Platz an der Sonne
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Platz an der Sonne
Seite 86 Christophorus 325 Christophorus 325 Seite 87 Platz an der Sonne Golf Spezial Text Werner Rudi Fotografie Georg Wolff In Arizona auf dem heiligen Land der Indianer blüht das Geschäft mit dem Glücksspiel. Überdacht in Casinos, im Freien auf den Golfplätzen. Ein besonders exklusives und außergewöhnliches Vergnügen bereitet das Putten auf dem We-Ko-Pa-Platz – einem Golfparadies mitten in der Wüste. Seite 88 Christophorus 325 Christophorus 325 Seite 89 DieYavapais sind Nachfahren der Apachen. Knapp 1000Yavapais gibt es heute noch, die im Fort-McDowell-Reservat nahe Phoenix leben, einer der am schnellsten wachsenden Metropolen der USA. Stolz sind sie hier im Südwesten der Vereinigten Staaten immer noch, aber natürlich längst keine Krieger mehr. Einem Wettstreit sind sie jedoch nicht abgeneigt, wenn er nach strengen Gesetzen verläuft. In den futuristischen Casinos werden diese vom Staat Arizona vorgegeben, auf den zahlreichen Golfplätzen gilt die internationale Etikette. Dort dauert es 18 Löcher, bis es heißt: Rien ne va plus. Eine sehr gesunde Variante des Glücksspiels, meist auch eine ziemlich spannende. Auf dem Grün ist der Einsatz des Spielers die Ehre. Die gastgebenden Stämme indes haben zunächst kräftig investiert.„Hier sind 700 Morgen Land. Gehe hinaus und baue die schönsten Golf-Löcher, die du kannst.“ Mit diesem Auftrag schickten die Yavapais den Architekten Scott Miller, der viele Jahre bei der Golf-Legende Jack Nicklaus in die Lehre ging, in die Wüste. Dort tat er, wie ihm aufgetragen, und tobte seine wildesten Phantasien aus. In We-Ko-Pa, das übersetzt so viel wie „Vier-Berg-Gipfel“ bedeutet, legte er grüne Teppichstreifen in die Einöde, drapierte Felstürme auf die Fairways und ließ wild konturierte und ondulierte Grüns in Canyons verschwinden. Um die mächtigen Saguaro-Kakteen versenkte er Tonnen von feinkörnigem Sand. Eingerahmt wird die Szenerie von den besagten vier Bergen, die weiße Gipfelmützen tragen. Das Ergebnis: der Cholla-Kurs – 18 Golfbahnen, die ein Schatzkästchen in der Wüste sind. „Ohne jeden Makel der Zivilisation“, urteilt das „Wall Street Journal“, und es dürfte sich bei dieser Einschätzung um ein Kompliment handeln. Die „Washington Post“ registriert ungewohnt andächtig: „Diese Grüns sind beiden heilig – den Indianern und den Golfern.“ Nirgendwo gibt es die sonst üblichen Aus-Grenzen, nirgendwo gibt es ein Haus, nirgendwo Beton, nirgendwo Lärm, man ist umgeben von Stille und so viel Natur pur, dass es den Golfer nicht wundern würde, sähe er einen Häuptling beim Zielen – anstatt mit der Büchse natürlich den Titan-Driver in der Hand. „Da draußen bist nur du und der Golfplatz“, philosophierte ein Spieler ins Gästebuch, „es gibt nichts, was die Ausblicke und die Authentizität des Augenblicks schmälert.“ Von jedem Abschlag sieht man Berge, 360 Grad staunt man in die urgewaltige Natur. Kilometerweit nur Indianer-Romantik, eine Gegend für den, der mit demWolf tanzt. Heute ist es der Tanz mit dem Ball, denn das Areal ist mit kleinen, putzigen Fahnen beflaggt. Herrlich trockene Luft, ein auf minimale Stufe eingestellter Naturfön dauerfächelt einem wohlig warme und trockene Luft entgegen. Wie schön, dass die klebrige Florida-Hitze so weit weg ist. Die Wüste als Paradies – irgendwie ist Golfers Welt ganz schön paradox. Wenige Zentimeter neben dem weichenTeppich nurWüste in ihrer elementaren Form: Steine, Schotter, Gestrüpp, Felsen, Sand, Kakteen. Nichts Mildes, nurWildes. Jenseits der Grünanlagen warnen A Am Fuß der grauen Berge: Golf-Abenteuer auf den „heiligen Grüns“ der Yavapais-Indianer Drei imposante Golfanlagen auf altem Indianer-Land wurden bisher gebaut – neben We-Ko-Pa noch Talking Stick undWhirlwind. Man kann für 389 Dollar (im Sommer für 119 Dollar) im Sheraton Wild Horse Pass Resort & Spa vor den Toren von Phoenix nächtigen und sich auf 36 Löchern und einer pompösen Übungswiese austoben. 175 Millionen Dollar haben die Indianerstämme Pima und Maricopa in das 500 Betten-Hotel samt Golf-Areal, Reitcenter und Spa investiert. Kein x-beliebiger Hotelklotz mit 24-StundenDauer-Smile, sondern der überzeugendeVersuch, indianischeWerte und Traditionen zu pflegen – auf hohem (Preis-) Niveau. Der Eingang ist nach Osten ausgerichtet, wie es die alten Sonnenanbeter gefordert haben. Jede Vase, jede Kommode, jeder Teppich, jede Schale, jeder Schrank wurde vom indianischen Kulturkomitee abgesegnet. Durch das Atrium hallt Flötenmusik, das ganze dunkelrote Resort gleicht einem gigantischen Pueblo. Im Spa wird die „Blaue-Kojoten-Packung“ verabreicht, nach der sich die Welt auftun soll in Klarheit. Nach 90 Minuten in blauem Schlamm und anschließender Spezial-Massage ist alles klar. Wann müssen wir zum ersten Abschlag? Foto: James L. Christy Sich durch dieWildnis zu schlagen, ist allerdings kein billiges Vergnügen: 135 bis 195 Dollar kostet eine Runde Golf in We-Ko-Pa. Die Saison dauert von Oktober bis April, im Sommer ist es in Arizona unerträglich heiß. Wüsten-Golf ist hip, der Boom kennt keine Grenzen, rund um Phoenix grünt es immer mehr – über 200 Plätze konkurrieren schon um die golfende Kundschaft. Indes: nur bei den Native Americans erlebt man wirklich wüstes Golf, alle anderen Kurse werden systematisch zugemauert. Sie folgen alle einem Entwicklungsschema: Zuerst wird ein spektakulärer Kurs in eine pittoreske Gegend geschnitzt, möglichst viele neugierige Golfer werden vom Reiz und der Reklame des neuen Kurses ange- Death Valley Schaltstation: Das Clubhaus fügt sich in die karge Landschaft und wirkt eher wie ein in Stein gemeißeltes riesiges Pueblo Lake Mead Las Vegas Grand Canyon ARIZONA Hoover Dam KALIFORNIEN Humphreys Peak Bakersfield MOJAVE DESERT Flagstaff Lake Havasu City Los Angeles San Bernardino Anaheim Long Beach lockt, schließlich wird die grüne Verführung ganz allmählich bis an die Ränder der Fairways zubetoniert. Statt in derWüste golft man nur noch in einerWüsten-Stadt –was ein gewaltiger Unterschied ist. „Das wird bei uns niemals geschehen“, beteuert Raphael Baer, der Sprecher der Yavapai. Nicht ein einziges Haus soll draußen in der Wildnis entlang den Spielbahnen fremdkörpern. Die Indianer haben ihre Casinos, sie müssen nicht mit Immobilien gambeln. Der Stamm verlangt nur, dass auf dem Golfplatz möglichst viele Indianer beschäftigt werden. Eine Besonderheit haben die Indianer-Resorts exklusiv. Bei ihnen kann rund um die Uhr gespielt werden. Nachts indoor in den Casinos, tagsüber outdoor auf den Golfplätzen. Aktiv-Marketing, wie einer der Casino-Manager schwärmt: „Der Golfplatz wird immer mehr als zusätzliche Attraktion des Casinos genutzt.“ Manche B Spieler behaupten, es sei umgekehrt. Salton Sea El Centro San Diego Tijuana PAZIFISCHER Fort McDowell Reservat Phoenix Scottsdale Gila River Yuma Tucson MEXIKO 0 OZEAN 200 km Golf von Kalifornien Der We-Ko-Pa Golf Club Der Club liegt östlich von Scottsdale und Fountain Hills im USBundesstaat Arizona in unberührter Natur. Den Golfern stehen zwei 18-Loch-Plätze plus dazugehörigem Übungsgelände zur Verfügung. Weitere Informationen und die Möglichkeit zu Reservierungen findet man unter: www.wekopa.com Grafik: RWS Idylle mit Gefahrenzulage: Wer das Fairway verpasst, sollte den Ball lieber vergessen – wer ihn sucht, läuft Gefahr, auf eine Klapperschlange zu treffen Seite 91 er Seit vergangenen Dezember hat die Faszination eine neue Größenordnung: Das We-Ko-Pa-Resort offeriert weitere 18 Löcher, und der neu geschaffene Saguaro-Kurs wurde vom Fachblatt „Golf Magazine“ spontan unter die Top Ten der besten neuen Kurse weltweit gehievt. Ein Fünf-Sterne-Hotel wird folgen, aber es soll so behutsam ins Reservat gefügt werden, dass es weder Natur noch Golfer stört. Mit dem Clubhaus ist der Plan, ein mächtiges Gebäude in der Landschaft verschwinden zu lassen, schon gelungen. Es hat die Ausmaße eines Kleinstadtkrankenhauses, ähnelt aber einem eleganten Maulwurfshügel, flankiert vonTerrassen und offenen Kaminen. Das Gebäude schmiegt sich unscheinbar der Umgebung an. Christophorus 325 Riv immer wieder Schilder vor Klapperschlangen. Einen in dieWüste abgebogenen Ball sollte man besser nicht suchen. Erstens stolpert der Golfer auf der Suche nach seinem liebsten Spielzeug gefährlich durchs ursprüngliche Gelände, und zweitens findet er die weiße Kugel sowieso nur selten. Besser zügig die „Desert Rule“ anwenden: Nach einem Schlag in dieWüste darf der Spieler einen neuen Ball innerhalb von zwei Schlägerlängen von dem Punkt aus fallen lassen, an dem der Ball die Rasengrenze überquert hat. Allerdings muss er einen Strafschlag notieren. Kleiner Insider-Tipp: Genügend Bälle mitnehmen, die Wüste frisst die Bestände schnell auf. Christophorus 325 Colorado Seite 90