automobil produktion 4/99

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automobil produktion 4/99
International
Daimler-Chrysler Brasilien
Produktions- und Montagewerk von Daimler-Chrysler im
brasilianischen Juiz de Fora:
erstes Produktions- und Montagewerk der Marke Mercedes-Benz in Lateinamerika.
›Job one‹ der A-Klasse startete
im Februar.
Bilder: Daimler-Chrysler
Neuland Brasilien
Weniger Fehler
als erwartet
Mercedes startete bei der A-Klasse-Montage in Brasilien
mit einer lokalen Fertigungstiefe von 60 Prozent. Im
kommenden Jahr soll das neue Werk in Juiz de Fora
sogar 80 Prozent erreichen.
Mitte Februar rollte im neuen Mercedes-Werk in Juiz de Fora der ›Job
One‹ der A-Klasse vom Band. Im
Mai folgte die Eröffnungsfeier, im
Juni begann die Markteinführung
des A-Klasse-Modells in Brasilien.
Dabei wählte Mercedes ein nahezu
quadratisches Layout: Vom Haupteingang des Werkes kommend, liegt
in der vorderen Reihe rechts der Rohbau und dahinter die Lackierstation,
links befinden sich die Endmontage,
Von insgesamt 180 Partnern
liefern 104 aus Deutschland zu
Juiz de Fora liegt etwa 150 Kilometer
nördlich von Rio und die Fabrik
nochmals 25 Kilometer nördlich vom
Stadtzentrum direkt neben der Autobahn nach Belo Horizonte. Ein
Flüßchen mußte begradigt und eine
Dorfsiedlung verlagert werden, um
Platz zu schaffen für das 2,8 Quadratkilometer große Werkgelände, davon
160 000 Quadratmeter überbaut.
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Automobil-Produktion · September 1999
ein kleineres Gebäude mit Konstruktionsbüros und dem Wartungsdienst
schließt sich an.
Die Endmontage wurde U-förmig
angelegt: im einen Flügel werden
der Karosserie jene Komponenten
zugeführt, die vor dem Motoreinbau
eingebaut werden müssen. Im Querstrang kommen Motor (in Sandwich-Aufhängung) und Türen hin-
In Juiz de Fora baute der Konzern
nach dem Werk in Tuscaloosa/
Alabama seine zweite Fabrik im
Ausland auf und das erste der
Marke Mercedes-Benz in Lateinamerika überhaupt. Es setzt zur
Herstellung der A-Klasse-Modelle
die gleiche Technologie ein wie
das Stammwerk in Rastatt. Derzeit arbeiten im brasilianischen
Werk rund 1 500 Mitarbeiter, bei
Erreichen der vollen Kapazität von
70 000 Einheiten jährlich erfolgt
eine Aufstockung auf 2 000.
Im Oktober – mit Einführung
der zweiten Schicht – dürften in
Juiz de Fora etwa 10 000 Fahrzeuge vom Band gerollt sein. Die Tagesfertigung soll sich dann auf
300 Einheiten verdoppeln, so daß
bis Ende 1999 rund 25 000 Einheiten hergestellt wären.
zu, im zweiten Flügel erfolgen der
restliche Innen- und Außentrimm
sowie Test der fertigen Fahrzeuge.
Die Aufträge zur Ausrüstung der
Linien vergab Mercedes an mehrere
Unternehmen: für den Rohbau
hauptsächlich an Thyssen Nothelfer,
für die Lackierstation an Dürr. In der
Endmontage kamen hauseigenes
Know-how sowie Technik von
Daimler-Chrysler zum Zuge. Die 40
Roboter der Linie wiederum stammen von Renault.
Mercedes arbeitet in Juiz de Fora
mit mehr als 180 Zulieferern, davon
32 aus dem Bundesstaat Minas Gerais und von diesen wiederum neun
aus dem Industriepark des Werkes.
Den Aufwand für die unmittelbare
Ansiedlung in Werknähe (90 Millionen Dollar) teilten sich Mercedes
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Daimler-Chrysler Brasilien
Götz Kirchner, Leiter des
A-Klasse-Werkes in Juiz de
Fora: »Bis Anfang des kommenden Jahres die Durchlaufzeit pro Fahrzeug von
neun auf 2,7 Werktage senken.«
Ben van Schalk, Präsident
und CEO von Mercedes-Benz
do Brasil: »Neue Zahlungsziele im Rahmen des Förderprogrammes durch den Bundesstaat Mina Gerais vereinbart.«
Prof. Jürgen Hubbert, im Daimler-Chrysler-Vorstand zuständig
für Pkw der Marke Mercedes-Benz: »Die A-Klasse eröffnet
neue Kundengruppen, sie ist genau das richtige Fahrzeug
für den südamerikanischen Markt.«
Es bleibt noch einiges
zu wünschen übrig
Insbesondere Motoren, Getriebe sowie ein Teil der Elektronik kommen
vorerst noch aus Deutschland. Dabei
klappt die Zusammenarbeit mit dem
privaten Konsortium Multiterminals, zuständig für die Abwicklung
von Einfuhr und Verzollung, so der
stellvertretende Werkleiter Hartmut
Schick »reibungslos«. Mit Vorsicht
aber: auch bei höherem Teilevolu-
men nach dem Start der zweiten
Produktionsschicht sei »voraussichtlich kein Problem zu erwarten«.
Schon Ende dieses Jahres soll die
Lagerhaltung in Juiz de Fora auf
zehn Tage gedrückt werden. Das sei
angesichts der mit dem ÜberseeTransport nun einmal verbundenen
Risiken »sicher ein sehr ehrgeiziges
Ziel«, räumt auch Schick ein. Dennoch brauche es »deshalb nicht
schon gleich als unrealistisch abgetan« zu werden.
Zufrieden zeigen sich Kirchner
und Schick mit dem bisherigen
Benchmarking. Schon ein Vierteljahr nach ›Job One‹ sank die typische
Durchlaufzeit eines Fahrzeugs von
27 auf neun Werktage; angestrebt
werden in Juiz de Fora für Anfang
nächsten Jahres 2,7 Werktage.
Die Fehlerquote lag im Frühsommer bei 15 Prozent der montierten
Einheiten, die Nachbearbeitungszeit
pro mangelhaftem Fahrzeug: etwa
zehn Minuten.
Aber: In der Endmontage lag die
Fehlerquote etwas niedriger als in
der Planvorgabe erwartet. Über den
gesamten Fertigungsgang hinweg
bliebe, so Schick, »aber noch einiges
zu wünschen übrig«. Doch beweise
das Erreichte seiner Meinung nach
zumindest, daß der hohe Schulungsaufwand von 28 Millionen Mark
rasch Früchte getragen habe.
150 Mitarbeiter seien im Zuge des
Schulungsprogramms für sechs bis
sieben Monate nach Rastatt entsandt
worden; umgekehrt arbeiteten 45
deutsche Trainer ebenso lang in Juiz
de Fora.
Rangelei um Fördermittel
Mit dem Anlauf der A-Klasse in Brasilien scheint nun endgültig ein großes Ärgernis vom Tisch – der Streit um die
vom Bundesstaat Minas Gerais gewährten Fördermittel. In der Tat geht
es um beachtliche Beträge. Das Montagewerk kostete 820 Millionen Dollar;
davon soll nach den ursprünglichen
Vereinbarungen mit der Standortregion fast die Hälfte (zu heutigen Wechselkursen) in Form von Steuerkrediten
an das Unternehmen zurückfließen.
Auch die Gegner der Vereinbarung
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mit den Deutschen bestritten dabei nie
die wirtschaftliche Bedeutung der Fabrik für die Gemeinde und ihr Umland.
Sie schafft 2 000 direkte Arbeitsplätze
mit einer Lohnsumme von umgerechnet etwa 2,5 Millionen Mark monatlich
und sorgt durch den Export von 10 bis
15 Prozent ihres Ausstoßes für Devisenerlöse.
Störend wirkt auf Kritiker des Förderprogramms jedoch, daß Mercedes
dadurch billig an Betriebsmittel
kommt, zudem öffentlich verbürgt. Es
bedurfte darum langwieriger Nachverhandlungen mit der Regierung von Minas, bevor Ben van Schaik, Vorstandsvorsitzender bei Mercedes-Benz do Brasil, einen beiderseits akzeptablen Kompromiß melden konnte.
Um Gouverneur Franco das Einlenken zu erleichtern, legte man neue Zahlungsziele fest. Der nächste Steuerkredit für Mercedes wird nun erst Ende
1999 fällig, wenn sich die Haushaltslage des Staates womöglich wieder entspannt hat.
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und die Zulieferer etwa je zur Hälfte
Die übrigen Partner: 43 liefern aus
São Paulo zu, drei aus anderen brasilianischen Bundesstaaten, 104 aus
Deutschland und zwei aus dritten
Ländern.