marokko - Schweizer Familie
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marokko - Schweizer Familie
Nr. 40 1. Oktober 2015 Fr. 5.– www.schweizerfamilie.ch e ise Les e r r O K MARiteO7K0/71 Se SORTEN, TIPPS UND REZEPTE IM REICH DER KÜRBISSE SEITE 30 DIE BESTATTERINNEN ZWEI SCHWESTERN LEBEN MIT DEM TOD SEITE 14 DICKE KINDER WAS ELTERN TUN KÖNNEN SEITE 58 WINTERPULLIS FÜR JEDEN TYP DAS PASSENDE MODELL SEITE 42 EDITORIAL LIEBE LESERINNEN LIEBE LESER Claudia Singh erkrankte mit 44 Jahren an Brustkrebs. Eveline Hasler legt mit «Stürmische Jahre» ihren neusten Roman vor. Fotos: Mara Truog, Gian Marco Castelberg BRUSTKREBS. 5500 Frauen erkran- EVELINE HASLER. Die Romane der ken in der Schweiz jährlich an einem sogenannten Mammakarzinom. Auch wenn dank neuen Therapien über 80 Prozent der Patientinnen wieder gesund werden, ist die Diagnose ein Schock. Viele der betroffenen Frauen stehen mitten im Leben, haben Familie und Kinder. Es stellen sich quälende Fragen: Werde ich mein Kind aufwachsen sehen? Wie erkläre ich ihm, warum ich so müde bin und keine Haare mehr habe? So erging es auch Claudia Singh, als sie mit 44 Brustkrebs bekam. Heute, über ein Jahr später, schaut sie zuversichtlich in die Zukunft. Sie erzählt, wie sie mit ihrer kleinen Tochter über die Krankheit spricht und wie wichtig der seelische Beistand von Familie und Freunden für die Genesung ist. Die Krebsliga setzt am 23. Oktober ein Zeichen der Solidarität für alle betroffenen Frauen. Denn nichts ist schlimmer, als mit dieser Krankheit alleine zu sein. Lesen Sie ab SEITE 78 Schweizer Schriftstellerin behandeln meist Stoffe aus der Schweizer Geschichte und sind stets grosse Erfolge. Ihr neues Buch heisst «Stürmische Jahre» und erinnert an zwei mutige Menschen, die fast in Vergessenheit gerieten: Ferdinand und Marianne Rieser. Das Paar leitete in den 1930er-Jahren das Schauspielhaus Zürich und machte dieses zu einem Zufluchtsort für jüdische Schauspieler. Mit nazikritischen Stücken warnten die Riesers vor Hitler und wurden dafür von nationalistischen Kreisen angefeindet. Warum hat Eveline Hasler das Buch geschrieben, und wie denkt die 82-Jährige über die Flüchtlingsströme von heute? Wir haben sie zu Hause im Tessin gefragt. SEITE 10 Herzlich, Ihr Daniel Dunkel, Chefredaktor ANZEIGE Ab in den Norden Nordische Winterträume Hurtigruten Eiszeit Bestellen Sie jetzt die neuen Winterkataloge Tel. 056 203 66 66 · www.kontiki.ch Schweizer Familie 40/2015 3 INHALT Nr. 40 vom 1.10.2015 – MIT TV TÄGLICH ➳ Menschen Traumfänger.......................... 8 Roland Zoss, Kinderliedermacher 30 Eveline Hasler..................... 10 Die Schriftstellerin gibt den Vergessenen eine Stimme Bestatterinnen..................... 14 Doris Hochstrasser und Karin Koch leben ihre Berufung Erika Jörg baut Kürbisse in allen Formen und Farben an und weiss alles über die grossen Feldfrüchte. Jamie Huser......................... 18 Der 11-Jährige ist Schweizer Meister im Wakeboarden ➳ Wissen Katharina von Arx................ 22 Das Wirken der grossen Schweizer Abenteurerin ➳ Essen Kürbis................................... 30 Wie die Sorten schmecken, wie sie zubereitet werden ➳ SchönerLeben Mode..................................... 42 Pullover für jeden Geschmack 42 Strick ist chic. Wie die modischen Pullover getragen werden – vom Rollkragen- bis zum Oversizemodell. e ise Les e r r O Monatsgarten....................... 48 Das gibt es im Oktober zu tun Lesezirkel............................ 50 Vier Gastgeber für Leseratten 78 ➳ Familienleben Dicke Kinder......................... 58 Was Eltern gegen die Fettleibigkeit tun können Ratgeber............................... 60 «Warum, warum?» – Xenia Frenkel über Kinderfragen Jedes Jahr erkranken rund 5500 Frauen in der Schweiz an Brustkrebs. Was tun bei einer Diagnose? ➳ Reisen K MAROK71 Marokko................................ 64 Im Reich der Märchenerzähler 0/ Seite 7 64 Pulsierende Städte, Stille in der Wüste, famoses Kunsthandwerk: Marokko ist ein Königreich der Vielfalt. Weekendtipp........................ 75 Mit dem Velo durch die Glarner Industriegeschichte ➳ Gesundheit Brustkrebs........................... 78 Wie eine Betroffene und ihre Liebsten damit umgehen Puls....................................... 90 Suchtgefahr bei Beruhigungsmitteln ➳ Rubriken Aus dem Fotoalbum......................9 Sudoku.........................................28 Rätsel...........................................54 Spielspass...................................62 Medientipps.................................92 Horoskop......................................94 Impressum..................................94 Leserforum..................................95 Lösungen.....................................95 Titelfoto: Maurice K. Grünig Fotos: Maurice K. Grünig, Joan Minder, Keystone, Getty Images, Salvatore Vinci Marktplatz...................................96 Frölein Da Capo...........................98 Gewinnen Sie...............................99 Schweizer Familie 40/2015 5 FAMILIENLEBEN Ist mein Kind WIRKLICH ZU DICK? Leidet ein Kind an ÜBERGEWICHT, leidet auch sein Selbstwertgefühl. Doch ab wie vielen Kilos gelten Mädchen und Knaben als fettleibig, und was können Eltern dagegen tun? Text Marianne Siegenthaler Illustrationen Larissa Bertonasco F ast jeder zweite Erwachsene und jedes fünfte Kind in der Schweiz ist zu dick. Wer sich falsch ernährt und zu wenig bewegt, muss mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen rechnen. Sie reichen vom Plattfuss über die Zuckerkrankheit bis zur Leberverfettung und zum Herzinfarkt. Grund genug für das Bundesamt für Gesundheit (BAG), Millionenbeträge in Präventionskampagnen zu stecken. Aber hilft den dicken Kindern ein Plakat mit einem extrabreiten Schlitten wirklich beim Abnehmen? Fachleute sind skeptisch. Einerseits spüren Kinder sehr wohl, dass ihr Körper nicht dem gängigen Ideal entspricht, was ihnen ja allzu oft auch von den Gspänli und dem übrigen Umfeld vermittelt wird. Anderseits kann das ständige Thematisieren von Essen und Ernährung das Problem verschärfen. Nicht zuletzt warnen Experten davor, dass, wenn Ernährung als Problem wahrgenommen wird, es auch zu Essstörungen kommen kann. Und diese sind nicht nur weit verbreitet, sondern auch deutlich schädlicher als leichtes Übergewicht. Bloss keine Diät Wann ist denn ein Kind überhaupt zu dick? Der Body-Mass-Index für das Kind berücksichtigt neben Körpergewicht und -grösse auch das Alter sowie das Geschlecht des Kindes, er wird also nicht gleich ausgerechnet wie bei Erwachsenen. 58 Schweizer Familie 40/2015 Als übergewichtig gilt ein Kind, wenn sein BMI über dem von 90 Prozent der Altersund Geschlechtsgenossen liegt. Ist das der Fall, braucht es aber keine Diät, schon gar keine Hungerkur. Vielmehr wird angestrebt, dass es das Zuviel an Kilos mit dem Wachstum wettmacht. Zu diesem Zweck muss nichts verboten werden, aber der Konsum von Kalorienbomben wie Kinderschokolade, Red Bull oder Rahmglace wird eingeschränkt. Nicht zuletzt aber sollten Eltern sich bewusst sein: In keinem Alter ist Dicksein so hart wie in der Kindheit und Jugend, und so kommen bei den Betroffenen zu den Gewichts- noch weitere Probleme wie zum Beispiel ein geringes Selbstwertgefühl oder Schulangst dazu. Wird der Leidensdruck zu gross, wendet man sich deshalb am besten an eine Fachstelle (siehe Hinweis). So können Sie Ihr Kind unterstützen Machen Sie mit bei der gesunden Ernährung. Im Wasser gekochte Kartoffeln empfindet ein Kind als Strafe, wenn der Rest der Familie Pommes frites bekommt. Kochen Sie entweder leichter oder aber kleinere Portionen. Betrachten Sie es als ein gemeinsames Familienprojekt, das auch gemeinsam durchgezogen wird. Aber verzichten Sie darauf, Essen und Gewicht ständig zu thematisieren. Je nach Alter des Kindes können Sie ihm erklären, was in den Lebensmitteln drinsteckt und weshalb die einen als «gesund» und die anderen als «weniger gesund» gelten, weshalb also ein Frischprodukt einem Fertigprodukt vorzuziehen ist. Beziehen Sie Ihr Kind in den Einkauf und die Zubereitung des Essens mit ein. So lernt es viel über Lebensmittel, und der Verzicht auf Fast Food fällt leichter, wenn es in der Lage ist, sich selber etwas Feines zuzubereiten. Fettiges und Süsses sowie gezuckerte Getränke sollten Sie nur noch in kleiFoto: Stocksy FAMILIENLEBEN Glace zu verbieten, ist nicht der richtige Weg. Massvoll geniessen heisst die Lösung. nen Mengen kaufen und möglichst gar nicht vorrätig haben. Achten Sie darauf, dass kein Heisshunger aufkommt oder Ihr Kind ständig am Essen ist. Ein gesundes Znüni und Zvieri hilft, die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit zu überbrücken. Animieren Sie das Kind zu Fotos: Name mehr Bewegung, indem Sie selber mitmachen, zum Beispiel mit Velotouren, Schwimmen oder Wanderungen – oder geben Sie dem Kind kleine Aufgaben, die für Bewegung sorgen, also beispielsweise zum Bäcker oder zur Post gehen. Als Belohnung für gute Noten oder eine sonstige Leistung statt Süssigkeiten lieber einen Comic oder etwas anderes Kalorienfreies geben. Lassen Sie sich und ihrem Kind Zeit. Kinder wachsen mal schneller, mal langsamer, sind mal dicker, mal dünner, es verändert sich viel, aber nicht von einem Tag auf den anderen. ● Infos und Unterstützung für Eltern Beim Schweizerischen Fachverein Adipositas im Kindes- und Jugendalter findet man professionelle Hilfsangebote für Betroffene: www.akj-ch.ch Body-Mass-Index für Kinder ausrechnen: www.gesundheitsfoerderung.ch Schweizer Familie 40/2015 59 GESUNDHEIT Jedes Jahr erkranken rund 5500 Frauen in der Schweiz an Brustkrebs. Computerdarstellung eines bösartigen Tumors (roter Kreis). «MEINE FAMILIE gab mir Zuversicht» Die Diagnose BRUSTKREBS ist ein Schock. Für betroffene Frauen wie auch für ihre Partner und Kinder. Claudia Singh erzählt, wie sie und ihre Liebsten mit der Erkrankung umgegangen sind. Text Ginette Wiget K lopfenden Herzens wählte Claudia Singh die Telefonnummer ihres Frauenarztes. Ein paar Tage zuvor hatte dieser eine Gewebeprobe aus einem Knoten in ihrer Brust entnommen. Jetzt sollte sie das Ergebnis der Untersuchung erfahren. Wenig später hörte sie den Arzt: «Es tut mir leid. Der Knoten ist bösartig.» Noch nie hatte sich die heute 45-jährige Frau so alleine und verzweifelt gefühlt wie in diesem Augenblick. Trotzdem ging sie, wie ferngesteuert, zu ihrer Schulung zurück – als Personalfachfrau einer grossen Bank befand sie sich gerade auf einer Geschäftsreise in Polen. Erst abends, als sie im Taxi sass, brach sie in Tränen aus. Später im Hotelzimmer telefonierte sie mit ihrer Tochter und ihrem Lebenspartner. Er sagte immer wieder: «Alles kommt gut, das schaffen wir.» Ursachen sind unklar In der Schweiz erhalten jedes Jahr rund 5500 Frauen die Diagnose Brustkrebs. Die Ursache der Krankheit ist nach wie vor unklar. Bekannt ist hingegen, dass bestimmte Faktoren das Brustkrebsrisiko erhöhen. Der wichtigste davon ist das Alter: 4 von 5 Frauen sind zum Zeitpunkt der Diagno- 78 Schweizer Familie 40/2015 Fotos Mara Truog se älter als fünfzig Jahre. Claudia Singh erhielt die niederschmetternde Nachricht Anfang letzten Jahres, damals war sie 44. Entdeckt hatte sie den Knoten bei ihrer monatlichen Selbstabtastung der Brust. ZEICHEN DER SOLIDARITÄT Im Oktober finden zahlreiche Veranstaltungen der Krebsligen zum Thema Brustkrebs statt. Die Krebsliga ruft dazu auf, am 23.10. für betroffene Frauen ein Licht der Hoffnung, ein Pink-Light, anzuzünden und ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Mehr dazu und eine Veranstaltungsliste unter: www.krebsliga.ch/brustkrebs Auch die Aktion Donate a Plate setzt mit Porzellanschalen ein Zeichen der Solidarität für Brustkrebs-Betroffene. Eine Schale kostet 44 Franken, 15 Franken gehen an die Krebsliga und den Verein Savoir Patient. www.donateaplate.ch Das Luzerner Kantonsspital veranstaltet am 15.10. einen Vortragsabend zur Brustgesundheit. Anmeldung unter: www.luks.ch/frauenklinik Trotzdem rief sie nicht gleich ihren Arzt an, sondern wartete zehn Tage. «Ich dachte, vielleicht verschwindet der Knoten wieder», erinnert sie sich. «Vielleicht schob ich den Arzttermin aber auch heraus, weil ich ahnte, dass es ernst ist.» Ein Knoten in der Brust ist die häufigste Art, wie sich Brustkrebs bemerkbar macht. Aber längst nicht jeder Knoten bedeutet Krebs. «In vier von fünf Fällen stecken harmlose gutartige Veränderungen dahinter», sagt Susanne Bucher, Leiterin des Brustzentrums am Luzerner Kantonsspital. Weitere mögliche Symptome von Brustkrebs sind Ausfluss aus der Brustwarze, Hautveränderungen oder Einziehungen, bei denen eine kleine Delle in der Brust entsteht. Bei solchen verdächtigen Veränderungen wird meist eine Röntgenuntersuchung der Brust (Mammografie) und ein Ultraschall gemacht. Danach erfolgt eine Untersuchung des auffälligen Gewebes. Ist der Tumor bösartig, muss er operativ entfernt werden. «Meistens kann die Brust dabei erhalten werden», sagt die Frauenärztin Susanne Bucher. Eine Entfernung der ganzen Brust ist in der Regel nur nötig, wenn der Tumor ➳ Fotos: Keystone, Getty Images GESUNDHEIT Mit ihrer damals vierjährigen Tochter sprach Claudia Singh ganz offen über ihre Krankheit. Sie erklärte ihr, dass sie ein Kügelchen in der Brust habe, das rausmüsse. «Ich hatte Angst, meine Tochter nicht mehr auf ihrem Weg begleiten zu können.» Claudia Singh, 45 GESUNDHEIT «Wichtig ist, die Wahrheit zu sagen» Irma Boving arbeitet seit 20 Jahren für das Krebstelefon der Schweizer Krebsliga. Sie rät betroffenen Müttern, offen mit ihren Kindern über die Krankheit zu sprechen. Und ihnen allfällige Schuldgefühle zu nehmen. len, denn oft müssen sie viel Verantwortung in der Familie übernehmen. Oder sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich lieber mit Freunden treffen würden, als zu Hause zu helfen. Irma Boving, Sie beraten seit 20 Jahren Frauen mit Brustkrebs und deren Angehörige am Telefon. Welches sind die häufigsten Fragen? Es sind Fragen rund um das Leben mit Krebs: Was für Auswirkungen hat die Krankheit auf mich und meine Familie? Wie lerne ich, mit meinen Ängsten umzugehen? Oft geht es auch um fachliche Fragen, zum Beispiel weshalb welche Untersuchungen oder Behandlungen nötig sind. Warum besprechen die Frauen solche fachlichen Fragen nicht mit ihren Ärzten? Oft können die Frauen beim Arzt gar nicht alle Informationen aufnehmen, weil sie nach der Diagnose unter Schock stehen. Dann braucht es eine Wiederholung von dem, was gesagt wurde. Viele Fragen kommen auch erst später zu Hause. Welche Vorteile hat die Beratung am Telefon? Die Anrufenden sehen uns nicht, und wir sehen sie nicht. Das ermöglicht Anonymität und schafft gleichzeitig Nähe und Vertrauen. So können sie auch über schwierige Themen wie etwa Kommunikationsoder sexuelle Probleme sprechen. Was genau sind das für Probleme? Der Mann will zum Beispiel seine Frau schonen und meidet das Thema Krebs. Sie fragt sich: Warum redet er nicht darüber, bin ich ihm egal? Hier hilft es, wenn beide offen über ihre Unsicherhei- 80 Schweizer Familie 40/2015 Was sagen Sie den Jugendlichen? Dass sie sich die Zeit nehmen dürfen für sich selbst. Wir schauen auch, ob wir Ihnen Hilfe vermitteln können. Verschiedene kantonale Krebsligen haben Angebote für Kinder von krebskranken Eltern. Irma Boving, 62, berät am Telefon Menschen, die an Krebs erkrankt sind, und deren Angehörige. ten sprechen können. Auch in der Sexualität kann es zu Problemen kommen, zum Beispiel, wenn sich eine Frau nach einer Brustamputation nicht mehr attraktiv fühlt. Ist die Angst, an Brustkrebs zu sterben, ein vorherrschendes Thema am Telefon? Die Diagnose ist sicher ein Schock. Wer sie bekommt, wird sich seiner Endlichkeit bewusst. Fragen wie «Muss ich jetzt sterben?» höre ich aber selten. Vielleicht, weil die Leute heute wissen, dass Brustkrebs meist behandelt werden kann. Sie sind heute auch dank des Internets besser informiert. Schürt das Internet auch Unsicherheiten, weil die Flut an Informationen schwer einzuordnen ist? Ja. Wir helfen den Frauen, die Informationen einzuordnen und zu verstehen. Das Internet hat aber auch positive Sei- ten. Es hat dazu beigetragen, dass Brustkrebs enttabuisiert wurde. Heute gibt es Internetforen, Blogs und Chats zu Brustkrebs, in denen sich Betroffene und Angehörige informieren und austauschen können. Auch die Krebsliga bietet an, Fragen per Mail, Skype oder Live-Chat zu stellen. Wie gut kommt das Angebot an? Die meisten Beratungen finden am Telefon statt. Aber wir erhalten auch viele Anfragen per Mail. Die Live-Chats sind bei Jugendlichen und Erwachsenen beliebt. Aus welchen Gründen melden sich Jugendliche bei Ihnen? Manche rufen stellvertretend für die Mutter an, weil die Eltern nicht Deutsch sprechen. Andere wollen die Eltern nicht mit ihren Sorgen belasten. Es kommt vor, dass sich Jugendliche überfordert füh- Sollen Mütter, die an Krebs erkrankt sind, offen mit ihren Kindern darüber reden? Ja. Kinder merken, wenn in der Familie etwas nicht stimmt, und suchen die Schuld schnell bei sich. Sie denken dann zum Beispiel, dem Mami gehe es nicht gut, weil sie unartig waren. Wie sagt eine Mutter ihrem Kind, dass sie Krebs hat? Das kommt auf das Alter an. Wichtig ist, dass man die Erkrankung beim Namen nennt und dem Kind die Wahrheit sagt. Man muss nicht alles auf einmal sagen, sondern kann portionsweise informieren. Wer unsicher ist, wie er mit seinem Kind über die Erkrankung sprechen soll, holt sich am besten fachliche Hilfe. ● Krebstelefon der Krebsliga Tel. 0800 11 88 11 (gratis), Mo– Fr, 9–19 Uhr, Mail: helpline@ krebsliga.ch, www.krebsliga.ch/ krebstelefon, Live-Chat: www. krebsliga.ch/cancerline GESUNDHEIT besonders gross oder die Brust im Verhältnis zum Tumor sehr klein ist. Claudia Singh wurde der Tumor sogleich entfernt. Ein paar Tage später sagten ihr die Ärzte, dass der Tumor grösser war als angenommen und in einer zweiten Operation deshalb die ganze Brust wegmüsse. «Das war ein weiterer Schock.» Zu dem Zeitpunkt konnten die Mediziner noch nicht sagen, ob der Krebs in Organe oder Knochen gestreut hatte. «Da wurde mir zum ersten Mal bewusst: Es kann sein, dass ich sterbe.» Ihre Gedanken kreisten dabei weniger um sich selbst als um ihre damals vierjährige Tochter: «Ich hatte Angst, sie nicht mehr auf ihrem Weg begleiten zu können.» Nach der Operation folgte die nächste Hiobsbotschaft: Die Ärztin teilte ihr mit, es sei eine vorbeugende Chemo- und Strahlentherapie nötig. Sie sagte zu ihr: «Sie werden alle Haare verlieren.» Claudia Singh dachte nur: «Das kann nicht sein.» «In vier von fünf Fällen stecken harmlose, gutartige Veränderungen hinter einem Knoten in der Brust.» Susanne Bucher, Frauenärztin Doch es gab auch eine gute Nachricht: Es zeigte sich, dass der Krebs nicht gestreut hatte. «An diesem Punkt kehrte mein Glaube, dass alles gut kommt, zurück.» Mit ihrer Tochter redete sie offen über die Erkrankung. Das war richtig. Die Fachleute raten betroffenen Eltern dazu, mit den Kindern über die Krebserkrankung zu sprechen. «Kinder merken, wenn in der Familie etwas nicht stimmt, und suchen die Schuld schnell bei sich», sagt Irma Boving, Beraterin am Krebstelefon der Krebsliga (siehe Interview links). Claudia Singh erklärte ihrer Tochter, sie habe ein Kügelchen in der Brust, das raus- müsse. Als nach den beiden Operationen die Chemotherapie anstand, bastelte sie für ihre Tochter eine Collage. «Ich habe alle Wochen der Therapie aufgezeichnet und dazu Bilder aufgeklebt, von einer Frau ohne Haare, einer Frau mit Perücke, einer mit Kopftuch und einer Frau, die müde ist», erzählt sie. «Dann haben wir Woche für Woche zusammen abgehakt.» Als Claudia Singh in der dritten Woche nach der ersten Chemotherapie die Haare ausfielen, konnte sie das erstaunlich gut annehmen. «Ich dachte, es würde mir viel schwerer fallen.» Auch die Tochter nahm die Veränderung gut auf. «Wenn ➳ ANZEIGE Publireportage Spannende Ausflüge für Gross und Klein! Die Schweiz ist ein einziger Abenteuerspielplatz für Familien. Ein Tagesausflug reicht, um ausgelassene Ferienstimmung wach zu rufen. Am einfachsten geht das mit RailAway, weil die Freizeitanbieterin der SBB bereits an alles gedacht hat. Familien die ihren Ausflug mit dem öffentlichen Verkehr machen, bezahlen bis zu 20 Prozent weniger auf die Hin- und Rückfahrt. Zudem ist der Eintritt – wo einer erhoben wird – bereits im Kombi-Billett inbegriffen oder aber es sind weitere kleine Extras vorgesehen. Verkehrshaus der Schweiz Luzern. Offen für Entdecker. Die drei Burgen von Bellinzona. Mittelalterliche Talsperre. Maison Cailler – Chocolaterie Suisse. Ein Erlebnis für die Sinne. Spass, Unterhaltung und Faszination für die ganze Familie. Über 3000 Zeitzeugen der Verkehrsgeschichte ganz nah, TV- und Radiostudio, verschiedene Bahn- und Flugsimulatoren, Multimediashows und die Swissarena machen das Verkehrshaus zum Erlebnispark und einem der beliebtesten Museen der Schweiz. Die Wehranlagen von Bellinzona gehören zu den bedeutendsten Zeugen der mittelalterlichen Befestigungsbaukunst im Alpenraum. Erleben Sie die Spuren, Zeugnisse und Denkmäler aller Epochen der erlebnisreichen Stadtgeschichte. 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GESUNDHEIT «Ich weiss heute besser, wer ich bin und was mir wichtig ist.» Claudia Singh Während der Genesung entschied Claudia Singh, ihren Beruf zu wechseln: «Ich habe gemerkt, dass ich einen neuen Weg gehen muss.» ich zu Hause die Perücke auszog, streichelte sie mir oft über die Kopfhaut.» Mehr zu schaffen machten Claudia Singh die grosse Müdigkeit und Benommenheit, die als Folge der Chemotherapie auftraten. «Die Nebenwirkungen sind für die Frauen eine Belastung», sagt Stefan Aebi, Leiter der medizinischen Onkologie am Kantonsspital Luzern. «Sie müssen aber, wenn eine Chemotherapie nötig ist, leider in Kauf genommen werden.» Eine Alternative zur Chemotherapie gibt es für viele Patientinnen bislang nicht. Zwar stehen nebst Antihormontherapien inzwischen neuere Ansätze wie eine Antikörpertherapie zur Verfügung, «diese zielgerichteten Medikamente kommen jedoch nur bei einem Fünftel der Patientinnen in Frage», sagt Stefan Aebi. «Sie werden zudem meist nur ergänzend zur Chemotherapie eingesetzt.» Wie ein Fels in der Brandung Während der Chemotherapie und der Strahlenbehandlung ging Claudia Singh viel im Wald spazieren und joggen. Das vertrieb nicht nur die Müdigkeit. «Mein Heilungsprozess hat in der Natur stattgefunden. Dort hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und konnte neue Kraft 82 Schweizer Familie 40/2015 schöpfen.» Zuversicht gaben ihr auch ihre Familie und Freunde. «Besonders mein Lebenspartner war wie ein Fels in der Brandung», sagt sie. «Er hat mir den Rücken freigehalten, wenn ich Zeit für mich gebraucht habe.» Eine grosse Hilfe waren zudem die Besuche bei einer Psychotherapeutin, zu der sie auch heute noch regelmässig geht. Nach der Chemo- und Strahlentherapie folgte Ende Jahr eine weitere grosse Operation: der Brustaufbau. «Meine Brust sieht nicht mehr so aus wie früher», sagt Claudia Singh heute. «Aber ich fühle mich trotzdem wohl in meinem Körper.» Im neuen Jahr wurde der Personalfachfrau immer mehr bewusst, dass ihre Genesung noch Zeit brauchte und sie womöglich nicht in ihren Beruf zurückkehren konnte. «Ich habe gemerkt, dass ich einen neuen Weg gehen muss, weil ich nicht mehr gleich belastbar bin.» Für Claudia Singh bedeutete das, sich von ihrem alten Job zu verabschieden und nun Schritt für Schritt etwas Neues, Eigenes zu beginnen – etwas, was für sie mehr Sinn ergibt. «Ich musste im Personaldienst viele schlechte Botschaften überbringen, zum Beispiel Kündigungen. Ich habe gemerkt, dass ich das nicht mehr kann, und sehe es nun als Chance, einen neuen Weg einzuschlagen.» Sie beabsichtigt, sich ein neues Standbein mit einer Massagepraxis aufzubauen. Ihr Ziel ist es, nicht nur gesunde Leute, sondern auch Krebspatienten zu behandeln und zu begleiten. Obwohl die Diagnose Ängste hervorgerufen hat und die Therapie mit viel Schmerz verbunden war, sieht Claudia Singh den Prozess, den die Krankheit ausgelöst hat, als Bereicherung. «Ich weiss heute besser, wer ich bin und was mir wichtig ist.» Abgeschlossen ist ihre Krebsbehandlung noch nicht. Sie muss noch mindestens fünf Jahre lang ein antihormonelles Medikament einnehmen. Denn Claudia Singh hat eine Form von Brustkrebs, die durch weibliche Geschlechtshormone zum Wachsen angeregt wird. «Die Medikamente wirken diesem Mechanismus entgegen», sagt der Onkologe Stefan Aebi. Nicht nur ihre Ärzte, auch Claudia Singh ist zuversichtlich, dass der Brustkrebs nicht wieder kommt. «Ich weiss aber, eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht. Deshalb lebe ich im Hier und Jetzt und mache das Beste aus meinem Leben.» Diese Einstellung beeinflusst auch ihre Beziehung zur Tochter. «Ich sage ihr immer wieder, ● wie froh ich bin, dass es sie gibt.» Haben Sie nun Lust, in einer richtigen «Schweizer Familie» zu blättern? Jetzt abonnieren