ZWEI UNBEKANNTE BRIEFE THOMAS MANNS von Hans Eichner

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ZWEI UNBEKANNTE BRIEFE THOMAS MANNS von Hans Eichner
ZWEI UNBEKANNTE BRIEFE THOMAS MANNS
von Hans Eichner
Als ich 1947-48 an meiner Doktordissertation ("Thomas Mann's
Relation to Goethe") arbeitete, wandte ich mich zweimal mit der Bitte um
spezifische Auskiinfte an Thomas Mann und erhielt die folgenden Antwortschreiben, die hier mit der freundlichen Erlaubnis von Herrn Professor Dr. Golo Mann veroffentlicht werden konnen:
1550 San Remo Drive
Pacific Palisades, California
THOMAS MANN
10. Maerz 1947
Sehr geehrter Herr Eidmer [sic]:
Ihr freundlicher Brief vom 15. Februar ist in meinen Haenden, und
Sie moegen mir glauben, dass was Sie mir ueber Kunst und Kuenstlertum
vortrugen, meine volle Sympathie hat und das was Sie ueber meine
persoenliche Arbeit aeusserten, mich aufrichtig gefreut hat.
Ich beantworte in Kuerze Ihre Fragen. Der Aufsatz ueber Werthers
Leiden war ein Vortrag, den ich urspruenglich auf Englisch vor den Studenten der Universitaet Princeton gehalten habe. Er ist in deutscher Sprache
nur in dem Buche "Corona, Studies in Celebration of the 80th Birthday
of Samuel Singer", erschienen, das von der Duke University Press in
Durham, North Carolina, verlegt wurde (1941). Ich besitze nur ein Handexemplar dieses Buches, hoffe aber, dass Sie es sich vom Verlag werden
verschaffen koennen.
Zweitens: Ich nehme an, dass Sie ein Exemplar der "Vertauschten
Koepfe", dieses kleinen metaphysischen Scherzes, besitzen, Ich wurde zu
der Erzaehlung angeregt durch das sehr interessante Werk des verstorbenen
Indologen Heinrich Zimmer, "Maya, der indische Mythos", das in der
Editor's Note: Mr. Eichner is Professor of German at the University of Toronto.
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Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart erschienen ist. Dort ist der Inhalt
der Legende in ein paar Zeilen fixiert.
Drittens: Die Angabe Arthur Eloessers in seinem kleinen Buch ist
richtig. Ich bin tatsaechlich bei der Konzeption des "Tod in Venedig" von
Goethe und Ulrike ausgegangen und habe nur damals nicht gewagt, Goethe
mit der Perspektive seiner Werke ueber meine kleine epische Buehne zu
fuehren. Erst vie1 spaeter habe ich einen humoristischen Anlass gefunden,
das zu tun, und es war gleich ein ganzer Roman, "Lotte in Weimar", der
damals entstand. Uebrigens erinnere ich mich, dass ein deutscher Kritiker,
Josef Hofmiller, ein begabter, von Nietzsche erzogener Analytiker, damals
in einer grossen Besprechung des 'Tod in Venedig" in den Sueddeutschen
Monatsheften der Einsicht in diese Urkonzeption Ausdruck gab. Er schrieb
in seiner Besprechung: "Der Schatten Ulrike von Levetzows schwebt
vorueber."
Mit verbindlichsten Gruessen
Ihr sehr ergebener
[gez.] Thomas Mann
THOMAS MANN
1550 San Remo Drive
Pacific Palisades, Calif.
13. September 1948
Sehr geehrter Herr Eichner!
Ich bin im Besitz Ihres freundlichen Briefes vom 2.d.M. und wuenschte
wirklich, Ihnen auf Ihre Fragen exakter antworten zu koennen, als ich
das heute noch vermag. Die Quellen, aus denen ich bei meiner Arbeit
geschoepft habe, etwa bei den Josephs-Romanen und auch bei "Lotte in
Weimar", vergesse ich sehr rasch und kann meistens schon nach kurzer
Zeit nicht mehr mit Sicherheit darueber Auskunft geben. Immerhin wilI
ich Ihnen einige Buecher nennen, die mir damals gedient haben und in
denen Sie die Antworten auf Ihre Fragen mit ziemlicher Sicherheit werden
finden koennen.
Ein Band von Geiger "Goethe und die Seinen", quellenmaessige Darstellungen ueber Goethes Haus, erschienen bei R. Voigtlaenders Verlag in
Leipzig, 1908, hat eine gewisse Rolle gespielt; ferner der Band "Weimar"
von Paul Kuehn, erschienen Leipzig bei Klinkhardt und Biermann. Sehr
wichtig war das Buch Wilhelm Bodes "Goethes Sohn", Berlin, 1918, ebenso
"Goethes aeussere Erscheinung, literarische und kuenstlerische Dokumente
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seiner Zeitgenossen", von Emil Scheffer, Insel-Verlag, 1914. Ich nenne noch
H. Gloel, "Goethes Wetzlarer Zeit", Berlin 1911. Dann natuerlich Riemers
Mitteilungen ueber Goethe und die Gespraeche und Briefe selbst.
Lottes Kleidung nach dem Muster der Brotschneideszene im "Werther"
wird ueberall envaehnt, wo von ihrem Besuch in Weimar 1816 ueberhaupt
die Rede ist. Das von Ottilie entliehene Buch muss in den Schriften ueber
August vorkommen, auch die Husaren-Frau ist historisch; die Adresse der
Ridels dagegen willkuerlich. Den Briefentwurf an den Grossherzog finden
Sie in Goethes Briefen.
Ihre Annahme, dass es sich bei dem Schlussgespraech im Wagen um
ein wirkliches Zusammensein handelt, kann ich nicht bestaetigen. Est ist
in der Tat ein "Geistergespraech". Lottes Beduerfnis, zu irgend einem
versoehnlichen Abschluss der spaeten Wiederbegegnung zu gelangen, ist
so stark, dass es ihr die Gegenwart Goethes im Wagen vorspiegelt, und
man kann ein aehnliches Beduerfnis auf Goethes Seite auch annehmen,
sodass es sich um eine Art von Begegnung der Seelen handelt. Wenn Sie
genau hinsehen, werden Sie viele Merkmale finden, die fuer die Irrealitaet
des Gespraechs zeugen. Auf der anderen Seite ist es eine ziemlich starke
Lizenz in dem Roman, dass IQemer bei dem Diner, das Goethe fuer
Lotte gibt, anwesend ist. Ich glaube, dass er um diese Zeit nicht in dem
Hause am Frauenplan verkehrte, da er sich mit August schwer uebenvorfen
hatte.
Nehmen Sie bitte vorlieb mit diesen Hinweisen und lassen Sie mich
meine besten Wuensche fuer das Gelingen Ihrer Arbeit hinzufuegen.
Ihr sehr ergebener
[gez.] Thomas Mann
Die folgenden Erlauterungen mogen zweckdienlich sein.
1. Goethes Werthel: In deutscher Sprache war dieser Aufsatz damals in
der Tat nur an der von Thomas Mann angegebenen Stelle zuganglich,
wurde jedoch in Altes und Neues (Frankfurt a.M., 1953) und dann naturlich
in Manns Gesammelten Werken in zwolfBanden (Berlin, 1955) nachgedruckt.
Der englische Vortrag in Princeton hatte im November 1939 stattgefunden.'
2. Die vertauschten Kopfe. Thomas Manns Quellenangabe ist irrig; seine
Erzahlung fuRt auf einer Zusammenfassung der Legende von den vertauschten Kopfen in Heinrich Zimmers Aufsatz "Die indische Weltmutter,"
Eranos-Jahrbuch (Zurich, 1939), S. 175 if.."
3. Der Tod in Venedig. Arthur Eloesser berichtet in seinem Buch, Thomas
Mann. Sein Leben und sein Werk (Berlin, 1925), S. 170-71:
Thomas Mann fuhlte sich aufgerufen, die Geschichte einer Leidenschaft zu schreiben,
die durch ihr ubermaa alle Widerstlnde, aUe Sicherungen der Persijnlichkeit bricht, die
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eine bedeutende, durch Leistung bestatigte, durch den Erfolg hochgefuhrte Existenz
bedroht.. . . In dieser Stimmung erschien ihm das Bild des Greises [Goethe], der nach
elner bedrohlichen Krankheit, in gefahrlich erneuter Jugend vor einer netten unbedeutenden Siebzehnjahrtgen kniet. . , . Wenn Thomas Mann einer mit Entwurdigung
bedrohten ~eidenschaftnachsann, so mag ihn besonders die von Ulrike bestatigte Szene
tragikkomisch erschuttert haben, wie ein Viemndsiebzigjahrtger im Ehrgeiz der Verjungung
mit den Madchen urn die Wette lauft und dabei klaglich zu Fall kommt, ein groller
Hans, der erste Mann seiner Zeit.
Eloesser kontaminiert zwei Beziehungen Goethes. Seine Partnerin im
Wettlauf, bei dem er zu Fall kam, war Philippine Lade, deren Bekanntschaft
er 1814 in Wiesbaden machte3; das war sieben Jahre vor seinem ersten
langeren Aufenthalt in Marienbad, wo er Ulrike von Levetzow kennenlernte.
DaR Thomas Mann bei der Konzeption des "Tod in Venedig" u.a. von
Goethes Altersliebe zu UIrike ausging, h a t er wiederholt festgestellt.
Eloessers Bericht beruht auf Gesprachen mit Thomas Mann. J. G. Btennan,
der 1942 auf die Anregung durch Goethes Marienbader Erlebnisse hinwies,
verdankte sein Wissen Frau Katja Mann.' Seither sind zahlreiche Briefe
Thomas Manns veroffentlicht worden, in denen er auf Goethes Rolle bei
der Entstehung seiner Novelle hinweist.j Josef Hofmiller bezog sich in seiner
Besprechung des "Tod in Venedig" jedoch nicht auf Ulrike, sondern auf
Marianne von Willemer. Die Stelle, an die sich Thomas Mann nach 36
Jahren nur ungenau erinnerte, lautet:
Es [das 'Object' von Aschenbachs 'Abenteuer'] durfte iiberhaupt keine Frau, kein
Madchen seln; jeder Schatten geschlechtllcher Sinnlichkeit hatte dieses traumerischsehnsuchtige Zogern vor der Pforte des Todes ins Empfindsame verzerrt; es ware bestenfalls
eine schwache und elegante Flirtgeschlchte in der Art Bourgets geworden. Es mufite sein
wie eine letzte Liebeserklarung an das schone Leben selbst, das in der Gestalt elnes
schBnen, fremdlandischen Knaben verkorpert schien. In Aschenbachs Alter hat man
vielleicht einen Johannlstrieb. Dann ist man meist Iacherlich. Nicht immer: am Horizont
schwebt-eine Moglichkeit, die einen Augenblick lang vom Dichter vielleicht envogen
wurde-der Schatten Marianne von Wtllemers voriiber: Das Alter wiirde stimmen, aber
was fehlt ist Hoheit, Kraft, slegreiche Anziehung; Aschenbach ist seiner seelischen und
korperlichen Beschaffenheit nach ketn Goethe. Also unmoglich! es w&re lacherlich, und
lacherlich darf es nicht sein.
4. Lotte in Weimar. Die von Thomas Mann benutzten Quellen zu seinem
Goethe-Roman sind seither von Gerhard Lange (Struktur-und Quellenunteisuchungen zur "Lotte in Weiinal;" Bayreuth, 1970) erarbeitet worden;
iiber ein ungedrucktes Konvolut von Notizen und Ausziigen aus diesen
Quellen im Zurcher Thomas-Mann-Archiv berichtet eine Magisterarbeit
von Helga Collett ("Das Konvolut zu Thomas Manns Roman 'Lotte in
Weimar': Eine Untersuchung," Queen's University, Kanada, 1971; Maschinschrift). Die von Thomas Mann in seinem Brief vom 13. September
1948 envahnten Einzelheiten bedurfen der folgenden Erlauterungen:
Lottes KZeidung. Goethe sah Charlotte Buff zum ersten Mal, als er sie
am 9. Juni 1772 aus dem Deutschordenshause zu einem Ball in Vol-
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pertshausen abholte; sie trug ein weiRes Kleid mit rosa Schleifen. Eine
dieser Schleifen schickte sie Goethe Anfang Oktober 1772 als Geschenk
nach Frankfurts7In Die Leiden des jungen Werthers beschreibt Werther im
Brief vom 16. Junius, wie er Lotte kennenlernt: Er hat Auftrag, auf dem
Weg zu einem "Ball auf dem Lande" "Charlotten S." mitzunehmen. Im
Vorsaal des "wohlgebauten Hauses" erblickt er ein "Madchen von schoner
Gestalt, mittlerer Grolle, die ein simples weiRes Kleid, mit blaRroten
Schleifen an Arm und Brust" anhat und ihren jiingeren Geschwistern Brot
schneidet. Am 28. August berichtet er, daf3 ihm Albert zum Geburtstag
"eine der blaf3roten Schleifen" geschickt habe, "die Lotte vor hatte," als
er sie kennen lernte, und um die er sie "seither etlichemal gebeten" habe.8
In Thomas Manns Goethe-Roman tragt Charlotte zum Mittagessen bei
Goethe am 25. September 1816 ein weiRes Kleid mit blaRrosa Schleifen,
hat jedoch als "Anspielung und Aufmerksamkeit" die Schleife an der Brust
ausgespart."uf
diesen "kleinen sinnigen ScherzY''OLottes, von dem in
seinem Roman sehr oft die Rede ist, bezieht sich Thomas Mann, wenn
er in seinem Brief vom 13. September 1948 schreibt, "Lottes Kleidung
nach dem Muster der Brotschneideszene" sei "ueberall envaehnt, wo von
ihrem Besuch in Weimar 1816 ueberhaupt die Rede ist." Diese Angabe
laRt sich jedoch nicht verifizieren. In den zeitgenossischen Quellen, die
Thomas Mann aus der Biedermannschen Sammlung von Goethes Gesprachen kannte, findet sich nicht der geringste Hinweis auf Charlottes
Kleidung, die also kaum auffallend oder ungewohnlich gewesen sein kann;
auch 0 . Gunthers Aufsatz, "Goethe und Lotte 1816" (Goethe-Jahrbuch,
XVI, 1893, S. 284-89) verliert kein Wort dariiber." Trotzdem hat Thomas
Mann das Motiv nicht vollig aus der Luft gegriffen. Es scheint der Fall
zu sein, dafi sich die historische Charlotte "im Winter bestandig schwarz
und im Sommer weiR" kleidete,E und diese Tatsache mu8 in Weimar viele
Jahre nach ihrem Besuch zu dem Geriicht gefiihrt haben, sie habe sich
1816 als Anspielung auf die Beschreibung in "Werther" weig gekleidet;
jedenfalls berichtet G. H. Lewes in der Erstausgabe seiner Goethebiographie, "I am told that Lotte, in spite of her gray hairs, arrayed herself
in white, and tried to be coquettish and sentimental; but the old Jupiter
was in no mood for such reminiscences, and would not recur to the blue
coat and top-boots of Werther."'Wa Charlottes Nachkommen Einspruch
erhoben,'"at
Lewes diesen Satz in den spateren Ausgaben seiner Biographie gestrichen; er war jedoch schon in wortlicher ~ b e r s e t z u nin~ die
deutsche Ausgabe seines Buches eingegangen und ist wohl durch diese
Thomas Mann bekannt geworden.I5
Das von Ottilie entliehene Buclz wird in der Lotte in Weimar von Adele
Schopenhauer erwahnt, die Charlotte von ihrer Sorge um Ottilie erzahlt:
"Sprach ich ihr [Ottilie] dann von meiner Angst., . so antwortete sie: 'Sei
ruhig mein Herz, ich bin frei und bleibe es fiir immer. Sieh, da hat er
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[August von Goethe] mir ein Buch geliehen, Pinto's Wunderliche Weltreise
in 21 Tagen, -und noch hab' ich's nicht angesehen." l6 Thomas Manns
Quelle war die folgende Stelle aus OttiIies Brief an Adele vom 30. Juli
1815:"Was mir unangenehm, ist daf3 er [Friedrich Muller, genannt v.
Gerstenbergk] zu glauben scheint, ich liebe Herr [so!] von Gothe; als
sicherster Beweis, daR es nicht ist, dunkt mich, dient das, daR Herr von
Gothe mir vor 4 Wochen ein Buch geborgt, was ich noch nicht einmal
Die von
zu lesen begonnen, und dies nicht etwa aus Affektation ...."I7
Thomas Mann vorgenommenen ~ n d e r u n g e nsind charakteristisch fiir sein
Verfahren: Er bringt die Stelle auf sein stilistisches Niveau, ftigt sie in seinen
Kontext ein, kurzt und strafft; andrerseits ist ihm die Envahnung eines
Buches ohne Titelangabe zu blaR, er erfindet also einen Titel, aber nicht
vollig frei; wie Gerhard Lange nachweist, findet sich in Goethes Tagebuch
der Buchtitel "Pintos Abenteuer." l8 Mit Hilfe der Weimarer Ausgabe (Abt.
111, Bd. V, 338) identifizierte Lange das Werk als "Ferd. Mendez Pinto
Reisen in Europa, Asia und Africa (Amsterdam, 1671)" Goethes Tagebuch
und der (ungenaue) Kommentar dazu in der Weimarer Ausgabe war aber
zweifellos nicht Manns Quelle; vielmehr durfte er in Elise von Keudells
Goethe als Benutzer der Weintarer Bibliotlzek (Weimar, 19312, S. 139 den
vollstandigen Titel des Werkes gefunden haben: Fernando Mendez Pinto,
Wunderliche . . . Reise . . . innerhalb 21 Jahren durch Europa, Asia und
Africa . . . (Amsterdam, 1671)." DaR Thomas Mann diesen Titel mit Jules
Verne's Welterfolg, Voyage autour du moizde en quatre-vingts jours" kombinierte und also aus den Jahren Tage machte, ist gewiR kein Versehen,
sondern ein Scherz, der ubrigens den SchluR gestattet, daR Thomas Mann
Goethes Sohn mehr Interesse fiir science fiction als fur einen echten
Reisebericht zutraute! Aber damit nicht genug. Wenn man schon einen
in einem Roman erschienenen Titel auf seine Richtigkeit uberpruft, so mag
man auch fragen, ob es denn glaubhaft ist, daG August der Ottilie I816
einen Schmoker aus dem 17. Jahrhundert geliehen haben soll. Sollte
Thomas Mann gewuRt haben, daR 1809, und dazu noch in Jena, eine neue
Ausgabe von Pintos Reise erschien? "
Die restlichen Angaben in Thomas Manns Brief sind weniger problematisch. DaR August von Goethe eine Liebschaft mit einer HusarenJi-au
gehabt habe, "deren Mann das Verhaltnis litt, weil die Frau Geschenke
heimbrachte," berichtet Wilhelm Bode; in Thomas Manns Goethe-Roman
wird die Klatschgeschichte von Adele e r ~ a h l t Die
. ~ von Thomas Mann
erfundene Adresse der Ridels-Esplanade 6-envahnt Mager.zi Einen Brief
an den Gropherzog Karl August entwirft Thomas Manns Goethe im
"Siebenten Kapitel," also am 22. September 1816; der historische Brief
. ~ ~ Riemer sich damals mit August ubenvorfen hatte,
ist vom 5. O k t ~ b e rDaB
wird u.a. von Ludwig GeigerZberwahnt.
Wesentlicher als Thomas Manns Hinweise auf die von ihm benutzten
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Quellen scheint mir die Bestatigung zu sein, da13 es sich bei dem
Schluf3gesprach Lottes und Goethes urn kein wirkliches Zusammensein
handelt. Vor allem aber sind die beiden Briefe an einen ihm unbekannten
Studenten ein weiteres Zeugnis fiir Thomas Manns Hilfsbereitschaft, die
er immer bezeugte, wenn man ihn um Rat und Hilfe bat-nicht bloR, wenn
es sich, wie hier, urn die Erliiuterung seiner eigenen Werke handelte.
ANMERKUNGEN
1. S ~ e h eHans Bdrgin, Das Werlc Tl~omasManns. Ellre Brbllograpkre (Frankfurt
a.M., 1959), S. 195.
2, Slehe Thomas Manns Widmung zur engl~schenBuchausgabe seiner Erzlihlung,
Tlre Trntzsposed Heads (New York, 1941) und Marjor~eLawson, "The Transposed Heads
of Goethe and of Mann," Monatslzejie, XXXIV (19421, 87-92.
3. Goetlles Gesprtrche, hrsg. v. W. u. F. Biedermann, 2. Aufl., I1 (Leipzig, I909),
271 E
4. J. G. Brennan, Thornas Munn's World(New York, 1942), S. 47.
5. Siehe u.a. Thonlas Mann's Briefe an Elisabeth Z ~ m m e rvom 6.9.1915, an PauI
Amann vom 10.9 1915. an Carl Maria von Weber vom 4.7.1920 und an Anna Jacobsen
Liibeck,
n,
1959, S. 32; Briefe
vom 13.1 1.1936 (Thornas Mann, Briefe rat? Paul A ~ t ~ a i ~
1889-1936, Frankfurt a.M., 1961, S. 40). VgI. Thomar Mann, Bride 1937-1947 (Frankfurt
a.M., 1963), S. 40, und Herbert Lchnert,"Thomas Mann's Interpretat~onsof Der Tod
In Velledig and their Reliability," Rrce Ulllversity Studies, Vol. 50, No. 4 (Fall, 1964),
41-60,
6. Josef Hofnl~ller,"Thomas Manns neue Erzlihlung," Sziddelrtsche MoiratskeJe,
X (1913), 223.
7 He~nrichGloel, Goetlles Wetzlrirer ZeiZ (Berl~n,191 I), S. 172. Goetlzes Brrefe,
Hamburger Ausgabe, I, 135,593.
8. Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, V I ,20 f., 54.
9, Lo/te in We/tnnr (Stockholm, 1946), S. 27, 28, 34 = Gesaininelte Werke in zltiolf
Biit~cletr(Frankfurt ELM.,1960), 11, 385, 386, 392. In1 folgenden wird der Goethe-Roman
durchweg nach der Stockholmer Ausgabe unter Beifugung der Se~tenangabein den
Gcsctri?melte~rWerken zitiert.
10. Lorte, S. 28 ( = 11, 386).
11. Oskar Ulrich, Clrrrrlotte Kestner: Eiir Lebetzsbrld (Bielefeld und Leipzig, 1921),
S. I8 1-185, beschreibt Lottes Besuch In Weirnarziemlich aus fuhrlich, ohne ihre Kleidung
zu erwhlznen. Hemrich Gloel, Goethe 1111d Lofte (Berlin, 1922) widmet dem Besuch
nur ein paar Ze~len.
12. Re~iueGel'inrrt~iqlre,16. J u n ~1862; zitiert nach Hermann Kindt, "Goethe und
Charlotte Kestner," Die Gege~rbtiorl(Berlin, 1879), Nr. 12, S. 184. Aufgrund von Kindts
Aufsatz-also aus dr~tterHand-berichtet Heinrich Diintzer, "Wie sle [Charlotte] von
je gewohnt gewesen, in1 Som~nerin einfzlcllem wetfjem, im Winter in schwarzeln Kleid
zu erscheinen, so sah man sie auch in Weimar irnmer we~Rgekleidet." ("Charlotte Buff
i l l Goethes Leben und Werken, Leipzig,
und ihre Familie," in: Duntzer, Ablrrti~dltrrrge~z
1885, 1, 100.)
13. G. H. Lewes, The L f e at~clWorlr~ojGoetlze (London, 1855), 11,403.
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14. H. Kindt, a.a.O., passim (= S. 183-185).
15. Vgl. Gerhard Lange, Struktur- und Queilenunfersuchungen zur "Lotte in Weimar"
(Bayreuth, 1970), S. 56 f. Ein zwingender Nachweis, daR Lewes' Goethe-Biographie
zu Manns Quellen gehort, ist mir nicht bekannt; slehe jedoch Lange, a.a.O., S. 187 f.
16. Lotte, S. 217 (= 11,556).
17. Aus Ottilie von Goethes Nachlafl. Briefe von ihr und an sie 1806-22.,.,hrsg.
von Wolfgang von Oettingen. Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 27 (Weimar, 1912),
S. 173. Wilhelm Bode zitiert dlese Stelle in seinem Buch Goethes Sohn (Berlin, 1918,
S.225), das Thomas Mann bei der Arbe~tan der Lotte standig zur Hand hatte.
18. Gerhard Lange, a.a.O., S. 1 16.
19. Bei Lange der Tippfehler "1761."
20. Thomas Mann besa8 ein Exemplar dieses Werkes, in dem er viele Titel anstrich
und 16 davon in seinem Konvolut zur Lofte En Wezmar notierte; es handelt sich fast
durchweg um Biicher, die Goethe fur den west-Ostlichen Divan las. Siehe Helga Collett,
a.a.O., S. 74.
2 1. Erstveroffentlichung in Le Temps, 1872.
22. Siehe C. G. Kaysers Vollstandiges Biicher-Lexicon . . . 1750-1832, IV (Leipzig,
I834), S. 351,480.
23. Goethes Sohn (Berlin, 1918), S. 302 f.; Lotte, S. 213 (= 11, 553). Vgl. Gerhard
Lange, S. 113 f. und Helga Collett, S. 29 f. und 89, wo Thomas Manns Notiz uber
die Husarenfrau in seinem Konvolut zur Lotte zitiert wird.
24. Lotte, S. 21 (= 11, 380).
25. Lotte, S. 306-308 ( = 11,636-638). Weimarer Ausgabe, 111.27, S. 184-193.
26. Goethe und die Seinen (Leipzig, 1908), S. 141.