Von der Allgegenwart des Gegensinns (und einiger anderer

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Von der Allgegenwart des Gegensinns (und einiger anderer
Zeitschrift für romanische Philologie Bd. 97, Heft 1/2, S. 1-­‐40. Die Seitenangabe des Ori-­‐
ginals ist in eckigen Klammern wiedergegeben. Nur die Orthographie wurde angepasst. Außerdem wurde mit Abschnitt 2.1a nach einer Re-­‐Lektüre im Jahr 2011 ein aktualisie-­‐
render Zusatz eingefügt. Von der Allgegenwart des Gegensinns (und einiger anderer Relationen) Strategien zur Einordnung semantischer Information Wolfgang Raible (Universität Freiburg) Eugenio Coseriu zum 27.7.19811 Die nachfolgenden Ausführungen haben vier Teile. Der erste Teil enthält einige Vorüber-­‐
legungen, der zweite befasst sich mit einer ersten Interpretation von Ergebnissen der sprachpsychologischen Assoziationsforschung. Im dritten Teil wird diese Interpretation durch einen Rückgriff auf Teil 1 vertieft. Der letzte Teil enthält dann vier weiterführende Schlussüberlegungen. 1. Vom Wahrnehmen, Sprechen und Denken in Gegensätzen 1.1. Zweierschema als Denkmodell Aristoteles berichtet im A der Metaphysik (986a22ff.): «Andere aus der Schule der Pythagoreer sagen, es gebe zehn Prinzipien, die sie in Form einer Reihe von geord-­‐
neten Paaren (συστοιχία) nennen: begrenzt ungerade das Eine rechts männlich ruhend gerade (εὐθύ) hell gut gleichseitig (quadratisch) unbegrenzt gerade (von Zahlen -­‐ ἄρτιον) das Viele links weiblich bewegt krumm dunkel schlecht ungleichseitig Zweierschemata dieser Art sind nun nicht etwa spezifisch pythagoreisch. Man hat sie -­‐ beispielsweise -­‐ als charakteristisch für das frühgriechische [p. 2] Denken im All-­‐
gemeinen bezeichnet2. 1 Der Aufsatz ist entstanden als ein Beitrag zur Festschrift für Coseriu. Wegen des Umfangs, den er ange-­‐
nommen hat, erscheint er -­‐ dank des Entgegenkommens von Kurt Baldinger -­‐ an dieser Stelle. Kurt Baldin-­‐
ger, Hans-­‐Martin Gauger und Wulf Oesterreicher danke ich für zahlreiche wertvolle Hinweise. 2 Fränkel 1962: 603-­‐605; vgl. 603: «Ein Widerspruch polarer (absoluter, oder schroffer, extremer) Gegen-­‐
Was die Vorsokratiker angeht, sei hier an solche entgegengesetzten Prinzipien er-­‐
innert wie das Warme und das Kalte bei Anaximander, Erde und Wasser bei Xenophanes, Wahrheit und Schein, Licht und Dunkel, Sein und Nicht-­‐Sein bei Parmenides, Liebe und Hass bei Empedokles. Man denke weiterhin an Platons beide Prinzipien (ἓν und δυάς) mit ihren spezifischen, wiederum jeweils entgegengesetzten Ausprägungen. Charakteristisch ist solches Denken freilich nicht nur für die Vorsokratiker oder für Platon; charakteristisch ist es für Aristoteles selbst. Eigentümlich für ihn ist dabei ei-­‐
ne „triadische" Version des Gegensatzes, die vor allem dazu dient, das Problem des Wer-­‐
dens und des Vergehens zu lösen: An einem gleichbleibenden Substrat lösen sich zwei Gegensätze ab. Wenn, um ein Beispiel aus dem Δ der Physik aufzugreifen, aus einem un-­‐
gebildeten ein gebildeter Mensch wird, so bleibt der Mensch, wie im sprachlichen Bei-­‐
spiel (ἄνθρωπος ἄµουσος/μουσικός), als Substrat erhalten, aus 'ungebildet' wird das ent-­‐
gegengesetzte (ἀντικείµενον) 'gebildet'3. In den Zusammenhang des aristotelischen Den-­‐
kens in Gegensätzen gehört etwa auch die Klassifizierung der Sinneseindrücke, die in der Schrift De sensu jeweils auf ein Paar von entgegengesetzten Begriffen (ἀντικείµενα) gegründet werden: die Farben liegen zwischen den Extremwerten 'schwarz' und 'weiß', die Geschmacksempfindungen zwischen 'bitter' und 'süß', die Gerüche zwischen 'ange-­‐
nehm' und 'unangenehm'. 1.2. Sprachliche Gegensätze Aristoteles hat nicht nur Zweierschemata der genannten Art als Denkmodell ver-­‐
wendet. Er hat sich auch mit den sprachlichen Erscheinungsformen des Gegensatzes in-­‐
tensiv befasst. Dies geschah bereits in den Frühschriften -­‐ in der nicht erhaltenen Schrift über das Entgegengesetzte (Περὶ ἀντικειµένων) und in den Kategorien, also in einer Ab-­‐
handlung, die sich mit den Formen sinnvoller Aussagen befasst, die man über einen Menschen machen kann4. Diese Formen sind den zehn «Kategorien» zuzuordnen, also Größen wie Ort, Zeit, Relation, Qualität, Quantität. Typisch ist, und Aristoteles führt dies auch an einer Reihe von Beispielen aus, dass in fast allen dieser Kategorien (wenn sie nicht, wie etwa 'tun' und 'leiden' selbst als Gegensatzpaare aufgefasst werden können) Gegensätzliches eine große Rolle spielt: also etwa 'groß/klein' in der Dimension [p.3] der Relativität, 'gleich/ungleich' im Bereich der Quantität, 'oben/unten' im Bereich des Orts etc. In den Kategorien zeigt Aristoteles jedoch nicht nur die Wichtigkeit der Gegens-­‐
ätze für unsere Orientierung: er analysiert gleichzeitig die sprachlichen Erscheinungs-­‐
formen des Gegensätzlichen: es gibt vier Arten des Entgegengesetzten (λέγεται δὲ ἕτερον
ἑτέρῳ ἀντικεῖσθαι τετραχῶς), heißt es an der betreffenden Stelle (11b 17). Aristoteles un-­‐
terscheidet dort: 1. Die Korrelation, also das Entgegengesetzte im Bereich des Relativen, ὡς τὰ πρός τι. Ein Beispiel ist das Verhältnis zwischen dem Doppelten und der Hälfte: Das, in Bezug auf was etwas doppelt ist, ist die Hälfte des Doppelten (οἷον τὀ διπλάσιον τοῦ ἡµίσεος
αὐτὸ ὅπερ ἐστὶ διπλάσιον λέγεται). Analog verhalten sich Termini wie 'Teil/Ganzes', 'Bruder/Schwester', 'groß/klein', 'Herr/Knecht', 'kaufen/verkaufen'. An anderer Stel-­‐
3 Physik, A7, bes. 190a 17-­‐20; vgl. zu dieser Art des „Denkmodells" die meisterhafte Arbeit von Heinz Happ (1971: 890, mit näheren Angaben). Eine hoch interessante Systoichie entgegengesetzter Ausprägun-­‐
gen zu den beiden oben erwähnten Prinzipien Platons findet sich bei Happ auf S. 175. 4 Vgl. dazu auch Düring 1966: 60. le derselben Schrift (6b28ff.) nennt Aristoteles diese Art des Entgegengesetzten ἀντιστρέφοντα, die er vom 'Gegensatz' (ἐναντιότης) unterscheidet. Mit Platon könnte man sie auch 'dialektische Begriffe' nennen. Heute sind solche Arten des Entgegengesetz-­‐
ten insbesondere unter dem Begriff 'konvers' bekannt; 2. Den Gegensatz (ἀντικείµενα ὡς τὰ ἐναντία), wo keine Korrelation im Sinn von 1. vor-­‐
liegt. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden, je nachdem, ob eine dritte Möglichkeit zugelassen ist oder nicht: a) tertium non datur: tot/lebendig, bewegt/ruhend, gerade/ungerade. Die klassi-­‐
sche Bezeichnung ist hier der Begriff 'kontradiktorisch', neuere Bezeichnungen sind 'Komplementarität' oder 'Komplenymie'; b) tertium datur: Schwarz/weiß, vorne/hinten, rechts/links, hell/dunkel. Andere Bezeichnungen sind hier Begriffe wie 'konträr', 'inkompatibel'. Im „Lexikon" der Metaphysik wird der Begriff des ἐναντίον dann noch weiter differenziert (A 1018a 25ff.); 3. Entgegengesetztes im Sinn von 'Vorhandensein/Nicht-­‐Vorhandensein" (στέρησις/
ἕξις) -­‐ also etwa: die Sehfähigkeit gegenüber der Blindheit eines Auges. Dabei ist ex-­‐
plizit gesagt, dass hier jeweils ein Kontext gegeben sein muss, z.B. ein Objekt, an dem sich das Vorhandensein bzw. das Nicht-­‐Vorhandensein realisieren kann -­‐ im genann-­‐
ten Beispiel das Auge; 4. Entgegengesetztes im Bereich der Aussagen (κατάφασις/ἀπόφασις), also: Negation und Affirmation -­‐ 'er sitzt/er sitzt nicht', etc. Als wichtigste zusätzliche Differenzierung kommt im A der Metaphysik (1018a21) noch der Bereich des Werdens und des Vergehens hinzu: 5. Entgegengesetztes im Sinn des «aus was und in was» (ἐξ ὧν καὶ ἐς ἃ ἔσχατα) -­‐ es geht also um den Bereich der Veränderung (μεταβολή), zu dem für Aristoteles das an der-­‐
selben Stelle beispielshalber angeführte Paar 'Werden/Vergehen' ebenso zählt wie die Bewegung (κίνησις) mit ihren drei Unterarten 'Veränderung' (ἀλλοίωσις), 'Ver-­‐
mehrung/Verminderung' (αὔξησις/φθίσις) und 'lokale Translation' (φορά)5. Sprach-­‐
liche Beispiele solcher Erscheinungsformen des Entgegengesetzten wären also Fälle wie 'entstehen/vergehen', 'kommen/gehen', 'hinaufsteigen/herabsteigen', 'einschla-­‐
fen/aufwachen', etc. Eine der Erscheinungsformen dieser Art des Entgegengesetzten ist auch das, was Coseriu (1972: 52) als [p. 4] «allative» den «ablativen Verben» ent-­‐
gegenstellt (ricevere/dare, prendere/lasciare, etc.). Diese Art des Entgegengesetzten scheint erst in relativ jungen Abhandlungen wieder aufzutauchen als «inversion de Position» und «inversion de direction» bei Robert Martin (1973) oder als «direction-­‐
al opposition» bei John Lyons (1977). Abgesehen davon, dass man die dritte Unterart des Entgegengesetzten unter Um-­‐
ständen als Sonderfall der zweiten (Variante 'tertium non datur') sehen könnte, ist diese Klassifikation durchaus befriedigend. Dies zeigt sich einerseits darin, dass alle unter 1.1. genannten Beispiele nach dieser Einteilung sinnvoll einzuordnen sind. Es zeigt sich an-­‐
dererseits darin, dass neuere Klassifikationsversuche, wie sie verschiedentlich zusam-­‐
mengestellt oder vorgelegt wurden, auf die aristotelische Einteilung abgebildet werden können6. 5 Belege bei Raible 1965: 24. Vgl. die Zusammenstellungen bei Geckeler 1971: 450-­‐465; Henrici 1975: 191-­‐203; Gsell 1979: 60-­‐73; sowie die Einteilung bei Lyons 1977: 270-­‐290. Auffällig ist, dass Affirmation/Negation nie berücksichtigt 6 1.3. Going Beyond the Information Given Anlässlich eines Symposiums hat sich der illustre Harvard-­‐Psychologe Jerome S. Bruner 1957 in bemerkenswerter Weise zu Problemen der Kognition geäußert. Sein Bei-­‐
trag handelt von dem Phänomen, dass wir alle in der Lage sind, einzelne Daten in einen allgemeineren Zusammenhang einzuordnen und dadurch in Relationen zu bringen, die man mit Bruner -­‐ und gemäß der damals aktuellen Informationstheorie -­‐ 'codes', mit Pi-­‐
aget (den Bruner zitiert) 'Schemata' nennen kann. Es geht also etwa darum, dass wir in der Lage sind, zwischen der gegebenen Zahlenreihe 1, 4, 9, 16, 25, ... und der nicht gege-­‐
benen Zahlenreihe 1, 2, 3, 4, 5,... eine Relation herzustellen und dadurch die gegebene erste Zahlenreihe nicht nur leicht im Gedächtnis behalten bzw. aus dem Gedächtnis re-­‐
konstruieren, sondern auch beliebig fortsetzen, d.h. in doppeltem Sinn über die gegebe-­‐
ne Information hinausgehen können7. Ohne die Wichtigkeit solcher Schemata und ihrer Erkenntnis im geringsten an-­‐
zweifeln zu wollen: Es gibt noch elementarere Formen des Hinausgehens über die gege-­‐
bene Information. Ein einfaches und einleuchtendes [p. 5] Beispiel sind bereits einige Gesetze aus dem Bereich der Gestaltpsychologie. Um diese, im vorliegenden Zusammen-­‐
hang nicht unwichtigen Gesetzmäßigkeiten würdigen zu können, müssen vorab drei seit Aristoteles bekannte, insbesondere durch die Phänomenologie und die Gestaltpsycholo-­‐
gie geläufige Begriffe um einen weiteren ergänzt und als zwei „Dimensionen" mit jeweils zwei Extrempolen begriffen werden -­‐ es geht also wiederum um Gegensatzpaare. Die bekannten Begriffe sind: Similarität, Kontrast, Kontiguität. Der zu ergänzende ist derje-­‐
nige der Distanz. Die beiden Dimensionen sind dementsprechend: Dimension 1: Dimension 2: Similarität -­‐ Kontrast; Kontiguität -­‐ Distanz8. Die Dimension 'Similarität -­‐ Kontrast' scheint besonders einleuchtend und erklärungs-­‐
stark zu sein -­‐ sie spielt z.B. in den vorsokratischen Vorstellungen von der Sinneswahr-­‐
nehmung die entscheidende Rolle. Theophrast konnte entsprechend dann die jeweiligen von ihm referierten Positionen in ein Zweier-­‐Raster einordnen: Man erkennt Gleiches durch Gleiches, sagten die einen, und noch Goethe stellte fest: «Wär nicht das Auge son-­‐
nenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken». Die anderen vertraten dagegen die These, man erkenne Gleiches durch Gegensätzliches9. Mit Hilfe dieser beiden Dimensionen und ihrer vier polaren Instanzen lassen sich nun, wie mir scheint, grundlegende Gestaltgesetze leicht beschreiben. Das sogenannte werden, obwohl es sich doch, wie etwa H. Weinrich ausgeführt hat, um den Prototyp eines Zweierparadig-­‐
mas handelt (1975: 57f.). -­‐ Zur Abbildung späterer Klassifizierungen des Entgegengesetzten auf die aristo-­‐
telische bedarf es einer Ergänzung. Unter 'Entgegengesetztes' mit zugelassenem tertium muss neben der fünften Art des Entgegengesetzten noch eine weitere, von Aristoteles zwar de facto verwendete, hier je-­‐
doch nicht eigens angegebene Variante untergeordnet werden, in der zwischen zwei Extrempolen eine gradierbare Skala besteht. Manche Autoren (Lyons, Schifko) verwenden speziell für diese Art des Entge-­‐
gengesetzten den Begriff 'Antonymie'. 7 Bruner 1957: 50. 1973 erschien ein Sammelband mit Aufsätzen Bruners unter dem fast identischen Ti-­‐
tel Beyond the Information Given, in dem auch der in Rede stehende Aufsatz wieder abgedruckt ist (218-­‐
238). 8 Zur Erklärung weiterer Gesetze der Gestaltpsychologie in diesem Rahmen bedarf es u.a. noch der Di-­‐
mensionen 'Kontinuität -­‐ Diskontinuität' und 'Vollständigkeit -­‐ Unvollständigkeit'. Auch hier entsteht be-­‐
zeichnenderweise eine richtiggehende „Systoichie" von entgegengesetzten Begriffen. 9 Goethe, Zahme Xenien III; Theophrast, De sensu, 1ff. „Gesetz der Nähe" besagt, dass -­‐ wenn man die Dimension 1 neutral hält, also identische Formen wählt -­‐ bei Erscheinungen, die sich durch ihre unterschiedliche Entfernung von-­‐
einander auszeichnen, die Kontiguität gegenüber der Distanz das gestaltbildende Prinzip ausmacht. Sobald z. B. in einer Schar von Parallelen unterschiedliche Distanzen vorhan-­‐
den sind, gruppiert man automatisch die näher beieinander liegenden als zusammen-­‐
gehörig, d.h. als größere Einheiten. – Das „Gesetz der Gleichartigkeit (und des Kon-­‐
trasts)" betrifft die Dimension 1, wobei diesmal durch gleiche Entfernung die Dimension 2 neutralisiert wird: Erscheinungen werden einerseits nach dem Prinzip der größtmög-­‐
lichen mutuellen Similarität gruppiert, und diese Gruppen werden ihrerseits nach dem Prinzip des größtmöglichen Kontrasts voneinander abgehoben. Man sieht dementspre-­‐
chend in den beiden folgenden Beispielen je nachdem Spalten (auf der linken Seite) oder Zeilen (rechts): abababa
aaaaaaa
abababa
bbbbbbb
abababa
aaaaaaa
abababa
bbbbbbb
abababa
aaaaaaa
[p. 6] Das „Gesetz der guten Gestalt", nach dem in komplexen Figuren vorzugsweise ein-­‐
fachere Figuren wahrgenommen werden, oder nach dem umgekehrt bis zu einem be-­‐
stimmten Grade unvollständige Figuren automatisch zu vollständigen ergänzt werden – beide Erscheinungsformen dieses letztgenannten Gesetzes, die Vereinfachung und die Ergänzung, bestätigen auf ihre Weise weiterhin jenes (schon im Η der Metaphysik – 1041b 11 ff. -­‐ nachzulesende) Grundgesetz der Gestaltpsychologie, dass ein Ganzes nicht gleichgesetzt werden darf mit der Summe seiner Teile. Alle diese elementaren Gesetze zeigen nun, dass wir schon bei der einfachen Wahrnehmung stets über die objektiv vorhandene Information hinausgehen. Auch Bru-­‐
ner geht bei seinen Überlegungen eigentlich von elementaren Erscheinungen aus, näm-­‐
lich den drei «noogenetischen» (im Original: noegenetischen) Prinzipien, die Charles Spearman 1923 aufgestellt hat: «One of these (principles), called (...) 'the eduction of relations', holds that there is an im-­‐
mediate evocation of a sense of relation given the mental presentation of two or more things. 'White' and 'black' evoke 'opposite' or 'different. The third principle, the 'eduction of correlates', states that in the presence of a thing and a relation one immediately edu-­‐
ces another thing. 'White' and 'opposite of evoke 'black'.» (Bruner 1957: 41; vgl. Spear-­‐
man 1923: 63 ff. und 91ff.) Auch Bruner verwendet, wie man sieht, zur Exemplifizierung des zweiten und des drit-­‐
ten der noogenetischen Prinzipien Spearmans nichts anderes als die offenbar schwer zu vermeidende Relation des Kontrastes. 2. Der allgegenwärtige Gegensinn oder: Von Assoziationen und anderen ‘Fehlleis-­‐
tungen’ Die Systoichie der Pythagoreer, die kosmogonischen und kognitiven Lehren der Vorsokratiker; Platons δυάς ἀόριστος; Aristoteles' Konzeption des Werdens und des Vergehens, desgleichen seine Klassifizierung der Sinneseindrücke und seine Beschäfti-­‐
gung mit den «Kategorien»; Grundgesetzlichkeiten der Gestaltpsychologie und die «noo–
genetischen Prinzipien» Spearmans in der erwähnten Form: Alle diese Fälle weisen, bei selbstverständlichen Unterschieden im Einzelnen, eine Gemeinsamkeit auf: sie sind alle-­‐
samt Instanzen oder Ausprägungen dessen, was man mit Goethe (also nicht mit Abel) den 'Gegensinn'10 nennen könnte: sie verkörpern das Prinzip des Kontrasts -­‐ oder sie setzen es sogar voraus. Auch in der Sprache scheint es Ähnliches zu geben. Saussure hat, wie man weiß, zwischen syntagmatischen und –der Sache nach– paradigma [p. 7] tischen Relationen in der Sprache unterschieden; und er hat, nicht zuletzt im Hinblick auf die paradigmati-­‐
schen Relationen, gesagt, in der Sprache sei alles negativ. Ein Zeichen wie 'Vater' wäre, um ein Beispiel von Harald Weinrich (1975: 40) aufzugreifen, gleichbedeutend mit einer sehr langen Kette negativer Terme: 'Vater' ist 'Nicht-­‐Mutter', 'NichtSohn', 'Nicht-­‐Bruder', 'Nicht-­‐Haus', 'Nicht-­‐Barock', 'Nicht-­‐Vergessen', etc. Freilich: Stünde -­‐ aufgrund der Ver-­‐
absolutierung einer bestimmten Art von Relation -­‐ jedes Zeichen prinzipiell in Oppositi-­‐
on zu jedem anderen, so wären die paradigmatischen Relationen notgedrungen unge-­‐
heuer zahlreich, also äußerst komplex, unüberschaubar und ungeordnet. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass solche Relationen weder unbegrenzt noch unspezifisch noch ungeordnet sind: sie sind für jedes Zeichen prinzipiell überschaubar, sie sind spezifisch und in hohem Maße voraussagbar. Es wird sich erweisen, dass bei der Erfassung dieser spezifischen Relationen die in 1.3. genannten Dimensionen, also Similarität/Kontrast und Kontiguität/Distanz, eine entscheidende Rolle spielen. Die interessierte Fachwelt weiß spätestens seit der Jahrhundertwende, dass nicht nur die Similarität, sondern auch der Kontrast in Form des Gegensinns, also in der gan-­‐
zen Breite, die der Begriff 'entgegengesetzt' bei Aristoteles hat, eine äußerst wichtige Rolle in der Sprache spielt. Nicht nur dies: Auch gewichtige Indizien dafür, warum es sich so verhält, liegen seit jener Zeit eigentlich auf der Hand. Ich denke dabei an zwei wissenschaftliche Pionierarbeiten. Die eine wurde 1895 von Rudolf Meringer, ao. Pro-­‐
fessor für indogermanische Sprachwissenschaft an der Universität Wien, und Karl Mayer, ao. Professor für Psychiatrie und Nervenpathologie an der Universität Innsbruck, vorge-­‐
legt: Versprechen und Verlesen. Eine psychologisch-­‐linguistische Studie. Auch die andere ging aus der Zusammenarbeit zwischen einem Sprach-­‐ und einem Seelenwissenschaftler hervor. Es sind die Experimentellen Untersuchungen über die psychologischen Grundlagen der sprachlichen Analogiebildung (1901) von Albert Thumb, damals Privatdozent für In-­‐
dogermanistik in Freiburg, und Karl Marbe, Professor für Psychologie in Würzburg. Aus-­‐
gangspunkt beider Arbeiten war die Frage nach den Ursachen des Sprachwandels. Wäh-­‐
rend im Hintergrund der Arbeit von Meringer und Mayer eine Hypothese von Hermann Paul steht (Sprachwandel durch Versprechen?), geht es Thumb und Marbe insbesondere um eine Art der Analogiebildung, die Wilhelm Wundt in seiner Völkerpsychologie als An-­‐
gleichung nach logischen Beziehungen der Begriffe benannt hatte: – «Angleichung an Wörter von verwandter Bedeutung», d.h. «durch Ähnlichkeit», und: – «Angleichung an Wörter von gegensätzlicher Bedeutung», d.h. «durch Kontrast» (Thumb-­‐Marbe 1901: 4f.). 10 Dies bedeutet, dass 'Gegensinn' nicht in der engeren Bedeutung verstanden wird, die etwa Wolfgang Meid (1976) dem Begriff gibt: Gegensinn würde danach ein Wort verkörpern, das sich selbst und zugleich sein Gegenteil bezeichnet (also etwa 'lernen' für 'lehren' und 'lernen'). Meid steht damit natürlich in der Tradition von Carl Abel (1884). [p. 8] Insbesondere die –sei es formale, sei es inhaltliche– Angleichung durch Kontrast war seither mitunter Gegenstand von Untersuchungen, wobei man sich freilich weder auf Wundt noch auf Thumb und Marbe bezog11. 2.1. Gesetzmäßigkeiten des Assoziierens «Associations are structural» (Deese 1965: 160). Obwohl Thumb und Marbe mit dem zeitüblich geringen (also in der heutigen Experi-­‐
mentalpsychologie wohl kaum noch denkbaren) methodischen Aufwand gearbeitet ha-­‐
ben, sind ihre Ergebnisse bahnbrechend. Trotz einiger Vorläufer stellt die Arbeit, nicht zuletzt wohl auch dank ihrer Interdisziplinarität, den eigentlichen Beginn der sprach-­‐
psychologischen Assoziationsforschung dar12. Das Werk steht also am Anfang einer Fülle von Untersuchungen, die dann zumeist von Psychologen durchgeführt wurden (und de-­‐
ren Ertrag, verglichen mit dem der Arbeit von Thumb und Marbe, zumeist in umgekehr-­‐
tem Verhältnis zum methodischen und praktischen Aufwand steht). Das Verfahren von Thumb und Marbe war einfach: Eine Reihe von acht Proban-­‐
den musste auf zugerufene Wörter ihre Wort-­‐Assoziationen nennen. Die Zeit zwischen dem Zurufen und der Antwort wurde dabei gemessen. Da keine Vorgaben gemacht wur-­‐
den (wie sie etwa bei Spearmans drittem «noogenetischem Prinzip» gegeben waren, d.h. man gibt 'weiß' und die Relation 'Gegensatz zu' an, um 'schwarz' zu erhalten), liegt nicht das Verfahren einer kontrollierten, sondern das der sogenannten «freien Assoziation» vor. Es ist nun zweifellos richtig, dass die Zahl und die Art möglicher Assoziationen individuell verschieden und damit potentiell unendlich ist. Darauf hat auch Eugenio Co-­‐
seriu hingewiesen (z.B. 1966: 185f.). Ich betone das 'potentiell' – denn in Wirklichkeit sind die Verhältnisse anders: Die Reaktionswörter sind meist hochgradig voraussagbar. Mit anderen Worten: Es muss Beziehungen zwischen Ausgangs-­‐ und Reaktionswort ge-­‐
ben, die gerade gegen Individualität und Beliebigkeit im Bereich des Assoziierens spre-­‐
chen. Die Indizien für diese Beziehungen sind quantitativer und qualitativer Natur. [p. 9] Ich schicke der Behandlung dieser Indizien voraus, dass ich mich neben den ersten Erkenntnissen von Thumb und Marbe vor allem auf die Interpretation von Material stütze, das unter nordamerikanischer Federführung erstellt und zusammenge-­‐
tragen wurde. Ausgangspunkt ist eine Liste von 100 Wörtern, die 1910 von G. H.Kent und A. J.Rosanoff aufgestellt und mit 1000 Probanden getestet worden war. Mit dieser Wortliste und ihrer Übersetzung wurden dann auch später eine größere Zahl von Asso-­‐
ziationstests durchgeführt und publiziert. Das vor allem auf der Liste von Kent und Ro-­‐
sanoff basierende Material ist bequem zugänglich in dem Sammelband von Post-­‐
11 Leo Spitzer (1921) hat das Problem der Angleichung der Gegensätze im Bereich der Morphologie be-­‐
handelt, speziell im Bereich der Genus-­‐Opposition und der Opposition 'augmentativ/diminutiv', also im Bereich von Groß und Klein. Yakov Malkiel (1951) ging der formalen Angleichung von Gegensatzpaaren (Typ 'dexter/senexter') nach. Émile Benveniste hat sich im selben Jahr unter etwas anderem Vorzeichen, und zwar eher im Abel'schen oder Meid'schen Sinn von 'Gegensinn', mit dem Bedeutungsaustausch zwi-­‐
schen den Bezeichnungen für 'geben' und 'nehmen' im indoeuropäischen Bereich befasst. Oswald Panagl (1978) hat in diesem Bereich Parallelen zwischen Spracherwerb, Sprachabbau und Sprachgeschichte kon-­‐
statiert. 12 Esper 1973: 60 spricht von einem Meilenstein in der Geschichte der sprachlichen Analogieforschung; vgl. ähnlich auch Hörmann 1967: 119. man/Keppel 1970. Die um 100 Wörter erweiterte Liste von D. S. Palermo und J. J. Jenkins sowie das sich daraus ergebende Material sind zugänglich seit 196413. 2.1.1. Argumentum quantitatis Ich spreche zunächst drei quantitative Indizien an, die gegen die Beliebigkeit von Assoziationen sprechen. Erstes Indiz ist das Verhältnis zwischen der Zahl der Probanden und der Zahl der assoziierten Reaktionswörter. Wären Assoziationen völlig individuell, so könnte man auf das gleiche Ausgangswort bei 1000 Probanden im Extremfall 1000 verschiedene Reaktionen erwarten. Die wirklichen Verhältnisse sind anders. Bei einem Versuch mit 1000 Probanden und den 100 Ausgangswörtern von Kent/Rosanoff erga-­‐
ben sich im Fall des Ausgangsworts mit der kleinsten „Streuung" (dark) 41 verschiedene Assoziationen, im Fall des Ausgangsworts mit der größten Streuung (trouble) 260. Der Durchschnitt, den ich errechnet habe, liegt bei knapp 105 verschiedenen Nennungen14. Es ist aber nicht nur so, dass bei 1000 Probanden keine 1000, sondern durchschnittlich nur 105 verschiedene Reaktionen vorliegen. Es ist auch keinesfalls so, dass die Zahl der verschiedenen Reaktionswörter proportional zur Zahl der Probanden ansteigt. Ich wäh-­‐
le als Beispiel ein Ausgangslexem, das wegen analoger semantischer Lagerung auch durch verschiedene Sprachen hindurch in etwa verglichen werden kann, das Wort 'Hand' und seine Äquivalente in anderen Sprachen: bei 288 französischen Probanden ergaben sich hier 77 verschiedene Assoziationen, bei 331 deutschen 104, bei 400 Eng-­‐
ländern 72, bei 998 Amerikanern 99. [p. 10] Noch aufschlussreicher ist das zweite Indiz: Die Häufigkeit, mit der beispielswei-­‐
se 1000 Probanden die durchschnittlich 105 Reaktionswörter nennen, entspricht näm-­‐
lich allem anderen als einer Zufallsverteilung. Von 1008 Probanden reagieren etwa auf das Ausgangswort 'slow' 752 (also 75%) mit demselben Wort. Auf diejenigen Wörter, welche die folgenden Ränge 2, 3 und 4 einnehmen, entfallen jeweils noch etwa 2% der Nennungen, auf die Wörter der Ränge 5 bis 13 noch etwa 1%; auf die Ränge 36 bis 94 (94 ist in diesem Fall die obere Zahl) entfallen jeweils noch genau 0,1%, d.h. die Wörter wurden jeweils noch von einem Probanden genannt. Ordnet man derartige Werte in ein Koordinatensystem ein, in dem auf der Abszisse die Ränge der assoziierten Wörter, auf der Ordinate die mit dem jeweiligen Rang gegebene Frequenz eingetragen wird, so er-­‐
hält man das typische Bild einer Hyperbel: hohe Frequenz für die ersten zwei, drei Rän-­‐
ge, ganz niedrige Frequenzen für den Rest. Es ergibt sich also, was die ersten Ränge be-­‐
trifft, generell das Bild einer eindrucksvollen Übereinstimmung. Aktualität und Indivi-­‐
dualität gehen immer erst unter „ferner liefen", d.h. auf den niedrigeren oder den nied-­‐
rigsten Rängen, durchs Ziel15. 13 Das amerikanische Material liefert in dem Sammelband von Postman/Keppel James J. Jenkins 1970; das englisch/australische stammt von Kenneth M. Miller 1970, das deutsche von Wallace A. Russell 1970, das französische von Mark R. Rosenzweig 1970. Obwohl alle diese Materialien im Gegensatz zu Thumb und Marbe in schriftlichen Tests gewonnen wurden (weshalb z.B. die Kontrolle der Reaktionszeit nicht mög-­‐
lich war), können die Daten, schon wegen ihrer breiten Basis an Probanden, zur Unterstützung und Ergän-­‐
zung der Ergebnisse von Thumb und Marbe herangezogen werden. 14 Dabei stellt die Zahl 260 einen Sonderfall dar: Die Reihenfolge nach unten lautet: 260, 174, 168, 158, 157. Die entsprechenden Zahlen für den Pol der kleinsten Streuung: 41, 51, 57, 62, 64, 66. 15 Ein Beispiel für die Aktualität sowie die Individualität von Assoziationen: Die französischen Tests wur-­‐
den Mitte der fünfziger Jahre durchgeführt, also zu einer Zeit, zu der ein Film mit dem Titel Bitterer Reis von sich reden machte. Im französischen Test assoziierten dann immerhin noch 3% der Probanden (Rang 6) auf das Ausgangswort 'amer' die Reaktion 'riz‘. Weiter: Von den 1004 Probanden, die ihr Reaktionswort auf 'girl' niederschrieben, nannten 70% dasselbe Wort. Mit jeweils 2 Nennungen erscheinen dann noch ei-­‐
ne Joan, eine Mary und eine Shirley auf den Rängen zwischen 23 und 39; auf den Rängen zwischen 40 und Von größtem Interesse ist als Abschluss der quantitativen Indizien das Verhältnis von Frequenz und Reaktionszeit: hier gilt: Je häufiger ein Wort als Reaktion genannt wird, desto kürzer die Reaktionszeit der jeweiligen Probanden16. Umgekehrt: Die ausge-­‐
fallenen Reaktionen erfordern ein Vielfaches dieser kürzesten Reaktionszeit. Während etwa die Mehrzahl der Probanden von Thumb und Marbe auf 'fünf' mit 'sechs' reagierte, brauchte das Enfant terrible, ein Dr. Roos, über zehn Sekunden, um mit dem 'fünften Ba-­‐
dischen Infanterieregiment' wie üblich aus dem Rahmen zu fallen. 2.1.2. Die Qualität hinter der Quantität Die Spontaneität und die hochgradige Übereinstimmung17 der Assoziationen von beispielsweise 1000 Probanden wären gewiss nicht möglich [p. 11] ohne innere, „quali-­‐
tative" Ursachen. Sie sollen im folgenden -­‐ in einem ersten Interpretationsversuch -­‐ ins-­‐
besondere anhand des Materials analysiert werden, das auf der Wortliste von Kent und Rosanoff basiert. Berücksichtigt wird dabei zunächst die Gruppe der Erwachsenen, und zwar derjenigen Erwachsenen, die sich durch einen hohen Grad an sprachlicher Soziali-­‐
sierung auszeichnen (die Probanden der psychologischen Assoziationstests rekrutieren sich zumeist aus der Gruppe der Studenten). Die Analyse des Materials lässt hier die fol-­‐
genden fünf Prioritäten-­‐Ebenen erkennen: 1. Assoziationen sind vorzugsweise solche der gleichen Wortart18. Der modus significandi, d.h. die Information, die die Zugehörigkeit zu einer Wortart bringt, erweist sich damit für die Verarbeitung sprachlicher Information als das Merkmal mit der höchsten Priorität. Die häufigste Reaktion ist also vom Typ 'Nomen-­‐Nomen', 'Pronomen Pronomen', 'Adjek-­‐
tiv -­‐ Adjektiv', 'komparative Form des Adjektivs komparative Form', etc. Sind die Aus-­‐
gangswörter Formen, die zwischen verschiedenen Wortarten stehen wie etwa der Infini-­‐
tiv, der im Verbalsystem das nominale Element darstellt, so sind die Reaktionen ent-­‐
sprechend gespalten, also bald nominal, bald verbal, wie schon Thumb und Marbe fest-­‐
stellen konnten. Die Klassengleichheit zwischen Ausgangswort und Assoziation ist für das am häufigsten genannte Wort durchschnittlich in 80 bis 90% der Fälle gegeben19. 103 sind dann mit je einer Nennung noch eine Ardis, eine Barb, eine Beverly, Marilyn, Nancy, Sharon, Sue und eine Susie vertreten. 16 Dieser Zusammenhang wurde später als das „Gesetz von Marbe" bekannt und zitiert, auch in Amerika -­‐ freilich ohne dass man, wie Esper 1973 berichtet, deshalb das Werk von Thumb und Marbe auch gelesen hätte. 17 Es dürfte nicht überraschen, dass bei gleichem Ausgangsmaterial -­‐ den 100 Wörtern von Kent und Ro-­‐
sanoff 1910 -­‐ in verschiedenen Testsituationen und/oder in verschiedenen Sprachen die Ergebnisse vari-­‐
ieren. Die Marge für die drei am häufigsten genannten Reaktionswörter liegt im Durchschnitt der 100 Testwörter und der Versuche in fünf Sprachen jeweils Zwischen 40 und 60% der Nennungen. Vgl. Rosen-­‐
zweig 1970: 99. Wichtig im Hinblick auf Variationen ist, wie sich noch zeigen wird, der Grad der sprachli-­‐
chen Sozialisierung der Probanden. 18 Diese Beobachtung wurde vor Thumb/Marbe 1901 schon von Bourdon 1895 gemacht; vgl. hierzu Ro-­‐
senzweig 1970: 102. 19 Ich habe eine Auswahl von 48 Ausgangswörtern der jeweils auf Kent/Rosanoff basierenden Listen für das genannte amerikanische, deutsche und französische Material auf die Wortart-­‐Zugehörigkeit hin unter-­‐
sucht. Dabei wurden alle Reaktionswörter berücksichtigt, auf die drei und mehr Prozent der Nennungen entfielen. Es erwies sich, dass die jeweiligen Nennungen, also angefangen vom häufigsten Wort bis hin zu dem Wort, das noch von 3% der Probanden genannt wurde, in etwa der Hälfte der Fälle sogar zwischen 90 und 100% klassengleich sind. (Amerikanisches Material: 26 von 48 Fällen, deutsches: 25 von 48, fran-­‐
zösisches: 27 von 48.) 2. Assoziationen sind vorzugsweise aus demselben semantischen Bereich. Sie stammen also, wie man heute sagen würde, aus demselben Wortfeld. Ich interpretiere dabei, wie sich noch zeigen wird, 'semantischer Bereich' und 'Wortfeld' bewusst weit. So werden auf Verwandtschaftsnamen in 80 bis 90% der Fälle Verwandtschaftsbezeichnungen as-­‐
soziiert, auf 'Hand' kommt 'Fuß', auf 'Spinne': 'Netz'. Abweichungen sind in aller Regel mit höheren Reaktionszeiten verbunden. [p. 12] Die beiden ersten Prioritäten zeigen also, dass die Similarität bei den Assoziatio-­‐
nen eine grundlegende Rolle spielt -­‐ allerdings, wie die beiden folgenden Prioritätsebe-­‐
nen zeigen, eine Hintergrund-­‐Rolle. Auf der dritten Prioritäts-­‐Ebene kommt nämlich vor diesem Hintergrund an Similarität das Prinzip des Kontrasts zum Zuge: 3. Assoziationen sind, wo immer dies möglich ist, fast ausnahmslos Assoziationen zum Entgegengesetzten hin -­‐ 'entgegengesetzt' im oben dargelegten aristotelischen Sinn. Ty-­‐
pische Paare sind also: schwarz/weiß, hell/dunkel, klein/groß, leicht/schwer, alt/jung (bzw. neu), Tag/Nacht, schneller/langsamer, kommen/gehen, kaufen/verkaufen, ich/du, er/sie, now/then, here/there, always/never, etc. Dass diese besonders prägnante Rolle des Kontrasts kein einzelsprachliches Phä-­‐
nomen ist, zeigen die Versuche, die mit der Wortliste von Kent und Rosanoff im Bereich des Englischen Englands, Amerikas, Australiens, Kanadas, im Deutschen, Französischen, Italienischen und Polnischen gemacht wurden20. Eine starke, d.h. eindeutige, Antonymie-­‐
Relation ('Antonymie' im erwähnten weiten Sinn) führt stets dazu, dass das am häufigs-­‐
ten genannte assoziierte Wort das korrespondierende Antonym ist. Das Feld der assozi-­‐
ierten Wörter bekommt dadurch einen sehr scharfen Fokus, der Halo der restlichen Nennungen bleibt gering. Paradefall in der liste von Kent/Rosanoff ist das Ausgangswort 'dark'. Die Streuung, also die Zahl der von 1000 Probanden insgesamt assoziierten ver-­‐
schiedenen Wörter, beträgt hier, wie schon erwähnt, nur 41. Von den Probanden reagie-­‐
ren 829 (83%) mit 'light', 55 weitere mit 'night', 33 mit 'room', 31 mit 'black', etc. Sobald eine Antonymie-­‐Relation dagegen schwächer ist, z.B. deshalb, weil das Ausgangswort mehrere Antonyme besitzt (also merkmalloser ist), ist entsprechend der weiteren Be-­‐
deutungsaura des Ausgangsworts der Fokus der assoziierten Wörter weit weniger scharf, der Halo der Streuung wird entsprechend breiter. Wählt man dagegen eines aus jener Mehrzahl von Antonymen aus, also ein notwendigerweise merkmalhaltigeres Wort, so verlaufen die Assoziationen mit starker Bündelung auf das ursprüngliche Ausgangs-­‐
wort zu21. 20 Vgl. Rosenzweig 1961 und Carroll/Kjeldergaard/Carton 1962. Ein Beispiel: Die Reaktionen auf 'sweet' und 'süß' weisen in etwa dieselbe Streuung auf. Die Streuung ist jedoch bei 'doux' in auffälliger Weise größer. Die Ursache: Auf 'sweet' wird an 1. Stelle das Antonym 'sour' (43%), an 4. Stelle das Antonym 'bitter' (8%) assoziiert. Analog verhält es sich im Deutschen: den 1. Rang belegt 'sauer' (39%), den 4. 'bitter' (3%). Bei franz. 'doux' weist der Petit Robert nicht weniger als 21 Antonyme auf. 'Doux' hat also, im Gegensatz zu 'sweet' und 'süß', eine wesentlich weniger prägnante Be-­‐
deutung. Es kommt hinzu, dass die prägnanteste Bedeutung gar nicht 'doux' im Gegensatz zu 'aigre' oder 'acide' ist, sondern 'doux' im Gegensatz zu 'dur' (9%). Die einzige einigermaßen dominante Bedeutung von 'doux' ist also 'weich'. Als nächstes Antonym wird auf Rang 8 noch 'amer' (3%) genannt; 'rüde' nennen noch 2%, 'brutal', 'fort', 'rugueux' jeweils 1%; mit je einer Nennung sind noch vertreten: 'aigre', 'grossier', 'roche', 'sevère'. Wählt man nun das dominante Antonym des deutschen und englischen 'süß', nämlich 'sauer', wieder als Ausgangswort, so zeigt sich hier eine weitgehende Übereinstimmung zwischen allen drei Sprachen: an der Spitze der genannten Reaktionswörter liegen 'sweet (57%), 'süß' (39%) und 'doux' (30%). -­‐ Zur Rolle der Merkmalhaltigkeit/Merkmallosigkeit von Antonymen bei der Assoziation sei auch auf Clark 1970: 276 hingewiesen. 21 [p. 13] Auf Rang 4 der Prioritätsebenen tritt die Dimension 'Kontiguität -­‐ Distanz' in Erscheinung -­‐ und zwar in Form der semantischen, nicht der syntagmatischen Konti-­‐
guität. 4. Assoziationen richten sich, wenn keine oder keine dominierende Antonymie-­‐Relation gegeben ist, unter Fortgeltung der Prioritäten 1 und 2 nach der semantischen Kontiguität. Allerdings ist die Wortart-­‐Identität der Prioritätsebene 1 hier etwas eingeschränkt: die Gründe dafür werden später evident werden. Es handelt sich hier in der Regel um Assoziationen von etwas, was im Bereich der Denotata, und das heißt auch: im Erfahrungsbereich der Probanden, mit dem, was durch das Ausgangswort bezeichnet ist, in einer spezifischen Relation steht. Im Gegensatz zum Normalfall der (zweiseitigen) Antonymie-­‐Relation sind diese spezifischen Relationen in der Regel gerichtet. Dass die Basis solcher Relationen die Kontiguität im Erfahrungsbe-­‐
reich ist, hat natürlich zur Folge, dass hier unter Umständen soziale und kulturelle Un-­‐
terschiede vorliegen können. Dies wird nicht der Fall sein in Beispielen wie 'araignée/ toile', 'ragno/ragnatela', 'tige/fleur', 'stem/flower', 'pied/chaussure', 'foot/shoe'. Es könnte dagegen eher zutreffen in Fällen wie 'comfort/chair', 'confort/fauteuil’ oder 'Be-­‐
quemlichkeit/Sessel'. 5. Assoziationen sind, wenn sich keine Kontrast-­‐ oder keine semantische Kontiguitäts-­‐
Relation einstellt, Assoziationen im Bereich der semantischen Similarität oder der syn-­‐
tagmatischen Kontiguität. Zunächst zur semantischen Similarität. Es handelt sich bei den Assoziationen die-­‐
ser Gruppe entweder um „Synonyme", Oberbegriffe oder um etwas im Ausgangswort Impliziertes. Die Beispiele sind relativ selten. Bezeichnend ist allein, dass solche Assozia-­‐
tionen, wenn sie schon gelegentlich an erster Stelle genannt werden, nur in relativ ge-­‐
ringem Maße bündeln22. Die andere Variante der fünften Prioritätsebene, Assoziationen [p. 14] im Bereich der syntagmatischen Kontiguität, ist in dem von mir analysierten Ma-­‐
terialebenfalls nur schwach vertreten (hier gelten übrigens die Prioritätsebenen 1 und 2 nur noch sehr eingeschränkt; der Grund auch hierfür wird wiederum später deutlich werden). Zwei Beispiele aus dem deutschen Bereich: Auf 'glatt' assoziierten immerhin 40% der Probanden an erster Stelle 'Eis' («Glatteis»), erst an zweiter Stelle folgte hier mit 15% das Antonym 'rau'. Desgleichen assoziierten auf 'Stiel' (die falsche Übersetzung des englischen 'stem' -­‐ gemeint war: 'Stengel') 38% der Probanden den 'Besen'. Auch die zweithäufigste Assoziation zählt hier noch zum Bereich der syntagmatischen Kontigui-­‐
tät: 6% nannten 'Stumpf'. Im englischen und französischen Material treten solche Arten der Assoziation erst an untergeordneter Stelle auf – etwa 'vinaigre' auf 'aigre', 'bête' auf 'belle', 'marche' auf 'pied'. Als Hugo Schuchardt die Arbeit von Thumb und Marbe ein Jahr nach ihrem Er-­‐
scheinen (sehr kritisch) besprach, machte er hauptsächlich zwei Einwände. Mit dem ers-­‐
ten dieser Einwände stand er ganz in der Tradition der bisherigen Assoziationsfor-­‐
22 Dies zeigen die folgenden Beispiele: 'enfant': 1. petit (12%), 2. bébé (8%); 'child': 1. baby (16%); 'Kind': 1. klein (12%), (2. Mutter (10%)), 3. Baby (6%); oder: 'Quadrat': 1. Viereck (14%). Ein Beispiel für die Wahl des Oberbegriffs: 'aigle': 1. oiseau (16%); 'Adler': 1. Vogel (21%). Typisch für die relativ geringe Wir-­‐
kung der semantischen Similarität im Sinn von 'Synonymie' ist der Umstand, dass die meisten Synonyme ansonsten an nachgeordneter Stelle vorkommen. Auf 'dark' assoziieren 3% (und an 4. Stelle) 'black', auf 'beautiful immerhin 14% an 2. Stelle 'pretty', an 6. Stelle (4%) 'lovely'; an 1. Stelle steht das Antonym 'ugly'. Auf 'rough' wird an 1. Stelle mit dem Antonym 'smooth' (44%) reagiert, erst an 2. Stelle folgt mit 7% 'hard'. Auf 'sommeil' folgt an 1. Stelle das semantisch benachbarte 'lit', erst an 2. Stelle (10%)'repos’. schung: Thumb und Marbe hätten die Nachbarschaft in der Rede als eine der Ursachen für die Assoziationen nicht gebührend gewürdigt. Die analysierten Verhältnisse widerle-­‐
gen Schuchardt sehr deutlich. Sein Einwand trifft allerdings, wie sich noch zeigen wird, unter ontogenetischem Aspekt zu. Auch Schuchardts zweites Monitum, die lautliche Ähnlichkeit müsste als einer der Faktoren des Assoziierens stärker betont werden, ist obsolet. Selbst unter 1000 Probanden wäre, entgegen der Vermutung Schuchardts, kaum einer gewesen, der auf 'drei' die Zahl 'zwei' assoziiert hätte23. Dies liegt daran, dass sprachliche Information primär nach ihrem syntaktisch-­‐semantischen [p. 15] Ge-­‐
halt analysiert und verarbeitet wird (und die Assoziationen auf Zahlen sind hier, wie noch in 3.2. gezeigt werden wird, hochgradig gerichtet); Klangphänomene sind auf jeden Fall sekundär. Erst dann, wenn der Proband die Bedeutung nicht versteht, wie etwa bei Fremdwörtern, bei Termini technici oder bei Wörtern einer ihm unbekannten Sprache, spielt die Laut-­‐Assoziation eine Rolle24. Thumb zeigte dies in einer späteren Studie aus dem Jahre 1908. 2.1a Aktualisierender Zusatz im Jahr 2011 Ein Team von drei Wissenschaftlern der Universitäten von South Florida und Kansas hat den bisher wohl größt-­‐angelegten Test mit Assoziationen auf Wort-­‐Stimuli unternommen, und dies mit einer Unzahl von Probanden: Nelson, D. L., McEvoy, C. L., & Schreiber, T. A. (1998). The University of South Florida word association, rhyme, and word fragment norms25. “More than 6,000 participants produced nearly three-­‐quarters of a million responses to 5,019 stimulus words.” Im vorliegenden Fall geht es um insgesamt 4870 Wörter als Ausgangspunkte für Assoziationen (cues), 76% davon Nomina, 13% Adjektive, 7% Verben. 16% waren Ho-­‐
mographen. Die Testpersonen durften jeweils ein einziges Wort als Reaktion aufschrei-­‐
ben. Die Reaktionszeit wurde dabei nicht gemessen. Aus den 4870 Fällen habe ich die 538 ausgewählt, in denen eine “Forward Cue-­‐to-­‐Target Strength” von ≥ 0.5 vorlag, bei denen also ein Reizwort mit hoher Wahrscheinlichkeit ein oder mehrere Zielwörter aus-­‐
löst. Dabei bestätigen sich die Ergebnisse der 1980 vorgenommenen Analyse fast voll-­‐
ständig. 23 Vgl. im Einzelnen Schuchardt 1902. -­‐ Dass Assonanzen keine Rolle spielen, gilt natürlich nicht dort, wo jemand im Sinn des dritten noogenetischen Prinzips von Spearman explizit Wörter sucht, die mit dem Ausgangswort durch die Relation lautlicher Similarität verbunden sind, also beispielsweise Reimwörter. -­‐ Wie sehr die Verarbeitung sprachlicher Information primär auf die Analyse syntaktischer und semanti-­‐
scher Merkmale ausgerichtet ist, zeigt sich einerseits bei den unendlich zahlreichen Versuchen der Psychologen vergangener Jahrzehnte, mit künstlichem sinnlosem Wortmaterial zu arbeiten: die Proban-­‐
den versuchen auch dort ganz automatisch zunächst, einen Sinn zu hören. Wie sehr die etwa von Coseriu stets betonte Semantizität der Sprache selbst bei traumatischen und sonstigen Aphasikern im Vorder-­‐
grund steht, zeigt andererseits die einschlägige Forschung. Luria (1976: 150f.) berichtet, dass auch bei den Assoziationen von Aphasikern Wörter mit verwandter Bedeutung den Vorrang vor Wörtern mit ähnli-­‐
chem Klang haben. Nur bei besonders schweren Fällen von Aphasie und bei geistig Zurückgebliebenen dominiert die Lautassoziation vor der inhaltlichen. Als Beispiel für die untergeordnete Bedeutung von Lautassoziationen kann auch ein Versuch mit Aphasikern dienen, dessen Gegenstand kontrollierte Assozi-­‐
ationen waren (Aufzählen von Tiernamen): von den 2918 Namen, die von insgesamt 94 Patienten inner-­‐
halb von fünf Minuten genannt wurden, waren ganze 6 Fälle vom Typ 'Maus/Laus'. (Gloning/Müller 1971/1972: 264). 24 Bin illustratives Beispiel sind die Reaktionen auf das im amerikanischen Englischen äußerst selten be-­‐
legte Ausgangswort 'abbess' ('Äbtissin'). Den 1. Rang unter den Antworten hat hier mit 9% 'hole' -­‐ ganz of-­‐
fensichtlich deshalb, weil die Probanden 'abbess' als 'abyss' verstanden. Erst an 2. Stelle folgt mit 5% ein Wort, bei dem wohl die lautliche Assoziation Pate gestanden hat: 'abscess' (Postman 1970: 260). 25 http://w3.usf.edu/FreeAssociation/ Antonymen-­‐Relationen, die sich anhand des Corpus der University of Southern Florida ergeben. Die meisten sind zweiseitig. Sie entsprechen den u. auf S. 22/23 analysierten acht Strukturierungsdimensionen. above <-­‐-­‐> below defense -­‐-­‐> offense major -­‐-­‐> minor add <-­‐-­‐> subtract different -­‐-­‐> same me <-­‐-­‐> you addition <-­‐-­‐> subtraction down <-­‐-­‐> up mine <-­‐-­‐> yours answer <-­‐-­‐> question downstairs <-­‐-­‐> upstairs minus <-­‐-­‐> plus asleep <-­‐-­‐> awake dryer -­‐-­‐> washer negative <-­‐-­‐> positive back <-­‐-­‐> front east <-­‐-­‐> west no <-­‐-­‐> yes bad <-­‐-­‐> good empty <-­‐-­‐> full north <-­‐-­‐> south before -­‐-­‐> after even <-­‐-­‐> odd off <-­‐-­‐> on begin <-­‐-­‐> end exit -­‐-­‐> entrance old -­‐-­‐> new best <-­‐-­‐> worst explode -­‐-­‐> implode open -­‐-­‐> close/closed black <-­‐-­‐> white false <-­‐-­‐> true outside -­‐-­‐> inside borrow -­‐-­‐> lend far <-­‐-­‐> near over <-­‐-­‐> under bottom <-­‐-­‐> top find <-­‐-­‐> seek/search poor <-­‐-­‐> rich female <-­‐-­‐> male first -­‐-­‐> last queen -­‐-­‐> king boy <-­‐-­‐> girl forward <-­‐-­‐> backward question <-­‐-­‐> answer uncle <-­‐-­‐> aunt found <-­‐-­‐> lost right -­‐-­‐> left actor <-­‐-­‐> actress go <-­‐-­‐> stop right -­‐-­‐> wrong brother <-­‐-­‐> sister groom <-­‐-­‐> bride scratch -­‐-­‐> itch dad <-­‐-­‐> mom hello -­‐-­‐> goodbye seller <-­‐-­‐> buyer father <-­‐-­‐> mother he <-­‐-­‐> she sit -­‐-­‐> stand daughter <-­‐-­‐> son here <-­‐-­‐> there slow <-­‐-­‐> fast grandma <-­‐-­‐> grandpa high <-­‐-­‐> low soft <-­‐-­‐> hard husband <-­‐-­‐> wife in <-­‐-­‐> out thin -­‐-­‐> thick man <-­‐-­‐> woman leader -­‐-­‐> follower tight -­‐-­‐> loose buyer <-­‐-­‐> seller less <-­‐-­‐> more today <-­‐-­‐> tomorrow close -­‐-­‐> open lose -­‐-­‐> win twice -­‐-­‐> once day <-­‐-­‐> night loser <-­‐-­‐> winner weak -­‐-­‐> strong. dead -­‐-­‐> alive lost <-­‐-­‐> found Bemerkenswert sind solche abweichenden Fälle, in denen an erster Stelle nicht ein Antonym assoziiert wird, sondern ein äquivalenter Begriff, etwa finish -­‐-­‐> done und erst an zweiter Stelle start; happy führt an erster Stelle zu joyous, an dritter und vierter Stelle immer noch sehr häufig zu cheerful und glad, sad steht erst an zweiter Stelle. Hard führt an erster und zweiter Stelle zu difficulty und difficult, die beiden möglichen Anto-­‐
nyme easy und soft folgen (mit immer noch hoher Frequenz) an dritter und virter Stelle. Umgekehrt führt nur soft hoch frequent zu hard. Parallel ist ein Fall wie hate, zu dem hoch frequent despise und dislike assoziiert wird, während love unter der 0.5-­‐Schwelle an dritter Stelle folgt. Genauso verhält es sich mit love, das zu affection, romance und adore führt (love ist als Wortart polyfunktional), hate folgt an vierter Stelle in der Fre-­‐
quenz. Hot führt in seiner einen Bedeutung zu spicy, in einer anderen zu humid, erst an dritter Stelle zu cold. Umgekehrt gilt aber cold -­‐-­‐> hot. Late führt an erster Stelle zu tardy, erst an zweiter zu early. Auf many wird an erster und zweiter Stelle several und nume-­‐
rous assoziiert, erst an dritter folgt unter der 0.5-­‐Schwelle few/some, während umge-­‐
kehrt nur few mit einiger Frequenz zu many führt. Bei old gilt zwar -­‐-­‐> new, aber dann folgen drei verwandte Begriffe (elderly, antique, ancient), erst an vierter Stelle kommt das andere Antonym young. Vergleichbar ist das vieldeutige present: an erster Stelle steht hier gift, dann folgt mit past ein Antonym, mit absent ein anderes. In einem Fall wie forget wird an erster Stelle forgive (“let us forget it”) assoziiert, also ein willentliches vergessen, während umgekehrt remember direkt zu forget führt. Mehrdeutigkeit ist also immer ein ‘Störfaktor’, wie auch der Fall short -­‐-­‐> tall/long, an zweiter Stelle short -­‐-­‐> brief, zeigt, oder small -­‐-­‐> tiny und an zweiter und dritter Stelle -­‐-­‐> big, large. Interessant ist auch das Beispiel square, das an erster Stelle zum Oberbegriff rectangle führt, und dann zu zwei gleichermaßen möglichen ‘Antonymen’: circle/round und triangle. Strong führt an erster Stelle zu einem Parallelbegriff, powerful, erst an zweiter zu weak, wäh-­‐
rend weak direkt zu strong führt. Wet führt -­‐-­‐ in dieser Reihenfolge -­‐-­‐ zu slippery, moist, drench und dry; aber nur dry führt in nennenswertem Umfang zurück zu wet. Die überwiegende Zahl der anderen Fälle sind solche, in denen ein Begriff aus demselben Erfahrungsbereich assoziiert wird. In manchen Fällen sind das sehr viele. So gibt es bei money der hohen Zahl von Probanden entsprechend, eine hohe Zahl von Nen-­‐
nungen für (in absteigender Reihenfolge, aber immer noch mit einer Forward Cue-­‐to-­‐
Target Strength von >0.5) cash, bank, fund, wallet, profit, spend, banker, income budget, lottery, dollars, checkbook, salary. Insgesamt sind es hier 302 verschiedene Targets. Ähn-­‐
liches gilt für tree -­‐-­‐ wo jeder an eine spezifische, ihm geläufige Baumart oder einen Baum-­‐Bestandteil denken kann.. 2.2. Similarität und Kontrast, Kontiguität und Distanz im Bereich des Versprechens Mit seinem genialen Blick für das Grundlegende hat Roman Jakobson, inspiriert von Mikołai Habdank Kruszewski (1886), die Aufmerksamkeit auf das Zusammenwir-­‐
ken zweier Prozesse beim Sprechen gelenkt: eines paradigmatischen, bei dem Einheiten aus anderen, gleichrangigen Einheiten ausgewählt, und eines syntagmatischen, bei dem die ausgewählten Einheiten in eine lineare Abfolge gebracht werden. Im paradigmati-­‐
schen Prozess spielt die Dimension 'Similarität -­‐ Kontrast', im syntagmatischen die Di-­‐
mension 'Kontiguität -­‐ Distanz' eine dominierende Rolle. In diesen Rahmen lassen sich nun nicht nur Typen der Aphasie einordnen26, son-­‐
dern auch die Typen des Versprechens, die Meringer und Mayer 1895 vorgeführt haben. Da die lineare Anordnung elementarer Zeichen ein Charakteristikum der Rede ist, ist die Mehrzahl der „sprachlichen Fehlleistungen" im Bereich der syntagmatischen Kontigui-­‐
tät/Distanz anzutreffen. Ihre Hauptursache ist darin zu sehen, dass (wenigstens norma-­‐
lerweise) das Denken einen Vorlauf vor dem Artikulieren hat -­‐ und der Sprecher setzt dann das, was er zu sagen plant, an die Stelle dessen, was er im Moment artikuliert. Das „Spätere" wirkt also dabei scheinbar paradoxerweise -­‐ auf das „Frühere". Ohne auf die Einzelheiten dieser Art des Versprechens eingehen zu wollen, dessen Ergebnisse sehr häufig Vertauschungen, also Metathesen sind, sei hier zweierlei festgehalten: Zum einen sind die in der Rede auf diese Art vertauschten Elemente in aller Regel klassengleich -­‐ wobei der Begriff 'Klasse' nicht nur Wortarten, also den modus significandi, sondern bei-­‐
spielsweise auch Anlaute, Auslaute, Stammvokale, betonte Silben usw. umfassen kann27. Mit den Worten von Meringer und Mayer [p. 16] (1895: 17): «Am gewöhnlichsten sind die Vertauschungen der Adjectiva mit Adjectiven, Substantiva mit Substantiven, Verba 26 Zur Fruchtbarkeit der Unterscheidung Jakobsons für die Klassifizierung von Aphasien vgl. Luria 1976: 52. 27 Einige Beispiele: «Saint-­‐Exupérinces Petit Prince», «Minuster für Kultus und Unterricht». Die Elemente können auch vertauscht werden -­‐ Metathesen dieser Art sind: «eine Sorte von Tacher», «denile Semenz», «Verteidigung ist die Spiele des Seels», etc. Die Beispiele stammen bis auf das erste aus Meringer/Mayer 1895. Zu analogen Erscheinungen beim Verlesen vgl. auch Kolers 1976. mit Verben». Zweitens sei festgehalten: «Antithetische Wörter werden besonders leicht vertauscht» (1895: 15). Ein Beispiel für diese Art der Metathese: «Da steht der Einsatz nicht für den Gewinn». Die zweite große Gruppe für Versprech-­‐Leistungen sind solche, deren Ursache in der Auswahl während des paradigmatischen Prozesses gesehen werden muss. Die eine Untergruppe sind hier die „Kontaminationen" bei der Vorstellung 'etwas schreiben' werden die Ausdrucksmöglichkeiten 'etwas zu Papier bringen' und 'etwas schreiben' kombiniert zu 'etwas zu Papier schreiben'. Freud nennt dies gewiss zutreffend 'Verdich-­‐
tungen'. Die andere Unterart dieses 'semantischen' Versprechens besteht in der Vertau-­‐
schung („Substitution") zweier Elemente -­‐ wobei es sich nicht mehr um Elemente aus dem Syntagma, sondern um Elemente des paradigmatischen Auswahlprozesses handelt. «Bekannt ist», so heißt es bei Meringer und Mayer (1895: 79), «dass kontrastierende Vorstellungen einander assoziieren. So kommt man auf dem Wege der Substitution dazu, das Gegenteil von dem zu sagen, was man gemeint hat». Also etwa: «Ihm war auch kein Berg zu niedrig» (statt: zu hoch); «was er verliert (statt: gewinnt), gibt er seinen Kindern in die Sparbüchse». Was schon bei völlig gesunden Sprechern, wenn man ein Ohr dafür hat, mit be-­‐
merkenswerter Häufigkeit zu beobachten ist, kann natürlich im Fall von verminderter Sprechfähigkeit (Aphasien) in verstärktem Maße auftreten. Herbert Pilch hat aus lingu-­‐
istischer Sicht auf die bekannte Erscheinung hingewiesen, dass Aphasiker Wörter ver-­‐
wechseln, die im Verhältnis des Gegensinns zueinander stehen (1972: 8). Ein einfaches Beispiel aus einem Sprachtest mit Aphasikern (Müller 1976: 257ff.): Es handelt sich um einen Test, in dem der Umgang mit metakommunikativen Verben überprüft wurde. Beim Nachsprechen eines größeren zusammenhängenden Texts -­‐ dies war eine der Auf-­‐
gaben -­‐ wurden dabei vereinzelt sinnstörende Vertauschungen zwischen den korrelati-­‐
ven Begriffen 'fragen' und 'antworten' beobachtet. Von einem analogen Test mit Einzels-­‐
ätzen heißt es: «Sinnstörend vertauscht wurden 'fragen' mit 'erwidern'; 'wissen wollen' bzw. 'sich erkundigen' (wurden) durch 'sprechen' ersetzt.» In einem Sortiertest sollten metakommunikative Verben nach inhaltlichen Kriterien zu Gruppen geordnet werden. Dieser Test wurde wegen der erforderlichen hohen Konzentration allerdings nur von fünf Probanden absolviert. Vier davon gruppierten 'fragen, wissen wollen, sich erkundi-­‐
gen'; 'antworten, entgegnen, erwidern'. Der fünfte Proband, gekennzeichnet mit dem Stichwort «Konduktionsaphasie», bildete dagegen [p. 17] die Paare 'fragen/antworten'; 'antworten/erkundigen'; 'wissen wollen/entgegnen'. Er gliederte also, was der Untersu-­‐
chende nicht direkt sieht, nach Antonymen-­‐Paaren28. 3. Interpretation der beschriebenen Phänomene oder: Die verschiedenen Strate-­‐
gien zum Erfassen von Bedeutung No hay que explicar el hablar desde el punto de vista de la lengua, sino viceversa (Cose-­‐
riu 1955/1973: 287). Meringer und Mayer haben darauf hingewiesen, man müsse sich hüten, den Sprechfeh-­‐
ler als etwas Pathologisches aufzufassen. Sie erläutern dies mit einem prägnanten Bild: Beim Sprechfehler versage nur die Aufmerksamkeit, die Maschine laufe ohne Wächter, sich selbst überlassen. Und was den Sprechfehler für die Sprachwissenschaft lehrreich 28 Nach der Analyse, die Luria von dem seit Wernicke und Lichtheim so genannten Syndrom der „Lei-­‐
tungsaphasie" gibt, dürfte es sich um die Variante mit akustisch-­‐artikulatorischer Störung handeln. In der Variante mit akustisch-­‐mnestischer Störung sind sogenannte „verbale Paraphasien" relativ selten. Vgl. Luria 1976: 239-­‐285, insbes. S. 247-­‐273. mache, sei der Umstand, dass das Uhrwerk in solchen Augenblicken des Mantels ent-­‐
kleidet scheine und ein Blick in die Räder möglich sei (1895: 7). Ähnliches gilt für die permanenten Abweichungen von der Sprachnorm, die sich im Sprechen von Individuen oder Individuen-­‐Gruppen finden (und die z.B. Henri Frei in seiner Grammaire des fautes (1929) festgehalten hat). Die Überlegungen gelten natürlich ebenso für die Wort-­‐Asso-­‐
ziationen, insbesondere dann, wenn man, wie ursprünglich Thumb und Marbe, mit der Berücksichtigung der Spontaneität, also der Reaktionszeit, ein Indiz dafür hat, welche Prozesse unter Umständen «automatisch», oder, mit Meringer und Mayer, so ablaufen, dass «der Wächter», also das Bewusstsein des Sprechers, dessen bestenfalls hinterher richtig gewahr wird. Mutatis mutandis gilt die Überlegung schließlich auch für den Be-­‐
reich der Sprachstörungen: «Pathologia illustrat physiologiam», das Anomale lehrt uns, wie das Normale funktioniert – so lautet ein alter Grundsatz der medizinischen For-­‐
schung. Wie beträchtlich der Unterschied zwischen den voll bewussten, mehr Zeit in An-­‐
spruch nehmenden Suchprozessen, und den halbbewussten Assoziationen ist, zeigen solche Aphasien, in denen der Patient ein Wort bei bewusstem Suchen nicht findet oder ein Wort, das ihm vorgesprochen wird, nicht wiederholen kann, während er im Bereich des offenbar funktionierenden Assoziierens das betreffende Wort findet bzw. sagen kann29. [p. 18] Wenn ich nach der obigen Skizzierung quantitativer und qualitativer Ver-­‐
hältnisse im Bereich von Wortassoziationen nun versuche, die bisherige Untersuchung im eigentlichen Sinn zu interpretieren, so lasse ich mich von der folgenden Grundüber-­‐
legung leiten: Da Assoziationen mit Wortmaterial im Idealfall in einem halbbewussten Bereich spontanen Reagierens ablaufen, könnte man meinen, es handle sich um ganz einfache, primäre Prozesse sprachlicher Aktivität. Komplex und sekundär wäre dagegen die Äußerung von Sätzen und Texten. Nun hat freilich einer der großen Aphasieforscher, Kurt Goldstein, gezeigt, dass es sich eigentlich genau umgekehrt verhält: Primär am Sprechen ist die Mitteilungsabsicht, d.h. das Kommunizieren mit Hilfe größerer syntag-­‐
matischer Einheiten im Rahmen von Kommunikationssituationen. Das scheinbar so ein-­‐
fache Assoziieren von Wörtern oder das Benennen von Gegenständen sind dagegen recht schwierige und komplexe Aufgaben. Wie Roman Jakobson gezeigt hat, ist z.B. das Benennen eines Gegenstandes ein metasprachlicher Akt30. Ein solcher Akt setzt die Exis-­‐
tenz und das isolierte Funktionieren eines präzisen Orientierungs-­‐ und Einordnungssys-­‐
tems voraus. Bei Assoziations-­‐Tests muss ein gehörtes Wort ohne jede Situations-­‐ oder Kontexthilfe analysiert, erkannt und eingeordnet werden. Ich habe nun eingangs mit Hilfe einiger einfacher Beispiele aus dem Bereich der Gestaltpsychologie gezeigt, dass eine solche Erkenntnis immer erst dadurch zustande kommt, dass man über das Gegebene hinausgeht: going beyond the Information given. Dementsprechend besteht mein Interpretations-­‐Ansatz jetzt darin, dass ich die von ei-­‐
nem vorgegebenen Ausgangswort ausgehende Assoziation als den Reflex einer Strategie interpretiere, einer Strategie, die dazu dient, die Bedeutung von Wörtern im Hinausge-­‐
hen über das gegebene Wort, z.B. durch die Einordnung in das semantische Orientie-­‐
rungs-­‐System, zu erfassen. 29 Kurt Goldstein, der von solchen Fällen berichtet, erwähnt im selben Zusammenhang das Phänomen, «dass die falschen Wörter oft mit weniger Paraphasie (gemeint ist hier: Paraphasie als lautliche Abwei-­‐
chung) geäußert werden als die richtigen» (1948: 101; vgl. 239). Dies dürften diejenigen Fälle sein, in de-­‐
nen der Sprechprozess gewissermaßen „von oben her", d.h. von der bewussten, intentional vom «Wäch-­‐
ter» gesteuerten Seite her gestört ist. 30 Jakobson 1974: 125ff.; vgl. generell Goldstein 1948 zum Bereich der 'Kategorisierung'. 3.1. Zwei Grundtypen des Assoziierens Hier gibt es nun nicht eine einzige, es gibt, wenn ich recht sehe, zwei Grundstra-­‐
tegien zur Erfassung von Bedeutung. Vergegenwärtigt man sich den primären, auf Mit-­‐
teilung ausgerichteten Aspekt des situativen Sprechens in Sätzen und Texten und den subsidiären -­‐ wenn auch unverzichtbaren -­‐ Charakter desjenigen Bereichs, in den auch das Assoziieren von Wörtern fällt, so versteht man sofort die eine von zwei grundlegend verschiedenen Strategien, d.h. Arten der sprachlichen Reaktion auf Wortmaterial: Kin-­‐
der erwerben Sprache, sei sie nun kommunikativ oder das eigene Handeln begleitend, in Situationen und damit dominant in syntagmatischer Realisierung. Über die nach und nach verstandene [p. 19] fremde und die nach und nach sich entwickelnde eigene syn-­‐
tagmatische Realisierung von Sprache baut sich dann jenes semantische Orientierungs-­‐ und Einordnungssystem auf, innerhalb dessen Rahmen die andere, dominant paradig-­‐
matische Strategie anzusiedeln ist. Wie Hans-­‐Martin Gauger ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Aufbau dieses Systems um einen Prozess zunehmender „Verdichtung" (1970: 65-­‐69). 3.1.1. Syntagmatisches Assoziieren Da sprachliche Elemente wie die Wörter für Kinder zunächst einmal Wörter im syntagmatischen Kontext sind, ist es nicht verwunderlich, dass -­‐ wie seit Anfang des Jahrhunderts beobachtet wurde -­‐ Kinder vorwiegend syntagmatische Assoziationen ha-­‐
ben. Sie nennen also vorwiegend Wörter, mit denen die Ausgangswörter zusammen vorkommen, d.h. die Assoziationen verlaufen im Bereich der syntagmatischen Kontigui-­‐
tät. Typisch sind derartige Assoziationen auch für solche Personen, deren sprachliche Sozialisierung nicht durch den bewussten Umgang mit der eigenen und mit fremden Sprachen während zwölf bis dreizehn Schuljahren perfektioniert wurde, also etwa für Volksschul-­‐Absolventen. Schuchardts Einwand, Thumb und Marbe hätten die Bedeutung der syntagmatischen Kontiguität/Distanz für das Assoziieren nicht gebührend berück-­‐
sichtigt, hat also von der Ontogenese her gesehen seine Berechtigung31. Während syn-­‐
tagmatische Assoziationen bei „gebildeten" Erwachsenen also relativ selten sind, sind sie bei Kindern und anderen sprachlich weniger Sozialisierten recht häufig. Typische (und in allen nachfolgenden Fällen von den Assoziationen der 288 französischen Stu-­‐
denten abweichende) Beispiele sind aus den jeweils erstrangigen Nennungen von 115 französischen Bauarbeitern: fenêtre -­‐ ouverte (31%), blanc -­‐ neige (27%), aigre -­‐ vi-­‐
naigre (26%), rouge -­‐ sang (25%), santé -­‐ bonne (23%), table ronde (23%), faim -­‐ (de) loup (23%), citoyen -­‐ français (22%), lune -­‐ (de) miel (20%), tabac -­‐ blond (17%), mu-­‐
sique -­‐ douce (17% -­‐ zusammen mit classique, légère, agréable, harmonieuse: 31%), lent -­‐ tortue (15%), mémoire -­‐ courte (14%), joie -­‐ (de) vivre (14%), papillon -­‐ vole (10%), etc. Charakteristisch ist hier wiederum, dass solche dominant von der syntagmatischen Kontiguität bestimmten (und in der Regel nicht wortartgleichen) Assoziationen nur sel-­‐
ten jene stark bündelnde Wirkung haben, die für Assoziationen zum Gegensinn hin cha-­‐
rakteristisch ist. [p. 20] 31 Das assoziative Verhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich allerdings seit dem Beginn des Jahrhun-­‐
derts in beträchtlichem Maß demjenigen der Erwachsenen angenähert. Die Ursache ist zweifellos in einer früheren und ausgeprägteren sprachlichen Sozialisierung zu sehen. Vgl. dazu auch Esper 1973: 105, Pa-­‐
lermo/Jenkins 1965 oder Jenkins 1970: 7. 3.1.2. Paradigmatisches Assoziieren Die andere (trotz mancher Grenzfälle von der syntagmatisehen zu unterschei-­‐
dende) grundlegende Strategie zum Erfassen von Bedeutung spiegelt sich im dominant paradigmatischen Assoziieren, also in jenen Assoziationen, die im Bereich des semanti-­‐
schen Orientierungs-­‐ und Einordnungssystems verlaufen. Eingangsvoraussetzung für beide Arten des Assoziierens ist die vorgängige phonologische Analyse mit der Zuord-­‐
nung eines Lautbildes und der (natürlich vorläufigen32) Zuordnung einer Wortart. Beim dominant syntagmatischen Assoziieren besteht die Strategie für die Zuordnung einer Bedeutung zu dieser Einheit aus Wortart und Lautschema vor allem im Assoziieren ei-­‐
nes syntagmatischen Gebrauchskontextes, also in der Einordnung in ein komplexeres Zeichen mit dem sich daraus ergebenden „monosemierenden" Effekt: lune -­‐ lune de miel; blanc (comme la) neige; citoyen -­‐ (un) citoyen français; table -­‐ (la) table (est) ronde, etc. Bei der paradigmatischen Art des Assoziierens besteht die Strategie zur Erfassung von Bedeutung dagegen darin, dass das Ausgangswort in Relation zu einem anderen, gleichrangigen Zeichen gesetzt wird. Die Strategie ist also abstrakter, ja geradezu meta-­‐
sprachlich – eine Analyse, die schön Goldsteins These von der Komplexität scheinbar ganz einfacher Aufgaben bestätigt. Was nun das spezifisch paradigmatische Orientierungs-­‐ und Einordnungssystem betrifft, so scheinen mir hier, bei angemessener Interpretation der Verhältnisse, zwei Untersysteme vorzuliegen Untersysteme, die nicht scharf voneinander getrennt sind. Im einen dieser Systeme vollzieht sich der Zugriff über die Dimension 'Similarität -­‐ Kon-­‐
trast'; im anderen System ist, wie noch erläutert wird, die Information (vor dem Hinter-­‐
grund der Similarität) verfügbar über die semantische Kontiguität in Opposition zur Dis-­‐
tanz. Beide Systeme arbeiten jedoch mit einem gemeinsamen Grundprinzip, das man als „Modul" in Form eines Dreiecks (mit einer Reihe von Varianten) konzipieren kann: Einer Informationseinheit A sind mindestens zwei andere Einheiten B und C in folgender Wei-­‐
se zugeordnet33: [p. 21] A
Similarität
B
Distanz
C
Kontiguität
32 Distanz
Analyse-­‐Ergebnisse sind auf dem Weg von den kleineren zu den größeren Einheiten insofern vorläufig, als die Analyse der kleineren Einheit im Rahmen der Analyse der Übergreifenderen Einheit stets korrigiert werden kann. (Der entsprechende Rückkopplungs-­‐Effekt hat seine physiologische Basis in dem Faktum, dass die Zellen der kortikalen Lamina VI [die etwa 2 mm dicke Großhirnrinde hat sechs physiologisch und funktionell differenzierbare Schichten] vorwiegend Rückkopplungs-­‐Funktion haben.) Der Rückkopplungs-­‐
Effekt ist der Grund dafür, dass manche „Defekte" bei Aphasikern erst dann entdeckt werden, wenn man sie kleinere Einheiten ohne Kontext nachsprechen lässt. 33 Der Gedanke der modularen Struktur ist inspiriert durch Erkenntnisse der Neuroanatomen. Sie haben in der letzten Dekade zunehmend die These vertreten, die komplexe Struktur unseres Nervensystems -­‐ einschließlich des Großhirns -­‐ basiere auf relativ ein-­‐fachen genetischen Programmen. Korrelat dieser Programme sind «modulare», «repetitive» oder «periodische» Strukturen, etwa im Bereich des Rücken-­‐
marks oder der Großhirnrinde. Vgl. beispielsweise Szentágothai 1978. Dabei sind die Beziehungen zwischen AB und AC solche der Similarität – eine Similarität, der die oben auf S. 11 f. genannten Prioritätsebenen 1 (gleiche Wortart) und 2 (gleicher semantischer Bereich) entsprechen. Die Beziehung zwischen B und C ist, je nachdem, ei-­‐
ne Beziehung des Kontrasts (dem entspricht die oben genannte Prioritätsebene 3) oder der semantischen Kontiguität (der die Prioritätsebene 4 entspricht). Die Varianten erge-­‐
ben sich hauptsächlich aus der Zahl der Elemente auf der Achse BC, zum Teil auch dar-­‐
aus, dass die Position von A einzelsprachlich nicht besetzt oder aber, wie im Fall von A = homme, B = homme, G = femme, mit einem der dann merkmallosen Elemente B oder C identisch ist. (Ist ein spezieller Begriff für A vorhanden oder ist A identisch mit B oder C, so liegt ein Fall von 'Gegensinn' in jener Verwendungsweise vor, wie man sie sinnvoll-­‐
erweise Abel unterstellen muss – Abels Beispiele sind von Benveniste (1956) zerpflückt worden. Ein ähnliches Vorkommen solchen Gegensinns gilt für Fragen des Typs „Wie alt (und nicht: wie jung?), wie groß, wie lang, wie schön ist das und das?“, also für Fälle, die z.B. Elmar Holenstein treffend analysiert hat (1976: 69f.).) Im Fall der Similarität-­‐Kontrast-­‐Interpretation des Dreiecks ist eine merkmalse-­‐
mantische Interpretation plausibel: B und C enthalten alle Merkmale von A (A ist der 'Oberbegriff'): sie enthalten jedoch noch zusätzliche Merkmale, und zwar dergestalt, dass diejenigen von B und C nicht völlig identisch sind, sondern in der Regel in einem Merkmal kontrastieren34. [p. 22] 3.1.2.1. Das Similarität-­‐Kontrast-­‐System Zunächst zu dem paradigmatischen System, in dem für das Hinausgehen über die gegebene Information die Kontrast-­‐Relation ausschlaggebend ist. Es geht also um den Bereich des Entgegengesetzten. – Otto Gsell hat in seiner Arbeit über die Gegensatzrela-­‐
tionen im Wortschatz romanischer Sprachen eine sehr wesentliche Beobachtung ge-­‐
macht und so frühere, analoge Beobachtungen in entscheidendem Maße präzisiert: Un-­‐
ser Wortschatz ist keinesfalls so beschaffen, dass alle Wörter ihr Antonym hätten. Ganz im Gegenteil, der Wortschatz, der „antonymfähig" ist, macht nur einen relativ geringen Teil des Gesamtwortschatzes aus – aber: er konzentriert sich auf bestimmte inhaltliche Bereiche des Lexikons. Nimmt man wie Gsell als Maßstab das Begriffssystem von Rudolf Hallig und Walther v. Wartburg (1952/1963), so ergeben sich drei Schwerpunkte. Die gegensatzfähigen Wörter konzentrieren sich l. in der Rubrik «L'âme et l'intellect», wo es sich um etwa vier Fünftel von insgesamt 2000 Einträgen handelt. Es geht dort um geistige Fähigkeiten, Bewusstsein, Gedächtnis, Wahrnehmung, Denken, Vorstellung, Gefühle und dergleichen. (Hallig und Wartburg verwenden in dieser Rubrik teilweise, was Gsell nicht eigens erwähnt, Antonymenpaare explizit als Unter-­‐Rubriken.) 2. in der Rubrik «L'a priori»; Hallig und Wartburg versuchen dort, «den inhaltlich sehr allgemeinen, nicht sachgebietsbezogenen Wortschatz nach Denk-­‐ und Begriffskategorien wie Existenz, physische Zustandsformen, Eigenschaften, Ordnung, Wertung, Quantität, Raum, Zeit, Kausalität, Bewegung und Veränderung zu gliedern» (Gsell 1979: 114). Die 34 Herbert H.Clark spricht in diesem Zusammenhang (1970: 275f.) von der «Regel des minimalen Kon-­‐
trasts». In der Ontogenese kann im Übrigen beobachtet werden, dass die Beziehungen zwischen kontras-­‐
tierenden Paaren z.T. insofern asymmetrisch sind, als eins der beiden Elemente privilegiert, d.h. früher ge-­‐
lernt bzw. als Oberbegriff verwendet wird. Hiermit hat sich in einer Reihe von Arbeiten vor allem Eve V. Clark befasst. Rolle des Kontrasts für diesen Bereich ist im Übrigen bereits durch das oben zitierte Bei-­‐
spiel der aristotelischen Kategorien ersichtlich. 3. im Bereich der jeweiligen Unter-­‐Rubrik 'généralités' (o.a.) zu den jeweiligen größeren Abschnitten bei Hallig/Wartburg. Gsell spricht anhand der Begriffe des zweiten Bereichs (den dritten nennt er nicht aus-­‐
drücklich) von «semantischen Strukturwörtern» (im Gegensatz zu den syntaktischen): sie ließen sich keinem bestimmten sachlichen oder begrifflichen Bereich zuordnen, sei-­‐
en jedoch (besser sollte man sagen: gerade deshalb) in jeder Art von Rede unentbehrlich. Der Begriff der «semantischen Strukturwörter» scheint mir glücklich gewählt zu sein, weil solche Wörter -­‐ als eine von jeweils zwei Alternativen -­‐ unsere Erfahrung in höchs-­‐
tem Maße strukturieren. Hierzu zwei Beispiele: Von den 34 Wörtern der Listen von Rus-­‐
sell/Jenkins (1970) bzw. Palermo/Jenkins (1964), auf die mindestens 50% der Proban-­‐
den als Assoziation an erster Stelle dasselbe Wort nennen, sind 23 solche, auf die ein An-­‐
tonym assoziiert wird. Als Strukturierungsdimension dienen dabei – siebenmal der Geschlechtsunterschied (boy/girl, he/she, king/queen etc.); – viermal, im Bereich des Gesichtssinns, die Dimension hell/dunkel (black/white, dark/ light); – fünfmal die Orientierung in Raum bzw. Raum und/oder Zeit (slow/fast, here/there, long/short, high/low, younger/older); weiterhin: [p. 23] – die Kommunikationssituation zwischen Sprecher und Hörer (me/you); – zweimal der Tast-­‐ oder Handsinn (hard/soft, heavy/light); schließlich: – der Geschmackssinn (sour bzw. bitter/sweet); – der Gehörsinn (loud/soft); sowie – die konverse Relation Zwischen Geben und Nehmen (sell/buy, buying/selling). Ist ein tertium möglich, so immer in Form einer Skala zwischen den beiden Extrempolen, die den Bereich eingrenzen -­‐ genauso, wie dies Aristoteles für seine Klassifizierung der Tast-­‐, Geschmacks-­‐ und Geruchsempfindungen vorgeschlagen hatte. Das zweite Beispiel: Wolfgang Lorenz und Gerd Wotjak haben aus 80 sprachwis-­‐
senschaftlichen Untersuchungen häufig vorkommende «Seme» zusammengetragen, also solche Begriffe, die dazu verwendet werden, um den Inhalt anderer Begriffe zu be-­‐
schreiben. Von den 129 in einer ersten Liste bei Lorenz/Wotjak (1977: 310-­‐334) zu-­‐
sammengetragenen häufig genannten «Semen» sind nun mehr als die Hälfte solche, die zu Antonymen-­‐Paaren geordnet werden können -­‐ was wiederum, ganz unabhängig da-­‐
von, wie man zur Existenz von semantischen Merkmalen oder Semen stehen mag, auf-­‐
schlussreich ist für die Strukturierungs-­‐ und Reduktionsleistung entsprechender Be-­‐
griffspaare. Während bei der dominant syntagmatischen Art des Assoziierens die Aufgabe der semantischen Einordnung einer Einheit aus Wortart und Lautbild über die Einbettung in den syntagmatischen Kontext, also in ein komplexeres Zeichen, geleistet wird, verläuft somit im Fall der geschilderten Unterart des paradigmatischen Assoziierens die Einord-­‐
nung anders: Das betreffende Wort wird, wo immer dies möglich ist, über die Zuord-­‐
nung des Kontrast-­‐Werts im Dreiecks-­‐Modul identifiziert. Dies ist Goethes «Anklingen des Gegensinns», das seit Jost Trier im Bereich der Wortfeldlehre erwähnt wird. Die Identifizierung der Bedeutung von B mit Hilfe des kontrastierenden C führt natürlich dazu, dass jeder normale Sprecher sich, etwa bei Müdigkeit, d.h. bei verringerter Auf-­‐
merksamkeit, zum Gegenteil hin versprechen kann35. In pathologischen Fällen führt dann eine verringerte Unterscheidungsfähigkeit zwischen den Teilen B und C des Mo-­‐
duls zu den häufigen «verbalen Paraphasien» des Typs 'nehmen' für 'geben', 'fragen' für 'antworten', 'groß' für 'klein'. 3.1.2.2. Das Similarität-­‐Kontiguität-­‐System Im Similarität-­‐Kontrast-­‐System, das, wo immer dies möglich ist, den Zugriff auf semantische Information primär steuert, steht 'Mutter' in [p. 24] Kontrast zu 'Vater' -­‐ tertium non datur. 'Mutter' steht jedoch auch in Beziehung zu anderen Lexemen, z.B. zu 'Kind', 'Tochter', 'Stiefmutter', 'Großmutter', auch zu 'Frau', etc. Bei 'Frau' oder 'Mäd-­‐
chen' bestehen übrigens unabhängig vom Geschlecht der Probanden -­‐ assoziative Ver-­‐
bindungen zu 'hübsch', 'schön', 'Schönheit' und dergleichen. Die ersten dieser Verknüp-­‐
fungen könnte man noch leicht mit Hilfe der Merkmalsemantik beschreiben: 'Vater' und 'Mutter' bilden ein minimales Paar, das sich nur durch den bewussten kleinen Unter-­‐
schied, die Opposition 'männlich/weiblich', semantisch voneinander abhebt. Bei Paaren wie 'Mutter/Kind' bzw. 'Mutter/Tochter' wären es bereits mehrere differenzierende Merkmale (und das Beispiel zeigt zugleich, dass es noch ganz andere Relationen gibt als die des Kontrasts: hier z.B. die temporale oder die kausale). Bei 'Mädchen/Schönheit' müsste man schon mit Selektionspräferenzen arbeiten, man könnte wohl auch an den Bereich der syntagmatischen Kontiguität denken. Es gibt nun allerdings eindeutig paradigmatische Assoziationen, bei denen merk-­‐
malsemantische Konstruktionen angesichts ihrer notwendigen Komplexität in eklatan-­‐
tem Widerspruch zur hochgradigen Geläufigkeit der betreffenden Assoziationen stün-­‐
den. Ein einfaches Beispiel ist das Paar 'Tisch/Stuhl'. Die Zahlen: 84% bei Russell/ Jenkins, 69% bei Palermo/Jenkins, 55% bei französischen Studenten36. Man könnte hier die Merkmal-­‐Similarität über den Oberbegriff 'Möbelstück' konstruieren aber wie wäre dann zu erklären, dass die Verbindung zwischen 'Tisch' und 'Stuhl' enger ist als die zwi-­‐
schen den Möbelstücken 'Tisch' und 'Hocker' (die sich im Prinzip nur durch die Größe unterscheiden), oder zwischen 'Tisch' und 'Bett' (1% der Nennungen trotz «getrennt von Tisch und Bett leben») ? Wie wären weiterhin so geläufige Assoziationen wie 'pied/ chaussure', 'araignée/toile', 'tobacco/smoke' zu erklären, für die Oberbegriffe schwer zu konstruieren sind und die sich in einer solchen Konstruktion, wenn sie gelingt, immer noch durch eine Fülle von Merkmalen, nicht etwa nur durch ein einziges, unterschieden? Angesichts solcher Verhältnisse scheint es mir plausibel zu sein, das als grundle-­‐
gend angesetzte Dreiecks-­‐Modul in diesen Fällen als eine Similaritäts-­‐Kontiguitäts-­‐
Beziehung zu interpretieren, also in Anlehnung an das oben erläuterte „Gesetz der Nähe" aus dem Bereich der optischen Wahrnehmung. Solche Similaritäts-­‐Kontiguitäts-­‐Bezie-­‐
hungen beruhen bei einem fließenden Übergang zum Similarität-­‐Kontrast-­‐Bereich – je-­‐
weils auf Erfahrungskontexten, in denen Erscheinungen als zusammengehörig, ver-­‐
wandt, benachbart verstanden werden. Die Komponente der Similarität versteht sich hier vor allem als Zugehörigkeit zum selben Er-­‐ [p. 25] fahrungsbereich, meist -­‐ aber keinesfalls ausschließlich -­‐ auch als Zugehörigkeit zur selben Wortart. Die Kontiguität 35 Die Ursache dafür, dass der ungeübte Hörer Versprech-­‐Leistungen normalerweise gar nicht wahr-­‐
nimmt, haben schon Meringer und Mayer genannt: «(…) Der Hauptgrund des Überhörens von Sprechfeh-­‐
lern liegt darin, dass der Hörer ganz ähnlich daran ist wie der Sprecher und wohl aus derselben Ursache überhört, aus der der andere sich verspricht» (1895: 10f.). 36 Die Zahl für die deutschen Probanden lautet 29% -­‐ hier stellen die 15% Nennungen für die im Grenzbe-­‐
reich zwischen semantischer und syntagmatischer Kontiguität liegende Assoziation 'Bein(e)' eine starke Konkurrenz zu 'Stuhl' dar. wird zumeist verkörpert durch eine spezielle, in der Regel gerichtete Beziehung zwi-­‐
schen den Elementen B und C. (Die Zahl der Probanden, die auf 'Stuhl' wieder 'Tisch' as-­‐
soziieren, ist viel geringer als die Zahl derer, die auf 'Tisch' die Assoziation 'Stuhl' ha-­‐
ben.) Entscheidend ist dabei nun, dass die Erfahrungskontexte zwar individuell ver-­‐
schieden sind, dass die Relationen, durch welche die Begriffe verknüpft sind, dagegen meist ganz spezifische, invariante Relationen darstellen: 'Tisch' und 'Stuhl' sind z.B. in-­‐
tegrierende Teile eines größeren Ganzen im Erfahrungsbereich des Wohnens und Arbei-­‐
tens; zwischen 'tobacco' und 'smoke', 'araignée' und 'toile' besteht eine kausale, zwi-­‐
schen 'Hammer' und 'Nagel' eine finale Relation. Das Gegenstück zur Kontiguität, die Di-­‐
stanz, grenzt hier die Dreiecksmoduln gegeneinander ab. Interessant ist, dass in vielen Fällen nicht eigentlich der kontige Partner, sondern die spezifische Relation, etwa zwi-­‐
schen dem Gegenstand und einem allfälligen Benutzer, assoziiert wird. Um die finale Re-­‐
lation geht es z.B. in den Fällen 'Bett/schlafen', 'Schere/schneiden', 'ciseaux/couper', 'scissors/cut'. 3.2. Sonderfälle Für beide Varianten des paradigmatischen Orientierungs-­‐ und Einordnungssys-­‐
tems gilt natürlich: Sobald auf der Achse BC mehr als zwei gleichrangige Mitglieder an-­‐
zusiedeln sind, sobald also in Trubetzkoys oder Coserius Terminologie eine «äquipollen-­‐
te» und nicht eine «privative» Opposition vorliegt37, verliert die Assoziation von einem dieser Mitglieder zum anderen an Schärfe: die bündelnde Kraft des einzigen Antonyms oder des in spezifischer Weise kontigen Partners fehlt. Musterbeispiel ist das Dreiecks-­‐
Modul für die Farbwerte im Gegensatz zu dem für die Grauwerte: Farbwerte
grün
lila
rot
blau
gelb
schwarz/
dunkel
Grauwerte
weiß/
hell
Wegen der Auswahl aus einer großen Zahl gleichberechtigter Möglichkeiten sind die Re-­‐
aktionen auf Farben dementsprechend wenig gebündelt38 – auf 'gelb' nennen an erster 37 Coseriu 1964/1978: 120f.; 1976: 34. Eine graduelle Opposition entspricht, wie oben in Anm. 5 erwähnt, einer Unterart des aristotelischen Entgegengesetzten mit gegebenem tertium. 38 Nach der oben erwähnten aristotelischen Farbkonzeption oder dem analogen Vorschlag bei Weinrich 1967: 2213 oder Coseriu 1976: 43f. wären die beiden Dreiecks-­‐Moduln zu einem einzigen zu kombinieren -­‐ die extremen Farbwerte wären also 'schwarz' und 'weiß'. Dem widerspricht einerseits nicht das Assozia-­‐
tionsverhalten der Probanden im englischen, französischen und deutschen Sprachbereich, wo auf 'rot', 'blau', 'gelb', 'grün' sowie auf 'Farbe' jeweils auch, und z.T. mit beträchtlichen Nennungszahlen, 'schwarz' und/oder 'weiß' genannt werden. (Bei gebildeten französischen Sprechern liegt in einem dieser Fälle frei-­‐
lich eine syntagmatische Assoziation vor: gerade wegen ihrer Bildung assoziieren 18% an erster Stelle auf Stelle 14% der amerikanischen Pro-­‐ [p. 26] banden 'blau', 12% der deutschen 'rot', 11% der französischen 'grün'. Bei den Ausgangswörtern 'blau' und 'grün' ist die Assoziation im paradigmatischen Bereich sogar schwächer als im syntagmatischen – hier nennen die Probanden in allen drei Sprachen an erster Stelle den Himmel (blau) und den Bereich 'Gras/Wiese/Landschaft' (grün); und dies mit einer Frequenz, die, vertreten durch Wer-­‐
te zwischen 20 und 30%, deutlich über den Frequenzen liegt, die in den anderen Fällen für Farbwerte eintreten. – Auch zwischen Zahlen scheinen auf den ersten Blick dieselben äquipollenten Beziehungen zu bestehen wie etwa zwischen Farbadjektiven. Bei nähe-­‐
rem Zusehen zeigt sich jedoch, dass als spezifische Relation zwischen Zahlen die Relati-­‐
on „größer als" gesehen wird. (Ganz abstrakt lautet die Regel für das Zählen ja: Ersetze die letzte Zahl n durch n+1.) Entsprechend sind die Assoziationen auf Zahlwörter immer gerichtet, z.B. im Sinn des 'n + 1': auf 'zwei' wird 'drei', auf 'drei' wird 'vier' assoziiert, auf jeden Fall immer eine höhere Zahl39. Ein weiterer Sonderfall sind Erfahrungsbereiche, die nicht zu denjenigen einer Vielzahl von Sprechern gehören. Zum 'Löwen' wird gemeinhin als kontiger Partner im Erfahrungsbereich 'exotische wilde Tiere' der 'Tiger' assoziiert. Beim 'Adler' fehlt für den normalen Sterblichen der Partner. In solchen Fällen kann die Assoziation dann zur Spitze A eines potentiellen Moduls verlaufen (man könnte auch sagen: Auf dem Weg von B zu einem potentiellen C endet die Assoziation in Ermangelung eines C bei A, das sonst die Zwischenstation gewesen wäre). Die Konsequenz: Die häufigste Assoziation auf 'Ad-­‐
ler' ist 'Vogel' (21%), 'oiseau' (16%) und 'bird' (55%). Solche Assoziationen zum Klas-­‐
sennamen, d.h. zur Spitze A des Moduls hin, sind relativ selten. Mit größerer Häufigkeit treten sie, sozusagen als Vorstufe zu Similarität-­‐Kontrast-­‐Assoziationen, bei sprachlich weniger sozialisierten Probanden auf40. [p. 27] 4. Schlussüberlegungen «Die Aufstellung von Oppositionen ist im Wortschatz wesentlich komplizierter als im phonologischen System einer Sprache, da die beteiligten Merkmale wesentlich zahlrei-­‐
cher sind als in der Phonologie. Prinzipiell handelt es sich jedoch um die gleichen Opposi-­‐
tionstypen» (Coseriu 1973: 65). Ich habe eingangs gezeigt, dass Zweierschemata häufig als Denkmodell verwendet wer-­‐
den, dass die Sprache im Bereich der Bezeichnungen des Entgegengesetzten über eine ganze Skala solcher Zweierschemata verfügt; weiterhin, dass Wahrnehmen und Erfassen von etwas stets zugleich bedeutet: über die Information hinausgehen, die gegeben wird, und dass auch bei diesem «über die Information hinausgehen» wieder Zweierschemata wie die von Similarität und Kontrast, Kontiguität und Distanz entscheidend sind. Ich ha-­‐
be dann Ergebnisse der sprachlichen Assoziationsforschung einer ersten Analyse unter-­‐
'rouge' das Wort 'noir'.) Andererseits entspricht das Assoziieren von 'schwarz' und/oder 'weiß' auf Farb-­‐
adjektive den Erkenntnissen, die der geniale Edwin H. Land (1977) über die Physiologie des Farbsehens gewonnen hat. 39 Schuchardts oben zitierte Vermutung, auf 'drei' könne (aus Gründen der Lautähnlichkeit) auch 'zwei' assoziiert werden, ist auch deshalb abwegig, weil Rückwärtszählen eine sehr schwierige Aufgabe ist: sie wird z.B. häufig verwendet, um das Ausmaß von Aphasien zu bestimmen. Dasselbe gilt für Tages-­‐ und Mo-­‐
natsnamen, wo die spezifische, gerichtete Relation „später als" oder „nach" lautet. 40 Vgl. Rosenzweig 1970: 102, 105 zum relativ großen Anteil der Assoziationen zum Oberbegriff hin bei amerikanischen und französischen Arbeitern; Jenkins 1970: 7 erwähnt das Zurückgehen der Oberbegriffs-­‐ und der Synonym-­‐Assoziationen in der Geschichte amerikanischer Assoziationstests. -­‐ Angesichts des vor-­‐
liegenden Materials ist mir unklar, worauf Clark (1970: 279) die Ansicht stützt, «Fast-­‐Synonyme» wie 'house -­‐ home', 'odour -­‐ smell', 'seem -­‐ appear', 'thing -­‐ object', sowie Ober-­‐ und Unterbegriffe kämen bei den Wortassoziationen oft vor. zogen und diese Analyse in einem weiteren Schritt dadurch vertieft, dass ich sprachliche Assoziationen als den Reflex von Strategien aufgefasst habe, die dazu dienen, seman-­‐
tische Information zu erfassen und einzuordnen. Zum Abschluss will ich in vier Schluss-­‐
überlegungen skizzieren, worin der mögliche Ertrag einer stärkeren Einbeziehung der Assoziationsforschung und verwandter Gebiete liegen kann: in einem (1) Einblick in das Funktionieren unseres semantischen Orientierungssystems und seine (2) Transfor-­‐
mation in Onto-­‐ und Pathogenese sowie in der Diachronie; in einem (3) neuen Licht, das auf Probleme der Wortfeldforschung geworfen wird und schließlich auch in einer (4) angemesseneren Haltung gegenüber der Wissenschaftsgeschichte. 4.1. Das Funktionieren unseres semantischen Orientierungssystems In unserem paradigmatischen Orientierungssystem scheint es zwei Bereiche zu geben, die fließend ineinander übergehen und miteinander kombiniert sein können: ei-­‐
nen Bereich mit Similarität-­‐Kontrast-­‐ und einen Bereich mit Similarität-­‐Kontiguität-­‐
(Distanz-­‐)Struktur. Im einen Bereich wird Information, ähnlich wie im Fall des „Gesetzes der Gleichförmigkeit (und des Kontrastes)", vor dem Hintergrund der Similarität domi-­‐
nant eingeordnet im Hinblick auf das Entgegengesetzte, im anderen im Hinblick auf den Nachbarn im selben Erfahrungsbereich – was dem gestaltpsychologischen „Gesetz der Nähe" entsprechen würde. [p. 28] Das erste System strukturiert durch seine Reduktion auf in der Regel zwei Alternativen (mit, falls ein tertium zugelassen ist, Zwischenmöglichkeiten) unsere Erfah-­‐
rung in außerordentlich starkem Maß. Hier bestehen zugleich die größten außereinzel-­‐
sprachlichen Übereinstimmungen – und zwar deswegen, weil bestimmte Strukturie-­‐
rungs-­‐Dimensionen, ethologisch gesehen, nichts anderes darstellen als Verbalisierungen jener Interpretation der Natur, der Umwelt und ihrer Gesetzlichkeiten, die unser Orga-­‐
nismus im Lauf seiner entwicklungsgeschichtlichen Adaptation vorgenommen hat: Ori-­‐
entierung im Raum, in der Zeit; Orientierung durch Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen und Tasten. Eine Reihe solcher Strukturierungs-­‐Dimensionen (die generell Cose-­‐
rius und Pottiers Klassemen, Greimas' Kontextsemen oder Lüdis Kongruenzsemen glei-­‐
chen)41 sind sogar grammatikalisiert, also zu grammatischen Ordnungsdimensionen ge-­‐
worden (wobei die Einzelsprachen das Angebot natürlich in jeweils verschiedener Wei-­‐
se wahrnehmen): Es geht u.a., pythagoreisch ausgedrückt, um die Unterscheidung zwi-­‐
schen dem Einen und dem Vielen, um die zwischen 'männlich' und 'weiblich' (die im grammatischen Bereich freilich neutralisiert werden kann), zwischen 'tot' und 'lebendig' (wofür die Grammatiker 'unbelebt/belebt' vorziehen), zwischen 'menschlich' und 'nicht-­‐
menschlich', 'geben' („Allativ", „Dativ") und 'nehmen' („Ablativ"), zwischen 'ich' und 'du', 'ja' und 'nein' (vierte Art des Entgegengesetzten im aristotelischen Sinn), 'hier' und 'dort', 'jetzt' und 'nicht-­‐jetzt'42. Besonders augenfällig sind solche Klasseme und ihre Reduktionsleistung in den sogenannten Klassifikator-­‐Sprachen – dort hat jedes Nomen ein Element bei sich, das das Bezeichnete einer bestimmten Klasse von Denotaten zuweist, etwa zur Klasse 'Tier' oder 'Mensch', zur Klasse der 'horizontalen' oder 'vertikalen Objekte' – wobei, was nicht unerwartet ist, als generellstes und häufigstes Klassifikationskriterium die Opposition zwischen 'belebt' und 'unbelebt' verwendet wird (vgl. Serzisko 1980). Unser so vorstrukturiertes Wahrnehmen und Denken erkennt umgekehrt in der Umwelt wieder Prinzipien wie die eingangs genannten Gegensatzpaare des frühgriechi-­‐
41 Vgl. Coseriu 1972: 52; Lorenz/Wotjak 1977: 235 mit Anm. 103. Vgl. zur binären Opposition als einer Extremform des grammatischen Paradigmas auch Weinrich 1967; 1975. 42 schen Denkens – wobei inzwischen klar sein dürfte, dass es sich um alles andere als um „archaisches" oder „primitives" Denken handelt. Bemerkenswert an den Wort-­‐Assozia-­‐
tionen ist ja u.a., dass man sie nicht dadurch erhält, dass man im Sinn des dritten nooge-­‐
netischen Prinzips von Spearman den Ausgangspunkt und die gewünschte Relation vor-­‐
gibt, um zu einem Ergebnis zu kommen: es genügt die Angabe des Ausgangspunkts. Wahrnehmen, Erkennen, Verstehen bedeuten nämlich stets Einordnen, Relationen her-­‐
stellen – gleichgültig, ob es um [p. 29] die optische Wahrnehmung geht, an der einige (vermutlich verwandte) Gestaltgesetze erläutert wurden, oder aber um das Einordnen sprachlicher Information. So ist es ganz selbstverständlich, dass die gegebene Informati-­‐
on erst im Hinausgehen über das Gegebene erfasst wird -­‐ ein Hinausgehen, das die Psychologen bekanntlich auch 'Denken' nennen. Im sprachlichen Erfassen ist so auch das Denken oder «über das Gegebene Hinausgehen» angelegt: Das Denkschema von These, Antithese und Synthese spiegelt z.B. das Dreiecks-­‐Modul des Similarität-­‐Kontrast-­‐
Systems wider: 'Mann' und 'Frau' sind in 'Mensch' aufgehoben43. Während im Bereich des Similarität-­‐Kontrast-­‐Systems nicht nur im Prinzip, son-­‐
dern z.T. auch materiell gewisse außereinzelsprachliche Übereinstimmungen vorhanden sind, gibt es im Similarität-­‐Kontiguität-­‐System natürlich, entsprechend dem Erfahrungs-­‐ und Lebensbereich, kulturelle und soziale Unterschiede. Entscheidend ist jedoch auch hier, dass 'Einordnen' nicht nur bedeutet: 'in Relation Setzen zu': diese Relationen sind, ebenso wie die Kontrast-­‐Relation im anderen System, wiederum ganz spezifische, ihrer-­‐
seits in aller Regel überindividuelle Denk-­‐Relationen: Teil/Ganzes, Kausalität, Finalität, Zeitrelation. Invariant oder außereinzelsprachlich sind also die Relationen, nicht not-­‐
wendigerweise dagegen die Terme, die durch solche Relationen verbunden sind. 4.2. Ontogenetische, pathogenetische und diachronische Transformation des semanti-­‐
schen Orientierungssystems Nach den vorgeführten Analysen gibt es drei Strategien zur Wahrnehmung und Einordnung semantischer Information: eine dominant syntagmatische und die beiden eben erwähnten paradigmatischen. Dabei entspricht die syntagmatische Strategie dem, was Hansjakob Seiler im Bereich der „sprachlichen Erfassung von Gegenständen" mit Pi-­‐
aget zunächst als 'Einordnen', dann als 'Individualisierung' bezeichnet hat; insbesondere das paradigmatische Similarität-­‐Kontrast-­‐System entspricht dagegen dem Seilerschen 'Klassifizieren' bzw. 'Generalisieren' als der anderen polaren Instanz im Bereich der sprachlichen Erfassung von Gegenständen (Seiler 1981). Die Charakteristika aller drei Orientierungs-­‐ und [p. 30] Einordnungssysteme sind in der folgenden Übersicht noch-­‐
mals zusammengestellt: 43 Es ist gewiss nicht erstaunlich, dass, wie Coseriu (1977a) gezeigt hat, gerade Hegel in seiner Humboldt-­‐
Rezension als Vergleichsgrundlage für alle Sprachen die Unterscheidung von Gattungen und Arten bzw. von «Allgemeinheiten und Bestimmtheiten» ansieht – mit anderen Worten also das DreiecksModul in sei-­‐
ner Similarität-­‐Kontrast-­‐Ausprägung. – Die Bolle des Kontrasts (als drittes Moment neben Similarität und Kontiguität) hat aus der phänomenologischen Tradition heraus sehr schön und einleuchtend Elmar Holen-­‐
stein dargestellt und gerade auch für die sprachliche Seite als grundlegend bezeichnet: «Damit überhaupt eine Auswahl (gemeint ist: auf der paradigmatischen Achse der Selektion) getroffen werden kann, muss sich etwas von etwas abheben» (1976: 86). Bruners 'going beyond the information given' kann also z.T. auch im phänomenologischen Sinn interpretiert werden. I Syntagmatisches Konti-­‐
guitäts-­‐System Dominante Strategie: Einordnen in ein größe-­‐
res Syntagma (d.h. in ein komplexeres Zei-­‐
chen) in aller Regel verschie-­‐
den ja Wortklasse: Kontiguität vs. Distanz: Similarität vs. Kontrast: Für alle Wörter mög-­‐
lich? ja II Paradigmatisches Simi-­‐
larität-­‐Kontiguität-­‐
System Zuordnung eines Part-­‐
ners aus demselben Er-­‐
fahrungsbereich (über spezifische Relationen) in der Regel gleich III Paradigmatisches Simi-­‐
larität-­‐Kontrast-­‐System ja ja großer Bereich Zuordnung eines Anto-­‐
nyms (über die Gegen-­‐
satz-­‐Relation) gleich ja kleiner Bereich („se-­‐
mantische Struktur-­‐
wörter“) Die spezifischen Relationen im Similarität-­‐Kontiguität-­‐System entsprechen dabei in etwa Piagets «infralogischen» Relationen oder Spearmans (1923: 67-­‐71) «real» relati-­‐
ons; die Relationen des Similarität-­‐Kontrast-­‐Systems entsprechen dagegen Piagets «logi-­‐
schen» und in etwa wohl Spearmans (71-­‐74) «ideal» relations. Für die veschiedentlich erwähnte nicht scharfe Trennung der Bereiche II und III dürften u.a. die Teil-­‐Ganzes-­‐
Relationen verantwortlich sein, die sowohl im «logischen» (Inklusion) als auch im «infralogischen» Bereich vorkommen. Während die Relationen des Similarität-­‐Kontigui-­‐
tät-­‐Systems dominant gerichtete Relationen sind, ist die Gegensatz-­‐Relation des Simila-­‐
rität-­‐Kontrast-­‐Systems grundsätzlich zweiseitig. Abweichungen ergeben sich insbeson-­‐
dere durch Polysemie (vgl. o. S. 12). Ontogenetisch gesehen werden nun die paradigmatischen Systeme II und III über das syntagmatische System I aufgebaut. Dabei nimmt das System II, wie aus seinen Merkmalen ersichtlich ist, eine Mittelstellung zwischen den Systemen I und III ein -­‐ im Sinn der Konzeption Seilers stellt es also gewissermaßen den „Wendepunkt" zwischen den beiden Polen der Dimension 'sprachliche Erfassung von Gegenständen' dar. Auch der fließende Übergang zwischen den drei Systemen erhellt aus dem Schema: die Grenz-­‐
fälle liegen interessanterweise nicht zwischen I und III, sondern zwischen den Systemen I/II (z.B. Coserius «lexikalische Solidaritäten») und zwischen den Systemen II/III. Es ist somit plausibel, dass [p. 31] in der Ontogenese die Systeme in der Reihenfolge I-­‐II-­‐III aufgebaut werden. Das System III nimmt dabei insofern eine Sonderstellung ein, als es, wie die letzte Zeile des Schemas nochmals ausweist, direkt nur auf einen kleinen, aber wichtigen Ausschnitt des Wortschatzes anwendbar ist. Was den Abbau der Sprache bei pathologischer (oder altersbedingter) Beein-­‐
trächtigung des semantischen Orientierungs-­‐ und Einordnungssystems betrifft, so ist den vorliegenden Beobachtungen nach die Reihenfolge wohl umgekehrt: Das System III wird vor dem System II beeinträchtigt. Dies entspräche der Erkenntnis Jakobsons, dass man zuerst verliert, was man zuletzt erworben hat44. Was schließlich diachronische Transformationen, speziell den Bedeutungswandel, betrifft, so ist die Affinität zu Über-­‐
legungen sehr wichtig, die in Teilbereichen schon Wilhelm Wundt (o. S. 7) und dann vor allem Stephen Ullman angestellt hat. Ullman resümiert ja die Arbeit seines Landsmanns 44 Die Arbeit von Stachowiak über die Semantische Struktur des subjektiven Lexikons (1979) bestätigt diese Hypothese: was dort vorgeführt wird, lässt sich m.E. alles in dem Sinn interpretieren, dass bei apha-­‐
sischem Abbau der Sprache vor allem das System III beeinträchtigt wird. Nach dem, was oben (S. 18f.) über die Komplexität von Benennungs-­‐ und Assoziations-­‐Aufgaben gesagt wurde, unterstreicht dies im Grund auch die These Jakobsons, dass es sich im wesentlichen um eine Störung handelt, bei der die meta-­‐
sprachliche Punktion der Sprache beeinträchtigt ist. Zoltan Gombocz (Jelentestan, Pecs [Fünfkirchen] 1926) und den ihm zu Grunde liegen-­‐
den Aufsatz von Léonce Roudet (1921) mit folgenden Worten: «An associative network of names clusters around each name; some of these associations are rooted in similarity, others in contiguity» (1967: 79). Dem entspricht dann seine Klassifizierung des Bedeutungswandels (1967: 220ff.): Über-­‐
tragung von signantia aufgrund von Similarität bzw. Kontiguität zwischen den signata bzw. umgekehrt Übertragung von signata aufgrund der Similarität/Kontiguität zwischen den signantia. Zu präzisieren wäre, dass es sich nicht um Similarität oder Kontiguität handelt, sondern um Transfer im Rahmen des Similarität-­‐Kontiguität-­‐ oder des Similari-­‐
tät-­‐Kontrast-­‐Systems: die Rolle des Kontrasts ist, wie schon Wundt sah, in der Tat nicht unwichtig45. [p. 32] 4.3. Wortfeld-­‐Probleme Die vorgeführten Überlegungen werfen auch ein Licht auf manche Probleme der Wortfeldforschung. Zunächst erklären sowohl die Wortassoziationen als auch die Sprechfehler das eher selten reflektierte Phänomen, dass die bisher vorgestellten Wort-­‐
45 Was die Unterscheidung der beiden paradigmatischen Orientierungs-­‐ und Einordnungssysteme angeht, so fühle ich mich nicht nur in der guten Gesellschaft Ullmans, sondern auch in der einer Reihe von Psycho-­‐
logen, Sprachpsychologen und Aphasieforschern. Jean Piaget und Bärbel Inhelder unterscheiden bei der Ordnungsleistung von Kindern zwischen dem Ordnen nach dem Prinzip der Ähnlichkeit und nach demje-­‐
nigen der Konvenienz, und etwa analog dazu zwischen den schon erwähnten «logischen» Relationen (Klassifizierung) und den «infralogischen» (Piaget/Inhelder 1973/1: 38ff.). Elisabeth Wiig und Diana Glo-­‐
bus haben 1971 in einem kontrollierten Assoziationsversuch mit 7 Aphasikern und 7 gesunden Kontroll-­‐
personen explizit mit Piagets logischen und infralogischen Relationen gearbeitet. Das Ergebnis kann nicht nur dahingehend interpretiert werden, dass es entsprechend zu diesen Relationen zwei verschiedene Ori-­‐
entierungs-­‐ und Einordnungssysteme gibt, sondern auch dahingehend, dass das klassifikatorische System (Similarität-­‐Kontrast-­‐System) sowohl bei Gesunden als auch bei Aphasikern im Verfahren der kontrol-­‐
lierten Assoziation (gegeben ist ein Ausgangsbegriff und die Relation, gesucht wird ein Zielwort) nur dann gute Ergebnisse erbringt, wenn die Merkmalunterschiede gering sind -­‐ und am geringsten sind sie natür-­‐
lich bei binären Oppositionen, also etwa bei Antonymie. Sobald die Merkmalsunterschiede größer werden, etwa beim Ausgangsbegriff 'Kind' und dem gesuchten Begriff 'Eltern', sind die Suchergebnisse bei Apha-­‐
sikern und Gesunden gleichermaßen schlecht. Dagegen funktioniert das 'infralogische' System sowohl bei hoher als auch bei geringer Kontiguität der Begriffe bei den untersuchten Aphasikern und den gesunden Kontrollpersonen recht gut («Was ist der Zweck von 'Heizung'? -­‐ Ergebnis: 'Wärme' o.a.»). – Was die bei-­‐
den semantischen Orientierungs-­‐ und Einordnungssysteme anlangt, stehe ich auch weitgehend in Ein-­‐
klang mit James Deese. Deese zieht nach einer essentiell faktoranalytischen Untersuchung von Assoziati-­‐
onsverhalten u.a. folgende Konsequenz (1965: 164): «The data on associative distribution suggest that the two fundamental operations we have for sorting out meaningful –that is, logical and syntactical relations among words– are contrast and grouping». Deese sieht freilich u.a. nicht die Einordnung in ein Syntagma als dritte Strategie, und anhand einer sprachpsychologischen Darstellung des Assoziationsverhaltens, wie sie etwa von Hörmann (1967: 115-­‐156) gegeben wird, vermisst man generell den Ansatz, Assoziationen als Reflex von Strategien zum Erfassen von Bedeutung anzusehen: so erscheinen dann viele Beobachtun-­‐
gen, die anhand des obigen Schemas sinnvoll integriert werden können, eher als membra disiecta. – Ich nenne schließlich noch die Arbeit von Huber et al. 1975 und die schon erwähnte Dissertation von Stacho-­‐
wiak (1979). In der Arbeit von 1975 wird –bei einer Beschreibung jenes Aphasie-­‐Typs, der nach Carl Wernicke benannt ist– unterschieden zwischen zwei Orientierungsprinzipien im Lexikon: einem «seman-­‐
tisch-­‐klassifikatorischen» und einem «situativ-­‐referentiellen» (1975: 88; vgl. Stachowiak 1979: 58f.). Ich bin freilich nicht einverstanden mit der These Stachowiaks, es handle sich dabei einerseits um einen «in-­‐
nersprachlichen», andererseits um einen «enzyklopädischen» Bereich. Wesentlich ist, was nochmals be-­‐
tont sein soll, für beide Bereiche als invariantes Prinzip dasjenige der Relation; dabei sind die Relationen im einen Fall gewiss klassifikatorisch, im anderen «infralogisch»: beide Arten von Relationen sind jedoch gleichermaßen überindividuell, und sie werden gleichermaßen erlernt. felder alle aus Elementen derselben Wortart bestehen46. Weiterhin müsste man, gemäß den beiden semantischen Orientierungs-­‐ und Einordnungssystemen, wohl auch zwi-­‐
schen zwei Grundarten von Wortfeldern unterscheiden: zwischen solchen des Similari-­‐
tät-­‐Kontrast-­‐Typs und solchen des Similarität-­‐Kontiguität-­‐ [p. 33] Systems (etwa: Wort-­‐
feld desWohnens, der Werkzeuge, der Landschaft)47. In der Form, wie sie durch die vor-­‐
geführten Überlegungen nahegelegt werden, vermitteln dabei die Wortfelder des Simila-­‐
rität-­‐Kontrast-­‐Typs gewissermaßen zwischen zwei extremen Konzeptionen von 'Wort-­‐
feld' zwischen der von Andre Jolles und der von Jost Trier. Jolles (der deshalb von Trier und anderen gescholten wurde) wollte nur Minimalformen mit jeweils zwei (antony-­‐
men) Gliedern als «Bedeutungsfelder» gelten lassen, Felder, die in dieser Form natürlich fest umgrenzt wären (Jolles 1934). Für Trier galt dagegen das Prinzip, der Wert jedes Worts ergebe sich aus dem Feldwert, also aus der Position in einem semantischen Feld. Das Wort bedeute «nur in diesem Ganzen und kraft dieses Ganzen». Die vermittelnde Position ist die, in einem zentralen Antonymenpaar den festen Kern zu sehen, um den sich ein ganzes Feld verwandter Termini schart wobei im Normalfall die Grenze des Fel-­‐
des verschwimmt. Das Feld wäre also nur von seinem zentralen Kern aus als solches zu greifen. Geckelers Doppel-­‐Wortfeld zwischen 'alt’ und seinen beiden Antonymen 'jung' und 'neu’ scheint mir de facto im Sinn einer solchen Konzeption interpretierbar zu sein. Die Wortfelder des Similarität-­‐Kontrast-­‐Typs lassen sich nun, wie schon er-­‐
wähnt, in einleuchtender Weise mit Hilfe der Merkmalsemantik beschreiben. Spätestens bei dem Versuch, Wortfelder des Similarität-­‐Kontiguität-­‐Typs merkmalsemantisch zu rekonstruieren, treten jedoch beträchtliche Schwierigkeiten auf. Ein Verfahren, auch solche Bereiche „durchsichtig" zu machen, besteht nun darin, dass man an die Spitze ei-­‐
nes Feldes neben den eventuell vorhandenen Oberbegriff noch eine der spezifischen Ausprägungen der Kontiguitäts-­‐Relation stellt (wodurch dann das, was die Basiskante BC des Moduls von S. 21 ausmacht, als Seitenkante bzw. Suchbegriff verwendet wird). Pottiers Wortfeld der Sitzmöbel im Französischen hat als konstituierende Merkmale ne-­‐
ben dem Oberbegriff 'Artefakt' eine solche spezifische Ausprägung, nämlich das finale 'zum Sitzen'. Die Similarität, die durch diese beiden Merkmale geschaffen wird, stellt ei-­‐
nerseits das Auswahlkriterium dar, nach dem das Feld begrenzt, andererseits den Hin-­‐
tergrund an Similarität, vor dem es analysiert werden kann. Ein Bereich wie 'Werkzeug' lässt sich, um ein weiteres Beispiel zu geben, nur schwer merkmalsemantisch beschrei-­‐
ben, weil man Begriffe wie 'Stechbeitel', 'Lötkolben', 'Nietzange' und 'Mähdrescher' zu berücksichtigen hätte. Fügt man jedoch zu 'Werkzeug' die finale Relation 'zum Bearbei-­‐
ten von' (beispielsweise von Holz), so entsteht ein überschaubares und strukturierbares Feld. [p. 34] Dabei zeigt sich nicht nur, dass solche Wortfelder in gewissem Maß beliebig (re)konstruierbar sind -­‐ man kann etwa 'Katze' mit gleichem Recht einmal zu den Haus-­‐
tieren, ein andermal zu den fleischfressenden Säugetieren rechnen. Es zeigt sich gleich-­‐
zeitig, dass eine solche Rekonstruktion genau nach dem dritten noogenetischen Prinzip von Spearman verläuft: Zu einem Ausgangsbegriff ('Werkzeug') und einer Relation ('zum Bearbeiten von Holz') werden Entsprechungen gesucht und gebildet. Unter dem Blickwinkel dieses noogenetischen Prinzips sind Wortfelder nun nicht nur beschreibbar 46 Geckeler sieht (1971: 218) die Wortart-­‐Gleichheit als die gewissermaßen selbstverständliche Folge ei-­‐
ner paradigmatischen Perspektive an (was einer engen Konzeption von 'Paradigma' entspricht); vgl. u. S. 35. 47 Wenn ich recht sehe, korrespondieren die beiden Grundarten mit einer Unterscheidung, die Coseriu (1976: 47f.) innerhalb eines seiner fünf Kriterien zur Klassifizierung von Wortfeldern macht, nämlich der Unterscheidung zwischen «relationellen» und «substantiven» Oppositionen bzw. Feldern. Im Rahmen der hier vorgetragenen Konzeption wird diese Unterscheidung zu einer zentralen Größe. als Ergebnisse eines Verfahrens der kontrollierten Assoziation; die beiden angedeuteten Grundtypen von Wortfeldern beruhen dann sogar beide auf demselben Grundprinzip: Gegeben ist der Ausgangsbegriff und eine Relation – eine Relation, die im Fall des Simi-­‐
larität-­‐Kontrast-­‐Typs die Gegensatzrelation ist, im Fall des Similarität-­‐Kontiguität-­‐Typs eine finale, kausale, temporale, lokale, Teil/Ganzes-­‐Relation, etc. Dass solche Konstruk-­‐
tionen oder Rekonstruktionen48, also die Wortfelder der Linguisten, keinesfalls -­‐ um mit Gauger (z.B. 1976) zu sprechen -­‐ «bewusstseinsfremd» sind, zeigt gerade das Verfahren der freien Assoziation, dessen Interpretation Ausgangspunkt dieser Überlegungen war. Dies hat auch Auswirkungen auf das von Saussure aufgeworfene Negativitäts-­‐
problem: Gewiss bedeutet 'Vater' nicht nur 'Nicht-­‐Mutter', sondern auch 'Nicht-­‐Sohn', 'Nicht-­‐Barock', 'Nicht-­‐Jahrhundert'. Bei einer solchen Betrachtung wird jedoch eine be-­‐
stimmte Art des Gegensatzes, die parmenideische Relation des „Ist nicht", verabsolutiert. Sie spielt gewiss eine wichtige Rolle in der Sprache, sowohl in der Semantik als auch im Bereich der geschlossenen grammatischen Paradigmen. Man sollte jedoch (trotz des Umstands, dass die Kontrast-­‐Relation und mit ihr die Relation des oppositiven „Ist nicht" gerne als «logisch», die Relationen des Similarität-­‐Kontiguität-­‐Systems dagegen als «in-­‐
fralogisch» bezeichnet werden) nicht vergessen, dass beide Arten von Relationen unab-­‐
dingbare Konstanten unseres Wahrnehmens, Erfassens und Denkens darstellen und dass eine Semantik, die nicht bewusstseinsfremd sein will, dementsprechend nicht nur die im Motto auf S. 27 angegebenen Oppositionen, sondern die ganze Skala möglicher Relationen mit in ihr Beschreibungsinstrumentarium aufnehmen muss. 4.4. Wissenschaftsgeschichtliche Aspekte Eugenio Coseriu hat 1977 in seiner Antrittsrede an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften als eines der vier Prinzipien seines Schaffens das Stichwort 'Traditi-­‐
on und Neuerung' genannt. Es heißt dort, «dass die Geschichte unserer Wissenschaften, wie überhaupt die Kultur-­‐ [p. 35] geschichte, Fortsetzung von Traditionen und Erneue-­‐
rung innerhalb von Traditionen ist». Man sage eigentlich Neues nur, wenn man an Tradi-­‐
tionen anknüpfe und Traditionen fortsetze (1977: 109; vgl. 1979: 5). Ich habe im vorlie-­‐
genden Beitrag versucht, in mehrfacher Weise an solche Traditionen anzuknüpfen, u.a. an diejenige der Assoziationsforschung der Jahrhundertwende. Dass hier überhaupt von einem (Wieder-­‐)«Anknüpfen» gesprochen werden muss, hat seine Gründe. Der Begriff 'Assoziation' war noch Saussure so geläufig, dass er ihn in dem Sinn verwendete, in dem heute 'Paradigma' und 'paradigmatisch' gebraucht werden. (Saus-­‐
sure spricht nicht von paradigmatischen, sondern von assoziativen Relationen.) Henri Frei oder Charles Bally setzten in dieser Hinsicht nicht nur die Tradition des Meisters fort, Bally kannte, wie u.a. einschlägige Stellen aus dem Traité de stylistique française von 1909 zeigen, offensichtlich auch die Arbeit von Thumb und Marbe sowie den dort ange-­‐
sprochenen Bereich des Assoziierens insbesondere zum Gegenteil hin. Seither hat je-­‐
doch in der Sprachwissenschaft ein grundlegender Paradigmawechsel stattgefunden. Eine im Übermaß psychologisierende Strömung wurde, wie üblich, durch das Gegenteil abgelöst, und seither scheinen die Sprachwissenschaftler den Begriff 'Assoziation' als et-­‐
was eher Anrüchiges zu meiden und allenfalls mit ganz spitzen Fingern anzufassen. «C'est pour éviter le psychologisme adopté dans le Cours de F. de Saussure que je substi-­‐
tue le terme 'rapport paradigmatique' à celui de 'rapport associatif'», schreibt Louis Hjelmslev, der den terminologischen Wandel vollzogen hat, in einer Fußnote des Vor-­‐
trags, den er 1936 auf dem Linguisten-­‐Kongress in Kopenhagen gehalten hat (1938:140). 48 Von der Konstruktion von Wortfeldern spricht auch Coseriu (z.B. 1970: 113). Interessanterweise ist auch der Anti-­‐Psychologismus, wie Gauger zeigen konnte (1976: 73-­‐87), bei Saussure schon mit angelegt. Freilich motiviert sowohl die weitere Geschichte der Assoziationsforschung als auch die Auffassung der Sprechfehler diese spitzen Finger in beträchtlichem Maß: beide Phänomene wurden in den Bereich der Abnormalität und des Pathologischen gerückt. Was das Versprechen angeht, so ist die Ursache kein anderer als Sigmund Freud: er griff aus den Sprechfehlern, die Meringer und Mayer vorgeführt hatten, vor allem die Gruppe des Versprechens zum Gegenteil hin heraus und interpretierte sie in dem bekannten Sinn: Das Versprechen zum Gegenteil hin lege die geheimen Gedanken des Sprechers bloß. Dies ist ganz ohne Zweifel eine Überinterpretation, die in manchen Fällen zutreffen mag, für den Durchschnittsfall jedoch keinerlei Allgemeingültigkeit beanspruchen kann49. Wie nachhal-­‐ [p. 36] tig die Interpretation Freuds –in diesem Fall: leider– ge-­‐
wirkt hat, zeigt die Verbindlichkeit jener Bezeichnung, mit der man Sprechfehler heute erfasst: „(Freudsche) Fehlleistungen". Ein in gleichem Maß „pathologischer" Geruch be-­‐
gleitet spätestens seit 1910 die Versuche mit Wortassoziationen: Carl Gustav Jung mach-­‐
te Versuche mit Assoziationen; Kent und Rosanoff hatten die Absicht, mit ihrer Liste von 100 Ausgangswörtern und dem Durchschnitt der Assoziationen von 1000 Probanden eine Norm aufzustellen, von der sich abnormale Assoziationen abheben sollten. Die Un-­‐
tersuchung erschien nicht nur in der Zeitschrift American Journal of Insanity, sie hieß auch noch A Study of Association in Insanity I, Association in Normal Subjects. Alle seit-­‐
herigen einschlägigen Assoziations-­‐Listen werden von den Psychologen entsprechend mit dem Etikett 'Norm' versehen («Russell/Jenkins-­‐Norm», «Palermo/Jenkins-­‐Norm», etc.). Die Haltung späterer Sprachwissenschaftler ist also auch damit zu erklären, dass das Assoziieren und die Sprechfehler durch Pathologisierung ihrer ehemaligen (und an-­‐
gemesseneren) Unschuld verlustig gegangen waren. Freilich gibt es seit einiger Zeit wie-­‐
der ein neues und zunehmendes Interesse an Fragestellungen des Sich-­‐Versprechens, Assoziierens und der (wirklich zum Bereich des Pathologischen gehörenden) Aphasie-­‐
Forschung50. Dass dabei in der Regel die eigentliche Tradition ausgespart wird, ist weni-­‐
ger erfreulich. Denn es geht nicht nur um eine sehr alte Tradition des Denkens, es geht mit der Omnipräsenz bestimmter Relationen eigentlich um grundlegende Charakteris-­‐
tika des Sprechens und Denkens selbst. 49 Vgl. hier die analoge Einstufung der Freudschen Konzeption sprachlicher Fehlleistungen bei Kainz 1956: 38. -­‐ Die Auseinandersetzung zwischen Freud und Meringer war z.T. sehr heftig. Auf einer höheren Stufe der Eskalation zieh Meringer Freud beispielsweise der «Stümper»-­‐Haftigkeit auf dem Gebiet des Be-­‐
obachtens: «Er sieht und hört nämlich nur das, was sich eventuell zur Begründung seiner phantastischen Theorien missbrauchen lässt. Die unendlich vielen Fälle, die sich dagegen mit Händen und Füßen sträuben, sieht er nicht (1912: 55). 50 Ich nenne drei Indizien für die Wiederbelebung der Tradition bzw. das verstärkte Interesse an den be-­‐
treffenden Zusammenhängen. Erstens wird die Arbeit von Meringer und Mayer in einem 1973 von Victo-­‐
ria A. Fromkin herausgegebenen Sammelband in den beiden Beiträgen der Herausgeberin wenigstens ge-­‐
legentlich, wenn auch z.T. falsch zitiert. Die Arbeit von Thumb und Marbe wurde 1978 sogar neu ediert. Zweitens gibt es insbesondere in den Vereinigten Staaten eine Reihe von Arbeiten zu linguistischen As-­‐
pekten der Assoziationsforschung (die wichtigste ist wohl die, allerdings weitgehend psychologisch und psychometrisch orientierte, von Deese 1965), die z.B. in den Versuch einer Synthese eingegangen sind, den Herbert H. Clark 1970 veröffentlicht hat. (Die Arbeit von Clark ist freilich noch ein wenig zu stark dem Grammatikmodell der Transformationsgrammatik verhaftet.) Nöth (1975) hat den Ansatz von Clark z.T. weitergeführt, sich z.T. jedoch auch in kasuistischen Überlegungen gefangen. Drittens ist das Wiedererwa-­‐
chen des linguistischen Interesses an der Aphasie-­‐Forschung zu vermerken (es war z.B. schon bei Merin-­‐
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