21 Februar 2014

Transcrição

21 Februar 2014
NR. 18, 21. FEBRUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Die
Gegner
Messi und Neymar in doppelter Mission
DÄNEMARK
DAS WUNDER VON
GÖTEBORG
BLATTER
EIN PLÄDOYER FÜR
DEN VIDEOBEWEIS
KAREMBEU
VON DER INSEL AUF
DEN FUSSBALLTHRON
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
I N H A LT
6
Messi und Neymar: Freund und Feind
Bisher überstrahlte der Argentinier Lionel Messi in Barcelona alle –
und vertrieb selbst Ausnahmekönner wie Ibrahimovic, Villa oder
Eto’o aus dem Fussballparadies. Seit dieser Saison muss er die
Aufmerksamkeit mit dem Brasilianer Neymar teilen. Obwohl das
Duo bisher in nur 30 Prozent aller absolvierten Spielminuten
gemeinsam auf dem Platz stand, geht die Rechnung auf. Doch
­spätestens bei der WM ist die argentinisch-brasilianische Interessen­
gemeinschaft aufgehoben. Dann kämpfen Neymar und Messi im
Nationaltrikot gegeneinander.
17
Südamerikanischer Glamour in Malaysia
Der Argentinier Pablo Aimar gilt in Malaysia als Vorbild für die
einheimischen Fussballer. Richtig glücklich ist der 34-Jährige in
Südostasien nicht, auch wenn seine Taten im Trikot von Johor Darul
Ta’zim eine andere Sprache sprechen.
19
WM 2014: Kampf gegen Doping und Hitze
Die Endrunde in Brasilien erfordert auch medizinisch ausserordentliche Vorkehrungen. Dies betrifft unter anderem die Dopingkontrollen,
aber auch Massnahmen gegen die Hitze. Zusätzliche Pausen und
der Einsatz von Erfrischungstüchern könnten gestattet werden.
23
latter: Die grosse Video-Debatte
B
Wie weit soll der Videobeweis in die Regelauslegung einfliessen?
FIFA-Präsident Blatter vertritt eine klare Meinung: Bei gravierenden
Verstössen gegen den Fair-Play-Gedanken müssen die Disziplinar­
organe nach dem Spiel auf offensichtliche Fehlentscheidungen
zurückkommen können – auch bei Schwalben und Zeitschinden.
Schiedsrichter
Sepp Blatter plädiert für
den Videobeweis
Das Wunder von Dänemark
Mit dem Gewinn des EM-Titels gelang Dänemark 1992 eine der
grössten Überraschungen in der Fussballgeschichte. Im Zentrum
des Triumphs stand der kürzlich verstorbene Trainer Richard Möller
Nielsen. Ein Rückblick auf ein Fussball-Märchen und ein Nachruf auf
eine grosse Persönlichkeit.
29
eekly Top 11: Die besten Spieler aus dem Kosovo
W
Der kosovarische Fussball-Verband sitzt im Wartezimmer des
Weltfussballs. The FIFA Weekly sagt, welche Spieler für eine mögliche Nationalmannschaft in Frage kämen.
30
ucien Favre glaubt nicht an Brasilien
L
Lucien Favre, bester Trainer der Bundesliga-Vorrunde, erzählt im
The-FIFA-Weekly-Interview von seinen Zukunftsplänen, erklärt,
wie Deutschland ihn verändert hat, und sagt, warum die Seleção
die WM nicht gewinnen wird.
37
C hristian Karembeu: “Ich bin ein Kind der Insel”
Mit 17 Jahren nahm Karembeu eine Reise von 2
­ 0 000 km auf
sich und legte in Frankreich beim FC Nantes den Grundstein für
eine grosse Karriere. Der Welt- und Europameister hat dennoch
nie vergessen, wo seine Wurzeln sind.
2
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
Prof. Jiri Dvorak
Neue WM-Massnahmen
gegen Hitze und Doping
U-17 Frauen-Weltmeisterschaft
15. März bis 4. April 2014, Costa Rica
T H E F I FA W E E K LY
Blue Stars/FIFA Youth Cup
28. bis 29. Mai 2014, Zürich
Cover: David Ramos / Getty Images
24
Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa
53 Mitglieder
www.uefa.com
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
Richard Möller Nielsen
Ein genialer Trainer geht
Lucien Favre
Im Interview
Die Gegner
Beim Klubspiel des FC
Barcelona gegen Sevilla
am 14. September 2013
umarmt der Brasilianer
Neymar seinen argentinischen Teamkollegen
Lionel Messi nach dessen
Treffer. Bei der WM im
Juni riskieren die
südamerikanischen
Superstars, zu Widersachern im Nationaltrikot
zu werden.
Pablo Aimar
Vorbild mit Heimweh
Christian Karembeu
Im Herzen in der Heimat
geblieben
Getty Images, Foto-Net, Keystone
Volker Finke
Hoffnungsträger
in Kamerun
Fussball-Weltmeisterschaft
12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien
U-20 Frauen-Weltmeisterschaft
5. bis 24. August 2014, Kanada
T H E F I FA W E E K LY
Olympische Jugendfussball­
turniere
15. bis 27. August 2014, Nanjing
FIFA Klub-Weltmeisterschaft
10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
3
EVERY GASP
EVERY SCREAM
EVERY ROAR
EVERY DIVE
EVERY BALL
E V E RY PAS S
EVERY CHANCE
EVERY STRIKE
E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L
SHALL BE SEEN
SHALL BE HEARD
S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
UNCOVERED
Wie Pelé und Maradona
Tango-Samba Messi und Neymar verzaubern in Barcelona die Fans. Im Juni wird die gemeinsame Mission vorübergehend eingestellt.
Thomas Renggli
David Ramos / Getty Images
J
ohn Lennon und Paul McCartney, Stan
Laurel und Oliver Hardy, Magic J
­ ohnson
und Michael Jordan. Das Zusammenspiel von Ausnahmetalenten schafft
den Stoff für Legenden. Doch eins und
eins macht nicht zwangsläufig zwei. Die
Summe von herausragenden Individualisten
ist nicht immer ein Dreamteam – schon gar
nicht im Fussball.
Der FC Barcelona hält von solchen Bedenken wenig und stellt seinem argentinischen
Ballzauberer Lionel Messi dessen brasilianisches Äquivalent Neymar zur Seite. Die Fussballwelt blickt gespannt auf Camp Nou. Ist die
Steigerung des Superlatives tatsächlich möglich? Oder verglüht Himmelstürmer Neymar
neben Superstar Messi – wie zuvor andere, die
als potentielle Traumpartner nicht aus der
hauseigenen Talentschmiede La Masia stammten? Wird Neymar zum Messi-Opfer – wie vor
ihm Ibrahimovic, Eto’o oder David Villa? Eine
Momentaufnahme spricht für den Erfolg der
katalanischen Zusammenführung der brasilianisch-argentinischen Fussballkunst. Messi und
Neymar funktionieren auf Klubebene im Rennen um alle wichtigen Titel.
Bis zum nächsten Mai will das kongeniale
Duo den europäischen Fussball aufmischen. Im
Juni muss die Liaison der Ballvirtuosen pausieren: Dann heisst es anlässlich der Weltmeisterschaft in Brasilien nicht Neymar mit Messi –
sondern Neymar gegen Messi. Brasilien gegen
Argentinien.
Veranstalter Brasilien geht als grosser
­Favorit ins Turnier. Alles andere als der Titelgewinn wäre für die Seleção eine nationale
Tragödie. Der 22-jährige Neymar steht vor
­
­seiner persönlichen WM-Premiere unter höchstem Druck. Auch Messi ist gefordert. Mit 26
Jahren verfügt er über weltmeisterliche Routine
und Reife. Auf dem Terrain des ­grossen Rivalen
bietet sich ihm die beste Chance zum Titelgewinn – vielleicht die letzte.
Brasilien oder Argentinien? Bisher liess
sich der Vergleich der beiden südamerikanischen Fussball-Giganten an zwei anderen NaT H E F I FA W E E K LY
men festmachen: Pelé und Maradona. Wer ist
der grösste Fussballer der Geschichte? Die
FIFA umdribbelte die Antwort elegant und
ernannte beide zum Fussballer des 20. Jahrhunderts. Der dreifache Weltmeister Pelé
wurde von einer Fachjury ausgezeichnet,
Maradona, Champion von 1986 und “Hand
­
Gottes”, siegte in einer Internetumfrage. Pelé
reagierte mit Unverständnis: “Es ist wie in der
Musik. Dort gibt es Beethoven und die anderen. Und im Fussball gibt es Pelé und die anderen.” Zuvor hatte Maradona durch seine
Ehefrau ausrichten lassen, dass er nur an der
Preisverleihung in Rom teilnehmen werde,
wenn er garantiert gewinne.
Pelé oder Maradona? Brasilien oder Argentinien? Neymar oder Messi? In Barcelona sind
momentan noch zwei Namen zulässig: Neymar
und Messi. Spätestens am 13. Juli 2014 wird im
Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro aber
eine klare Antwort fällig. Å
5
MESSI – NEYMAR
Und dann kam
Neymar
Er wurde mit praktisch jedem Spitzenklub
in Verbindung gebracht und hat sich für den
FC Barcelona entschieden. Nun muss er sich
neben Lionel Messi beweisen. Aber: Schon
an der WM in Brasilien könnten sich die
beiden Stars gegenüberstehen.
David Ramos / Getty Images
I
Jordi Punti
m Fussball sind die Traditionen wichtig,
weshalb gesagt werden kann, dass der
Ursprung der Verpflichtung Neymars
auf das Jahr 1931 zurückgeht: Als das
brasilianische Team Vasco da Gama
­seine erste Europatournee unternahm.
Ende Juni jenes Jahres bestritt der Klub
aus Rio de Janeiro zwei Freundschaftsspiele gegen Barça, und irgendjemand
wurde auf zwei seiner Stars aufmerksam: auf Fausto dos Santos, einen Mittelfeldspieler, und auf einen extravaganten
Torhüter namens Jaguaré Bezerra de Vasconcelos. Kurze Zeit später unterbreitete ihnen der
katalanische Klub ein Angebot, und beide blieben, um in Spanien zu spielen.
Das waren die ersten dunkelhäutigen Fussballer in den Reihen des FC Barcelona. Die
­Fotos aus jener Zeit zeigen zwei hochgewachsene und elegante Sportsleute, gut frisierte
Dandys, immer mit einer Zigarette in der Hand.
Es waren andere Zeiten. Im Fall von Jaguaré
stellte sich ausserdem sehr bald heraus, dass er
ein übermütiger Spassvogel war. In den Chroniken wird er als jemand dargestellt, der gern
auf Risiko spielt und die Gegner nicht selten
reizt. Er versuchte beispielsweise, den Ball mit
einer Hand zu fangen, um ihn dem Gegenspieler
T H E F I FA W E E K LY
höhnisch zu zeigen, oder er
provozierte den Gegner mit
absurden, völlig unnötigen
Dribblings.
Da der spanische Verband den beiden Brasilianern
nicht erlaubte, an den offiziellen Spielen teilzunehmen,
machten sich Jaguaré und
Dos Santos am Ende jener
Spielzeit auf zu neuen Ufern.
Der Mittelfeldspieler wurde zu den Young Boys
Bern in die Schweiz transferiert, Jaguaré ging
nach Frankreich. Der Torhüter landete schliesslich bei Olympique Marseille, wo seine Scherze
noch grössere Berühmtheit erlangten und er
als erster Torhüter bekannt wurde, der Handschuhe verwendete.
Auch wenn ihre Gastspiele beim katalanischen Team kaum mehr als eine Anekdote sind,
stehen die beiden Spieler für den Beginn einer
wertvollen und erfolgreichen Tradition: Seitdem haben mehr als 30 Brasilianer für Barça
gespielt. Allgemein werden sie mit kreativem
und schönem Fussball in Verbindung gebracht – und mit dem Klischee eines fröhlichen
Lebenswandels.
Die Liste der Namen beinhaltet einige
Reinfälle, aber vor allem zahlreiche Spieler, die
Spuren hinterliessen. Insbesondere in den
1980er-Jahren kursierten in den Medien regelmässig Gerüchte über einen “neuen Pelé”, den
angeblich alle grossen Klubs verpflichten wollten. Nein, es ist nicht nötig, die Fehleinkäufe
aufzuzählen – man könnte eine ordentliche
Mannschaft daraus bilden. Aber es lohnt sich
sehr wohl, zum Beispiel an jene fantastischen
Jahre zu erinnern, in denen Romario (1993–95),
Ronaldo (1996–97), Rivaldo (1997–2002) und
Ronaldinho (2003–2008) sich die Klinke in die
Hand gaben.
In den letzten Jahren hat der FC Barcelona
vor allem ein Auge auf brasilianische Aussenverteidiger geworfen, die, wie man weiss, im
7
MESSI – NEYMAR
“Die Champions League ist
grossartig, aber die WM ist etwas
ganz Besonderes.”
David Ramos / Getty Images
Lionel Messi
Grunde Mittelfeldakteure sind. Zu nennen wären Sylvinho, Belletti, Maxwell, Adriano und
Alves. Bei der Analyse all dieser Verpflichtungen fällt ein klares Muster auf: Damit ein Brasilianer in Barcelona triumphieren kann, muss er
sich zuvor in Europa eingewöhnt haben. Romario und Ronaldo spielten zunächst in Holland.
Ronaldinho kam über Paris Saint-Germain zu
Barça. Es scheint, als gelänge es den brasilianischen Spielern erst nach einigen regenreichen
Winterabenden in einem holländischen, deutschen oder französischen Stadion, ihre Fantasie
wirkungsvoll einzusetzen ...
Doch dann kam Neymar. Er stiess vom FC
Santos dazu – mit 21 Jahren, einem ansteckendem Lächeln, langen Beinen und rebellisch
geschnittenem Haar –, ohne zuvor in einer anderen europäischen Liga gespielt zu haben,
doch zugleich ohne den geringsten Zweifel an
seiner Fähigkeit, sich die Spielphilosophie des
FC Barcelona zu eigen machen zu können. Die
Geschichte wiederholt sich oft, aber nicht immer. Um alle Pessimisten und Statistikpropheten zu beruhigen, hier zwei Argumente, die für
die Verpflichtung von Neymar sprechen: Das
erste ist die Globalisierung des Fussballs. Heutzutage können wir uns jederzeit Spiele aus
­a llen Kontinenten anschauen, wir erfahren
zeitgleich alle Einzelheiten aus den grossen
­Ligen und üben in den Videospielen neue Kombinationen ein. Pelé beispielsweise hatte Santos – ausser für sein spätes Abenteuer bei Cosmos New York – nie verlassen, obwohl er
Dutzende Angebote hatte. Doch das war in den
1960er-Jahren, als in Europa niemand wusste,
wie man eine Feijoada kocht. Heute kommt
Neymar ruhmreich im spanischen Fussball an
– mit einer Sammlung von Spielzügen und
Treffern, die wir dutzendfach im Internet gesehen haben.
Neben Neymars medialer Bekanntheit
gibt es noch ein zweites Argument, das für
ihn spricht. Er ist in einem Moment der Ruhe
zum FC Barcelona gestossen. Er soll zwar für
mehr Qualität sorgen, steht aber unter keinem ­grösseren Druck als jeder andere Star,
dem eine grosse Zukunft prophezeit wird.
T H E F I FA W E E K LY
Und er kam ohne das Gefühl an, irgendjemanden retten zu müssen.
Obwohl er finanziell attraktivere Angebote
aus Europa vorliegen hatte, wählte Neymar den
FC Barcelona. Die Gründe waren das grosse
Prestige des Klubs und die offensichtliche Verlockung, an der Seite von Messi und in der – in
den letzten Jahren – besten Mannschaft der
Welt zu spielen.
Erst später wurde diese Ruhe durch unerwartete Ereignisse gestört. Es gab selten eine
so hindernisreiche Saisonvorbereitung für den
FC Barcelona als in diesem Jahr. Der gesundheitliche Rückfall von Tito Vilanova hatte die
abrupte Trennung des Coaches von der Mannschaft und die Ankunft eines neuen Trainers
zur Folge. In aller Eile wurde der Argentinier
Gerardo Tata Martino verpflichtet. Ende Juli
stiessen dann die Spieler zum Kader, die am
Konföderationen-Cup teilgenommen hatten.
Zu ihnen gehörte der Neuling Neymar, bei dem
nach einer medizinischen Untersuchung eine
Blutarmut festgestellt worden war. Einige Tage
später erreichte er wieder sein Idealgewicht.
Es war nur drei Wochen hin bis zum Beginn der neuen Saison, und es herrschte das
Gefühl, dass der FC Barcelona eine halb fertige
Mannschaft hatte. Martino wiederholte ein
ums andere Mal, es sei seine Absicht, die Fussballphilosophie von Pep Guardiola und Tito
Vilanova fortzuführen. Es wurde über die Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers
­spekuliert, doch Neymar blieb der einzige Neuzugang in diesem Jahr, und die Fans waren
nicht sicher, ob sein fröhliches Posieren auf
den ersten Fotos reine Naivität oder eher ein
Zeichen von Optimismus war.
Neymar und Messi
Kaum waren die ersten Trainings und Freundschaftsspiele vergangen, richtete sich die ganze
Aufmerksamkeit auf das Thema, das die Gedanken der Fans seit Monaten beschäftigte: Wie
passen Messi und Neymar auf dem Feld zusammen? Sind sie dazu bestimmt, sich zu ergänzen?
Werden sie zum Albtraum der gegnerischen
Verteidiger? Die Euphoriker stellten schon
9
MESSI – NEYMAR
430 Gramm Feijoada
Ein Nationalgericht aus
der Dose gilt nirgendwo
als kultiviert. In Europa
aber ist das Fleisch-­
Bohnen-Reis-Gericht
aus Brasilien auch in
dieser Form beliebt.
­ ositive Vergleiche an. Messi und Neymar seien
p
wie Michael Jordan und Magic Johnson, Lennon
und McCartney, Batman und Robin.
Auf der anderen Seite standen die Skeptiker
– eine Gruppe, die unter den Barça-Fans besonders viele Mitglieder zählt, vor allem unter den
Älteren, die Epochen voller Sehnsucht und
­Niederlagen erlebt haben. Sie fürchteten vornehmlich um das Gleichgewicht der Egos.
­Gewiss sei Messi ein aussergewöhnlicher und
mannschaftsdienlicher Spieler, sagten sie, doch
nicht selten würde sein Spiel Opfer in den eigenen Reihen fordern. Man dachte an Eto’o,
­Ibrahimovic oder in diesem Jahr David Villa:
Grosse Namen, die den Klub unter dem Verdacht verliessen, nicht mit dem Genie harmoniert zu haben.
Vielleicht aufgrund dieser Befürchtungen
suchte die Presse in den ersten gemeinsamen
Tagen von Messi und Neymar ständig nach
­einem Foto, das sie vereint zeigte. Sie wiederholte die Willkommensgrüsse von Messi oder
die Erklärung Neymars, dass er den Argentinier als besten Spieler der Welt anerkenne.
Symbolische Gesten.
Es ist uns zwar allen klar, dass grosse Fussballer normalerweise das Spiel ihrer Kameraden
verbessern, doch bisher war es schwierig, sich
von der Beziehung zwischen Messi und Neymar
ein vollständiges Bild zu machen. Seit Beginn
der Saison scheinen beide Akteure geradezu
von einem Fluch verfolgt zu werden, der sie
daran hindert, gemeinsam auf dem Platz zu
stehen. Nachdem sie im November 2013 damit
die Kombinationen und Pässe, die wir uns alle
vorgestellt hatten, waren nur spärlich zu sehen.
Am vergangenen Samstag setzte sich der FC
Barcelona 6:0 gegen Rayo Vallecano durch, ein
Sieg, mit dem die Katalanen ihre Führung in der
Meisterschaft verteidigen konnten. Messi traf
doppelt, Iniesta und Cesc boten einmal mehr
ein Festival der Ballbeherrschung, und am Ende
kehrte auch Neymar nach seiner Verletzung
wieder zurück und hatte noch Zeit, ein aussergewöhnliches Tor zu erzielen.
Messi war da bereits ausgewechselt worden.
Sie waren nur zwölf Minuten lang gemeinsam
auf dem Rasen, doch erneut war dieses vorübergehende Zusammenspiel ein Versprechen von
grösseren Dingen, die da kommen sollten, wenn
die wichtigste Phase der Saison mit der K.-o.Runde der Champions League und den entscheidenden Meisterschaftsspielen ansteht.
Denn wirklich interessant wird es sein, wie
die Chemie zwischen den beiden langfristig
funktioniert, etwa dann, wenn sich die persönlichen Ziele mit den Erfolgen der Mannschaft
kreuzen. Messi und Neymar werden für dieselben Farben spielen und Erfolge teilen, doch es
darf nicht vergessen werden, dass sich am
Horizont die WM in Brasilien 2014 immer
­
­k larer abzeichnet. Wenn die Saison beendet ist,
werden die sportlichen Herausforderungen die
beiden Akteure auf verschiedene, um nicht zu
sagen gegensätzliche Wege führen können.
Laut Statistik ist Argentinien ein ernsthafter Kandidat für den Gewinn des Weltmeistertitels 2014. Mit seinen 26 Jahren verfügt Messi
“Wir haben die WM natürlich schon alle
im Hinterkopf.”
Lionel Messi
begonnen hatten, sich in der Offensive Barce­
lonas abzustimmen, verletzte sich Messi bei
dem Versuch, einen Pass von Neymar zu er­
reichen. Es war die dritte Verletzung in dieser
Saison, die ihn zudem fast zwei Monate lang
zum Zuschauen zwang.
Im Januar 2014 absolvierte der Argentinier
endlich wieder ein Pflichtspiel, doch nur eine
Woche darauf war es Neymar, der sich in einer
Pokalbegegnung verletzte: Stauchung des Knöchels, ein Monat Pause.
Im Verlauf dieser Spielzeit haben Messi und
Neymar lediglich in 30 Prozent der absolvierten
Spielminuten zusammen agiert. Es kann mit
Fug und Recht gesagt werden, dass ihr gemeinsames Spiel nach wie vor eher ein Versprechen
als Realität ist.
Beide haben gute Leistungen gezeigt, ins­
besondere Messi. Doch der spielerische Austausch,
10
inzwischen über die erforderliche Reife für den
WM-Titel mit seiner Nationalmannschaft. Es
bietet sich ihm eine grossartige Gelegenheit,
einen Titel zu erringen, der ihn zum besten
­Spieler der Geschichte krönen könnte. Maradona
gewann die WM mit 25 Jahren, Zidane war 26,
Iniesta ebenfalls 26.
Es ist aber das kleine Detail zu berücksichtigen, dass Messi die Weltmeisterschaft ausgerechnet in einem Finale im Maracana-Stadion
gewinnen müsste. Dabei kann das brasilianische
Team um Neymar ein Hindernis sein. Brasilien
mit Neymar und Argentinien mit Messi im
WM-Finale 2014: Zum jetzigen Zeitpunkt ist
nicht auszudenken, welche Dramatik diese
­Begegnung auslösen würde. Å
T H E F I FA W E E K LY
MESSI – NEYMAR
D i e “ O p fe r ” vo n L io n e l Me s s i
Samuel Eto’o (Kam)
Zlatan Ibrahimovic (Swe)
David Villa (Esp)
In Barcelona
In Barcelona
In Barcelona
2004–09, 145 Spiele, 108 Tore
2009–10, 29 Spiele, 16 Tore
2010–13, 77 Spiele, 33 Tore
Position
Position
Position
Angriff
Angriff
Angriff
Kam von
Kam von
Kam von
RCD Mallorca (Esp)
Inter Mailand (Ita)
CF Valencia (Esp)
Ging zu
Ging zu
Ging zu
Inter Mailand (Ita)
AC Milan (Ita)
Atlético Madrid (Esp)
Weltmeister
Weltmeister
Weltmeister
–
–
2010
FIFA World Player of the Year
FIFA World Player of the Year
FIFA World Player of the Year
–
–
–
Pionier: Fausto dos Santos (Bra)
In Barcelona
1931, kein Pflichtspiel
Position
Mittelfeld
Kam von
Vasco da Gama (Bra)
Ging zu
Young Boys Bern (Sui)
Weltmeister
–
Gestorben
Getty Images
1939, im Alter von 34 Jahren
T H E F I FA W E E K LY
11
MESSI – NEYMAR
B a r c e l o n a s b r a s i l i a n i s c h e St a r s
Romario (Bra)
Ronaldo (Bra)
Rivaldo (Bra)
In Barcelona
In Barcelona
In Barcelona
In Barcelona
1993–95, 46 Spiele, 34 Tore
1996–97, 37 Spiele, 24 Tore
1997–2002, 157 Spiele, 86 Tore
2003–08, 145 Spiele, 70 Tore
Position
Position
Position
Position
Angriff
Angriff
Angriff
Angriff
Kam von
Kam von
Kam von
Kam von
PSV Eindhoven (Ned)
PSV Eindhoven (Ned)
Deportiva La Coruña (Ned)
Paris Saint-Germain (Fra)
Ging zu
Ging zu
Ging zu
Ging zu
Flamengo (Bra)
Inter Mailand (Ita)
AC Milan (Ita)
AC Milan (Ita)
Weltmeister
Weltmeister
Weltmeister
Weltmeister
1994
1994, 2002
2002
2002
FIFA World Player of the Year
FIFA World Player of the Year
FIFA World Player of the Year
FIFA World Player of the Year
1994
1996, 1997, 2002
1999
2004, 2005
Pionier: Jaguaré Bezerra
de Vasconcelos (Bra)
In Barcelona
1931, kein Pflichtspiel
Position
Torhüter
Kam von
Vasco da Gama (Bra)
Ging zu
Olympique Marseille (Fra)
Weltmeister
–
Gestorben
1946, im Alter von 41 Jahren
12
Ronaldinho (Bra)
T H E F I FA W E E K LY
NEYMAR
“Mir war nicht klar,
wie gut er wirklich ist”
Sie sind jetzt seit einigen Monaten in
Barcelona. Glauben Sie, dass Sie sich seit
Ihrem Weggang von Santos als Spieler
bereits verändert haben?
darüber unterhalten. Es war eine Riesen­
freude, den Konföderationen-­Pokal zu
gewinnen.
Neymar: Nein, ich bin immer noch der­
selbe. Obwohl ich natürlich Erfahrung dazu
gewonnen habe. Eben durch die Tatsache,
dass ich in einem anderen Land, an einem
anderen Ort, in einem anderen Umfeld bin.
Man eignet sich andere Dinge an, lernt eine
neue Kultur kennen. Und das ist sehr gut.
Darf man erfahren, was Sie sich über dieses
Spiel so erzählen?
Sprechen Sie schon Spanisch?
Ein bisschen [sagt er auf Spanisch, die
Red.]. Es ist dem Portugiesischen sehr ähn­
lich, wenn auch etwas schwieriger.
Hat es Sie überrascht, wie schnell Sie sich bei
Ihrem neuen Klub eingewöhnt haben?
Nein, überrascht hat es mich nicht. Gott
sei Dank hatte ich viel Glück, vor allem, weil
ich hier eine tolle Mannschaft vorgefunden
habe, mit Spielern, die mich sehr gut auf­
genommen haben. Das gilt für den ganzen
FC Barcelona. Das sind Spieler, die in ihrem
Leben schon fast alles gewonnen haben und
trotzdem bescheiden geblieben sind. Das ist
der Hauptgrund dafür, dass alles gut läuft.
Wir scherzen. Aber das sind Scherze, die
unter uns bleiben.
Als Trainer ist er ein ganz einfacher,
bescheidener Mensch, genau wie wir. Er
macht Scherze, aber er greift wenn nötig auch
hart durch. Er ist ein Mensch, der hart arbei­
tet und immer gewinnen will. Damit hat er
die Mannschaft für sich gewonnen.
Was hat sich bei der Seleção mit der Ankunft
Scolaris verändert?
Was bedeutet es für Sie, die erste WM zu
bestreiten, noch dazu zu Hause?
Ich weiss nicht, was sich verändert hat.
Ich glaube, die Mannschaft hat sich eine
eigene Identität aufgebaut. Wir brauchten
Zeit, um zu trainieren und uns besser ken­
nenzulernen, damit der Spielfluss zustande
kommt. Beim Konföderationen-Pokal hatten
wir diese Zeit und es ist gut gelaufen. Der
Zusammenhalt der Mannschaft war auf und
neben dem Platz einfach fantastisch und hat
jeden von uns noch zusätzlich motiviert, sich
für den anderen ins Zeug zu legen. Das hat
uns zum Titelgewinn verholfen.
Uns ist sehr wohl bewusst, dass dies eine
einzigartige Chance ist. Wir freuen uns
ausserdem sehr darüber, dass Menschen aus
anderen Ländern nach Brasilien kommen und
unsere Kultur und unser Land kennenlernen
werden. Ich weiss, dass Brasilien seine Türen
für die ganze Welt öffnen wird.
Sie haben sich immer begeistert über Lionel
Messi geäussert, aber jetzt wird er ein direkter
Rivale im Kampf um die Verwirklichung des
grossen Traums sein ...
(Lacht) Ja, ich habe sogar schon mit ihm
über ein mögliches Finale zwischen Brasilien
und Argentinien gesprochen. Mit Brasilien als
Weltmeister natürlich. Ich war immer ein Fan
von ihm und jetzt, da ich ihn kenne, gilt das
umso mehr. Ich habe das Glück, jeden Tag an
seiner Seite zu sein, und ich wünsche ihm für
alles nur das Beste.
Was vermissen Sie an Brasilien?
Ich vermisse mein Zuhause schon. Meine
Freunde und meine Familie fehlen mir immer.
Aber wie ich schon sagte, bin ich auch sehr
glücklich darüber, dass ich neue Dinge ken­
nenlernen kann. Es war mein Kind­
heitstraum, bei einem europäischen Klub zu
spielen. Diesen Traum lebe ich jetzt.
Gibt es etwas, das Sie an ihm überrascht hat,
seit er Ihr Teamkamerad ist?
Er hat mich sehr überrascht. Selbst
als Spieler. Als ich ihn nur im Fernsehen
gesehen habe, war mir nicht klar, wie gut
er wirklich ist.
Sind die Barça-Fans mit denen des FC Santos
zu vergleichen? Können Sie unbehelligt durch
die Strassen gehen?
Welche Botschaft möchten Sie den Fans im
Hinblick auf das Turnier im Juni mit auf den
Weg geben?
Sie sind ebenfalls herzlich und fanatisch.
Und ich kann unbehelligt durch die Strassen
gehen. Einige erkennen mich natürlich, aber
das ist normal.
FIFA via Getty Images
Was zeichnet “Felipão” als Trainer besonders
aus?
Ich hoffe, dass sie uns bis zum Finale
anfeuern werden. Wir werden alles für sie
geben. Å
Mit Neymar sprach Alejandro Varsky
Als Sie das Finale des Konföderationen-Pokals
bestritten, stand Ihr Wechsel zum FC Barce­
lona bereits fest. Was war das für ein Gefühl,
in diesem Stadium des Turniers Ihren künftigen
Teamkameraden gegenüberzustehen?
(Lacht) Das war schon etwas anderes, in
einem Finale gegen meine künftigen Kollegen
anzutreten. Inzwischen haben wir uns schon
T H E F I FA W E E K LY
13
A FIFA World Cup
in Brazil is just like Visa:
everyone is welcome.
™
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BLICK IN DIE LIGEN
I
N
Kamerun: Elite One
Eindruck machen
Mark Gleeson ist ein südafri­
kanischer Journalist und Fuss­
ball-Kommentator und lebt in
Kapstadt.
Die Fussball-WM rückt
immer näher und allmählich läuft den Spielern in der Liga Kameruns die Zeit davon, um
Nationaltrainer Volker Finke noch mit starken
Leistungen zu beeindrucken und sich damit
einen Platz im Kader für Brasilien zu sichern.
Imago
Der Sprung ins Team der “Unzähmbaren
Löwen” ist bislang ohnehin nur wenigen
Spielern aus der heimischen Liga gelungen,
da so viele talentierte Kameruner in den
grossen Ligen rund um die Welt spielen.
Dennoch gibt es für den Auswahltrainer den
Druck, zumindest einen oder zwei Spieler aus
einheimischen Klubs zu nominieren. 2010
schaffte es nur ein einziger Akteur eines
kamerunischen Klubs in den Kader für
Südafrika, nämlich der junge Stürmer Vincent
Aboubakar, der schon bald darauf vom
französischen Klub Valenciennes abgeworben
wurde und heute in der Ligue 1 für Lorient
spielt, wo er sich in dieser Saison als sehr
erfolgreicher Torjäger auszeichnet.
S
I
Die Meisterschaft in Kamerun hat erst kürzlich begonnen, sodass es für die Spieler noch
schwerer ist, tatsächlich durch starke Leistungen zu beeindrucken. Die neue Saison in
Kamerun ist gerade einmal vier Wochen alt,
und erneut haben sich die anderen Klubs das
Ziel gesetzt, die Vorherrschaft von Coton
Sport aus Garoua zu beenden, dem Verein, der
im letzten Jahrzehnt die Szene beherrscht
hat. Seit 2001 hat das Team 10 von 13 Meisterschaften gewonnen und im vergangenen
Oktober das Halbfinale der CAF Champions
League erreicht, in dem man erst im Elfmeterschiessen gegen den späteren Titelträger Al
Ahly aus Ägypten ausschied.
Es ist ungewöhnlich, dass ein Klub aus einer
Provinzstadt eine solche Machtposition in
einer afrikanischen Liga hält, wo die meisten
Ressourcen in den grossen städtischen Zentren
konzentriert sind. Früher war es im kamerunischen Fussball so, dass Klubs aus der wichtigen
Handelsstadt Douala und der Hauptstadt
Yaoundé die Meisterschaften meist unter sich
D
E
ausmachten. Vereine wie Union Douala und
Canon Yaoundé gewannen die kontinentalen
Vereinswettbewerbe und in den 70er- und
80er-Jahren war nicht nur die Nationalmannschaft Kameruns eine Macht, sondern auch die
Klubmannschaften des Landes.
Dann jedoch gelang es Coton Sport aus dem
trockenen Norden, die Machtverhältnisse
grundlegend zu verschieben. Ein entscheidender Faktor dabei waren die Ressourcen des
halbstaatlichen Unternehmens, dem der Klub
gehört. Diese ermöglichten die Verpflichtung
von Spielern aus anderen afrikanischen
Ländern sowie von mehreren französischen
Trainern, nämlich Denis Lavagne, Alain
Oumbléon, Sebastien Desabre und jetzt
Didier Gomez Da Rosa.
Coton Sport ist mit vier Spielen ohne Niederlage in die neue Saison gestartet (zwei Siege und
zwei Unentschieden) und verharrt mit nur
zwei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer Unisport Bafang in Lauerstellung. Å
“Die Zeit wird knapp, um National­
trainer Volker Finke zu beeindrucken.”
Buntes Schuhwerk
Die Spieler des
Kameruner Coton Teams.
T H E F I FA W E E K LY
15
Liga ZON Sagres
Benfica im
Höhenflug
Jordi Punti ist Romanautor und
Verfasser zahlreicher Fussball-­
Features in den spanischen
Medien.
Der Adler mit dem Namen
Vitória ist im Wappen des beliebten portugiesischen Spitzenklubs Benfica Lissabon anzutreffen, aber auch in luftiger Höhe. Kurz vor dem
Anpfiff jeder Partie im Estadio da Luz schwingt
sich nämlich ein echter, mit rot-weissen Bändern geschmückter Adler in den Himmel und
dreht unter dem donnernden Applaus der Fans
einige Kreise durch das Stadion, bevor er
schliesslich auf dem Vereinswappen landet.
Die Zuschauer sassen bereits auf ihren Sitzen
und die Spieler schickten sich an, das Spielfeld zu betreten, als der Wind Teile der
Dachkonstruktion mit sich riss und einige
Scheiben zu Bruch gingen. Angesichts der
Gefahrenlage wurde die Partie abgesagt und
der Adler kehrte in seine Behausung zurück.
Drei Tage später konnte das Spiel dann
stattfinden; ohne Wind und mit der gewohnten Leidenschaft, die ein solches Derby
ausmacht. Mit einem komfortablen 2:0-Sieg
und Toren der Argentinier Gaitán und Enzo
Pérez untermauerte Benfica seine Titelambitionen. Dazu muss man sagen, dass dies in
Portugal keine Überraschung ist. Benfica ist
der Klub mit den meisten Titelgewinnen in
der heimischen Liga. Tatsächlich gingen
bisher fast alle Titel an einen von drei Vereinen: Benfica, FC Porto und Sporting Lissabon.
16
Das Siegen gewohnt Lazar Markovic nach seinem Treffer für Benfica in Pacos de Ferreira (2:0 am 16. Februar).
Seit 1934 hat nur bei zwei Gelegenheiten
keiner dieser drei Traditionsklubs die Meisterschaft gewonnen. Allerdings war es in den
letzten Jahren der FC Porto, der die Liga
dominierte, wobei Benfica dem Klub immer
dicht im Nacken sass. In dieser Saison scheint
das Team von Trainer Jorge Jesús nun aber
die beständigeren Leistungen zu bieten.
Daher sollte man den Sieg der “Adler” gegen
Sporting als eine Bestätigung der Titelchancen des Teams sehen, auch wenn sich bei den
Fans bereits etwas Pessimismus breitmachte.
Der Weggang von Nemanja Matic im Winter-­
Transferfenster (er wechselte zu Chelsea)
sowie die langfristige Verletzung von Torjäger
Óscar Cardozo aus Paraguay liessen einige
Zweifel an den Lissabonnern aufkommen.
Allerdings treten Akteure wie Lima und
Roberto immer stärker in den Vordergrund,
und das Team überzeugte gegen den Lokalrivalen mit viel Ballbesitz, kontrollierte den
Gegner und liess ihm keine Chance. Der beste
Beweis dafür ist, dass Sportings bester Torschütze Fredy Montero bis zur 82. Minute zu
keinem einzigen Torschuss kam.
Die portugiesische Liga ist traditionell eine
Art Vorzimmer für südamerikanische Spieler,
die nach Europa wechseln. Da die Akteure aus
dem eigenen Land bei den besten Klubs
Europas aktiv sind, verpflichten die portugiesischen Vereine Nachwuchsspieler aus SüdT H E F I FA W E E K LY
amerika. Wenn sie die Feuerprobe in Portugal
einmal bestanden haben, triumphieren sie
später häufig auch in stärkeren Ligen. Gleichzeitig können Routiniers, die jahrelang in
Europa aktiv waren, ihre Karriere in dieser
Liga auf etwas geruhsamere Weise beenden.
Ein Blick auf die Torjägerliste genügt, um
diesen Zusammenhang zu erkennen: Kolumbianer und Brasilianer stehen in Portugal
ganz oben auf der Torschützenliste, von
Jackson Martínez oder Freddy Montero bis
hin zu Derley oder Evandro.
In diesem Zusammenhang liegt die grösste
Stärke Benficas derzeit darin, dass es dem
Klub gelungen ist, eine Reihe junger und
engagierter Spieler für sein Projekt zu gewinnen. Nach den Partien des letzten Wochenendes konnte Benfica seine Positivserie fortsetzen und führt die Tabelle mit vier Punkten
Vorsprung auf den FC Porto und fünf auf
Sporting weiterhin an. Noch stehen zwar viele
Spiele aus, aber bei dem Team mit dem Adler
im Wappen weiss man, dass dieser Vorsprung
möglichst bis zum letzten Spieltag der Meisterschaft im Mai gehalten werden sollte.
Gegner ist nämlich kein Geringerer als der
grösste Rivale: der FC Porto. Da will man
möglichst kein Risiko eingehen, denn für die
Benfica-Fans gäbe es im Todesjahr des grossen
Eusébio nichts Schöneres, als dem “schwarzen
Panther”, dem grossen Star des Teams, mit
einem Meistertitel die Ehre zu erweisen. Å
Rafael Marchante / Reuters
Der 8. Februar war einer der Tage, an denen
der Adler mehr Symbolcharakter hatte denn
je: Benfica, der Tabellenführer der portugiesischen Liga, trat im Lokalderby gegen den
Erzrivalen und Tabellenzweiten Sporting
Lissabon an. Und doch war bereits einige
Minuten vor der Partie klar, dass Vitória seine
Flügel nicht ausbreiten würde. Plötzlich
fegten nämlich orkanartige Windböen durch
das Stadion, die immer stärker wurden. Das
Estádio da Luz wurde vor zehn Jahren anlässlich der Europameisterschaft in Portugal
eröffnet worden und wird dieses Jahr im Mai
Schauplatz des Champions-League-Finales
sein. Wir haben es also mit einem modernen
und komfortablen Stadion zu tun, diesen
Extrembedingungen hielt es jedoch nicht stand.
Super League Malaysia
Argentinisches
Kronjuwel
Sarah Steiner ist redaktionelle
die Organisation ist gefestigt, für Nachwuchs
ist gesorgt. Besonders die erste Sportschule
des Landes, die Bukit Jalil Sport School, hat
im Juniorenbereich viel getan. Jetzt hofft
man in Malaysia, dass die Jahre kommen, in
denen die Früchte des Erfolges geerntet
werden können.
Mitarbeiterin bei “The FIFA
Weekly”.
Der malaysische Fussball
sorgt in diesen Tagen für
Negativschlagzeilen. Im Skandal um verschobene Spiele sind Anfang Monat 17 Spieler mit
Geldstrafen belegt worden. Schon im Dezember waren gegen 5 Spieler und 3 Verbands­
vertreter lebenslange Sperren wegen Spiel­
manipulation ausgesprochen worden. Der
nationale Verband FAM geht davon aus, dass
die Fussballer zur Mani­pulation gezwungen
wurden. Es wird von Erpressung und körperlicher Gewalt gesprochen.
Doch der Ball muss weiterrollen. Die Meisterschaft ist erst fünf Partien alt und soll von
weiteren Skandalen verschont bleiben. Denn
der malaysische Fussball befindet sich im
Aufwind und soll weiter an Attraktivität
gewinnen. Die Liga steht in ihrer 11. Ausgabe,
Der nationale Nachwuchs soll mit Vorbildern gedeihen. Eines dieser Vorbilder spielt
beim Super-League-Verein Johor Darul
Ta’zim: Pablo Aimar. Der auch in Südamerika und Europa bekannte Mittelfeldspieler
soll für Tore und Spektakel sorgen. Der
Argentinier ist kein unbeschriebenes Blatt.
Er wechselte in der Saison 2000/01 für 21,25
Millionen Euro von River Plate zum FC
Valencia, stand anschliessend in Diensten
von Real Saragossa und Benfica Lissabon,
bis er im letzten Herbst in die malaysische
Super League wechselte. In Südostasien gilt
er als das Kronjuwel der JDT-Mannschaft
und wird von den Fans verehrt. Die Erwartungen sind auch hoch, weil Aimar der
bestbezahlte Spieler der Liga ist. Doch Geld
allein macht bekannterweise nicht glücklich. Und so erzählt der 34-Jährige Aimar
den Medien: “Ich geniesse es nicht, hier
Fussball zu spielen. Es ist schwierig.”
Wenige Tage später zeigt der Mittel­feldspieler
auf dem Platz ein anderes Gesicht und beweist den Zuschauern, dass er sein Geld wert
ist. Sein taktisch und technisch ausgefeilter
Fussball wirkt auch in Malaysia. In der Partie
gegen den Meister Lions XII spielt er - bedrängt von drei gegnerischen Spielern -,
zuerst einen haargenauen Pass, der zum 1:0
führt. Dann, in der 42. Minute, lenkt er einen
Freistoss ins Netz. Wenn das der unglückliche
Aimar ist, darf sich Malaysia auf den glücklichen freuen. Å
“Ich geniesse es nicht, hier Fussball
zu spielen. Es ist schwierig.”
AFP
Gefeiert Der Argentinier Pablo Aimar (m.)
inmitten von Fans des Johor Darul Ta’zim FC.
T H E F I FA W E E K LY
17
C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 1 6 W O C H E N
→ http://www.fifa.com/worldcup
Gesund zum Fussball
Auch aus medizinischer Sicht sind für die Fussball-WM in Brasilien 2014 alle Vorkehrungen
­getroffen worden. Das biologische Spielerprofil
konsolidiert sich weiter.
Perikles Monioudis
imago
M
an ist bereit, die WM kann kommen.
Vergangene Woche erklärten sich Vertreter der FIFA, des Lokalen Organisationskomitees der Fussball-WM in
Brasilien 2014 und der brasilianischen
Regierung an einer Medienkonferenz.
Zu den Themen gehörten die Notfallversorgung
in den Stadien, die Gesundheit der Zuschauer,
der Besucher und der Mannschaften, Klima
und Hitze, die medizinische Untersuchung der
Spieler vor dem Turnier, Dopingkontrollen
während des Wettbewerbs und das FIFA-Programm “11 für die Gesundheit”, das in den zwölf
WM-Städten gestartet wurde.
Der FIFA-Chefmediziner Professor Jiri
Dvorak, der medizinische Generalkoordinator
des LOK, Luis Fernando Correia, der Koordinator des Programms “11 für die Gesundheit” in
Brasilien, Dr. Edilson Thiele, sowie Gesundheitsminister Ademar Arthur Chioro dos Reis
betonten dabei das Vermächtnis, das die Organisation der Fussball-WM in Brasilien 2014 in
Gesundheitsfragen hat.
Prof. Jiri Dvorak sprach zunächst über das
neue Programm in der FIFA-Dopingkontrolle:
“Unsere Anti-Doping-Strategie stützt sich auf
Aufklärung einerseits und Vorbeugung andererseits. So haben wir es auch schon beim Konföderationen-Pokal praktiziert. Für die Tests
müssen die Spieler im Rahmen unserer neuen
Strategie gegen Doping Blut- und Urinproben
abgeben, mit denen wir ein biologisches Profil
der Athleten anlegen. Alle Spieler, die an der
Fussball-WM in Brasilien teilnehmen, können
ab sofort jederzeit und überall auf der Welt
mindestens einmal getestet werden.”
Ein weiteres Thema war die brasilianische
Hitze. Prof. Dvorak sieht ihr gelassen entgegen:
“Hinsichtlich der Diskussion um die hohen Temperaturen in bestimmten Regionen Brasiliens
während des Wettbewerbs ist festzuhalten, dass
all unsere Beschlüsse auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhen. Wir haben im Sommer
in der Türkei Tests durchgeführt und die Körpertemperatur von Fussballern in Spielsituationen
gemessen. Diese Studie haben wir im ‘Scandina-
vian Journal of Medicine & Science in Sports’
veröffentlicht. Ich halte die Bedingungen in Brasilien nicht für so schwierig, wie sie teilweise
dargestellt wurden. Wir könnten zusätzliche
Pausen einführen, in denen die Spieler Flüssigkeit zu sich nehmen können. Auch die Benutzung von Erfrischungstüchern wird möglicherweise gestattet. Aber diese Entscheidungen
werden von Fall zu Fall vor den Spielen von unserem medizinischen Stab getroffen. Wir sind
jedenfalls bestens v
­ orbereitet und werden alles
tun, um die ­Gesundheit der Spieler zu schützen.”
Ausserdem kam das FIFA-Programm “11 für
die Gesundheit” zur Sprache. Prof. Dvorak sag-
te dazu: “Wir freuen uns über die Unterstützung der brasilianischen Regierung für das
Programm ‘11 für die Gesundheit’ und sind uns
sicher, dass es für das Land ein Vermächtnis
der Weltmeisterschaft wird. Der Fussball verfügt über enorme Kraft. Wenn ein Arzt mit
einem Kind spricht, ist das eine Sache, aber
wenn Messi oder Neymar einfache Botschaften
zur Gesundheit verbreiten, hat das enorme
Auswirkungen.”
Dr. Edilson Thiele, Koordinator des Programms “11 für die Gesundheit” fügte hinzu:
“Wir haben das Projekt in Brasilien mit
450 Kindern an 15 öffentlichen Schulen in
­Curitiba begonnen. Sie haben Informationen
erhalten und an Aktivitäten zur Förderung
eines gesunden Lebens mittels sportlicher
Betätigung und Gesundheitsvorsorge teil­
­
genommen. Bis 2015 sollen weltweit zwei Millionen Kinder an diesem Programm teilgenommen haben.” Fussball und Gesundheit
gehören zwingend zusammen. Å
“Wir sind bestens vorbereitet.”
Streching im Schatten Der Offensivspieler Wesley Lopes Beltrame von der S. E. Palmeiras trotzt der Hitze.
T H E F I FA W E E K LY
19
First Love
20
T H E F I FA W E E K LY
Ort: Beni Hasan, Ägypten
Datum: 16. Oktober 2012
Zeit: 14.11 Uhr
Tim Dirven / Panos
T H E F I FA W E E K LY
21
DEBAT T E
CSI Toronto
Telefonkonferenz Schiedsrichter in der National Hockey League holen Rat im “War Room” der Liga-Zentrale.
Thomas Renggli
E
ishockeyschiedsrichter können einen der
ältesten Menschheitsträume erfüllen: die
Uhr anhalten und im Bedarfsfall sogar
zurückdrehen. Die vergleichsweise grosse
Zahl von Unterbrüchen ist eine Voraus­
setzung für die Umsetzung des Video­
beweises während der Partie. Beschränkt sich
die technische Kontrollmöglichkeit im Fussball
im Spielverlauf auf die Torlinien-Technologie,
ist im Eishockey der Videobeweis ein fester
­Bestandteil der Regelauslegung.
Am konsequentesten wird dieses Verfah­
ren in der nordamerikanischen National
22
­ ockey League eingesetzt. Vom “NHL Video
H
Review Room” in Toronto aus, im Volksmund
“War Room” genannt, werden alle Spiele über­
wacht – unabhängig davon, ob sie in Los Ange­
les, New York oder Phoenix stattfinden.
Braucht der Referee im Stadion technischen
Support, greift er zum Telefon und lässt sich
mit Toronto verbinden.
Lunch, Tea und Infrarot
Noch umfassender werden Kamerabilder in
der nordamerikanischen Profiliga des Ameri­
can Football (NFL) genutzt. Jede Entschei­
dung des Schiedsrichters kann vom Chef­
trainer eines der Teams angefochten werden
– ­
a llerdings nur zweimal pro Partie. Der
Hauptschiedsrichter zieht sich dann in eine
spezielle Videokabine zurück und überprüft
unter Berücksichtigung aller Videosequenzen
sein Verdikt. Bleibt das Urteil bestehen, wird
dem Team, das die Entscheidung in Frage
­gestellt hat, ein Timeout abgezogen.
Der Videobeweis hat mittlerweile fast alle
Sparten erobert – selbst Sportarten, in denen
die Tradition über allem steht. Im Cricket
T H E F I FA W E E K LY
­ erden die Partien zwar noch immer für
w
“Lunch” und “Tea” unterbrochen, das Protokoll
kennt mittlerweile aber auch “Hot-Spot-Kame­
ras”, die Videobilder im Infrarotbereich auf­
nehmen.
Die Einführung von technischen Hilfsmit­
teln führte in allen Sportarten zu heissen
­Diskussionen. Im Zentrum stand immer die
Furcht, dass sich der Charakter des Spiels
verändern könnte. Der menschliche Fehler
­
­gehöre zum Spiel, sei ein wichtiger Bestandteil
der Sportkultur, ist eines der oft gehörten
­A rgumente. Die amerikanischen Sportarten
beweisen, dass die Faszination des Spiels durch
technische Hilfsmittel in keiner Weise
­abnimmt. Å
Die Weekly-Debatte.
Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Über welche Themen wollen Sie
diskutieren? Ihre Vorschläge an:
[email protected]
Tony Gutierrez / AP Photo / Keystone
Braucht es den Video­
beweis? Die Frage, die
im Fussball heiss disku­
tiert wird, ist in ande­
ren Sportarten längst
beantwortet.
DEBAT T E
Schiedsrichterfehler gehören zum Spiel. Sie
geben dem Fussball einiges an Dramatik.
O.Demi, Ägypten
Die grösste Streitfrage im Fussball ist doch
immer noch, ob der Ball die Torlinie vollständig überschritten hat oder nicht. Ich
denke, um diese ewige Kontroverse im
schönsten aller Spiele zu vermeiden und
beiden Teams gegenüber fair zu sein, sollte
der Videobeweis eingeführt werden. Die
Technologie ist vorhanden, worauf warten wir
also noch?.
Acapulco, Mexiko
Fehlentscheidungen der Schiedsrichter
mögen ja für Dramatik sorgen. Aber vor
allem sorgen sie für Ungerechtigkeit. Ich bin
es leid, wenn Teams ihre Spiele unverdient
gewinnen, bloss weil Schiedsrichter Fehler
machen. Vor hundert Jahren gab es noch
keine Lösung, um menschliche Fehler zu
vermeiden, aber jetzt gibt es sie. Wenn man
sie nicht einführt, bleibt man der Vergangenheit verhaftet, statt sich zu entwickeln und zu
verbessern. Natürlich ist Tradition wichtig,
aber nicht wichtiger als Gerechtigkeit. Wenn
es immer nur darum gehen würde, nichts zu
verändern, dann sollten wir vielleicht auch
wieder Einwechslungen verbieten, weil es im
Fussball ja auch so begonnen hat!
Lourouso, USA
Ich bin uneingeschränkt dafür. Das Einzige,
was der Videobeweis bewirkt, ist mehr Gerechtigkeit im Fussball.
Leben ist dynamisch und Veränderungen sind
ein konstanter Faktor, den man bereitwillig
einbeziehen muss. Aber im Moment gibt es
dafür keine Notwendigkeit.
Mfonjohn, Nigeria
Weiter als bis zur Torlinien-Technologie
würde ich nicht gehen. Andere Diskussions-
“Der VideoMit dem Videobeweis
zum Fair Play
beweis bewirkt
mehr Gerechtig- D
keit im Fussball.”
teilnehmer verweisen auf die NFL und
andere grosse Sportarten, die mit dem
Videobeweis arbeiten. Aber in der NFL
dauert ein Spiel, das aus vier Vierteln zu 15
Minuten und einer halbstündigen Pause
besteht, gut und gerne drei Stunden. Natürlich spielt dabei auch die Werbung eine
grosse Rolle, aber die langen Wiederholungen sind furchtbar. Torlinientechnologie ja
– aber mehr auch nicht!
Jona Town, USA
Unterbrechungen zum Anschauen von
Wiederholungen lenken vom Spiel ab und
verlangsamen den Fussball. Ich denke aber
dennoch, dass so etwas wie die NBA-Review
und eine Bestrafung bei Schwalben eingeführt werden sollten, wenn nicht weltweit,
dann zumindest in den Topligen der Welt, um
ein Beispiel für Fair Play zu geben.
Carabal, Kanada
Ich bin fast versucht, ja zu sagen, aber im
eigentlichen Sinne lautet meine Antwort
nein. Wenn wir den Videobeweis einführen,
um menschliche Fehlentscheidungen zu
verhindern, dauert ein Fussballspiel nicht
mehr 90 Minuten plus ein bisschen Nachspielzeit, sondern möglicherweise zwei Stunden
oder noch länger, je nachdem, wie viele
Situationen begutachtet werden müssen. Das
PRESIDENTIAL NOTE
Chaser Ot, USA
Ich freue mich sehr, dass die FIFA diese
Frage stellt. Ja, der Fussball braucht den
Videobeweis.
Kingboa Siako, Ghana
Wenn noch mehr Technologie in den Fussball einfliesst, können wir ihn auch abschaffen und durch ‘Roboball’ ersetzen. Die
Regeln und die gesamte Konzeption machen
den Fussball zur offensten aller Sportarten.
Das Wesen des Fussballs liegt nicht in Fairness oder Beweisen, sondern in der Dramatik.
Im Sport geschehen ebenso wie im Leben
manchmal eben Dinge, die nicht fair sind.
Wem das nicht gefällt, der muss sich für eine
andere Sportart begeistern.
R. Lippold, Schweiz
“Torlinien-Technologie ja –
mehr aber auch nicht!”
T H E F I FA W E E K LY
ie Zeiten ändern sich – und mit ihnen die
Möglichkeiten, die Spielleitung noch effizienter zu gestalten. Die Einführung der Torlinientechnologie ist ein Schritt in die richtige
Richtung – der Videobeweis ein weiterer. Dabei
spreche ich nicht von einem neuen technischen
Hilfsmittel zum Einsatz während des Spiels,
sondern von der konsequenteren Umsetzung
eines bereits bestehenden Instruments.
Denn mit Artikel 96 des FIFA-Disziplinarreglements haben wir in dieser Beziehung das
perfekte Mittel schon vor zwanzig Jahren
­
­geschaffen: Für die Beweisführung zugelassen
sind die Berichte des Schiedsrichters, der Assistenten, die Aussagen der Parteien und Zeugen,
materielle Beweisstücke und Gutachten sowie
Ton- und Bildaufzeichnungen.
Es geht dabei nicht um falsche Abseits­
entscheidungen oder umstrittene Penalty­
pfiffe. Würden wir hier den Videobeweis zulassen, hätte das eine Prozessflut zur Folge, die das
Spiel faktisch zerstören würde. Die Tatsachenentscheidung muss immer über allem stehen.
Fällt ein Schiedsrichter eine solche, gibt es daran nichts zu rütteln.
Hier geht es um gravierende Verstösse g
­ egen
den Fair-Play-Gedanken wie etwa Tätlichkeiten,
das Anspucken des Gegners, verbale Beleidigungen und rassistische Ausfälle – oder falsch
­adressierte Rote oder Gelbe Karten. Hier muss
die vorhandene Möglichkeit wahrgenommen
werden, auch nachträglich zu intervenieren.
In diesem Zusammenhang müssen auch
das Vortäuschens einer Verletzung, das absichtliche Fallenlassen (“Schwalben”) oder das
Zeitschinden in die Überlegungen miteinbezogen werden. Wenn diese Unsportlichkeiten
vom Referee während des Spiels nicht gesehen
wurden, können wir darauf zurückkommen.
Dies ist ein grosser Beitrag zum fairen Spiel –
vorausgesetzt die Disziplinarorgane wenden
den Videobeweis an. Und das sollten sie.
Ihr Sepp Blatter
23
DÄNEMARK
Das dänische Wunder
Aus den Ferien zum EM-Titel. Der verstorbene Richard Möller Nielsen
sorgte an der EM 1992 für eine der grössten Überraschungen im Weltfussball. Ein Blick auf die dänische Fussballgeschichte.
Dominik Petermann
D
ie Leistungen der dänischen Fussballnationalmannschaft muten an wie eine
Berg- und Talfahrt. Vom überraschenden
Erfolg zum Misserfolg und zurück. Eine
Konstante in dieser Geschichte zu finden, ist schwierig bis unmöglich. Wenn
sich jemals so etwas wie ein von Erfolg gekrönter roter Faden durch die Fussballgeschichte
Dänemarks zog, dann in der Zeit zwischen 1990
und 1996, als Richard Möller Nielsen der Nationaltrainer der dänischen Mannschaft war.
Dabei begann die Geschichte der Teilnahme
Dänemarks an der Europameisterschaft 1992 in
Schweden skurril. Die Dänen verpassten die
Qualifikation als Gruppenzweiter hinter Jugoslawien und mussten sich vorzeitig in den Urlaub
verabschieden. Vor Turnierbeginn wurden die
Balkan-Kicker aufgrund des ­Bürgerkrieges, der
in ihrem zerfallenden Land tobte, von der Europameisterschaft ausgeschlossen. Der dänische Coach Richard Möller Nielsen musste
­seine Mannschaft, die es sich bereits an den
schönen Stränden der Welt bequem gemacht
hatte, innerhalb weniger Tage aus dem Urlaub
zurücktrommeln. So unvorbereitet das Team
angetreten war, so unbeirrt marschierte es
durch das T
­ urnier: Die Dänen sicherten sich
das Weiterkommen mit einem Sieg über Gruppengegner Frankreich, darauf folgte der Halbfinalsieg ­gegen die Niederlande im Elfmeterschiessen und schliesslich der Turniersieg mit
einem 2:0 gegen den amtierenden Weltmeister
Deutschland.
Coach Richard Möller Nielsen war zwei
Jahre zuvor genauso unverhofft zu seinem
­
­Posten gekommen. Nach dem Rücktritt von
­Josef P
­ iontek war sich der Verband eigentlich
schon mit dem Deutschen Horst Wohlers einig,
dessen Klub wollte ihn aber nicht aus seinem
Vertrag entlassen. So entschloss sich der
­Verband schliesslich für die Notlösung Richard
Möller Nielsen.
Auch in Sachen Ernährung gelang der
­dänischen Elf Erstaunliches: Das dänische Team
wurde als “Big-Mac-Truppe” verhöhnt, den Spielern wurde nachgesagt, sie ernährten sich während des Turniers vorwiegend von Cola und Big
Macs. Immerhin umfasste die “­ Big-Mac-Truppe”
Fussballgrössen wie Peter Schmeichel, Flem24
ming Povlsen oder Brian ­Laudrup. Dem ungesunden Ernährungsimage der dänischen Mannschaft zum Trotz wählte “World Soccer” Richard
Möller Nielsen zum Trainer des Jahres 1992.
Dänemark beansprucht für sich bis heute noch
einen Titel: Es ist bis heute das an der Einwohnerzahl gemessen kleinste Land, das je eine ­
Europameisterschaft gewinnen konnte.
Nielsen blieb mit seiner Elf erfolgreich.
Als Europameister war Dänemark 1995 für
den ­Konföderationen-Pokal in Saudi Arabien
qualifiziert. Nielsens Mannschaft sicherte
sich den Finalsieg gegen Argentinien mit
­einem 2:0.
Diese Turniersiege blieben bis heute die
grössten Erfolge der dänischen Nationalmann-
Simon Bruty / Allsport / Getty Images, Allsport / Getty Images, Sven Simon
DÄNEMARK
Big-Mac-Truppe Nicht nur
beim Feiern (hier Henrik Larsen)
setzte Dänemark Massstäbe.
schaft. Weitere Erfolge gehen schon etwas weiter zurück. 1908, 1912 und 1960 gewannen die
Dänen olympisches Silber bei den Fussballturnieren, 1948 die bronzene Medaille. Da bei den
olympischen Fussballturnieren bis 1948 nur
Amateurteams zugelassen waren, wurde 1908
der bekannte Däne Harald Bohr, selbst ein berühmter Mathematiker und Bruder des Nobel-
preisträgers für Physik Niels Bohr, Gewinner
einer Silbermedaille.
Das beste Ergebnis an einer Fussballweltmeisterschaft erreichte Dänemark 1998 in
Frankreich, wo die Nationalelf bis ins Viertelfinale kam.
Nicht mit Turniererfolgen aber dafür mit
Legendenstatus belohnt, wurde das dänische
Spieler-Star-Ensemble um Michael Laudrup,
Sören Lerby, Morten Olsen, Allan Simonsen
und Preben Elkjaer. Unter dem Spitznamen
“Danish Dynamite” wurde das Team der WM
1986 in Mexiko als bestes dänisches Kollektiv
aller Zeiten berühmt. Die Namen dieser Mannschaft lassen sich im gleichen Atemzug mit den
grossen Namen dieser Zeit wie Maradona,
“Danish Dynamite” Das Team von
Richard Möller Nielsen feiert den Triumph
gegen Deutschland im EM-Finale 1992
von Göteborg.
Schuss ins Glück Kim Vilfort (m.) entscheidet das EMFinale mit dem 2:0. Die Deutschen Andreas Brehme (l.)
und Thomas Helmer stehen Spalier.
­ atthäus oder Platini nennen. Dänemark galt
M
zu dieser Zeit regelrecht als Angstgegner, alle
wussten um die Stärke dieser Spieler. Wenn
man sich die Kampagne 1986 anschaut, zeigt
sich ein starkes dänisches Team mit drei
Gruppen­spielsiegen unter anderem gegen Uruguay (6:1) und Finalist Deutschland (2:0). Auf
­Talfahrt ging das Team im Achtelfinale, als
Spanien die Dänen mit 5:1 abfertigte und Starstürmer Emilio Butragueno das “Danish Dynamite” fast im Alleingang überrollte.
An frühere Erfolge anknüpfen, lautet die
heutige Doktrin unter Morten Olsen, der seit
2000 die dänische Mannschaft trainiert. Olsen
gehört zu den dänischen Rekordnationalspielern
mit 102 Einsätzen und führte als Kapitän bereits
die 1986er-Truppe an. Zweimal schaffte man unter ihm die WM-Qualifikation (2002 und 2010).
Für die Endrunde in Brasilien 2014 reichte
es nicht, denn als schlechtester Zweitplatzierter in den Qualifikationsgruppen verpasste
man die Europäischen Playoffs knapp. Die­“Olsenbande”, wie die Mannschaft in Anlehnung
an eine ­
d änische Krimireihe auch genannt
wird, muss sich wohl oder übel nochmals vier
Jahre gedulden. An das Auf und Ab sind die
Dänen ja g
­ ewöhnt. Å
T H E F I FA W E E K LY
25
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Here’s to reaching all the places we’ve never been.
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RICHARD MÖLLER NIELSEN
Ein Grosser des Weltfussballs
Eckdaten des dänischen Fussballs
1904
1995
Der dänische Fussballbund
Als amtierender Euro-
ist eines von sieben Grün-
pameister ist Dänemark
dungsmitgliedern der FIFA.
für den Konföderationen-Pokal qualifiziert und
gewinnt das Turnier vor
22. Oktober 1908
Argentinien mit 2:0.
Dänemark gelingt im zweiten Länderspiel am ersten
Olympischen Fussballtur-
1997
nier der höchste Sieg mit
Im Mai erreicht Däne-
17:1 gegen Frankreich.
mark mit Platz 3 seine
Dies ist bis heute der
bisher beste Platzierung
höchste Sieg einer euro-
in der FIFA-Weltrangliste.
päischen Mannschaft.
­A ktuell steht das Team
Im Finale holt man Silber
auf Platz 20.
gegen Grossbritannien.
1998
1984
Zweite WM-Teilnahme
Dänemark erreicht mit
nach zwölf Jahren.
modernem Offensivfuss-
Mit dem Erreichen des
ball das Halbfinale der
Viertelfinales (3:2 gegen
Europameisterschaft
Brasilien) ist dies das
1984 in Frankreich.
beste WM-Ergebnis einer
Trainer mit Herz Richard Möller Nielsen verstarb am 13. Februar im Alter von 76 Jahren.
dänischen Auswahl an
einer WM.
Walter Gagg
1986
WM-Premiere für das
dänische Team: Mit drei
2010
Siegen und einem Torver-
Letzte WM-Teilnahme
hältnis von 9:1 erreicht
bisher, das Aus kommt
die dänische Nationalelf
bereits in der Gruppen-
das Achtelfinale, wird
phase.
dann aber von den Spaniern 5:1 abgefertigt.
15. Oktober 2013
Johnny Anthon Wichmann
Dänemark gewinnt zwar
1992
das letzte Qualifikations-
Die dänische Mannschaft
spiel gegen Malta 6:0,
darf auf Kosten Jugosla-
die 16 Punkte genügen
wiens trotz Nichtqualifika-
aber nicht, um die
tion an der EM teilnehmen
Playoffs zu erreichen.
und wird überraschend
Dänemark ist in Brasilien
Europameister.
nicht dabei.
D
änemarks EM-Titelgewinn 1992 war
eine der grössten Sensationen im modernen Fussball – und eine herausragende Leistung des Trainers. Damit
­sicherte sich Richard Möller Nielsen
einen Platz in der Fussballgeschichte.
Ich hatte das Vergnügen, den Dänen 1996 in
New York anlässlich eines Spieles einer
F IFA-Weltauswahl gegen die brasilianische
­
Olympia-Mannschaft (mit drei Spielern über
23 Jahren) persönlich kennenzulernen. Für
die Brasilianer, für die das Spiel die Hauptprobe
vor Olympia in Atlanta war, waren Bebeto,
Ronaldo und Rivaldo dabei. Für die FIFA-­
Selektion spielten Jürgen Klinsmann, Fernando Hierro, Marcel Desailly und Michael Laudrup. Als Trainer der Weltauswahl fungierte
Möller Nielsen.
Auch bei diesem Spiel zeigte sich Möller
Nielsens Sonderstellung. Stargehabe und Allüren waren ihm völlig fremd. Wie kaum einer
konnte er auf die Spieler eingehen – er fühlte
die Chemie in der Mannschaft, besass ein
­feines Sensorium für kurz- und langfristige
Entwicklungen. Sein Fingerspitzengefühl war
der Schlüssel zum dänischen Sommermärchen
1992. Möller Nielsen wusste genau, wann Autorität gefordert war und wann er die Zügel
schleifen lassen konnte.
T H E F I FA W E E K LY
Seine Grandezza war auch abseits des Fussballplatzes spürbar. Er wusste genau, wann
Disziplin und Seriosität gefragt waren und
wann Lockerheit und Humor. Ich kann mich
erinnern, wie er in New York auf Englisch und
Deutsch zur Mannschaft sprach und seine Anweisungen von Jürgen Klinsmann auf Italienisch und Spanisch übersetzen liess. Als Klinsmann dolmetschte, intervenierte Möller
Nielsen: “Das habe ich so nicht gesagt.” Klinsmann entgegnete: “Wie ich es übersetzte, ist es
noch besser.” Wir haben alle schallend gelacht.
Mit Möller Nielsen ist ein grosser Fussballlehrer von uns gegangen – und eine herausragende und liebenswürdige Persönlichkeit. Autorität verschafft man sich nicht durch laute
Worte, sondern durch Fachkompetenz und Intelligenz. Oder wie es Franz Kafka beschrieb:
­“Alles reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen
fehlt.” Wir werden Richard Möller Nielsens
­A ndenken in Ehren wahren. Å
Walter Gagg ist FIFA-Direktor und
diplomier ter Fussballinstruktor.
Er spielte für Neuchâtel Xamax und
Thun in der Nationalliga B und war
Mitglied der Schweizer Junioren-­
Nationalmannschaft.
27
game onor game over
all in or nothing
adidas.com/worldcup
© 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
W E E K LY T O P 11
FREE KICK
Die besten Spieler
aus dem Kosovo *
Feige Fans
Alan Schweingruber
“Das macht doch alles keinen Sinn mehr.”
“Das Leben?”
“Nein Eckart, der HSV natürlich.”
“Ich dachte schon.”
Johannes greift in seine Manteltasche und
holt ein paar Lederhandschuhe hervor:
“Schau da, die Touristen! Machen eine Hafenrundfahrt bei dem Sauwetter.”
“Weshalb bist du eigentlich ein Fan des
Hamburger SV, Johannes?”
“Weshalb? Weil ich schon immer ein HSVFan war. Da braucht es keinen Grund.”
“Aber irgendwann hast du dich für diesen
Verein entschieden.”
“Mein Vater hat mich mitgenommen. In den
Dreissigern war das. Gegen Hindenburg
Allenstein haben wir gespielt. Gibt’s heute
nicht mehr, Allenstein. Das gehört jetzt alles
zu Polen.”
“In dem Alter habe ich gescheitere Sachen
gemacht. Da geht man doch nicht zum Fussball.”
“Klar geht man da zum Fussball, Eckart.”
“Ich habe Eisenbahn gespielt. Oder gebastelt.”
“Gebastelt? Du bist ja auch ein Bayern-Fan.”
Johannes lacht auf.
“Was ist falsch daran, ein Bayern-Fan zu
sein?”
“Nur Münchner oder Ahnungslose sind
Bayern-Fan. Sich für Bayern München zu
entscheiden, ist wie Fischen im Aquarium.”
“Fischen im Aquarium? Und was hat das mit
Bayern zu tun?”
“Gute Erfolgschancen! Bayern-Fans sind
feige.”
“Mein Grossvater war aus einem Münchner
Vorort. Ich bin da auch reingewachsen.”
“Hat er dich zu den ersten Bayern-Spielen
mitgenommen?”
“Das kann schon sein. Ich weiss es nicht mehr
so genau.”
“Ich dachte, du hast Eisenbahn gespielt?”
“Es war zu dieser Zeit nicht einfach, ein
Bayern-Fan zu sein. Diese grossen Erfolge
gab’s damals noch nicht in München.”
“Schwierige Zeiten, he?! Hast du nun Eisenbahn gespielt oder Bayern geschaut, Eckart?!”
Pause.
“Ich glaube, du willst von deinen HSV-Sorgen
ablenken. Viel Spass dann nächste Saison, in
Sandhausen und Paderborn …”
Johannes greift nochmals in seine Mantel­
tasche. Diesmal zieht er eine Mütze raus.
“Oder Ingolstadt”, schiebt Eckart nach. “Die
spielen doch auch in der Zweiten Liga.”
Johannes reagiert nicht: “Schau die Touristen.
Jetzt sitzen sie alle im warmen Schiff drin.
Wie feige.”
“Weisst du noch in Ingolstadt? Die wunder­
bare Hochzeit von Hans und Hilde? Da bist
du noch in die Donau gesprungen in deinem
Leichtsinn. ’Ich liebe Ingolstadt!’ hast du
geschrien.”
Jetzt lacht Johannes auf. “Stimmt! Das war
ein tolles Wochenende. Da müssten wir
wieder mal hinfahren. Wo genau liegt das
schon wieder?”
“In Bayern.”
“Ach.”
“Oberhalb von München. Es gibt gute
Verbindungen mit der Bahn. Wie wär’s
mit Samstag?”
“Unmöglich. Da empfängt Hamburg Borussia
Dortmund.” Å
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
T H E F I FA W E E K LY
1
Xherdan Shaqiri
(22/Bayern München/Mittelfeld)
2
Lorik Cana
(30/Lazio/Mittelfeld)
3
Adnan Januzaj
(18/Manchester United/Mittelfeld)
4
Granit Xhaka
(21/Mönchengladbach/Mittelfeld)
5
Valon Behrami
(28/Napoli/Mittelfeld)
6
Ilir Berisha
(22/Örebro/Verteidiger)
7
Blerim Dzemaili
(27/Napoli/Mittelfeld)
8
Almen Abdi
(27/Watford/Mittelfeld)
9
Besart Berisha
(28/Melbourne Victory/Stürmer)
10
Ardian Gashi
(32/Helsingborg/Mittelfeld)
11
Ilir Azemi
(22/Greuther Fürth/Stürmer)
* Die FIFA erlaubt seit diesem Jahr Freundschaftsspiele mit Beteiligung von Vereinen
und Verbandsmannschaften des Kosovo.
Allerdings dürfen die kosovarischen Teams
keine nationalen Symbole (Fahnen, Embleme)
präsentieren oder Nationalhymnen abspielen.
Über eine Aufnahme des Fussballverbands
von Kosovo (FFK) wird frühestens dann
entschieden, wenn der Kosovo von der Uno
als Nation anerkannt wird.
Gibt es noch weitere Kandidaten? Wie sieht
Ihr kosovarisches D
­ ream-Team aus?
Ihre Meinung an:
[email protected]
29
DAS INTERVIEW
“Ich weiss nicht,
ob Brasilien gut genug ist”
Lucien Favre, Coach in Mönchengladbach, wurde zum besten Trainer der
Bundesliga-­Vorrunde gewählt. Im Interview spricht er über die WM, über Bayern München
und fragt sich, wie lange die Champions League das Publikum noch begeistern kann.
Lucien Favre, Sie sind seit sieben Jahren in
Deutschland. War es ein Wechsel in die beste
Liga Europas?
Lucien Favre: Es ist eine andere Welt. Ob
es die beste Liga ist, kann ich nicht mit
Bestimmtheit sagen. Es ist eine der besten
Ligen, das ist klar. Als französischsprachiger
Trainer habe ich eigentlich nicht damit ge­
rechnet, in der Bundesliga zu landen. Meine
Gedanken waren in Frankreich, vielleicht
Spanien. Dank des grossen Erfolges, den ich in
Zürich feiern durfte, kam dann der Anruf aus
Berlin. Ich habe lange gezögert. Auch weil ich
sehr am FCZ hing. Doch dann habe ich mir
gesagt: “Lucien, du hast ein Angebot aus der
Bundesliga!” Ich musste es annehmen.
Hat Sie die Bundesliga verändert? Inwiefern ist
Lucien Favre ein anderer als noch 2007?
Ich habe immer versucht zu lernen – egal
wo ich war. Wenn man nicht allzu dumm ist,
kommt man weiter, entwickelt sich. Und ich
habe mich immer wieder selbst überrascht.
Ich bin gewachsen, kenne meine Qualitäten,
bin aber auch in der Lage, meine Schwächen
zu sehen. Vor allem in der Beziehungsarbeit
habe ich dazugelernt. Die Kommunikation
mit Spielern, Mitarbeitern, der Presse, dem
Verband und allen weiteren Akteuren ist von
enormer Wichtigkeit.
Nicht nur Sie haben sich verändert, sondern
auch der Fussball. Er ist in den letzten Jahren
schneller, dynamischer, athletischer geworden.
Hat Sie das als Trainer beeinflusst?
Nach wie vor ist das Training das Wich­
tigste. Aufgrund seiner Qualität und der
Leistung, die wir da erbringen, erhalten wir
am Wochenende unsere Resultate. Doch
andere Aspekte sind dazugekommen.
der Schnelligkeit hat sich auch die Intensität
verändert. Wir müssen an der Technik des
Spielers feilen, an seinen Bewegungen, seiner
Antrittskraft und seiner mentalen Stärke.
sind seit Jahren an der Spitze, national wie
international. Dies wird auch so bleiben.
Bayern ist ein professionell geführter Verein,
der praktisch alles richtig macht.
Gibt es den perfekten Spieler?
Sie haben einmal gesagt, dass Bayern für die
Bundesliga gefährlich werden kann. Warum?
Perfektion gibt es nicht. Und es wird sie
zum Glück nie geben. Wir können bloss
versuchen, uns ihr anzunähern. Was ein guter
Spieler mitbringen muss? Technik, Schnellig­
keit, Beidfüssigkeit und Intelligenz. Er muss
lernen, schnell zu denken und das Spiel zu
lesen. Messi kommt dem heute am nächsten.
Sie sind bekannt dafür, jungen Spielern eine
Chance zu geben. Worin sehen Sie da Ihre
Verantwortung?
Es ist wichtig, für ihre ersten Einsätze den
richtigen Moment zu wählen, denn die Konse­
quenzen können fatal sein. Der psychologische
Aspekt ist immens. Man muss zu viel Druck
vermeiden und die Spieler Schritt für Schritt an
diese Aufgabe heranführen. Es gilt, darauf zu
achten, dass die Spieler nicht verheizt werden.
Ganz allgemein ist es für mich zentral, nahe am
Spieler und der Mannschaft zu sein. Ich muss
sie spüren. Für den Spieler ist es wichtig, die
Aufrichtigkeit seines Trainers zu spüren.
Wie schwierig ist es, dass man als Trainer
Spieler formt, um sie dann an einen anderen
Klub zu verlieren?
So ist das Leben und so ist auch der Fuss­
ball. In einem Verein wie Mönchengladbach
müssen wir lernen, mit dieser Tatsache zu
leben. Wir werden nie mit Bayern, Dortmund
oder Leverkusen konkurrieren können – zu­
mindest nicht, was die finanziellen Rahmenbe­
dingungen betrifft.
Die da wären?
Apropos Bayern München. Führt ein Weg an
diesem Verein vorbei?
Als Trainer musst du die Psychologie des
Spiels verstehen. Der Fussball ist ein Spiegel
der Gesellschaft. Heute ist alles schneller, die
Züge, die Flugzeuge, die Arbeit und eben auch
der Fussball. Wir müssen uns anpassen. Neben
Bayern hat für 37 Millionen Goetze ge­
kauft und im Sommer kommt Lewandowski.
Mit allen Transfers haben sie nicht nur sich
selbst gestärkt, sondern auch ihre Konkurrenz
geschwächt. Bayern ist keine Eintagsfliege. Sie
30
T H E F I FA W E E K LY
Es geht nicht nur um die Bundesliga und
Bayern, sondern ganz generell um den Fuss­
ball. Der Unterschied zwischen den Vereins­
budgets ist zu gross. Und er ist gefährlich. Die
Champions League mag ja schön sein, aber sie
schafft auch grosse Diskrepanzen. Klubs, die
weit kommen, verdienen unglaublich viel
Geld. Geld, das andere Vereine so nicht
beschaffen können. Zudem frage ich mich,
wie lange die Champions League die Men­
schen noch begeistern kann. Es sind jedes
Jahr diesselben Klubs: Barça, Real, Milan,
Juve, Bayern …
Können Sie sich vorstellen, dem Klubfussball
einmal den Rücken zu kehren, um eine Nationalmannschaft zu übernehmen?
Ja. Es ist eine ganz andere Aufgabe, aber
sie würde mich reizen. Als Ottmar Hitzfeld
seinen Rücktritt als Schweizer Nationaltrai­
ner verkündet hat, habe ich sofort Klarheit
schaffen wollen. Der Moment ist für mich der
falsche, aber prinzipiell … einmal die Schweiz
trainieren? Ja, warum nicht!
Wen sehen Sie bei der Weltmeisterschaft in
Brasilien als Favorit?
Ein südamerikanisches Team wird gewin­
nen, das ist für mich klar. Die Europäer
haben auf diesem Kontinent nie triumphie­
ren können. Ob es Brasilien ist, wage ich zu
bezweifeln. Die Seleção ist eine gute Mann­
schaft, das steht ausser Frage. Aber ich weiss
nicht, ob sie gut genug ist. Ihr fehlt ein
Spieler mit dem Format eines früheren
Ronaldo. Die Argentinier hingegen könnten
es schaffen, wenn sie ihre Abwehrprobleme
in den Griff bekommen. Å
Mit Lucien Favre sprach Sarah Steiner
Name
Lucien Favre
Geburtsdatum, Geburtsort
2. November 1957, Saint-Barthélemy (Schweiz)
Stationen als Spieler
1976–1979 FC Lausanne-Sport
1979–1981 Neuchâtel Xamax
1981–1983 Servette FC
1983–1984 FC Toulouse
1985–1991 Servette FC
David Klammer / laif/ Keystone
Stationen als Trainer
1991–1994 FC Echallens
1999–2000 Yverdon-Sport FC
2000–2002 Servette FC
2003–2007 FC Zürich
2007–2009 Hertha BSC
2011–Borussia Mönchengladbach
Grösste Erfolge als Trainer
Schweizer Cupsieger (2001, 2005),
Schweizer Meister (2006, 2007),
Trainer des Jahres (Schweiz: 2006, 2007;
Deutschland: 2009, 2011)
T H E F I FA W E E K LY
31
ZEITSPIEGEL
T
H
E
N
Bad Neuenahr,
Deutschland
1976
Imago
Pionierinnen. Die Schwestern Charlotte (l.) und Christa Nüsser gehören
in den 1970er-Jahren zu den ersten Stars im deutschen Frauenfussball.
1975 mit dem SC Bonn und 1978 mit dem SC Bad Neuenahr gewinnen
sie die deutsche Meisterschaft. Damit sind sie echte Vorkämpferinnen
im Zuge der sportlichen Emanzipation. Der deutsche Fussball-Bund
hebt das Verbot von Frauenfussball erst am 31. Oktober 1970 offiziell
auf. Die Nüssers gelten als technisch hochbegabt und taktisch sehr
versiert. Doch eine Frage bleibt: Wer ist ihr Frisör?
32
T H E F I FA W E E K LY
ZEITSPIEGEL
N
O
W
Wolfsburg,
Deutschland
Boris Streubel / Bongarts / Getty Images
2013
Seriensiegerinnen. Vierzig Jahre später führen Alisa (l.) und
­Laura Vetterlein die Tradition der fussballspielenden Schwestern
auf höchstem Niveau fort. Mit dem VfL Wolfsburg räumen sie
die Schalen, Pokale und Medaillen stapelweise ab – gewinnen
unter anderem nationale Meisterschaft, Pokal und die europäische
Champions-League. Beim VW-Werksklub ist die Gleichberechtigung so weit fortgeschritten wie in kaum einem anderen Verein.
Allerdings gibt es einen grossen Unterschied zwischen den
Geschlechtern: Die Frauen sind (viel) besser.
T H E F I FA W E E K LY
33
Only eight countries have ever
lifted the FIFA World Cup Trophy.
Yet over 200 have been
winners with FIFA.
As an organisation with 209 member
associations, our responsibilities do not end
with the FIFA World Cup™, but extend to
safeguarding the Laws of the Game, developing
football around the world and bringing hope to
those less privileged.
Our Football for Hope Centres are one example
of how we use the global power of football to
build a better future.
www.FIFA.com/aboutfifa
DAS FIFA-R ANKING
Rang Team
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
18
20
21
22
23
24
25
26
27
27
29
30
31
32
33
34
35
35
37
38
38
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
62
64
65
66
67
68
69
70
70
72
73
74
75
75
77
Rang­veränderung Punkte
Spanien
Deutschland
Argentinien
Portugal
Kolumbien
Schweiz
Uruguay
Italien
Brasilien
Niederlande
0
0
0
1
-1
2
-1
-1
1
-1
1506
1314
1255
1219
1211
1159
1157
1135
1125
1122
Belgien
Griechenland
USA
Chile
England
Kroatien
Bosnien und Herzegowina
Ukraine
Frankreich
Dänemark
Mexiko
Russland
Elfenbeinküste
Ecuador
Schweden
Algerien
Slowenien
Kap Verde
Serbien
Armenien
Tschechische Republik
Panama
Rumänien
Schottland
Costa Rica
Venezuela
Ghana
Ägypten
Iran
Honduras
Peru
Türkei
Österreich
Ungarn
Tunesien
Kamerun
Nigeria
Island
Paraguay
Japan
Wales
Montenegro
Australien
Slowakei
Albanien
Israel
Usbekistan
Vereinigte Arabische Emirate
Mali
Norwegen
Republik Korea
Burkina Faso
Guinea
Südafrika
Finnland
Senegal
Republik Irland
Libyen
Jordanien
Polen
Bolivien
Bulgarien
Sierra Leone
Marokko
Sambia
Saudiarabien
Trinidad und Tobago
0
0
1
1
-2
0
2
0
2
5
0
0
-6
-1
1
1
2
8
1
8
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4
0
3
-3
4
-13
-7
-4
3
1
3
4
2
-1
4
-6
1
2
-2
4
0
3
6
1
7
8
5
-19
-1
-8
-4
-1
-10
1
2
0
-6
3
7
-1
2
3
0
-6
-2
1
1117
1084
1044
1038
1032
966
919
917
917
907
887
862
841
831
821
819
799
799
775
771
760
754
746
742
734
734
733
729
729
716
704
703
678
673
656
626
616
613
603
601
598
594
576
574
571
570
569
565
561
557
556
554
554
550
540
529
528
523
514
494
494
486
484
454
450
450
444
Rang
Sept. 2013
Okt. 2013
Nov. 2013
→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html
Dez. 2013
Jan. 2014
Feb. 2014
1
-41
-83
-125
-167
-209
78
79
80
80
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
91
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
111
113
114
115
116
117
118
118
120
121
122
123
124
124
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
Platz 1 Aufsteiger des Monats El Salvador
Haiti
Oman
Jamaika
Belarus
EJR Mazedonien
Uganda
Nordirland
Kongo
Gabun
VR China
Neuseeland
Togo
DR Kongo
Estland
Aserbaidschan
Botsuana
Angola
Liberia
Benin
Kuba
Katar
Simbabwe
Äthiopien
Litauen
Georgien
Niger
Zentralafrikanische Republik
Bahrain
Moldawien
Kenia
Kuwait
Tadschikistan
Lettland
Dominikanische Republik
Kanada
Irak
Malawi
Tansania
Neukaledonien
Mosambik
Äquatorial-Guinea
Luxemburg
Libanon
Zypern
Sudan
Namibia
Burundi
Guatemala
Philippinen
Kasachstan
Turkmenistan
Myanmar
Malta
Suriname
Syrien
Ruanda
Grenada
DVR Korea
Gambia
Afghanistan
Lesotho
Tahiti
St. Vincent und die Grenadinen
Belize
Vietnam
Hongkong
T H E F I FA W E E K LY
10
0
-1
1
1
1
3
5
-1
-2
4
2
-19
-10
2
1
3
-6
1
2
2
2
5
-6
1
-1
0
2
4
-11
1
-3
3
5
3
-2
1
2
2
4
2
-10
2
2
3
-4
1
0
-14
0
0
4
-1
-1
0
2
-4
-1
-1
1
0
-1
1
14
10
0
-7
Absteiger des Monats (Togo)
Absteiger des Monats (Mali)
436
430
426
426
423
402
400
397
393
386
380
378
376
373
373
372
360
356
354
335
334
331
330
329
326
325
316
310
308
305
300
299
285
282
282
275
269
268
254
252
251
251
247
243
240
236
234
234
229
219
214
203
200
199
197
196
195
194
191
190
184
182
179
177
176
172
170
144
146
147
148
148
150
150
150
153
154
154
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
172
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
184
186
187
187
189
190
190
190
193
194
194
196
196
198
198
200
200
202
203
204
205
206
207
207
207
Palästina
Antigua und Barbuda
Thailand
St. Lucia
Kirgisistan
Liechtenstein
Singapur
Malaysia
St. Kitts und Nevis
Indien
Guyana
Laos
Puerto Rico
Indonesien
Mauretanien
Guam
São Tomé und Príncipe
Tschad
Malediven
Bangladesch
Pakistan
Dominica
Nicaragua
Barbados
Nepal
Chinese Taipei
Sri Lanka
Aruba
Färöer
Salomon-Inseln
Bermuda
Seychellen
Mauritius
Curaçao
Vanuatu
Mongolei
Fidschi
Samoa
Guinea-Bissau
Swasiland
Bahamas
Jemen
Madagaskar
Montserrat
Kambodscha
Brunei Darussalam
Osttimor
Tonga
Amerikanische Jungferninseln
Cayman-Inseln
Papua-Neuguinea
Britische Jungferninseln
Amerikanisch-Samoa
Komoren
Andorra
Eritrea
Macau
Südsudan
Somalia
Dschibuti
Cook-Inseln
Anguilla
Bhutan
San Marino
Turks- und Caicos-Inseln
-2
-2
1
-2
-2
6
-1
4
-3
2
-3
-3
-1
3
-14
2
-1
2
0
0
7
1
-8
-2
3
-3
-2
-2
-2
-2
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0
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0
0
1
1
1
1
2
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-6
0
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0
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0
0
1
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0
0
0
0
0
0
0
170
164
158
155
155
152
152
152
150
149
149
146
141
135
127
123
122
121
120
116
107
103
102
101
98
97
90
87
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0
35
NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Muss das AusländerKontingent wieder
eingeführt werden?
Frage von Alex Wild, New York (USA)
Perikles Monioudis
A
uf keinen Fall. Diese Frage stellt sich für
mich nicht. Wir leben in einer freien
Marktwirtschaft und auch der Fussball
hat sich weiterentwickelt. Und er bewegt
sich in die richtige Richtung. Ich weiss
aber, worauf Sie anspielen. Da ist eine
gewisse Tradition verloren gegangen. Oft stehen wenige oder gar keine einheimischen Akteure mehr in der Startformation einer Mannschaft. Das ist aber nicht weiter schlimm, solange
sich der Spieler selbst in die Verpflichtung
nimmt und sich mit seinem Klub identifiziert.
Zu meiner Zeit durften die Trainer zwei
Ausländer einsetzen. Diese Regelung beeinflusste die gesamte Transfermentalität eines
Klubs. Es war in Europas S
­ pitzenvereinen üblich, die Fans alle zwei Jahre mit einer Attraktion aus dem Ausland zu verwöhnen. Blieb ein
grosser Transfer aus, konnte es unruhig werden
im Umfeld.
Erstaunlich ist, dass die Abschaffung des
Ausländer-Kontingents in den meisten ­Ländern
akzeptiert wurde. Gerade in England hätte ich
dies nicht für möglich gehalten, weil sich die
36
Briten hinsichtlich neuer Regeln ungern verbiegen. Der englische Fussball konnte von der
Modernisierung aber sehr profitieren. Das
­
­Niveau in der Premier League, wo die besten
Trainer der Welt arbeiten, ist sehr hoch.
Traditionen in Ehren – aber Ausländer-­
Kontingente sind auch im Fussball nicht mehr
zeitgemäss. Å
Was wollten Sie schon immer über
Fussball wissen? Fragen Sie Günter
Netzer: [email protected]
T H E F I FA W E E K LY
Alamy / Mauritius
Anstoss in Düsseldorf Jupp Heynckes, Heino und Günter Netzer (v.l.) bei einem
Benefizspiel (30. Dezember 1972).
Das erfolgreiche Tiki-Taka, das der FC Barcelona und das spanische Nationalteam in der jüngeren Vergangenheit praktiziert haben, gründet auf einer eigentümlichen Version des
Spiels: dem Fussball in der Halle. Denn das
ausgeprägte Kurzpassspiel, das Wichtigste
beim Tiki-Taka, lernt man im Futsal besonders
früh und besonders gründlich. Und das im
Futsal übliche 4 gegen 4 ist auch im Rasenfussball ein wiederkehrendes Motiv.
Die Grundsituation im 4 gegen 4 sieht vor,
dass auf engstem Raum in hohem Spieltempo
dem Ballführenden stets zwei Anspielstationen
geboten werden. Das hat zur Konsequenz, dass
der Ball im Dreieck gespielt wird. Die Spieler
legen mit dem Ball Dreiecke hin, bis der öff­
nende Pass in die Tiefe möglich wird.
Anders gesagt: Die 1-2-1-Formation, die
beim 4 gegen 4 gebildet wird, entspricht einer
Raute. Setzt man dieser Raute eine weitere
Raute an, entsteht ein Mittelfeld in der Form
eines Diamanten, der aus unterschiedlichen
beweglichen Rauten besteht – und zu einem
schillernden Spiel führt.
Alle Spieler des FC Barcelona üben das 4
gegen 4 bis zum Alter von zwölf Jahren exzessiv, und viele Spanier, darunter die Weltmeister
Iniesta und Xavi, bekamen ihren ersten Spielerpass im Futsal. Was sie heute auf den Rasen
zaubern, haben sie in der Halle gelernt.
Im Idealfall nimmt das Tiki-Taka das
Wesen eines Flipperkastens der alten Art an.
Der Ball (die Kugel) wird eingeworfen und
springt von Nagel zu Nagel. In einem zufällig
wirkenden Katarakt gelangt der Ball in die
Nähe des Tors am unteren Rand – im abgebildeten englischen Flipperkasten aus den
50er-Jahren (FIFA-Sammlung) mit “Goal” gekennzeichnet. Das Spiel ist allerdings selten so
spannend wie ein gut aufgezogenes Tiki-Taka. Å
TURNING POINT
“Mit 17
wurde ich
zum Mann”
Aufgewachsen in Neukaledonien,
packte Christian Karembeu 1988
seine Koffer und machte sich auf
die Reise ins 20 000 Kilometer
­entfernte Frankreich.
Name
Christian Karembeu
Geburtsdatum, Geburtsort
3. Dezember 1970,
Lifou (Neukaledonien, Frankreich)
Position
Mittelfeld, Abwehr
Lukas Maeder / 13 Photo
I
ch habe 17 Brüder und Schwestern. Der
Kontakt zu ihnen ist nie abgerissen, sie
sind meine Familie, da ist es für mich nur
normal, dass wir regelmässig telefonieren
und uns sehen. Wo hingegen mein Zuhause
ist, ist schwierig zu definieren. Heimat ist
jeweils da, wo ich gerade bin. Meine Wurzeln
hingegen sind in Neukaledonien, ich bin ein
Kind der Insel. Meine Kindheit habe ich da
verbracht, nach der Messe mit meinen Freunden Fussball auf dem Dorfplatz gespielt, war
in der hiesigen Fussballakademie.
In den 80er-Jahren führten die Bestrebungen nach Unabhängigkeit auf den Inseln zu
Unruhen. Diese Zeiten waren nicht einfach.
Meine Eltern haben mich gebeten, das Land zu
verlassen. Durch den Fussball hat sich mir diese
Möglichkeit geboten. Dafür bin ich dankbar
und demütig. Auch wenn die Beziehungen zum
Mutterland nicht immer reibungslos verliefen,
sind wir alle mit Frankreich verbunden. Wir
gehören zu Frankreich, sind Franzosen. Trotzdem war es alles andere als einfach, als ich
dann mit 17 Jahren die Insel verliess, um mein
Glück in Nantes zu versuchen. Die Reise kostete
mich 72 Stunden. Knappe 20 000 Kilometer
von meinem Zuhause entfernt, war ich nun
plötzlich auf mich alleine gestellt. Natürlich
waren da Menschen, die für mich verantwortlich waren, die zu mir geschaut haben, aber
prinzipiell wurde von mir verlangt, nun erwachsen zu sein. Da war niemand mehr, der
mich am Morgen weckte, um rechtzeitig in der
Schule zu sein. Ich musste Verantwortung
übernehmen – mit 17 wurde ich zum Mann.
In Frankreich unterscheidet sich alles von
Neukaledonien. Das Klima, die Menschen, das
Zeitgefühl. Ich weiss noch, wie ich im Car zu den
Auswärtsfahrten immer ganz vorne neben dem
Trainer sass und ihn fragte “Coach, wo gehen
wir hin? Nach unten oder nach oben?” Für ihn
Vereine
FC Nantes, Sampdoria Genua,
Real Madrid, FC Middlesbrough,
Olympiakos Piräus, Servette Genf,
SC Bastia
Nationalteam Frankreich
53 Einsätze, 1 Tor
war völlig unverständlich, was ich damit sagen
wollte. Aber bei uns Zuhause kennen wir keine
Himmelsrichtungen, wir gehen entweder hoch
Richtung Berg, oder runter Richtung Strand.
Die Zeit in Nantes war unglaublich lehrreich – in
allen Belangen.
Ich habe in meiner Karriere viel erreicht.
Ich war bei Real Madrid, wurde mit Frankreich
Welt- und Europameister, gewann den Confederations Cup. Das sind Titel, die man nie vergisst. Es ist der Höhepunkt einer jeder Karriere, davon träumt jeder Fussballer. Ich habe
mich immer als Franzose gefühlt, und war aus
diesem Grund auch immer sehr stolz, dass blauweiss-rote Dress zu tragen. Doch neben meinem Fussballerdasein war ich aber vor allem
Mensch. Ich war stets vielseitig interessiert
und habe mich für meine Überzeugungen einT H E F I FA W E E K LY
gesetzt. Als die französische Regierung ihre
Atomwaffentest im Südpazifik lancierte, war
mir klar: Du musst dich dagegen auflehnen.
Auch hier spielt meine Herkunft eine Rolle. Ich
stamme von einem Volk ab, dessen wichtigste
Nahrungs- und Einnahmequelle das Meer ist.
Es ist untragbar, dieses fahrlässig zu zerstören.
Respekt ist das Schlüsselwort – gegenüber unserem Planeten und unseren Mitmenschen.
Das ist die wichtigste Botschaft, die mir meine
Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Å
Aufgezeichnet von Sarah Steiner
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
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und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer
Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Hellmuth-Hirth-Straße 1, 73760 Ostfildern (www.dat.de)
unentgeltlich erhältlich ist.
The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
Fédération Internationale de Football
Association (FIFA)
FIFA - R ÄT SEL - CUP
Internet:
www.fifa.com/theweekly
Zwei Clubs wollen Weltmeister werden und Coca-Cola in schwarz-weiss – raten Sie mit!
Herausgeberin:
FIFA, FIFA-Strasse 20,
Postfach, CH-8044 Zürich
Tel. +41-(0)43-222 7777
Fax +41-(0)43-222 7878
Präsident:
Joseph S. Blatter
Generalsekretär:
Jérôme Valcke
Y Azteca
1
Direktor Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
H Maracanã
C Wembley
W Hampden-Park
Welches war - gemäss Schätzung der FIFA - das WM-Endspiel, mit den vermutlich meisten
Besuchern im Stadion?
Chefredakteur:
Thomas Renggli
Art Director:
Markus Nowak
2
Redaktion:
Perikles Monioudis (Stv. Chefred.),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
Es gibt Länder, die im Elfmeterschiessen häufig untergehen, wie etwa
England. Welches Fussball-Nationalteam der Männer schied zuletzt
durch Elfmeterschiessen in einem Weltturnier aus?
A Grossbritannien
O England
Ständige Mitarbeiter:
Jordi Punti, Barcelona; David Winner,
London; Hanspeter Kuenzler, London;
Roland Zorn, Frankfurt/M.;
Sven Goldmann, Berlin;
Sérgio Xavier Filho, São Paulo;
Luigi Garlando, Mailand
Bildredaktion:
Peggy Knotz, Adam Schwarz
E Schottland
X Irland
3
Produktion:
Hans-Peter Frei (Leitung),
Richie Krönert,
Marianne Bolliger-Crittin,
Mirijam Ziegler, Susanne Egli,
Peter Utz
Das Logo von Coca-Cola in Schwarz-Weiss – das
gibt es fast nur hier. Wo?
R La Bombonera
L Camp Nou
N Anfield
I Allianz-Arena
Korrektorat:
Nena Morf
Redaktionelle Mitarbeit
in dieser Nummer:
Dominik Petermann, Alejandro
Varsky, Walter Gagg
Redaktionssekretariat:
Honey Thaljieh
Übersetzung:
Sportstranslations Limited
www.sportstranslations.com
Projektmanagement:
Bernd Fisa, Christian Schaub
Druck:
Zofinger Tagblatt AG
www.ztonline.ch
Getty Images / AFP
Kontakt:
[email protected]
Der Nachdruck von Fotos und
Artikeln aus dem The FIFA Weekly,
auch auszugsweise, ist nur mit
Genehmigung der Redaktion
und unter Quellenangabe
(The FIFA Weekly, © FIFA 2014)
erlaubt. Die Redaktion ist nicht
verpflichtet, unaufgefordert
eingesandte Manuskripte und Fotos
zu publizieren. Die FIFA und das
FIFA-Logo sind eingetragene
Warenzeichen. In der Schweiz
hergestellt und gedruckt.
S
4
O
E
D
Die komplette Elf, die im WM-Finale auflief, spielte für nur zwei Vereine aus der gleichen Stadt.
Für wen?
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: FAME (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly).
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 26. Februar 2014 an die E-Mail
[email protected]. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel
bis zum 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten
für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer
Antworten müssen die Teilnehmer die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren,
die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen:
http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf
T H E F I FA W E E K LY
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Gewinnt erstmals eine europäische
­Mannschaft in Südamerika die WM?
Welches war die bis anhin
effizienteste Leistung in der
Fussballgeschichte?
Yves Aegerter, Stallikon (Schweiz)
Antwort von Thomas Renggli,
Chefredaktor: Die Frage lässt
mehrere Antworten zu. Ich kann
das Beispiel des russischen Klubs
Alanija Wladikawkas anbieten:
Die Südrussen schafften in der
Saison 2010 den Einzug in die
Europa League – ohne ein Tor
(aus dem Spiel heraus) erzielt zu
haben. Im russischen Pokal
erreichten sie das Finale jeweils
nach einem 0:0 nach Verlängerung und Sieg im Elfmeterschiessen. Ausnahme war das
Viertelfinale gegen Saturn Moskau. Vor dem Spiel mussten die
Moskauer Insolvenz anmelden.
Alanija gewann Forfait. Im Finale
bekam es Wladikawkas mit
ZSKA Moskau zu tun. Weil der
Favorit aber als Meisterschaftszweiter bereits für den Europacup qualifiziert ist, stand auch
der Finalgegner vorzeitig im
internationalen Geschäft.
3
Auf der dreiwöchigen Atlantik-Überfahrt trotz viel frischer Luft die Form verloren: Frankreich scheitert an der
WM 1930 in Uruguay schon in der Vorrunde. Geht es den Europäern diesmal besser?
Meinungen an: [email protected]
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE
Braucht es ein Videourteil, um
ein Strafmass nachträglich
erhöhen zu können?
Getty Images, AFP
AUF DEM S TEUER AMT
Millionen Euro hat Diego Maradona
dem italienischen Fiskus als Vergleichszahlung für seine Steuerschulden angeboten. Dieser Betrag
liegt deutlich unter den geforderten
40 Millionen. Der Weltmeister
a. D. möchte die Sache so
schnell wie möglich vom
Tisch haben. Denn er hat
bei der SSC Napoli grosse
Pläne: Er möchte den
Klub, mit dem er als
Spieler zweimal
Meister wurde, gemäss eigenen
Aussagen nun als Trainer zu
altem Ruhm zurückführen. Ein
Bewerbungsgespräch fand allerdings noch nicht statt.
58%
Ja, es braucht ein Videourteil.
Nein, die Torlinientechnologie genügt vollkommen.
25%
Nein, technische Hilfsmittel widersprechen
dem Grundgedanken des Fussballs.
17%
13
AUF DEM ABSPRUNG
Titel hat Nadine Angerer schon
gewonnen – 7 mit der deutschen
National-Elf, 6 auf Klubebene. Gut
möglich, dass an diesem Wochenende der 14. dazukommt. Die
Weltfuss­ballerin des Jahres
steht mit ihrem australi-
AUF DEM SCHLEUDERSIT Z
143
Tage war der Holländer Bert van
schen Klub Brisbane Roar
Marwijk Trainer des Hamburger
im Finale der W-Le-
SV – bis zur 2:4-Niederlage gegen
ague. Für
die 35-jährige
Schlusslicht Braunschweig. Nach
der achten Niederlage in Serie zo-
Torfrau ist der
gen die Hanseaten die Notbremse.
Saisonhöhe-
Van Marwijk hatte den Posten auf
punkt auch der
dem Hamburger Schleudersitz am
persönliche Abschied von
25. September 2013 von Thorsten
“Down Under”.
Fink übernommen. Van Marwijk
Ab April fängt sie die
“feierte” in Braunschweig neben
Bälle für Portland
­seinem Ausstand auch ein Jubiläum.
Thorns in der amerika-
Es war sein 100. Bundesligaspiel als
nischen Liga.
Trainer. Champagner spendierte er
trotzdem keinen.
40
T H E F I FA W E E K LY

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