SPORT Spa rollt für den Champion den roten Teppich aus Michael

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SPORT Spa rollt für den Champion den roten Teppich aus Michael
SPORT
Seite 8
Montag, 30. August 2004 / Nr. 200
Ruhe und
Familienglück
Kommentar
Von ganz unten
PORTRÄT: Der wahre Schumi
Von Stefan Skolik
Kann diesem „Super-Super-Star“ überhaupt noch irgendein Lob gerecht werden?
Muss der Motorsport-Fan nach diesem
siebten WM-Titel nicht ehrfurchtsvoll verstummen? Sollte man sich die endlosen Rekordlisten, in denen der Name Michael
Schumacher stets an erster Position auftaucht, nicht im goldenen Rahmen an die
Wand nageln und auswendig lernen? Muss
der Superlativ angesichts dieses Ausnahmekönners nicht neu erfunden werden?
Nein, denn Michael Schumacher höchstselbst hätte bestimmt etwas gegen all diese
Übertreibungen. Wohler würde sich der gelernte Kfz-Mechaniker dagegen sicherlich
fühlen, wenn man angesichts seiner konstanten Klasse-Leistungen über Jahre hinweg anerkennend mit der Zunge schnalzt.
All die Titel und Millionen – sie sind nicht
durch bloßen Zufall und Glück in seine
Hände gefallen, sondern durch ein herausragendes Können, dass der Kerpener von
der Pike auf akribisch gepflegt und weiterentwickelt hat. Erst auf dem Kart, dann in
der Werkstatt, schließlich im Rennzirkus –
von ganz unten durch harte Arbeit nach
ganz oben. Das mag auch ein Grund dafür
sein, warum Schumi weiterhin so zielstrebig um jeden Erfolg kämpft, das Siegen
liebt und noch ein paar Jahre fahren will.
Denn Schumacher hat am Anfang auch
die weniger schönen und harten Zeiten des
Rennfahrer-Lebens kennenlernen müssen.
Das bewahrt ihm den Sinn für die Realität
– und erhält uns die Chance, den besten
Rennfahrer aller Zeiten weiterhin im WMZirkus bewundern zu dürfen. Ohne ihn
wäre die Formel 1 ein riesiges Stück ärmer.
Zwischen Freudentränen und Champagner-Jubel: Mit seinem siebten Weltmeisterschaftstitel setzte Michael Schumacher in der Formel 1 eine
Marke für die Ewigkeit. In Belgien ließ sich der Champion und tausenden deutschen Fans begeistert feiern.
Bild: AP
Spa rollt für den Champion den roten Teppich aus
Michael Schumacher setzt eine Marke für die Ewigkeit
FORMEL 1: Der Ferrari-Star lässt sich in Belgien kräftig feiern / Platz zwei hinter Räikkönen reicht zum vorzeitigen WM-Titel
Der Formel-1-Kaiser reckte die Faust nach
oben, verdrückte eine Freudenträne und
schwebte im siebten Titel-Himmel: Michael Schumacher hat das Pech oder Unvermögen seiner Rivalen eiskalt ausgenutzt
und mit einem zweiten Platz in seinem
„Wohnzimmer“ in Spa eine weitere Saison
der Rekorde mit dem vorzeitigen Gewinn
des historischen siebten WM-Titels gekrönt. „Meine Freude darüber kann ich
noch gar nicht richtig ausdrücken, das
braucht seine Zeit. Es war ein wunderschöner Tag, den wollen wir nun feiern und genießen“, sagte ein von seinen Gefühlen
überwältigter Michael Schumacher. Der
Finne Kimi Räikkönen sicherte sich derweil den zweiten Grand-Prix-Erfolg seiner
Karriere und den ersten für McLaren-Mercedes seit dem 23. März 2003 in Malaysia.
Mann des Tages war allerdings Michael
Schumacher. Auf jener Strecke, auf der vor
13 Jahren die einzigartige Karriere des besten Formel-1-Rennfahrers der Gegenwart
begann, ließ sich der 35-Jährige nicht lange
bitten und verwertete gleich den ersten
„Matchball“. Schumacher, der die erforderlichen zwei Punkte mehr holte als sein
Teamkollege und letzter verbliebener Widersacher Rubens Barrichello, bescherte
Ferrari 14 Tage nach dem Gewinn der Konstrukteurs-WM passend zum 700. Grand
Prix das nächste rote Freudenfest.
„Es ist irgendwas Spezielles, das mich
mit Spa verbindet. Dafür gibt es viele
Gründe – und heute einen neuen“, sagte
Schumacher, der in Belgien 1993 seinen
ersten Formel-1-Sieg überhaupt feierte
und danach auf diesem Kurs fünf weitere
folgen ließ. Die WM in Spa zu holen, wo
noch nie zuvor in der Formel 1 eine TitelEntscheidung gefallen war, sei für ihn etwas ganz Besonderes. Für Schumacher war
es die fünfte WM-Krone mit Ferrari in Folge. „So etwas wird es niemals wieder in der
Formel 1 geben, das ist eine Marke für die
Ewigkeit“, meinte der dreimalige Welt-
meister Niki Lauda. Seine ersten beiden
WM-Titel hatte Super-Schumi 1994 und
1995 mit Benetton gewonnen.
Barrichello stieß die Tür zu Schumachers
fünftem Titelgewinn in Folge in der ersten
Runde selbst weit auf. Nach einer Kollision
musste der Brasilianer zweimal an die Box
fahren und schließlich den beschädigten
Heckflügel wechseln lassen. Barrichello,
Wieder die Nummer eins: Ferrari-Star Michael Schumacher verwandelte in Belgien gleich den
ersten „Matchball“.
Bild: dpa
der dadurch zunächst auf die letzte Position zurückfiel, belegte nach 44 Runden den
dritten Platz. Das war natürlich zu wenig,
um die WM-Entscheidung zumindest bis
zum Ferrari-Heimspiel am 12. September
in Monza offen zu halten. „Ich habe alles
versucht, es hat nicht gereicht. Michael hat
den Titel verdient, ich greife 2005 wieder
an“, sagte Barrichello.
In der WM-Gesamtwertung führt Schumacher bei vier noch ausstehenden Rennen
mit 128 Punkten und 40 Zählern Vorsprung
vor Barrichello (88) uneinholbar. „Das war
ein historischer Moment, und ich bin froh,
dass ich dabei war. Michael ist der Größte“, sagte Manager Willi Weber gerührt.
Beleg dafür ist der Weltrekord von zwölf
Siegen in den bisherigen 14 WM-Läufen
2004, nur in Monte Carlo war er ausgefallen; der zweite Platz von Spa war somit
Schumachers schlechtestes Saisonresultat.
Mehr als die Hälfte der 85 000 Zuschauer
rund um den 6,978 km langen Ardennenkurs war im Laufe der vergangenen Tage
aus dem benachbarten Deutschland nach
Belgien gepilgert. Überall flatterten rote
Fahnen und dröhnten Trompeten und waren Trillerpfeifen zu hören: Spa hatte für
„Schumi“ den roten Teppich ausgerollt,
und der „Champion der Champions“ war
von dieser Begeisterung sichtlich bewegt.
Ein Lkw mit Freibier sei laut Weber aus
Deutschland unterwegs: „Das ist Michaels
Dankeschön an die Fans.“
dpa
䉴 Kommentar, weiterer Bericht, Zahlen
Formel 1 in Zahlen
Der Mann, der die Geschichtsbücher umschreibt
Großer Preis von Belgien
HINTERGRUND: In 13 Jahren Formel 1 bricht Michael Schumacher (fast) alle Rekorde
14. WM-Lauf in Spa-Francorchamps, 44 Runden á 6,973
km (306,812 km): 1. Kimi Räikkönen (Finnland)
McLaren-Mercedes 1:32:35,274 Std.; 2. Michael
Schumacher (Kerpen) Ferrari + 3,132 Sek.; 3. Rubens
Barrichello (Brasilien) Ferrari + 4,371; 4. Felipe Massa
(Brasilien) Sauber-Petronas + 12,504; 5. Giancarlo
Fisichella (Italien) Sauber-Petronas + 14,104; 6. Christian
Klien (Österreich) Jaguar-Cosworth + 14,614; 7. David
Coulthard (Großbritannien) McLaren-Mercedes + 17,970;
8. Olivier Panis (Frankreich) Toyota + 18,693; 9. Jarno
Trulli (Italien) Renault + 22,115; 10. Ricardo Zonta
(Brasilien) Toyota + 3 Runden; 11. Nick Heidfeld
(Mönchengladbach) Jordan-Ford + 4 Runden.
Ausfälle: Gianmaria Bruni (Italien) Minardi-Cosworth (1.
Runde); Giorgio Pantano (Italien) Jordan-Ford (1.
Runde); Takuma Sato (Japan) BAR-Honda (1. Runde);
Mark Webber (Australien) Jaguar-Cosworth (1. Runde);
Fernando Alonso (Spanien) Renault (11. Runde); Zsolt
Baumgartner (Ungarn) Minardi-Cosworth (28. Runde);
Jenson Button (Großbritannien) BAR-Honda (29. Runde);
Antonio Pizzonia (Brasilien) Williams-BMW (31. Runde);
Juan Pablo Montoya (Kolumbien) Williams-BMW (37.
Runde).
Trainingsschnellster: Jarno Trulli (Renault) 1:56,232
Minuten.
Fahrer-Wertung: 1. Michael Schumacher 128, 2. Rubens
Barrichello 88, 3. Jenson Button 65, 4. Jarno Trulli 46,
5. Fernando Alonso 45, 6. Juan Pablo Montoya 38, 7. Kimi
Räikkönen 28, 8. David Coulthard 21, 9. Takuma Sato 18,
10. Giancarlo Fisichella 18, 11. Ralf Schumacher 12,
12. Felipe Massa 10, 13. Mark Webber 7, 14. Olivier
Panis 6, 15. Antonio Pizzonia 4, 16. Christian Klien 3,
17. Cristiano da Matta 3, 18. Nick Heidfeld 3, 19. Timo
Glock 2, 20. Zsolt Baumgartner 1.
Konstrukteurs-Wertung: 1. Ferrari 216, 2. Renault 91,
3. BAR-Honda 83, 4. Williams-BMW 54, 5. McLarenMercedes 49, 6. Sauber-Petronas 28, 7. JaguarCosworth 10, 8. Toyota 9, 9. Jordan-Ford 5, 10. MinardiCosworth 1.
Nächstes Rennen: Großer
12. September in Monza.
Preis
von
Italien
am
Als Michael Schumacher vor 13 Jahren zu
seinem ersten Formel-1-Rennen nach Spa
kam, kannte er die Strecke überhaupt
nicht und drehte die erste Runde mit dem
Fahrrad. Nach den ersten Metern im
Renntempo im Jordan wollte er seine ersten Eindrücke von der Königsklasse einfach nur „genießen“. Dass jenes Rennen
am 25. August 1991 die „Geburtsstunde
des besten Rennfahrers der Welt“ (Manager Willi Weber) sein sollte, davon wagte
der siebenmalige Weltmeister nicht einmal zu träumen. „So vermessen darf man
nicht sein, solche Erwartungen hatte ich
definitiv nicht“, sagt Schumacher.
Nur sein damaliger Zimmergenosse in
der Jugendherberge hatte vielleicht eine
kleine Ahnung. Willi Weber hatte früh
das außergewöhnliche Talent des Jungen
aus Kerpen erkannt und im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen für
dessen Karriere getroffen – darunter auch
eine kleine „Notlüge“. Denn den Platz im
Jordan-Cockpit als Ersatz für den mit der
Justiz in Konflikt geratenen Belgier Bertrand Gachot hatte Schumacher nur bekommen, weil Weber dem Iren gesagt
hatte, Schumacher sei schon oft in Spa
gefahren und kenne die Strecke sehr gut.
Es war der Startschuss für eine einzigartige Karriere, in der Schumacher die
Geschichtsbücher der Formel 1 komplett
umschrieb. Die meisten WM-Titel, die
meisten Siege, Punkte, schnellste Runden, Führungskilometer, und, und, und.
Der viermalige Weltmeister Alain Prost,
dessen Bestmarke von 51 GP-Siegen
Michael Schumacher: Weltmeister 1994 mit
dem Benetton-Team.
Bild: dpa
Schumacher 2001 – natürlich in Spa – aus
den Annalen löschte, hält den Kerpener
für „den Besten der Gegenwart“. Formel1-Boss Bernie Ecclestone sieht in dem
Deutschen schon lange den Nachfolger
des 1994 tödlich verunglückten Ayrton
Senna: „Er steht über allen anderen.“
Als Schumacher 1995 das damalige Erfolgsteam Benetton verließ und zu Ferrari
wechselte, schüttelten viele Experten ungläubig den Kopf. „Mit Benetton habe ich
alles erreicht, was man in der Formel 1
erreichen kann. Ich wollte eine neue Herausforderung“, begründete Schumacher
damals seinen Entschluss.
Schon als Sechsjähriger sammelte
Schumacher auf der Kartbahn seines Vaters die ersten Erfahrungen. Rolf Schumacher erkannte schnell das Talent seines ältesten Sohnes und förderte es. 1989
nahm ihn Weber unter Vertrag und investierte in den Geheimtipp. Inzwischen hat
sich der Manager, der mit 20 Prozent an
sämtlichen Einnahmen beteiligt ist, eine
goldene Nase an seinem Muster-Schüler
verdient. 1991 leuchtete der Stern über
Schumachers Bilderbuch-Karriere, als er
in das Junioren-Team von Mercedes aufgenommen wurde. Durch gute Leistungen und eine Mitgift der Schwaben öffnete sich für den 22-Jährigen das Tor zu
Formel 1. Der Rest ist Geschichte.
sid
Das Klischee vom Renn-Roboter und
„Klon im Cockpit“ wird Michael
Schumacher wohl nicht mehr los. Zu
perfekt, zu dominant fährt der „Super-Super-Superstar“, wie Formel-1Boss Bernie Ecclestone den Ausnahmekönner adelte, die Konkurrenz in
Grund und Boden. Mit jedem weiteren
Sieg, Titel und Weltrekord untermauert der „Jahrhundert-Pilot“ allerdings
seinen Ruf, wodurch die andere Seite
Schumachers – zumindest in der Öffentlichkeit – kaum sichtbar wird.
Schumacher scheint unter dem falschen Eindruck, ein emotionsloser Retorten-Rennfahrer zu sein, zu leiden.
Allerdings trägt der 35-Jährige durch
sein – durchaus verständliches – Verhalten, sich abzuschotten, um im ganzen Trubel um seine Person nicht den
Rest an Privatsphäre zu verlieren,
selbst zu dieser Einordnung bei. „Ich
bin kein Mensch, der gerne Emotionen
zeigt, außer bei denen, die mich gut
kennen“, sagte er über seine Introvertiertheit. „Ansonsten kontrolliere ich
mich, so gut es geht, was den Leuten
vielleicht nicht das richtige Bild davon gibt, wer ich bin.“
Damit muss und kann Schumacher
leben. Zu oft hat der gelernte Kfz-Mechaniker im Lauf seiner kometenhaften Karriere teilweise schmerzlich erfahren müssen, wie sein Vertrauen
missbraucht oder
sein
Privatbereich
ignoriert
wurden. „In gewissem Maß lässt
sich der goldene
Käfig bei mir
nicht vermeiden,
weil ich nicht
ganz so in die Öffentlichkeit gehen und mich am
Stammtisch amüsieren
kann“,
klagte der MegaStar einmal. So
sind
Schumachers scheinbare
Arroganz
und
Kälte meist reiner Selbstschutz.
Familienglück
Der Umzug des
Jung-Millionärs in die Steueroase
Monte Carlo Anfang der 90er Jahre
hatte sicher finanzielle Gründe, geschah aber auch deshalb, um in der
Anonymität des Treffpunkts der Stars
und Sternchen untertauchen zu können. In Kerpen waren „Schumi“-Fans
zuletzt nicht einmal mehr davor zurückgeschreckt, auf die Terrasse des
Sporthelden vorzudringen, um ihr
Idol beim Grillen zu begaffen.
Ende 1996 wechselte der inzwischen
für Ferrari fahrende Champion vom
Spielerparadies an der Côte d’Azur ins
beschauliche
Vufflens-le-Chateaux
am Genfer See. Schumacher genießt
mit seiner „Traumfrau“ Corinna, mit
der er seit neun Jahren glücklich verheiratet ist, sowie Gina Maria (7) und
Mick (5) die Ruhe. „Ich bin ein normaler Vater, spiele mit meinen Kindern
und mache, worauf sie Lust haben“,
hob der Familienmensch hervor. So
oft der begeisterte Hobby-Kicker Zeit
hat, trainiert und spielt er – ohne
Rummel und Sonderstellung – beim
Amateurklub FC Echichens. Die
Schweiz wird für die nächsten Jahre
auch seine Wahlheimat bleiben. dpa
Iffezheim hofft auf
Olympia-Ende
Die 97:10-Chance Lyonel’s Glory im Besitz
von Renate Jacobs gewann vor 13 500 Zuschauern auf der Galopprennbahn in Iffezheim bei Baden-Baden das mit 65 500 Euro
dotierte Fürstenberg-Rennen, das Hauptereignis am zweiten Tag der „Großen Woche“. Mit Andreas Suborics im Sattel setzte
sich der dreijährige Hengst, den Urs Suter
vor Ort in Iffezheim trainiert, mit einer
halben Länge Vorsprung auf die Favoritin
Salentigerin (William Mongil) und Quilanga (Eduardo Pedroza) durch. Besitzerin Renate Jacobs durfte sich über 38 000 Euro
freuen.
Bei vier Starts hatte Lyonel’s Glory, der
im letzten Jahr noch in England im Training war, bisher noch nicht gewinnen können, deshalb ist der Wert des Rennens
schon mit einem Fragezeichen zu versehen.
Jockey Suborics, der zurzeit die deutsche
Championats-Meisterschaft anführt, sicherte sich am Iffezheimer Renntag einen
weiteren Top-Sieg. Im Kronimus-Rennen
für Zweijährige ritt Suborics die Favoritin
Soignee zu einem überlegenen Erfolg.
Weniger Zuschauer als im Vorjahr und
ein gesunkener Wettumsatz verdarben dem
Veranstalter erheblich die Laune. Der Internationale Club hatte an den ersten beiden Renntagen in Iffezheim erheblich unter
Olympia als Konkurrenz zu leiden, hofft
sich ab Dienstag, wenn der dritte Renntag
der „Großen Woche“ ansteht, auf bessere
Resonanz.
sid