Künftige Entwicklungen der Energiepreise

Transcrição

Künftige Entwicklungen der Energiepreise
Künftige Entwicklungen der Energiepreise∗
Klaus Weyerstrassa
Johannes Jaenickeb
Karin Schönpflugc
Zusammenfassung
Angesichts einer steigenden Nachfrage aus den schnell wachsenden Volkswirtschaften, insbesondere China, einer sinkenden Förderleistung in den nicht der OPEC angehörenden Staaten und zunehmender Explorationskosten haben die Rohölpreise
seit Anfang 2007 stark angezogen. Auch wenn sich die Ölpreise zuletzt von den Anfang Juli 2008 verzeichneten Höchstständen entfernt haben, werden sie aufgrund der
anhaltenden Verbrauchszuwächse in Zukunft tendenziell aufwärts gerichtet bleiben.
In diesem Beitrag werden Studien internationaler Organisationen sowie Informationen, die in den Terminmarktnotierungen enthalten sind, zur Ableitung von Szenarien
für die Entwicklung der Ölpreise bis zum Jahr 2020 herangezogen. Darüber hinaus
wird untersucht, inwiefern sich Änderungen der Rohölpreise auf die Benzin- und Dieselpreise auswirken. Es zeigt sich, dass die Treibstoffpreise bei gegebenen Steuern
und Abgaben der Ölpreisentwicklung nahezu vollständig folgen. Ein weiterer Anstieg
der Ölpreise dürfte somit eine entsprechende Verteuerung von Benzin und Diesel
nach sich ziehen. Öl und das enge Substitut Gas stellen wichtige Primärenergieträger für die Stromerzeugung dar. Liberalisierungsschritte in der europäischen Elektrizitätswirtschaft sowie ein hoher Einsatz regenerativer Energiequellen haben dazu geführt, dass für die Vergangenheit nur ein loser Zusammenhang zwischen Öl- und
Strompreisen in Österreich nachgewiesen werden kann. Dennoch dürfte von anziehenden Öl- und in deren Gefolge Gaspreisen künftig Aufwärtsdruck auf die Strompreise ausgehen. Aus ökonometrischen Schätzungen abgeleitete Projektionen zeigen, dass in den kommenden Jahren mit markant anziehenden Strompreisen in Österreich gerechnet werden muss.
Für hilfreiche Anmerkungen und Kommentare sind die Autoren Hermann Kuschej (IHS) zu Dank verpflichtet.
a
Institut für Höhere Studien, Abteilung Ökonomie und Finanzwirtschaft, Stumpergasse 56,
A-1060 Wien. E-Mail: [email protected]; Tel. +43/1/59991-233; Fax: +43/1/59991-555.
b
Universität Erfurt, Fakultät für Staatswissenschaften, Nordhäuser Straße 63, D-99089 Erfurt.
E-Mail: [email protected].
c
Institut für Höhere Studien, Abteilung Ökonomie und Finanzwirtschaft, Stumpergasse 56,
A-1060 Wien. E-Mail: [email protected]
∗
1
1
Einleitung
Seit Anfang 2007 sind die Rohölpreise stark gestiegen. So kostete ein Barrel der für Europa
maßgeblichen Sorte Brent Anfang September 2008 mit etwa 108 US-Dollar rund doppelt
soviel wie im Jänner 2007. Auch wenn sich die Ölpreise inzwischen deutlich von ihren Anfang Juli erreichten Höchstständen von mehr als 140 US-Dollar je Barrel entfernt haben,
dürfte das noch Mitte des laufenden Jahrzehnts verzeichnete Preisniveau von rund 50 USDollar je Barrel in absehbarer Zeit nicht wieder erreicht werden. Strukturelle Faktoren sprechen mittelfristig eher für tendenziell weiter steigende Preise. In den schnell wachsenden,
bevölkerungsreichen Schwellenländern, vor allem in China und Indien, steigt der Verbrauch
weiterhin markant. Dem steht in den OECD-Ländern mit Ölvorkommen eine rückläufige Produktion gegenüber. Hier sind insbesondere das Vereinigte Königreich und Norwegen zu
nennen. Auch im Golf von Mexiko ist die Produktion bereits seit mehreren Jahren rückläufig,
während sie in den USA bereits seit Mitte der 80er Jahre kontinuierlich fällt. Nur in einigen
bedeutenden OPEC-Staaten, Kanada, Brasilien und in Russland kann noch mit signifikanten
Produktionsausweitungen gerechnet werden. Weltweit steigen mit der Erschöpfung der leicht
erreichbaren Ölvorkommen jedenfalls die Explorationskosten. Alles in allem müssen sich die
Ölverbrauchsländer in Zukunft auf weiter steigende Ölpreise einstellen.
Erdöl und insbesondere Erdgas, dessen Preis eng an den Ölpreis gekoppelt ist und diesem
mit einer zeitlichen Verzögerung von rund einem halben Jahr folgt, stellen wichtige Primärenergieträger in der europäischen Stromversorgung dar. In Europa stellt Erdgas etwa 20
Prozent und Erdöl rund 2 Prozent der in der Elektrizitätserzeugung eingesetzten Primärenergieträger dar.1 Auch ein steigender Anteil erneuerbarer Energiequellen und eine mögliche
Renaissance der Kernenergie in einigen Ländern werden nichts daran ändern, dass fossile
Energieträger in den kommenden Jahrzehnten einen signifikanten Anteil bei der Stromerzeugung behalten werden. Steigende Öl- und in deren Gefolge Gaspreise werden mithin tendenziell höhere Strompreise bewirken. Weitere Liberalisierungsschritte in der europäischen
Elektrizitätswirtschaft wirken zwar strompreissenkend. Das Potenzial für Preisreduktionen
durch künftige Deregulierungen ist jedoch begrenzt, während die öl- und strompreistreibenden Faktoren struktureller Natur sind und somit langfristig wirken dürften.
In diesem Beitrag sollen künftige Tendenzen in der Entwicklung der Öl- und Strompreise dargestellt werden. Zu diesem Zweck wird in Abschnitt 2 zunächst die historische Entwicklung
der Ölpreise analysiert. Anschließend werden Ölpreisprojektionen bis zum Jahr 2020 abgeleitet. Zu diesem Zweck werden mehrere Szenarien entwickelt. Abschnitt 3 beschäftigt sich
mit Rohölpreisen und Steuern als Bestimmungsfaktoren von Benzin- und Dieselpreisen. Basierend auf den Ölpreisszenarien und den Schätzergebnisse aus Abschnitt 3, werden in Abschnitt 4 Benzin- und Dieselpreisprojektionen abgeleitet. Abschnitt 5 widmet sich den zukünftigen Tendenzen der Strompreisentwicklung. Abschnitt 6 fasst die wesentlichen Erkenntnisse
des Beitrags zusammen.
1
Diese Angaben wurden auf der Grundlage von Zahlen der UCTE (Union for the Co-ordination of
Transmission of Electricity) berechnet. Dabei handelt es sich um eine Vereinigung von Betreibern von
Übertragungsnetzen in 24 Staaten Kontinentaleuropas.
2
2
Die Entwicklung der Ölpreise in der Vergangen und in der Zukunft
Namhafte internationale Organisationen wie die Internationale Energieagentur (IEA), die USamerikanische Energy Information Administration (EIA) und die Europäische Union veröffentlichen in regelmäßigen Abständen kurz- bis langfristige Energieszenarien. Ebenso publizieren die OPEC und das Institute of Energy Economics u.a. Projektionen der künftigen Entwicklung der Energiepreise, der weltweiten Energienachfrage bzw. des Primärenergieangebots, der Investitionen im Energiesektor sowie Analysen zur Erdölförder- und Raffineriekapazität. Eine Analyse dieser Quellen macht einige generelle Trends im Energiebereich deutlich.
Sämtliche Energieszenarien gehen von einem starken Anstieg der weltweiten Nachfrage
nach Primärenergieträgern aus, wobei rund zwei Drittel des Energienachfragewachstums auf
Schwellenländer (China, Indien und Newly Industrialising Countries) zurückgehen wird. Die
Energieversorgung wird auch in den nächsten 30 Jahren primär auf fossile Energieträger
aufbauen. Alternative Energieträger werden in den nächsten Jahrzehnten trotz höherer Zuwachsraten eine relativ geringe Rolle in der Energieversorgung spielen. Die derzeit bekannten und gesicherten Erdölreserven sind ausreichend, um den Energieverbrauchsanstieg bis
2030 zu decken. Jedoch sind in den kommenden Jahren beträchtliche Investitionen in die
weltweiten Förder- und Raffineriekapazitäten notwendig. Steigende Explorationskosten und
der Abbau früher bestehender Überkapazitäten werden zu einem langfristigen Anstieg des
Rohölpreises führen.
2.1
Die Entwicklung des Ölpreises seit 1967
Als Basis für die Ableitung von Ölpreisszenarien wird in diesem Abschnitt zunächst die historische Entwicklung des Ölpreises analysiert. Für die Ölpreisentwicklung in Österreich ist aufgrund der internationalen Notierung in US-Dollar auch der Wechselkurs des Euro zum Dollar
relevant. Abbildung 1 verdeutlicht, dass der Preis in US-Dollar zeitweise recht deutlich vom
Preis in Euro abweichen kann. So lag der Ölpreis Mitte 2008 auf Dollarbasis um 80 Prozent
höher als ein Jahr zuvor. Auf Eurobasis belief sich der Anstieg lediglich auf 57 Prozent, da
der Euro im selben Zeitraum gegenüber dem Dollar deutlich an Wert gewann. Abbildung 2
zeigt den Verlauf des nominellen Rohölpreises im Zeitraum 1967 bis Juli 2008 sowie den
realen Ölpreis auf Basis des österreichischen Verbraucherpreisindex.
Bis Mitte 1973 lag der Ölpreis relativ konstant unter 3 US-Dollar je Barrel. Ein nach dem
„Sechstagekrieg“ im Oktober 1973 durch die arabischen Ölexportländer verhängter Lieferboykott ließ den Ölpreis rapide ansteigen. Bis Anfang 1974 hatte er sich auf über 11 Dollar
nahezu vervierfacht. Anschließend blieb der Ölpreis bis 1978 mit nur geringen Schwankungen zwischen 11 und 13 Dollar relativ konstant. Die Revolution im Iran in den Jahren
1978/79 sowie der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak im Jahr 1980 führten zu einem
substantiellen Rückgang der Ölproduktion dieser beiden Staaten. Daraufhin stieg der Ölpreis
zwischen 1978 und 1981 von rund 13 Dollar auf etwa 35 Dollar.
Als Reaktion auf die hohen Ölpreise und die dadurch ausgelöste Weltwirtschaftskrise investierten zahlreiche Ölverbrauchsländer in verbesserte Produktionstechnologien und Wärmedämmung, wodurch die Ölabhängigkeit verringert werden konnte. Zudem boten die hohen
Ölpreise Anreize zu einer Angebotsausweitung. Als Saudi-Arabien 1985/86 seinen Ölpreis
an den Weltmarktpreis anpasste und die Produktion deutlich erhöhte2, fiel der Ölpreis innerhalb eines halben Jahres um 10 Dollar. Mitte 1986 betrug er nur noch etwa 10 Dollar je Barrel. Anschließend stieg er wieder leicht an, bewegte sich aber in den folgenden Jahren in
engen Grenzen. Nach der Invasion Kuwaits durch den Irak im Sommer 1990 stieg der Öl-
2
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Saudi-Arabien seine Produktion jeweils angepasst, um den Ölpreis zu
stabilisieren.
3
preis innerhalb kurzer Zeit um 10 Dollar, aber bereits Anfang 1991, nach dem schnellen Ende des Golfkriegs, befand er sich wieder auf dem Niveau von vor dem irakischen Einmarsch
in Kuwait.
Abbildung 1: Entwicklung des Ölpreises1 in US-Dollar und in Euro2
Jul.67
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in US-Dollar
1)
in Euro
Preis je Barrel; bis April 1987: durchschnittlicher Ölpreis, danach Brentöl.
2)
bis Ende 1998 auf Basis des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Österreichischem Schilling, mit dem unwiderruflichen
Umrechnungskurs umgewandelt in Euro. Quellen: US Department of Energy, Energy Information Administration (EIA), am
17.06.2008 aus dem Internet heruntergeladen: http://tonto.eia.doe.gov/dnav/pet/xls/pet_pri_wco_k_w.xls; eigene Berechnungen.
Abbildung 2: Die Entwicklung des Ölpreises in Österreich (US-Dollar je Barrel Brent1), nominell
und real (auf Basis des österreichischen Verbraucherpreisindex; Basisjahr 2000= 100)
Jul.67
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nominell (US-Dollar je Barrel)
1)
real (US-Dollar, mit VPI deflationiert)
bis April 1987: durchschnittlicher Ölpreis. Quellen: EIA, Statistik Austria, eigene Berechnungen.
Anschließend zeigte der Ölpreis einen sinkenden Trend. Dieser kehrte sich Mitte 1994 um,
da die OPEC relativ erfolgreich die Produktion kontrollierte und die Ölnachfrage aufgrund der
robusten Konjunktur in den USA und in Asien kontinuierlich zunahm. Ende 1997 steigerte die
OPEC ihre Förderquoten. Zugleich ging die Nachfrage als Folge der Wirtschaftskrise in Asien zurück. Daraufhin sank der Ölpreis deutlich und erreichte Ende 1998 mit unter 10 Dollar
4
seinen vorläufigen Tiefststand. Seither folgt der Ölpreis einem aufwärts gerichteten Trend,
der nur durch die Schwäche der Weltwirtschaft in den Jahren 2001/2002 unterbrochen wurde. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Nachfrage, vor allem aus den asiatischen
Schwellenländern, hat sich der Ölpreis seit Anfang 2001 mehr als vervierfacht.
Der Aufwärtstrend hat sich seit Anfang 2006 erheblich verstärkt. So belief sich der Ölpreis im
Jänner 2007 noch auf rund 53 US-Dollar je Barrel. Im Juli 2008 überschritt der Preis die
Marke von 140 US-Dollar, bevor er in der Folge wieder nachgab. Neben der anhaltend hohen Nachfrage aus den aufstrebenden Volkswirtschaften in Ostasien trugen dazu weitere
Faktoren bei. So wächst die Sorge davor, dass in absehbarer Zeit die weltweite Produktionsspitze („Peak Oil“) erreicht wird und anschließend bei weiterhin steigender Nachfrage die
Förderleistung abnimmt. Darüber hinaus verlor der US-Dollar im Zusammenhang mit der
vom Immobilienmarkt ausgehenden Schwäche der US-Wirtschaft bis zum Sommer 2008
deutlich an Wert. Auch angesichts des hohen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts in der
US-Wirtschaft wertete der US-Dollar seit 2007 deutlich ab. Auch in Zukunft könnte die amerikanische Währung dauerhaft niedriger bewertet werden als in der Vergangenheit. Dazu trägt
bei, dass einige Länder mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen, insbesondere China, inzwischen hohe Dollar-Bestände aufgebaut haben und in Erwägung ziehen, diese Devisenreserven zumindest teilweise in andere Währungen umzuschichten. Da Rohöl nach wie vor überwiegend in US-Dollar fakturiert wird, gehen bei einer Dollar-Abwertung die Exporteinnahmen
der Förderländer in ihrer jeweiligen Heimatwährung zurück. Die Ölexporteure sind bestrebt,
als Kompensation dafür den Dollar-Preis für Rohöl zu erhöhen. Die Schwäche der amerikanischen Währung trägt somit zu einem weiteren Anstieg der Rohölpreise bei. Neben diesen
Faktoren bietet der anhaltende Trend steigender Preise auch Anreize, auf weiter anziehende
Notierungen zu spekulieren. Diese Spekulation stützt den Ölpreis zusätzlich. Alles in allem
zeichnet sich für die Zukunft ein tendenzieller Anstieg des Ölpreises ab.
Die historische Entwicklung zeigt, dass die geopolitischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Ölpreis erheblich beeinflussen. Da sich exogene Einflüsse wie Naturkatastrophen, politische Umstürze oder terroristische Anschläge nicht seriös prognostizieren
lassen, sind Aussagen über die künftige Entwicklung der Ölpreise mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Dieser Problematik kann durch die Erarbeitung von Szenarien begegnet werden. Bei dieser Methodik werden auf Basis unterschiedlicher Annahmen bezüglich der technologischen, geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen verschiedene Ölpreispfade abgeleitet.
2.2
Die künftige Entwicklung der Ölpreise
In diesem Abschnitt wird zunächst die Ölpreisprojektion der Internationale Energieagentur
(IEA) dargestellt. Zudem werden die in den Terminkontrakten zum Ausdruck kommenden
Erwartungen der Marktteilnehmer über die Entwicklung der Ölpreise in den kommenden Jahren analysiert. Diese Terminkontrakte reichen jedoch nicht so weit in die Zukunft wie die Studien der IEA.
2.2.1
Die Projektion der Internationalen Energieagentur
Eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung der Ölpreisszenarien in Abschnitt 2.2.3 stellt der
World Energy Outlook 2007 der Internationalen Energieagentur dar. Darin sind für verschiedene Szenarien Ölpreisprojektionen für die Jahre 2010, 2015 und 2030 enthalten. Die Preisszenarien können Tabelle 1 entnommen werden.
Im Referenzszenario wird unterstellt, dass sich der Preis in der Weise entwickeln wird, dass
das Angebot die prognostizierte Nachfrage decken wird. Es wird angenommen, dass der
Ölpreis (real) von dem im Jahr 2006 erreichten Niveau bis 2010 leicht zurückgeht, da bereits
begonnene und geplante Investitionen in neue Förder- und Raffinerieanlagen in den kom5
menden Jahren kapazitätswirksam werden. Anschließend wird ein relativ kontinuierlicher
Anstieg des Ölpreises erwartet. Die Ursache für diese Preisentwicklung liegt in der weiter
steigenden Nachfrage aus den USA, dem nach wie vor größten Ölverbrauchsland der Erde,
sowie aus den schnell wachsenden Volkswirtschaften Asiens, allen voran China. Im Jahr
2030 liegt der Ölpreis real leicht über dem Ausgangswert von 2006. Dies impliziert einen
nominellen Anstieg um insgesamt knapp 75 Prozent.
Tabelle 1: Ölpreisprognosen in Szenario 1 und 2 des World Energy Outlook der IEA, real und
nominell (US-Dollar/Barrel)
2006
2010
2015
2030
nominell
61,72
65,00
70,70
107,59
real (zu Preisen von 2006)
61,72
59,03
57,30
62,00
Anmerkungen: 1.Die angegebenen Preise für 2006 geben die tatsächlich realisierten Preise an. 2. Der Ölpreis gibt hier den
durchschnittlichen Preis an, den die IEA-Mitgliedstaaten für Ölimporte zahlen müssen; der Preis der für Europa maßgeblichen
Nordseeölsorte Brent lag im Jahr 2006 durchschnittlich um 3,34 US-Dollar höher. 3. Der Berechnung der realen Preise liegt
eine erwartete Inflation von 2,3% p.a. zugrunde.
Quelle: IEA (2007).
Die Angaben in der Tabelle zeigen den erwarteten mittelfristigen Trend. Die Entwicklung
muss jedoch nicht so stetig verlaufen, wie dies in der Tabelle zum Ausdruck kommt. Vielmehr dürfte es, wie in der Vergangenheit, zu teilweise kräftigen Schwankungen um den
Trend kommen. Es ist zu erwarten, dass die Volatilität des Ölpreises in Zukunft sogar zunehmen wird. Die Auslastung der Produktionskapazitäten ist gegenwärtig hoch und sie wird
aufgrund der steigenden Nachfrage, trotz der Investitionen in neue Förderanlagen und Raffinerien, auch künftig hoch bleiben. Bei geringen freien Kapazitäten wirken sich Ausfälle einzelner Produktionsanlagen, etwa als Folge von Wirbelstürmen oder Terroranschlägen, stärker auf den Preis aus, als dies der Fall wäre, wenn genügend nicht genutzte Kapazitäten den
Produktionsausfall kompensieren können.
Die tatsächliche Entwicklung seit 2006 weicht erheblich von der Projektion des WEO 2007
ab. So lag der Ölpreis (Brent) im Jahresdurchschnitt 2007 bereits bei 72 US-Dollar und im
Juni 2008 bei rund 130 Dollar. Dies dürfte bei der Erstellung des kommenden WEO, der im
November 2008 veröffentlicht wird, berücksichtigt werden. Auch bei den weiter unten dargestellten Ölpreisprojektionen wird der jüngsten Entwicklung des Ölpreises Rechnung getragen
(siehe Abschnitt 2.2.3).
2.2.2
Preise am Terminmarkt
Informationen über die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der künftigen Ölpreisentwicklung können aus Terminkontrakten gewonnen werden. Abbildung 3 zeigt die Preise der
Mitte Juni 2008 an der New York Mercantile Exchange (NYMEX) gehandelten Ölterminkontrakte bis Ende 2015. Bis Dezember 2012 werden für jeden Monat Kontrakte gehandelt. Für
2013 sind für fünf Monate, für 2014 und 2015 jeweils nur für Juni und Dezember Notierungen
vorhanden. Das Volumen der gehandelten Kontrakte ist bereits ab Jänner 2009 sehr gering.
Die Abbildung verdeutlicht, dass die Marktteilnehmer erwarten, dass der Ölpreis bis Ende
des heurigen Jahres noch leicht ansteigt und dann bis 2011 in etwa auf das gegenwärtige
Niveau zurückfällt. Anschließend wird mit einem tendenziell wieder anziehenden Ölpreis gerechnet. Aufgrund des geringen Handelsvolumens sind die Terminmarktpreise nur sehr eingeschränkt zur Ableitung von Prognosen geeignet, sobald der Prognosezeitraum ein halbes
Jahr übersteigt. Die Abbildung verdeutlicht aber, dass die Marktteilnehmer in absehbarer
Zukunft keine deutlich nachgebenden Ölpreisnotierungen erwarten.
6
Abbildung 3: Zukünftige Entwicklung des Ölpreises1 (US-Dollar je Barrel) am Terminmarkt,
Stand Juni 2008
138
136
134
132
1)
Jul.15
Jän.15
Jul.14
Jän.14
Jul.13
Jän.13
Jul.12
Jän.12
Jul.11
Jän.11
Jul.10
Jän.10
Jul.09
Jän.09
Jul.08
130
Korbpreis für Öl, das an der NYMEX (New York Mercantile Exchange) gehandelt wird.
Quelle: NYMEX (http://futures.tradingcharts.com/marketquotes/index.php3?market=CL), heruntergeladen am 17.06.2008.
2.2.3
Ölpreisszenarien
Auf Basis der im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Ölpreisprojektion des World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur sowie der in den Terminkontrakten enthaltenen Informationen werden für die empirischen Untersuchungen Ölpreisszenarien bis zum
Jahr 2020 entwickelt. Um der großen Unsicherheit, die mit weit in die Zukunft reichenden
Ölpreisprognosen verbunden ist, Rechnung zu tragen, werden vier unterschiedliche Szenarien betrachtet:
−
Ein Referenzszenario, das auf dem World Energy Outlook der IEA beruht;
−
ein auf den Terminkontrakten basierendes Szenario;
−
ein Niedrigpreisszenario;
−
ein Hochpreisszenario.
Die Szenarien werden weiter unten ausführlich beschrieben.
Für die Endverbraucher in Österreich ist nicht der Preis in US-Dollar, sondern der Preis in
Euro relevant. Daher wurde jeweils auch eine Umrechnung in Euro vorgenommen. Für den
Projektionszeitraum bis 2020 wurde unterstellt, dass der zum Zeitpunkt der Erstellung der
Projektionen herrschende Wechselkurs von rund 1,55 US-Dollar/Euro im Projektionszeitraum
konstant bleibt. Zahlreiche Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass das beste Modell für Wechselkursprognosen der sogenannte „Random Walk“ ist, d.h., der gegenwärtige
Wechselkurs ist der beste Prognosewert für den Wechselkurs in der folgenden Periode. Darüber hinaus bestehen hinsichtlich der künftigen Wertentwicklung des US-Dollar gegenläufige
Wirkungen. Zum einen könnte die US-Währung rasch wieder an Wert gewinnen, wenn die
gegenwärtige (im Sommer 2008) bestehende Konjunkturdelle überwunden wird und die amerikanische Wirtschaft zum Potenzialwachstum zurückkehrt. Auf der anderen Seite bestehen aber auch Faktoren, die eher für eine länger anhaltende Schwächephase des US-Dollar
sprechen. So haben einige Ölexport- und Schwellenländer, allen voran China, in der jüngeren Vergangenheit hohe US-Dollar-Reserven aufgebaut. Wenn diese Staaten zumindest
einen Teil dieser Devisenreserven in andere Währungen umschichten, schwächt dies die
7
amerikanische Währung. Darüber hinaus haben einige, vor allem lateinamerikanische, Ölförderländer in jüngster Zeit Überlegungen angestellt, Öl nicht mehr ausschließlich in US-Dollar,
sondern auch in Euro zu fakturieren. Auch diese Maßnahme würde die US-Währung belasten. Alles in allem scheint somit die technische Annahme eines stabilen US-Dollar/EuroWechselkurses plausibel.
Referenzszenario
Das Referenzszenario baut auf der Projektion des World Energy Outlook (WEO) 2007 der
Internationalen Energieagentur auf (siehe Abschnitt 2.2.1). Dabei wird der im WEO unterstellte Verlauf übernommen. Hinsichtlich des Ausgangsniveaus wird jedoch der Tatsache
Rechnung getragen, dass der Ölpreis seit der Veröffentlichung des WEO 2007 im November
2007 erheblich gestiegen ist. Als Ausgangspunkt für den künftigen Verlauf des Ölpreises
wird daher der Durchschnittswert des Zeitraums Jänner bis Mai 2008 herangezogen. Die
Entwicklung des Rohölpreises im Referenzszenario ist in Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 2: Rohölpreis (nominell) im Referenzszenario
Rohölpreis je Barrel
US-Dollar
Euro
20081
2010
2015
2020
105,27
105,06
112,59
127,71
68,98
67,78
72,64
82,39
1
Ist-Wert (Durchschnitt Jänner bis Mai). Wechselkurs: 2008 (Jänner bis Mai): 1,526 US-Dollar/Euro; 2009-2020: 1,55 US-Dollar
je Euro. Quellen: IEA (2007), eigene Berechnungen.
Terminmarktszenario
Auch wenn die Liquidität des Terminmarkts mit zunehmendem Projektionshorizont relativ
rasch abnimmt, geben die Notierungen am Terminmarkt Hinweise auf die von den Marktteilnehmern erwartete Entwicklung des Ölpreises. Daher wird für das vorliegende Papier ein
Ölpreisszenario entwickelt, das auf der Entwicklung der Futures-Preise aufbaut. Wie
Abbildung 3 weiter oben zeigt, erwarten die Marktakteure, dass der Ölpreis bis 2011 leicht
fällt und anschließend tendenziell wieder steigt. Das aus diesen Informationen abgeleitete
Ölpreisszenario kann Tabelle 3 entnommen werden.
Tabelle 3: Rohölpreis (nominell) im Terminmarktszenario
Rohölpreis je Barrel
US-Dollar
Euro
20081
2010
2015
2020
105,27
135,27
137,36
141,30
68,98
87,27
88,62
91,16
1
Ist-Wert (Durchschnitt Jänner bis Mai). Wechselkurs: 2008 (Jänner bis Mai): 1,526 US-Dollar/Euro; 2009-2020: 1,55 US-Dollar
je Euro., Quellen: IEA (2007), eigene Berechnungen.
Niedrigpreisszenario
Auch wenn gegenwärtig vieles für weiter steigende Ölpreise spricht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Markt in den kommenden Jahren entspannt und die Preise wieder
zurückgehen. Dazu könnte beitragen, dass Investitionen in die Exploration und Verarbeitung
von Rohöl produktionswirksam werden und dass in den Industrieländern die Ölnachfrage
aufgrund erhöhter Energiesparanstrengungen sinkt. Daher wird auch ein Niedrigpreisszenario betrachtet. Dabei wird unterstellt, dass der Ölpreis wieder auf das im Jahresdurchschnitt
2007 verzeichnete Niveau (72 US-Dollar) zurückfällt. Dies impliziert, dass keine vollständige
Entspannung des Ölmarktes eintritt, dass aber der im Jahr 2008 beobachtete sprunghafte
Anstieg des Ölpreises wieder korrigiert wird. Der für die Projektionen unterstellte konstante
Wechselkurs des US-Dollar könnte dazu beitragen. Der massive Wertverfall der amerikanischen Währung auf den Devisenmärkten dürfte zu dem starken Anstieg des Ölpreises in der
ersten Jahreshälfte 2008 beigetragen haben, da die Ölförderländer den Preis in US-Dollar
8
kontinuierlich angehoben haben, um ihre Einnahmen aus den Ölausfuhren in lokaler Währung zu stabilisieren. Eine Stabilisierung des US-Dollar-Wechselkurses sollte somit für niedrigere Ölpreise sprechen. Die Entwicklung im August 2008 bestätigt diese These. Tabelle 4
zeigt den Verlauf des Ölpreises im Niedrigpreisszenario.
Tabelle 4: Rohölpreis (nominell) im Niedrigpreisszenario
Rohölpreis je Barrel
US-Dollar
Euro
2008
1
2010
2015
2020
105,27
99,72
85,86
72,00
68,98
64,34
55,40
46,45
1
Ist-Wert (Durchschnitt Jänner bis Mai).Wechselkurs: 2008 (Jänner bis Mai): 1,526 US-Dollar/Euro; 2009-2020: 1,55 US-Dollar
je Euro. Quellen: IEA (2007), eigene Berechnungen.
Hochpreisszenario
Die historische Entwicklung zeigt, dass die internationalen Ölmärkte sehr sensibel auf exogene Einflüsse wie Naturkatastrophen oder politische Ereignisse reagieren. Vor allem politische oder militärische Konflikte in wichtigen Erdölförderregionen wirken sich unmittelbar auf
die Weltmarktpreise für Erdöl aus.
Der „Sechstagekrieg“ bzw. der als Reaktion darauf verhängte Lieferboykott ließ den Ölpreis
im Jahr 1974 sprunghaft auf rund 11 US-Dollar je Barrel ansteigen. Die Revolution im Iran in
den Jahren 1978/79 sowie der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak im Jahr 1980 führten
zu einem substantiellen Rückgang der Ölproduktion dieser beiden Staaten und ließen den
Ölpreis auf real fast 80 US-Dollar je Barrel explodieren. Die relative Niedrigpreisperiode ab
Mitte der 1980er Jahre wurde wieder durch eine politische Krise beendet. Auf die Invasion
Kuwaits durch den Irak im Sommer 1990 reagierten die Ölmärkte mit einem Anstieg des Ölpreises um 20 Dollar. Auch die Angriffe auf das World Trade Center im September 2001
bzw. die seit damals angespannte geopolitische Lage (Kriege in Afghanistan und im Irak,
Atomkonflikt mit dem Iran) beeinflussen den Ölpreis massiv.
Auch wenn zukünftige Krisenherde und deren Einfluss auf den Erdölpreis nicht seriös prognostiziert werden können, erscheint es dennoch sinnvoll, in einem Hochpreisszenario das
steigende Risiko von Konflikten rund um das Öl zu berücksichtigen. Ein Großteil der gegenwärtig bekannten Ölreserven befindet sich in aktuellen Krisenregionen. Vor allem in SaudiArabien, im Iran, im Irak sowie in Kuwait und in den Vereinigten Arabischen Emiraten liegen
große Teile der weitweiten Reserven. Durch das Versiegen wichtiger Förderkapazitäten in
den OECD-Staaten steigt der Anteil der OPEC-Staaten an der Erdölproduktion bis 2020 wieder auf über 50 Prozent. Der Nahostregion kommt somit in Zukunft eine noch bedeutendere
Rolle für die Erdölversorgung zu, als es bereits heute der Fall ist. Wenn zudem die vorhandenen Förderkapazitäten aufgrund einer weltweit steigenden Nachfrage an die Grenzen stoßen, wirken sich Angebotsausfälle bei fehlenden freien Kapazitäten unmittelbar auf den Ölpreis aus.
Im Hochpreisszenario wird deshalb davon ausgegangen, dass die schwierige politische Lage
im Nahen Osten in den nächsten Jahren bestehen bleibt und es zu weiteren militärischen
Konflikten in dieser Region kommen kann. Diese werden die Erdölproduktion beeinträchtigen
und zu mittel- bis langfristig höheren Preisen führen als in den übrigen Szenarien. Die Ölpreise werden zudem durch einen „Sicherheitsaufschlag“ beeinflusst. Es wird aus den genannten Gründen davon ausgegangen, dass der Ölpreis bis 2020 die „magische“ Grenze
von 200 US-Dollar je Barrel erreichen wird (siehe Tabelle 5). Auch der weiter steigende Ölverbrauch der schnell wachsenden Volkswirtschaften in Asien spricht für eine solche Entwicklung.
9
Tabelle 5: Rohölpreis (nominell) im Hochpreisszenario
1
2010
2015
2020
105,27
128,05
185,00
200,00
68,98
82,61
119,35
129,03
2008
Rohölpreis je Barrel
US-Dollar
Euro
1
Ist-Wert (Durchschnitt Jänner bis Mai). Wechselkurs: 2008 (Jänner bis Mai): 1,526 US-Dollar/Euro; 2009-2020: 1,55 US-Dollar
je Euro. Quellen: IEA (2007), eigene Berechnungen.
3
Rohölpreise und Steuern als Bestimmungsfaktoren der Benzin- und Dieselpreise
Für die Entscheidungen der privaten Haushalte und der gewerblichen Wirtschaft sind weniger die internationalen Rohölpreisnotierungen, als vielmehr die an Tankstellen in Österreich
zu zahlenden Treibstoffpreise relevant. Diese werden neben den Rohölpreisen maßgeblich
von Steuern (vor allem Mineralöl- und Mehrwertsteuer) beeinflusst.
Wenn wir vom Idealbild eines Marktes mit vollständiger Konkurrenz ausgehen, dann werden
Änderungen der Grenzkosten zu hundert Prozent an die Verbraucher weitergegeben. Bei
einer Marktkonzentration kommt es allerdings zu Abweichungen von einer vollständigen Weitergabe der Grenzkosten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005) geht davon aus, dass es auf regionaler Ebene zu einer Marktkonzentration kommt, der durch wirtschaftspolitische Maßnahmen gegenzusteuern sei. Darüber hinaus können Kosten der
Preisanpassung zu einer Glättung und zu einer verzögerten Anpassung der Endverbraucherpreise auf dem Mineralölmarkt führen. Die verzögerte Anpassung kann auch asymmetrischer Natur sein, z. B. in der Form, dass Erhöhungen der Rohölpreise mit anderer Geschwindigkeit an die Endverbraucher weitergegeben werden als Preissenkungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005) untersucht unter anderem diese Art der Asymmetrie im Preisanpassungsverhalten. Auch die Wettbewerbskommission (2008) beschäftigt die Frage nach Asymmetrien im Anpassungsverhalten. Sie vermutet, dass Preiserhöhungen schneller weitergegeben werden als Preissenkungen. Einen Überblick zu verschiedenen
Formen von asymmetrischem Verhalten geben Frey und Manera (2007). Eine aktuelle Untersuchung zu den Determinanten der österreichischen Treibstoffpreise liefert Jaenicke
(2008). Dort werden die langfristige Gleichgewichtsbeziehung und mögliche Asymmetrien im
Preisanpassungsverhalten Sinne von Granger und Lee (1989) analysiert. Die in diesem Abschnitt präsentierten Ergebnisse sind eine gekürzte Fassung dieser Untersuchung.
Für den Zeitraum Januar 1980 bis Mai 2008 steht ein umfangreicher Datensatz der Bruttound Nettopreise für Normalbenzin und Diesel zur Verfügung.3,4 Dabei handelt es sich um
Normalpreise bzw. Zielpreise, die vom tatsächlich erzielten Preis je nach Marktsituation leicht
abweichen. Die vorliegenden tagesgenauen Tankstellenpreise wurden auf Monatsdurchschnitte umgerechnet und mit dem monatlichen Rohölpreis (bis April 1987 Crude Oil, ab Mai
1987 Rohöl der Sorte Brent) in Beziehung gesetzt. Um Einflüsse des US-DollarWechselkurses zu eliminieren und einen einheitlichen Maßstab zu bekommen, wurden die
Rohölpreise in Euro pro Liter umgerechnet5. Das Ausmaß der Steuer- und Abgabenlast auf
Normal- und Dieselkraftstoff wurde ebenfalls berechnet. Die Preisreihen sind in den beiden
folgenden Abbildungen wiedergegeben.
3
Für die freundliche Bereitstellung der Daten danken wir der OMV. Bis Ende 2005 Selbstbedienungsnormalpreise, ab 2006 mit einem konstanten Faktor umgerechnete Zielpreise.
4
Für die Aufbereitung der Daten und die Unterstützung bei der ökonometrischen Analyse danken wir
Herrn Xia Liming.
5
Die Umrechnung hängt von dem spezifischen Gewicht ab. Vereinfachend haben wir das durchschnittliche Gewicht herangezogen und 1 Barrel mit 158,9873 Liter angenommen.
10
Abbildung 4: Preise für Normalbenzin und Rohöl
Anmerkungen: Bis April 1987: durchschnittlicher Rohölpreis (Crude Oil), danach Rohöl der Sorte Brent. Die Umrechnung in
Euro erfolgte bis Ende 1998 indirekt auf Basis des Wechselkurses zwischen US-Dollar und DM sowie DM und Österreichischem
Schilling, anschließend mit dem unwiderruflichen Umrechnungskurs umgewandelt in Euro.
Quellen: OMV, EZB, Energy Information Administration, eigene Berechnungen.
Abbildung 5: Preise für Diesel und Rohöl
Anmerkungen: Bis April 1987: durchschnittlicher Ölpreis, danach Rohöl der Sorte Brent. Die Umrechnung in Euro erfolgte bis
Ende 1998 indirekt auf Basis des Wechselkurses zwischen US-Dollar und DM sowie DM und Österreichischem Schilling, anschließend mit dem unwiderruflichen Umrechnungskurs umgewandelt in Euro.
Quellen: OMV, EZB, Energy Information Administration, eigene Berechnungen.
Es ist gut zu erkennen, dass die Treibstoffpreise für Normalbenzin und Diesel Bewegungen
der Rohölpreise nachvollziehen. In den 80er Jahren wurden allerdings Preisänderungen eher
selten vorgenommen. Die Preisbewegungen haben daher eine Treppenform. Seit Mitte der
90er Jahre sind dann auch kurzfristige Preisbewegungen an den Tankstellen zu beobachten.
Einflüsse der Preisregulierung, die von März 1999 bis April 2004 gültig war und eine Begrenzung der österreichischen Treibstoffpreise auf den EU-Durchschnittspreis plus 2,9 Cent vorsah, sind bei der grafischen Analyse nicht auffällig. Wie das Bundesministerium für Wirt11
schaft und Arbeit (2005) ausführt, wurde diese Obergrenze allerdings häufig nicht eingehalten.
Bei der Kalkulation der Benzin- und Dieselpreise sind neben den Rohölpreisen Margen für
Raffinerien und Tankstellen, Transportkosten und insbesondere Steuern und Abgaben6 zu
berücksichtigen. Letztere machen im Durchschnitt über den gesamten Zeitraum gesehen
etwa 58 Prozent des Benzinpreises und 52 Prozent des Dieselpreises aus. Die Mineralölsteuer und die Bevorratungsabgabe beziehen sich auf Mengen bzw. Gewichtsgrößen und
sind nicht direkt mit dem Benzinpreis verknüpft. Daher fällt ihr relativer Anteil mit steigenden
Preisen. Im Zeitraum 1980 bis heute ist die Mineralölsteuer für Diesel von 17,7 auf 37,5 bzw.
34,7 (Biodiesel) Cent pro Liter und die für Benzin von 20,8 auf 47,5 bzw. 44,2 (Biokraftstoff)
Cent pro Liter angestiegen.
Die Bevorratungsabgabe hängt von den jeweiligen Konditionen des Unternehmens ab, wobei
Obergrenzen festgelegt sind. Seit April 2008 beträgt beispielsweise die maximale Abgabe für
Benzin 47,0 Euro je Tonne. Daneben ist auch die Umsatzsteuer zu berücksichtigen, die seit
1984 20 Prozent beträgt. Bis Ende 1980 gab es einen ermäßigten Steuersatz für Energie
und für die Zeit von 1981 bis 1983 einen speziellen Umsatzsteuersatz von 13 Prozent.7
Um die empirische Beziehung zwischen den Kraftstoffpreisen und den Rohölpreisen zu ermitteln, müssen zunächst deren Zeitreiheneigenschaften geklärt werden, um Probleme mit
möglichen Scheinregressionsbeziehungen zu vermeiden. Hierzu werden Einheitswurzeltests
durchgeführt. Im Einklang mit Arbeiten in der Literatur für internationale Rohölmärkte und
Kraftfahrtstoffpreise kann sowohl mit dem ADF- als auch dem KPSS-Einheitswurzeltest gezeigt werden, dass die Zeitreihen nichtstationär sind.8 Der Erwartungswert, die Varianz und
die Autokorrelation sind damit nicht konstant über die Zeit. Diese Eigenschaft kann leicht zu
Scheinregressionsbeziehungen führen. Daher wurde mit dem Johansen-Verfahren (vgl. z.B.
Johansen, 1995) überprüft, ob sich die Kraftstoffpreise und die Rohölpreise trotz der
Nichtstationarität der einzelnen Zeitreihen in einem stationären linearen Gleichgewicht befinden. Hierzu wird ein Vektor-Fehler-Korrekur-Modell geschätzt. Dieses Modell erfasst sowohl
die kurzfristige Dynamik in den ersten Differenzen der Variablen als auch die langfristige Beziehung in den Niveauvariablen. Das Modell lässt prinzipiell mehrere langfristige Gleichgewichtsbeziehungen zu. So wäre es auch möglich, das langfristige Gleichgewicht für die Benzinpreisgleichung und für die Dieselgleichung simultan zu bestimmen. Obwohl ein so umfangreiches Modell mit einer gewissen Verbesserung des Erklärungsgehaltes verbunden ist,
wurde in dieser Untersuchung zwei kleinen Vektor-Fehler-Korrektur-Modellen der Vorzug
gegeben, ein Modell zur Erklärung des Benzinpreises, ein zweites zur Erklärung des Dieselpreises, um die Lagstruktur der einzelnen Gleichungen besser anpassen zu können. Mit Hilfe
einer Modell-Selektion wurde die Lagstruktur des Vektor-Fehler-Korrektur-Modells bestimmt.
Die Lags 1 und 2 der ersten Differenzen der Variablen sind signifikant von Null verschieden.
Die Residuen des Vektor-Fehler-Korrektur-Modells weisen keine nennenswerte Autokorrelation auf, allerdings sind, wie bei Finanzzeitreihen häufig, Heteroskedastie und Abweichungen
von der Normalverteilungsannahme festzustellen. Letztere wurde mit der von Lütkepohl
(2005) vorgeschlagenen Verallgemeinerung der Jarque-Bera-Statistik überprüft.
Das Johansen-Verfahren zeigt im vorliegenden Fall, dass die Rohölpreise der Sorte Brent
mit den Bruttopreisen für Benzin und den dazugehörenden Steuern kointegriert sind. Sie
6
Für Recherchearbeiten zur Steuerbelastung danken wir Frau Alexandra Kloß.
Zur Entwicklung der einzelnen Komponenten der Steuern und Abgaben vgl. Jaenicke (2008).
8
Die Nullhypothese der Integration vom Grade eins konnte mit dem ADF-Test mit Modellselektion
nicht verworfen werden, wohl aber die Hypothese, dass die Zeitreihen integriert vom Grade zwei sind.
Mit dem KPSS-Test wurde die Nullhypothese, dass die Zeitreihen stationär sind, klar verworfen.
12
7
weisen genau einen Kointegrationsvektor auf.9 Diese langfristige Gleichgewichtsbeziehung
lautet
Normalbenzin = 0,17 + 0,92 * Steuern & Abgaben + 0,94*Brent + 0,0003*Trend,
(11,82)
(26,72)
(4,28)
wobei die t-Werte in Klammern angegeben wurden. Sowohl Steueränderungen als auch Änderungen der Rohölpreise werden hiernach fast zu hundert Prozent an die Verbraucher weitergegeben. Die Hypothese, dass beide Parameter im Kointegrationsraum gleich eins sind,
kann mit dem von Johansen vorgeschlagenen LR-Test nur schwach signifikant verworfen
werden. Außerdem weist die Schätzung des langfristigen Gleichgewichts auf einen additiven
Mark-up hin. Mit dem positiven Vorzeichen des Trendparameters wird eine stetige Erhöhung
der Preise für Normalbenzin, z.B. ausgelöst durch höhere Qualitätsanforderungen, beschrieben. Der Einfluss des linearen Trends ist allerdings recht gering. Innerhalb eines Jahres erhöht sich hiernach der Preis für Normalbenzin um 0,36 Cent. Abweichungen von der langfristigen Gleichgewichtsbeziehung werden mit einer hohen Geschwindigkeit abgebaut.10 Sowohl
die langfristigen Gleichgewichtsabweichungen als auch die kurzfristigen Veränderungen der
Rohölpreise haben einen hoch signifikanten Granger-kausalen Einfluss auf den Bruttopreis
für Benzin.
Abbildung 6: Schätzergebnisse und tatsächliche Benzinpreise
Anmerkungen: Ergebnisse der Benzinpreisschätzung (Bruttopreise) mit dem Vektor-Fehler-Korrektur-Modell. Quelle: Eigene
Berechnungen..
9
Sowohl der Trace-Test als auch der Maximum-Eigenwert-Test weist hochsignifikant einen Kointegrationsrang von eins aus. Dabei wurde auf die kritischen Werte von MacKinnon, Haug und Michelis
(1999) zurückgegriffen.
10
Der Ladungskoeffizient vor dem Fehler-Korrektur-Term in der Gleichung für Normalbenzin beträgt
-0,30 und wird von der t-Statistik als hochsignifikant ausgewiesen.
13
Die Ergebnisse der Gleichung für Benzin des Vektor-Fehler-Korrektur-Modells sind in
Abbildung 6 dargestellt. Hieraus wird die sehr gute Anpassung der mit dem Modell prognostizierten Bruttobenzinpreise (Benzinprognose) an die tatsächliche Preisentwicklung (Benzin)
für den Schätzzeitraum deutlich.
Die Frage, ob die Benzinpreise asymmetrisch auf Abweichungen vom Gleichgewicht reagieren, wurde mit dem Ansatz von Granger und Lee (1989) analysiert. In der vorliegenden Untersuchung wurde diese Hypothese in einem nichtlinearen Vektor-Fehler-Korrektur-Modell
untersucht, wobei ein zweistufiges Vorgehen gewählt wurde.11 Auf der ersten Stufe wurde
das langfristige Gleichgewicht mit dem üblichen Vektor-Fehler-Korrektur-Modell geschätzt,
um dann auf der zweiten Stufe mit Hilfe einer Systemschätzung unterschiedliche Anpassungsgeschwindigkeiten zuzulassen, je nachdem, ob die Abweichungen der Benzinpreise
vom langfristigen Gleichgewicht ein positives oder ein negatives Vorzeichen aufweisen.
Der Vergleich der Anpassungskoeffizienten, die die Reaktion auf Gleichgewichtsstörungen
beschreiben, zeigt folgendes Bild: Sind die Benzinpreise höher als das langfristige Gleichgewicht, dann werden die Benzinpreise schneller angepasst, als wenn sie unterhalb des
langfristigen Gleichgewichts liegen. Damit werden, konträr zur populären Vorstellung der
Wettbewerbskommission (2008), Rohölpreissenkungen schneller weitergegeben als Erhöhungen. Die Anpassungskoeffizienten sind 0,33 bei positiven Gleichgewichtsabweichungen
und 0,27 bei negativen Abweichungen. Beide Koeffizienten sind signifikant von null verschieden. Allerdings ist der Unterschied in den Anpassungsgeschwindigkeiten zahlenmäßig gering
und erweist sich mit Hilfe eines Wald-Tests als statistisch nicht signifikant. Daher wurde dieses Modell nicht weiter verfolgt. Für die Mineralölpreise in Deutschland und der Schweiz
kommt Kirchgässner (1988) für den Schätzzeitraum 1980 bis 1986 zu einem ganz ähnlichen
Ergebnis. Die Hypothese symmetrischer Anpassungsgeschwindigkeiten kann Kirchgässner
(1988) weder für die ersten Differenzen der verzögerten endogenen und exogenen Variablen
im Fehler-Korrektur-Modell noch in einem Modell in ersten Differenzen verwerfen. Die von
Bettendorf, van der Geest und Varkevisser (2003) gefundenen Asymmetrien in den Preisanpassungen für den niederländischen Benzinmarkt, die allerdings ebenfalls nicht auf der von
Granger und Lee (1988) vorgeschlagene Spezifikation des Fehler-Korrektur-Modells beruhen, sind nur sehr kurzfristiger Natur und von der Größenordnung her eher vernachlässigbar.
Zusätzlich wurde die Hypothese überprüft, ob sich die beiden Parameter im Kointegrationsraum, die den Einfluss der Steuern und Abgaben sowie des Rohöls beschreiben, von eins
unterscheiden. Die Nullhypothese, dass beide Parameter gleich eins sind und damit kein
proportionaler Aufschlag auf die beiden Komponenten der Grenzkosten genommen wird,
kann mit einem Likelihood-Ratio-Test nur sehr schwach signifikant verworfen werden. Eine
Berücksichtigung von Steuern bei der Bestimmung der Benzinpreise ist allerdings notwendig,
wie ergänzende Tests mit dem Johansen-Verfahren deutlich machen. Ohne die Variable für
die Steuern im Vektor-Fehler-Korrektur-Modell würde die langfristige Kointegrationsbeziehung zwischen den Brutto-Benzinpreisen und den Rohölpreisen zusammenbrechen. Zu
einem ähnlichen Ergebnis kommen Kirchgässner und Weber (1994) für den deutschen Mineralölmarkt. Die in der Untersuchung geschätzten langfristigen Parameter für den deutschen
Markt liegen ebenfalls in der Nähe von eins.
Für die Beziehung zwischen dem Dieselpreis, der Steuer auf Dieselkraftstoff und dem Rohölpreis weist der Johansen-Test ebenfalls genau eine Kointegrationsbeziehung aus.12 Die
Lags 1 und 10 der verzögerten Differenzen erwiesen sich als signifikant von null verschie-
11
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005) verwendet hingegen ein Ein-Gleichungsmodell mit verzögerten ersten Differenzen, ohne die Beziehung in den Niveaus zu berücksichtigen.
Die Signifikanz von Asymmetrien kann dort nicht nachgewiesen werden.
12
Die Nullhypothese, dass keine Kointegrationsbeziehung vorliegt, wird vom Trace-Test auf dem 1Prozent-Niveau und vom Maximum Eigenwert-Test auf dem 5-Prozent-Niveau signifikant verworfen.
14
den. Die Residuen weisen keine Autokorrelation, gemessen an dem multivariaten LM-Test
(vgl. Johansen, 1995), jedoch Heteroskedastie und Abweichungen von der Normalverteilung
auf. Die langfristige Kointegrationsbeziehung lautet in diesem Fall
Diesel = 0,04 + 1,25*Steuern & Abgaben + 1,13*Brent + 0,0003*Trend.
(8,39)
(19,90)
(4,70)
Der additive Mark-up ist positiv, aber im Vergleich zu der oben beschriebenen Kointegrationsbeziehung für Normalbenzin deutlich geringer. Der Trendparameter gibt an, dass die Dieselpreise bei Konstanz der anderen Variablen um 0,36 Cent pro Jahr ansteigen. Die Parameter der Variablen Steuern und Abgaben sowie Rohöl sind wiederum positiv und in diesem Fall
etwas größer als eins. Daher wurde die Frage, ob Steuern und Rohölpreise langfristig genau
zu 100 Prozent weitergegeben werden, hier ebenfalls überprüft. Die Nullhypothese, dass die
Parameter gleich eins sind, kann hochsignifikant verworfen werden. Damit haben wir deutliche Evidenz, dass proportionale Aufschläge auf die Grenzkosten verlangt werden, beispielsweise, um Gemeinkosten umzulegen. Wenn Steuern und Abgaben nicht mehr im Modell berücksichtigt werden, hängt es von der Teststatistik, der Lagspezifikation und den deterministischen Komponenten ab, ob trotzdem eine langfristige Kointegrationsbeziehung gefunden
werden kann. Abweichungen von der langfristigen Gleichgewichtsbeziehung zwischen Dieselpreis, Steuern und Abgaben sowie Rohöl der Sorte Brent werden mit einer relativ hohen
Geschwindigkeit abgebaut. Allerdings ist diese nicht ganz so hoch wie die Anpassungsgeschwindigkeit beim Normalbenzin.13
Abbildung 7: Schätzergebnisse und tatsächliche Dieselpreise
Anmerkungen: Ergebnisse der Dieselpreisschätzung (Bruttopreise) mit dem Vektor-Fehler-Korrektur-Modell. Quelle: Eigene
Berechnungen.
Aus der Abbildung wird deutlich, dass die Schätzung sehr gut die historische Dieselpreisentwicklung beschreibt. Die Residuen der Schätzung halten sich in engen Grenzen, allerdings
nimmt die Volatilität der Residuen in den letzten Jahren etwas zu.
13
Der Ladungskoeffizient vor dem Fehler-Korrektur-Term in der Gleichung für Diesel beträgt -0,25 und
wird von der t-Statistik als hochsignifikant ausgewiesen.
15
Auch in diesem Fall wurde mit einem nichtlinearen Vektor-Fehler-Korrektur-Modell zweistufig
untersucht, ob asymmetrische Anpassungsreaktionen der Dieselpreise auf Gleichgewichtsabweichungen zu beobachten sind. Dieselpreise, die aufgrund von Steuersenkungen oder
Rohölpreissenkungen über dem Gleichgewicht liegen, werden demnach langsamer angepasst als Dieselpreise, die unterhalb des Gleichgewichts liegen. Mit Hilfe eines Wald-Tests
zeigen sich auch hier die gefundenen Asymmetrien als nicht signifikant unterschiedlich.
Inwieweit erweisen sich die gefundenen Testergebnisse als robust gegenüber einer Variation
des Schätzzeitraums? Diese Frage wird in Jaenicke (2008) detailliert analysiert. Es kann
gezeigt werden, dass sich für den Schätzzeitraum ab dem zweiten Golfkrieg, der mit dem
Einmarsch der irakischen Truppen nach Kuwait im Sommer 1990 begann, die Parameter des
Kointegrationsvektors sowohl im Modell für die Benzinpreise als auch in dem für die Dieselpreise nicht signifikant von den Schätzergebnissen für den gesamten Untersuchungszeitraum unterscheiden. Die gefundenen Ergebnisse erweisen sich somit als robust.
4
Projektionen der Benzin- und Dieselpreise
Basierend auf den in Abschnitt 2.2.3 dargestellten Ölpreisszenarien und den Schätzungen
der langfristigen Kointegrationsbeziehungen aus Abschnitt 3, werden im Folgenden Projektionen der künftigen Entwicklung der Benzin- und Dieselpreise in Österreich abgeleitet. Da
neben dem Ölpreis vor allem Steuern und Abgaben die Treibstoffpreise determinieren, müssen zusätzlich zur Dynamik des Ölpreises in Euro Annahmen über die künftige Gestaltung
der Mineralöl- und der Mehrwertsteuer sowie der Bevorratungsabgabe getroffen werden. Um
die Analyse auf den Einfluss des Ölpreises auf die an den Tankstellen zu entrichtenden Endverbraucherpreise zu konzentrieren, wird unterstellt, dass im Projektionszeitraum bis 2020
die Sätze für Steuern und Abgaben auf Benzin und Diesel konstant bleiben.
Abbildung 8 zeigt die Ölpreisentwicklung in den vier Szenarien. Die sich daraus ergebenden
Pfade des Benzinpreises sind in Abbildung 9 dargestellt. Die Entwicklung des Dieselpreises
kann Abbildung 10 entnommen werden.
Abbildung 8: Ölpreisprojektionen in den vier Szenarien
140
130
120
Euro / Barrel
110
100
90
80
70
60
50
WEO
Terminmärkte
Niedrigepreis
Hochpreis
Quellen: IEA, EIA, eigene Berechnungen.
16
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
40
Abbildung 9: Benzinpreis in den vier Szenarien
2.00
1.90
1.80
Euro / Liter
1.70
1.60
1.50
1.40
1.30
1.20
1.10
1.00
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
WEO
Termin
Niedrigpreis
Hochpreis
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung 10: Dieselpreis in den vier Szenarien
2.00
1.90
1.80
Euro / Liter
1.70
1.60
1.50
1.40
1.30
1.20
1.10
1.00
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
WEO
Termin
Niedrigpreis
Hochpreis
Quelle: Eigene Berechnungen.
Im Referenzszenario (dies ist das auf dem World Energy Outlook der IEA basierende Szenario) steigt der Benzinpreis bis 2020 von 1,30 auf 1,45 und der Dieselpreis von 1,33 auf 1,52
Euro pro Liter, im Hochpreisszenario werden ein Benzinpreis von 1,78 und ein Dieselpreis
von 1,92 Euro pro Liter erreicht, im Niedrigpreiszsenario von 1,20 bzw. 1,19 Euro pro Liter.
Es fällt auf, dass mit steigendem Rohölpreis die Preise für Diesel und Benzin auseinanderdriften. Dies liegt daran, dass, wie die ökonometrischen Untersuchungen in Kapitel 3 gezeigt
haben, Ölpreissteigerungen beim Dieselpreis stärker an die Konsumenten weitergegeben
werden als bei den Benzinpreisen.
17
5
Strompreise
Dieser Abschnitt geht der Frage nach, wie sich in Zukunft die Strompreise entwickeln werden. Aufgrund der in den letzten Jahren stark gestiegenen Ölpreise werden auch die Preisprognosen für andere Energieträger immer volatiler. Die Vorhersage des Preises für elektrischen Strom auf Basis der dynamischer gewordenen Preise für die Primärenergieträger gestaltet sich dementsprechend volatil. Galten beispielsweise Annahmen über ein Ansteigen des
Ölpreis gegenüber den 1990er Jahren real auf das drei- bis vierfache als radikales Szenario
einer Obergrenze, wie in der Prognose des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI 2006), können heutzutage dystopische Prognosen wie von Goldman Sachs,
die einen Ölpreis von 200 $/bbl innerhalb der nächsten zwei Jahre voraussagen, nicht mehr
einfach vom Tisch gewischt werden14. Was das für die Preisentwicklung von anderen fossilen Primärenergiesubstituten bedeutet, kann kaum verlässlich vorhergesagt werden. Die
Frage, ob Spekulationsinteressen oder tatsächliche Marktverknappungen den Hauptfaktor
für den zurückliegenden markanten Preisanstieg bilden, kann gegenwärtig nicht eindeutig
geklärt werden. Entgegen anderer Stimmen sieht die Internationale Energieagentur in ihrem
Energieausblick bis 2013 nicht Folge von Spekulation, sondern die stark steigende Nachfrage und die angespannte Angebotslage als ökonomische Rechtfertigung für das Hinaufschnellen der Preise.15 Inzwischen sprechen auch konservative Stimmen von einem baldigen
Überschreiten der weltweiten Produktionsspitze.16
5.1
Vergleichsstudien
Das EWI (2006) prognostiziert die Strompreisentwicklung im Zusammenhang mit den Preisen der Primärenergieträger: Auf Basis einer energiewirtschaftlichen Referenzprognose (einer moderaten Fortschreibung des historischen Trends) wird eine - damals noch wenig
wahrscheinliche - Variante untersucht, in welcher der Ölpreis im Jahr 2030 um rund 60 Prozent über dem Referenzwert liegt. In dieser Ölpreisvariante wird für 2030 ein Ölpreisniveau
von (aus heutiger Sicht lediglich) real 60 $/bbl oder rund 100 $/bbl nominell unterstellt. Weiters wird angenommen, dass sich der Gaspreis zunehmend vom Ölpreis entkoppelt. Der
Weltmarktpreis für Steinkohle ändert sich gegenüber der Referenz nur wenig. Das EWI
kommt zu dem Schluss, dass die Industriestrompreise bei Abnahme auf der Hochspannungsebene innerhalb des Betrachtungszeitraums um 5 bis 8 Prozent, auf der Mittelspannungsebene um 3 bis 6 Prozent höher als in der Referenzprognose liegen werden (EWI
2006).
2004 kommt das IZES in Saarbrücken zu dem Schluss, dass sich die Strompreise real eigentlich konstant entwickeln sollten, verweist aber auf die damals noch junge EEX17, die damals bereits damit rechnete, dass die Preise innerhalb von wenigen Jahren um rund 30 Prozent steigen werden (IZES 2004). Dieses Ergebnis wurde damals als möglicherweise bedingt durch den zu kurzen Beobachtungszeitraum interpretiert.
In einer Studie zur künftigen Entwicklung des Energiesystems in Österreich prognostiziert
das WIFO (2005) in einem Baseline-Szenario, dass der Strompreis für Industriekunden im
Zeitraum 2005 bis 2010 jährlich um 0,8 Prozent steigen wird. Für die Periode 2011 bis 2020
wird eine Zunahme um 0,2 Prozent p.a. erwartet. Dabei wurde allerdings unterstellt, dass der
Ölpreis von 38 US-Dollar (nominell) je Barrel im Jahr 2004 bis 2020 moderat auf knapp 53
Dollar je Barrel steigen wird. In einer Sensitivitätsanalyse wird angenommen, dass der Öl-
14
http://www.marketwatch.com/news/story/goldman-sachs-raises-possibility200/story.aspx?guid=%7B4B702F7F-41F8-45F0-A133-630F12F2C764%7D
15
IEA Energieausblick bis 2013
16
z.B.: Zyklen, Trends, Signale. http://www.oxiana.com.au/_data/docs/investor/deutsche/zts-mrz05.pdf
17
European Energy Exchange, die europäische Energiebörse in Leipzig.
18
preis im Jahr 2020 um 50 Prozent höher sein wird als im Niedrigpreisszenario. Dies hätte
einen um 1,3 Prozent höheren Industriestrompreis zur Folge.
A.T. Kearney beschreibt in einer im Jahr 2008 veröffentlichten Studie einen engen Zusammenhang zwischen Strompreisen und anderen Energiepreisen (Öl und Gas). Es wird darauf
hingewiesen, dass die heutigen hohen Strompreise auch auf die hohen Steuern und Abgaben zurückzuführen sind (abzüglich dieser wären die Strompreise dank Liberalisierung in der
Elektrizitätswirtschaft niedriger als vor 10 Jahren). Die Studienautoren beobachten, dass die
Strompreise an der EEX seit dem Jahr 2004 vom Primärenergieanstieg getrieben werden,
sowohl bei Forward- als auch bei Spotpreisen. Sie rechnen mit einer Erhöhung von Gas- und
Strompreisen bis 2020 um jeweils 100 Prozent (ab 2006), gekoppelt mit hohen CO2-Kosten,
was eine Erhöhung der Endkundenpreise um circa 40 Prozent (in 14 Jahren bei fast vollständiger Überwälzung) bedeuten würde (A.T. Kearney, 2008).
5.2
Zusammenhang zwischen Öl- und Strompreisen
Im Wissen um die bestehende Literatur und die gegenwärtigen Turbulenzen auf den Energiemärkten wird zunächst untersucht, inwieweit die Strompreise in Österreich vom Ölpreis
beeinflusst werden. Der Ölpreis wird im Folgenden durch den Marktpreis für Öl der Sorte
Brent18 in Euro je Liter repräsentiert. Als Strompreis wurde der Preis für Industriekunden gewählt. Abbildung 11 zeigt den Verlauf des Strompreises für Industriekunden und des Ölpreises im Zeitraum 1980 bis 2007.
0,10
0,50
0,45
0,40
0,35
0,30
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
Euro / kWh
0,09
0,08
0,07
0,06
0,05
Strompreis (linke Achse)
2005
2000
1995
1990
1985
1980
0,04
Euro / liter
Abbildung 11: Verlauf des Strompreises und des Ölpreises im Zeitraum 1980 bis 2007
Ölpreis (rechte Achse)
Anmerkungen: Strompreis: Preis für industrielle Endverbraucher (Jahresverbrauch 2000 MWh); Preis in Euro (ohne Steuern)
pro kWh, jeweils zum 1. Jänner des Jahres; Ölpreis: Euro/Liter für Öl der Sorte Brent (ab 1987; vorher: Korb unterschiedlicher
Ölsorten).
Quellen: EIA; EUROSTAT; eigene Berechnungen.
Es fällt auf, dass bei den Preisen bis 2004 kein erkennbarer Zusammenhang zwischen den
Öl- und Strompreisen bestand. Dies dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass Erdöl
für die Stromerzeugung im Vergleich zu anderen Primärenergieträgern eher eine untergeordnete Rolle spielt. Die meisten thermischen Kraftwerke werden mit Kohle und Erdgas betrieben, wobei jedoch der Erdgaspreis eng an die Entwicklung der Erdölpreise gekoppelt ist,
18
bis April 1987: durchschnittlicher Preis eines Korbs unterschiedlicher Ölsorten.
19
was beim Überschreiten einer gewissen Ölpreisschwelle zum Tragen zu kommen scheint.
Eine Sonderstellung nimmt im europäischen Kontext Österreich ein, da in Österreich ein erheblicher Teil des Stroms aus Wasserkraft erzeugt wird. Zudem erfolgte ab 1999 auf Initiative
der Europäischen Union eine schrittweise Liberalisierung des Elektrizitätsmarkts in Österreich. In der Folge sind die Strompreise, vor allem für industrielle Abnehmer, markant gesunken. Der starke Anstieg der Ölpreise seit Anfang 2005 dürfte aufgrund immer stärker zum
Tragen kommender Substitutionseffekte den Strompreis parallel zur Ölpreisentwicklung mitbewegen.
Formale Analysen bestätigen den visuellen Eindruck, dass bis zum jüngsten starken Ölpreisanstieg kein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Ölpreis und dem Strompreis
bestand. So beläuft sich der Korrelationskoeffizient zwischen den beiden Zeitreihen über den
Zeitraum 1980 bis 2005 auf -0,52. Der Wert ist zudem nicht signifikant. Ein GrangerKausalitätstest19 kommt bis 2005 zu dem Ergebnis, dass die Nullhypothese, dass der Ölpreis
nicht Granger-kausal für den Strompreis ist, nicht verworfen werden kann. Für den Zeitraum
der Hochpreisentwicklungen für Öl in den letzten Jahren wurden die bisherigen Ergebnisse
bestätigt. Die visuelle Inspektion deutet für diesen Zeitraum eventuell auf einen engeren Zusammenhang hin, die Zeitreihen sind für formale Tests jedoch zu kurz.
5.3
Künftige Entwicklung der Strompreise
Die vorstehende Untersuchung zeigt, dass aus der Entwicklung des Ölpreises kaum quantitative Prognosen bezüglich der Strompreise abgeleitet werden können. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich in Zukunft Ölpreissteigerungen, insbesondere wenn
diese ein höheres Ausmaß als in der Vergangenheit erreichen und sich als dauerhaft erweisen, stärker auf die Strompreise auswirken werden als bisher. Dies ist unter anderem darauf
zurückzuführen, dass künftig keine weiteren preisdämpfenden Effekte der Elektrizitätsmarktliberalisierung zu erwarten sind. Darüber hinaus führen die steigende Stromnachfrage und
die Schließung unwirtschaftlich gewordener Kraftwerke dazu, dass die vorhandenen Erzeugungskapazitäten an ihre Grenzen stoßen.
Eine Fortschreibung des in den 1990er Jahren realisierten durchschnittlichen Verbrauchswachstums von rund 2 Prozent jährlich führt zu einem erwarteten jährlichen Strombedarf im
Jahr 2020 von knapp 88 TWh. Trotz relativ starker Verbrauchszuwächse wurden in Österreich seit der Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte nahezu keine Großkraftwerke errichtet.
Diese Entwicklung führt dazu, dass Österreich zunehmend von Stromimporten abhängig sein
wird. Daher sind in Zukunft in Österreich wie auch in der Europäischen Union insgesamt verstärkte Investitionen in den Neubau von Kraftwerken notwendig. Zudem werden sich die
Kosten des Handels mit Emissionsrechten in den europäischen Strompreisen niederschlagen. Die genannten Faktoren werden in Zukunft in Europa insgesamt und auch in Österreich
tendenziell zu steigenden Strompreisen führen. Aufgrund des hohen Anteils der Wasserkraft
ist Österreich von den Anstiegen der Kosten fossiler Brennstoffe in der Stromerzeugung weniger betroffen als andere Länder. Der steigende Stromverbrauch in Österreich bei begrenzten Ausbaumöglichkeiten der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energieträger wird
jedoch erhöhte Importe nach sich ziehen. Daher werden die Preissteigerungen im europäischen Strom-Mix auch in Österreich höhere Strompreise zur Folge haben. Darüber hinaus
dürften in Österreich erhöhte Anforderungen an den Gewässerschutz aufgrund der EUWasserrahmenrichtlinie die Stromerzeugung aus Wasserkraft verteuern. Zudem werden die
Zuschläge auf den Strompreis zur Unterstützung von Ökostrom und der Kraft-WärmeKopplung weiter steigen, auch wenn der Unterstützungsbedarf mit steigenden Marktpreisen
abnimmt.
19
Eine Zeitreihe x wird als Granger-kausal für eine Zeitreihe y bezeichnet, wenn Vergangenheitswerte
von x signifikant zur Prognose von y beitragen.
20
In Studien zur künftigen Entwicklung des Energiesystems in Österreich, wie die WIFO-Studie
von 2005, konnte die unterstellte Entwicklung allerdings nicht hinreichend das sehr starke
Wachstum der Energiepreise in der jüngsten Vergangenheit berücksichtigen. Dies wird bereits bei einem Blick auf die Strompreisentwicklung an der Europäischen Energiebörse EEX
in Leipzig deutlich. Beispielhaft sei ein Terminkontrakt für Phelix20 Baseload Year Futures
(Cal-09) herausgegriffen. Seit 1. Oktober 2003 ist der Preis für Grundlast von 34,00 Euro/MWh auf 82,85 Euro/MWh am 17. Juli 2008 angestiegen.
Abbildung 12: Preisentwicklung am Terminmarkt für Grundlast
Quelle: European Energy Exchange.
Abbildung 13: Preisentwicklung am Terminmarkt für Spitzenlast
Quelle: European Energy Exchange.
20
Phelix steht für Physical Electricity Index.
21
Die Entwicklung des entsprechenden Kontraktes für Spitzenlast verläuft relativ parallel, allerdings auf deutlich höherem Niveau. Auch hier hat sich der Preis innerhalb der gleichen Zeitspanne mehr als verdoppelt. Er ist vom 1. Oktober 2003 bis heute von 55,55 Euro/MWh auf
119,50 Euro/MWh angestiegen.
Neben Grund- und Spitzenlast können auch die Stundenpreise analysiert werden. Hier zeigt
sich eine sehr starke Volatilität. Beispielsweise beträgt der Preis für Stundenkontrakte am 18.
Juli 2008 zwischen 24,05 Euro/MWh und 110,57 Euro/MWh.
Um aus den historischen Daten für die zukünftige Entwicklung Strompreise abzuleiten, steht
uns allerdings nur ein recht kurzer Zeitraum zur Verfügung. Die Europäische Energiebörse
stellt aus täglichen Beobachtungen ermittelte historische Quartalsdaten für Phelix Baseload
vom 3. Quartal 2000 bis zum 2. Quartal 2008 zur Verfügung. Diese Durchschnittspreise zeigen einen sehr deutlich ansteigenden Verlauf. Im 3. Quartal 2000 lag der durchschnittliche
Preis für Grundlast bei 16,9 Euro/MWh, während er im gerade abgelaufenen Quartal bei 65,5
Euro/MWh lag. Diese Preisinformationen wurden herangezogen, um den (nichtlinearen)
Trend in den historischen Daten zu schätzen. Die Daten scheinen stationär um einen deterministischen Trend zu sein, zumindest kann die Hypothese der Einheitswurzel auf dem 10Prozent-Niveau zugunsten eines linearen Trends verworfen werden. Aufgrund des sehr kurzen Stützzeitraums mit 32 Beobachtungen ist allerdings eine langfristige Prognose mit sehr
hoher Unsicherheit behaftet.
Schätzt man ein lineares Trendmodell, dann würde der Strompreis am Ende des Simulationszeitraums bei 115 Euro/MWh liegen. Nimmt man dagegen einen quadratischen Trend an,
dann würde der Preis Ende 2020 bei 255 Euro liegen. Berücksichtigt man dagegen neben
dem quadratischen Trend auch noch den Vorquartalswert, dann würde der Preis bei über
260 Euro/MWh liegen. In diesem Modell wird, gemessen an dem bereinigten R2, 62,8 Prozent der Varianz der Strompreisentwicklung erklärt. Alle Variablen des Modells sind signifikant von null verschieden. Die Preisvolatilität der letzten Jahre liegt bei diesem Modell fast
immer innerhalb des Prognoseintervalls. Unter Berücksichtigung des 2-fachen Standardfehlers bei der Prognose ergibt sich folgendes Bild:
Abbildung 14: Prognose der Stormpreisentwicklung für Grundlast mit einem quadratischen
Trend
Quelle: EEX, eigene Berechnungen.
22
In einer weiteren Modellvariante wird mit der Methode der Nichtlinearen Kleinsten Quadrate
ein konstantes Wachstum der Strompreise unterstellt und das Niveau des Startpunktes geschätzt. Es ergibt sich folgende Gleichung,
PRICE_EUR_MWH = 19.89*(1+0.14)YEAR
( 8.48)
(5.91)
mit t-Statistikwerten in Klammern. Beide Parameter sind hoch signifikant von null verschieden. Diese Modellspezifikation hat den Vorteil, dass das Ergebnis mit existierenden Wachstumsprognosen direkt vergleichbar ist. Die erklärte Varianz des Modells, gemessen am bereinigten R2, liegt mit 58,8 Prozent jedoch etwas niedriger. Nach diesem Modell beträgt das
jährliche Wachstum 14,25 Prozent. Das mit dem Regressionsmodell bestimmte Wachstum
ist sogar deutlich niedriger, als wenn man nur den Endwert (65,5 Euro/MWh) mit dem Startwert (16,9 Euro/MWh) ins Verhältnis setzt und daraus die jährliche Wachstumsrate berechnet.
In Abbildung 15 wird die historische Prognose des Modells (Fitted) der tatsächlichen Entwicklung (Actual) gegenüber gestellt. Die Strompreise sind auf der rechten vertikalen Achse abgetragen. Auf der linken vertikalen Achse sind die Abweichungen zwischen tatsächlichen und
prognostizierten Werten abgetragen (Residuen). Es zeigt sich, dass das Modell den nichtlinearen Trend in den Strompreisen recht gut nachbildet, allerdings die zunehmende Volatilität
nicht miterfasst. Die Residuen liegen in den letzten Jahren außerhalb des Konfidenzintervalls.
Das mit diesem Regressionsmodell prognostizierte Wachstum führt zu Strompreisen knapp
bei 295 Euro/MWh Ende 2020. Insofern unterscheidet sich die Prognose nicht sehr stark von
dem bisher präsentierten Modell.
Abbildung 15: Historische Prognose der Strompreisentwicklung in einem Modell mit konstantem Wachstum
Quelle: EEX. eigene Berechnungen.
23
6
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Eine steigende Nachfrage, vor allem in den schnell wachsenden Volkswirtschaften in Asien,
im Verein mit abnehmenden Förderraten in den OECD-Staaten und generell zunehmenden
Explorationskosten dürfte dazu führen, dass die Ölpreise mittel- bis langfristig aufwärts gerichtet bleiben werden. In diesem Papier wurden auf der Grundlage des World Energy Outlook 2007 der Internationalen Energieagentur sowie auf der Basis von Terminkontrakten vier
Szenarien der Ölpreisentwicklung bis 2020 abgeleitet. Die historische Analyse der Ölpreise
zeigt, dass geopolitische Ereignisse einen erheblichen Einfluss auf die Ölpreise nehmen. Da
ein großer Teil der heute bekannten Ölvorkommen in politisch instabilen Regionen liegt, ist in
Zukunft mit einer erhöhten Volatilität der Rohölpreise zu rechnen.
Die internationale Ölpreisnotierung stellt eine wesentliche Determinante der Benzin- und
Dieselpreise in Österreich dar. Daneben beeinflussen Steuern und Abgaben die Treibstoffpreise. Eine ökonometrische Analyse mittels des Johansen-Verfahrens macht deutlich, dass
Änderungen der Rohölpreise nahezu vollständig im Fall der Benzinpreise und überproportional im Fall der Dieselpreise an die Konsumenten weitergegeben werden. Dies trifft auch auf
Änderungen der Steuern und Abgaben zu.
Die auf der Grundlage der langfristigen Kointegrationsbeziehungen durchgeführten Projektionen für die Benzin- und Dieselpreise lassen im Referenzszenario Benzin- und Dieselpreise
von 1,45 bzw. 1,52 Euro/Liter sowie im Hochpreisszenario von 1,78 bzw. 1,93 Euro/Liter im
Jahr 2020 erwarten. Dabei wird von der Konstanz der Mineralöl- und Mehrwertsteuersätze
ausgegangen und ein US-Dollar Wechselkurs von 1,55 US-Dollar/Euro unterstellt.
Erdöl und insbesondere Erdgas stellen wichtige Primärenergieträger bei der Stromerzeugung dar. Liberalisierungsschritte in der europäischen Elektrizitätswirtschaft sowie ein steigender Einsatz regenerativer Energiequellen haben dazu geführt, dass für die Vergangenheit
nur ein loser Zusammenhang zwischen Öl- und Strompreisen in Österreich nachgewiesen
werden kann. Daher konnten die Ölpreisszenarien nicht für die Ableitung von Strompreisprojektionen herangezogen werden. Prognosen wurden daher mittels verschiedener Trendmodelle erstellt. Diese zeigen für die Zukunft deutlich steigende Strompreise in Österreich. Die
Modelle mit den besten statistischen Eigenschaften lassen bis 2020 einen Anstieg der Preise
für Grundlast an der Europäischen Energiebörse von derzeit 65 Euro/MWh auf 255 bis 295
Euro/MWh erwarten. Auch wenn statistisch kein enger Zusammenhang zwischen Öl- und
Strompreisen gefunden werden konnte, dürfte von anziehenden Öl- und in deren Gefolge
Gaspreisen künftig Aufwärtsdruck auf die Strompreise ausgehen. Dafür spricht unter anderem, dass der steigende Stromverbrauch in Österreich bei begrenzten Ausbaumöglichkeiten
der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energieträger vermehrte Importe nach sich
ziehen wird. Bis 2020 dürfte der Importbedarf von derzeit rund 4 Terrawattstunden (TWh)
(dies entspricht etwa 6 Prozent des Stromverbrauchs in Österreich) auf 10 TWh bzw. rund
12 Prozent des Stromverbrauchs steigen. Darüber hinaus dürften in Österreich erhöhte Anforderungen an den Gewässerschutz aufgrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie die Stromerzeugung aus Wasserkraft verteuern. Zudem werden die Zuschläge auf den Strompreis zur
Unterstützung von Ökostrom und der Kraft-Wärme-Kopplung weiter steigen, auch wenn der
Unterstützungsbedarf mit steigenden Marktpreisen abnimmt. Des Weiteren dürfte eine aus
Klimaschutzgründen intendierte Verknappung von CO2-Zertifikaten in der Energiewirtschaft
zu steigenden Strompreisen beitragen.
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