Platz an der Sonne

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Platz an der Sonne
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Platz an der Sonne
Golf Spezial
Text
Werner Rudi
Fotografie
Georg Wolff
In Arizona auf dem heiligen Land der Indianer blüht das Geschäft mit dem
Glücksspiel. Überdacht in Casinos, im Freien auf den Golfplätzen. Ein
besonders exklusives und außergewöhnliches Vergnügen bereitet das Putten
auf dem We-Ko-Pa-Platz – einem Golfparadies mitten in der Wüste.
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DieYavapais sind Nachfahren der Apachen. Knapp 1000Yavapais
gibt es heute noch, die im Fort-McDowell-Reservat nahe Phoenix
leben, einer der am schnellsten wachsenden Metropolen der USA.
Stolz sind sie hier im Südwesten der Vereinigten Staaten immer
noch, aber natürlich längst keine Krieger mehr. Einem Wettstreit
sind sie jedoch nicht abgeneigt, wenn er nach strengen Gesetzen
verläuft. In den futuristischen Casinos werden diese vom Staat
Arizona vorgegeben, auf den zahlreichen Golfplätzen gilt die internationale Etikette. Dort dauert es 18 Löcher, bis es heißt: Rien ne
va plus. Eine sehr gesunde Variante des Glücksspiels, meist auch
eine ziemlich spannende.
Auf dem Grün ist der Einsatz des Spielers die Ehre. Die gastgebenden Stämme indes haben zunächst kräftig investiert.„Hier sind 700
Morgen Land. Gehe hinaus und baue die schönsten Golf-Löcher,
die du kannst.“ Mit diesem Auftrag schickten die Yavapais den
Architekten Scott Miller, der viele Jahre bei der Golf-Legende Jack
Nicklaus in die Lehre ging, in die Wüste. Dort tat er, wie ihm aufgetragen, und tobte seine wildesten Phantasien aus. In We-Ko-Pa,
das übersetzt so viel wie „Vier-Berg-Gipfel“ bedeutet, legte er grüne
Teppichstreifen in die Einöde, drapierte Felstürme auf die Fairways und ließ wild konturierte und ondulierte Grüns in Canyons
verschwinden. Um die mächtigen Saguaro-Kakteen versenkte er
Tonnen von feinkörnigem Sand. Eingerahmt wird die Szenerie
von den besagten vier Bergen, die weiße Gipfelmützen tragen. Das
Ergebnis: der Cholla-Kurs – 18 Golfbahnen, die ein Schatzkästchen in der Wüste sind. „Ohne jeden Makel der Zivilisation“, urteilt das „Wall Street Journal“, und es dürfte sich bei dieser Einschätzung um ein Kompliment handeln. Die „Washington Post“
registriert ungewohnt andächtig: „Diese Grüns sind beiden heilig
– den Indianern und den Golfern.“
Nirgendwo gibt es die sonst üblichen Aus-Grenzen, nirgendwo
gibt es ein Haus, nirgendwo Beton, nirgendwo Lärm, man ist
umgeben von Stille und so viel Natur pur, dass es den Golfer nicht
wundern würde, sähe er einen Häuptling beim Zielen – anstatt mit
der Büchse natürlich den Titan-Driver in der Hand. „Da draußen
bist nur du und der Golfplatz“, philosophierte ein Spieler ins Gästebuch, „es gibt nichts, was die Ausblicke und die Authentizität des
Augenblicks schmälert.“
Von jedem Abschlag sieht man Berge, 360 Grad staunt man in die
urgewaltige Natur. Kilometerweit nur Indianer-Romantik, eine
Gegend für den, der mit demWolf tanzt. Heute ist es der Tanz mit
dem Ball, denn das Areal ist mit kleinen, putzigen Fahnen beflaggt.
Herrlich trockene Luft, ein auf minimale Stufe eingestellter Naturfön dauerfächelt einem wohlig warme und trockene Luft entgegen. Wie schön, dass die klebrige Florida-Hitze so weit weg ist.
Die Wüste als Paradies – irgendwie ist Golfers Welt ganz schön
paradox.
Wenige Zentimeter neben dem weichenTeppich nurWüste in ihrer
elementaren Form: Steine, Schotter, Gestrüpp, Felsen, Sand, Kakteen. Nichts Mildes, nurWildes. Jenseits der Grünanlagen warnen A
Am Fuß der grauen Berge: Golf-Abenteuer auf den „heiligen
Grüns“ der Yavapais-Indianer
Drei imposante Golfanlagen auf altem Indianer-Land wurden bisher gebaut – neben We-Ko-Pa noch Talking Stick undWhirlwind.
Man kann für 389 Dollar (im Sommer für 119 Dollar) im Sheraton
Wild Horse Pass Resort & Spa vor den Toren von Phoenix nächtigen und sich auf 36 Löchern und einer pompösen Übungswiese
austoben. 175 Millionen Dollar haben die Indianerstämme Pima
und Maricopa in das 500 Betten-Hotel samt Golf-Areal, Reitcenter
und Spa investiert. Kein x-beliebiger Hotelklotz mit 24-StundenDauer-Smile, sondern der überzeugendeVersuch, indianischeWerte
und Traditionen zu pflegen – auf hohem (Preis-) Niveau. Der Eingang ist nach Osten ausgerichtet, wie es die alten Sonnenanbeter
gefordert haben. Jede Vase, jede Kommode, jeder Teppich, jede
Schale, jeder Schrank wurde vom indianischen Kulturkomitee
abgesegnet. Durch das Atrium hallt Flötenmusik, das ganze dunkelrote Resort gleicht einem gigantischen Pueblo. Im Spa wird die
„Blaue-Kojoten-Packung“ verabreicht, nach der sich die Welt
auftun soll in Klarheit. Nach 90 Minuten in blauem Schlamm
und anschließender Spezial-Massage ist alles klar. Wann müssen
wir zum ersten Abschlag?
Foto: James L. Christy
Sich durch dieWildnis zu schlagen, ist allerdings kein billiges Vergnügen: 135 bis 195 Dollar kostet eine Runde Golf in We-Ko-Pa.
Die Saison dauert von Oktober bis April, im Sommer ist es in Arizona unerträglich heiß. Wüsten-Golf ist hip, der Boom kennt
keine Grenzen, rund um Phoenix grünt es immer mehr – über 200
Plätze konkurrieren schon um die golfende Kundschaft. Indes: nur
bei den Native Americans erlebt man wirklich wüstes Golf, alle
anderen Kurse werden systematisch zugemauert. Sie folgen alle
einem Entwicklungsschema: Zuerst wird ein spektakulärer Kurs
in eine pittoreske Gegend geschnitzt, möglichst viele neugierige
Golfer werden vom Reiz und der Reklame des neuen Kurses ange-
Death
Valley
Schaltstation: Das Clubhaus fügt sich in die karge Landschaft
und wirkt eher wie ein in Stein gemeißeltes riesiges Pueblo
Lake
Mead
Las Vegas
Grand
Canyon
ARIZONA
Hoover Dam
KALIFORNIEN
Humphreys
Peak
Bakersfield
MOJAVE DESERT
Flagstaff
Lake Havasu City
Los Angeles
San Bernardino
Anaheim
Long Beach
lockt, schließlich wird die grüne Verführung ganz allmählich bis an
die Ränder der Fairways zubetoniert. Statt in derWüste golft man
nur noch in einerWüsten-Stadt –was ein gewaltiger Unterschied ist.
„Das wird bei uns niemals geschehen“, beteuert Raphael Baer, der
Sprecher der Yavapai. Nicht ein einziges Haus soll draußen in der
Wildnis entlang den Spielbahnen fremdkörpern. Die Indianer haben
ihre Casinos, sie müssen nicht mit Immobilien gambeln. Der Stamm
verlangt nur, dass auf dem Golfplatz möglichst viele Indianer beschäftigt werden.
Eine Besonderheit haben die Indianer-Resorts exklusiv. Bei ihnen
kann rund um die Uhr gespielt werden. Nachts indoor in den Casinos, tagsüber outdoor auf den Golfplätzen. Aktiv-Marketing, wie
einer der Casino-Manager schwärmt: „Der Golfplatz wird immer
mehr als zusätzliche Attraktion des Casinos genutzt.“ Manche
B
Spieler behaupten, es sei umgekehrt.
Salton Sea
El Centro
San Diego
Tijuana
PAZIFISCHER
Fort McDowell
Reservat
Phoenix
Scottsdale
Gila River
Yuma
Tucson
MEXIKO
0
OZEAN
200 km
Golf von Kalifornien
Der We-Ko-Pa Golf Club
Der Club liegt östlich von Scottsdale und Fountain Hills im USBundesstaat Arizona in unberührter Natur. Den Golfern stehen
zwei 18-Loch-Plätze plus dazugehörigem Übungsgelände zur
Verfügung. Weitere Informationen und die Möglichkeit zu Reservierungen findet man unter:
www.wekopa.com
Grafik: RWS
Idylle mit Gefahrenzulage: Wer das Fairway verpasst, sollte
den Ball lieber vergessen – wer ihn sucht, läuft Gefahr, auf
eine Klapperschlange zu treffen
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er
Seit vergangenen Dezember hat die Faszination eine neue Größenordnung: Das We-Ko-Pa-Resort offeriert weitere 18 Löcher, und
der neu geschaffene Saguaro-Kurs wurde vom Fachblatt „Golf
Magazine“ spontan unter die Top Ten der besten neuen Kurse
weltweit gehievt. Ein Fünf-Sterne-Hotel wird folgen, aber es soll
so behutsam ins Reservat gefügt werden, dass es weder Natur
noch Golfer stört. Mit dem Clubhaus ist der Plan, ein mächtiges
Gebäude in der Landschaft verschwinden zu lassen, schon gelungen. Es hat die Ausmaße eines Kleinstadtkrankenhauses, ähnelt
aber einem eleganten Maulwurfshügel, flankiert vonTerrassen und
offenen Kaminen. Das Gebäude schmiegt sich unscheinbar der
Umgebung an.
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Riv
immer wieder Schilder vor Klapperschlangen. Einen in dieWüste
abgebogenen Ball sollte man besser nicht suchen. Erstens stolpert
der Golfer auf der Suche nach seinem liebsten Spielzeug gefährlich
durchs ursprüngliche Gelände, und zweitens findet er die weiße
Kugel sowieso nur selten. Besser zügig die „Desert Rule“ anwenden: Nach einem Schlag in dieWüste darf der Spieler einen neuen
Ball innerhalb von zwei Schlägerlängen von dem Punkt aus fallen
lassen, an dem der Ball die Rasengrenze überquert hat. Allerdings
muss er einen Strafschlag notieren. Kleiner Insider-Tipp: Genügend Bälle mitnehmen, die Wüste frisst die Bestände schnell auf.
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