BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 2085/03

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 2085/03
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2085/03 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der C... GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Eckhard Bremer und
Dr. Wolfram Hertel, in Sozietät
Hogan & Hartson Raue L.L.P.,
Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin -
gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
vom 2. September 2003 - Verg W 3/03 und Verg W 5/03 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 6. Dezember 2006 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.
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G r ü n d e :
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Pflicht zur Vorlage
an den Europäischen Gerichtshof in einem vergaberechtlichen
Nachprüfungsverfahren. Hintergrund ist die Frage, ob Gemeinschaftsrecht die Durchführung eines förmlich-wettbewerblichen
Vergabeverfahrens vor dem Abschluss eines Verkehrsvertrags
über Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs verlangt.
A.
I.
1. Im Frühjahr 2002 nahmen die Länder Brandenburg und Berlin Verhandlungen mit der DB Regio AG, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, über einen langfristigen Verkehrsvertrag für Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs für
den Zeitraum von 2002 bis 2012 auf. Der Vertrag wurde am
19. Dezember 2002 vom Land Brandenburg unterzeichnet; das
Land Berlin hatte ihn jedenfalls bis zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung nicht unterzeichnet. Ein förmliches
Vergabeverfahren war nicht durchgeführt worden. Die Beschwerdeführerin, die zur Connex-Gruppe gehört, die wiederum eine
Tochter des französischen Vivendi-Konzerns ist, leitete daraufhin vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ein.
2. Die Vergabekammer des Landes Brandenburg verwarf den
Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom
10. Februar 2003 (VK 80/02). Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da er nicht die Durchsetzung von Rechten der Beschwerdeführerin in einem Vergabeverfahren nach §§ 97 ff.,
104 Abs. 2 GWB betreffe. Der sachliche Anwendungsbereich des
allgemeinen Vergaberechts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei nicht eröffnet, denn die
Vergabe der den Verhandlungen zwischen dem Land Brandenburg
und der DB Regio AG zu Grunde liegenden Dienstleistungen des
Schienenpersonennahverkehrs sei außerhalb des Vergaberechts
geregelt und richte sich nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zur
Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG).
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Mit inhaltlich identischem Beschluss vom 14. März 2003
(VK 14/03) verwarf die Vergabekammer auch den Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin bezüglich des Landes Berlin.
3. In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht schlug die
Beschwerdeführerin die Vorlage folgender Fragen an den Europäischen Gerichtshof vor:
1. Ist die Richtlinie des Rates vom 18. Juni 1992 über
die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (92/50/EWG), insbesondere deren Art. 3 und 9, dahingehend auszulegen,
dass sie es einem Mitgliedsstaat gestattet, eine
Regelung zu treffen - hier § 15 Abs. 2 AEG -, mit
der die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen der Kategorie 18 des Anhangs I B der
Richtlinie - CPC - Referenznummer 711 "Eisenbahnen" - von der zwingenden Anwendbarkeit der Richtlinie und des nationalen Vergaberechts vollständig
entzogen wird?
2. Ist die Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989
zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und
Bauaufträge (89/665/EWG), insbesondere deren Art. 1
und 2, dahingehend auszulegen, dass sie es einem
Mitgliedsstaat gestattet, eine Regelung zu treffen
- hier § 15 Abs. 2 AEG -, mit der die Vergabe von
Schienenpersonennahverkehrsleistungen der Kategorie 18 des Anhangs I B der Richtlinie des Rates vom
18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren
zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge
(92/50/EWG) - CPC - Referenznummer 711 "Eisenbahnen" - von der zwingenden Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinie und der nationalen Rechtsschutzmöglichkeiten des Vergaberechts vollständig entzogen wird?
3. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom
26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten
bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffverkehrs (zuletzt
geändert durch die Verordnung <EWG> Nr. 1893/91 vom
29. Juni 1991) dahingehend auszulegen, dass sie es
einem Mitgliedstaat gestattet, einen Verkehrsvertrag ohne Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens und ohne Notifizierung der dabei an den
Vertragspartner ausgereichten öffentlichen Mittel
bei der Europäischen Kommission abzuschließen?
4. Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Oberlandesgericht die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen
die Beschlüsse der Vergabekammer zurück (vgl. Brandenburgi-
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sches OLG, NZBau 2003, S. 688 ff.; VergabeR 2003,
S. 654 ff.).
a) Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da jedenfalls
der sachliche Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht eröffnet sei. Es
könne dahinstehen, ob die Leistungen, die Gegenstand der Verträge mit den beiden Bundesländern sein sollten, überhaupt
unter den Wortlaut des § 97 GWB subsumiert werden könnten,
denn die Leistungen unterlägen ausschließlich der speziellen
Regelung der § 15 Abs. 2 AEG in Verbindung mit § 4 RegG. Sowohl nach der bis zum 30. November 2002 als auch nach der ab
dem 1. Dezember 2002 nach In-Kraft-Treten des § 4 Abs. 3 VgV
geltenden Rechtslage könnten gemeinwirtschaftliche Leistungen
des Schienenpersonennahverkehrs außerhalb formell-wettbewerblicher Vergabeverfahren beauftragt werden.
In dem Zeitraum bis zum 30. November 2002, in dem die Aufnahme ernsthafter Vertragsverhandlungen zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen (der DB Regio AG) erfolgt sei
und in dem deshalb eine etwa vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung hätte erfolgen müssen, habe eine Ausschreibungspflicht nicht bestanden. Es habe dem Aufgabenträger vielmehr
freigestanden, nach pflichtgemäßem Ermessen öffentlich auszuschreiben oder ohne formellrechtliches Vergabeverfahren die
Leistungen frei mit Eisenbahnverkehrsunternehmen zu vereinbaren. Ein solcher gesetzgeberischer Wille ergebe sich durch
Auslegung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des Vergaberechtsänderungsgesetzes im Lichte gemeinschaftsrechtlicher
Vorschriften, die dem speziellen Charakter der gemeinwirtschaftlichen Leistungen im Schienenverkehr hätten Rechnung
tragen wollen.
Nach dem Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs sei die Sicherstellung einer ausreichenden
Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, zu
deren Erfüllung gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen nach
Maßgabe der Verordnung 1191/69/EWG mit einem Verkehrsunternehmen vertraglich vereinbart oder diesem auferlegt werden
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könnten. Die korrespondierende Regelung hierzu habe § 15
Abs. 2 AEG getroffen. Das dort formulierte Dispositionsrecht
habe dem Auftraggeber erlaubt, sich ohne vergaberechtliche
Bindung einen Vertragspartner auszuwählen oder aber diesen
Partner in einem formell-wettbewerblichen Verfahren zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei der
Begriff "können" (diese Leistungen ausschreiben) in § 15
Abs. 2 AEG als Synonym für "können förmlich-wettbewerbliche
Vergabeverfahren durchführen" zu verstehen, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeige. Eine solche Entscheidung sei dem Gesetzgeber ohne weiteres möglich gewesen, da zu
diesem Zeitpunkt gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für wettbewerbliche Vergabeverfahren betreffend Leistungen des Schienenpersonenverkehrs gefehlt hätten und insbesondere die Verordnung 1191/69/EWG derartige Vorgaben nicht geschaffen habe.
Auch durch das am 2. September 1998 verkündete Vergaberechtsänderungsgesetz seien die Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs nicht der Vergabepflicht unterworfen worden; es habe
allein die SPNV-Leistungen nicht umfassenden
EG-Vergaberichtlinien umsetzen sollen.
Die materiellen Vergaberichtlinien hätten damals SPNVLeistungen nicht erfasst und täten dies auch heute nicht.
Auch die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG postuliere
nicht die Verpflichtung einer öffentlichen Ausschreibung in
diesem Bereich. Sie teile die möglichen Dienstleistungsaufträge in zwei Gruppen auf, in diejenigen der Anhänge I A und
I B. Aufträge für diejenigen Dienstleistungen, für die sich
bisher noch kein umfassender grenzüberschreitender Markt habe bilden können, nämlich solche des Anhangs I B, hätten
noch nicht den strengen Vergabeanforderungen unterliegen
sollen, sondern flexibel vergeben werden können. Für diese
Dienstleistungsaufträge habe nur ein Beobachtungsinstrument
geschaffen werden sollen. Dienstleistungen des Anhangs I B,
zu denen Eisenbahnen zählten (Kategorie 18), müssten unter
Beachtung der Art. 14 und 16 der Richtlinie beauftragt werden, also unter Einhaltung der Bestimmung technischer Spezifikationen und unter Bekanntmachung der Ergebnisse des Auftragsverfahrens. Die Einhaltung eines förmlich-wettbewerblichen Vergabeverfahrens werde nicht vorgeschrieben. Aller-
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dings müsse das sich aus den Vorgaben des EG-Vertrages ergebende allgemeine Diskriminierungsverbot von Dienstleistern
gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie berücksichtigt werden. Dies erfordere jedoch nicht zwingend die
Durchführung von Vergabeverfahren. Dass die volle Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie für Aufträge im Sinne des
Anhangs I B noch suspendiert sei, habe der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 14. November 2002 (Fall "Felix
Swoboda", vgl. EuGH, NZBau 2003, S. 52 ff.) bestätigt.
Dass der deutsche Gesetzgeber bei Schaffung des Vergaberechtsänderungsgesetzes in sinnvoller Weise und in Einklang
mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechtsgebers für die
Beibehaltung des Sonderrechtsregimes des § 15 Abs. 2 AEG optiert habe, zeige sich nicht zuletzt an einem Vorschlag der
EG-Kommission vom 21. Februar 2003, der zu einer Ersetzung
der Verordnung 1191/69/EWG führen solle. Dieser Vorschlag
zeige, dass die Kommission nicht davon ausgehe, dass der Abschluss von Verkehrsverträgen über gemeinwirtschaftliche
Leistungen zwingend den Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliege.
Auch in dem Zeitraum ab dem 1. Dezember 2002, also zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 19. Dezember 2002, seien
die Vorschriften über öffentliche Vergabeverfahren auf die
Beauftragung von SPNV-Leistungen nicht zwingend anwendbar.
Das den Aufgabenträgern in § 15 Abs. 2 AEG eingeräumte Ermessen bestehe fort. Der mit Wirkung zum 1. Dezember 2002 geschaffene § 4 Abs. 3 VgV habe nicht zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf gemeinwirtschaftliche Schienenverkehrsleistungen führen können. Dies scheide
bereits aus rechtstechnischen Gründen aus, da eine Erweiterung des vergaberechtlichen Regelungsbereichs nur durch den
formellen Gesetzgeber habe erfolgen können; es hätte also einer Änderung der Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und/oder des Allgemeinen Eisenbahngesetzes bedurft. Der neue § 4 Abs. 3 VgV könne also rechtskonform nur
dahin ausgelegt werden, dass ein sich zur Ausschreibung entschließender Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs
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den Vergaberechtsvorschriften einschließlich des § 4 Abs. 3
VgV unterliege. Diese Vorschrift stelle ersichtlich eine Reaktion des Verordnungsgebers auf den Beschluss der Vergabekammer Magdeburg vom 6. Juni 2003 dar, welche von einer generellen Vergabepflichtigkeit der SPNV-Leistungen ausgegangen
sei.
b) Eine Vorlage der von der Beschwerdeführerin formulierten Fragen an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234
Abs. 3 EGV komme nicht in Betracht. Ein Klärungsbedarf für
gemeinschaftsrechtliche Fragen, die eine Vorlage rechtfertigen könnten, bestehe nicht. Das EU-Gemeinschaftsrecht verlange derzeit nicht die Beauftragung von gemeinwirtschaftlichen
Dienstleistungen des Schienenpersonennahverkehrs im Wege formell-wettbewerblicher Vergabeverfahren; demnach sei § 15
Abs. 2 AEG mit europäischem Vergaberecht vereinbar. Die Frage, ob der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts über europarechtliche Vergabeverfahren habe hinausgehen wollen und dürfen, könne nicht
den Europäischen Gerichtshof beschäftigen.
Die Vorlagefrage Nr. 1 sei unzutreffend formuliert. § 15
Abs. 2 AEG entziehe die Vergabe von SPNV-Leistungen nicht der
Richtlinie 92/50/EWG und dem zu deren Umsetzung ergangenen
nationalen Recht. Die Richtlinie verlange für Dienstleistungsaufträge des Anhangs I B) und damit auch für die Kategorie Eisenbahn gerade nicht die Durchführung wettbewerblicher
Vergabeverfahren, was der Europäische Gerichtshof in dem oben
zitierten Urteil ausdrücklich entschieden habe. Die unter
Nr. 2 formulierte Frage sei für die Entscheidung des Falles
unerheblich. Durch die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG würden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, in Vergabeverfahren eine Überprüfung von Verstößen gegen das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht oder die nationalen Umsetzungsvorschriften zu ermöglichen. Die streitgegenständlichen
SPNV-Leistungen unterfielen aber gerade nicht dem
EG-Vergaberecht oder dem nationalen Umsetzungsrecht. Daher
könne keine Rede davon sein, dass § 15 Abs. 2 AEG die Vergabe
von SPNV-Leistungen der Rechtsmittellinie und den national
vergaberechtlichen Schutzmöglichkeiten entziehen wolle. Auch
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die Frage Nr. 3 sei nicht vorlagebedürftig, da der formulierte Klärungsbedarf im Vergabenachprüfungsverfahren nicht bestehe. Ob für die im Verkehrsvertrag vorgesehenen Ausgleichszahlungen beihilferechtliche Vorschriften des EG-Vertrages
einzuhalten seien, könne nicht Gegenstand einer vergaberechtlichen Nachprüfung sein.
c) Der Verfahrenswert der Beschwerde belaufe sich gemäß
§ 12 a GKG auf insgesamt 31.311.993,00 €. Grundsätzlich
betrage der Verfahrenswert in Beschwerdesachen gegen Entscheidungen der Vergabekammer 5% der "Auftragssumme". In einem Nachprüfungsverfahren bezüglich einer de-facto-Vergabe
fehle es an einer solchen geprüften Auftragssumme. Deshalb
sei zunächst auf den geschätzten Wert der Leistungen zurückzugreifen, die der Auftraggeber außerhalb eines Vergabeverfahrens zu beauftragen beabsichtige; dieser lasse sich hier
aus dem Verkehrsvertrag errechnen. Im Beschwerdeverfahren bei
einer de-facto-Vergabe könne dieser Wert aber nur dann uneingeschränkt als Auftragssumme im Sinne des § 12 a GKG dienen,
wenn die Begehr des Antragstellers darauf gerichtet sei, innerhalb eines (anzuordnenden) Vergabeverfahrens eine Zuschlagschance auf den vollen Auftragswert erlangen zu können.
Ziele ein Nachprüfungsantrag auf eine de-facto-Vergabe mit
der formulierten Begehr, einen Teil (Los) des gesamten Auftragsvolumens für sich in Anspruch nehmen zu können, sei bei
Bemessung der erstrebten Auftragssumme auf dieses Interesse
des Antragstellers abzustellen. Hier sei das Interesse der
Beschwerdeführerin auf 20 % der vertragsgegenständlichen Verkehrsleistungen in dem gesamten Vertragszeitraum zu bemessen.
Mit dem Nachprüfungsantrag habe die Beschwerdeführerin eine
Vergabe in Losen angestrengt und zur Begründung vorgetragen,
sie sei auf Grund sachlicher und personeller Ausstattung in
der Lage, einen Teil der von dem Verkehrsvertrag vom
19. Dezember 2002 umfassten Leistungen selbst zu erbringen,
den sie mit 20 % beziffert habe.
5. Mit einem weiteren – mit der Verfassungsbeschwerde
nicht angegriffenen - Beschluss vom 13. Januar 2004 wies das
Oberlandesgericht die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen
die Verfahrenswertfestsetzung zurück. Diese sei nicht statt-
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haft, da der Senat als Rechtsmittelgericht die Wertfestsetzung vorgenommen habe. Die gleichwohl durchgeführte Überprüfung von Amts wegen führe nicht zu einer abändernden Entscheidung.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei § 12 a
Abs. 2 GKG die maßgebliche Vorschrift. Welche Verfahrensvorschriften im Einzelnen anzuwenden seien, bestimme sich nach
dem von der Antragstellerin eingeleiteten formellen Verfahren. Die Beschwerdeführerin habe sich gegen die Entscheidung
der Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren mit der beim Vergabesenat eingelegten Beschwerde gewandt. In diesem Verfahren
(§ 116 GWB) bestimme § 12 a Abs. 2 GKG den Verfahrenswert auf
5 % der Auftragssumme. Rechtlich unerheblich sei, ob die Beschwerde zum Erfolg führe bzw. der Nachprüfungsantrag seitens
des Vergabesenats letztlich für zulässig erachtet werde. Bei
der Bemessung der Auftragssumme im Sinne von § 12 a Abs. 2
GKG sei die volle Laufzeit des von den Auftraggebern beabsichtigten Vertrages zu Grunde zu legen. Die von der Beschwerdeführerin angegriffene de-facto-Vergabe betreffe einen
Vertrag mit zehnjähriger Laufzeit. Eine analoge Anwendung von
§ 3 Abs. 3 Satz 3 VgV, wonach bei Verträgen mit unbefristeter
oder nicht absehbarer Laufzeit eine Multiplikation des monatlichen Entgelts mit 48 (Monaten) zu erfolgen habe, komme
nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin habe eine Vergabe
der Leistung in Losen begehrt und nach Erörterung der Wertfrage in der mündlichen Verhandlung ihr wirtschaftliches Interesse am Gesamtvolumen des Vertrags mit 20 % beziffert. Ihrem Vortrag sei jedoch nicht zu entnehmen, dass sie gegen die
von den Auftraggebern beabsichtigte zehnjährige Laufzeit des
Vertrages habe opponieren wollen bzw. eine kürzere Laufzeit
gewünscht habe. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführerin
bei Einlegung der Beschwerde das konkrete Volumen des zehnjährigen SPNV-Vertrags nicht bekannt gewesen sei bzw. sie zunächst von dem von der Vergabekammer veranschlagten Gesamtwert von 1,9 Milliarden Euro ausgegangen sei, könne nicht zur
Herabsetzung des Werts führen. Zwar sei es richtig, dass auf
Grund der Besonderheiten des Nachprüfungsverfahrens, wie des
beschränkten Rechts auf Akteneinsicht (§ 111 GWB) und der
Beiladungsmöglichkeit (§ 109 GWB), die Beschwerdeführerin
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sich insbesondere bei de-facto-Vergaben einem beträchtlichen
Kostenrisiko aussetze. Bei Einlegung der Beschwerde habe die
Beschwerdeführerin allerdings von einem höheren Verfahrenswert, nämlich 5 % von 1,9 Milliarden Euro, ausgehen müssen,
da sie zunächst eine Vergabe in Losen angestrebt habe, ohne
deutlich zu machen, dass die gewünschte Teilhabe am Vertragsvolumen sich auf einen eingeschränkten Umfang von 20 % belaufe.
Außerdem sei hier davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin unabhängig von den zu erwartenden Verfahrenskosten
das Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat auf jeden Fall
habe durchführen wollen. Ihr sei es letztlich darum gegangen,
in einer Art Musterprozess das gesamte System der Beauftragung von SPNV-Leistungen mittels der Gerichte in Deutschland
neu "ordnen" zu lassen und Teilhabe an diesem Markt zu erreichen. Hätte die Beschwerdeführerin obsiegt, wäre der ihr daraus erwachsende Vorteil nahezu unschätzbar. Der festgesetzte
Verfahrenswert stehe daher nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Die sich aus der Wertfestsetzung ergebenden
Gebühren überstiegen auch nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin.
II.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin
die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2, 19
Abs. 4 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3
und schließlich Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG.
Das Oberlandesgericht sei gemäß Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag
verpflichtet gewesen, die Frage dem Europäischen Gerichtshof
vorzulegen, ob aus EG-Recht, insbesondere aus der Dienstleistungsrichtlinie (RL 92/50/EWG) und der Rechtsmittellinie
(RL 89/665/EWG), eine Pflicht zur Vergabe von SPNV-Dienstleistungen im Wege eines transparenten Ausschreibungsverfahrens folge. Die Frage, ob das EG-Recht eine Ausschreibungspflicht fordere, sei für das Gericht entscheidungserheblich
gewesen. Es habe die Auffassung vertreten, nach deutschem
Recht bestehe keine Pflicht, Dienstleistungen des Schienen-
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personennahverkehrs im Wege eines transparenten Ausschreibungsverfahrens zu vergeben. In der Konsequenz seiner Auffassung habe das Gericht die Beschwerde nur zurückweisen können,
wenn auch aus EG-rechtlichen Vorgaben keine andere rechtliche
Beurteilung folge. Dennoch habe es eine Vorlagepflicht verneint. Das Gericht habe seine Pflicht zur Vorlage auch nicht
auf die von der Beschwerdeführerin formulierten drei Fragen
beschränken dürfen und schon gar nicht die Vorlagepflicht mit
der Begründung verneinen dürfen, die Fragen seien unzutreffend formuliert worden.
Das Oberlandesgericht habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Beachtung der Vorlagepflicht durch letztinstanzliche Gerichte in zweifacher Hinsicht verletzt: Zum einen habe
es die für den Ausgang des Nachprüfungsverfahrens entscheidungserhebliche Frage, ob die EU-Vergaberichtlinien auf SPNVLeistungen anwendbar seien, überhaupt nicht geprüft. Anstatt
die Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie und der
Rechtsmittelrichtlinie auf Beschaffungsvorgänge im Schienenpersonennahverkehr zu prüfen, sei das Gericht pauschal der
These eines angeblich in der Verordnung 1191/69/EWG angelegten "Sonderrechtsregimes" gefolgt, das das EU-Vergaberecht
verdränge. Zum anderen sei die von dem Oberlandesgericht
nicht geprüfte, sondern vorausgesetzte Auslegung der EUVergaberichtlinien offenkundig rechtsfehlerhaft. In der Entscheidungspraxis der Vergabekammern und Gerichte sei es ganz
herrschende Meinung, dass auch die Vergabe von Eisenbahnverkehrsleistungen in den Anwendungsbereich der europäischen
Vergaberichtlinien falle und somit auch nach deutschem Recht
nicht von den darin statuierten Grundprinzipien ausgenommen
werden dürfe. Dies sei - mit Ausnahme der brandenburgischen
Vergabekammer und des Oberlandesgerichts - von keiner der
bisher damit befassten Vergabekammern und keinem Oberlandesgericht ernsthaft in Frage gestellt worden. Auch in der Fachliteratur herrsche in dieser Frage Einigkeit; nur der Prozessvertreter der DB Regio AG habe sich in der Literatur gegenteilig geäußert. Schließlich habe auch die Bundesregierung
durch die Neuregelung in § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu erkennen gegeben, dass nach ihrer Auffassung die grundsätzliche Frage
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der Anwendbarkeit des Vergaberechts auf SPNV-Leistungen eindeutig beantwortet sei.
Der angegriffene Beschluss verletze hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung ferner die Rechte der Beschwerdeführerin aus der Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und die
allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerin in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Justizgewährleistungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 3 GG. Die angegriffene Entscheidung sei mit den
in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen über die Festsetzung von Gerichtskosten
und Streitwerten nicht vereinbar, weil sie den Wert des Beschwerdeverfahrens anhand des Gesamtvolumens und der gesamten
Vertragsdauer des Verkehrsvertrags, den die Beschwerdeführerin vor Erhebung der Beschwerde nicht gekannt habe, auf über
31 Millionen Euro festsetze. Das Gericht habe diesen Streitwert insbesondere entgegen § 12 a Abs. 2 GKG in Verbindung
mit § 3 Abs. 3 VgV nicht nach einer maximalen Dauer von 48
Monaten eines in einem fiktiven Vergabeverfahren vergebenden
Dienstleistungsauftrags mit noch ungewisser Laufzeit bemessen. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei eine Schätzung
eines fiktiven Auftragswerts nach § 3 Abs. 3 VgV vorzunehmen.
Hier könne daher nicht die zehnjährige Laufzeit des Verkehrsvertrags, an dessen Abschluss die Beschwerdeführerin nicht
beteiligt gewesen sei und den sie so nie abgeschlossen hätte,
in Ansatz gebracht werden.
Des Weiteren sei durch die Bemessung des Streitwerts nach
dem Gesamtvolumen des Verkehrsvertrags der allgemeine Gleichheitssatz als Grundsatz der Chancengleichheit bei der Rechtsschutzgewährung und der verhältnismäßigen Kostengleichheit
verletzt. Das Oberlandesgericht habe keinerlei Rücksicht auf
das von der Beschwerdeführerin mit dem Nachprüfungsantrag oder der Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse genommen. Sie habe mit den Ländern Brandenburg und Berlin keinen
exklusiven Verkehrsvertrag für eine Laufzeit von 2002 bis
2012 abgeschlossen und beabsichtige dies auch nicht, sondern
habe lediglich ein Interesse an einer Ausschreibung der
SPNV-Leistungen in diesen Ländern in Teillosen, um die sie
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sich von Fall zu Fall bewerben wolle. Die Festsetzung des
Streitwerts sei auch willkürlich. Der angegriffene Beschluss
verstoße gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut des § 12 a
Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 VgV.
Schließlich hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen,
dass sie sich an die EG-Kommission gewandt habe; diese halte
die Direktvergabe des Verkehrsvertrags ohne öffentliche Ausschreibung für gemeinschaftsrechtswidrig und habe deshalb ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik
Deutschland eingeleitet. Inzwischen orientierten sich "zahlreiche" deutsche Bundesländer und öffentliche Aufgabenträger
bei der wettbewerbslosen Vergabe von Verkehrsverträgen in
Milliardenhöhe an dem angegriffenen Beschluss, ohne dass sicher sei, ob diese Verträge einer Prüfung am Maßstab des geltenden Gemeinschaftsrechts Stand hielten.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Länder Berlin
und Brandenburg, die DB Regio AG, das Bundeskartellamt, der
Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geäußert. Ferner
hatten die Bundesregierung, der Bundestag, der Bundesrat, die
Gewerkschaft TRANSNET, die "Allianz pro Schiene" sowie der
Verband deutscher Verkehrsunternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Das Land Berlin hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Gemeinschaftsrechtlich sei eine
Ausschreibung der Verkehrsleistungen zwar zulässig, aber
nicht geboten. Allerdings müsse ein willkürfreies Auswahlverfahren gewährleistet sein. Dies zu klären, sei aber Aufgabe
der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nicht nachvollziehbar sei die
behauptete Verletzung der Rechtsweggarantie durch die Festsetzung des Verfahrenswerts im Beschwerdeverfahren. Das Oberlandesgericht habe § 12 a GKG restriktiv zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausgelegt und nicht, was durchaus vertretbar
gewesen wäre, darauf abgestellt, dass sich der Angriff der
Beschwerdeführerin auf den gesamten Vertrag erstreckt habe.
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2. Das Land Brandenburg führt aus, das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter sei durch die Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht verletzt. Nach
europäischem Recht bestehe keine Ausschreibungspflicht für
Eisenbahndienstleistungen. Den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung und Anwendung des Art. 234 EGV durch die Instanzgerichte sei hier erst recht Genüge getan. Von einer unverständlichen oder unhaltbaren Handhabung dieser Norm durch das
Oberlandesgericht könne nicht die Rede sein. So habe das Gericht Inhalt und Ausmaß der aus Art. 234 EGV folgenden Vorlagepflicht im Einzelnen erkannt, sich ein umfassendes Bild von
den anwendbaren europarechtlichen Bestimmungen und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gemacht und sei in nachvollziehbarer Weise zu der Einschätzung
gelangt, dass ein eine Vorlage rechtfertigender Klärungsbedarf nicht bestehe. Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin habe das Gericht eine Vorlage ersichtlich auch nicht von
der Formulierung ihrer Vorlagefragen abhängig gemacht. Soweit
es sich auf die Formulierung bezogen habe, sei dies nur erfolgt, um klarzustellen, dass sich aus Sicht des Gerichts die
Frage in der formulierten Art überhaupt nicht stelle. Durch
die Streitwertfestsetzung seien weder der Justizgewährleistungsanspruch noch andere Grundrechte verletzt worden.
3. Die DB Regio AG, die Beigeladene des Ausgangsverfahrens, hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Eine Vorlagepflicht nach Art. 234 EGV habe nicht bestanden. Das Gericht habe die maßgeblichen Bestimmungen des
Sekundärrechts zutreffend dahin ausgelegt, dass diese eine
Ausschreibungspflicht nicht begründet hätten. Erst recht falle dem Oberlandesgericht keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG zur Last. Für den dafür erforderlichen willkürlichen Verstoß gegen die Vorlagepflicht könne die Beschwerdeführerin keinen Anhaltspunkt nennen. Insbesondere seien nicht
Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des
Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen
Meinung eindeutig vorzuziehen gewesen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, in der Entscheidungspraxis der Vergabekammern und Gerichte sowie in der Fachliteratur sei es ganz
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herrschende Meinung, auch die Vergabe von Eisenbahnverkehrsleistungen in den Anwendungsbereich der europäischen Vergaberichtlinien fallen zu lassen, sei unzutreffend und werde
durch die von der Beschwerdeführerin bezeichneten Entscheidungen und Literaturstellen nicht bestätigt. Vielmehr gehe es
dort durchweg um Fragen der Auslegung des nationalen Vergaberechts, nicht jedoch um die Auslegung der hier maßgeblichen
europarechtlichen Bestimmungen. Schließlich seien auch die
Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung verfassungsrechtlich unbedenklich.
4. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag führt aus,
nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssten
bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zumindest die
Grundprinzipien des Wettbewerbs, der Transparenz und der
Nichtdiskriminierung beachtet werden. Wende man diese Grundsätze auf die Vergabe von SPNV-Leistungen an, so müsse zumindest ein vergabeähnliches Verfahren der Beauftragung vorausgehen. Ferner sei die fiktive Berechnung der Kostengrundlage
durch das Oberlandesgericht nicht schlüssig. Auch bei SPNVLeistungen gelte der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen
Vergabe. Daher hätten bei einem ordnungsgemäßen förmlichen
Vergabeverfahren die Länder prüfen müssen, inwieweit eine
losweise Vergabe möglich gewesen wäre. Dieser Aspekt hätte
neben § 3 VgV zu einer Reduzierung des Streitwerts führen
können. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, den Gesamtvertragswert zu Grunde zu legen.
5. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für begründet. Gemäß Art. 3
Abs. 2 der Richtlinie 92/50/EWG bestehe eine Verpflichtung
des Auftraggebers, dafür zu sorgen, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfinde. Damit müsse
grundsätzlich auch in diesem Bereich ein formstrenges Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden. Überdies ergebe
sich die Pflicht zur Einhaltung des Wettbewerbsprinzips und
der Grundsätze von Nichtdiskriminierung und Transparenz bei
einer Fremdvergabe auch aus den Grundsätzen des EG-Primärrechts, insbesondere Art. 43 EG. Der Beschwerdeführerin sei
auch darin beizupflichten, dass der Grundsatz der nachträgli-
- 16 -
chen Streitwertfestsetzung im Nachprüfungsverfahren dann zu
einem nicht kalkulierbaren Kostenrisiko für den Antragsteller
werden könne, wenn Gegenstand eine de-facto-Vergabe sei, über
deren nähere Umstände er in der Regel gar keine oder vollkommen unzureichende Informationen habe.
6. Das Bundeskartellamt vertritt die Auffassung, bereits
de lege lata sei von einer gesetzlichen Ausschreibungspflicht
auszugehen. In der Praxis bestehe gleichwohl eine erhebliche
Unsicherheit darüber, ob eine solche gesetzliche Ausschreibungspflicht derzeit bestehe oder nicht.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93 a Abs. 2
BVerfGG) nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat
keine Aussicht auf Erfolg.
I.
Insbesondere verletzt die angegriffene Entscheidung die
Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen
Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im
Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug
des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht
seiner Pflicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im
Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nachkommt (vgl.
BVerfGE 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <194 ff.>; stRspr). Das
Bundesverfassungsgericht wird durch die grundrechtsähnliche
Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch nicht zu
einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen
Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet vielmehr
die Auslegung und Anwendung von Verfahrensnormen nur, wenn
sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; BVerfG,
1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 10. Mai 2001
- 17 -
- 1 BvR 481/01 und 1 BvR 518/01 -, NVwZ 2001, S. 1148 <1149>;
1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 14. Juli 2006
- 2 BvR 264/06 -, EuGRZ 2006, S. 477 <478>). Allein dieser
- durch Fallgruppenbildung verfeinerte – Willkürmaßstab (vgl.
BVerfGE 75, 223 <245>) entspricht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 82, 159 <195>).
Die Vorlagepflicht wird danach insbesondere in den Fällen
offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung
zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen
Beantwortung der Frage hat – grundsätzliche Verkennung der
Vorlagepflicht – (vgl. BVerfGE 82, 159 <195>). Gleiches gilt
in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt
- bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft – (vgl. BVerfGE 75, 223
<245>; 82, 159 <195>).
Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet
oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit
- Unvollständigkeit der Rechtsprechung -, so wird Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche
Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage
des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen
Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159
<195 f.>; BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom
9. Juni 2004 - 2 BvR 1248/03 u.a.-, NVwZ 2005, S. 572
<574 f.>; 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 9. Januar
- 18 -
2001 - 1 BvR 1036/99 -, NJW 2001, S. 1267 <1268>; 1. Kammer
des Ersten Senats, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 1 BvR 481/01
und 1 BvR 518/01 -, NVwZ 2001, S. 1148 <1149>). Zu verneinen
ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die gemeinschaftsrechtliche Rechtsfrage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat (vgl. BVerfGK 4, 116 <118 f.>).
2. Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Entscheidung, von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof abzusehen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das
Oberlandesgericht hat die Vorlagepflicht an den Europäischen
Gerichtshof nicht in unhaltbarer Weise gehandhabt.
Das Gericht hat weder seine Vorlagepflicht grundsätzlich
verkannt noch ist es bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen. In Betracht kommt nur ein
Fall der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht vor
Abschluss eines Verkehrsvertrags über SPNV-Leistungen die
Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens, wie es in
Deutschland in den §§ 97 ff. GWB geregelt ist, verlangt, hat
der Europäische Gerichtshof bislang nicht entschieden. Mit
seiner Entscheidung, die Frage, ob gemeinschaftsrechtlich die
Anwendung der Vorschriften des im Vierten Teil des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelten Vergaberechts auf
einen Verkehrsvertrag über Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs geboten ist, nicht dem Europäischen Gerichtshof
zur Vorabentscheidung vorzulegen, hat das Oberlandesgericht
seinen Beurteilungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise
überschritten.
a) Das Oberlandesgericht hatte das einschlägige deutsche
Recht, nämlich entweder das Allgemeine Eisenbahngesetz oder
die vergaberechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden. Dabei hatte es zunächst zu
klären, ob die Vorschriften des Vierten Teils dieses Gesetzes
als jüngere oder aber die des § 15 Abs. 2 AEG in Verbindung
mit § 4 RegG als speziellere Regelung als vorrangig anzusehen
sind. Mit dieser Frage hat sich das Gericht eingehend – auch
- 19 -
unter Heranziehung der gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen
des deutschen Rechts – auseinander gesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, die eisenbahnrechtliche Vorschrift genieße
als speziellere Norm Vorrang vor den allgemeineren Bestimmungen des Vergaberechts. Der Begriff "können ausschreiben" in
§ 15 Abs. 2 AEG sei als Synonym für "können förmlichwettbewerbliche Vergabeverfahren durchführen" zu verstehen.
Diese fachgerichtlichen Feststellungen betreffen allein die
Auslegung und Anwendung einfachen Rechts und sind damit einer
Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich
nicht zugänglich. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob
spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist, etwa im Hinblick
auf Verstöße gegen das Willkürverbot. Eine solche Rüge hat
die Beschwerdeführerin indes nicht erhoben; es bestehen auch
keinerlei Anhaltspunkte für eine Willkürentscheidung.
b) Die danach allein entscheidungserhebliche europarechtliche Frage, ob Gemeinschaftsrecht die Durchführung eines
formell-wettbewerblichen Vergabeverfahrens nach den Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor Abschluss eines Verkehrsvertrags über SPNVLeistungen gebietet und damit dem Vorrang des § 15 Abs. 2 AEG
entgegen steht, hat das Oberlandesgericht in ebenfalls vertretbarer Weise beantwortet. Keinesfalls ist die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht gegenüber derjenigen des Gerichts eindeutig vorzugswürdig.
aa) Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung nachvollziehbar begründet. Es hat sich hinsichtlich des europäischen
Rechts hinreichend kundig gemacht, die seine Entscheidung
tragenden Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise dargelegt
(vgl. zu diesen Maßstäben BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 14. Juli 2006 - 2 BvR 264/06 -, EuGRZ
2006, S. 477 <478>) und seinen Beurteilungsspielraum nicht
überschritten.
(1) Das Fachgericht hat sich eingehend mit der im Ausgangsverfahren strittigen Frage auseinander gesetzt, ob sich
aus der Verordnung 1191/69/EWG in der Fassung der Verordnung
1893/91/EWG oder den Richtlinien 92/50/EWG (so genannte
- 20 -
Dienstleistungsrichtlinie) und 89/665/EWG (so genannte
Rechtsmittelrichtlinie) eine Pflicht zur Anwendung der Vorschriften des Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff.GWB auf den
Vertrag über die SPNV-Leistungen ergibt. Dabei hat es neben
der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigt als auch
einen seinerzeit aktuellen Reformvorschlag der EG-Kommission
in seine Überlegungen einbezogen.
(a) Hinsichtlich der Verordnung 1191/69/EWG hat das Oberlandesgericht festgestellt, sie enthalte lediglich beihilferechtliche Regelungen, jedoch keine Vorschriften über die Art
und Weise des Zustandekommens eines Verkehrsvertrags. Damit
vertritt das Gericht entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin insofern dieselbe Auffassung wie diese. Dementsprechend leitet es aus der Verordnung auch keineswegs die Ermächtigung möglicher Auftraggeber ab, einen Auftrag über
SPNV-Leistungen ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens zu erteilen. Die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführerin geht ins Leere.
(b) Gut vertretbar ist auch die Auffassung des Oberlandesgerichts, aus der Richtlinie 92/50/EWG habe sich ebenfalls
nicht die Pflicht ergeben, ein förmliches Vergabeverfahren
bei der Vereinbarung eines Verkehrsvertrags über SPNVLeistungen durchzuführen.
Die Richtlinie differenziert zwischen Aufträgen nach Anhang I A und Aufträgen nach Anhang I B. Während gemäß Art. 8
für die erstgenannten Aufträge die Vergabe nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI der Richtlinie zu erfolgen hat, werden gemäß Art. 9 Aufträge, deren Gegenstand
Dienstleistungen des Anhangs I B sind, "gemäß den Artikeln 14
und 16 vergeben". Art. 14 betrifft die "technischen Spezifikationen", die in dem Auftrag enthalten sein müssen, Art. 16
ordnet die Bekanntmachung der Ergebnisse des Vergabeverfahrens gegenüber dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der
Europäischen Gemeinschaften an. Demgegenüber sind bei der
Vergabe von Dienstleistungsaufträgen des Anhangs I A gemäß
Art. 11 Abs. 1 "die in Art. 1 Buchstaben d), e) und f) ge-
- 21 -
nannten Verfahren in einer an diese Richtlinie angepassten
Form anzuwenden". Bei diesen Verfahren handelt es sich um
"offene", "nicht offene" und "Verhandlungsverfahren". Art. 12
regelt Einzelheiten der Vorgehensweise im Vergabeverfahren,
Art. 13 betrifft Wettbewerbsverfahren. Der in der Richtlinie
niedergelegte Katalog von Vergabearten findet sich in § 101
GWB wieder. Vergaben nach diesem Katalog sind einem Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff. GWB zugänglich, wie es die Beschwerdeführerin in Gestalt des Ausgangsverfahrens eingeleitet hat. Die detaillierten Vergabeverfahrensregeln der
Art. 11 ff. der Richtlinie sind danach auf die streitgegenständlichen SPNV-Leistungen, bei denen es sich um Dienstleistungen des Sektors "Eisenbahnen" im Sinne der Kategorie 18
des Anhangs I B handelt, nicht anwendbar. Die Bestimmungen
der Art. 14 und 16 sind hier ohne Bedeutung.
Möglicher Anknüpfungspunkt für die Forderung der Beschwerdeführerin nach Durchführung eines (förmlichen) Vergabeverfahrens bleibt allein Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie; nach dieser Bestimmung sorgen die Auftraggeber dafür, "dass keine
Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet".
Seinen Schluss, daraus ergebe sich jedenfalls nicht zwingend,
dass ein förmlich-wettbewerbliches Vergabeverfahren durchzuführen sei, hat das Oberlandesgericht nachvollziehbar mit den
differenzierten Vorschriften über die "Zweistufige Anwendung"
(so die Überschrift des Abschnitts II der Richtlinie) begründet, die kaum verständlich wären, wenn auf Grund der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 bei Aufträgen nach Anhang I B
letztlich dieselben - förmlichen - Vergabeverfahrensarten zur
Anwendung kommen müssten wie bei den Aufträgen nach Anhang I A.
(c) Ebenso ist die Ansicht des Oberlandesgerichts mindestens vertretbar, dass sich die Verpflichtung zur Durchführung
eines förmlichen Vergabeverfahrens auch nicht aus der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren
im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge
ableiten lasse. Die Rechtsmittelrichtlinie dient ihrem Namen
wie ihrem Inhalt nach der Koordinierung der Vorschriften über
- 22 -
das Nachprüfungsverfahren bezüglich der in Art. 1 Abs. 1 genannten materiellen Vergaberichtlinien. Eine Nachprüfung im
Wege des in der Rechtsmittelrichtlinie geregelten Verfahrens
kommt nur dann in Betracht, wenn der betreffende Vertrag in
den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fällt. Dies jedoch
ist nach der nachvollziehbar begründeten und damit vertretbaren Auffassung des Oberlandesgerichts hier nur in eingeschränktem Umfang der Fall (vgl. <b>).
Auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, das Oberlandesgericht sei auf Grund der Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie verpflichtet gewesen, die Direktvergabe der SPNVLeistungen im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze
der Gleichbehandlung und der Transparenz vergaberechtlich zu
prüfen, ändert daran nichts. Das Ausgangsverfahren war als
vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren von der Beschwerdeführerin mit dem Ziel eingeleitet worden, die Länder Berlin
und Brandenburg zur Durchführung eines Vergabeverfahrens nach
den Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu verpflichten, bei dem die Vergabe der
SPNV-Leistungen in Losen erfolgen sollte. Ein solches kartellrechtliches Vergabeverfahren wäre gemäß § 107 Abs. 2
Satz 1 in Verbindung mit § 97 Abs. 7 GWB nur in Betracht gekommen, wenn die Bestimmungen der §§ 97 ff. GWB auf den
streitgegenständlichen Verkehrsvertrag anwendbar waren. Wenn,
wie das Fachgericht in für das Bundesverfassungsgericht nicht
überprüfbarer Weise festgestellt hat, der Vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wegen des Vorrangs des
§ 15 Abs. 2 AEG insgesamt nicht einschlägig ist, besteht kein
Anspruch der Beschwerdeführerin auf Durchführung eines Vergabeverfahrens nach diesen Vorschriften. Vergabeverfahren, die
eine rechtliche Grundlage außerhalb des Kartellvergaberechts
haben, führen nicht zu einem Vergabeverfahren im Sinne der
§§ 97 ff. GWB (vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, GWB,
3. Aufl. 2001, § 97 Rn. 16). Ob die Beschwerdeführerin die
vermeintlichen Verstöße gegen vergaberechtliche Grundsätze in
einem zivilrechtlichen oder in einem verwaltungsrechtlichen
Verfahren erfolgreich hätte rügen können, kann hier offen
bleiben. Das Bundesverfassungsgericht hat ebenso wenig wie
das Oberlandesgericht zu entscheiden, ob die Länder bei der
- 23 -
Anbahnung des Verkehrsvertrags gegen Grundsätze des europäischen Vergaberechts verstoßen haben; deren Verletzung kann
nicht in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden.
(2) Für ihre der Ansicht des Fachgerichts entgegenstehende
Auffassung kann die Beschwerdeführerin sich auch nicht auf
eine herrschende oder auch nur überwiegende Meinung berufen.
Vielmehr neigte und neigt die ganz überwiegende Meinung der
Ansicht des Oberlandesgerichts zu.
(a) Der angegriffene Beschluss stellt die erste und bislang einzige gerichtliche Entscheidung dar, bei der es auf
die Frage des Bestehens einer europarechtlichen Pflicht zur
Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens ankam. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf hat zwar in einem obiter dictum
gegen einen Vorrang des § 15 Abs. 2 AEG gegenüber den Bestimmungen des Kartellvergaberechts "ernsthafte Bedenken" geäußert, die Frage, ob Europarecht die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens erfordere, jedoch nicht einmal berührt (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2002, S. 634 <635>; vgl.
auch OLG Düsseldorf, NZBau 2005, S. 239 <240>). Das Oberlandesgericht Koblenz wiederum hat offen gelassen, ob nach deutschem Recht eine Verpflichtung zur Ausschreibung von SPNVLeistungen bestehe, hinsichtlich des europarechtlichen Rahmens jedoch festgestellt, das geltende europäische Eisenbahnrecht enthalte keine Vorschriften über das zum Abschluss eines Verkehrsvertrags führende Verfahren (vgl. OLG Koblenz,
NZBau 2002, S. 699 <702 f.>).
(b) Die Spruchpraxis der Vergabekammern lässt keine überwiegende Meinung erkennen. So hat zwar die Vergabekammer beim
Regierungspräsidium Magdeburg (Beschluss vom 6. Juni 2002
- 33-32571/07 VK 05/02 MD -) die Anwendbarkeit des Vergaberechts bejaht und in diesem Zusammenhang, wenn auch kurz, europarechtliche Bezüge genannt. Der diese Ansicht ebenfalls
vertretende Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf (Beschluss vom 18. April 2002 - VK 5/2002-L)
wurde aufgehoben (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2002,
S. 634 ff.). Dagegen hatte die von der Beschwerdeführerin e-
- 24 -
benfalls für ihre Auffassung in Anspruch genommene Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 30. April 2002
- VK 6/02 -) über diese Frage nicht zu entscheiden, weil in
dem fraglichen Fall – wie auch im Fall der Vergabekammer Düsseldorf - ein Vergabeverfahren durchgeführt worden war. Die
Vergabekammer des Landes Brandenburg hat dagegen in den dem
angegriffenen Beschluss vorausgegangenen Entscheidungen denselben europarechtlichen Standpunkt eingenommen wie das Oberlandesgericht.
(c) Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete herrschende Meinung in der Fachliteratur existiert hinsichtlich
der europarechtlichen Frage, auf die allein es hier ankommt,
nicht. Ohnehin befassen sich die einschlägigen Stellungnahmen
ganz überwiegend mit der nur deutsches Recht betreffenden
Frage des Vorrangs von § 15 Abs. 2 AEG oder §§ 97 ff. GWB.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin wurde, soweit ersichtlich,
vor Erlass der angegriffenen Entscheidung in der Literatur
überhaupt nicht vertreten. Dass einige der Autoren – entgegen
der Ansicht des Oberlandesgerichts - die Anwendbarkeit des
deutschen Vergaberechts in Fällen wie dem vorliegenden mit
einem Vorrang des deutschen Vergaberechts vor dem deutschen
Eisenbahnrecht begründen, ist für die Frage einer möglichen
Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht maßgebend.
So stellen Schaaffkamp/Bayer (WiVerw 2001, S. 148 ff.)
fest, das Gemeinschaftsrecht gebe kein formelles Vergabeverfahren vor und habe die "genaue Ausgestaltung eines transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahrens den nationalen
Regelungen überlassen"; die Anwendbarkeit des deutschen Vergaberechts folgern die Autoren aus deutschen Vorschriften
(a.a.O., S. 165). Auch Theobald/Kafka (NZBau 2002, S. 603
<605>) nehmen zwar die Anwendbarkeit des Vergaberechts an,
begründen dies jedoch in erster Linie mit dem Vorrang der
Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber § 15 Abs. 2 AEG, ohne sich jedoch argumentativ mit
europarechtlichen Grundlagen auseinander zu setzen. Ebenso
vertreten Schaffner/Köhler/Glowienka (VergabeR 2003,
S. 281 ff.) zwar die Anwendbarkeit des deutschen Vergabe-
- 25 -
rechts, sprechen die europarechtlichen Grundlagen aber nicht
einmal an. Trautner/Dittmar (VergabeR 2002, S. 343 ff.) referieren lediglich die Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf vom 18. April 2002 ohne eigene Stellungnahme. Köhler
(NZBau 2003, S. 31 ff.) befasst sich mit einer Neuregelung
der Vergabeverordnung, nicht jedoch mit europarechtlichen
Vorgaben für das aktuelle Vergaberecht. Eine weitere von der
Beschwerdeführerin für ihre Auffassung in Anspruch genommene
Stellungnahme vertritt sogar ausdrücklich die Gegenauffassung: Die Bestimmungen über das Vergabeverfahren gälten für
Eisenbahnenverkehre nicht, die europäischen Vergaberichtlinien sähen überhaupt keine Regelung für diese Art von Dienstleistungen vor (vgl. Otting, DVBl 2003, S. 1023 <1026>). Auch
Werner/Köster (NVwZ 2003, S. 572 f.) legen dar, aus Art. 9
Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I B der Dienstleistungsrichtlinie ergebe sich, dass die Länder bei der Vergabe von Aufträgen im Schienenpersonennahverkehr nur die Art. 14 und 16
der Dienstleistungsrichtlinie beachten müssten (a.a.O.,
S. 573). Ebenfalls die Auffassung des Oberlandesgerichts vertreten Prieß (NZBau 2002, S. 539 ff.), Prieß/Pukall (VergabeR
2003, S. 11 <17>), Ronellenfitsch (VerwArch 2001,
S. 293 ff.), Mietzsch (ZG 2002, S. 59 <62>) sowie Bayer/Manka
(Der Nahverkehr 3/1998, S. 8 <11>). Berschin (Diss. jur.
2000, S. 256) hält die Einhaltung "des Vergabeverfahrens"
trotz der bloßen Anwendbarkeit der Art. 14 und 16 der Richtlinie 92/50/EWG für "angebracht", also wohl nicht für rechtlich zwingend. Berschin/Baumeister (Der Nahverkehr 5/98,
S. 88 f.), die annehmen, die Vergaberichtlinien hätten die
europaweite Ausschreibung nicht eingeführt, stellen fest, die
Dienstleistungsrichtlinie könne "auch für Bereiche, für die
sie nicht vollständig gilt, als wichtige Konkretisierungshilfe … herangezogen werden"; ob damit die Verpflichtung zur
Durchführung förmlicher Vergabeverfahren in solchen Fällen
gemeint sein soll, erscheint jedenfalls zweifelhaft.
Auch nach Bekanntwerden der angegriffenen Entscheidung hat
sich im Übrigen keine herrschende Meinung gebildet, die die
Auffassung der Beschwerdeführerin teilt. Vielmehr haben sich
eine Reihe von Autoren - teils trotz geäußerter Kritik an der
Auffassung des Gerichts hinsichtlich des Vorrangs des Allge-
- 26 -
meinen Eisenbahngesetzes gegenüber dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - der hier allein interessierenden europarechtlichen Einschätzung des Oberlandesgerichts angeschlossen (vgl. Pietzcker, NZBau 2003, S. 661 <662>; Thieme/Schlüter, NVwZ 2004, S. 162 <162>; Zirbes, Vergaberecht
2004, S. 133 <137>; Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger,
Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz, 2004, § 15 Rn. 2;
sowie Gommlich/Wittig/Schimanek, NZBau 2006, S. 473 <476,
480, vgl. aber 478>; Gerstner, in: Hermes/Sellner <Hrsg.>,
Beck'scher AEG-Kommentar, 2006, § 15 Rn. 8 ff. <22>). In anderen nach Erlass der angegriffenen Entscheidung erschienenen
Beiträgen wird die Frage offen gelassen oder die Entscheidung
unkommentiert referiert (vgl. etwa Baumeister/Klinger, NZBau
2005, S. 601 <606 Fn. 50>; Winnes, NZV 2005, S. 180 ff.;
Sellmann, NVwZ 2004, S. 51 <52> mit Fn 18; Byok, NJW 2004,
S. 198 <201>; Schaffner/Köhler, Der Nahverkehr 12/2003,
S. 35 ff.). Ausdrückliche Kritik an der europarechtlichen
Einschätzung des Oberlandesgerichts findet sich lediglich in
den Entscheidungsbesprechungen von Griem/Klinger (TranspR
2004, S. 206 <207 ff.>) sowie Bremer/Wünschmann (WiVerw 2004,
S. 51 <58 ff.>).
bb) Keine Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidung können die erst nach dem
Ergehen des angegriffenen Beschlusses abgegebenen Äußerungen
der EG-Kommission in ihren an die Bundesregierung gerichteten
Schreiben vom 18. Februar und 13. Oktober 2004 haben, in denen Zweifel an der europarechtlichen Einschätzung des Oberlandesgerichts deutlich werden. Das Bundesverfassungsgericht
hat bereits entschieden, dass dann, wenn ein letztinstanzliches Gericht keine Kenntnis von einer möglicherweise entgegenstehenden Auffassung der Kommission haben konnte, deren
nachträgliches Bekanntwerden einen Verstoß des Gerichts gegen
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht begründen kann (vgl. BVerfGE
82, 159 <197>). Das Oberlandesgericht konnte die Auffassung
der EG-Kommission bei der Abfassung seiner Entscheidung nicht
kennen und daher auch nicht berücksichtigen. Dasselbe gilt
für nach dem angegriffenen Beschluss ergangene Entscheidungen
des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesgerichtshofs,
auf die die Beschwerdeführerin hingewiesen hat.
- 27 -
c) Bei der von dem Oberlandesgericht untersuchten Rechtsfrage handelt es sich um die einzige entscheidungserhebliche
Frage des Europarechts, die sich im Ausgangsverfahren gestellt hat. Die von der Beschwerdeführerin dort zur Vorlage
an den Europäischen Gerichtshof vorgeschlagenen Fragen hat
das Gericht im Übrigen zu Recht als "unzutreffend formuliert"
bezeichnet, da sie wertende Unterstellungen hinsichtlich einer angeblichen Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts enthalten, welche dieses jedoch ausweislich der angegriffenen
Entscheidung nicht vertritt.
So ist das Oberlandesgericht hinsichtlich der Richtlinie
92/50/EWG keineswegs der Ansicht, diese finde auf die Auftragsvergabe hinsichtlich SPNV-Leistungen keine Anwendung.
Vielmehr hat sich das Gericht eingehend mit dem Regelwerk der
Richtlinie befasst und erörtert, welche Einzelvorschriften
der Richtlinie auf den streitgegenständlichen Vertrag anwendbar sind. Das Gericht hat auch nicht die Richtlinie
89/665/EWG dahingehend ausgelegt, dass sie es einem Mitgliedsstaat gestatte, eine Regelung zu treffen, mit der die
Vergabe von SPNV-Dienstleistungsaufträgen "der zwingenden Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinie und der nationalen
Rechtsschutzmöglichkeiten vollständig entzogen" werde, sondern den Anwendungsbereich der Richtlinie untersucht und
festgestellt, dass dieser den Verkehrsvertrag nicht erfasse.
Hinsichtlich der Verordnung 1191/69/EWG hat das Oberlandesgericht ebenfalls nicht die ihm von der Beschwerdeführerin unterstellte Ansicht vertreten, sondern in Übereinstimmung mit
der Auffassung der Beschwerdeführerin hervorgehoben, dass die
Verordnung überhaupt keine Aussagen über das bei einer Auftragserteilung von SPNV-Leistungen einzuhaltende Verfahren
enthalte.
II.
Auch durch die Festsetzung des Verfahrenswerts werden
Grundrechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt.
- 28 -
1. Die Wertfestsetzung verstößt nicht gegen den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG beziehungsweise
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Aus dem Rechtsstaatsprinzip ist die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten (vgl. BVerfGE
54, 277 <291>; 80, 103 <107>). Der Justizgewährleistungsanspruch schließt eine gesetzliche Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zu den Gerichten allerdings nicht aus. Insbesondere darf der Gesetzgeber für die
Inanspruchnahme der Gerichte Gebühren erheben (vgl. BVerfGE
10, 264 <268>; 80, 103 <106 f.>) und ist dabei nicht gehindert, neben der Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen und
bei den Gebührenmaßstäben auch den Wert der staatlichen Leistung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 20, 257 <270>; 50, 217
<226 und 230 f.>). Danach ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Höhe der Gerichtsgebühren
in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten überwiegend an den
Streit- oder Geschäftswert knüpft; dieser kann – im Rahmen
zulässiger Pauschalisierung – als Anhaltspunkt für den Wert
der staatlichen Leistung angesehen werden (vgl. BVerfGE 85,
337 <346>). Allerdings dürfen gesetzliche Vorschriften, die
den Zugang zu den Gerichten ausgestalten, diesen weder tatsächlich unmöglich machen noch in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl.
BVerfGE 10, 264 <267 f.>; 74, 228 <234>). Gebührenregelungen
dürfen sich deshalb nicht so auswirken, dass der Rechtsschutz
von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängt (vgl.
BVerfGE 50, 217 <231>). Ferner ist zu berücksichtigen, dass
sich die Beschreitung des Rechtswegs auch dann als praktisch
unmöglich darstellen kann, wenn das Kostenrisiko zu dem mit
dem Verfahren angestrebten wirtschaftlichen Erfolg derart außer Verhältnis steht, dass die Anrufung der Gerichte nicht
mehr sinnvoll erscheint (vgl. BVerfGE 85, 337 <347>).
b) Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Entscheidung
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht zu
erkennen, dass das Oberlandesgericht den Verfahrenswert unangemessen hoch festgesetzt hat. Insbesondere hat das Gericht
das subjektive Interesse der Beschwerdeführerin an der Ent-
- 29 -
scheidung bei der Wertfestsetzung berücksichtigt. Bei einer
Wertbemessung nach den Grundsätzen, die das Oberlandesgericht
angewandt hat, sieht sich der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens bei einer de-facto-Vergabe entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinem unkalkulierbaren Kostenrisiko gegenüber, da sich der Verfahrenswert nicht nach
der - vor der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens unkalkulierbaren - Höhe des gesamten Vertragswerts richtet, sondern
nach dem von dem Antragsteller selbst angegebenen Anteil.
Das Gericht hat zwar die von der Beschwerdeführerin verlangte Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 3 VgV, die bei
unbefristeten Verträgen oder bei nicht absehbarer Vertragsdauer den Vertragswert aus der monatlichen Zahlung, multipliziert mit 48, folgen lässt, abgelehnt und statt dessen bei
der Bemessung der Auftragssumme im Sinne von § 12 a Abs. 2
GKG die volle Laufzeit des von den Auftraggebern beabsichtigten Vertrages zugrunde gelegt. Es hat jedoch festgehalten,
dass dann, wenn es an einer geprüften Auftragssumme im Sinne
des § 12 a Abs. 2 GKG fehle, wie es bei einer de-factoVergabe regelmäßig der Fall sein werde, für die Wertberechnung zwar einerseits der geschätzte Wert der Leistungen
zugrunde zu legen sei, die der Auftraggeber außerhalb eines
Vergabeverfahrens zu beauftragen beabsichtige, andererseits
aber die von der Beschwerdeführerin verfolgte Begehr, wie sie
im Beschwerdeverfahren zum Ausdruck komme, wertbestimmend
sei. Dementsprechend hat es den von der Beschwerdeführerin
selbst bezeichneten Anteil von 20 % der vertragsgegenständlichen SPNV-Leistungen als Wert des wirtschaftlichen Interesses
der Beschwerdeführerin angesehen und den Verfahrenswert in
dieser Höhe festgesetzt.
Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Angemessenheit des Verfahrenswerts sind verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden. Dass es der Beschwerdeführerin darum gegangen
sei, in einer Art Musterprozess das gesamte System der Beauftragung von SPNV-Leistungen in Deutschland mittels der Gerichte neu "ordnen" zu lassen, um Teilhabe an diesem Markt zu
erreichen, wird von ihr nicht in Abrede gestellt. Gegen die
Annahme, der der Beschwerdeführerin im Falle des Obsiegens
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erwachsende Vorteil hätte einen nahezu unschätzbaren Wert gehabt, weshalb der festgesetzte Wert nicht außer Verhältnis
zur Bedeutung der Sache stehe, sind Bedenken nicht zu erheben. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass das
Verfahren auch für die Vergabe von SPNV-Leistungen in anderen
Bundesländern von großer Bedeutung sei, weil diese sich bereits auf die angegriffene Entscheidung berufen hätten. Ebenso wenig begegnet die Feststellung des Oberlandesgerichts
verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich aus der Wertfestsetzung ergebenden Gebühren überstiegen nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich – nach ihren eigenen Angaben
im Ausgangsverfahren - um eine Tochtergesellschaft eines
französischen Konzerns, der im Geschäftsjahr 2001 einen Konzernumsatz von 29,1 Milliarden € hatte und 300.000 Mitarbeiter beschäftigte. Dass die Beschwerdeführerin als Teil eines
solchen Weltkonzerns mit erheblichen finanziellen Ressourcen
nicht in der Lage sein könnte, die sich aus dem festgesetzten
Verfahrenswert von 31.311.993 € ergebenden Kosten zu tragen,
ist nicht vorstellbar und wird von ihr auch nicht behauptet.
2. Auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG hat
das Oberlandesgericht durch die Verfahrenswertfestsetzung
nicht verstoßen. Nicht jeder Fehler bei der Anwendung einfachen Rechts stellt auch einen Verstoß gegen das Willkürverbot
dar. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Fehler bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken
nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl.
BVerfGE 4, 1 <7>; 80, 48 <51>; 81, 132 <137>; stRspr). Von
Willkür kann hingegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und
seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt
(vgl. BVerfGE 87, 273 <279>). Hier ist schon kein einfachrechtlicher Rechtsanwendungsfehler zu erkennen. Überdies hat
sich das Oberlandesgericht sorgfältig mit der Interessenlage
gerade auch der Beschwerdeführerin befasst und sich an dem
von ihr selbst angegebenen wirtschaftlichen Interesse orientiert. Dass es die Vorschrift des § 3 Abs. 3 VgV in dem angegriffenen Beschluss nicht erwähnt hat, macht den Beschluss
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ebenfalls nicht willkürlich. Der Erwähnung dieser - ihrem
Wortlaut nach hier nicht anwendbaren - Norm bedurfte es
nicht, weil das Gericht eine den grundrechtlich geschützten
Belangen der Beschwerdeführerin gerecht werdende Lösung auf
der Grundlage anderer Vorschriften gefunden hat.
3. Der Beschluss verstößt auch nicht gegen den Grundsatz
der Chancengleichheit bei der Rechtsschutzgewährung. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Oberlandesgericht, wie dargestellt, sehr wohl Rücksicht auf das von der
Beschwerdeführerin mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte wirtschaftliche Interesse genommen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem