Inhalt - Bodensee
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Inhalt »Tristan und Isolde«: Nachdenken über das »süße Wörtlein: und« 7 Wagners Leben und Werk 11 Ein Leben in mehreren Biografien 11 Historische, biografische und werkspezifische Daten 14 Das Gesamtwerk als Spiegel von Wagners Persönlichkeit 17 21 Stoffgeschichte und Werkentstehung Der vorwagnersche Tristan-Mythos: Vom poetischen Höhenflug zum Absturz in der Schusterstube 22 Werkentstehung zwi schen Treibhaus-Asyl, Lagunen-Aufenthalt und Luzerner Hotel zimmer 25 Die Handlung 32 Die Figurenkonstellation 37 38 Die dramaturgische und die musikalische Gestaltung Der Stil des Librettos und sein sprachphilosophischer Hinter grund 39 Die Leitmotivtechnik 42 Spaziergang durch das Werk 46 Essay: Eine Mitleidstragödie des 19. Jahrhunderts 91 Die Uraufführung und musikalische Nachwirkungen 97 Werkrezeption durch Nichtaufführung 97 Die Münchner Urauf führung: Ein kontrovers diskutiertes Großereignis 99 Striche im »Tristan« und Folgeaufführungen zu Wagners Lebzeiten 100 Die Auswirkungen des »Tristan« auf Wagners weiteres Schaffen 101 Wagners Komponistenkollegen und der »Tristan« 102 Die Rezeption in Literatur, Kunst und Film 105 Die Interpretationsgeschichte auf Schallplatte und CD 111 Die Inszenierungsgeschichte 116 Die Frühphase: Loslösung von den szenischen Vorgaben des Librettos 116 Die Nachkriegszeit: Von der Entrümpelung zum theatralen Ritual 119 Um die Jahrtausendwende: Zwischen Dekonstruktion des Theaterraums, Psychoanalyse und Zeitver schiebung 122 126 Anhang Notenbeispiele *1 bis *34 126 Glossar 131 Zitierte und emp fohlene Literatur 133 Abbildungsnachweis 135 »Tristan und Isolde«: Nachdenken über das »süße Wörtlein: und« Elizabeth Taylor und Richard Burton: Zweimal verheiratet und zweimal geschieden, waren sie das Liebespaar des 20. Jahrhunderts. Eine skandal umwitterte Amour fou, aus der es kein Entkommen gab, weshalb die Taylor Jahre nach Burtons Tod resümierte: »Nach Richard waren die Männer in meinem Leben bloß dazu da, mir den Mantel zu reichen und die Tür aufzuhalten.« Liebesgeschichten wie diese sind es, die das »und« bereits im Titel führen. Zu allen Zeiten bewegten sie die Menschen, seit jeher wurden sie wieder und wieder erzählt, umgeschrieben und ausge schmückt. Einige dieser Und-Geschichten entstammen der Wirklichkeit, wie etwa die Affäre zwischen Caesar und Cleopatra, dann nach Caesars Ermordung das Liebesdrama um Cleopatra und Marcus Antonius, das nicht zuletzt von William Shakespeare dichterisch verklärt wurde. 1962, während der Dreharbeiten zu dem kolossalen Sandalenfilm über die stolze Pharaonin, schienen Kunst und Wirklichkeit sogar ineinander überzu gehen, als Cleopatra und Marcus Antonius ihren Filmkuss nicht abbrachen, obwohl die Kamera schon nicht mehr lief. Dieser sich über die Kamera hinwegsetzende Kuss markierte öffentlichkeitswirksam das Startsignal für die private Liaison zwischen Taylor und Burton. Ein anderer von der Wirklichkeit geschriebener Liebesroman mit »und« im Titel trägt die Überschrift Abaelard und Heloïse: Dieses Drama der Leidenschaft zwischen geistlichem »Wem der Traum der Liebe lacht«: Ian Herrn und Schülerin nahm zu Beginn des Storey und Waltraud Meier 2007 als Trisfrühen 12. Jahrhunderts mit der von He tan und Isolde in Patrice Chéreaus Inloïses Vormund veranlassten Entmannung szenierung an der Mailänder Scala. Abaelards eine schockierende Wende; zu 7 Ende war es deshalb aber noch lange nicht, wie einer der eindrucksvolls ten Briefwechsel des Mittelalters beweist. Andere dieser Und-Geschichten sind frei erfunden, und bei etlichen mischen sich Dichtung und Wahr heit. Wer weiß denn wirklich, wie es um den Dichter Petrarca und die schöne Laura, wie es um Dante und seine engelsgleiche Beatrice bestellt war? Dante wiederum setzte der unseligen Liebe zwischen Paolo und Francesca da Rimini in seiner Göttlichen Komödie ein Denkmal: Nachdem der hässliche und lahme Giovanni Anno 1285 seinen Bruder Paolo in den Armen seiner Ehefrau Francesca erwischt und beide getötet hat, fliegen deren Seelen dank Dante nun im Höllenwind Seit an Seit – treu über den Tod hinaus. So entstehen Mythen. Die Geburt eines modernen UndGeschichten-Mythos war jüngst erst zu erleben, als der Filmregisseur Ang Lee 2005 die Cowboys Ennis und Jack auf jenem Brokeback Mountain, der dem Film den Namen gab, an ihrer uneingestandenen Liebe leiden ließ. Umso erstaunlicher, dass bislang noch kein lesbisches Liebesepos Kultstatus erlangen konnte, nicht einmal Max Färberböcks zur Nazi-Zeit spielender und auf einem realen Geschehen basierender Film Aimée & Jaguar von 1999. Hier findet die Liebe zwischen der deutsch-jüdischen Journalistin und Widerstandskämpferin Felice Schragenheim (Jaguar) und ihrer Gefährtin Lilly Wust (Aimée), einer Mutterkreuzträgerin aus dem Mitläufermilieu der damaligen Machthaber, ein jähes Ende, als Felice 1944 von der Gestapo verschleppt wird. Die wohl berühmteste Und-Tragödie des Sprechtheaters brachte aber Shakespeare auf die Bühne, als er die Veroneser Jugendlichen Romeo und Julia traurig auf Nachtigall und Lerche lauschen ließ, weil der anbre chende Morgen ihr nächtliches Beisammensein beenden würde. Doch sind die Paare glückloser Liebe keinesfalls aufs Abendland beschränkt. Im Orient erzählen die Dichter seit der zweiten Hälfte des siebten Jahr hunderts die traurige Geschichte von Laila und dem Madschnun: Weil Qais und Laila nicht zueinander dürfen, wird Qais zum »Madschnun«, zum von Laila Besessenen, und verliert den Verstand. Auch reichen die Mythen über die unglücklich Liebenden weit zurück in die Vergangen heit. So weiß Ovid in den Metamorphosen von Pyramus und Thisbe, den Nachbarskindern verfeindeter Eltern aus Babylon, zu berichten, deren Blut die ursprünglich weißen Früchte des Maulbeerbaumes rot gefärbt haben soll. Und wen würde nicht das Ende der vom Troja-Überlebenden Aeneas verlassenen Karthagerkönigin Dido bewegen, wie es Vergil einst in solch bewegende Verse gefasst hatte, dass noch viele Jahrhunderte später zahllose Opern davon zehren sollten? Auch an Hero und Leander wäre zu erinnern und deren trauriges Sterben, da Leander nicht mehr 8 Stoffgeschichte und Werkentstehung Zunächst soll also die Geschichte des Tristan-Stoffes im Vordergrund stehen – mit einem Schwerpunkt auf jenen Quellen, die Wagner bekannt waren. Vorausgeschickt sei außerdem die Beobachtung, dass in Wagners Bühnenschaffen weder das Zeitstück eine Rolle spielt, noch dass er je – wie bis ins späte 18. Jahrhundert hinein üblich – Sujets der griechischrömischen Antike aufgegriffen hätte. Von den frühen Opern Das Liebes verbot und Rienzi einmal abgesehen, gehören lediglich die Meistersinger dem auf der Opernbühne des 19. Jahrhunderts häufig anzutreffenden historisierenden Genre an. Alle übrigen Werke behandeln märchen- bzw. sagenhafte oder mythische Stoffe. Voraussetzung dafür waren die Mittel alterverklärung der literarischen Romantik und in ihrem Gefolge die Bemühungen der damals noch jungen wissenschaftlichen Disziplin der Germanistik, das zugehörige Quellengut wieder zugänglich zu machen – durchaus in der Absicht, mit der Erschließung dieses nichtlateinischen und volkssprachlichen Quellenbestands zur nationalen Identitätsstiftung beizutragen. Auch Wagner wusste sich einem solchen das National gefühl stärkenden Kulturprogramm verpflichtet, wie mancher deutsch tümelnde Zungenschlag im Lohengrin oder den Meistersingern verrät. Doch greift Wagner auf die alten Stoffe noch aus einem anderen Grund zurück. In seiner Schrift Oper und Drama gibt er darüber Auskunft, indem er sich dem Begriff des Mythos zuwendet und ihn wie folgt de finiert: »Das Unvergleichliche des Mythos ist, daß er jederzeit wahr und sein Inhalt, bei dichtester Gedrängtheit, für alle Zeiten unerschöpflich ist. Die Aufgabe des Dichters war es nur, ihn zu deuten.« Das heißt anders gesagt, dass das in den alten Quellen überlieferte mythische Geschehen Urbilder menschlicher Erfahrungen vor Augen führt, die der dichterischen Interpretation verfügbar sind. Mehr noch: Um anschaulich zu werden, bedürfen die mythischen Bilder sogar des künstlerischen Zu 21 griffs. Damit drängt sich wiederum die Frage auf, welche Absicht Wag ner mit seiner Mythen-Deutung verfolgt. Darauf gab er in seiner 1851 entstandenen Schrift Eine Mitteilung an meine Freunde eine bündige Antwort: »Hiernach bestimmt sich ganz von selbst der Inhalt dessen, was der Wort-Tondichter auszusprechen hat: es ist das von aller Konvention losgelöste Reinmenschliche.« Der vorwagnersche Tristan-Mythos: Vom poetischen Höhenflug zum Absturz in der Schusterstube Eine Kunst, deren Leitidee das Reinmenschliche ist, indem sie Grund strukturen menschlicher Existenz zur Darstellung bringt, lässt freilich das Anliegen der nationalen Identitätsstiftung hinter sich. Da ist es dann unerheblich, woher der Mythos stammt, der im Kunstwerk sich konkre tisieren soll. Bezeichnenderweise liegen die Ursprünge der wohl bereits aufs 10. Jahrhundert zurückgehenden Tristan-Sage nicht im deutsch sprachigen Bereich. Keltischer Herkunft, wanderte sie über die Bretagne, vorgetragen von Trobadors und Spielleuten, in den französischen Sprach raum, sodass es um 1150 zur ersten schriftlichen, leider verschollenen Romanfassung der Estoire de Tristan eines unbekannten Autors gekom men ist. Hingegen ist die erste deutsche Fassung, der Tristrant des Eilhart von Oberge aus den 1190er-Jahren, vollständig erhalten, auch wurde er in Prosafassung zwischen 1484 und 1604 15-mal nachgedruckt. Im Gegen satz dazu sind die beiden französischen Versionen von Béroul (um 1190) und von Thomas von Britannien (vor 1175) nur fragmentarisch erhalten. Letztere Fassung kann aber inhaltlich durch zwei Versionen ergänzt werden, die in Abhängigkeit von Thomas’ Werk entstanden sind: die altnorwegische Tristans Saga ok Isöndar von 1226 und Wagners mittel alterliche Hauptquelle, der Tristan Gottfried von Straßburgs (um 1210). Gottfried, wohl ein Kleriker, schuf in über 19 000 mittelhochdeutschen Versen einen Roman, »den man innerhalb seiner Zeit und Welt getrost als eine Ungeheuerlichkeit wird bezeichnen können« (Peter Wapnewski, 2001). Denn nichts weniger schildert Gottfried hier als ein Paar, das zwar als ein Muster an Schönheit, Vollkommenheit und höfischer Lebensart beschrieben ist, das jedoch um der Liebe Willen alles außer Kraft setzt, was die Welt des Hofes zusammenhält. Es würde zu weit führen, die episodenreiche Handlung en détail Revue passieren zu lassen. Und so übergehen wir die Liebesgeschichte von Tristans Vater Riwalin und seiner 22 Was wir hier im Detail beobachtet haben, ist für die ganze TristanPartitur symptomatisch. Die Tonarten werden nicht nur durch Chromatik, sondern auch durch harmonische Tricks verschleiert. Damit werden die für stabile harmonische Verhältnisse sorgenden Schlussformeln, die Ka denzen, herausgezögert oder ganz ver »Daß ganz ich heut genese!« In Luc mieden. Beispielsweise wird mit Blick auf Percevals Stuttgarter Inszenierung von 2004 kommentieren LibrettoeinblendunTakt 17 alsbald deutlich, dass F-Dur im gen, wie hier zum Schluss des 1. Akts, weiteren Verlauf nicht trugschlüssig, son das Geschehen. dern subdominantisch zu verstehen ist und auf C-Dur zielt. Der Hörer ist sich also nie sicher, auf welchem tonalen Fundament die Musik eigentlich steht oder welchen tonalen Zielpunkt sie ansteuert, obgleich, wie sich gleich zeigen wird, durchaus tonale Festlegungen den Klangverlauf strukturieren. Innerhalb des Vorspiels kommt dem Takt 17 die Funktion eines Gelenks zu; mit ihm hat Wagner uns nämlich bereits in den Hauptteil ge lotst und damit den Übergang kaschiert. Damit erfolgt nun auf die Fragen des Prologs im Hauptteil die lang herausgezögerte Antwort. Sie bietet sich im fließenden Melos der Celli als Kantilene dar. Diese sangliche Weise wird im Bühnengeschehen mit einer stummen Geste in Zusammenhang gebracht, mit Tristans liebendem Blick auf Isolde (*6). C-Dur ist hier aber 47 Steckbrief: Tristan Tristan: ein sprechender Name. Das triste Schicksal dieses traurigen Mannes klingt darin an, wie schon Gottfried von Straßburg in seinem TristanRoman hervorhebt. Ebenso greift Wagner des Dichters Hinweis auf Tristans familiäre Vorprägung zu leidvollem Los auf: Ist doch sein Vater bald nach Tristans Zeugung gestorben, die trauernde Mutter bei seiner Geburt. Klangsymbol dieser schicksalhaften Verknüpfung ist in der Oper eine alte Hirtenweise (*29). Die Weise wird damit in der Art einer Lebensmelodie ein tönendes Gleichnis für Tristans zum Leiden bestimmtes Dasein. Den Druck ererbter Vorbelastung verstärkt Wagner aber zum Todestrieb, sodass jeder Akt der Oper in einem Selbstmordversuch Tristans endet. Rückläufig deckt Wagner die Vorgeschichte dieses düsteren Schweigers auf, durch psychoanalytische Tiefenlotung, die den Helden in einem schmerzhaften Prozess der Selbsterkenntnis sein suizidales Lebensprogramms vor Augen führt. Tristans Todessucht ist noch ein anderes Streben beigesellt, sein Bedürfnis nach unverfälschter Wahrheit, die er in seinen Begegnungen mit Isolde zu finden glaubt, sobald er in ihre Augen blickt. Wagner hat diesen Blick bereits im Vorspiel in einer weit ausschwingenden, melancholischen Cello-Melodie (*6) eingefangen. Und so können wir uns Tristans wahnsinniges Unternehmen, Isolde König Marke als Braut zuzuführen, nur aus dem Zwiespalt zwischen Gefühlsverdrängung und Sehnsucht nach der Geliebten erklären, um abermals ihrem Blick zu begegnen. Dazu kommt es endlich, als Tristan und Isolde im Bewusstsein des bevorstehenden Todes auf dem Schiff gemeinsam den vermeintlichen Giftbecher leeren, sodass auf das stille Augenspiel zur Cello-Kantilene das wechselseitige Liebesbekenntnis folgt. Die Konsequenz daraus ist die geheime Liebesgemeinschaft mit Isolde, tatsächlich eine Flucht aus der Realität, die in die Katastrophe der Entdeckung und in Tristans Selbstmordversuch führt. Danach können wir Tristans letzte Lebensphase, abermals als eine Suche nach Isoldes Blick beschreiben, die ihn aus todesähnlichem Schlaf ins Leben zurücktreibt. Der Trennungsschmerz hält ihn im Spannungszustand eines Sterbens ohne Ende. Es mag in diesem Zusammenhang verwundern, dass sich Tristan die Frage nach dem Befinden der fernen Geliebten kein einziges Mal stellt. Es geht ihm also nicht um Isolde selbst, sondern ausschließlich darum, was sie für ihn bedeutet. Wenn sich schließlich sein Blick in den Augen der herbeigeeilten Geliebten bricht, sodass die schöne Cello-Liebesmelodie abrupt verstummt, findet Tristans stummes Fragen zwar ein vorzeitiges Ende, aber keine Antwort. 48 bloß eine Zwischenstation, sodass sich das Blick-Thema zunächst nach d-Moll fortspinnt. Ohnehin bietet sich der Hauptteil als pausenloses Klang kontinuum dar, in dem die mehrfache Wiederkehr des Blick-Themas, bis auf eine Ausnahme in der tonartlichen Grundierung wie beim ersten Erklingen, Isolde (Petra Maria Schnitzler) mit dem toten Morold im Reisesarg: In Graham dem Hörer Orientierung bietet. So nimmt Vicks Inszenierung (Deutsche Oper Berdie zweite Steigerungswelle mit dem Blicklin 2011) ist Marke (Kristinn SigmundsThema in den Hölzern bei noch reicherer son) darüber offenbar »not amused«. Ausharmonisierung ihren Anfang, um in einem kleingliedrigen Frage-Antwort-Spiel zwischen tiefen Streichern und Holzbläsern zu münden, wonach es alsbald zu einem weiter ausgreifen den hymnischen Aufschwung kommt. Hier fällt außerdem eine Bassfigur h–c 1–dis ins Ohr, die im ersten Wellendurchgang noch kaum auffällig gewesen war, und über deren Deutung als Verhängnismotiv (*7) in an derem Zusammenhang noch zu reden sein wird. Die dritte Steigerungswelle besteht, genau genommen, aus zwei einander sich überlagernden Anfangsphasen: Zunächst hören wir das Blick-Thema ausnahmsweise nach E-Dur sich ausrichtend in den Geigen und Celli, dann vier Takte später wieder mit C-Dur-lastigem Einstieg in den Bläsern. Dieses Mal schließt sich ein weit ausgreifender Fortspinnungsteil 49 Das »Tristan«-Vorspiel im Konzertsaal Seit jeher ist das Tristan-Vorspiel ein fester Bestandteil des Konzertrepertoires. Oft wird es dort in Kombination mit dem Schluss des Werks aufgeführt, mit Isoldes Verklärung, wobei dann einfach die Singstimme weggelassen wird. In dieser Form zur Symphonischen Dichtung mutiert, firmiert das Konzertstück meist unter der Bezeichnung Tristan und Isolde: Vorspiel und Liebestod. Wagner selbst hat im erwähnten Wiener Konzert von 1863 diese Tradition gestiftet. Im Januar 1860 jedoch hatte er das Tristan-Vorspiel bereits in einer mit einem Konzertschluss versehenen Version zur Aufführung gebracht, die heutzutage kaum noch gespielt wird. Kippstelle in den neuen Schluss ist hier die Parallelstelle des Epilogs, zum oben erwähnten Takt 16 des Prologs, mit dem E-Dur-Dominantseptakkord: Für den Konzertschluss baut Wagner hier eine motivisch sich aus dem Schluss der Oper herleitende Brücke, um schließlich im Schlussteil von Isoldes Verklärung zu landen. Freilich sind die von dort stammenden Passagen nun um einen Ganzton nach unter transponiert, sodass diese Konzertversion des Tristan-Vorspiels – abweichend vom H-Dur-Schluss der Oper – in A-Dur schließt. an, der von einem Motiv dominiert wird, das eine schnelle aufwärts zie lende Streicherfigur mit akkordisch fallender Abwärtsbewegung kombi niert (*8): im ineinandergreifenden Figurenwerk von ersten und zweiten Violinen zunächst eine Musik aufscheinenden Glücks. Und alsbald mischt sich in den Bläsern das Sehnsuchtsmotiv (*3) aus dem Prolog hinein. Seinen Höhepunkt scheint diese Steigerungswelle mit dem FortissimoWiedereintritt der Blick-Kantilene erreicht zu haben. Freilich kommt es nun zu einer Art Überhitzung: Der Themenkopf des Blick-Themas (hohe Hölzer), der Cello-Seufzer des Anfangs (*1) Celli, Hörner, Bassklari nette) und das Sehnsuchtsmotiv (Trompete) kommen übereinander zu stehen, und das Geschehen zerschellt fortissimo im Tristan-Akkord (*2), während die schnellen Violinenfigurationen von as 3 nach d1 in den Epi log abstürzen, dessen Beginn durch den Tristan-Akkord getarnt wurde. Im Epilog breitet Wagner eine Trümmerlandschaft aus; und gleich zeitig ist er, wie nicht zuletzt die tonartlichen Entsprechungen zeigen, eine verkürzte Reprise des Prologs, freilich von Bruchstücken des BlickThemas durchsetzt. Fast zum Schluss kehrt die Musik, vom Pauken grummeln auf G grundiert, im Holzbläsersatz zum unmittelbaren Anfang zurück, mit dem Seufzermotiv nun im Englischhorn – im Fortgang der 50 petensignale der Bühne aufeinandertreffen: trotz allem C-Dur-Gepränge – motivisch gesehen – ein offener Akt-Schluss. Einleitung und 1. Szene des 2. Akts: Vom verheimlichten Liebesalltag bewusst ins Risikospiel Mit einem Orchester-Aufschrei setzt der 2. Akt ein: In der scharfen An fangsdissonanz der großen Septime führt Wagner das Tagesmotiv ein (*14 a), das in mannigfachen Abwandlungen (*14 b mit Quartsprung und sequenziert *14 c) von nun an die Partitur durchzieht. Das in die Augen stechende Licht scheint im Tagesmotiv, das vom Duktus her eine Ver wandtschaft zum Prahlmotiv (*11) aufweist, eingefangen. Doch auch die anschließende Motivik der B-Dur-Einleitung ist dazu angetan, einen Ein druck vom verheimlichten Liebesalltag des Titelpaares am Hofe Korn walls zu geben, das als ein nervöses Warten auf die Nacht inszeniert ist. Die Musik überbrückt damit also die zwischen der Aktpause verstrichene Zeit der Handlung. Eine mehrfach in der Bassklarinette rastlos nach oben drängende Figur kommt wiederholt ins Stocken, während Klarinetten und Hörner, gleich darauf die Fagotte in Triolen erzittern: eine in einem Akkord-Akzent der hohen Bläser erstarrende Klangchiffre der Ungeduld. Steckbrief: Melot Seine akustische Chiffre ist ein deformierter Klang: das Schnarren der gestopften Hörner; in der Nachtsphäre des 2. Akts darüber hinaus ein Störgeräusch aus der Tageswelt. Und auch Melot selbst ist im Handlungsgefüge der Oper der Störfaktor, weshalb die Kürze seiner beiden Auftritte und die Knappheit seiner Äußerungen in umgekehrtem Verhältnis zu seiner dramaturgischen Bedeutung stehen. Es ist nämlich Melot, dessen fiese Intrige den Crash der Handlung in der Mitte des Werks verursacht. Melots Motiv? In zweiter Linie Rivalität um die Gunst des Königs, in erster Linie wohl Eifersucht. Denn Melot sei, wie Tristan behauptet, den Reizen der ahnungslosen Isolde verfallen. Nachdem sich Tristan am Ende des 2. Akts ins Schwert des Verräters gestürzt hat, wird Melot selbst gegen Ende des 3. Akts von Kurwenal erschlagen. Wagner schuf die Gestalt des Melot, indem er aus Gottfried von Straßburgs Tristan-Epos zwei Figuren in eine verschmolz: den neidvoll Tristans heimliche Liebe beobachtenden Truchsess Marjodo und den intriganten Zwerg Melot. 63 Nachdem das ruhelose Bassklarinetten-Thema von den Celli übernom men wurde, kommt eine Flöten-Figuration sozusagen als Überstimme hinzu, die sich durch den Themenkopf mit langer Haltenote und fallen der chromatischer Linie einprägt: sowohl eine Musik des Verlangens als auch, wie sich alsbald zeigen wird, ein Motiv, das mit dem Verlöschen der Fackel in Verbindung steht (*15). Das Sehnsuchtsmotiv (*3) führt dann in Geigen und Klarinette eine weitere schnelle Figuration (*16 a) herbei, deren hier so flüchtig scheinende Anfangswendung im weiteren Verlauf allergrößtes Gewicht zukommen wird, als eine dem Liebesglück zuge ordnete melodische Linie. Nach einem zweiten Anlauf, mit Sehnsuchts-, Verlangens- und Glücksmotiv führt die Einleitung bruchlos in die weit gehend von den eben genannten Motiven getragene erste Szene, in die überdies von der Bühne her die Jagdhörner hereintönen. Wir haben bereits erwähnt (s. S. 44), wie Wagner anhand der Farbwechsel zwischen Bühnenund Orchesterinstrumenten Isoldes gestörte Außenwahrnehmung insze niert. Besonders subtil gestaltet Wagner diesen Wechsel zwischen realer Welt und Einbildung, wenn die Motivik der von der Bühne her tönenden Jagdhörner in die mit Dämpfer abgetönten Waldhörner im Orchester graben wandert. Im Changieren der Klangfarben stößt Wagner damit weit das Tor in die Welt des musikalischen Impressionismus auf. Darüber hinaus sind das Rascheln der Sträucher im Wind und Quellengeriesel seit alters in den Künsten dem so genannten Locus amoenus zugehörig, also all den von Liebenden aufgesuchten Örtlichkeiten in der Natur. Aus der Diskrepanz zwischen Realistik und Illusion entwickelt Wagner auch die Charakteristik der Bühnenfiguren: hier die wachsende Verzweiflung Brangänes darüber, dass ihre Warnungen insbesondere vor Melot von Isolde in den Wind geschlagen werden, dort Isoldes Ungeduld über das vom Schein der Fackel verursachte Fernbleiben Tristans. Der Handlungsumschlag erfolgt, als Brangäne sich als Urheberin von Tristans und Isoldes gefahrvoller Situation bezichtigt, weil sie auf dem Schiff die Tränke vertauscht habe. Doch die Musik weiß es besser: Es melden sich Tristan-Akkord (*2) und Sehnsuchtsmotiv (*3) in den Hölzern und dann das Todesmotiv (*10), um Brangänes tragisches Di lemma in Erinnerung zu rufen. Somit entlastet die Musik Brangäne von ihrer eingebildeten Schuld, und Isolde tut dazu ein Übriges, indem sie im Spannungsfeld von Sehnsuchts- und Todesmotiv in einem grandiosen Hymnus das Wirken der allmächtigen »Frau Minne« feiert, der »Leben und Tod« untertan seien, und die allein »des Todes Werk« verhindert habe. Hierbei kommt der Tristan-Akkord passgenau auf das Stichwort von der Liebe und »ihres Zaubers Macht« zu stehen. Er wird damit tatsächlich 64 Oben: Im 2. Akt von Barrie Koskys Inszenierung (Aalto-Theater Essen 2006) dreht sich Klaus Grünbergs Guckkasten um die Liebenden (Jeffrey Dowd und Evelyn Herlitzius). Unten: Jean-Pierre Ponnelle hingegen setzte 1981 in Bayreuth Akt für Akt archaische Wunderbäume in die Bühnenmitte. 65 Heiner Müller – 1993 Marke zum toten Tristan Du liegst und träumst deinen letzten Schlaf Unter dem Mantel der tödlich Geliebten Aber ich muß zurück in den mondlosen Tag Der mir das Herz verbrennt zu Goldstroh am Nachmittag von 1957 einen amüsanten Kontrapunkt. In der in Paris spielenden Komödie entdeckt Ariane (Audrey Hepburn), als sie während einer Konzertaufführung des Tristan-Vorspiels durchs Opernglas schaut, ihren Schwarm, den amerikanischen Playboy Frank Flannagan (Gary Cooper) in Begleitung einer anderen Frau. In dem Fantasy-Film Excalibur von 1981 hingegen werden durch denselben Musikeinsatz Lancelot und Guinevere auch akustisch als Liebespaar erkennbar. Und nicht anders setzen Helmut Käutner in seinem Film Ludwig II.: Glanz und Elend eines Königs (1954) und Luchino Visconti 1972 in Ludwig II die Tristan-Musik als Soundtrack ein, wenn der Liebessehnsucht des sich einsam und unverstanden wissenden Königs Ausdruck verliehen werden soll. Den spektakulärsten Film-Einsatz des Tristan-Vorspiels gibt es aber in Lars von Triers Weltuntergangsopus Melancholia von 2011 zu bestaunen. Dort wird bereits im Vorspann das Ende der Welt vorweggenommen, wenn just zum Höhepunkt der Musik der Riesenplanet Melancholia die Erde verschlingt. Mit diesem herausragenden Werk der Filmkunst kann die bis lang einzige als Opernfilm angelegte Produktion des Tristan leider nicht mithalten: die von Pierre Chevreuille wohl um 1968 fürs belgische Fern sehen gedrehte Schwarzweiß-Version der Oper im Mono-Sound und mit Außenaufnahmen. Die pseudo-mittelalterliche Aufmachung, vor allem der Kopfputz Isoldes (Jaqueline Van Quaile) und die unbeholfene Perso nenregie bergen manchen unfreiwillig komischen Effekt. Doch mit Claude Heater – dem Publikum als Jesus in Ben Hur (1959) wahrscheinlich eher in Erinnerung – ist die männliche Titelrolle trefflich besetzt. Von hel discher Gestalt und mit bronzen-baritonalem Timbre begabt, firmierte Heater einige Jahre lang unter den führenden Heldentenören der Zeit. 110 Die Interpretationsgeschichte auf Schallplatte und CD Indessen war im 20. Jahrhundert das Hauptmedium der Tristan-Rezep tion jenseits der Opernbühne die Schallplatte. Kleinere Werkausschnitte wurden bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts aufge nommen. So hat beispielsweise Lilli Lehmann, 1876 Wagners Bayreuther Uraufführungs-Woglinde, anno 1907 Isoldes Schlussgesang in den Gram mophontrichter gesungen, freilich mit bereits abgenutzter Stimme und seltsam jaulenden Portamenti. Die Geschichte möglichst vollständiger Aufzeichnungen der Oper setzt dann 1928 ein, als eine Bayreuther LiveAufführung (musikalische Leitung: Karl Elmendorff) auf 40 Schellack seiten gepresst wurde, ohne deshalb komplett zu sein. Soweit erkennbar, gelang eine lyrische, flüssige Aufführung mit einem hellstimmigen Titel paar (Gunnar Graarud, Nanny Larsén-Todsen), in der gemäß altbayreuther Tradition die Partie der Brangäne mit einem Sopran (Anny Helm) und nicht, wie später üblich, mit einem Mezzo besetzt war. Gleich 56‑mal mussten im ersten ungekürzten, allerdings nicht vollständig erhaltenen Schellackplatten-Tristan aus dem Jahr 1938 (Chor und Orchester des Reichssenders Leipzig unter der Leitung von Hans Weisbach) die Seiten gewechselt werden. Die erstaunlich zahlreichen Mitschnitte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – insbesondere aus der New Yorker MET – sind interessante historische Dokumente hinsichtlich der dama ligen Wagnerpflege und Aufführungspraxis, die keine Scheu vor Strichen hatte. Auch ist in ihnen die Gesangskunst berühmter Interpreten wie etwa Kirsten Flagstads und Lauritz Melchiors überliefert – ein dunkelgetön tes und großstimmiges Titelpaar, damals beide im Zenit ihres Könnens (Fritz Reiner 1936 und Thomas Beecham 1937, jeweils am Royal Opera House Covent Garden in London, auch 1941 an der MET unter der Leitung von Erich Leinsdorf). Auch wäre hier der heller timbrierte Max Lorenz, 111 »der extravertierteste aller Tristane«, so Kurt Malisch, zu nennen (1943 Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Robert Heger). Die frühen Aufnahmen sind allerdings aufgrund der unzureichenden technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit durchweg Klangruinen, die vor allem vom Orchesterpart keinen authentischen Eindruck vermitteln. Erst aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts existieren Aufnah men auf Langspielplatte, zunächst in den 1950er-Jahren von akzeptabler Mono-, dann seit den 1960er-Jahren von hervorragender Stereoqualität. Von Wilhelm Furtwänglers mythischer Auffassung des Werks gibt die in enorm breiten Tempi sich vollziehende farbenprächtige Studioeinspie lung von 1952 mit dem Covent-Garden-Ensemble einen Eindruck. Kirsten Flagstad ist dort freilich eine ziemlich in die Jahre gekommene, eher mütterliche und überdies monochrome Isolde, deren beide hohe c im 2. Akt Elisabeth Schwarzkopf beisteuerte. Ludwig Suthaus, dem es mit unter an Legatokultur mangelt, liefert zu Max Lorenz’ Gestaltung »das introvertierte Gegenporträt« (abermals Kurt Malisch) des Tristan, wäh rend Josef Greindl sein eher raues Timbre für die Partie des Marke zu bändigen wusste – ein stiller und sensibler König. Blanche Thebom als Brangäne bleibt blass, während der junge Dietrich Fischer-Dieskau dem Kurwenal ein einfühlsam-lyrisches Naturell verleiht. Ist es hier also die Dominanz des Dirigats, die dieser Produktion den Stempel aufdrückt, so ist es in der Bayreuther Einspielung unter Leitung von Herbert von Karajan aus dem gleichen Jahr die Ensemble-Leistung. In straffen Tempi, gewürzt mit scharfen Akzenten hebt Karajan die Schauspiel-Qualitäten des Stücks hervor, während seine spätere Aufnahme von 1971/1972 in ihrer Schön klangverliebtheit sich dem Weichzeichner verschrieben hat. Doch 1952 befand er sich ganz im Einklang mit Martha Mödl und Ramón Vinay in den Titelpartien, dem wohl dunkelstimmigsten Paar der Aufführungsge schichte. Die außerordentliche Intensität von Mödl / Vinay macht manche nicht ganz astrein angesungene Phrase vergessen. Ira Malaniuk konnte dem hinreißenden Titelpaar als Brangäne durchaus Paroli bieten, eben falls Hans Hotter, der – ein heldischer Kurwenal – als Tristans Mentor auftritt, während Ludwig Weber einen mild-resignierenden Marke gibt. Enormes dramatisches Profil verleiht der Heldenbariton Hermann Uhde der kleinen Tenorpartie Melots, und so wundert man sich bei diesem spannenden Live-Mitschnitt letztlich nur darüber, warum nicht auch der immer wieder zu hörende Souffleur auf der Personenliste erscheint. Darüber hinaus erweist sich bereits in dieser Aufnahme das enorme Verdienst Wieland Wagners um die Verlebendigung des Musiktheaters seines Großvaters (s. S. 119 f.): nämlich mit Blick auf die Sprachbehand 112 lung. Wieland Wagners Sänger sind darin deutlich flexibler als ihre Vorgänger. Das lässt auch Astrid Varnays analytisch ange legtes Bayreuther Porträt Isoldes (Eugen Jochum 1953) erkennen, das gewisser maßen einen Gegenpol zu Martha Mödls impulsiver Rollengestaltung darstellt. Und nicht zuletzt zieht die Bayreuther Kultauf nahme aus dem Jahr 1966 unter der Lei tung von Karl Böhm mit der legendären schwedischen Sopranistin Birgit Nilsson und Wolfgang Windgassen in den Titel rollen aus der deklamatorischen Finesse ihre Spannung. Sie begeistert eben nicht nur durch die Opulenz des Orchestersat zes, sondern ebenso durch die intelligente Gestaltung der Partien. Welch tödlichen Spott legt etwa die Nilsson in den Satz »Da du so sittsam, mein Herr Tristan«! An derlei Details zeigt sich, dass diese Wagner-Diva-Assoluta des 20. Jahrhunderts weit mehr war als eine mit leuchtendem und unverwüstlichem Sopran protzende NurSängerin. In der Bayreuther Produktion kann ihr Lieblings-Partner Wolf gang Windgassen durchaus neben ihr bestehen. Obgleich kein stimm licher Schwerathlet, erweist sich sein Tenor aufgrund der eher hellen Stimmfärbung als robust genug, um übers Orchester zu kommen, sodass Windgas Martha Mödl und Ramón Vinay schrieben in den 1950er-Jahren als Idealbesetsens psychoanalytische Rollengestaltung zung des Titelpaars InterpretationsgeTristan aus der brütenden Verschlossen schichte, nicht zuletzt aufgrund ihrer schauspielerischen Intensität. heit des 1. Akts, über die Emphase des 2. Akts in eine Phase schmerzlich durch littener Selbsterkenntnis im 3. Akt führt: eine Meisterleistung kontinuierlich schlussstrebiger Rolleninterpretation. Christa Ludwig wiederum darf nicht zuletzt wegen des volltönend ausge sungenen Nachtgesangs als die großartigste Brangäne des letzten Jahrhun derts gelten. Und dabei hielt die Ludwig selbst von Brangäne gar nichts; die würde sich während der ganzen Oper »äußerst dumm« verhalten. Eberhard Wächter zeichnet den Kurwenal recht kraftvoll und männlich, während Martti Talvela König Markes Selbstmitleid herauskehrt. Peter Schreier aber singt den schönsten jungen Seemann aller Zeiten. Ein Faszinosum anderer Art bietet Carlos Kleibers Studio-Produk tion von 1980/1981 mit der Dresdner Staatskapelle. Kleiber, wie in Bayreuth 113