen
eingegangen. Wichtig ist das neue Untersuchungshaftrecht.
Ausführlich, aber auch mit kritischem Blick, sind die Voraussetzungen, unter denen dem Untersuchungshäftling Beschränkungen über die reine Freiheitsbeschränkung hinaus auferlegt
werden können, kommentiert.
Den Erläuterungen geht der Normtext voraus, bevor die Normstruktur/Gesetzessystematik, Tatbestandsmerkmale, Anwendbarkeitsfragen und Rechtsfolgen untersucht werden. Rechtsprechungs- und Literaturhinweise sind im Text integriert. Schlagworte zur gezielten Suche sind fettgedruckt. Das Inhalts- und das
Verzeichnis des integriert kommentierten Nebenstrafrechts und
das Stichwortverzeichnis dienen der Orientierung.
Fazit: Den Autoren gelingt ein äußerst hilfreicher Kommentar
für die juristische Ausbildung und die Praxis. Es wird der Blick
auf die Strukturen und systematischen Zusammenhänge
gelenkt. Somit wird das Verständnis für das gesamte materielle und prozessuale Strafrecht verbunden mit den Schnittstellen zum Nebenstrafrecht geschärft. Dazu erklären die
Autoren genau den Normalfall, bevor auf Besonderheiten
eingegangen wird.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
58
ADVOICE 03/11
Das Buch ist sehr übersichtlich aufgebaut. Neben dem Gesamtinhaltsverzeichnis befindet sich vor jedem Kapitel ein detailliertes
Inhaltsverzeichnis. Weiterhin behält das Buch durch ein Sachregister und einen Fettdruck von Signalwörtern im Fließtext seine
Übersichtlichkeit.
Der Autor geht in jedem Verfahrensstadium auf die Rechte und
Pflichten eines Strafverteidigers ein. Sein Hauptaugenmerk ist
dabei auf die Wirkung auf Gericht und Mandant gerichtet. Jede
Entscheidung des Verteidigers wird im Hinblick auf Ihre Konsequenzen im Verfahren begutachtet. Hierbei arbeitet der Autor
mit vielen Beispielen, durch welche die verschiedenen Spannungsverhältnisse sehr gut dargestellt werden.
Der Anspruch des Autors liegt darin, am Strafprozess Interessierten und Beteiligten die Verteidigung näher zu bringen. Wer
tiefer gehende Informationen sucht, sollte daher besser auf vorhandene Fachliteratur zurückgreifen. Wer allerdings einen sehr
guten grundlegenden Überblick über das Strafverfahren sucht,
wird mit diesem Buch bestens bedient.
Der Autor ist in einer Kanzlei in Köln tätig, welche rein auf das
Strafrecht spezialisiert ist. Er ist seit 1979 als Anwalt tätig und
seit 2004 Lehrbeauftragter der Universität Köln. Im Jahr 2010
wurde ihm der Professorentitel verliehen.
Fazit: Insgesamt handelt es sich um ein sehr interessantes,
grundlegendes Werk. Es bietet die Möglichkeit, sich grundsätzlich über die Rechte und Pflichten des Strafverteidigers
und vor allem die Wirkungen auf Gericht und Mandant zu
informieren und liefert dabei oft auch Argumente, welche
sich in der Praxis verwerten lassen. Allerdings ist dieses Buch
eher für Anfänger, Beteiligte und Interessierte gedacht.
Assessorin Christina Worm, Bochum-Wattenscheid
In dem Handbuch zur Verteidigung im Ermittlungsverfahren, das
in der bewährten Reihe „Praxis der Strafverteidigung“ des C. F.
Müller Verlags bereits in der 7. Auflage vorliegt, geben die Autoren
wertvolle Ratschläge und prozesstaktische Hinweise aus langer
Verteidigererfahrung weiter. Dargestellt wird das Handeln der
Verteidigung von der Mandatsannahme über die Informationsbeschaffung und die optimale Verteidigungsstrategie, Verteidigung gegen Zwangsmaßnahmen bis hin zum Abschluss des
Ermittlungsverfahrens und der Vergütung. Besonders im Blickfeld
des Werks stehen auch der richtige Umgang mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten sowie mögliche Rechtsbehelfe der
Verteidigung im Ermittlungsverfahren.
Zahlreiche Checklisten und Mustertexte erleichtern die Arbeit der
Verteidigung und ermöglichen eine schnelle und effiziente
Nutzung des Handbuches in der täglichen Praxis. Das Werk kann
aufgrund der vielen Musterschreiben durchaus auch als Formularbuch betrachtet werden.
Fazit: Besonders junge Verteidiger und Rechtsanwälte, die
nicht täglich mit Strafverteidigung befasst sind, werden von
dem Werk enorm profitieren, da die vielen enthaltenen
verfahrensrechtlichen und verfahrenstaktischen Vorschläge
für die Praxis es ermöglichen, Fehler zu vermeiden und den
Mandanten effektiv zu verteidigen.
RA Mathias Klose, FA für Sozialrecht und FA für Strafrecht,
Regensburg
AdVoice 03_11_def_Layout 1 22.09.11 09:32 Seite 59
Bücher-FORUM
Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Personalbuch 2011
Ulrich Tschöpe (Hrsg.),
7. Aufl. 2011, 3.136 S., mit CD-ROM, 139,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Vertragsgestaltung | Prozessführung | Personalarbeit |
Betriebsvereinbarungen
Hümmerich †/Lücke/Mauer (Hrsg.),
7. Aufl. 2011, 2.280 S., mit CD-ROM, 148,00 EUR,
Nomos Verlag
Küttner/Röller (Hrsg.),
18. Aufl. 2011, 2.831 S., mit CD-ROM, 119,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Die 7. Auflage des Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht wurde vollständig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Das
sich aus erfahrenen Anwälten und Richtern zusammensetzende,
27-köpfige Autorenteam passt das Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht in Umfang und Gewichtung den Bedürfnissen des arbeitsrechtlichen Beraters an. Angelehnt an den Ablauf eines anwaltlichen Mandats, erläutert das Autorenteam das gesamte
formelle und materielle Arbeitsrecht und spart dabei nicht dessen
Schnittstellen, etwa das Sozialrecht, aus.
Seit Jahren ist das Formularbuch Arbeitsrecht – bekannter als „der
Hümmerich“ – eines der anerkanntesten Arbeitsmittel für den
Alltag des arbeitsrechtlichen Beraters. Unter neuer Herausgeberschaft erschien im Frühjahr 2011 die siebte, umfänglich überarbeitete Auflage.
Das Küttner-Personalbuch 2011 behandelt auf fast 3.000 Seiten
unter mehr als 400 Stichworten alle relevanten Themen des
Arbeitsrechts und die damit verbundenen Fragen aus dem
Lohnsteuerrecht und Sozialversicherungsrecht. Das Arbeitsrecht
umfasst sowohl den individualrechtlichen als auch den kollektivrechtlichen Bereich.
Der neue „Tschöpe“ gliedert sich in sieben Teile, beginnend mit
der Begründung von Arbeitsverhältnissen und ihrer vertraglichen
Gestaltung, über die Regelungen im Rahmen eines bestehenden
Arbeitsverhältnisses (Teil 2) sowie die Änderung und Beendigung
des Arbeitsverhältnisses (Teil 3) bis hin zu den Teilen 4 und 5 zum
kollektiven Arbeitsrecht und zum Arbeitsgerichtsverfahren. Teil 6
widmet sich dem Arbeitnehmerschutz, bevor Teil 7 mit der Arbeitsförderung und dem Rentenrecht das Werk beschließt.
Inhaltlich überzeugt das Buch mit höchster Aktualität. Aus der
aktuellen Rechtsprechung sind die BAG-Entscheidung zum
Grundsatz der Tarifeinheit, die „Emmely“-Entscheidung zur Kündigung bei Bagatelldelikten und die Flashmob-Entscheidung des
BAG, das Honeywell-Urteil des BVerfG zur Mangold-Rechtsprechung des EuGH sowie die Entscheidungen Klarenberg und
Kücükdeveci des EuGH eingearbeitet. Das bewährte ABC der
Kündigungsgründe ist hilfreich. Mutig zeigt sich das Werk mit
einem Kapitel zum Beschäftigtendatenschutz. Es ist anzumerken,
dass damit Rechtsvorschriften erläutert werden, die es derzeit
noch nicht gibt! Das Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes wird wohl noch etwas auf sich warten lassen.
Dennoch ist das Autorenteam davon überzeugt, auch aufgrund
der aktuellen Diskussion und des außer Zweifel stehenden
Handlungswillens des Gesetzgebers, dem Nutzer eine Leitlinie auf
Basis des künftig möglichen Rechts zu geben.
Optisch hervorgehobene Schlagworte, Checklisten, Beispiele,
Formulierungs- und Antragsmuster helfen bei der Problemlösung.
Das detaillierte Stichwortverzeichnis erleichtert die gezielte
Suche. Die CD-ROM umfasst nicht nur den Inhalt des Werks,
sondern auch den Großteil der ca. 6.000 zitierten Entscheidungen
mit den wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetzen.
Fazit: Mit der 7. Auflage des Werks ist wieder ein richtig gutes Handbuch für den Arbeitsrechtler gelungen, unabhängig
davon, ob der Leser Berufseinsteiger, erfahrener Anwalt oder
Richter ist.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Mit den Rechtsanwälten Dr. Oliver Lücke und Dr. Reinhold Mauer
haben zwei anerkannte und erfahrene Arbeitsrechtler die Herausgeberschaft übernommen. Ebenso ist das Autorenteam ein Spiegel großer arbeitsrechtlicher Kompetenz.
Das Formularbuch gliedert sich in acht inhaltliche Paragraphen,
die sich jeweils in drei Kapitel unterteilen, die sich ihrerseits in
zwei Abschnitte aufspalten. Der erste Abschnitt führt mit
Erläuterungen und Hinweisen in das behandelte Thema ein, bevor
im zweiten Abschnitt die Darstellung von diversen Vertrags-,
Betriebsvereinbarungs- und Schriftsatzmustern folgt. Den Nutzer
freut es, dass eine große Zahl neuer Schriftsatz- und Vertragsmuster – nicht nur zu aktuellen Themen – in das Werk eingearbeitet sind.
Neben der Überarbeitung der Einführungen arbeiteten die
Autoren in den Musterschriftsätzen zum Beispiel die Neuerungen
im Datenschutz-, Pflegezeit- und Altersteilzeitgesetz ein. Ganz
neu wurde in den Mustern der Regelungsbereich der Nutzung
eines geleasten Dienstwagens und der aktienkursorientierten
Vergütung aufgenommen. Natürlich ist die neue BAG-Rechtsprechung etwa zum Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, zum
pauschalierten Schadensersatz und zur Vertragsstrafe integriert.
Großen Raum räumen die Autoren der Erweiterung des Komplexes Anstellungsverträge mit GmbH-Geschäftsführern und AGVorständen ein. Erneut sei auch auf die lesenswerte Aufbereitung
der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen in § 1 hingewiesen.
Bei den Erläuterungen, den Vertrags- und Schriftsatzvorlagen gefällt die übersichtliche Aufmachung. Die Einführungstexte sind
mit einigen hervorgehobenen Schlagwörtern durchzogen, die das
gezielte Suchen von Problempunkten ebenso wie das ausführliche
Stichwortverzeichnis erleichtern. Der Fußnotenapparat, der sich
primär auf BAG- und LAG-Rechtsprechung beschränkt, ist nicht
überfrachtet.
Das Werk zeichnet sich durch häufige Verweise auf die entsprechende Rechtsprechung bzw. die maßgeblichen Gesetzesstellen aus. Nicht enthalten sind dagegen Mustertexte und
-formulierungen. Vergütungsrechtliche Aspekte fehlen ebenfalls,
allerdings gibt es kurze Hinweise auf den Streitwert.
Der arbeitsrechtliche Teil nimmt mit Abstand den größten Raum
ein. In ihm findet sich auch eine Inhaltsübersicht zu den einzelnen
Randnummern. Leider fehlt eine solche Übersicht im lohnsteuerrechtlichen bzw. sozialversicherungsrechtlichen Teil.
Da das Buch die Rechtslage und Rechtsprechung zum 1.1.2011
berücksichtigt, ist es brandaktuell. Eingearbeitet sind bereits die
neuen Entscheidungen zum Urlaubsrecht bei Langzeitkranken
und zur steuerlichen Absetzbarkeit von Arbeitszimmern.
Auf der beigefügten CD-ROM sind über die Beck RechercheDatenbank das komplette Buch sowie die zitierte Rechtsprechung,
Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsanweisungen im Volltext
enthalten und bei Bedarf unkompliziert herauszukopieren.
Im Unterschied zu üblichen Fachanwaltshandbüchern ist der
Küttner alphabetisch nach Stichworten aufgebaut, die jeweils
Arbeitsrecht (A), Lohnsteuerrecht (B) und Sozialversicherungsrecht (C) behandeln. Da das jeweilige Stichwort auf jeder Seite
genannt wird, findet man bereits beim Durchblättern recht
schnell die richtige Stelle. Durch den Verzicht auf unnötige
Untergliederungen wurde Übersichtlichkeit erreicht.
Fazit: „Der Hümmerich“ ist ein nutzerfreundlicher, zuverlässiger und höchst aktueller Ratgeber für den arbeitsrechtlichen Berater sowohl auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite. Der überaus reiche Fundus des Werks mit
annähernd 1.000 praxiserprobten Mustertexten nebst Erläuterungen überzeugt und wird von keinem Konkurrenzprodukt
übertroffen.
Fazit: Der Küttner ist wegen seiner umfassenden Darstellung
des Arbeitsrechts und den damit zusammenhängenden
Fragen des Lohnsteuerrechts und Sozialversicherungsrechts
eine lohnende Anschaffung für alle Arbeitsrechtler und
Juristen im Personalbereich. Er bietet unter dem jeweiligen
Stichwort einen guten Einstieg in die Materie, der durch die
genannte Literatur und Rechtsprechung vertieft werden kann.
Unter den Autoren finden sich viele derzeitige und ehemalige
Richter, Fachanwälte für Arbeitsrecht und Steuerberater. Der
Umstand, dass bereits die 18. Auflage erschienen ist, belegt
zudem, dass es sich hier um ein etabliertes und ausgereiftes
Werk handelt, das die Kinderkrankheiten hinter sich hat. Ein
Höchstmaß an Qualität ist damit sichergestellt.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
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AdVoice 03_11_def_Layout 1 22.09.11 09:32 Seite 60
Bücher-FORUM
Bundesdatenschutzgesetz
Spiros Simitis (Hrsg.),
7. Aufl. 2011, 1.886 S., 178,00 EUR,
Nomos Verlag
Auch aufgrund der Berichterstattungen in den Medien – Stichwort sind zum Beispiel Facebook, Google (Street View), Adresshandel, SCHUFA – ist das BDSG wieder vermehrt in den Fokus der
Öffentlichkeit gelangt. Der dazugehörige Kommentar erschlägt
einen fast auf den ersten Blick – 1.886 Seiten. Dieser Umfang liegt
aber eher darin begründet, dass – wie der Herausgeber zu Recht
bemängelt – sich der Gesetzgeber um eine komplette Neugestaltung des Gesetzes drückt und eher unzurei- chende Flickarbeit
leistet. Wegen dieser vorgefundenen „Rechtslage“ widmet sich
der Kommentar auch auf den ersten knapp 200 Seiten einem
Generalüberblick, in dem er die Geschichte, Ziele und Prinzipien
des BDSG eingehend erläutert.
Vor allem die neu eingefügten § 28a BDSG (Datenübermittlung an
Auskunfteien) und § 28b BDSG („Scoring“) machten die Neuauflage notwendig, da diese Normen zum 1.4.2010 in Kraft traten.
Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen werden sehr genau
und – wie in der übrigen Kommentierung zum BDSG – gesetzesübergreifend im erforderlichen Umfang dargestellt. Dies erleichtert es, das Verhältnis zwischen dem BDSG und den jeweiligen
anderen Gesetzen zu verstehen. Insofern wird nicht nur auf
Kommentierung und/oder Rechtsprechung zum jeweiligen anderen Gesetz verwiesen.
Der Kommentar besticht durchgehend durch sein hohes
sprachliches Niveau. Den Autoren gelingt es sehr gut, die Fehler
des Gesetzgebers beim Wortlaut der Normen zu korrigieren und
dem Anwender die jeweilige Norm klar und verständlich
darzustellen. Dementsprechend kritisch fällt auch das Urteil der
Autoren über den Gesetzgeber aus. Die Kommentierung ist
aufgrund der Absätze sehr übersichtlich gestaltet. Die Schlagworte sind mittels Fettdruck hervorgehoben, wobei dies aber
dennoch sparsam erfolgt.
Fazit: Der „Simitis“ ist unumgängliches Handwerkszeug, der
Licht in das schon mittlerweile undurchdringliche Dickicht
des Dschungels „Datenschutzrecht“ bringt. An ihm führt
wirklich kein Weg vorbei.
RA Dirk Hofrichter, Strausberg
Datenschutzrecht in der anwaltlichen
Beratung
Kazemi/Leopold,
1. Aufl. 2011, 488 S., 59,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Das Datenschutzrecht gehörte zu jenen Spezialgebieten, die jeden
Anwalt in der täglichen Praxis treffen können. Verbrauchern wird
zum Beispiel mit einer „SCHUFA-Eintragung“ wegen streitiger
Forderungen gedroht, Freiberufler werden von Auskunfteien mit
Fragen zu Umsatz und Mitarbeitern konfrontiert und im Arbeitsrechtmandat wird gefragt, wer auf betriebliche E-Mails zugreifen
darf, wenn die Adresse auch privat genutzt wird. Viele datenschutzrechtliche Probleme, zum Beispiel beim Outsourcing, sind
den Mandanten zudem nicht bewusst. Kurz: im Datenschutzrecht
gibt es erheblichen Beratungsbedarf.
Mit dem vorliegenden Buch können sich auch „Nicht-IT-ler“
schnell einlesen. Zunächst werden die Rechtsquellen dargestellt,
dann die zentralen Begriffe erläutert. Diese finden sich am Ende
auch in einem Glossar. Dazwischen werden auf 317 Seiten Anwendungsfälle besprochen und Folgen von Verstößen erläutert.
Die Gliederung orientiert sich an der Beratungspraxis. Die Anwendungsfälle beginnen beim Datenschutz im Vertrieb (einschließlich Adressdatenhandel und Datenübermittlung zu Werbezwecken), gehen über den Datenschutz im Internet (von Cookies
über Google Analytics bis zum Facebook-Like-Button) und die
Rechte der Betroffenen sowie die Auftragsdatenverarbeitung
durch Dritte bis zur Datenübermittlung an Auskunfteien. Die
Frage, welche Daten dorthin übermittelt werden dürfen, ist für
Verbraucher ebenso interessant wie das Thema Scoring-Verfahren
(Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Zahlungsausfällen).
Viel Raum wird dem Datenschutz in Unternehmen gewidmet.
Auch hier orientiert sich die Darstellung an Praxisfragen wie dem
Umgang mit Bewerberdaten, der Nutzung von Internet, E-Mail
und Telefon am Arbeitsplatz, der Videoüberwachung, dem Einsatz
von Ortungssystemen oder der Darstellung der Arbeitnehmer im
Internetauftritt des Unternehmens. Ein eigenes Kapitel ist dem
Datenschutz in der Anwaltskanzlei gewidmet, bevor als letzter
Anwendungsbereich der Datenex- und -import angesprochen
wird.
Für Mandanten ist es wichtig, was bei einem Verstoß passiert.
Daher werden nicht nur die Bußgeldtatbestände dargestellt,
sondern auch die Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche auf
Beseitigung oder Unterlassung.
Fazit: Das Buch ermöglicht die punktgenaue Beschäftigung
mit den für das Mandat relevanten datenschutzrechtlichen
Fragen. Gleichzeitig wird der Leser für weitere datenschutzrechtliche Fragen sensibilisiert und kann so Beratungsbedarf
bei Bestandsmandanten erkennen.
RA Malte Dedden, Kehl
60
ADVOICE 03/11
Beck’sches Formularbuch IT-Recht
Wolfgang Weitnauer (Hrsg.)
2. Aufl. 2009, 664 S., mit CD-ROM, 112,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Das Rechtsgebiet „IT-Recht“ ist eine Schnittmenge aus mehreren
Rechtsgebieten, wobei die Gestaltung von Verträgen hier einen
besonderen Schwerpunkt bildet. Ein Formularbuch ist daher eine
beliebte Arbeitserleichterung für Anwälte, die in diesem Bereich
tätig sind.
Das Werk, welches in der zweiten Auflage erschienen ist, enthält
Formularsammlungen für folgende Vertragsbereiche: Providerleistungen, Softwareerstellung, Nutzungsrechte, Webdesign,
Domainrecht, Marketingrecht, E-Commerce, IT-Projekte, Electronic-Banking, DENIC-Anträge, Datenschutz und Arbeitsrecht.
Das Formularbuch, herausgegeben von Dr. Wolfgang Weitnauer,
entspricht dem gewohnt guten Standard des Beck-Verlages. Die
ausführlichen Anmerkungen zu jedem Formular sind umfassend
und gehen regelmäßig über mehrere Seiten. Die Anmerkungen
bieten eine gute Möglichkeit, an manchen Punkten tiefer in die
Probleme bestimmter Klauseln einzusteigen, zumal nach dem
jeweiligen Formular stets zahlreiche Fundstellen in Kommentaren
und Zeitschriften aufgeführt sind.
Praktischerweise liegt – wie bei Formularsammlungen heutzutage ja fast schon Standard – eine CD-ROM bei, was einen Umgang mit den Texten in der alltäglichen Arbeit erleichtert. Die CD
enthält zwar alle im Buch enthaltenen Vertragsmuster, aber die
jeweiligen Anmerkungen gibt es nur im Buch.
Klar ist natürlich, dass es selbst im IT-Recht noch Vertiefungen
gibt, so dass nicht alle Formulare für jede Kollegin oder Kollegen
relevant sind. Dies wird von einer allgemeinen Formularsammlung eines Rechtsgebietes auch schwer zu erwarten sein.
Dennoch mag es verwundern, dass beispielsweise einem extremen Nischenbereich, wie dem Electronic-Banking mehr Platz
eingeräumt wird, als beispielsweise dem doch sehr klassischen ITRechtsbereich der Providerverträge.
Fazit: Das Buch richtet sich an Juristen, die in diesem Bereich
praktisch arbeiten und ist damit hochgradig an die Bedürfnisse der anwaltlichen Arbeit ausgerichtet. Das Werk ist eine
sinnvolle Arbeitserleichterung, da es vor allem den Einstieg in
bestimmte Vertrags- und Formulierungsfragen erleichtert. Es
ist daher zu hoffen, dass der Verlag C. H. Beck das Werk bald
in einer aktuellen Auflage neu auflegt.
RA Sebastian Dramburg, LL. M., Berlin
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Bücher-FORUM
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
Streitwert-Kommentar
Verwaltungsrecht
Gerold/Schmidt,
19. Aufl. 2010, 1.845 S., 98,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Schneider/Herget,
13. Aufl. 2011, 1.937 S., 119,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Fehling/Kastner (Hrsg.),
2. Aufl. 2010, 3.214 S., 98,00 EUR,
Nomos Verlag
Die Änderungen des RVG, unter anderem hervorgerufen durch
das am 1.9.2009 in Kraft getretene FGG-Reformgesetz, sowie die
neuerliche Rechtsprechung erforderten die Neuauflage.
Seit Frühjahr 2011 liegt die Neuauflage des Streitwert-Kommentars für Zivilprozess und FamFG-Verfahren vor. Der Streitwert
ist für jeden zivilrechtlich tätigen Anwalt stets von großer
Bedeutung, da sich nach ihm die sachliche Zuständigkeit des
Gerichts und die Anwaltsgebühren nach dem RVG richten. Die
Neuauflage wurde insbesondere durch das Inkrafttreten des FGGReformgesetzes zum 1.9.2010 und der WEG-Reform erforderlich.
Auch wurden viele neue Stichwörter, zum Beispiel zur Belästigung
per SMS oder zur SCHUFA-Eintragung in den Kommentar aufgenommen. Auf über 1.900 Seiten legen die Autoren, allesamt
erfahrene Rechtsanwälte und Richter, praxisnah und fundiert dar,
welche Streitwerte bei bestimmten Sachverhalten anzunehmen
sind.
Der Kommentar Verwaltungsrecht wurde in der zweiten Auflage
etwas erweitert und umfasst neben dem VwVfG und der VwGO
nunmehr auch das VwZG und das VwVG. Da vorliegend vier
Gesetze in einem Band erläutert werden, wurde der Kommentar
auf sehr dünnem Papier gedruckt, welches von den einschlägigen
Gesetzessammlungen her bekannt ist.
Das Autorenteam des von Wilhelm Gerold und Herbert Schmidt
begründeten Kommentars setzt sich aus erfahrenen Anwälten
und Richtern zusammen. Das Werk orientiert sich an den praktischen Bedürfnissen. Die Kommentierungen sind in der gebotenen Ausführlichkeit gehalten und – insbesondere die Bearbeitungen zum Vergütungsverzeichnis – mit reichlich Berechnungsbeispielen und Beispielen zur Auslegung von Begriffen
durch die Rechtsprechung versehen. Weiterführende Literatur
und notwendige kürzere Auszüge anderer relevanter Gesetze sind
in die Ausführungen eingearbeitet. Im Text hervorgehobene
Schlagwörter und das Stichwortverzeichnis helfen bei der Suche.
Der siebenteilige Kommentar zeigt in Teil A den Gesetzestext des
RVG. Die Teile B und C bieten die Kommentierungen des RVG und
des Vergütungsverzeichnisses, gem. § 2 Abs. 2 RVG (VV). Im Teil D
sind als besondere Verfahrensarten das Arbeitsgerichtsverfahren,
der Einstweilige Rechtsschutz, das Selbständige Beweisverfahren,
die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit mit ihren vergütungsrechtlichen Auswirkungen dargestellt. Dem Auszug des
neuen FamGKG sind die Anwaltsgebühren in Familiensachen zu
entnehmen. Nützlich sind die Gebührentabellen zu §§ 13 und 49
RVG und zu VV 1009 sowie die Gebührenübersichten für das
Straf- und Bußgeldverfahren (Teil F). Neu ist der Teil G zum
Gegenstandswert, was es nicht nur erleichtert, den Gebührengegenstandswert zu ermitteln, sondern auch gleich die Anwalts gebühren korrekt zu berechnen. Ferner sind Streitwertkataloge
der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit abgedruckt.
Ein Bearbeitungsschwerpunkt sind die gebührenrechtlichen
Folgen des neuen FamFG auf das RVG. Neu geregelt wurden das
einstweilige Anordnungsverfahren in § 156 Abs. 3 FamFG oder
das Beschwerdeverfahren (VV Vorb. 3.2.1). Über § 23 Abs. 1 RVG
gelten die im FamGKG geregelten Gegenstandswerte des familienrechtlichen Verfahrens. Mit § 15a RVG korrigiert der Gesetzgeber die von einer jahrelangen einhelligen Handhabung abweichende BGH-Rechtsprechung mit ihren unbefriedigenden
Ergebnissen, die den gesetzgeberischen Zielen nicht nachkam.
Fazit: Die Arbeit mit dem „Gerold/Schmidt“ hilft besonders
dem Berufsstarter, seine Gebühren zu ermitteln, ohne Geld
zu verschenken. Der Blick in den „Gerold/Schmidt“ hilft immer
weiter.
Das Werk gliedert sich in drei Teile. Im 1. Teil wird das Verfahren
zum Streitwertrecht praxisnah dargestellt. Die Autoren erläutern
dabei die Wertfestsetzungen nach dem GKG, dem FamKG, dem
RVG und der KostO. Dem Leser wird der Inhalt dabei stets durch
Beispiele näher gebracht. Ferner beinhaltet das Werk auch diverse
Schriftsatzmuster an das Gericht.
Im 2. Teil befinden sich die Stichwörter zum Zivilprozess in
alphabetischer Reihenfolge. Die Autoren strukturieren jedes
Stichwort in den Zuständigkeits-, Gebühren- und Rechtsmittelstreitwert. Zum schnelleren Auffinden der für den Praktiker
benötigten Streitwertangabe werden zu den einzelnen Stichwörtern, beispielsweise zur Einstweiligen Verfügung, Einzelfälle
aus der Rechtsprechung alphabetisch sortiert aufgeführt. Positiv
hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Übersichtlichkeit, da wichtige Begriffe im Fettdruck hervorgehoben werden.
Ergänzt wird der Fließtext durch in Fußnoten zitierte Rechtsprechung, diverse Beispiele und Muster.
Im 3. Teil wird der Streitwert im FamFG-Verfahren kommentiert.
In über 90 Stichwörtern gehen dabei die Autoren auf die im
FamFG-Verfahren geltenden Besonderheiten ein. Hervorzuheben
ist in diesem Zusammenhang besonders die erneut umfangreich
zitierte Rechtsprechung, ergänzt durch gute Übersichten und
Formulierungsmuster.
Im ersten Teil wird das VwVfG kommentiert. Den jeweiligen Erläuterungen schließen sich Hinweise auf eventuell bestehende
landesrechtliche Besonderheiten an. Zwar haben die meisten
Länder wortgleiche Regelungen in ihren Verwaltungsverfahrensgesetzen oder verweisen auf das VwVfG des Bundes. Haben
die Länder dennoch abweichende Regelungen getroffen, verweist
der Kommentar darauf. Ebenso wird knapp auf die Parallelnormen
oder andere Fachgesetze hingewiesen.
Teil 2 befasst sich mit der VwGO. Die Darstellung der jeweiligen
Norm entspricht grundsätzlich dem zum VwVfG gesagten. In den
für das verwaltungs-(gerichtliche) Verfahren so wichtigen Normen wie §§ 42, 43, 68, 80, 113 und 123 VwGO finden sich unter
anderem Prüfungsschemata und auch Formulierungsbeispiele.
Etwas zu kurz wird auf den Wegfall des Vor- bzw. Widerspruchsverfahrens in einigen Bundesländern eingegangen. Der Wegfall
dieser „Zwischeninstanz“ verursachte und verursacht auch unter
Rechtsanwälten immer wieder Unsicherheiten, sodass die Besonderheiten durchaus etwas ausführlicher hätten beleuchtet werden
können, ohne dass dies das Format eines „Handkommentars“
gesprengt hätte. Weitere Besonderheiten sind zum Beispiel, dass
im § 164 VwGO der Streitwertkatalog dargestellt ist. Als sehr
angenehm überraschte am Ende der Kommentierung zur VwGO,
dass die Autoren umfangreich auf gebührenrechtliche Fragen
rund um das Mandat im Verwaltungsrecht eingehen und auch
Muster für Vergütungsvereinbahrungen zu finden sind.
Teil 3 und 4 befassen sich mit dem VwZG und dem VwVG. Nach
den zum Teil sehr umfangreichen Erläuterungen wird auch auf
die Besonderheiten der jeweiligen Landesgesetze eingegangen,
so die Länder abweichende Regelungen getroffen haben.
Fazit: Der Schneider/Herget ist für die Praktiker in Justiz und
Anwaltschaft ein außerordentlich gelungener Ratgeber.
Durch seine übersichtliche Darstellungsweise und die präg nanten Formulierungsmuster ermöglicht er dem zivilrechtlich
tätigen Rechtsanwalt ein schnelles und fundiertes Arbeiten.
Fazit: Die Zusammenfassung insbesondere der VwGO und des
VwVfG in einem Kommentar und die dennoch sehr ausführliche Darstellung der Normen machen das Werk zu einem
sehr guten Hilfsmittel für den täglichen Gebrauch, welches
über das hinausgeht, was man fachlich und vor allem auch
preislich von einem „Handkommentar“ erwarten darf.
RA Martin Bretzler, Hann. Münden
RA Dirk Hofrichter, Strausberg
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Bücher-FORUM
Handbuch der Testamentsgestaltung
Handbuch Pflichtteilsrecht
Das Ende der Geduld
Nieder/Kössinger
4. Aufl. 2011, 1.100 S., 109,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Schlitt/Müller (Hrsg.),
1. Aufl. 2010, 864 S., 108,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Kirsten Heisig,
2. Aufl. 2010, 205 S., 14,95 EUR,
Verlag Herder
Das Handbuch der Testamentsgestaltung beinhaltet die Grundlagen und Gestaltungsmittel für Verfügungen von Todes wegen
und vorbereitende Erbfolgemaßnahmen. Das Werk beginnt mit
Überlegungen vor der Gestaltung von Verfügungen von Todes
wegen. Ein eigenes Kapitel widmet sich dem in der Praxis immer
wichtiger werdenden Pflichtteilsrecht. Es folgen Ausführungen
zu den erbrechtlichen Gestaltungsmitteln und zu Form, Formulierungen und Aufbau von Verfügungen von Todes wegen. Das
Handbuch behandelt Vorschläge zu vorbereitenden Erbfolgemaßnahmen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden und gibt
einen umfassenden Katalog von Fallgruppen zu erbrechtlichen
Gestaltungsformen. Gegenstand dieses Werks ist abschließend
auch die Beeinflussung der Erbfolge nach dem Erbfall.
Das Handbuch Pflichtteilsrecht vermittelt Kenntnisse zur
Ermittlung, Durchsetzung und Abwehr von Pflichtteilsansprüchen
und behandelt Fragen der Vermögensnachfolgegestaltung im
Hinblick auf die Minimierung von Pflichtteilsansprüchen. Gegenstand des Werks ist auch das Pflichtteilsrecht im Steuerrecht, der
Pflichtteilsanspruch in den neuen Bundesländern sowie das
internationale Pflichtteilsrecht.
Kirsten Heisig war bis zu ihrem Tod im Juli 2010 Jugendrichterin
am Amtsgericht Tiergarten und zuletzt zuständig für den Bezirk
Neukölln/Nord.
Die Autoren weisen darauf hin, dass vor der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen an erster Stelle der Überlegungen eines
Erblassers die Frage nach der gesetzlichen Erbfolge auf sein
Ableben zu stehen hat, damit er das Maß der von ihm gewünschten Änderung in der Erbfolge feststellen kann. Die nächste darauf aufbauende Feststellung betrifft eventuell vorhandene
Pflichtteilsberechtigte und ihre Quote, um die Grenzen der Abänderungsmöglichkeiten des Erblassers abstecken, und eventuelle
vorhandene Pflichtteilsminderungsmöglichkeiten nutzen zu können.
Im Rahmen der erbrechtlichen Gestaltungsmittel wird hinsichtlich
der Vorteile eines Erbvertrags ausgeführt, dass der Erbvertrag
nicht nur wie das gemeinschaftliche Testament zwischen Eheleuten errichtet werden kann, sondern zwischen beliebigen Personen, insbesondere auch zwischen Verlobten und nichtehelich
Zusammenlebenden. Als Nachteil des Erbvertrages führt der
Bearbeiter aus, dass die gesetzlichen Rücktrittsrechte von
vertragsmäßigen Verfügungen gemäß §§ 2294, 2295 BGB nicht
abbedungen werden können.
Zahlreiche Formulierungsbeispiele, Formulierungshilfen und
Checklisten machen das Werk zu einem wertvollen ausführlichen
Hilfsmittel für jeden auf dem Gebiet des Erbrechts tätigen Anwalt.
Autoren des Handbuchs der Testamentsgestaltung sind Dr. Heinrich Nieder, Dr. Reinhard Kössinger und Dr. Winfried Kössinger,
die als Notare tätig sind beziehungsweise waren.
Fazit: Das Werk ermöglicht jedem Anwalt die sichere Gestaltung von Verfügungen von Todes wegen und vorbereitenden
Erbfolgemaßnahmen.
Der Leser wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein Erbverzicht
insoweit keine Pflichtteilsvermeidungsstrategie darstellt, wenn
mit dem Verzicht erreicht werden soll, dass sich der Kreis der
Pflichtteilsberechtigten quotal reduziert. Denn wirtschaftlich
gesehen, werden die Erbansprüche und auch die Pflichtteile nicht
reduziert, es findet lediglich eine personelle Verschiebung statt.
Soweit der Erblasser die Entziehung des Pflichtteils auf Geschehnisse stützt, die nach seinem Tod möglicherweise ohne sein Zutun
nicht zu beweisen sind, erhält der Leser den Praxistipp, dass dem
Erblasser im Hinblick auf § 2336 III BGB die Durchführung eines
selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 ZPO) anzuraten ist.
In Frankreich sind seit der Reform des Jahres 2006 nur noch die
Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt und gegebenenfalls der überlebende Ehegatte, nicht mehr aber Verwandte in
aufsteigender Linie. Die gesetzlichen Bestimmungen legen nicht
die Pflichtteile der Berechtigten fest, sondern die Quote, über die
der Erblasser ohne Einschränkung verfügen darf. Der übrige Teil
bildet dann die Summe, aus der sich die bestehenden Noterbrechte speisen.
Das Pflichtteilsrecht wird dem Leser verständlich gemacht durch
Übersichten und Beispiele mit Lösungen. Checklisten, Praxistipps,
Formulierungsvorschläge und Musterschriftsätze unterstützen
jeden Anwalt bei seiner täglichen Arbeit. Die das Werk abschließenden Länderberichte geben einen orientierenden Überblick über
das Pflichtteilsrecht in wichtigen europäischen Nachbarstaaten.
Bearbeiter des Handbuches sind 13 erbrechtliche Spezialisten, die
überwiegend als Rechtsanwälte und Fachanwälte für Erbrecht,
aber auch als Professoren, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig sind und auch auf dem Gebiet des Erbrechts publizieren.
Fazit: Das Handbuch Pflichtteilsrecht ist ein geeignetes und
hilfreiches Informations- und Nachschlagewerk für jeden
Anwalt, der auf dem Gebiet des Erbrechts tätig ist.
RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim
Bereits zu Beginn des Buches wird deutlich, dass diese Niederschrift für sie eine Herzensangelegenheit darstellte. Wer eine
wissenschaftliche Abhandlung mit vielen Statistiken und tief
greifende Analysen bevorzugt, dem sei vom Lesen dieses Buches
abzuraten. Vielmehr ist es lebensnah, praktisch und plastisch
geschrieben. Heisig schildert dabei vor allem Fälle aus ihrer täglichen Arbeit und beruft sich auf ihre langjährige Berufserfahrung.
Zunächst gibt die Autorin einige Fallbeispiele – belegt mit ein paar
Statistiken – in denen „kriminologische“ Faktoren, d. h. Straftaten
begünstigende Lebensumstände, immer wiederkehren. Hierzu
zählen zum Beispiel Alkoholmissbrauch, Arbeitslosigkeit und
Prügel im Elternhaus. Einhergehend mit der eigenen Perspektivlosigkeit führen diese dazu, dass die Jugendlichen häufig selbst
alkohol- und auch drogenabhängig werden. Dabei stellen „harte“
Drogen keine Ausnahme dar. Diese lösen, so Heisig, Allmachtsfantasien und Unantastbarkeitsgefühle aus. Häufig würden dann
Opfer zufällig provoziert und teilweise brutal zusammengeschlagen, wobei oft marginale Auslöser genügten, die in keinem
Verhältnis zu den dann folgenden Gewaltexzessen stünden. Ein
Grund für diese Verrohung sieht die Autorin auch in dem verbreiteten Konsum von Gewalt verherrlichender Rap-Musik.
Den größten Teil ihres Buches widmet sich Heisig kriminellen
Jugendlichen mit Migrationshintergrund, da diese auch den
größten Teil der Intensivtäter ausmachen. Sie beleuchtet dabei
die Hintergründe und erklärt, dass es auch ein großes Problem
sei, dass viele Täter die geltenden Gesetze und Regeln in
Deutschland nicht akzeptieren und sich in allen Lebenssituationen
darüber hinwegsetzen.
Heisig macht in ihrem Buch zahlreiche Vorschläge, was im Bereich
der Präventionsarbeit getan werden kann und erklärt auch „ihr“
Neuköllner Modell.
Fazit: Abschießend kann ich sagen, dass dieses Buch meine
Sichtweise auf Jugendliche und deren Verhaltensweisen verändert hat. Viele Vorschläge von Heisig befürworte ich, sehe
aber in einigen ein Problem bei der Umsetzung. Denn hierfür
müsste in den betroffenen Familien ein Umdenken stattfinden und auch der Wille zur konsequenten Zusammenarbeit
mit der jeweiligen Institution vorhanden sein.
RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim
RAin Christine Frey, Berlin
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Autorenverzeichnis
Friederike Lemme
ist seit 2009 Assessorin und zurzeit im Bereich der Existenzgründerberatung tätig. Als logische Konsequenz daraus folgt demnächst die
Gründung einer Sozietät mit Schwerpunkten im IT-, Insolvenz- und Gesellschaftsrecht.
Marek Schauer,
geb. 1976, ist in eigener Kanzlei in Berlin als Rechtsanwalt in den Schwerpunkten Straf-, Sozial- und Mietrecht tätig.
www.ra-schauer.de
Michaela Retzlaff
ist Rechtsanwältin in Berlin und bearbeitet die Schwerpunkte Miet-,
Immobilien- sowie Verkehrsrecht in eigener Kanzlei.
www.ra-retzlaff.de
Ute Ernst
ist seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2007 im württembergischen Schönaich in eigener Kanzlei tätig. Sie ist Fachanwältin für Sozialrecht, ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist das Versicherungsrecht.
[email protected]
Lars Anderson
ist Rechtsanwalt und Mediator in eigener Kanzlei in Berlin, Schwerpunkt
Familienrecht. Als Mediator vermittelt er zudem in Unternehmen.
www.mediation-anderson.de
Steffen Eube
ist angestellter Jurist bei HDI-Gerling Firmen und Privat Versicherung AG
und dort im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig.
[email protected]
Katrin Kirchert
hat im November 2010 ihr Referendariat beendet. Neben ihrer anwaltlichen Ausbildung hat sie bereits Erfahrungen auf dem Gebiet des juristischen Lektorats gesammelt. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
[email protected]
Robert Leisner
ist seit 2005 Rechtsanwalt und in Berlin-Spandau Partner der Kanzlei Lohf
Leisner. Seine Schwerpunkte sind Verkehrs-, Versicherungs- und Zivilrecht,
u. a. zu diesen Rechtsgebieten führt er das Weblog rechtsanwalt-leisner.de.
[email protected]
Reinhard Enßlin
ist Fachanwalt für Familienrecht mit eigner Kanzlei in Mannheim.
[email protected]
Andrea Kirberger
ist Rechtsanwältin im Büro Dresden der Anwaltssozietät Kirberger & Partner
GbR mit dem Schwerpunkt im privaten Baurecht sowie Architektenrecht.
Seit 2009 ist sie Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht.
[email protected]
Jutyar Alkaidy
studiert an der Freien Universität Berlin Rechtswissenschaft (5. Semester).
Sein Schwerpunkt ist Zivilrecht.
[email protected]
Gregor Samimi
ist Fachanwalt für Strafrecht, Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und
gehört dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin an.
Henning J. Bahr, LL.M.,
ist Rechtsanwalt in Osnabrück. Schwerpunkte: Verwaltungsrecht, dort im
Ausländer-/Asylrecht, Agrar-, Straf- und Verfassungsrecht.
[email protected]
Cornelia Liedtke
ist Rechtsassessorin in Berlin.
Wolfgang A. Gustavus
ist Rechtsanwalt, FA für Arbeitsrecht und Notar. Er gehört dem Präsidium
der Rechtsanwaltskammer Berlin an.
[email protected]
Astrid Ackermann
ist Rechtsanwältin, betreibt in Frankfurt/Main eine Kanzlei im Medienund IT-Recht und ist dort auch Regionalbeauftragte. Sie ist Mitglied des GfA
des FORUMs und für Seminare/Fortbildung sowie die AdVoice zuständig.
[email protected]
Christine Frey
ist selbständige Rechtsanwältin in Berlin mit Schwerpunkten im Strafrecht, Verkehrsrecht und allg. Zivilrecht.
www.anwaltskanzlei-frey.de
Schreibt für AdVoice!
Eure Beiträge schickt bitte an: > [email protected]
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Service
Das letzte Wort
Redaktionsschluss: Heft 4/2011 (Dezember-Ausgabe), 21.10.11
Verrechnet
Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch, RA
Patrick Ruppert, RA Volker Loeschner / Bildredaktion: Andrea
Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias
Sommer (Chefredakteur) Anschrift wie Herausgeber
Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath
Endlich Ferien, Urlaub, mal zwei Wochen ohne
Büro. Ich hatte alles vorbereitet, Fristen erledigt,
Fristen verlängert. Eigentlich sollte nichts anbrennen. Eigentlich – auch nicht bei der Rechtsbeschwerde. Ich hatte mich intensiv damit beschäftigt. Die Begründung war dem Gericht
gefaxt worden, sicherheitshalber einen Tag vor
Fristablauf – meinte ich jedenfalls. Die Frist
hatte ich genau berechnet. Es war meine erste
Rechtsbeschwerdebegründung inklusive Zulassungsantrag. Ich hatte extra nachgelesen, mich
mehrfach versichert. Die Frist endet (frühestens)
einen Monat nach Zustellung des Urteils. Zugestellt wurde es, sagen wir mal, am 12. Mai dieses
Jahres an den Mandanten. So stand es auf dem
gelben Brief. Also war bis 12. Juni Zeit, die
Rechtsbeschwerde zu begründen. Am 11. Juni
wurde die Begründung gefaxt.
Alles war gut – dachte ich. Bis ich im Urlaub einen
Anruf erhielt: Ein Verwerfungsbeschluss sei da in der
Rechtsbeschwerdesache, wegen Verfristung? Mir lief
es heiß und kalt den Rücken herunter. Hatte ich mich
doch verrechnet, das Gesetz falsch gelesen, im Kom-
Bei manchen Gerichten ist das offenbar auch so ...
mentar die Ausnahme übersehen? Ach ja, zugestellt
sei das Ganze an den Betroffenen und wir hätten
nur eine Woche zur sofortigen Beschwerde – bingo.
Mandanten anrufen, Beschluss mailen lassen und
Fax organisieren – das waren die Aufgaben an diesem Urlaubstag. Das Internet war nicht das Schnellste.
Ein Fax fand sich im Tourismusbüro und meinen
Rechner hatte ich gegen den Protest der anderen
Familiemitglieder zum Glück mitgenommen.
Tags darauf hatte sich der erste Schreck gelegt und
ich meine sofortige Beschwerde vorab per Fax gesendet. Wieder im Büro hab ich das Ganze noch begründet. Den Fehler habe ich auch beim zehnten Mal
Lesen der Akte nicht gefunden. Jetzt musste es laufen.
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
Littenstraße 11, 10179 Berlin,
Tel. 030/7261520
Erscheinungsweise:
vierteljährlich (März / Juni / September / Dezember)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2011
Anzeigen:
sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos
Siegburger Str. 123, 53229 Bonn
Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20
E-Mail: [email protected]
Bezugspreis:
48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten
für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des
FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein
ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN 1437-3084
Eine gute Zeit später, ich hatte das Ganze fast vergessen, kam ein Brief von zuständigen Gericht – die
Verwerfung wird aufgehoben. Meine Beschwerdebegründung war dem Richter zu spät vorgelegt
worden – gut eine Woche nach Fristablauf.
RAin Anke Schiller Mönch, Weimar
Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring, BILDART
Druck: Liebeskind Druck, Apolda
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder.
Foto: Gerd Altmann_pixelio.de
ADVOICE 04/11
Kultur
Kultur ist ein Begriff, mit dem gerade so inflationär um sich geworfen wird. Er ist
schwer zu fassen und extrem vieldeutig.
Und was haben Juristen damit zu tun? Eine
ganze Menge. Neben guter und beschädigter Rechtskultur soll es in unsere nächsten
Ausgabe um das Recht auf Kultur, Leitkultur, Streitkultur, Linkskultur und Kultur zum
Kaufen gehen. Über Themenvorschläge freut
sich die Redaktion unter:
> [email protected]
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ADVOICE 03/11
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