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German Television Anstalt des öffentlichen Rechts HA Chefredaktion Fernsehen Abteilung Inland Redaktion REPORT MAINZ Am Fort Gonsenheim 139 55122 Mainz Telefax bitte sofort weiterleiten! Telefon: 06131 / 9293-0 Durchwahl: 06131 / 9293-3351 Telefax: 06131 / 9293-3050 02.11.2015 Presseinformation Die Story im Ersten. Die Akte Zschäpe. Die letzten Rätsel des NSU Montag, 02.11.2015, um 22.45 Uhr im Ersten Schlampige Tatortarbeit beim Polizistenmord in Heilbronn 2007 Binninger und Kriminologe Feltes: Mord von Heilbronn bis heute nicht aufgeklärt Neue Zweifel an der alleinigen Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt Mainz. Ein bislang unbekanntes Tatortvideo und unveröffentlichte Polizeifotos nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen Martin A. am 25. April 2007 in Heilbronn haben massive Kritik an der polizeilichen Tatortarbeit ausgelöst. Prof. Thomas Feltes, Kriminologe an der RuhrUniversität Bochum sagte im Interview für die ARD-Dokumentation „Die Akte Zschäpe. Die letzten Rätsel des NSU“: „Ich will nicht sagen, dass alles falsch gemacht worden ist, was man falsch machen konnte, aber ziemlich viel. Also wenn ich mir die Bilder ansehe, auch wie man sich dort am Tatort unmittelbar nach der Tat bewegt, wie auch die Spurensicherung stattgefunden hat, dann macht das auf mich den Eindruck, dass man wohl total überwältigt war von diesem Ereignis. Und alles das, was man irgendwann mal gelernt hat in der polizeilichen Ausbildung, vergessen hat“. Seite 1 von 4 Video und Fotos zeigen, dass der Tatort viel zu eng abgesperrt war. Augenzeugen berichten, so die gemeinsamen Recherchen der drei ARD-Politikmagazine Fakt, REPORT MAINZ und report München, dass sie sich dem Tatort auf 20-30 Metern nähern konnten. Sowohl der Kriminologe Feltes als auch der ehemalige Obmann der CDU im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU, Clemens Binninger, früher mehr als 20 Jahre im Polizeidienst tätig, halten eine Absperrung von 100 mal 100 Meter für nötig. Außerdem wurde der Tatort zum Meldepunkt für die Polizeikräfte gemacht. Binninger nennt auch das einen Fehler, „weil da natürlich auch Spuren, Fluchtspuren verloren gehen, weil andere darüber laufen. Deshalb wäre hier eine weitere Absperrung, am besten sogar auf 100 Meter, eigentlich das Richtige gewesen.“ Außerdem zeigt das Video, dass der Tatort schon ca. vier Stunden nach dem Mord geräumt und abgespritzt wurde. Kinder spielen direkt neben den blutigen Pfützen. Der Tatort ist damit viel zu früh freigegeben wurden, kritisiert Prof. Feltes. Mehrmals noch mussten Kriminaltechniker hier nachsuchen. Auch an der alleinigen Täterschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gibt es neue Zweifel. Auf die Frage, ob der Mord und der Mordversuch von Heilbronn wirklich aufgeklärt sei, sagte Binninger der ARD: „Nein, das ist er für mich nicht. Ich bin auch nicht der gleichen Meinung wie der Generalbundesanwalt, der ja immer sagt, alle Verbrechen, auch das in Heilbronn, wurden nur von Mundlos und Böhnhardt begangen, die zwei alleine, sonst niemand dabei. Da habe ich meine Zweifel.“ Im laufenden Verfahren zum NSU vor dem OLG in München vertritt die Bundesanwaltschaft die Zwei-Täter-Theorie: Zentrales Beweismittel dafür ist u.a. ein Gutachten über eine Trainingshose, an der winzige Blutspritzer von Michèle Kiesewetter gefunden wurden. In den Hosentaschen steckten zwei Papiertaschentücher mit DNA von Mundlos: “Wenn Sie sehen, dass es benutzte Taschentücher waren, die in einer Hose gesteckt waren, dann lässt das keine vernünftigen Zweifel, dass diese Hose die Hose von Mundlos war.“ sagte Bundesanwalt Herbert Diemer der ARD. Der Kriminologe, Prof. Feltes, und der Rechtsmediziner Prof. Michael Bohnert von der Uni Würzburg halten diese Schlussfolgerung für zu kurz gegriffen, denn Taschentücher könne man von A nach B bewegen: „Wenn man dann wissen will, ob diese Hose von einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt getragen wurde, dann kann man sich Seite 2 von 4 schlecht auf Tempotaschentücher verlassen, die in diesen Hosentaschen gefunden wurden.“, sagte Prof Bohnert. Außerdem musste die Bundesanwaltschaft im Interview mit der ARD einräumen, dass innen in der Trainingshose keine DNA von Mundlos gefunden wurde. Für Clemens Binninger und Prof. Feltes sind die winzigen Blutspuren von Michèle Kiesewetter eher deutliche Hinweise darauf, dass der Träger dieser Hose beim Mord dabei war, aber nicht der Schütze war. Clemens Binninger: „Also muss der Träger dieser Hose zwar nebendran gestanden sein und vielleicht geholfen haben, aber geschossen hat er eher nicht. So lese ich das Gutachten.“ Prof. Feltes kommt zu dem Ergebnis: „Das ist vielleicht jemand gewesen, der in der zweiten Reihe gestanden hat oder möglicherweise dazu gekommen ist.“ Beide sind davon überzeugt, dass diese Trainingshose ein starker Hinweis auf einen dritten Täter liefert. Das deckt sich auch mit Erkenntnissen des LKA Baden-Württemberg vom Sommer 2011, also kurz vor Auffliegen des NSU. Die Akten zeigen, dass man damals davon ausging, dass mindestens drei oder noch mehr Täter am Mord und Mordversuch beteiligt waren. Prof. Feltes kritisiert, dass dies alles keine Rolle im NSU-Verfahren spielt: „Das ist nicht gerechtfertigt. Das kann ich machen bei einem Einbruchsdiebstahl, wo ich weiß, es sind sechs Täter gewesen, ich habe aber nur zwei, die anderen vier kann ich schwer ermitteln. Dann kann ich sagen, ich beschränke es auf die beiden. Aber nicht bei einem solchen Delikt, was sowohl von den Opfern her eine besondere Bedeutung hat als auch vom politischen Hintergrund her, ist das nicht akzeptabel.“ Die ARD-Dokumentation „Die Akte Zschäpe. Die letzten Rätsel des NSU“, ist eine gemeinsame Recherche der Politmagazine FAKT, REPORT MAINZ und report München. Sendedatum ist Montag, der 2. November um 22.45 Uhr in der ARD. Weitere exklusive Informationen finden Sie unter: http://x.swr.de/s/schlampigetatortarbeit Zitate gegen Quellenangabe frei Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion REPORT MAINZ an unter: 06131/929 3 3351 Seite 3 von 4 oder den Autor Ulrich Neumann unter 0173 – 56 15 173 Seite 4 von 4