Landgasthaus mit Stil
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Landgasthaus mit Stil
Kostprobe Samstag, 26. März 2016 Nummer 72 - Seite Landgasthaus mit Stil Flüssiges Obst aus der Wetterau Angefangen hat alles mit den Äpfeln von den eigenen Streuobstwiesen. Mittlerweile keltert Wolfgang Lazar seit 30 Jahren die Früchte von Wetterauer Streuobstwiesen vom Berger Hang bis Ortenberg – von den eigenen sowie denen des BUND und des NABU. Denn dem Naturschutzgedanken ist es geschuldet, dass Lazar überhaupt mit dem Keltern begonnen hat. Mit viel Gefühl für Stil haben Nadine Grammel und ihr Partner Uwe Ortgies dem Rendeler Gasthaus Hock modernes Leben eingehaucht. In der Küche führt Jan Flamme Regie, der traditionelle hessische Gerichte ideen- und variantenreich modifiziert. Biologischer Anbau Von Ingrid Schick D ie beiden neuen Betreiber haben dem Hock eine Generalüberholung verordnet, dem Namen ein modern abgetrenntes Genitiv-S angehängt und jeden Raum nach eigenem Geschmack gestylt und eingerichtet. »Mit dem Abhängen der Neonreklame haben wir eine neue Speisekarte kreiert und den Namen modifiziert«, schmunzelt Uwe Ortgies über die Anfänge der Umgestaltung des Dorfgasthauses mit Kino und Tanzsaal – eröffnet im Jahr 1900 – zu einem einladenden Landgasthof. Den kannten die beiden Genießer und Feinschmecker bereits seit Jahren, allerdings weniger wegen der Küche, vielmehr als direkten Nachbarn. Als sich 2011 die Möglichkeit ergab, das Gasthaus zu übernehmen, haben Grammel und Ortgies nicht lange gezögert. Sie ist ein echtes »Hessemädsche« aus Limburg an der Lahn, er ein »Ingeplackter« aus Bremen, der bereits seit 27 Jahren in Hessen lebt. »Einen Landgasthof mit moderner hessischer Küche zu führen, das haben wir uns schon immer gut vorstellen können«, sagt die Chefin, die als Kauffrau und Betriebswirtin die besten kaufmännischen Voraussetzungen mitbringt, das Projekt erfolgreich zu führen. Der Lebenspartner kommt aus dem Marketing und mit Jan Flamme, der vom ersten Tag an die Küche leitet, sind sie ein gutes Team. Aber auch eigene gastronomische Gewinnspiel Heute verlosen wir drei Essensgutscheine à 50 Euro für das Gasthaus Hock in Karben-Rendel. Wer gewinnen möchte, schreibt eine EMail mit dem Stichwort »Kostprobe« an [email protected]. Postkarten sind ebenfalls willkommen: Marburger Straße 18-20, 35390 Gießen. Einsendeschluss ist Dienstag, 29. März. 69 Nadine Grammel und Uwe Ortgies verordnen dem Hock’s eine Generalüberholung. Erfahrungen bringen die beiden von regelmäßigen kulinarischen Events, Verkostungen und Themenabenden in ihrem früheren Möbelhaus und Büro für Innenausstattung mit. »Wir können jede Position im Restaurant besetzen, mein Partner an der Bar und im Service, ich auf allen Positionen in der Küche«, erklärt Nadine Grammel. Das Händchen für Design und Gestaltung bringen beide sowieso mit. Das kann man nicht nur in dem gerade fertig geworden Alpenstüberl, einem ganz heimeligen Separee für acht bis 14 Gäste, bewundern. Noch in Arbeit ist der alte Apfelweinkeller. Denn wie üblich, wurde auch beim Hock Apfelwein selbst gekeltert und ausgebaut. Hier lagern also noch zahlreiche alte Apfelweinfässer. Keltern wollen die neuen Inhaber nicht mehr. Den Apfelwein liefert die Familienkelterei Wenzel aus Altenstadt. Im Schein vieler Kerzen ist der historische Bruchsteinkeller nun eine ganz besondere Location für Verkostungen oder kleine Empfänge, beispielsweise mit Apfelsecco von Pomolo, einem Kelterer, der ebenfalls in Rendel ansässig ist. Die gemütliche Gaststube ist mit viel Liebe zum Detail und jeder Menge dekorativer Accessoires – von schönen Vasen bis alten Schränken, von Bildern bis Blumenarrangements, von alten Werkzeugen bis Lüster und Kerzenständer ausstaffiert. Im Vorführraum des alten Kinos haben die Inhaber nun ihr Büro. Der ehemalige Tanz- und Kinosaal wurde zur Eventlocation umgestaltet. An die 1000 Veranstaltungen jährlich – von der Geburtstags- und Hochzeitsfeier bis zu Jubiläen und geschäftlichen Veranstaltungen finden in dem großen Raum mit drei Bars und Kamin statt. Der Innenhof ist im Winter mit einem Dach abgedeckt, das im Sommer entfernt wird. So sitzt man hier jahreszeitlich ganz unterschiedlich, aber immer gut geschützt und gemütlich beim Schoppen. Zutaten aus der Region Schaut man auf die Liste der Lieferanten, stellt man fest, dass die Verbundenheit zur Region nicht aufgesetzt ist. Sogar Slow Food hat das Hock’s in den aktuellen GastroGuide aufgenommen. »Unser Anspruch ist es, die Region zu unterstützen und ehrliche, authentische Küche abzuliefern«, formuliert Ortgies. Zu den regionalen Lieferanten gehört neben Pomolo der Bauer Lenz, die Wetterauer Obstbrennerei Geckler, ebenfalls aus Rendel, der Kloppenheimer Margarethenhof und der Metzger Reutzel aus Heldenbergen. Mit all diesen regionalen Zutaten – und natürlich einigen überregionalen – kocht Jan Flamme modern Hessisch. Er stammt aus dem »Fürstentum« Waldeck, wie er zu Protokoll gibt. Flamme hat bereits in namhaften gastronomischen Betrieben wie dem Strückhaus in Willingen gearbeitet. Sein Souschef Tim Werner hat seinen Beruf auf Sylt gelernt und auch im Frankfurter (Fotos: Schick) Nobelhotel Jumeirah gearbeitet. Beide sind seit der Neueröffnung des Hock’s 2011 an Bord. »Dass wir von Anfang an mit dem gleichen Team arbeiten können und dürfen, das macht uns ein wenig stolz«, meint Ortgies. Mit ihrem Küchenteam haben die Inhaber originelle hessische Gerichte mit Pfiff kreiert, beispielsweise Presskopf-Carpaccio mit ApfelZwiebel-Vinaigrette, Bratkartoffeln und Salatsträußchen oder Schweinebraten mit Apfelbalsamico-Jus, Frankfurt-Kapuzinern (Semmelknödel mit den sieben Kräutern der Frankfurter grünen Soße) und Rotkohl. Auch der HHB – Hock’s Hessisch Burger – kommt mit regionalen und selbst gemachten Zutaten auf den Tisch: Saftiges Rinderfilet auf einem hausgebackenen Brötchen, belegt mit Bacon, gerösteten Zwiebelringen, hausgemachter Frankfurter Grüne-Soße-Mayonnaise und selbst geschnippelten Pommes, wahlweise mit CheddarCheese oder die regionale Variante mit Handkäse überbacken. Auch für Veganer und Vegetarier gibt es eine umfangreiche Auswahl wie cremiges Erbsen-Wasabi-Süppchen, dekoriert mit Radieschenstiften und glatter Petersilie, oder Schnitzel mal anders, nämlich vom Sellerie und dazu hausgemachter Kartoffelstampf und Frankfurter grüne Soße. ✘ Hock’s Restaurant, Gronauer Weg 9, 61184 Karben, Öffnungszeiten: Mi.-So. 17.30 bis 22 Uhr, So. 12 bis 15 Uhr , Telefon 06039/93785, www.hocks-restaurant.de »Streuobstwiesenretter sind Umweltschützer«, sagt er. Im Laufe der Jahre hat sich ein rein biologisch arbeitender Betrieb entwickelt. »Qualität und Geschmack hängen stark von der Güte der verarbeiteten Früchte ab. Diese sichert der eigene Anbau. In der Wetterau wachsen unsere Äpfel auf hochstämmigen Bäumen. Die Bewirtschaftung der Streuobstwiesen erfolgt nach biologischen und ökologischen Leitlinien. So werden die Wiesen unter den ausladenden Baumkronen vor allem durch weidende Schafe kurz gehalten und nur einmal im Jahr gemäht«, erklärt Lazar. »Bienenvölker von ortsansässigen Imkern bestäuben die Blüten. Und die Ernte ist reine Handarbeit.« Alkoholfreie Kreationen Jeden Herbst werden aus den Früchten in der eigenen Kelterei sortenreine Obstsäfte gepresst, die frisch verkauft oder direkt weiterverarbeitet werden. Seit 2007 wird aus den Fruchtsäften Perlwein in einem Partnerbetrieb »verperlt«. Die gelungene Verbindung von frischem Fruchtaroma und spritzigem Geschmack der Obst-Perlweine prickelt länger auf der Zunge, als man denkt. ObstSecco von Pomolo gibt es mittlerweile in 18 verschiedenen Sorten – sortenreine Apfel-Secchi, ApfelQuitte oder Birnen-Secchi und Kirsch-Secco, aber auch alkoholfreie Kreationen, die vermehrt nachgefragt werden, wie Lazar feststellt. Apfelwein-Messe im April Die Obst-Perlweine von Pomolo sind vielfach ausgezeichnet, bei der internationalen Apfelweinmesse im Palmengarten im vergangenen Jahr beispielsweise gleich mit drei »Pomme d’Or«. Übrigens: Die internationale Apfelwein-Messe findet in diesem Jahr am 10. April im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens statt. Auch Wolfgang Lazar ist mit seinen Erzeugnissen wieder dabei. ✘ Weitere Informationen und Märkte im Internet unter www.pomolo.de. ick Üppiges Kunstwerk Traditionelles mit Pfiff Der Madeira von Barbeito hat es in sich Variation eines hessischen Gerichts von Jan Flamme Selten, sehr selten, können Weine wie Kunstwerke sein. Betörend, verlockend, unvergänglich. Monumenten gleich. Weine aus Madeira können das. Aber stehen sie nicht im Supermarkt in den lustigen Regalen mit den flüssigen Kochutensilien? Dort zumindest heißen sie auch Madeira. Doch diese verschnittenen Essenzen haben mit einem traditionellen Madeira nichts gemein bis auf den Ursprungsort, die kleine Vulkaninsel gut 900 Kilometer südwestlich von Portugal. Betörend, verlo- ckend und unvergänglich sind die reinsortigen Madeiras, die nach der traditionellen Canteiro-Methode bereitet werden. Dabei reift der mit Branntwein gespritete Stoff geduldig bei rund 50 Grad Celsius im Holzfass. Die Madeiras aus dem Hause Barbeito tun dies in 630-Liter-Gebinden aus alter französischer Eiche. Nach fünf Jahren zieht Mário Barbeito die flüssigen Pretiosen als »Reserva« auf die Flasche. Sie zaubern mit ihrem Süße-Säure-Spiel dem Genießer ein Lächeln ins Gesicht. Bestes Beispiel ist der nach der weißen Rebsorte benannte Boal. Ein mächtiger Süßsik Muzum wein mit feinem Wein Schmelz. Im Glas bernsteinfarben. Duft nach Feigen, Rosinen, gerösteten Nüssen und etwas Kakao. Am Gaumen üppig. Der intensive Fruchtgeschmack erinnert an Feigen, Pflaumenmus und getrocknete Aprikosen. Die Säure sorgt für gute Balance. Sie lässt den alkoholreichen Boal nicht eindimensional wirken. Das Finale ist würzig und dörrobstreich. Die »Reserva« firmiert bei Zimmertemperatur als Dessertwein von hohen Gnaden. Sie harmoniert mit Gorgonzola und macht auch zur Käsesahnetorte eine gute Figur. Kunstgenuss versüßt sie obendrein. Manfred Merz Weingut Barbeito, Boal »Reserva«, Madeira, 19 Prozent Alkohol, 17,90 Euro; Bezug über die Weinrebe in Gießen, Tel. 0641/970404 Zum flüssigen Kunstwerk die »Bilder einer Ausstellung« von Modest Mussorgsky. Lauschen Sie statt der Original-Klavierfassung des Meisters der dramatischen Orchesterversion von Maurice Ravel. Sie geht mit dem Boal runter wie Öl. Handkäse mit Cointreau Zutaten für vier Personen: 4 Handkäse 2 Birnen 2 EL Butter 1 Stamperl Cointreau 1 EL Zucker 2 EL Pinienkerne 2 Handvoll gemischte Blattsalate Pfeffer, Salz zum Würzen 2 EL Himbeeressig 3 EL Traubenkernöl Zubereitung 1. Die Birne in jeweils vier Spalten schneiden, bei mittlerer Temperatur in etwas Butter und ein wenig Zucker leicht karamellisieren. 2. Pinienkerne in einer separaten Pfanne anrösten. 3. In einer weiteren Pfanne den Handkäse bei niedriger Temperatur in etwas Butter zum Schmelzen bringen. Kurz vor dem Servieren mit etwas Cointreau ablöschen. 4. Jeweils einen Handkäse auf einem großen Teller halb über die Birnenspalten geben und mit den angerösteten Pinienkernen dekorieren. 5. Auf dem gleichen Teller ein mittelgroßes Salatsträußchen aus gemischten Salaten anrichten und mit einer Vinaigrette aus Traubenkernöl und Himbeeressig anmachen.