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SEITE 11 Jenseits der LIEBIGSTRASSE „Nehmt denn hin, ihr schönen Seelen, froh die Gaben schöner Kunst …“ Ludwig van Beethoven und Carl Ludwig persönlich führen durch das Konzert des Leipziger Ärzteorchesters am 20. April n Am 20. April findet im Großen Hörsaal im Studienzentrum (Liebigstraße 27, Haus E) ein vielversprechendes Konzert statt: Erstmals wird ab 19.30 Uhr mit dem Leipziger Ärzteorchester zusammen ein Chor auftreten, der sich aus Mitarbeitern der Medizinischen Fakultät der Uni Leipzig zusammensetzt. Unterstützt wird dieser Projektchor vom Medizinerchor Leipzig unter der Leitung von Maximilian Raschke. Kernstück des Konzerts ist Ludwig van Beethovens berühmte und mitreißende Chorfantasie für Soloklavier (Pianist: Augenarzt Christian Girbardt), großen Chor und Orchester. Außerdem werden das Jazzbasskonzert von Jeff Beal (Solist: Thomas Stahr) und der bekannte Vals triste von Jean Sibelius erklingen. Zu letzterem Stück hat die Konzert-Kastagnettenspielerin Friederike von Krosigk eine Zusatzstimme auf ihrem Percussionsinstrument geschrieben, die sie auch selbst uraufführen wird. Ein zusätzliches Vergnügen wird sein, dass Ludwig van Beethoven und Carl Ludwig, ein Leipziger Arzt und Physiologe aus dem 19. Jahrhundert, persönlich (!) das Konzert moderieren werden. Wie das geht, schauen sich Besucher am besten selbst zum eintrittsfreien BenefizKonzert an. Es wird um eine Spende zugunsten des Cochlea-Implantat-Zentrums Leipzig gebeten. Die musikalische Gesamtleitung liegt in den Händen von Christiane Bräutigam. Torsten Glas Komponist Ludwig van Beethoven (Dr. Torsten Glas, l.) und der Leipziger Arzt Carl Ludwig (Prof. Michael Fuchs) führen persönlich durch das Konzert am 20. April. Foto: privat Zweites Hörsaalkonzert. Leipziger Ärzteorchester, Mitarbeiter-Projektchor und Medizinerchor Leipzig. Es erklingen Stücke von Beethoven, Beal und Sibelius. 20. April, 19.30 Uhr, Großer Hörsaal im Studienzentrum, Liebigstraße 27, Haus E. Mensch ist Mensch, und Liebe ist Liebe Giorgio Madia Inszenierung von „La cage aux folles“ räumt in der Musikalischen Komödie ab n Dani Maier, einst First Lady der Oper Leipzig, bringt es zur Pause schon auf den Punkt: „Er ist so rührend“, sagt sie, „wie ein trauriges kleines Mädchen“. Ja, das ist Patrick Rohbeck, wie er da als Albin im Straßencafé sitzt und die Welt nicht mehr versteht. Der Sohn seines Lebensgefährten Georges will heiraten, ausgerechnet Anne, die Tochter des politisierenden Moralapostels Dindon. Da passt eine Transe als Schwiegermutter nicht gut aufs Familienfoto. Also soll Albin aus dem Haus. Vorübergehend zwar nur, aber es trifft ihn mitten ins Herz. Die Geschichte kennen wir beinahe alle. Aus dem komischen US-Kino, aus Frankreich mit Michel Serrault als Albin und Ugo Tognazzi als Georges, der in Édouard Molinaros filmischem Meisterwerk von 1978 Renato heißt. Und seit der Premiere von „La cage aux folles“, die Ende März in der gestopft vollen MuKo hemmungs- und rückhaltlos bejubelt wurde, kennen wir sie nun auch als Musical. Na ja: Die Songs von Jerry Hermans Erfolgsstück von 1983 bleiben auf der Strecke. Weil die Eindeutschung von Erika Gesell und Christian Severin den Charme der Musik unbeholfen zwischen hölzernen Reimen verkantet. Dabei hätte man Zeilen wie „I Am What I Am“ gut auch englisch lassen können. Aber so ist es halt in Leipzigs Musikalischer Komödie und im konkreten Falle eigentlich egal. Denn „La cage aux folles“ in Lindenau ist eine fabelhafte Produktion, nicht als Musical, sondern als Boulevard-Komödie mit Tiefgang, mit Botschaft gar. Vor allem, weil Patrick Rohbeck so berührt. Er ist nicht nur Albin, der Kapriziöse, der Sensible. Er ist auch Zaza, die Herrliche, die Exaltierte, der Star von Georges’ Transvestitenkabarett. Wie Rohbeck diese bei- Patrick Rohbeck als Zaza, die Herrliche, mit den Cagelles. den Seelen, ach, in einer Brust ausbalanciert, die glamouröse Rampensau gibt und das verwundete Reh, das allein macht diese Produktion sehenswert. Keinen Millimeter dreht er die Schraube zu weit in Richtung Karikatur. Albin und Zaza, sie bleiben Mensch. Und weil die Würde dieses Menschen in keinem Augenblick in Gefahr ist, darf und kann herzlich gelacht werden über diese natürlich auch saukomische Inszenierung. Auch Milko Milev stattet seinen Georges mit Ernst aus und mit Tiefe. Ein Grandseigneur der Nacht, wenn er auf der Bühne steht, ein liebender Gatte, wenn er mit seinem Albin in besseren Zeiten schwelgt, als beide noch jung waren und die Welt ihnen zu Füßen lag. Ein altes Ehepaar, eine herzerweichende Liebesgeschichte, für die es gleichgültig ist, dass da zwei Männer füreinander da sind. Eigentlich ist in Jean Portes Bühnenstück von 1973, das dem Musical ebenso zu Grunde liegt wie den Filmen, alles bereits gesagt, was heutzutage Foto: Volkmar Heinz in verquaster Gender-Folklore ertränkt wird. Mensch ist Mensch, Liebe ist Liebe. Und wenn ein Mensch oder eine Liebe der Toleranz bedarf, ist schon etwas falsch. Denn jeder Mensch und jede Liebe sollten selbstverständlich sein, nicht tolerabel. Das mag alles ein wenig pathetisch klingen für eine Boulevard-Komödie im MusicalGewand. Aber Giorgio Madia, der auf der dezent puffigen Bühne und in den hinreißenden Kostümen von Cordelia Matthes die Inszenierung besorgte und die Choreografie, hat dieses Stück Theater so subtil auf die Bühne gestellt, so elegant und so sinnlich, dass die Botschaft ankommt. Eben weil er sie nicht mit großen Buchstaben über die Bühne schreibt. Nicht moralisiert, sondern mit leichter Hand unterschiebt. Natürlich kommt auch sein „Käfig“ nicht ohne Tunten-Klischees aus, nicht ohne Transen-Ulk. Doch in diese grellen Farben taucht er nicht die Liebenden, sondern das Show-Personal. Vor allem die grandios überkandidelten „Cagelles“, das hinreißend schräge übertuntete Tanz-Quartett aus Yan Leiva, Luan Donato, Wanderson Wanderley und Roberto Junior lässt er ungezügelt machen, auch Andreas Wolfram als Zofen-Butler Jacob. Jeffery Krueger gibt Sohnemann Jean-Michel als schwärmerischen Pubertanten, der vor Wallung die Gefühle Zazas mit Füßen tritt. Die Frage, warum er das tut, bleibt ungeklärt. Verena Barth-Jurca jedenfalls gibt als zwar vorzüglich tanzende, ansonsten aber vor allem pumpelmuntere Anne keine überzeugende Antwort. Das bigotte Ehepaar Dido schließlich zeichnen Michael Raschle und Angela Mehling als tumbe Bürgerfratzen, und wie Madia die Cagelles und das MuKo-Ballett mit seinen rosa Puscheln durcheinanderwirbelt, bis alle Grenzen verschwimmen, das ist großes Kino. Das ist auch das, was aus dem Graben kommt. Stefan Diederich, der scheidende musikalische Oberleiter des Hauses, geht die Üppigkeit von Hermans filmreif süffiger Partitur mit großer Lässigkeit an. Und je lasziver und schmissiger das Orchester der Musikalischen Komödie in dieser herrlich nostalgischen, wenngleich sehr ökonomisch verbreiterten Musik schwelgt, desto mehr wünschte man sich englische Texte. Denn: Rohbeck und Milev und Krueger und der Chor, sie können noch so gekonnt singen, noch so schön – auf Deutsch rasten sie einfach nicht ein, die sinnlichen Linien Hermans. Der singende Rest versucht meist gar nicht, einen überzeugenden Tonfall zu finden im untauglichen Idiom. Aber diese Inszenierung verliert auf ihrem Umweg über die Lachmuskeln das Herz nie aus dem Blick. Das macht sie groß, macht sie erfolgreich, sorgt am Ende sicher für Bravi, Pfiffe, Getrampel. Peter Korfmacher | LIEBIGSTRASSE AKTUELL