Schwerpunkt 4: Unterrichtsverhalten der Schüler/-innen

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Schwerpunkt 4: Unterrichtsverhalten der Schüler/-innen
Vorlesung „Einführung in die Schulpädagogik“ WS 2010/11
(Boenicke / Popp)
Schwerpunkt 4: Unterrichtsverhalten der
Schüler/-innen
• Grundannahmen der
Sozialisationstheorie
• Wie verändert sich Kindheit
und Jugend heute? Welche
Folgen hat das für die
Schule?
• Soziales Lernen: Konzepte
für den Schulalltag
• Video: Unterricht BodenseeSchule St. Martin
Prof.Dr. Boenicke
Institut für Bildungswissenschaft
www.ibw.uni-heidelberg/~aeschule.de
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Grundannahmen der Sozialisationstheorie:
Erziehungsziele
Sozialisationswirkungen
•
•
•
•
•
•
Übernahme erwünschter
Verhaltensnormen einer
(Leit-) Kultur
erwünschte Einstellungen
erwünschte
Persönlichkeitsmerkmale
geplante Einflussnahme
durch Personen und explizit
vertretene Normen
Prof.Dr. Boenicke
•
•
•
•
Übernahme vorgefundener
Verhaltensstandards einer
Gruppe
vorherrschende
Einstellungen
typische Rollenerwartungen
ungeplante Wirkungen
durch implizite Normen von
Institutionen und Gruppen,
z.B. in der peer-group
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Sozialisation durch die Familie und durch
die Schule
Sozialisation durch die
Familie:
Sozialisation durch die
Schulklasse:
•
•
Position vor allem über
- Leistungsfähigkeit
- Leistungsbereitschaft
•
•
•
Einer Gruppe zugehörig
Häufiger Wechsel
Versachlichung
Position vor allem über
-Generationszugehörigkeit
- Alter
- Geschlecht
• Als Individuum wichtig
• Weitgehend stabile Position
• Emotionale Bindung
Prof.Dr. Boenicke
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Sozialisationsinstanzen:
• Familie
• Gesellschaftliches Umfeld (z.B. Nachbarschaft,
Wohnviertel, Vereine, Kirche)
• Schule
• Gleichaltrigengruppe
• Medien
Prof.Dr. Boenicke
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Das Konzept der „produktiven
Realitätsverarbeitung“
Welche Freiheitsgrade gibt es gegenüber
Erziehungszielen und Sozialisationswirkungen?
– Sich davon prägen lassen oder sich von ihnen
distanzieren?
– Damit übereinstimmen oder davon abweichen?
– Sie reproduzieren oder kreativ verändern?
Prof.Dr. Boenicke
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Schule als Ort der Sozialisation:
• Bedeutungszuwachs von Schule bezogen auf die
Kontakte mit Gleichaltrigen
• Auseinanderentwicklung von „Vorderbühne“ und
„Hinterbühne“ in der Schule
• Vielzahl von Rollen, die häufig wechseln
• Soziales Lernen: Erfahrung, dass Zusammenleben
gezielt gestaltet werden kann:
- Methoden der Konfliktregelung, Streitschlichter-Programme,
- Lern-Partnerschaften, Patenschaften,
- Feste, Theater, Musik
Prof.Dr. Boenicke
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Kompetenz-Felder :
•
•
•
•
Fachkompetenz
Methodenkompetenz
Soziale Kompetenz
Personale Kompetenz
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Soziale Kompetenz
• Teamfähigkeit: Einnahme konstruktiver sozialer
Rollen
• Kommunikationsfähigkeit: Kooperations- und
Konfliktfähigkeit
• Konsensorientierung: Beachtung von Spielregeln
gesellschaftlichen Verhaltens
• Solidarität: Wahrnehmungsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit bei sozialer Benachteiligung
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Ziele sozialen Lernens in der Schule:
•
•
•
•
•
•
Kommunikationsfähigkeit
Konsensorientierung, Einigung erzielen
Interessenausgleich
Perspektivübernahme, Empathie
mit Differenz konstruktiv umgehen, Toleranz
Solidarität, Hilfsbereitschaft
Prof.Dr. Boenicke
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Voraussetzung: Personale Kompetenzen
z.B.
• Fähigkeit zur Selbstreflexion
• positives Selbstkonzept, Selbstsicherheit
• Selbstwirksamkeits-Überzeugungen
• Identitätsdarstellung, Sympathie erzeugen
• Verantwortungsbereitschaft
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Elemente sozialen Lernens im Unterricht
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•
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•
•
Sich selbst wahrnehmen und angemessen
darstellen
Andere wahrnehmen (Perspektivübernahme)
Feedback geben und empfangen
Konflikte bearbeiten
Gruppen bilden und in Gruppen leben
In Gruppen arbeiten
Den gemeinsamen Lernprozess beurteilen und
abschließen
Prof.Dr. Boenicke
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Beispiel Soziales Lernen Kl. 5
Alexander-von-Humboldt-Schule Viernheim
1. Projektblock: Schwerpunkt Kennenlernen –
Zusammenwachsen
(Dauer: die Restwoche nach der Schulaufnahme)
2. Projektblock: Schwerpunkt Kommunikation –
Grundlagen für die Gesprächskultur
(Dauer: 2 Tage, Zeitpunkt: nach den Herbstferien)
3. Schwerpunkt: Konfliktlösung
(Dauer: 2 Tage, Zeitpunkt: nach den Herbstferien)
4. Schwerpunkt: Gefühle – Klassengemeinschaft
(Dauer: 2 – 3 Tage, Zeitpunkt: Ende des Schuljahres
Begleitend: Klassenratsstunden
Prof.Dr. Boenicke
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Literatur
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Fend, H. (1991), Identitätsentwicklung in der Adoleszenz. Lebensentwürfe,
Selbstfindung und –weltaneignung in Beruflichen, familiären und
politisch-weltanschaulichen Bereichen. Bern, Stuttgart
Grundmann, M. (2006), Sozialisation. Skizze einer allgemeinen Theorie.
Konstanz
Hurrelmann, K. (2008), Handbuch Sozialisationsforschung, 7. Aufl.,
Weinheim u.a.
Hurrelmann, K. (2002), Einführung in die Sozialisationstheorie – Über den
Zusammenhang von Sozialstruktur und Persönlichkeit, 8. Aufl., Weinheim
u.a.
Mitschka, R. (2007) Soziales Lernen im Klassenraum - Lehrer und Schüler
werden teamfähig. PÄDAGOGIK, Heft 4, S. 31-35
Ulich, K. (2001), Sozialpsychologie der Schule. Weinheim u.a.
Prof.Dr. Boenicke
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Kindheit und Jugend 2010
1. Veränderte
Rahmenbedingungen
2. Auswirkungen auf
schulisches Handeln
1.1 Veränderte Rahmenbedingungen
• Ph. Aries: 1960:
Kindheit u. Jugend als Schonraum ó
• N. Postman 1986: Verschwinden der Kindheit
Auflösungserscheinungen der traditionellen Familien:
Markus Popp – Uni HD
31.12.2008 (Statistisches Jahrbuch 2009, S. 47):
11,6 Mio.
Paare ohne Kinder
12,1 Mio.
Haushalte mit Kindern
16,9 Mio.
Alleinstehende
3,5 Mio. Haushalte alleinerziehend / eheähnliche Gem.
è 28,9 % aller Haushalte mit Kindern
1.2 Veränderte Rahmenbedingungen
Neue Armut zum Jahresende 2004:
- 3,5 % Sozialhilfeempfänger bundesweit (2,9 Mio.)
Markus Popp – Uni HD
- Kinder unter 15 Jahren (ca. 965.000)
è 33% aller Sozialhilfeempfänger
- Menschen von 65-80 Jahren (ca. 174.000)
è 6 % aller Sozialhilfeempfänger
è Beeinträchtigung der Bildungschancen für die Kinder
Quelle:
Sozialhilfestatistik des Statistischen Bundesamtes 2004
http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2005/p3390081.htm
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 19.08.05
1.2 Veränderte Rahmenbedingungen
Markus Popp – Uni HD
Neue Armut 2009
(nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe – „Hartz IV“):
- 1,8 Mio. (17%) Kinder in D von Armut betroffen
(2007: 1,5 Mio - 14%)
- ca. 3 Mio. Kinder leben von Sozialgeld / Sozialhilfe
(2004: ca. 1 Mio. / 2007: 2,5 Mio)
Quelle: Kinderreport Deutschland 2010 – 25.11.2009
1.3 Veränderte Rahmenbedingungen
Veränderung des Erziehungsstils:
Markus Popp – Uni HD
„permissiv, liberal, offen, leistungsbetont“
Ÿ Befehlshaushalt è Verhandlungshaushalt
Ÿ Lern- und Leistungsfragen bestimmen das
Familienklima
Zielwert: „Das perfekte Kind“ (Brater, 1997)
1.4 Veränderte Rahmenbedingungen
Medienangebote / Medienkonsum:
- jederzeit verfügbare Unterhaltung / Information
Markus Popp – Uni HD
ooooooooo
- Überwiegen der Sekundärerfahrungen
- Bewegungsarmut
- Unterentwicklung von sozialer und Sprachkompetenz
1.5 Veränderte Rahmenbedingungen
Jugendliche als Konsumenten:
- Befriedigung grundlegender Bedürfnisse ist entproblematisiert.
- Jugendliche fühlen sich ernst genommen.
Markus Popp – Uni HD
ooooooooo
- Kommerzialisierung aller Lebensbereiche
- Konzentration / Abhängigkeit von äußeren
Persönlichkeitsmerkmalen
- teuer = wertvoll
Veränderte Rahmenbedingungen
Markus Popp – Uni HD
„Das Kind wird nicht erst ein
Mensch, es ist schon einer.“
Janusz Korczak
(1878-1942)
2.
Auswirkungen auf
schulisches Handeln
- Verhandeln / Verständnis
- Medienkompetenz (D. Baacke)
- moralische Orientierung / Wertevermittlung
Markus Popp – Uni HD
- Erwerb von Grundkompetenzen (Lesen...)
- Verlässlichkeit im Verhalten der Lehrkräfte
- Bildorientierung des Lehrstoffes (?)
Markus Popp – Uni HD
Literatur
l
Ariès, Ph., Geschichte der Kindheit. München: 1975.
l
Baacke, Dieter, Medienpädagogik, Tübingen: 1997
l
Brater, M., K., Schule und Ausbildung im Zeichen der
Individualisierung. In: Beck, U., Kinder der Freiheit. Frankf./M.:
1997.
l
Hurrelmann, K. u.a., Was wissen wir über Jugendliche? In:
Pädagogik 10/03, S. 8ff.
l
Korczak, J., Das Recht des Kindes auf Achtung. Göttingen:
1973.
l
Postman, N., Das Verschwinden der Kindheit. Frankfurt/M.:
1986.
Markus Popp – Uni HD
Literatur
l
Statistisches Bundesamt, Statistisches
Jahrbuch 2009
l
Dt. Kinderhilfswerk e.V. (Hrsg.), Kinderreport
Deutschland 2010, Freiburg: 2009

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