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Brett King
Brett King ist ein australischer
Futurist, Redner und Bestsellerautor. Er ist Gründer und CEO
von Moven, einem New Yorker
Mobile-Banking-Startup.
2012 wurde er zum „Bank
Technology News Innovator
of the Year“ gewählt.
Wird das Smartphone dank cleverer Apps unser neues Konto?
Dienen soziale Netzwerke als Überweisungsweg der Zukunft?
Bestsellerautor Brett King untersucht, welche Veränderungen
auf den Bankensektor zukommen und stellt die Frage, ob die
Bankenlandschaft in ihrer heutigen Form diesen Prozess überleben wird. Ob Cloud-Lending, Neo-Banks, FinTech oder Social
Banking: King untersucht die Trends und Möglichkeiten und
identifiziert Gewinner, Verlierer und Perspektiven.
breaking banks
den nächsten zehn Jahren wird die
» InBankenlandschaft
mehr Umwälzungen
erleben, als in den letzten 100 Jahren. «
bre t t
king
bre t t king
breaking
banks
Banken sind in Fragen ihres Kerngeschäfts
Weshalb Banken der Vergangenheit angehören –
und wer in Zukunft unser Geld verwaltet
PayPal, UBank und vielen mehr, erhielt King
nicht für Innovationsfreude bekannt.
In Zeiten, in denen rasante Innovation zur
Normalität geworden ist, müssen sie
umdenken. In „Breaking Banks“ zeigt Brett
King, dass umwälzende Neuerungen im
Bankensektor anstehen. Durch Interviews
mit führenden Disruptoren bei Google,
Einblicke in die ungeheure Reichweite der
anstehenden Veränderungen.
Nach Themen geordnet widmet sich
„Breaking Banks“ dem „wer“, „was“, „wann“,
„wo“ und „warum“ der neuesten Konzepte,
Strategien und Ansätze in Sachen Banking.
Erfahren Sie, was die kreativsten Köpfe der
Fintech-Szene über Themen wie BitCoin,
P2P-Lending, Social Media, Automated
Banking oder Neo-Banks denken.
„Breaking Banks“ bietet in bis dato
ungekannter Breite und Tiefe einen
Einblick in die Pläne, Strategien und
Visionen der Köpfe und der Unternehmen,
die den Bankensektor in den nächsten
Jahren völlig neu erfinden werden.
ISBN: 978-3-86470-238-9
www.plassen-buchverlage.de
Umschlag_Breaking Banks.indd 1
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10.11.2014 17:30:53
bre t t k ing
breaking
banks
Weshalb Banken der Vergangenheit angehören –
und wer in Zukunft unser Geld verwaltet
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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:
Breaking Banks. The Innovators, Rogues and Strategists Rebooting Banking
ISBN 9781118900147
Copyright der Originalausgabe 2014:
Copyright © 2014 by John Wiley & Sons Singapore Pte. Ltd. All rights reserved.
Authorized Translation from English language edition published by John Wiley & Sons
Singapore Pte. Ltd.
Copyright der deutschen Ausgabe 2014:
© Börsenmedien AG, Kulmbach
Übersetzung: Agentur Proverb
Covergestaltung: Holger Schiffelholz
Layout und Herstellung: Daniela Freitag
Satz: Bernd Raubbach
Lektorat: Egbert Neumüller
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86470-238-9
Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks,
der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken
oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
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E-Mail: [email protected]
www.plassen.de
www.facebook.com/plassenverlag
Dieses Buch ist meinem Sohn Matt gewidmet,
der das Programmieren lernt und
mehr Potenzial hat, als er sich vorstellen kann,
sowie den Italienern,
die das moderne Bankwesen erfunden haben.
The measure of intelligence is the ability to change.
(Intelligenz misst sich an der Fähigkeit zum Wandel)
– Albert Einstein
Inhalt
Danksagung
8
Über den Autor
9
Einleitung:
Wiedergeburt und
Neuerfindung einer Branche
11
Kapitel 1
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts17
Kapitel 2
Die Ära schneller und smarter Zahlungen
51
Kapitel 3
Neue Wege: Banken ohne Filialen
85
Kapitel 4
Wie die breite Masse die Markenakzeptanz
im Bankwesen verändert
119
Kapitel 5
Neue Gewohnheiten bei Bankgeschäften
149
Kapitel 6
Bedeutet Bitcoin das Ende des Bargelds?
183
Kapitel 7
Vom persönlichen Finanzmanagement
zu persönlicher Finanzperformance 215
Kapitel 8
Wenn die Technik immer menschenähnlicher wird,
welchen Vorteil bietet dann noch ein echter Mensch?
235
Kapitel 9
Bühne frei für die Neobanken!
257
Kapitel 10
Wie Produkte zum Erlebnis werden
303
Kapitel 11
Und Glück ist doch käuflich
341
Fazit:
Die Zukunft des Bankwesens –
Neuanfang und Neuaufbau statt Nieder- und Untergang
363
Danksagung
Es gibt einige Personen, durch die Breaking Banks – die Banken vor
dem Zusammenbruch – und die darin dargestellten Disruptionen
überhaupt erst möglich wurden. Zunächst einmal danke ich Rachel
Morrissey, die mir dabei hilft, einen klaren Kopf zu bewahren, und die
alles am Laufen hält, und Randall sowie dem Team von Voice America
dafür, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, die Radiosendung zu
leiten, die mich überhaupt erst auf diese Idee gebracht hat. Als Nächstes
möchte ich mich bei den großartigen Interviewpartnern für ihre Zeit
und Unterstützung bedanken. Sie haben mit viel Geduld die verschiedenen Entstehungsphasen und weitere unbeabsichtigte Folgen über
sich ergehen lassen.
Vielen Dank an das Team und die Anhänger von Moven, die weiterhin
eine große Hilfe bei dieser schweren, aber aufregenden Reise sind; an
die Blogger, Freunde und Anhänger, die regelmäßig jede Woche meine
Sendung hören, Tweets lesen und die Botschaft weitergeben, darunter
Sudu, Jim Marous, Dave Birch, Brad Leimer, Dave Gerbino, Serge
Milman, Robert Tercek, Bruce Burke, Duena Blomstrom, Mike King
(kein Verwandter) und der Designer des Covers J. P. Nicols (ohne h),
Ron Shevlin, Deva Annamalai, Jeff Stewart, Matt Dooley, John Owens,
Bryan Clagett, Jason Cobb, Adam Edge, Jenny Palocsik, Matt West, Jay
Rob, Lydia und die Unmenge weiterer Follower, die ich sicherlich vergessen habe; außerdem an Uday Goyal, Sean Park, Sim, Pascale, Naoshir, Nadeem, Yann und das Team von Anthemis, die mich immer
wieder mit ihrem Netzwerk und ihrer Unterstützung überrascht haben.
Danke an Nick Wallwork, Jeremy Chia und das Team von John Wiley
& Sons für ihre Unterstützung.
Danke an Jay Kemp, Tanja Markovic, Jules und das Team von ODE, die
dafür sorgen, dass mein Aufruf zum Querdenken 100 Tage im Jahr laut
und deutlich zu hören ist.
Zuletzt noch ein Dankeschön an alle Querdenker, Innovatoren, Techniker, Unternehmer, Investoren und Anhänger, die die Welt des Bankwesens jeden Tag verändern.
Über den Autor
Brett King ist ein Bestsellerautor auf Amazon, ein bekannter Branchenbeobachter, Moderator, Gastgeber der Radiosendung „BREAKING BANKS$“ auf Voice America (ein Internetradio-Netzwerk
mit mehr als neun Millionen Zuhörern pro Monat) und Gründer
des revolutionären, handybasierten Banking-Dienstes Moven (siehe
Moven.com oder bei iTunes/Google Play nach „Moven“ suchen).
King wurde zum American Banker’s Innovator des Jahres 2012 gewählt und von Bank Innovation unter die zehn „coolsten Marken
im Bankwesen“ aufgenommen. Sein letztes Buch, „Bank 3.0“, das in
sechs Sprachen übersetzt wurde, führte die Bestsellerlisten in den
USA, Großbritannien, China, Kanada, Deutschland, Japan und
Frankreich an, nachdem es Weihnachten 2012 auf den Markt kam.
King wurde auf Fox News, bei CNBC, Bloomberg und BBC sowie
bei Reuters, in den Zeitungen Financial Times, The Economist, ABA
Journal, Bank Technology News, The Asian Banker Journal, The Banker, Wired und vielen mehr vorgestellt. Er bloggt regelmäßig in der
Huffington Post.
Einleitung
Wiedergeburt und Neuerfindung einer Branche
Die Annahme, dass es in der Finanzdienstleistungsbranche einen
Umbruch gibt – eine Disruption –, ist relativ neu. Mit Ausnahme vielleicht der Deregulierung in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist das Bankwesen nicht gerade bekannt für Quantensprünge, was Innovation oder Änderungen der Dynamik der Beteiligten
angeht. Fusionen und Übernahmen hat es natürlich immer gegeben,
von Zeit zu Zeit auch Konsolidierungsprozesse, aber nie gab es etwas,
das dem Ausmaß des Umbruchs auch nur annähernd gleichkäme,
den wir aktuell beispielsweise in der Musikbranche oder im Verlagswesen beobachten, oder der Dynamik im Kommunikationsbereich,
wo erst der Wandel vom Telegrafen zum Telefon und dann vom Festnetz zum Handy stattfand.
Inmitten der Finanzkrise im Jahr 2009 kritisierte Paul Volcker, der
ehemalige Notenbankenchef der USA, die Finanzbranche wegen ihrer
mangelnden Innovationen in der Vergangenheit:
Ich wünschte, jemand könnte mir auch nur einen kleinen
­Beweis dafür geben, dass Finanzinnovationen zu wirtschaft­
lichem Wachstum geführt hätten.
– Paul Volcker im Wall Street Journal
Future of Finance Initiative, 7. Dezember 2009
Volcker fügte hinzu, dass die letzte große Innovation im Bankwesen
der Geldautomat gewesen sei. Da hat er nicht ganz unrecht. Insgesamt
hat sich das Bankwesen in den vergangenen Jahrhunderten nicht
12
BREAKING BANKS
wirklich verändert. Das Geschäftsmodell der Bankfiliale aus dem
19. Jahrhundert ist im Großen und Ganzen noch heute erkennbar.
Wir hatten zwar sogenannte Zukunftskonzepte für die Filialen, aber
die Art der Abläufe im Bankwesen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht großartig verändert.
Das stimmte zumindest bis vor einigen Jahren, bis das Internet auf
den Plan trat. Heute sehen wir deutliche Veränderungen im Bankwesen, beim Kundenverhalten sowie im Vertrieb von Bankprodukten
und -dienstleistungen. Technologien wie Internet, soziale Medien
und mobiles Banking haben dramatische Änderungen mit sich gebracht. Die jüngste globale Finanzkrise hat das Vertrauen in die Banken insgesamt sehr geschwächt. Zwar kann dieses Vertrauen in den
kommenden Monaten langsam zurückkehren, im Moment ist es aber
eine Ursache der Herausforderungen, mit denen das traditionelle
Bankwesen konfrontiert ist. Durch die sozialen Medien und Foren
sind Diskussionen über Effektivität, Kundenservice und Gebühren
von Banken so transparent wie nie. Es gibt grundlegend neue Modelle für das Bankwesen, den Zahlungsverkehr und/oder banknahe
Dienstleistungen, die den Status quo infrage stellen.
Es ist durchaus möglich, dass die Banken mit ihren zahlreichen zu
erfüllenden Vorschriften, den hohen Anforderungen an die Kapitalausstattung, ihrer aufgeblähten und veralteten Infrastruktur sowie
lange gehegten und gepflegten Konventionen Probleme haben werden, sich an diese weitreichenden Veränderungen anzupassen. Denken Sie zum Beispiel an Unternehmen aus anderen Branchen wie Kodak, Borders und Blockbuster, denen neuartige Geschäftsmodelle,
sich wandelndes Kundenverhalten oder neue Technologien zum Verhängnis wurden.
Es ist möglich, dass einige Banken bestehen bleiben, wenn sie ihre
nicht unerheblichen Ressourcen dafür einsetzen, ihre Marke und
ihre Geschäftstätigkeit weiterzuentwickeln, so den alten Kern mit
einer neuen Schicht aus innovativen Kundenerfahrungen und Technologien aufzupolieren und damit etwas Neues, Dynamisches und
Einleitung
Anpassungsfähiges zu schaffen. Im Moment scheinen die Anpassungsschwierigkeiten allerdings wahrscheinlicher, zum einen wegen
der Schwerfälligkeit in den Bereichen Risiko und Compliance sowie
der gesetzlichen Anforderungen und Vorschriften und ihrer Durchsetzung, zum anderen wegen der 30 bis 50 Jahre alten IT-Systeme,
die sich nicht so einfach an das ständig aktive und vernetzte Umfeld
anpassen lassen, in dem wir heute leben.
Als ich im Mai 2013 eine Podcast-Radiosendung1 ins Leben rief, um
diese Konzepte und Fragen anzugehen, wollte ich regelmäßig die unbequemsten Parteien im Bereich der Finanzdienstleistungen befragen, welche die Normen infrage stellen und versuchen, das traditionelle Bankwesen auf den Kopf zu stellen. Auch wollte ich einige der
innovativsten Führungskräfte aus der Branche selbst einladen, die auf
diese Weise versuchen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese zwei
Gruppen disruptiver Innovatoren stehen vielleicht auf unterschiedlichen Seiten des gleichen Problems, und obwohl sich ihre Ansätze unterscheiden, sind die Lehren, die wir daraus ziehen können, äußerst
aufschlussreich.
Das vorliegende Buch ist nicht nur eine Zusammenfassung dieser
Interviews, sondern eine Untersuchung der neuen aufstrebenden Geschäftsmodelle, Konzepte, Ansätze und Konstrukte aus Sicht der Strategien, Technologien und des Erfolgs – was funktioniert und was
nicht. Und was noch wichtiger ist, wir betrachten, was traditionelle
Finanzinstitute von diesen Wegbereitern lernen können, um ihre eigenen Projekte oder Initiativen in Gang zu bringen, und was für sie auf
dem Spiel steht, wenn sie nicht zuhören und lernen. Die Interviews
sind aufschlussreich und führen uns in neue Richtungen, dienen aber
auch als Fallstudien für einige der Techniken und Modelle, die für die
1 Breaking Banks ist noch kein Jahr alt, jedoch bereits eine der fünf beliebtesten Wirtschaftssendungen des Netzwerks Voice America/World Talk Radio, das wiederum der beliebteste Online-Radiosender sowie der beliebteste
Podcast-Kanal bei Apple iTunes ist.
13
14
BREAKING BANKS
nächsten 20 bis 30 Jahre im Bankwesen den Ton angeben werden. Die
aus diesen Interviews und Konzepten gewonnenen Informationen
helfen beim Verständnis dieser Modelle und bieten statistische oder
quantifizierbare Anhaltspunkte für die verschiedenen Strategien.
Die folgenden Kapitel befassen sich mit Themen wie Peer-to-PeerKrediten; Bitcoin und anderen digitalen Währungen oder Kryptowährungen; Neobanken oder Neogirokonten, die eine Herausforderung für die grundlegende Annahme darstellen, man benötige ein
klassisches Bankkonto; den Auswirkungen der sozialen Medien auf
die großen Banken; Banken mit rasantem Wachstum trotz fehlenden Filialnetzwerks; Frühindikatoren für sich änderndes Kundenverhalten; nachhaltigem Bankwesen; finanziellem Wohlbefinden
und den Instrumenten, die den Menschen beim Sparen helfen; wie
die traditionelle Marketingkampagne verschwindet und stattdessen
die Customer Journey in den Mittelpunkt rückt; wie auf die Kunden
zugegangen wird; und wie Technologien elegant, hochgradig funktionell und für den Endverbraucher flexibler gestaltet werden können. Dies sind die neuen Kernkompetenzen von Massenfinanzdienstleistern.
Die Geheimzutat dieser neuen innovativen Ansätze sind noch immer die Individuen, die den Wandel tagtäglich vorantreiben. Es geht
nicht nur um die Implementierung der richtigen Technologie oder
um die Frage, ob man soziale Medien oder Mobilgeräte in eine kundenorientierte Strategie integriert. Es geht darum, was diese Innovatoren antreibt, etwas Neues auszuprobieren, und wo sie die Zukunft
der Branche sehen.
In den einzelnen Kapiteln frage ich diese Branchenführer, was die
nächsten fünf bis zehn Jahre bringen werden. In vielerlei Hinsicht ist
das mein Lieblingsteil der Gespräche, weil er zeigt, dass einige der
revolutionären Ansätze im Bankwesen, im Kreditgeschäft und der
Kundenbindung, mit denen wir heute experimentieren, langfristig
das Bankwesen weitaus stärker verändern werden, als wir es uns
heute vorstellen können.
Einleitung
Im Folgenden stelle ich Ihnen einige der innovativsten Köpfe der
heutigen Bankenlandschaft vor. Sie werden lesen, wie diese Querdenker ticken und welche Philosophie hinter ihren Unternehmen
steckt. Sie werden lesen, warum sie diese neuen Ansätze überhaupt
ins Leben gerufen und die bestehenden Normen infrage gestellt haben. Am spannendsten ist jedoch die Vorstellung, wo uns das als
Nächstes hinführen wird.
Dies sind die Innovatoren, Schlitzohren und Strategen, die das
Bankwesen erneuern – vielleicht sogar die Breaking Banks.
15
Kapitel 1
Eine neue Facette des
Kreditgeschäfts
Während der globalen Finanzkrise kam es in Ländern wie den USA
und dem Vereinigten Königreich zum ersten Mal seit mehr als einem
Jahrzehnt zu einem Rückgang der privaten Verschuldungsquote, in
den vergangenen Monaten konnte das Aktivgeschäft jedoch wieder
an Fahrt aufnehmen und sich dem Niveau von vor der Finanzkrise
annähern.
Was die Bonitätsprüfung angeht, ist es für traditionelle Kreditgeber
zunehmend schwierig, mit digitalen Dienstleistungen und Plattformen zu konkurrieren, die mehr Informationen und Möglichkeiten
auf dynamischere Weise anbieten. Mithilfe neu entwickelter, weitaus
unproblematischerer Verfahren als typische Kreditantragsformulare
von Kreditgebern konnten die Bewilligungszeiten drastisch verkürzt
werden. Durch das wachsende Misstrauen gegenüber traditionellen
Bankensystemen und durch immer teurer werdende Kredite haben
sich Unternehmer den Instrumenten des digitalen Zeitalters zugewandt, um neue Lösungen für Menschen anbieten zu können, die
nicht über ein Bankkonto verfügen oder die transparente und kosteneffiziente Lösungen suchen. Kredite gibt es schon seit sehr langer Zeit.
Kredite gab es schon Tausende Jahre vor der Einführung einer formellen Währung und eines formalisierten Bankensystems.
Bei archäologischen Ausgrabungen wurden in den letzten 150 Jahren Hunderte von Tafeln gefunden, deren Geschichte sogar bis 3000
Jahre vor unsere Zeitrechnung zurückreicht. Diese Tafeln beweisen,
dass damals Silber und Gerste (und manchmal auch Gold) als pri­märe
Währung und Wertaufbewahrung genutzt wurden. Mesopotamische
BREAKING BANKS
18
Händler und Kreditgeber vergaben Kredite in Form von Silber und
Gerste, und um Zinswucher zu vermeiden, wurden die Zinssätze1 gesetzlich festgelegt. Der Jahreszins für Silberkredite lag bei 20 Prozent
und für Gerstenkredite bei 33,3 Prozent.
Fast 4000 Jahre später nutzen wir noch immer das gleiche grundsätzliche System für das Kreditgeschäft – bestehend aus einem Schuldner,
einer Laufzeit und einem Zinssatz.
Kredite sind heute überall kostengünstig verfügbar. Kredite in Form
von Autokrediten, Studentenkrediten, Kleinkrediten, Hypotheken und
Kreditkarten sind in steigender Zahl in der entwickelten Welt gebräuchlich. Kleinstkredite und Kreditsysteme, die vor Kurzem unter anderem
von der Grameen Bank2 in Bangladesch und von neuen sozialen Online-Plattformen wie Kiva.org3 populär gemacht wurden, haben gesellschaftlichen Kreisen, die traditionell keine Möglichkeit hatten, einen
Kredit aufzunehmen, den Zugang dazu erleichtert.
Auch unsere Abhängigkeit von Krediten und die Art, wie wir Kredite nutzen, haben sich in den letzten Jahren geändert. In den frühen
80er-Jahren des 20. Jahrhunderts lag die Verschuldung der privaten
Haushalte in den USA im Verhältnis zum Einkommen bei etwa 60
Prozent. Zur Zeit der Finanzkrise im Jahr 2008 war dieses Verhältnis
auf mehr als 100 Prozent gestiegen. Auf dem Höhepunkt der Verschuldung, direkt vor der Finanzkrise, lag die Schuldenquote der privaten Haushalte in den USA bei etwa 140 Prozent, im Vereinigten
Königreich sogar bei 170 Prozent. Heutzutage liegt allein die Kreditkartenbelastung amerikanischer Haushalte bei ungefähr 15.185 Dollar
pro Haushalt, Mitte des Jahres 2008 lag dieser Wert noch bei 19.000
Dollar (Abbildung 1.1).
1 Die mesopotamische ana ittisu aus dem Jahr 3000 vor unserer Zeitrechnung und die Kodizes von Esnunna und Hammurabi, beide aus dem Jahr 1800
v. u. Z., gaben gesetzliche Auskünfte zu Zinswucher und Kreditverfahren.
2 www.grameen-info.org.
3 Zu Kiva via Kiva.org.
Percentage
of Total Household
Income
Prozentsatz
vom gesamten
Haushaltseinkommen
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
180
160
UK
140
US
19
Zwischen 2000 und 2002 nähern
sich die Werte beider Länder an, bis
die Verschuldung in GB unmittelbar
vor der Finanzkrise rapide steigt.
120
100
80
Die gepunkteten Linien geben langfristige
Durchschnittswerte (1970–2014) an
60
40
20
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
Abbildung 1.1 Verschuldung der Haushalte in den USA und dem
Vereinigten Königreich im Verhältnis zum Gesamteinkommen.
Quelle: Federal Reserve, BLS, Office of National Statistics (UK).
Die gute Neuigkeit (für Konsumenten) ist, dass in Ländern wie den
USA und dem Vereinigten Königreich seit der Finanzkrise weniger
Schulden gemacht werden. Seit der Finanzkrise ist die Haushaltsverschuldung im Verhältnis zum Einkommen um etwa 20 Prozent zurückgegangen, wodurch die Verschuldung durch Haushaltskredite
wieder auf das Niveau von 2002 zurückging. Die schlechte Neuigkeit:
Da die Ausfallquote während der Finanzkrise rasant anstieg, bedeutet
dieser Rückgang weniger, dass die Leute Geld sparen, sondern liegt
eher in der Tatsache begründet, dass die Ausfälle dramatisch angestiegen sind.
Diese steigende Schuldenlast in den entwickelten Volkswirtschaften
liegt im Kern daran, dass die wirklichen Kreditkosten und Geldgeschäfte in einem solchen System nicht transparent sind.
In den 1960er-Jahren, als Kredite viel weniger in Anspruch genommen wurden, war das beliebteste Bankkonto ein Sparbuch; es gab keine Geldautomaten, Kreditkarten oder Debitkarten. Wenn man Geld
ausgeben wollte, musste man mit dem Sparbuch zur Bankfiliale gehen, Geld abheben und konnte dann natürlich direkt sehen, wie sich
BREAKING BANKS
20
diese Abbuchung auf den Kontostand auswirkt. Man konnte normalerweise nicht mehr Geld ausgeben, als man auf dem Bankkonto hatte. Überziehungen waren unüblich, Schecks wurden abgelehnt, wenn
nicht genug Geld auf dem Konto war, und die häufigste Form der Finanzierung war eine Hypothek (keine Kreditkarte).
Heutzutage sind die Ausgaben aufgrund der Nutzung von Kreditkarten und Debitkarten weniger schnell sichtbar. Für die 68 Prozent
der amerikanischen Haushalte, die von Gehaltszahlung zu Gehaltszahlung leben4, kann das zum Problem werden. Wenn wir versuchen
wollen, einen groben Überblick zu behalten, wie wir unser Geld tagtäglich ausgeben, dann verfolgen die meisten von uns ihre Konto­
bewegungen dafür einfach nicht genau genug. Es ist daher unausweichlich, dass Konsumenten irgendwann im Supermarkt beim
Wocheneinkauf die EC-Karte zücken und die Transaktion abgelehnt
wird, weil sie mehr Geld ausgegeben haben, als ihnen bewusst war.
Oder noch schlimmer, sie überziehen ihr Konto und merken es nicht,
bis sie das nächste Mal am Geldautomaten stehen und sehen, dass ihr
Konto wegen der Überziehungsgebühren mit 300 Dollar im Minus ist.
Die Art, wie wir Kredite in unserem Leben nutzen, wird sich ändern
müssen. Die Sichtbarkeit der realen Kosten von Schulden, ob Studentenkredite, Hypotheken, Kreditkarten oder medizinische Darlehen in
den USA, wird mit der Forderung nach höherer Transparenz konfrontiert werden, wenn es um das Bewusstsein der Verbraucher für
die realen Kosten geht. Gleichzeitig wird die Entscheidung über die
Kreditvergabe im nächsten Jahrzehnt einen schnellen Wandel durchlaufen, da die meisten Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden
– nicht länger mithilfe eines Antragsformulars, das man in einer Filiale ausfüllt, sondern situationsbedingt und auf Grundlage einer Risikomethodik, die sich mehr aus dem Kundenverhalten ergibt.
4 American Payroll Association Survey, September 2012 (siehe Jim Forsyth,
„More Than Two-Thirds in U.S. Live Paycheck to Paycheck: Survey,“ Reuters
News, 19. September 2012).
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
Wenn die Bonität mehr zählt
als das tatsächliche Risiko
Im Jahr 2010 bin ich in die USA gezogen, und trotz eines guten Einkommens5, einer tadellosen Kredithistorie außerhalb der USA, eines
positiven Finanzmittelbestands, eines soliden Anlageportfolios und
eines minimalen laufenden Kreditrisikos war es mir nicht möglich,
einen Kredit zu bekommen.
Das Problem ist, dass das amerikanische System so abhängig von
Kreditscores geworden ist, dass Risikoentscheidungen nicht mehr
ohne diesen Wert getroffen werden können. Nach Auffassung vieler
Personen scheint es beim Kreditscore mehr um die Bestrafung der
Kreditnehmer für schlechtes Verhalten zu gehen als wirklich darum,
Zugang zu Krediten zu ermöglichen6. Die meisten Kreditscores7 hinken um 30 bis 60 Tage hinter dem Verbraucherverhalten hinterher
(und zeigen nicht die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls auf, wie sie es
tun sollten), und die Verbraucher sehen oft einen ganz anderen Kreditscore als die Kreditgeber8.
Mit meinem Einkommens- und Risikoprofil stellte ich kein Risiko für Kreditgeber oder Krediteinrichtungen dar, aber da ich nicht
sorgfältig am Aufbau meines Scores gearbeitet hatte, war ich ein
Nichts für Kreditgeber – oder negativ ausgedrückt ein mutmaßlich
5 Man muss laut dem interaktiven Tool der New York Times nur 300.000
Dollar pro Jahr verdienen, um im „obersten Prozent“ zu landen.
6 „Store Purchases Could Punish Credit Holders“, WNBF News, 19. August 2009, www.wmbfnews.com/story/10671306/store-purchases-could-punish-credit-holders.
7 Siehe FICO: www.myfico.com/crediteducation/questios/why-scoreschange.aspx.
8 „Consumers’ Real Problem with Credit Scores“, Wall Street Journal, 25.
September 2012.
21
BREAKING BANKS
22
„Schuldiger“; ich hatte das, was man in der Branche eine dünne
Kreditakte nennt. Hätte eine Bank mein Verhalten untersucht, hätte
sie gesehen, dass ich jeden Monat spare und deutlich weniger Geld
ausgebe, als ich verdiene – und dass daher meine Möglichkeiten,
einen Kredit zu tilgen, sehr hoch sind. Außerdem hat sich mein
Gehalt im Laufe der letzten vier bis fünf Jahre deutlich erhöht und
dieser Trend müsste ja eigentlich bedeuten, dass sich meine Fähigkeit zur Tilgung eines Kredits verbessert. Nichts davon zählte. Die
Logik eines fundierten Kreditentscheids, basierend auf dem tatsächlichen Risiko, wurde von einem anderen Mechanismus abgelöst – einem Standardwert, der kein guter Indikator für Risiken ist,
wenn ihm nicht eine mindestens zwei- bis dreijährige Historie zugrunde liegt oder wenn man sich um den Aufbau des Wertes nicht
extra bemüht.
Es ist natürlich ein berechtigtes Argument, dass in einem System,
das Zugriff auf Kreditmöglichkeiten in Echtzeit oder zumindest innerhalb kürzester Zeit erfordert, vielleicht sogar in einem Laden
zum Zeitpunkt eines Kaufs, eine Art automatisiertes System zur Bewertung des Kreditrisikos benötigt wird. Sind mangels eines besseren Systems vielleicht Kreditscores oder Kreditbüros unser bester
Ansatz? Das stimmte vielleicht in den 1980er-Jahren, aber heute
meldet die U.S. Public Interest Research Group, dass das aktuelle
System in 79 Prozent aller Fälle fehlerhafte Kreditauskünfte hervorbringt.9 Zudem ist das System teuer, was zu einem schlechten Ausfallmanagement führt. Außerdem wurde es vorrangig entwickelt,
um Kreditgeber zu schützen, und nicht um Kreditnehmer positiv
darzustellen, auch wenn sie ein geringes oder mittleres Kreditrisiko
haben. Die besten Bonitätswerte haben im Endeffekt gute oder regelmäßige Nutzer von Krediten, nicht aber Verbraucher, die nur
dann Kredite in Anspruch nehmen, wenn es unvermeidbar ist.
9 Studie der U.S. Public Interest Research Group aus „Oversight of Credit
Agencies Long Overdue“, Huffington Post, November 2012.
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
Ein anerkanntes Maß für die gesamte Leistung des Kreditrisikomanagements kreditgebender Einrichtungen ist heutzutage die Ausfallquote, auch als Abschreibungsquote (Charge-off rate) bezeichnet. Während der globalen Finanzkrise sind bei Banken wie der Bank of
America (BAC) die Ausfallquoten bei Hypothekendarlehen im Jahr
2010 rasant auf 24 Prozent10 gestiegen, und im Jahr 2009 stiegen die
Ausfälle bei Kreditkarten auf 13,82 Prozent.11 Heute liegt die nominale
Ausfallquote der BAC für Hypotheken bei 6,7 Prozent12 und die Ausfälle bei Kreditkarten sind ebenfalls landesweit gesunken. Die US-Notenbank erhob im 1. Quartal 2013 Abschreibungsquoten auf Hypotheken/Immobilienkredite in Höhe von 2,32 Prozent und 3,8 Prozent auf
Kreditkarten.13 Lending Club, der größte Peer-to-Peer- (P2P)-Kreditgeber) in den USA, hat eine effektive Ausfallquote von 3 Prozent in
seinem aktuellen Portfolio, was in der aktuellen Marktlage extrem
wettbewerbsfähig ist.14
In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat die P2P-Kreditvergabe
ihre Durchführbarkeit als neue Kapitalklasse verbessert und verfügt
über eine respektable Ausfallquote. Der Lending Club hat die Marke
von 3 Milliarden Dollar an Krediten überstiegen (Abbildung 1.2)
und somit die 1,2 Milliarden Dollar an vergebenen Krediten mehr als
verdoppelt, die er allein im Januar 2013 verzeichnete.15 Wenn man
berücksichtigt, dass das Unternehmen die 500-Millionen-Dollar10 FDIC 2010 Statistics, in „Default Loan Percentages Top 25 Largest U.S.
Banks“, JMCA Funding – The Hard Money Pros, 2. Juni 2010.
11 „Bank of America Shuns Card Debt“, Bloomberg, 24. August 2009.
12 „Mortgage Default Rate Spikes in June“, The Street, Juni 2013.
13 „Federal Reserve Charge-Off and Delinquency Rates on Loans and
Leases at Commercial Banks, 2013“, Direktorium des Federal Reserve Systems, 15. November 2013.
14 „Default Rates at Lending Club & Prosper“, LendingMemo.com, 25.
Juli 2013.
15 Statistiken des Lending Club.
23
BREAKING BANKS
24
Marke erst im März 2012 überschritten hat, ist dies eine phänomenale Erfolgskurve. Der Lending Club hat einen durchschnittlichen
jährlichen Zinssatz von 13,34 Prozent, während der landesweite
Durchschnitt bei Kreditkarten bei einem effektiven Jahreszins von
14,96 Prozent liegt.16 Mit Stand zum 1. Januar 2013 hatte der Lending Club eine durchschnittliche Gesamtrendite von 8,8 Prozent auf
„Ersparnisse“ über die vorangegangenen 21 Geschäftsmonate erwirtschaftet. Im gleichen Zeitraum hatte der S&P 500 zehn negative
Quartale und durchschnittliche Gesamtrenditen von 4,1 Prozent
verzeichnet.
2013
2012
2011
2010
2009
2008
3,120M
2,990M
2,860M
2,730M
2,600M
2,470M
2,340M
2,210M
2,080M
1,950M
1,820M
1,690M
1,560M
1,430M
1,300M
1,170M
1,040M
910M
780M
650M
520M
390M
260M
130M
0
2007
Summe der vergebenen Kredite (Dollar)
Für die Kreditnehmer mit hoher Bonität, für die wir tätig sind,
bedeutet unser risikobasiertes Preismodell oft Ersparnisse in
Höhe von Hunderten oder sogar Tausenden von Dollar im
Vergleich zu traditionellen Kreditkarten von Banken, die von
diesen Kunden ebenso hohe Gebühren wie allen anderen ver­
langen würden. Unser schnelles Wachstum wird von diesen
Abbildung 1.2 Gesamtsumme der vergebenen Kredite (LendingClub.com)
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
sehr kreditwürdigen Kreditnehmern angetrieben, die vom
traditionellen Modell unterversorgt waren.
– Renauld Laplanche, CEO von Lending Club17
Auch in anderen Ländern wachsen P2P-Angebote schnell. Zopa hat
im Vereinigten Königreich bis dato Kredite in Höhe von mehr als
400 Millionen Pfund gewährt. Die gesamte P2P-Branche im Vereinigten Königreich nähert sich derzeit der Marke von 800 Millionen
Pfund (einschließlich Ratesetter, Funding Circle etc.). Aber vielleicht noch interessanter ist die Tatsache, dass Zopa jährlich um
mehr als 60 Prozent wächst und in den letzten 2 Monaten im Jahresvergleich eine auf das Jahr hochgerechnete Wachstumsrate von 90
Prozent verzeichnete, wobei 144 Millionen Pfund des aktuellen
Portfolios in den letzten 12 Monaten verliehen wurden.18 Die Ausfälle von Zopa liegen bei 0,5 Prozent und die durchschnittlichen
Zinsen bei 6,7 Prozent.19 Das ist die beste Leistung der Branche und
die Ausfallquote ist nur halb so hoch wie bei den leistungsstärksten
Banken im Vereinigten Königreich.20
P2P-Kredite machen derzeit etwa 3 Prozent des Darlehensmarkts
im Vereinigten Königreich aus (ohne Hypotheken).21
16 „National Average Credit Card APR Rates (U.S. Domestics)“, CreditCards.com.
17 Banking4Tomorrow.com
18 Zopa UK.
19 „Can You Trust Peer-to-Peer Lending?“ The Telegraph (UK), 3. März 2013.
20 Im gleichen Zeitraum verzeichnete eine der größten Banken des Vereinigten Königreichs, HSBC, eine Ausfallquote von 0,9 Prozent, fast doppelt so viel wie Zopa (Quelle: HSBC Jahresbericht).
21 Siehe „Retail Lending in the United Kingdom“, MarketLine Report,
Oktober 2012.
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BREAKING BANKS
Ein neuer Blick auf das Kreditwesen
Das Interview mit Giles Andrews, CEO und Mitbegründer von Zopa,
war eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich detailliert mit den Gründen
zu befassen, weshalb P2P im Vergleich zu traditionellen Methoden der
Kredit- und Darlehensvergabe so leistungsstark ist und weshalb die
Ausfallquoten dabei einen Bruchteil der Ausfallquoten großer Banken
im Vereinigten Königreich betragen, besonders im Fall von Zopa.
Brett: Giles, erzählen Sie uns doch bitte zuerst ein wenig über
Zopa. Was ist Zopa? Wann haben Sie das Unternehmen gegründet? Was sind die Ziele von Zopa und wo stehen Sie heute?
Giles: Zopa war das erste Peer-to-Peer-Kreditunternehmen
der Welt. Wir haben es im März 2005 gegründet. „Peer-toPeer-Kreditgeschäft“ ist ein großer Begriff, aber was wir tun,
ist eigentlich ganz einfach. Wir bringen Menschen, die Geld
übrig haben, mit Menschen zusammen, die es sich leihen
möchten. So lassen wir Banken als Mittler außen vor, und
beide Parteien machen ein besseres Geschäft. Wir hatten ein
einfaches Ziel, nämlich größere Effizienz in einem unserer
Meinung nach sehr ineffizienten Finanzsektor zu schaffen –
indem wir Verbrauchern auf beiden Seiten eine bessere Leistung und einen größeren Mehrwert bieten, den Sparern und
den Kreditnehmern.
Brett: Sie waren die Ersten in dem Bereich: Weshalb dachten
Sie denn, dass es eine Nachfrage nach einem grundsätzlich
anderen Ansatz im Kreditbereich gibt?
Giles: Ich denke, wir haben uns zuerst eine Frage gestellt:
Warum kommen Verbraucher bei Finanzdienstleistungen
­
viel schlechter weg als große Unternehmen? Und sind zu dem
Schluss gekommen: weil sich ein Markt entwickelt hatte (der
Anleihemarkt), der vermittelnde Banken umging, größere Effizienz bot und großen Unternehmen mehr für ihr Geld bot.
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
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Großunternehmen gehen nicht zu ihrer Bank, um sich Geld
zu leihen, sie stellen einfach Schuldverschreibungen auf dem
Anleihemarkt aus. Wir haben uns gefragt, warum das nicht
auch auf der Verbraucherebene möglich ist. Die Informationen existieren, aber Märkte sind abhängig von Informationen
von Drittparteien, denen man vertraut, und es gibt eine ganze
Reihe sehr nützlicher
Verbraucherdaten,
Teils liegt das daran, dass unsere Modell­
die informativ sind.
rechnungen einfach besser sind, dass wir
Wir dachten, wir
­Informationen besser nutzen und dass wir
könnten
dieses
auch alternative Informationen heranziehen.
Marktmodell nachWir nutzen noch immer größtenteils die
bauen, aber eben nur
traditionellen Daten der Kreditbranche,
­
für Verbraucher.
aber ich denke, wir kaufen mehr davon
Brett: Hinsichtlich
und nutzen sie auf intelligentere Weise.
Ihres Kreditmodells
Wir haben auch begonnen, alternative
ist einer der Punkte,
­Datenquellen zu nutzen.
über den wir schon
früher
gesprochen
– Giles Andrews, CEO von Zopa
haben, die Risikobewertung. Einer der
Punkte, die mich stets fasziniert haben, ist Ihre Stabilität hinsichtlich der Ausfälle. Sie sind immerhin eine der leistungsstärksten Institutionen auf dem britischen Markt, was Ausfälle notleidender Kredite angeht.
Giles: Und ich glaube, wir haben uns seit unserem letzten Gespräch noch verbessert. Wir haben das leistungsstärkste Kreditportfolio im Vereinigten Königreich. Wir hatten in den
letzten Jahren Ausfallquoten unter 0,8 Prozent. Wenn Sie das
auf das Jahr umrechnen, bedeutet das, dass die Kreditverluste
weit unter einem halben Prozent pro Jahr liegen. Und das
spricht gegen Banken, die irgendwo zwischen 3 und 5 Prozent
pro Jahr liegen. Wir sind hinsichtlich unserer Ausfallleistung
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BREAKING BANKS
in der Tat besser. Ich denke, dass dies teilweise dem Aufbau
von Kreditmodellen in einer Zeit zuzuschreiben ist, in der
sich alle Welt immer weiter verschuldete und fürchtete, sich
das nicht leisten zu können. Aus heutiger Sicht, also im Jahr
2013, ist das angesichts der Krise, die wir durchgemacht haben, offensichtlich. Aber im Jahr 2005 war das nicht so klar –
sicherlich nicht für Banken, die noch immer Geld an Leute
auf Grundlage ihrer bisherigen Kredithistorie verliehen, ohne
sich wirklich Gedanken darüber zu machen, ob die Kredite
nachhaltig waren. Außerdem spielt mit hinein, dass wir das
Glück hatten, ein Kreditmodell zu einer Zeit aufbauen zu
können, als es für uns offensichtlich war, dass es da irgendwo
ein Problem gab.
Wir waren nicht klug genug, die Subprime-Krise heraufziehen zu sehen, die sich zwei oder drei Jahre später entwickelte.
Aber wir sahen definitiv, dass Verbraucher überschuldet waren. Teils liegt das daran, dass unsere Modellrechnungen einfach besser sind, dass wir Informationen besser nutzen und
dass wir auch alternative Informationen heranziehen Wir nutzen noch immer größtenteils die traditionellen Daten der
Kreditbranche, weil das für uns nach wie vor die beste Möglichkeit ist. Wir nutzen also ähnliche Daten wie Banken. Aber
ich denke, wir kaufen mehr davon und wir nutzen sie auf intelligentere Weise. Wir haben auch angefangen, alternative
Datenquellen zu nutzen. Ein anderer Aspekt ist, dass sich
Menschen bei einem Peer-to-Peer-Modell allein schon deshalb korrekter verhalten, weil sie sich Geld von anderen Menschen leihen, soweit das möglich ist. Es gibt Belege dafür, dass
Verbraucher unsere Kredite bevorzugen, weil am anderen
Ende ein Mensch ist.
Brett: Psychologisch sehr interessant. Zopa hört sich nach einem sozialen Netzwerk an, so wie es funktioniert – eine Gemeinschaft von Kreditgebern und Kreditnehmern, die Sie
Eine neue Facette des Kreditgeschäfts
zusammenbringen. Wie viel haben soziale Netzwerke und
der Aufbau einer Community mit dem geschäftlichen Erfolg
von Zopa zu tun?
Giles: Für uns ist eine aktive Gemeinschaft engagierter Kreditgeber von großer Bedeutung. Es hört sich vielleicht komisch an, aber die Gemeinschaft fungiert wirklich als eine
Art Kundenservice. Menschen reagieren positiv, wenn sie Informationen von anderen Kunden erhalten. Oftmals sogar
besser, als wenn sie diese vom Unternehmen selbst bekommen würden. Wenn Sie die gesamte Kundenkommunikation
über Diskussionsforen auf Ihrer Website abwickeln, in Feeds
auf Twitter, auf Facebook und dergleichen, und bereit sind,
Fragen an Ihren Kundenservice zu veröffentlichen, sagt das
viel über die Transparenz Ihres Unternehmens aus. Das zeigt,
dass Sie froh sind, dass die schmutzige Wäsche öffentlich gewaschen wird.
Das ist wichtig, weil die Gemeinschaft dem Aufbau von Vertrauen dient. Ich glaube, es wäre toll, die sozialen Netzwerke
anderer Leute zur Kundengewinnung nutzen zu können. Wir
haben aber keine wirklichen Hinweise darauf, dass das passiert. Ich schließe daraus, dass Personen in sozialen Netzwerken nicht sehr gerne über Geld sprechen. Sie werden aus gutem Grund „soziale“ Netzwerke genannt; es sind keine
geschäftlichen Netzwerke.
Brett: Die Leute würden also niemals twittern: „Wow! Ich
habe gerade einen Kredit bei Zopa aufgenommen?“
Giles: „Für das tolle Auto vorm Haus musste ich einen Kredit aufnehmen.“ Nein, darüber sprechen die Menschen
nicht gerne. Kreditgeber sprechen lieber darüber, weil sie
meinen, etwas Kluges getan zu haben. Sie sind gerne bereit,
darüber zu sprechen, und noch glücklicher darüber, die
Einzelheiten mit anderen Menschen zu teilen. Das ist natürlich ein Vorteil für uns.
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