Lageveränderungen-Fehlbildungen des Hodens - St.
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Lageveränderungen-Fehlbildungen des Hodens - St.
1 2.6 Krankheiten des Hodens 2.6.6 Lageveränderungen und Fehlbildungen Joachim A. Steffens, Petra Anheuser, Sascha Schmidt Klinik für Urologie und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital Eschweiler, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Joachim A. Steffens Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie St. Antonius-Hospital Eschweiler Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen Dechant-Deckers-Str. 8 D – 52249 Eschweiler 2 E-Mail: [email protected] Einleitung Der Hodenhochstand bezeichnet den fehlenden Deszensus eines oder beider Hoden in das Skrotum und stellt mit 2-4% aller Reifgeborenen die häufigste kongenitale Fehlbildung der Knaben dar (5). Trotz seiner milden Präsentation kann er die männliche Gesundheit erheblich beeinträchtigen und umfangreiche medizinische und ökonomische Ressourcen fordern. Denn er stellt den einzigen anerkannten Risikofaktor für einen Hodentumor dar und kompromittiert häufig die spätere Fertilität (17). Unklare Definitionen und widersprüchliche Ergebnisse der Literatur machen seine Behandlung zu einem vieldiskutierten Thema (29,40). Praktische Empfehlungen auf der Grundlage Evidenz-basierter Daten zur Behandlung des präpubertären Hodenhochstandes werden in diesem Beitrag gegeben (17,36). Dabei erfolgen sowohl die Vermittlung aktueller Kenntnisse über die Pathogenese und genetische Alterationen als auch Anleitungen zur Frühdiagnose und Therapie sowie Informationen zur Prognose. Epidemiologie Prävalenz Bei der Geburt weisen 2,5-4% aller neugeborenen Knaben einen Hodenhochstand auf, wobei deutliche, aber ungeklärte geographische Unterschiede bestehen (17). Die Prävalenz beträgt im 3. Lebensmonat 1-1,9% und im 18. Monat 0,8-1,5% (34). Eine häufig vermutete Zunahme der Häufigkeit konnte nicht bestätigt werden (4,31). Auffallend ist eine höhere Operationsfrequenz als aufgrund der Prävalenzdaten zu erwarten ist (41). Dies weist darauf hin, dass zu viele Pendelhoden operiert werden. Risikofaktoren stellen genetische Disposition, niedriges Geburtsgewicht und pränatale Exposition gegenüber Hormonabbruchpräparaten („Pille“) oder Nikotin beider Elternteile dar (1,11,33,46). 3 Risiko einer Fertilitätsstörung Männer mit einem in der Kindheit behandelten Hodenhochstand weisen eine reduzierte Fertilitätschance aufgrund schlechterer Spermienqualität auf (30). Das Subfertilitätsrisiko steigt bei einer bilateralen Gonadenfehllage und einem Behandlungsbeginn nach der ersten Lebensdekade, wird jedoch nicht durch einen normal deszendierten kontralateralen Hoden kompensiert (29). Erwachsene Männer mit einem unbehandelten beidseitigen Kryptorchismus besitzen ein sehr hohes Sterilitätsrisiko (17). Nach operativer Korrektur sinkt dieses Risiko auf 38% in Vaterschaftsstudien (17), wobei keine Korrelation zum Alter der behandelten Patienten angegeben wird. Die Hodenlage vor Therapiebeginn soll keinen Einfluß auf die Fertilität haben (30). Die Zeugungsraten der erfolgreich wegen eines unilateralen Hodenhochstandes behandelten Patienten sind nur gering vermindert (17). Infertilität wurde nur bei 10% der Betroffenen im Gegensatz zu 6% bei normalen Kontrollpersonen nachgewiesen. Es fehlen jedoch Studien, welche die Fertilität behandelter mit unbehandelten Männern bei einseitiger Gonadenfehllage vergleichen. Allerdings wird die Vaterschaftsrate weder durch eine unilaterale Hodenagenesie noch eine einseitige Orchiektomie beeinflusst (27). Ein junges Alter zum Operationszeitpunkt korreliert mit günstigen FSH- und Inhibin B-Spiegeln im höheren Lebensalter. Ob dies allerdings einen positiven Einfluß auf die spätere Fertilität hat, ist unbekannt (17). Jedoch lassen sich morphologische Veränderungen bereits im 9. Lebensmonat nachweisen. Jüngste Daten weisen auf eine Keimzellschädigung nur nach dem 12. Lebensmonat hin (44). Das längere extraskrotale Verweilen einer Gonade ist assoziiert mit einer progressiven testikulären Fibroserate und dem vermehrten Auftreten einer Leydigzelldysplasie (44). Zudem besteht bei nicht palpablen Hoden im Gegensatz zu tastbaren ein 50% höheres Risiko eines Keimzellverlustes. Diese Tatsachen bildet die Grundlage für die Forderung nach einem frühen Behandlungsbeginn zwecks Prävention von Langzeitschäden (19). Das Hodenwachstum wird durch eine Operation mit 9 Monaten stärker gefördert als im Alter von 3 Jahren (25). 4 Schließlich gibt es einen weiteren, zu wenig beachteten Grund für eine postpubertäre Fertilitätsstörung: Fehlbildungen des Nebenhodens und der Samenwege (Abb.1). Diese Dysgenesien finden sich in 3590% aller dystopen Hoden, während sie bei orthotoper Gonade nur in 5% nachweisbar sind (48). Deshalb ist der Erhalt der Hodenfunktion unabhängig vom Alter irrelevant, wenn die speichernden und ableitenden Samenwege funktionsuntüchtig sind (49). Risiko eines Hodentumors Das relative Risiko eines postpubertären Hodentumors ist bei Patienten mit einem Hodentumor 5mal höher als in der Allgemeinbevölkerung (50). 10% aller testikulären Malignome sind mit einer Hodendystopie assoziiert (7,9). Bei einer Behandlung vor dem 10. Lebensjahr besteht allerdings nur ein doppelt so hohes Risiko im Vergleich zu Gesunden (32,50). Hodentumoren entwickeln sich aus präinvasiven Läsionen, dem Carcinoma in situ (CIS) oder der testikulären intraepithelialen Neoplasie (TIN). Eine systematische Hodenbiopsie zum Zeitpunkt der Orchidopexie ist jedoch zur frühzeitigen histologischen Suche nach malignen oder prämalignen Zellen nicht erforderlich (17,28). Das Risiko für die Entstehung eines Hodentumors ist bei einem bilateralen Hodenhochstand höher als bei einem einseitigen (29). Die Anleitung der Eltern und später der Betroffenen zur Selbstuntersuchung erhöht die Möglichkeit einer Frühdiagnose (53). Für die sehr seltenen präpubertären testikulären Neoplasien, die im Gegensatz zur juvenilen und adulten Population eine unterschiedliche Tumorbiologie aufweisen, stellt der Hodenhochstand keinen Risikofaktor dar (42,47). Risiko einer psychosexuellen Beeinträchtigung Eine Hodenfehllage kann die psychosexuelle Entwicklung beeinträchtigen (10). Die Spermarche findet zwar später statt, jedoch sind Penisgröße, Testosteronspiegel, Potenzprobleme und männliche Identitätsangaben vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung (26,45). Die Literatur zur Rolle der orthotopen Gonade bei neurotischen Störungen ist leider sehr spärlich (16). 5 Risiko einer Hodentorsion Trotz weitverbreiteter Ansicht gibt es keine gesicherten Daten, die auf ein erhöhtes Risiko für eine Hodentorsion hinweisen (18,51). Molekulare und genetische Regulation des Hodendeszensus, verantwortliche Gene und Hormone des Hodenhochstandes Die 2-Phasen-Theorie stellt ein akzeptiertes Modell des Hodendeszensus dar (Abb.2). Die transabdominale Phase (8-15. Woche) wird durch eine Vergrößerung des Gubernakulums (kaudales genitoinguinales Ligament) und Rückbildung des kranialen suspensorischen Ligamentes (CSL) kontrolliert. In der inguinoskrotalen Phase (25-35. Woche) erfolgt eine Migration des Gubernakulums von der Leiste zum Skrotum. Anhand tierexperimenteller Untersuchungen konnten zahlreiche Gene und Hormone identifiziert werden, die für den Hodendeszensus verantwortlich sind (14,24). Die Unterbrechung der Entwicklungsphasen durch genetische Alterationen der homebox A10 (HOXA10), insulin-like factor 3 (INSL3), INSL3 Rezeptor (LGR8/GREAT), Androgen-Rezeptor (AR), Östrogen-Rezeptor alpha (ESR1), Ad4BP/SF-1Gene ist für einige Formen des Maldeszensus verantwortlich (24). Genetische Veränderungen treten bei Knaben mit Hodenhochstand insgesamt nur in 2,8% (17/600 untersuchten Fällen) auf (14). Sie sind jedoch signifikant häufiger bei Jungen mit Maldeszensus testis (5,3%, 16/303) als bei gesunden Kontrollpersonen (0,3%, 1/300). Demnach besitzen Kinder mit einem Hodenhochstand eine 17mal höhere Wahrscheinlichkeit für eine genetische Veränderung. Die häufigsten genetischen Befunde waren 8 Fälle mit Klinefelter-Syndrom und 5 mit Mutationen des INSL3-Rezeptor-Gens (14). Androgene stellen die Schlüsselhormone des Hodendeszensus dar. Hauptregulatoren sind Testosteron und das in den testikulären Leydigzellen produzierte Insulin-like Faktor 3 (INSL3). Eine verminderte fetale Androgen-Aktivität oder eine Unterbrechung ihrer Wirkungsweisen können zum Hodenhochstand führen (14,24). 6 Fortschritte in der Molekulargenetik könnten zu neuen Erkenntnissen über den Hodendeszensus führen, um die Inzidenz der Gonadenfehllage zu vermindern. Ob die testikuläre Stammzellforschung und Gentherapie das Potential einer Fertilitätsvorhersage und –verbesserung besitzen, bleibt abzuwarten (24). Diagnose Körperliche Untersuchung Die Diagnose eines Hodenhochstandes wird klinisch gestellt. Sie sollte durch einen erfahrenen Untersucher in warmer, entspannter Umgebung gestellt werden, um den Kremasterreflex zu minimieren (9,29). Dabei ist im Schneidersitz ein Ausstreichen des Leistenkanals mit dem Versuch der Palpation des Hodens sinnvoll (Abb.3, 38). Tab.1 zeigt die unterschiedlichen Lokalisationen des Hodens aufgrund der körperlichen Untersuchung. Wichtig ist im klinischen Alltag die exakte Abgrenzung zwischen Gleit- und Pendelhoden, da beide Formen nicht immer sicher voneinander abgegrenzt und zu häufig nur kontrollbedürftige Pendelhoden behandelt werden. Gleithoden sind durch einen kurzen Samenstrang gekennzeichnet. Die Gonade lässt sich zwar in den Hoden verlagern, retrahiert sich jedoch beim Loslassen wieder in die Leiste. Im Gegensatz hierzu weist der Pendelhoden einen ausreichend langen Funiculus spermaticus auf, so dass die Gonade nach skrotaler Positionierung im Hodensack verbleibt. Erst nach Auslösen des Kremasterreflexes kommt es zum Hodenaszensus. Ein spontaner Hodendeszensus kann nur bis zum 6. Lebensmonat erwartet werden (4,45). Die Gonadenlokalisation sollte schriftlich in den pädiatrischen Untersuchungsheften dokumentiert werden, um einen in bis zu 20% aller deszendierten Testikel vorkommenden sekundären Hodenaszensus entdecken zu können (17,36). Labordiagnostik Bilateral nicht tastbare Hoden, assoziiert mit einer Hypospadie, lassen eine sexuelle Differenzierungsstörung vermuten und erfordern eine 7 endokrine und genetische Abklärung. Dabei muß ein weiblicher Karyotyp mit assoziiertem adrenogenitalen Syndrom ausgeschlossen werden. Ein beidseitiger Kryptorchismus ohne Hypospadie erfordert einen HCG-Test zum Nachweis der Existenz funktionstüchtigen Hodengewebes (Abb.4). Bei einer Anorchie bleibt ein Testosteronanstieg nach HCG-Gabe aus und es finden sich zudem erhöhte FSH- und LH-Werte (29). Alternativ kann bei nicht tastbaren Hoden eine Inhibin-B-Bestimmung erfolgen (22). Dieses Peptidhormon wird präpubertär nur von den Sertoli-Zellen des Hodens sezerniert. Ein positiver Wert weist vorhandenes testikuläres Parenchym nach, ein fehlender Nachweis dokumentiert fehlendes Hodengewebe. Bildgebung und Laparoskopie Bei nicht tastbarem Hoden erlaubt die Sonografie mit hochauflösendem Schallkopf (>7,5 MHz) nur eine korrekte Klassifikation in 84% (29). Das zuverlässigste Verfahren stellt die Laparoskopie dar, die nicht nur eine exakte Bauchhoden-Diagnostik (Abb.5), sondern auch eine gleichzeitige Behandlung bei normotropher Gonade ermöglicht (17,28). Therapie Zeitpunkt der Therapie Im ersten Lebenshalbjahr kann ein spontaner Hodendeszensus abgewartet werden. Die Behandlung sollte im 6. Lebensmonat beginnen und am 1. Geburtstag abgeschlossen sein (17,29,36). In einer randomisierten, kontrollierten Studie ergab sich bei früher Operation im 9. Monat ein besseres postoperatives Hodenwachstum als in der Kontrollgruppe (25) und bei einer Intervention im 3. Lebensjahr (21). Die Spermiengesamtzahl und –Motilität war in einer anderen Studie trotz kleiner Fallzahlen signifikant besser bei früher Orchidopexie im 1. Lebensjahr als bei einem Eingriff im 2. Jahr (6). 8 Hormontherapie Die Erfolgsraten der Hormontherapie sind wenig konsistent und weisen einen niedrigen Evidenzgrad auf (17,36). Obwohl 15-20% der retinierten Hoden unter einer medikamentösen Behandlung deszendieren, kommt es bei 20% zu einem sekundärem Aszensus (36). Die Hormonbehandlung verfolgt 2 Ziele (28): 1. Als neoadjuvante Gonadotropine Releasing Hormone (GnRH)Therapie soll sie den Fertilitätsindex, definiert als Anzahl der Spermatogonien pro Tubulus, verbessern (20,29). GnRH stimuliert die Hypophyse zur Ausschüttung von luteinisierendem Hormon (LH), welches die testikulären Leydigzellen zur Testosteronproduktion anregt und so den Deszensus einleitet (29). Eine vierwöchige präoperative GnRH-Behandlung sollte deshalb zwecks maximaler Transformation der Gonozyten in adulte, dunkle Spermatogonien erfolgen, um den ersten postnatalen Reifungsschritt der Keimzellen zu fördern (Tab.2). Ob hierdurch die Fertilität im Erwachsenenalter tatsächlich verbessert werden kann, lässt sich aufgrund fehlender prospektiver Studien jedoch nicht beweisen. 2. Die Einleitung eines Hodendeszensus kann durch eine Therapie mit Human-Chorion-Gonadotropin (HCG) vorgenommen werden. Es regt die Leydigzellen zur Testosteronproduktion an. Durch eine dreiwöchige intramuskuläre Injektion (Tab.2) wird eine Skrotalverlagerung der Gonade in 20% erzielt. Nebenwirkungen können sein: Penis- und Hodenvergrößerung, vorzeitige Entwicklung der Genitalbehaarung und aggressives Verhalten der Kinder. Alternativ ist eine GnRH-Monotherapie mit vergleichbarer Erfolgsrate möglich (35). Eine Kombination beider Hormonpräparate führt nicht zur signifikanten Verbesserung der Ergebnisse (17). 9 Operative Therapie Standard-Orchidopexie Die chirurgische Korrektur der Hodenfehllage stellt den Eckpfeiler der Behandlung dar. Der inguinale Zugang gewährleistet im Gegensatz zum präskrotalen (39) die beste Exposition des Leistenkanals und erlaubt die gleichzeitige Korrektur der häufig assoziierten Leistenhernie (2). Nach Durchtrenung des Gubernakulums (Abb.6) erfolgt eine Orchido- und Funikulolyse (Abb.7). Ein offener Processus vaginalis peritonei wird vom Samenstrang abgelöst und reseziert (Abb.8), um eine spannungsfreie Orchidopexie im Skrotum zu erreichen (Abb. 9). Hodenbiopsie Es gibt keine Indikation für eine routinemäßige Hodenbiopsie zur Beurteilung des testikulären Reifungszustandes (17,28,29). Das Risiko einer Durchblutungsstörung mit sekundärer Hodenhypotrophie ist größer als der histologische Informationsgewinn über den Fertilitätsindex. Nur bei Verdacht auf eine gemischte Gonadendysgenesie (Ovotestis: gleichzeitiges Vorkommen von Hoden- und Eierstockgewebe) oder einen Hodentumor ist sie indiziert (22,29,42). Laparoskopie und Fowler-Stephens-Operation Beim nicht tastbaren Hoden erfolgt eine Laparoskopie zur Identifizierung der Gonade. 10% der Knaben weist eine Hodenaplasie auf (8). Samenstrangrudimente sollten entfernt werden (29). Findet sich ein erhaltenswerter Hoden, kann in gleicher Sitzung eine sog. Fowler-Stephens-Operation erfolgen (15). Da der kurze Gefäßstrang des Bauchhodens limitierend ist, werden die Hodengefäße durchtrennt und die Samenleiterarterie erhalten (Abb.10). Der Eingriff sollte zweizeitig vorgenommen werde, um die Ausbildung von Kollateralen zu ermöglichen (13). Beim einzeitigen Vorgehen besteht das erhöhte Risiko eines Vasospasmus der Samenstrangarterie, testikulären 10 Minderdurchblutung und sekundären Hodenatrophie (3,12). 3-6 Monate nach der ersten Sitzung erfolgt die Verlagerung des mobilisierten Hodens in das Skrotalfach (Abb.11). Die Operation ist offen-operativ oder laparoskopisch möglich. Die Langzeitdaten der zweizeitigen laparoskopischen Fowler-Stephens-Operation zeigen eine Atrophierate des Hodens in ca. 17% und in 83% eine skrotal tastbare, aber im Vergleich zur gesunden Gegenseite signifikant kleinere Gonade (13). Es fehlen jedoch postpubertäre Fertilitätsuntersuchungen, um die Effizienz dieser chirurgischen Strategie beurteilen zu können. Autotransplantation Dieses Verfahren kann alternativ zur Fowler-Stephens-Operation angewandt werden. Dabei erfolgt eine mikrochirurgische Anastomose der testikulären mit den epigastrischen Gefäßen. Die Erfolgsrate wird mit 84% angegeben (12,43). Im frühen Kindesalter ist diese Technik jedoch durch die kleinen Gefäßdurchmesser limitiert (29). Es liegen keine Daten mit Langzeitverläufen und Aussagen über postoperative Hodenatrophie- und postpubertäre Fertilitätsraten vor, so dass der Stellenwert dieser Methode unklar bleibt. Komplikationen Die Komplikationsrate ist unabhängig vom Operationszeitpunkt (23,52) und liegt zwischen 1-8% (17,29,36,37). Hauptrisiken sind Rezidive (3-5%), Verletzungen der Samenstranggefäße mit sekundärer Hodenatrophie (2-3%) und Durchtrennung des Samenleiters (<1%). Postoperative Schwellungen sind häufig. Infektionen und Nachblutungen werden in 0,5-1% beobachtet. Eine operative Reintervention wegen eines Leistenhoden-Rezidives sollte erst nach vollständig abgeschlossener Wundheilung im 6. postoperativen Monat erfolgen. Eine Hormontherapie zur Steigerung der Erfolgsrate ist wegen narbiger Fixierung des erfolglos operierten Hodens sinnlos. Nach Operation eines Bauchhodens wird ein Nachoperation in 1725% wegen Rezidiv oder Atrophie angegeben (13,29) und endet häufig in einer sekundären Orchiektomie. 11 Schlussfolgerung Der Hodenhochstand ist die häufigste männliche Genitalfehlbildung und sollte bis zum 1. Geburtstag erfolgreich behandelt sein. Die Orchidopexie stellt das entscheidende Therapieverfahren dar. Ob eine neoadjuvante GnRH-Behandlung die Fertilitätsprognose v.a. bei bilateraler Hodendystopie verbessern kann, bleibt abzuwarten. Ein beidseitiger Kryptorchismus erfordert einen HCG-Test oder eine Inhibin- Bestimmung. Die Laparoskopie stellt das Verfahren der ersten Wahl zur Diagnose und Behandlung eines Bauchhodens dar. Intraabdominelle Hoden mit kurzem Gefäßstrang werden einem zweizeitigen laparoskopischen Fowler-StephensVerfahren unterzogen. Die Fertilitätsprognose ist v.a. beim unbehandelten bilateralen Hodenhochstand eingeschränkt. Das Entartungsrisiko ist 5mal höher als in der Allgemeinbevölkerung und unabhängig vom Behandlungserfolg. 12 Literatur 1.Adham IM, Agoulnik AI. Insulin-like 3 signalling in testicular descent. Int J Androl 2004; 27: 257-265 2.Al-Mandil M, Khoury AE, El-Hout Y et al. Potential complications with the prescrotal approach for the palpable undescended testis? A comparison of single prescrotal incision to the traditional inguinal approach. J Urol 2008; 180: 686-689 3.Baker LA, Docimo SG, Surer I et al. A multi-institutional analysis of laparoscopic orchidopexie. BJUI 1995; 87: 484-489 4.Berkowitz GS,Lapinski RH, Dolgin SE et al. Prevalence and natural history of cryptorchidism. Pediatr 1993; 92: 44-49 5.Boisen KA, Kaleva M, Main KM et al. Difference in prevalence of congenital cryptorchidism in infants between two Nordic countries. Lancet 2004; 363: 1264-1249 6.Canavese F, Mussa A, Manenti M et al. 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Die Unterbrechung jeder Phase kann einen Hodenhochstand induzieren. 21 Abb.3 Untersuchung in warmer, entspannter Umgebung im Schneidersitz Abb.4 HCG-Test beim bilateralen Kryptorchismus: 72 Std. nach HCG-Gabe Testosteron-Anstieg nur bei Bauchhoden 22 Abb.5 Diagnostische Laparoskopie: Erhaltenswerter Bauchhoden (mit freundlicher Genehmigung von Prof.Rösch, Regensburg) Abb.6 Standard-Orchidopexie: Gubernakulums Durchtrennung des 23 Abb.7 Standard-Orchidopexie: Peritoneum Funikulolyse bis zum Abb.8 a,b Standard-Orchidopexie: Resektion des offenen Processus vaginalis peritonei (Pfeil) 24 Abb.9 Standard-Orchidopexie: Endoskrotale Orchidopexie 25 Abb.10 Zweizeitige laparoskopische Fowler-StephensOperation bei Bauchhoden, 1. OP: Klippung der Samenstranggefäße (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Rösch, Regensburg) Abb.11 Zweizeitige laparoskopische Fowler-StephensOperation bei Bauchhoden, 2. OP 6 Monate nach Gefäßklippung: Hodenverlagerung in das Skrotalfach (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Rösch, Regensburg) 26 Tabelle 1 Unterschiedliche Hodenlokalisationen Tabelle 2 Hormontherapie Medikament LHRH (luteinisierendes Hormon Releasing Hormon) HCG (Humanes-ChorionGonadotropin) Dosierung 3 x 400 µg/d (3 x tgl. je ein Sprühstoß von 200 µg in jedes Nasenloch) über 4 Wochen als Nasenspray 500 IE i.m. Injektionen im Wochenabstand über 3 Wochen