042-045 Davenport

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042-045 Davenport
GLASKRISTALL AM
MISSISSIPPI
Text: Hubertus Adam
David Chipperfield: Figge Art Museum, Davenport, 2005
lung des mittleren Westens war der Ort zu Beginn des
Davenport, ganz im Westen von Iowa am Mississippi gelegen,
19. Jahrhunderts als Brückenkopf an einer die Querung er-
Bisweilen schiebt sich ein schwerer Güterzug am Ufer des
Mississippi entlang durch Davenport – wie ein Zeuge jener
Zeit, da die Stadt ganz im Westen Iowas als Eisenbahnknotenpunkt mit nationaler Bedeutung galt. Im Zuge der Besied-
möglichenden Engstelle des Stromes entstanden, und seit
versucht – wie andere amerikanische Städte auch – seine
1856 verband die erste Eisenbahnbrücke Davenport mit dem
Innenstadt zu reaktivieren. Wichtigster Meilenstein der «River
gegenüberliegenden Rock Island in Illinois. Die waldreichen
Renaissance» ist das 2005 eingeweihte Kunstmuseum.
Wälder Minnesotas begünstigten den Holzhandel, die deutschen Immigranten betrieben Brauereien; mit der 1932 eingeweihten ersten Schleuse des Mississippi wurden die Rock
Island Rapids als Hindernis im Strom beseitigt.
River Renaissance
Wie in anderen Städten der Vereinigten Staaten auch, führte
der Ausbau des Highway-Netzes nach dem Zweiten Weltkrieg zu gravierenden Veränderungen des urbanen Gefüges.
Zentrifugale Siedlungstendenzen bedingten eine sukzessive
Verwahrlosung und Verödung der Innenstadt, die einst das
Ufer des Mississippi säumenden Gleisareale fanden als
grossräumige Parkflächen oder Schuttabladeplätze eine neue
Nutzung. Als ein früher Kritiker dieser Entwicklung bleibt
der Architekt Stanley Tigerman mit einer Aussage von 1971
in Erinnerung: «A city shouln’t have all that junk at the
river’s edge . . . Use the Mississippi as a building site.» Ge2
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wiss, es sollte noch eine geraume Zeit dauern, bis die lokalen
1 Blick über
den Mississippi
auf Davenport
(Foto: Hubertus
Adam)
2 Situationsplan
1:15 000
3 Stadtseitige
Ansicht mit Plastik
von Sol Lewitt
(Fotos 3–5:
Christian Richters)
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Behörden Konsequenzen zogen, doch inzwischen gilt dem
Hauptstadt von Iowa: der Neubau der Public Library. Am
Stadtzentrum und dem kulturellen Erbe neu erwachtes Inter-
Westende der auf das Kapitol zuführenden zentralen Achse
esse. Wer das Informationszentrum in der stillgelegten Union
der Locust Street ist ein zweigeschossiger Flachbau entstan-
Station von 1924 besucht, wird mit Broschüren versorgt, die
den, der sich an den früheren Masonic Temple von 1912 an-
zu Spaziergängen durch Quartiere mit einem reichen Bestand
schmiegt und mit seiner polygonalen Grundrissfigur in ei-
von Holzhäusern aus dem 19. Jahrhundert einladen. Und ei-
nem weitgehend von Bürotürmen, Hochgaragen und einge-
nige der Parkflächen am Fluss sind als Teil eines geplanten
zäunten Brachen ausgefüllten Stadtraster öffentliche Räume
Grünbandes zu öffentlichen Parks umgewandelt worden.
entstehen lässt und sich zu einem Park hin öffnet. Die Fassa-
Glanzstück der vor Ort als «River Renaissance» propagierten urbanen Regeneration aber ist das im August eröffnete
den der Bibliothek bestehen aus Glas, als Lichtfilter dient
fein perforiertes Kupferblech.
Figge Art Museum, das von dem in London tätigen Architekten David Chipperfield entworfen wurde.
Einpassung in die Skyline
Gläsern schimmern auch die Fassaden des kubisch konzi-
Chipperfield in den USA
pierten Figge Art Museum in Davenport – besonders ein-
Chipperfield war in den späten Achtziger- und frühen Neun-
drucksvoll, wenn man über die Centennial Bridge mit ihren
zigerjahren durch minimalistische Boutiquen in der briti-
fünf Bögen hinüber nach Rock Island fährt und sieht, wie sich
schen Kapitale sowie durch einige Bürogebäude in Tokio
der strahlende Bau über den Wassermassen des Mississipi in
bekannt geworden; sein sensibler Umbau des Museum of
die Silhouette der Stadt einfügt. Das erste Modell, mit dem
Natural History in London und der Bau des Rudermuseums in
sich Chipperfield in der Finalrunde des Wettbewerbs 1999
Henley-on-Thames liessen ihn zu einem gefragten Mu-
gegenüber den New Yorker Büros von Richard Meier, Rafael
seumsarchitekten werden. Zu den jüngeren Planungen ge-
Viñoly sowie Gwathmey Siegel, den Finnen Heikkinen-Ko-
hören die Rekonstruktion des Neuen Museums auf der Berli-
monen und Carlos Jiménez aus Madrid durchgesetzt hatte,
ner Museumsinsel sowie die Erweiterung des Deutschen
wies noch eine Orientierung der Gebäudemassen quer zum
Literaturarchivs in Marbach am Neckar (vgl. archithese
Fluss und eine Verkleidung mit Aluminiumpaneelen auf;
4.2006); in den USA ist er inzwischen mit Erweiterungen des
Skizzen und Modelle, die im Foyer ausgestellt sind, zeigen,
St. Louis Art Museum und des Anchorage Museum of History
wie Chipperfield zunächst mit verschiedenen horizontalen
and Art betraut worden. Ein weiteres Gebäude Chipperfields
und vertikalen Gruppierungen experimentierte. Als gläserne
steht 160 Meilen westlich von Davenport in Des Moines, der
Box wendet das an den viel befahrenen River Drive herange-
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4 Foyer
5 Ausstellungssaal
6 Grundrisse EG
sowie 1. und 2. OG
und Längsschnitt
1:1000
A Vestibül
B Lobby
C Museumsshop
D Restaurant
E Magazin
F Haustechnik
G Dauerausstellung
H Grafiksaal
I Bibliothek
K Administration
L Auditorium
M Kunststudio
N Wechselausstellungen
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schobene ausgeführte Gebäude seine Breitseite dem Fluss
zu, die von einem quer gestellten kubischen Aufsatz mit den
Sonderausstellungsbereichen überragt wird. Das neue Gebäude stärkt die Flussansicht der Stadt, es bildet ein volumetrisches Pendant zu einem benachbarten historischen Geschäftshaus – und ordnet sich doch dem die Skyline prägenden Turm des einstigen American Commercial Bank Building
deutlich unter. Im Norden, also auf der Stadtseite, ist ein
leicht ansteigender Vorplatz entstanden, auf dem ein Tower
von Sol Lewitt Aufstellung gefunden hat; von hier aus wird
das Museum betreten, sofern man nicht die Rampe vom River
Drive aus benutzt. Um die Lobby gruppieren sich das geschmackvoll mit Mobiliar von Harry Bertoia ausgestattete
und im Farbklang weiss, orange, schwarz gehaltene Restaurant 225 und der Museum Store. Die Ausstellungsräume für
N
die ständige Sammlung befinden sich wie auch Bereiche für
Sonderausstellungen, Bibliothek, Museumspädagogik und
Verwaltung im Niveau darüber, dem oberen Geschoss des
Sockels. Räume unterschiedlichen Zuschnitts sind hier auf
Basis eines orthogonalen Grundrissrasters arrangiert; Chipperfield verwendete schlichte weisse Wände, dunkles Stabholzparkett und aus quadratischen Feldern bestehende Oberlichtelemente, mit denen sich natürliches Licht und künstliche Beleuchtung mischen lassen.
Die zwei grossen, Sonderausstellungen vorbehaltenen
M
Säle liegen übereinander im turmartigen Aufsatz und sind
L
flussseitig durch eine grandiose Kaskadentreppe aus drei
Läufen verbunden. Von diesem Wintergarten, dem eindring-
G
lichsten Raum des Gebäudes, fällt der Blick weit über den
H
I
Strom nach Rock Island, von woher die vielfach aus Europa
K
stammenden Siedler seinerzeit nach Davenport übersetzten,
um den Westen zu erobern.
Architektur: David Chipperfield Architects,
London; Team: Johannes Baumstark, Franz
Borho, David Chipperfield, Jochen Glemser,
Isabelle Heide, Victoria Jessen-Pike, Reto Liechti,
Laurent Masmonteil, Viola Simonchioni, Jennifer
Singer, Hau Ming Tse, Patrick Uberbacher, Reiko
Yamasaki; Kontaktarchitekt: Herbert Lewis Kruke
Blunk Architecture, Des Moines; Auftraggeber:
Davenport Museum of Art
Die Bestände des Figge Art Museum umfassen eine
kleine Sammlung europäischer Kunst des Mittelalters,
der Renaissance und des Barock, europäische und amerikanische Kunst des 18. bis 20. Jahrhunderts sowie
eine mexikanisch-koloniale und eine haitianische Kollektion. Die Sammlung, über die Jahrzehnte stetig geC
wachsen, war seit 1878 in einem Privathaus zugänglich
F
und erhielt 1925 den Status einer Municipal Art GalB
lery; 1962 erfolgte der Umzug des Davenport Art Museum in einen Neubau im Feyervary Park am Rande der
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Innenstadt. Die ortsansässige Figge Foundation betei-
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A
ligte sich mit 12 Millionen an den Gesamtkosten von
knapp 47 Millionen Dollar für das jetzige Bauprojekt.
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