Trendstudie 2005

Transcrição

Trendstudie 2005
Wie wohnen wir morgen?
2. stilwerk Trendstudie
Inhalt
004 Stilsicher wohnen
Vorwort des stilwerk-Teams
005 Was können Trendstudien
heute leisten?
Vorwort von Andrej Kupetz,
Geschäftsführer Rat für Formgebung
006 Neue Sehnsüchte
Trend-Update der 1. stilwerk Trendstudie 2002
und Einführung der neuen Trends
012 Neo-Barock
Üppigkeit, Prunk und Opulenz:
Barockes Flair bestimmt den Zeitgeist
020 High-Tech-Jugendstil
Hoch technisierte Romantik in
Non-Industrial-Optik zieht in die Wohnzimmer ein
026 Modern Dream
Der moderne Traum reicht von Bauhausbis Science-Fiction-Designs
032 Biedermeier-Glam
Im verklärten Glanz zelebriert der Bürger
sein kleines Glück
038 Outlook
Nachwort zu den Trends
039 Intro stilwerk-Talk
Der Handel vor neuen Aufgaben
040 stilwerk-Talk
Einrichtung und Lifestyle zwischen Outlet
und Internet – ein Expertengespräch
049 Index
Alle stilwerk-Adressen, Händlerkontakte
und Impressum
2. stilwerk Trendstudie 003
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
„design follows desire“ –
Wir richten uns nach Bedürfnissen ein.
So lautete das Fazit der 1. stilwerk Trendstudie 2002.
Ihre Aufgabe war es, die Hauptmerkmale zu charakterisieren, die unser Wohnumfeld beeinflussen. Damals
hieß die Zukunft des Wohnens „Privacy“, „Soziotainment“, „Optionismus“ und „Simplicity“: Zwischen Erdung, Unterhaltung, Beweglichkeit und dem Luxus der
Reduzierung waren die Szenarien angesiedelt, mit
denen das Trendbüro unsere Wohn- und Lebenswelt
von morgen beschrieb.
Alexander Raab und Alexander Garbe,
Vorstand stilwerk AG
2. stilwerk Trendstudie
Stilsicher
wohnen
004 2. stilwerk Trendstudie
Die große Resonanz auf unsere erste Studie hat uns
gezeigt, wie sehr wir uns mit unserem direkten Umfeld,
unserem Alltag und unseren Träumen beschäftigen und
wie sehr sich dies in unserem Wohnen widerspiegelt.
Gut zwei Jahre später haben wir uns gefragt: Ist das
Morgen von gestern heute wahr geworden? Wenn ja,
wie setzen sich diese Trends fort? Und wenn wir uns
damals in einigen Punkten geirrt haben, wie wohnen wir
dann heute tatsächlich und warum gerade so und nicht
anders?
Die 2. stilwerk Trendstudie zeigt auf, welche der Strömungen sich in den vergangenen Jahren verstärkt,
welche an Relevanz verloren haben und welche der
Strömungen vielleicht durch neue Ausprägungen die
Wohnwelt ganz anders beeinflussen werden. Eines der
wichtigsten Stichworte in diesem Zusammenhang ist
Eskapismus – die Flucht vor den allgegenwärtigen und
weiter gestiegenen Anforderungen der Alltags- und Berufswelt. Daraus resultiert eine große Sehnsucht nach
gelernten Werten und nach Stilsicherheit. Das Neue
muss nicht unbedingt neu sein – aber es muss sich gut
anfühlen. Fazit: Lassen Sie uns Ihr Leben schön
einrichten!
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre,
Ihr stilwerk-Team
Was
können
Trendstudien
heute
leisten?
Andrej Kupetz,
Geschäftsführer
Rat für Formgebung
Ganz sicher lassen sie sich nicht als Zukunftsvisionen
instrumentalisieren, mit denen man unsere
Bedürfnisse in 15 oder 20 Jahren weissagen kann.
Vielmehr ist der Fokus der Trendstudien das Hier-undheute – die Gegenwart und die Beschreibung der sie
prägenden Phänomene. Doch was wollen wir noch
wissen über die Gegenwart, erleben wir sie nicht täglich? Ohne Zweifel, doch unsere persönlichen Erfahrungen sind nur ein Bruchteil der uns umgebenden Welt
und objektiv ungenügend, allgemeine Aussagen daraus
abzuleiten. Wir wollen z. B. wissen, wie sich unsere
subjektiven Erfahrungen objektivieren lassen, wir wollen
sie einordnen in den Kontext unserer gesellschaftlichen
Entwicklung. Wir wollen jene Phänomene erkennen,
die die Menschen bewegen und letztlich dazu führen,
Konsumentscheidungen zu treffen oder Verzicht zu
üben.
Kein Zweifel, Trendstudien haben eine Orientierungsfunktion, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen ist.
Für die Hersteller, indem sie Verbraucherverhalten auf
den Punkt bringen und somit für die Produktentwicklung
wertvolle, weil quantifizierbare Hinweise liefern. Für die
Verbraucher, indem sie Bedürfnisse qualitativ visualisieren, die vom Einzelnen zwangsläufig nur ungenügend
formuliert werden können.
Die 2. stilwerk Trendstudie beschreibt wie die erste aus
dem Jahr 2002 vier gesellschaftliche Phänomene, die
gleichzeitig erlebbar und in ihrer produktbezogenen
Ausgestaltung verortet sind. Die Existenz zeitgleicher
Szenarien, die sich scheinbar widersprechen oder –
positiv ausgedrückt – ergänzen, bildet die Kernbotschaft, mit der wir umzugehen lernen müssen.
Der viel beschworene multiple Verbraucher ist unsere
Realität und wird sie – soviel ist für die Zukunft sicher –
auch bleiben.
Andrej Kupetz
Geschäftsführer
Rat für Formgebung/German Design Council
2. stilwerk Trendstudie 005
Trend-Update
Ergebnisse der
1. stilwerk Trendstudie 2002
Privacy
Soziotainment
Optionismus
Simplicity
Privacy:
„Wir sehnen uns nach wohltuender Entschleunigung, persönlicher Geborgenheit, vertrauter
Privatsphäre, nach Heimatgefühl.“
Soziotainment:
„Es gibt eine neue Generation von Möbeln, die versucht, Menschen wieder zusammenzuführen. Nicht
nur den Freundeskreis, sondern auch die Familie.“
Optionismus:
„Die Ich-AG kehrt zu einer nomadischen Lebensweise zurück – mit flexiblen Einrichtungsmodulen
und Funktionscontainern.“
Simplicity:
„Die Leere ist der Luxus des Bohemiens, der sich
allen Überflüssigen entledigen möchte. Verzicht aus
Überzeugung signalisiert Überlegenheit und damit
elitäre Abgrenzung.“
006 2. stilwerk Trendstudie
Trend-Update. Stichwort „Nesting“: „Sake“ von
ligne roset (oben li.); soziale Sofas: „Baia“ von BRF
(oben re.); flexibles Einrichten: Klappküche „Erika“,
über Nils Holger Moormann (unten li.); Purismus
pur: das CD- und DVD-Regal „Horizontals A-line“
von Pastoe (unten re.)
Prof. Peter Wippermann
Neue
Sehnsüchte
Rückblick
„Wie schön wohnt die Zukunft?“, fragte die
1. stilwerk Trendstudie 2002. Das Trendbüro
untersuchte die modernen Lebensumstände
und antwortete mit den vier Sehnsuchtsfeldern
„Privacy“, „Soziotainment“, „Optionismus“ und
„Simplicity“.
Getragen von den Anforderungen nach mehr
Flexibilität und Überschaubarkeit sowie der
Sehnsucht nach menschlicher Nähe und Unterhaltung boten die vier Trends wohnliche Lösungsansätze. Für den einen bedeutete dies,
sich dem Jobwettkampf zu stellen und als flexibler Technomade zu hausen (Optionismus),
andere legten mehr Wert auf Kompensation
– sei es durch Unterhaltung (Soziotainment)
oder den regenerierenden Rückzug (Privacy).
Trend-Update 2005
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Entwicklungen haben seit 2002 ihre Dynamiken beibehalten bzw. verstärkt. Privacy,
Soziotainment, Optionismus und Simplicity
sind damit zwar weiterhin aktuell, jedoch in
neuer Gewichtung vertreten. Optionismus und
Simplicity haben an Attraktivität verloren,
Soziotainment und vor allem Privacy
dagegen an Relevanz gewonnen. Warum?
2002 wurden viele Anforderungen des modernen Alltags als Herausforderung begriffen und
im Wohnumfeld mit Flexibilität übersetzt
(Optionismus: modernes Nomadentum,
mobile Container, Multifunktionsmöbel etc.).
Knapp drei Jahre später scheinen die
Anforderungen der Alltags- und Berufswelt
nur noch anzustrengen. Statt die Herausforderungen auch auf das Wohnfeld zu übertragen, sehen wir einen verstärkten Drang
zum Eskapismus, der selbst mit dem PrivacyTrend nicht mehr ausreichend wiedergegeben
werden kann.
Die neuen Trends
Neu – und damit relevant für die 2. stilwerk
Trendstudie – sind die Sehnsüchte, die als
Kompensationsangebote auf den anhaltenden Strukturwandel und die zunehmende
Alltagskomplexität reagieren. Nicht einlenken,
sondern ablenken lautet die Devise für das
Wohnumfeld.
Drei Angst-Faktoren prägen den
eskapistischen Rückfall:
1. Mangelnde soziale Gerechtigkeit –
Verarmung der Mittelschicht
2. Fehlende Visionen –
Ohnmacht und Zukunftsangst
3. Steigender Druck und Egoismus –
gefühlter Werteverfall
2. stilwerk Trendstudie 007
D
G
b
Trend-Update
Arme Mitte
Der Lebensstandard rutscht ab. Wir erleben
die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in
Arm und Reich. Die Ungleichheit der Verteilung hat deutlich zugenommen. Internationale
Marktgesetze übernehmen die Handlungsnormen einer Gesellschaft, die stolz war auf ihre
soziale Solidarität. Mittelschicht-Familien mit
Kindern und Rentner aus der Arbeiterschicht
müssen sparen, weil sie nichts haben. Jede
7. Familie muss mit einem Einkommen unterhalb der EU-Armutsgrenze auskommen. Die
Wohlhabenden (Singles, kinderlose Paare
und Pensionäre) suchen nach einem neuen
Luxus, sparen aber beim Alltäglichen.
Das klassische Mittelsegment ist der Verlierer
dieser Entwicklung und stirbt langfristig aus.
So spalten sich Nation und Märkte in Upscale
Luxury und Cheap Chic.
Von einer neuen Bescheidenheit im Wohnumfeld kann dabei keine Rede sein. 10 Prozent der 30 Mio. deutschen Haushalte sind
überschuldet. Das ist ein Zuwachs von
13 Prozent seit 1998.
Als ob es zu betonen gilt, dass man nicht zur
absteigenden Klasse gehört, wird weiter an
der eigenen Überhöhung und Selbstinszenierung gearbeitet. Die Sehnsucht nach
Glamour und Luxus schwappt von der Mode
ins Wohnumfeld über.
008 2. stilwerk Trendstudie
Die Sehnsucht nach
Glamour und Luxus
bestimmt das Wohnen
Zukunftsangst
80 von 100 Deutschen fürchten die Zukunft.
85 Prozent sind wegen der politischen und
gesellschaftlichen Entwicklungen beunruhigt,
verkündet das Meinungsforschungsinstitut
Emnid. Ein so hoher Wert ist seit 25 Jahren
nicht mehr gemessen worden. „Wir kommen
den harten Realitäten der Marktwirtschaft
näher, mit denen andere Nationen wie
Amerika oder England schon seit Jahrhunderten klaglos umgehen“, meint Klaus-Peter
Schöppner, Geschäftsführer vom Meinungsforschungsinstitut Emnid. Zum Vergleich:
In den USA sehen nur 30 Prozent sorgenvoll
in die Zukunft. Eine Gallup-Umfrage von 2005
bestätigt, dass die Deutschen die pessimistischsten Weltbürger sind. Haben wir das
Vertrauen in die Zukunft und uns verloren,
weil uns zu viel Vertrautes abhanden gekommen ist? Längst ist klar, wo wir stehen: nicht
in einer augenblicklichen Rezession, sondern
in einem länger andauernden Strukturwandel,
der für viele eine schmerzliche Umstellung
mit sich bringt. Die vielfach ungerechte Neuverteilung und die komplexen Aufgaben in
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft machen
dem Bürger klar, wie global und schwierig
die Probleme geworden sind – und wie klein
und machtlos der Einzelne dasteht. Visionen
fehlen nicht nur generell, sondern büßen in
diesem Klima auch an Durchschlags- und
Überzeugungskraft ein.
2. stilwerk Trendstudie 009
Die Suche nach
Tradition wird
zum Trend
010 2. stilwerk Trendstudie
Trend-Update
Die Wiedergeburt des Alten. Traditionelle Kühlerformen,
wie die des „Silberpfeil“ (li.) der Auto Union aus den 30erJahren, standen beim Frontdesign des neuen Audi A6 (re.)
Pate
Die neuen Trends:
Das Neue muss nicht neu sein
Gefühlter Werteverfall
Typisch für Rezession, Stagnation oder
Strukturwandel ist die Forderung nach alten
Werten. Wenn das Neue seine Verheißung
verspielt zu haben droht, romantisiert die Erinnerung die Vergangenheit. Wo Egoismus überlebenswichtig wird, verliert die Menschlichkeit.
Traditionalisten und Moralapostel gewinnen
an Gehör. Humanistische Tugenden leben in
privaten Zirkeln wieder auf. Einen hohen
Nachfragezuwachs hat die ImmobilienResearch-Abteilung der Deutschen Bank nach
Stadthäusern aus der Gründerzeit festgestellt.
Neben zentraler Lage, Charme und Prestigefaktor spielt auch die Lebensstil-Imitation eine
wichtige Rolle. Wir dekorieren unsere Welt
nach alten Mustern. In der Hoffnung, dass
über die Oberfläche auch die Inhalte wiedererweckt werden. Es geht hier nicht um die
augenzwinkernde Retro-Ironie eines Soziotainment-Trends. Es geht um das Aufstellen
allgemeingültiger Verbindlichkeiten. Es geht
um die Rückversicherung, dass die wahrhaftig
alten Werte noch nicht verloren sind. Tradition
verspricht Halt im spekulativen Morgen. Die
Suche nach Tradition wird zum Trend.
Wir beobachten, wie technologische und
modische Konsumgüter weiterhin auf emotionale Zeitinseln bauen. Das Stilflirren der
Retro-Trends scheint signifikant für unsere
Ära zu werden, die Gefahr läuft, ihre
Neuheiten und Innovationen in immer älter
anmutende Verpackungen zu hüllen. Im
Mode- und Interieurbereich werden dekadenweise die euphorischen Lebensgefühle
der Vergangenheit durchdekliniert. Im Nahrungsmittel-Sektor stimulieren nach wie vor
Perfect-Past-Erinnerungen an eine glückliche
Kindheit, und dem Automobilbereich sollen
legendäre Höchstleistungen und traditionelle
Kühlerformen wieder zu neuem Glanz verhelfen. Überall dort, wo es um Selbstverwöhnung
und Luxus geht, wird Retrodesign als Wundermittel eingesetzt.
Die 2. stilwerk Trendstudie spiegelt in ihren
vier neuen Trends allesamt die Sehnsucht
nach Orientierung und Verbindlichkeit.
Alle Trends haben daher eine starke Verankerung in der Historie. Die Zeitinseln reichen
zurück bis ins feierliche Barock. Zwar werden
auch Zukunftsperspektiven formuliert –
doch jedes Mal entstammen die Visionen
vergangenen Epochen: Klassisch-modern,
futuristisch-fiktiv oder romantisch-verträumt.
2. stilwerk Trendstudie 011
Lustvolle Opulenz
012 2. stilwerk Trendstudie
Neo-Barock:
Prunkvoll
veredeln
2. stilwerk Trendstudie 013
Lustvolle Opulenz
Üppig. Elegische Damen mit ondulierten
Haaren gehören zur Welt des Neo-Barock.
Dazu eine Kulisse, die die Selbstinszenierung
unterstreicht, wie die samtigen Vorhänge
in Bordeauxrot und der einladende Sessel
„Fjord“ von Moroso
014 2. stilwerk Trendstudie
Schwer. Kronleuchter wie z. B. von Baccarat (li.)
und opulente Tapeten von Marburg (re.)
verströmen barockes Flair
Neo-Barock:
Lustvolle Opulenz
Die Lust auf Prunk ist zurückgekehrt:
Viele Interieurs, Stoffe und Accessoires zeigen
derzeit eine satte Opulenz wie sie im Barock
sichtbar wurde, als der Adel sich selbst feierte.
400 Jahre später adelt sich das Bürgertum mit
barocken Formzitaten, bewegten plastischen
Motiven und üppigen Volumina. Der Blick
hinter die Kulissen zeigt in einer ungewissen
Zeit die Sehnsucht nach altem Reichtum,
Unbekümmertheit und Savoir-vivre.
Im Barock erreichte die Profanbaukunst unter
dem Adel in baulicher Quantität und Qualität
erstmals das künstlerische Niveau der Sakralbaukunst. Die feierliche Opulenz – bislang
höheren Mächten vorbehalten – wird zu einem
weltlichen Zeugnis der menschlichen Schöpfungskraft, der Profanbau zum bewegenden
Gesamtkunstwerk. Auch der Neo-BarockAnhänger strebt nach einer erhabeneren
und feierlicheren Ausdruckskraft. Auch ihm
erscheint die gegenwärtige Architektur zu
profan. Und so zeigt sich derzeit eine ernsthafte Architekturrichtung, die eindeutig auf die
Vorzüge des Feudalbaus verweist: Herrschaft-
liche Eingangssituationen, Säulenportale und
aufwändige Vertäfelungen entsprechen dem
Repräsentationswunsch des Bauherrn.
Der Neo-Barock nährt sich aus der Sehnsucht, die traditionellen Handwerkskünste als
Kulturgut lebendig zu halten.
Die Modebranche macht es vor. Hier reiben
sich angestaubte Luxusmarken den Schlaf
aus den Augen und besinnen sich mit einer
neuen Generation von Designern wieder
auf ihre alten Kunstfertigkeiten als Ausdruck
höchster Individualität.
Eine Entwicklung, an der die Industrie teilzuhaben versucht. In der Möbelbranche gab es
für eine gewisse Klientel schon immer den
Neo-Barock. Neu aber ist, dass Pionierfirmen
des Industrial Design plötzlich dem Rausch
der Vergangenheit erliegen. Zeitgenössische
Designer interpretieren Kronleuchter und
fördern dabei eine ungewöhnliche Opulenz
zu Tage. Industrielle Hersteller betonen ihre
handwerkliche Kunstfertigkeit bei finalen
Produktionsschritten, um einer immer preisbewussteren Kundschaft den Mehrwert vor
Augen zu führen.
2. stilwerk Trendstudie 015
Lustvolle Opulenz
Prunk
und Genuss
in Gold
Savoir-vivre. Das Verlangen zu schmücken und aufzuwerten drückt sich im Wohnbereich durch verspielte Schnörkeleien und Säulen aus
Nicht Stil, sondern Styling
Das Leichte, Mobile und Nomadenhafte, das
im Sinne des Optionismus (1. stilwerk Trendstudie) der Forderung nach mehr Flexibilität
nachkommt, wird im Neo-Barock ausgeblendet. Wirtschaftliche Ängste werden überstrahlt
von Glanzleistungen aus der Geschichte und
Verweisen auf die Geschichte.
Anders als zu Zeiten des Historismus werden
die Stilepochen nicht mehr vom Bildungsbürgertum studiert und imitiert, sondern als
ein stilistischer Fundus begriffen, aus dem
ausgewählt und arrangiert wird. Ziel ist eine
möglichst individuelle und originelle Zusammenstellung der Schätze und Preziosen. Hier
wird in barockem Sinne vermehrt dick aufgetragen: was Glamour und Stilmix betrifft, aber
auch, was die Volumina angeht. Der Trend
des Super-Sizing aus der amerikanischen
Autoindustrie hat längst die Küchenbranche
erreicht. Raumgreifende Einbauten und unverrückbare Arbeitsblöcke dienen nicht nur dem
Prestige, sondern stehen auch für Sicherheit.
016 2. stilwerk Trendstudie
Es gilt, Unumstößlichkeit und Feierlichkeit zu
demonstrieren – vor sich selbst und anderen.
Ähnlich wie die Barockmalerei, die tiefen
menschlichen Emotionen zu einer Gesamtaussage höchster Dramaturgie verdichtete,
geht es beim Neo-Barock ebenfalls darum,
beim Gast ein Bild zu hinterlassen, das stark
beeindruckt und den Hausherrn als Protagonisten inszeniert.
Der Trend ist keineswegs nur eine Stilwelt für
Reiche und Konservative, sondern ebenso
eine Traumwelt für die „arme Mitte“, die den
wirtschaftlichen Druck spürt. Unabhängig vom
Inhalt des Portemonnaies wächst das Verlangen sich zu schmücken, sich aufzuwerten.
Der Grund liegt in den ausbleibenden persönlichen Erfolgen, weil immer mehr Leistungen
von vielen Beteiligten erbracht werden. Umso
stärker wächst das Bedürfnis, als Gewinner zu
gelten. Statussymbole als Ersatzbefriedigung
fallen expressiver aus, denn sie sind nicht nur
Aushängeschild, sondern auch Ego-Prothese.
k
s
d
Verschnörkelt.
Prunkvolles Gold und
Vintage-Zierelemente feiern die
Wiederkehr klassischer Motive
2. stilwerk Trendstudie 017
018 2. stilwerk Trendstudie
Lustvolle Opulenz
Woran Sie den Trend erkennen:
Stil-Facts Neo-Barock
Wiederkehr von Opulenz und feierlichklassischen Motiven
Wertschätzung des Kunst- und Handwerks als
lebendige Kulturgüter
Eklektizistische historisierende Interpretation
mit Abstechern in die barocke Empire- und RokokoZeit sowie die zeitlich benachbarte Renaissance und
den Klassizismus
Neuzeitliche Interpretation: pompöse Volumina,
Möbel, die architekturgleich den Raum bestimmen
Bewegter Formenreichtum und häufiger Gebrauch
von plastischen Zierelementen
Üppigkeit und Prunk: Quaddeln, Troddeln, Fransen
Dramaturgischer Gebrauch des Lichts, starke
Hell-/Dunkel-Kontraste
Dunkle, schwere Farbtöne: Violett, Bordeaux,
warme Holztöne; dazu Gold und Crème als Kontrast
01 Verworren. Die Hängeleuchte
„Crystal Waters“ von Brand en van
Egmond beweist Mut zum Detail
01
02
03
02 Historisch. Eine Neuheit aus
dem Hause ligne roset: „5 Years“ ist
eine majestätische Hängeleuchte,
deren Form vom Barock inspiriert ist
03 Verspielt. Für seinen Heizkörper
im Schnörkel-Look erhielt Joris
Laarmann einen Nachwuchspreis
auf der Kölner Möbelmesse 2004
04 Erleuchtet. Kartell setzt mit
„Bourgie“ auf ein pompöses Äußeres
05 Musterhaft. Opulenz und Prunk
bestimmen auch das Interieur
der Lounge im Helsinki Club
04
05
2. stilwerk Trendstudie 019
Digitale Verzauberung
020 2. stilwerk Trendstudie
High-TechJugendstil:
Digitaler
Zauber
2. stilwerk Trendstudie 021
Digitale Verzauberung
High-Tech-Jugendstil:
Digitale Verzauberung
Organisch. Im Frankfurter Cocoon Club umrahmt eine
schwammähnliche Membranwand die Tanzfläche (li.).
Die Leuchten „Venus“ von FOC (re.) entstehen im
Rapid-Prototyping-Verfahren
Der High-Tech-Jugendstil beschreibt einen
de, wird der High-Tech-Jugendstil eindeutig
Wechsel in der gegenwärtigen Designästhetik.
vom Verlangen nach nicht industriell erschei-
Es geht weg vom uniformen Industrial-Look
nenden Formen getrieben – die aber para-
hin zu einem romantisch-ornamentalen Stil,
doxerweise überwiegend computergestützt
der dekorative Schönheit wieder als Wert
hergestellt werden. Laserschnitte, CNC- oder
begreift. Der industrielle Siegeszug der
Rapid-Prototyping-Verfahren ermöglichen die
Moderne, das allgegenwärtige Überangebot
„Just for me“-Verzauberung. Sie machen das
und die voranschreitende Globalisierung
Ornament für den Massenmarkt endlich
führen zum Industrial-Design-Überdruss. Die
bezahlbar – und liefern damit die Grundlage
Bedenken in puncto formaler Monotonie und
für eine länger andauernde Trendentwicklung.
einer alles überrollenden Gleichmacherei
Der High-Tech-Jugendstil steht als formaler
sind dieselben wie im 19. Jahrhundert vor der
Gegentrend zum reduzierten Industrial Chic,
Industrialisierung.
legitimiert als gleichwertig durch seine digitale
Während im Jugendstil aus Angst vor einem
Reproduzierbarkeit. Die Zeiten, in denen das
Rückfall in den Historismus immerhin der Ver-
„Ornament ein Verbrechen“ (Adolf Loos) und
such einer Koordination von industrieller und
die „gute Form“ (Ulmer Schule) rein funktional
handwerklicher Produktion unternommen wur-
und pragmatisch war, sind vorbei.
022 2. stilwerk Trendstudie
Tierisch. Märchenhafte Dekorationen
setzen einen Gegentrend zum Purismus
der 90er-Jahre. Schaukelstuhl: Gebrüder
Thonet Vienna
2. stilwerk Trendstudie 023
High-Tech
& NonIndustrialOptik
Magische Schönheit
Die Forderung nach der großen Verschmelzung
zum Mystischen, Überirdischen und Esoteri-
von „Kunst und Leben“ und die Wiedereinbe-
schen setzt sich fort in dem heutigen Streben,
ziehung der dekorativen Schönheit in das All-
dem rational geprägten Alltag mehr Metaphysik
tägliche beschreiben die Gemeinsamkeiten des
und Magie zu verleihen.
historischen und des High-Tech-Jugendstils.
Die Verleihung dekorativer Schönheit ist wieder
Dekorierte Welt
das oberste Ziel.
Während Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa
Als Gegenreaktion auf den bildungsbürger-
japanische Kunst entdeckt, importiert und
lichen Historismus und als Antwort auf die
interpretiert wird, sind es nach dem Zen-Puris-
einsetzende Industrialisierung begann um 1890
mus der 1990er eher klischeehafte chinesische
eine intensive Suche nach neuen dekorativen
Motive und leuchtender Elektrokitsch, welche
Gestaltungsmöglichkeiten, die Architektur,
die Dekorationslust in Europa anheizen.
Interieur, Kunstgewerbe und Kunst verbinden
Dagegen ist die Motivwelt des High-Tech-
sollten. Ähnlich der Secessionisten-Losung:
Jugendstils heute überregional angelehnt. Sie
„Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit!“
bedient sich regionaler Muster, historischer
suchen wir heute nach Synergien, die zu einer
Vorlagen oder versucht eine moderne Interpre-
neuen Vision führen könnten. Komplexität wird
tation. Die damaligen Jugendstil-Architekten
als Chance begriffen: „Aus Wissenschaft wird
glaubten, dass ein ästhetisch-harmonisches
Kunst, Technik bedeutet Kultur, und Design
Gesamtkunstwerk eine positive Wirkung auf
driftet in das Reich des Magischen“, hofft Martin
den Menschen habe. Eine Hoffnung, die auch
Raymond, Chefredakteur des Viewpoint
heute noch aktuell ist: Dekoration impliziert
Magazine. Hinter dem Wiedereinzug des
Hingabe, Phantasiemotive entführen in eine
Dekorativen verbirgt sich der intensive Wunsch
Traumwelt, opulente Schönheit wirkt wie Bal-
nach Verzauberung. Die Jugendstil-Sehnsucht
sam für die Seele.
024 2. stilwerk Trendstudie
01
01 Technologisch.
Im Rapid-Prototyping-Verfahren
werden die Leuchten von
Gabriel & Evenhuis gefertigt
02 Herzlich. Einen Hang zur
Romantik zeigt der High-TechJugendstil – wie beim
Sessel „Prince“ von Hay
03 Pflanzlich. Die Gebrüder
Bouroullec schufen für Vitra das
modulare System „Algue“,
das bis auf Raumteilerformat
zusammengesteckt werden kann
04 Gebogen. Neue Laserschnittund Biegeverfahren ermöglichen
die extrem flexiblen Schnittformen der
„Breeding Table“ von Kram/Weisshaar
05 Strahlend. Die Ornamente auf den
Zanotta-Tischen sind phosphoreszierend
02
03
04
Woran Sie den Trend erkennen:
Stil-Facts High-Tech-Jugendstil
Wiederkehr von üppiger Dekoration und freier
Ornamentik als Ausdruck eines romantischen,
märchenhaften und individuellen Lifestyles
Gegentrend zum 90er-Jahre-Purismus.
Erhält ästhetischen Reiz durch die Non-IndustrialOptik, die allerdings meist mittels computerunterstützter Fertigung industriell hergestellt
werden konnte
Gefeierte Komplexität und dekorativer Formen-
05
reichtum als bedruckte Oberfläche, mehrlagiger
Schichtaufbau oder als 3-D-Netzstruktur
Romantisch-dekorative Motive, überwiegend
floral-abstrakt bis hin zu biomorphen
Schaumformen
Die geometrische Ornamentik löst sich meist auf
zu freien Mustern und Linien. Vielfach haptisch
oder optisch dreidimensional herausgearbeitet,
können ihre dekorativen Anlehnungen an die „Arts
& Crafts“-Bewegung bis zur digital-ästhetischen
Interpretation reichen
2. stilwerk Trendstudie 025
Langzeit-Moderne
026 2. stilwerk Trendstudie
Modern
Dream:
Gut gepolstert
in die
Zukunft
2. stilwerk Trendstudie 027
028 2. stilwerk Trendstudie
Langzeit-Moderne
Modern Dream:
Comeback
der Visionen
01
01
02
01 Umgedacht. Heute loungen
wie in alten Zeiten: mit den
Sesseln „Bob“ von Walter Knoll
02 Flexibel. Die Stellwände
„Metropolitan“ von 2Dhoch3 ermöglichen eine variable Raumteilung
So lange uns die Bilder zur „neuen Zukunft“
fehlen, begnügen wir uns mit den alten
Visionen. Im Trend des Modern Dream ist
der gemeinsame Nenner die Verheißung von
der machbaren Zukunft. Gelähmt von der
durchlebten oder einfach weil es gilt, dem
Stagnation des Strukturwandels, verkörpert
Convenience-Gedanken gerecht zu werden.
der Traum von der Moderne eine Zukunft, die
Der Blick auf den Massenmarkt zeigt: Das
irgendwie bekannt und trotzdem progressiv
Erbe der Klassischen Moderne und des
daherkommt.
Rationalismus ist gefälliger, die emotionalen
Visionen der 70er wesentlich bereinigter –
Auch wenn es designgeschichtlich recht
und damit allgemeingültiger geworden.
unorthodox klingt: Im Modern Dream sind alle
Zum funktionalen Anspruch der Ulmer Schule
Designströmungen des 20. Jahrhunderts
und den Science-Fiction-Welten der 70er
vereint, deren Ziel es war, die Gesellschaft
kommt heute der gelernte Konsens, dass es
durch eine neue Gestaltung zu verbessern.
sich hier um das „moderne Design“ handelt.
Vor allem betrifft das die Bauhaus-Ära der
Allen gemein ist ein aufgeklärter und sachli-
Klassischen Moderne sowie den 1960er-Jahre
cher Blick nach vorn. Es geht um fühlbare
Rationalismus und die Science-Fiction der
Progressivität in einer Zeit, die von Stagnation
1970er-Jahre. Stilistisch in ihrer historischen
und Rückblicken gezeichnet ist. Vielfach
Erscheinung recht unterschiedlich, bemerken
handelt es sich beim Kauf dieser Möbel um
wir bei der heutigen Interpretation – und
einen nachgeholten Jugendluxus. Die
darauf liegt das Augenmerk – eine Annähe-
Visionen, die damals zwar intellektuell geteilt,
rung der Epochen. Sei es, weil viele der
aber als Objekt finanziell unerschwinglich
heutigen Designer die puristischen 90er-Jahre
waren, werden jetzt nachgelebt: aufgefrischt
2. stilwerk Trendstudie 029
Gefällig:
Bauhaus mit
70er-Schick
Altbewährt. Der „Schwan“ von
Arne Jacobsen findet auch im heutigen
Wohnraum seinen aktuellen Standort
030 2. stilwerk Trendstudie
Langzeit-Moderne
Woran Sie den Trend erkennen:
Stil-Facts Modern Dream
Von Bauhaus bis Science-Fiction
Rationales Industriedesign: Bauhaus,
Ulmer Schule und ihre Ableger
Modische Retro-Zitate der 60er und 70er
Alle neuen organischen Polstersessel in
Anlehnung an die Schaum-Ära der 60er und 70er
Möbel der Simplicity- und OptionismusTrendwelt aus der 1. stilwerk-Studie
Variabilität im Gebrauch und bei der
Raumteilung
01
Selbsterklärende Funktionalität und
integrierte Technik
Edelstahl- und Aluminiumsysteme vom
spröden Industrial Chic über modernes
skandinavisches Design bis zum gefälligen
90er-Purismus
Formale und funktionale Zeitlosigkeit
01 Hochgestapelt.
„Programma 8“ ist die überarbeitete Neuauflage des
modularen Haushaltssystems von
Alessi aus den 70er-Jahren
02
02 Clean. Edelstahl- und
Aluminium-Oberflächen stehen
beim Küchensystem „b3“
von bulthaup zur Auswahl
und doch vertraut. Die Distanz zum Stil der
den wir derzeit sehen. Doch das Wörtchen
Moderne, der unlängst noch als Avantgarde
„Dream“ verrät, dass dem nicht so ist. Modern
bezeichnet wurde, ist gefallen wie das Dogma
Dream verrät gleichzeitig, dass wir derzeit
der guten Form. Akzeptiert als die „moderne
nichts sehnlicher wünschen als ein Bild von
Moderne“, leistet das Design heute Aufbau-
der modernen Zukunft. Die sichere Kontin-
arbeit in den Köpfen. Es stellt sich den neuen
genz, dass so tatsächlich die Moderne
Forderungen nach Flexibilität und Klarheit.
aussieht – und aussehen wird –, erfolgt durch
Es möchte Einfachheit in Form und Funktion.
gelernte und gegenseitige Rückversicherung.
Der Stil ist international und damit global
Seit der Bauhaus-Ära behauptet sich die
einsetzbar, und die Anwendung industrieller
Moderne immer wieder neu. Sie scheint den
Fertigungsprozesse ermöglicht die Massen-
anderen Stilen immer voraus und dennoch
herstellung.
zeitlos zu sein. Und mit genau dieser Verhei-
Modern Dream reagiert damit auf die Anforde-
ßung wächst ihre Anhängerschaft und träumt
rungen der Neuzeit und könnte damit der
den gemeinsamen Traum von der
einzige nicht eskapistische Trend sein,
modernen Zukunft.
2. stilwerk Trendstudie 031
Verklärter Glanz
032 2. stilwerk Trendstudie
BiedermeierGlam:
Deko
fürs Ego
2. stilwerk Trendstudie 033
Verklärter Glanz
Biedermeier-Glam:
Verklärter Glanz
Süß. Zuckerguss für den Teesalon. Überspitzte
Einzelanfertigungen von MaLiLian mit Abstechern
in die chinesische Motivwelt und die 50er-Jahre:
Es lebe die bürgerliche Salonkultur!
Wir erleben einen Show-off kleinbürgerlicher
wir heute den wirtschaftlichen Strukturwandel,
Moralvorstellungen. Der Nährboden dazu ist
den unsicheren Arbeitsmarkt, eine mangelhaft
bereitet: Die Arbeitslosenzahlen erreichten
erscheinende Bildungspolitik und den fort-
2005 mit Überschreiten der 5-Millionen-
schreitenden Verlust familiärer Bindungen als
Grenze den höchsten Stand seit der Weimarer
Triebkräfte. Wenn persönliches Engagement –
Republik. 75 Prozent der Deutschen sind
politisch, ökonomisch oder sozial – als zu
politisch desinteressiert und desillusioniert,
anstrengend oder wenig aussichtsreich emp-
stellte Emnid 2004 fest. Die Scheidungsrate
funden wird, lässt sich der Rückfall in die bür-
kletterte im bundesweiten Durchschnitt auf 55
gerliche Idylle und Gemütlichkeit beobachten,
Prozent aller Ehen. Den gefühlten Werteverfall
den wir heute wieder aufblühen sehen: die
thematisieren gleichermaßen voyeuristische
Mentalität des Biedermeier.
wie moralisierende Beiträge in den Massenmedien. Ein neuer Konservatismus mahnt die
Vollglück in der Beschränkung
alten Werte wieder ein. Immer mehr Bürger
Damals wie heute geht es um das Bemühen,
und Medienprominente ziehen die Reißleine
das Glück im Kleinen zu finden – und sich
und fordern wieder mehr Redlichkeit, Verläss-
dazu notfalls in eine künstliche Traumwelt
lichkeit und Standfestigkeit.
zu entrücken. Mit „Vollglück in der Beschränkung“ betitelte der Dichter Jean Paul den
Unlösbares großes Ganzes
eingeschränkten Blickwinkel des Biedermeier-
Waren es 1815 bis 1848 die Erschöpfung von
Bürgers und auch Goethes Sekretär Johann
den napoleonischen Kriegen und eine repres-
Peter Eckermann beobachtete „die reine
sive Polizeistaat-Politik, die den Bürger in sei-
Wirklichkeit im Lichte milder Verklärung“. Die
ne „heimliche“ Geborgenheit drängten, sehen
alte Privacy-Sehnsucht nach Rückzug und
034 2. stilwerk Trendstudie
Angelehnt. Die opulente Polsterung des
Sessels „Feltri“ von Cassina ist eine Oase
des (Glam-biedermeierlichen) Komforts
2. stilwerk Trendstudie 035
HollywoodZuckerguss
für zu
Hause
Geborgenheit konzentriert sich auf die häusli-
der Hotellerie – mit den kleinen, aber feinen
che Begrenzung und ist im Biedermeier-Glam
Boutique-Hotels und im Handel mit Shops
eine Besinnung auf alte Wertvorstellungen
als scheinbare Privat-Appartements oder
und glamouröse Vorbilder.
verrüschte Boudoir-Separees.
Neue alte Salonkultur
Weichzeichner mit Schimmer
Die Wohnung als der wichtigste Bereich der
Das Beiwort „Glam“ (von Glamour) bezeugt,
Biedermeierkultur erfährt immense Bedeu-
dass es nicht um den biedermeierlichen As-
tung. Hier wird das Werteset des Bürgers
pekt der Bescheidenheit, sondern primär um
inszeniert. Kulturimporte sind die damals
Selbstverwöhnung geht. So hat auch IKEA
üblichen Lese- und Liederabende sowie privat
sich von seinem spröden skandinavischen
veranstaltete Salons. Alles Häusliche, was bis
Charme verabschiedet und setzt neuerdings
dato als omahaft oder spießbürgerlich galt,
auf Zierrat und Dekor. Unterschwellig verän-
wird zum gefeierten Symbol: Geerbte Tisch-
dern auch lieblich-verkitschte Dekorationen
wäsche und bestickte Kissen zelebrieren Fa-
aus Fernseh-Soaps oder Telenovelas unser
milienglück, Tischkultur und Heimatgefühl. Die
Wohn- und Wohlgefühl. Romantik als Weich-
typischen geblümten und gestreiften Stoffe
zeichner, gepaart mit gewinnendem Glamour,
und Tapeten fallen neu interpretiert ins Auge
erfüllt heute die Intention des Biedermeier-
und eröffnen der Dekorationslust willkommene
Glam. Glänzende Bezugsstoffe, Lack- und
Optionen. Das Nest wird als intimes Gesamt-
Kristallapplikationen veredeln die Inszenie-
kunstwerk ausgepolstert.
rung. Im Biedermeier-Glam liegt die Betonung
Ein Trend übrigens, der nicht nur die Privat-
auf dem Schmücken und Überhöhen der eige-
räume erfasst hat. Längst beobachten wir eine
nen Wohnkultur – und damit des persönlichen
demonstrativ-individualisierte Wohnlichkeit in
Glücks.
036 2. stilwerk Trendstudie
Verklärter Glanz
Woran Sie den Trend erkennen:
Stil-Facts Biedermeier-Glam
01
Oase der Gemütlichkeit, inszeniert mit Hollywood-Zuckerguss
Kissenopulenz, Plüschkulisse als Gesamtkunstwerk
Liebliche Blumen- und Streifenmuster
Vereinzelte Abstecher in die chinesische Motivwelt
Pudrige, pastellige Farben mit schimmernden Akzenten
Comeback der Tapeten, Stores und Vorhänge
Neue Wertschätzung der Häuslichkeit und
Handarbeit (bestickte Tischwäsche, Deckchen, Bettleinen)
02
Trendhölzer: Nussbaum und deutsche Obstbäume
Ruf nach Konvention und Etikette
Neu gepflegte bildungsbürgerliche Salonkultur
Edellook fürs Heim: glänzende Bezugsstoffe,
Lackarbeiten und Kristall-Accessoires
03
01 Trutschig. Das Comeback
der Handwerkskunst: „Glady’s
Chandelier“ von BSweden bringt
Häkeloptik in die gute Stube
02 Verkleidet. Rückzug ins Heim:
Vorhänge (Nya Nordiska) mit glänzenden
Details gehören zur neuen Kulisse
03 Bürgerlich. Driade setzt mit
Untersetzern in pastelligen Farben
auf eine neue Häuslichkeit
04 Historisch. Die Designerin Hella
Jongerius hat für Nymphenburg
historische florale und figürliche Motive
in einen neuen Kontext gestellt
05/06 Dekoriert. Ob schimmernde
Kissenbezüge von Zimmer + Rohde oder
gestreifte Vorhänge von Nya Nordiska:
Die Lust am Schmücken ist zurück
05
04
06
2. stilwerk Trendstudie 037
Nachwort
Outlook
N
n
n
Sehnsüchtig. Die „Just for me“-Verzauberung gefällt:
Der „Sinterchair“ von Vogt + Weizenegger (li.) wird im
Rapid-Prototyping-Verfahren hergestellt. Bunte Vasen von
Driade entsprechen dem Wunsch nach Heimeligkeit (re.)
Das Neue muss nicht neu sein
Auffällig ist ein Rückfall in goldene Zeiten.
Hintergrund aller Trends ist die Sehnsucht
nach einer neuen Bürgerlichkeit als gesellschaftliche Rückversicherung und stilistische
Geschmackssicherheit. Warum?
Konsumenten, die vom Überangebot über
fordert sind, entscheiden sich für bekannte
Motive und vertraute Gefühle.
Eine immer älter werdende Gesellschaft wird
Besitz sichern, anstatt Neues zu riskieren.
Eine Marktwirtschaft, die immer schneller
Erfolge vorweisen muss, kann nicht
warten, bis der Konsument sich an das
Neue gewöhnt hat.
Einer Mediengesellschaft, der Bilder alles
bedeuten, fehlt die Vorstellungskraft für
das Abstrakte.
038 2. stilwerk Trendstudie
Technologisch ist inzwischen fast alles möglich. Doch wir bremsen uns selbst aus. Wie
lange drehen wir uns in der Retro-Schleife
und für welche kulturelle Entwicklung wird
unsere Epoche rückblickend stehen? Die
Gewissheit einer linearen Entwicklung der
Zukunft erweist sich als Utopie. Wichtiger
ist uns derzeit die Imitation vergangener
Lebensgefühle. Ein ähnlicher Rückfall zeigte
sich Ende des vorletzten Jahrhunderts. Der
Historismus war das letzte Aufbegehren
gegen die neue Epoche der Industrialisierung. Demnach hätte unser neues Zeitalter
längst begonnen …
Intro stilwerk-Talk
Der Handel vor neuen Aufgaben
Neue Vertriebssysteme,
neue Erlebniswelten,
neue Konsumenten
Zur Kölner Möbelmesse im Januar 2005 lud
das stilwerk zu einer Diskussionsrunde über
die Zukunft des Möbelhandels. Es galt, neue
Wege im Möbelabsatz zu definieren – und
eine Prognose zu wagen, ob die bisher üblichen Wege vielleicht schon die alten sind.
Siegeszug des E-Business
Das Electronic Business veränderte bereits
ein Drittel der Gesamtwirtschaft. Die Branchen
Finanzservices, Reisen, Computer, Musik,
Foto und mehr und mehr auch der Handel
funktionieren nach neuen Gesetzmäßigkeiten.
eBay ist längst ernst zu nehmender Handelskonkurrent. Im virtuellen Raum tobt das
Leben, im Einzelhandel wünschte man sich
mehr davon.
Important Products) von namhaften Designern
zu erschwinglichen Preisen.
Der direkte Draht zum Konsumenten
Eingeschlagen wie eine Bombe haben im
Handel die vertikalen Vertriebssysteme. Hier
zeigen Modehändler wie Zara, was Logistik im
21. Jahrhundert bedeutet: Was gestern noch
an Trends auf dem Laufsteg zu sehen war,
kann schon 11 Tage später im Laden hängen.
Was gerade als Bestseller von der Scannerkasse erfasst ist, wird zeitgleich neu geordert.
Wer sich dagegen das Original leistet, möchte
statt langer Lieferzeiten lieber den Mehrwert
spüren. Es gilt, Begehrlichkeiten aufzubauen.
Emotionales Involvement
Der Einzelhandel generell leidet unter einem
Überhang an Verkaufsfläche von 30 bis
40 Prozent. Während Frankreich auf 0,7 und
Großbritannien auf 0,85 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner kommen, kann
jeder Deutsche auf 1,4 Quadratmetern das
Angebot vergleichen. Das Problem dabei:
Er kauft nicht mehr. Warum?
Wenn es nicht E-Business ist und auch nicht
der Discount-Markt, darf es ruhig ein bisschen
mehr an Inszenierung und emotionalem Involvement sein. Erfolgreiche Retail-Konzepte wie
Anthropologie in den USA kombinieren ausgefallene Mode, Möbel und Accessoires. Statt
in Werbung wird hier in das Einkaufserlebnis
für gut verdienende, 30- bis 45-jährige Frauen
investiert. Mit dem Ergebnis, dass diese
1,15 Stunden als ihre durchschnittliche
Einkaufsdauer angeben.
Mehr Design für weniger Geld
Stark oder sexy
Die Mehrheit hat weniger Geld zur Verfügung.
Das aktuelle Konsumverhalten ist Ausdruck
des Wertewandels in der Gesellschaft. Nicht
Geiz treibt die Menschen zum Discounter,
sondern der Ehrgeiz, möglichst effizient mit
der Ressource Geld umzugehen. Die Parole
des mündigen Mittelschicht-Verbrauchers
lautet: Fordere mehr für weniger! Weniger
Geld beim Konsumenten bedeutet keinen
Verzicht auf Design – im Gegenteil: Was
Karl Lagerfeld bei H&M bewirkte, erlebte die
IKEA-Schwester habitat mit ihren V.I.P.s (Very
Management-Berater Kjell Nordström sieht
zwei Überlebensstrategien in der Wirtschaft
von morgen: „survival of the fittest“ oder „survival of the sexiest“. Entweder man ist der
Stärkste und bietet die tiefsten Preise, oder
man ist sexy und damit unvergleichbar.
Gestiegene Flächen,
gefallene Umsätze
Die Talk-Runde kam auf interessante
Lösungsansätze, lesen Sie selbst!
Ihr Trendbüro
2. stilwerk Trendstudie 039
stilwerk-Talk
Expertengespräch zur
2. stilwerk Trendstudie
Einrichtung & Lifestyle
zwischen Outlet und
Internet – wohin steuert der
Einrichtungsfachhandel?
stilwerk-Talk. Was bringt die Zukunft? Auf der
imm cologne 2005 diskutierte eine hochkarätig
besetzte Expertenrunde über die neuen Herausforderungen der Branche
Auf der diesjährigen internationalen Möbelmesse in Köln, der imm cologne 2005,
hatte stilwerk namhafte Personen aus der
Möbelszene zu einem Expertengespräch
eingeladen: Hersteller und Einzelhändler,
Internetanbieter und Katalogverkäufer sprachen miteinander über die Trends im Einrichtungsfachhandel und stellten ihre Sicht der
Zukunft für ihre Branche dar. Moderiert wurde
das Gespräch von Andrej Kupetz, Geschäftsführer des Rats für Formgebung. Teilnehmer
der Gesprächsrunde waren Birgit Gebhardt
(Trendbüro), Dr. Stephanie Gerdes (eBay),
Oliver Holy (ClassiCon), Leo Lübke (COR
+ interlübke), Tobias Grau (Tobias Grau),
Hubertus Flötotto (Flötotto), Theo Lohmann
(DieEinrichter.home) und Alexander Raab
(stilwerk). Hier nun einige Auszüge aus dem
Gespräch:
Kupetz: Herzlich willkommen zu unserem
Experten-Gespräch zur 2. stilwerk Trendstudie. Vor zwei Jahren hat stilwerk eine erste
Trendstudie zum Thema Einrichtungstrends
durchgeführt. Im April dieses Jahres wird nun
die neue Studie vorgelegt, an der der Rat für
Formgebung mitwirken durfte. Neu an dieser
Studie sind auch die Fragen: „Wie trendy ist
der Handel, welche Trends bestimmen den
Möbelhandel?“ Ein Bestandteil dieser Studie
wird das Experten-Gespräch, der stilwerkTalk, sein, zu dem ich heute mit Fachleuten
aus den Bereichen Industrie, Handel, Einzelhandel und Internet sprechen möchte. Als
erstes bitte ich Birgit Gebhardt vom Trendbüro
Hamburg die Schwerpunkte der neuen Trendstudie kurz vorzustellen.
Gebhardt: Das große Interesse an der
ersten wie auch an der neuen Studie freut
uns sehr. Wir haben vor zwei Jahren die erste
Trendstudie für das stilwerk erstellt und dort
040 2. stilwerk Trendstudie
„Design
bleibt
wichtig“
vier Trends vorgestellt: Der erste Trend, den
wir „Privacy“ nannten, bezeichnete praktisch
den Rückzug ins eigene Zuhause, ins eigene
Nest, das Stichwort war „Nesting“. Innerhalb
des zweiten Trends, „Soziotainment“, ging
es darum, Gemeinsamkeiten und Gemeinschaft wieder zu fördern. Der dritte Trend hieß
„Simplicity“, behandelte das Sehnen nach der
neuen Einfachheit und dem Verständnis von
Leere als Luxus. Und der vierte Trend namens
„Optionismus“ war Anspielung auf eine Multioptionsgesellschaft mit vielen verschiedenen
Interessen und Anforderungen. Zentrales
Element dieses Trends waren flexible Möbel.
Vor die Aufgabe gestellt, eine zweite Trendstudie zu schreiben, haben wir festgestellt, dass
wir uns auch heute im Großen und Ganzen
denselben Anforderungen stellen müssen. Es
hat sich allerdings doch etwas geändert, und
das damit den Grund für eine zweite stilwerk
Trendstudie geliefert. Da wir uns wirtschaftlich
weiterhin in einer Stagnationsphase befinden,
sucht der Konsument mehr und mehr nach
eskapistischen Welten, speziell im Möbeldesign. Hierauf werden in der 2. stilwerk Trendstudie ganz klare neue Richtungen formuliert.
Hinter diesen neuen eskapistischen Stilwelten
liegt ein ganz rationaler Aspekt: Wenn bei uns
die Mittelschicht immer dünner wird, wenn die
Kluft zwischen Arm und Reich größer wird,
dann schauen wir auch immer stärker auf
Effizienz. Praktisch heißt das: Wir schauen
im Alltag stärker aufs Geld und sind dem
Discount zugeneigt, um uns auf der anderen
Seite nach wie vor persönlichen Luxus gönnen zu können.
Hier wird Design immer wichtiger werden –
ähnlich einer Marke, zu einer Ausweisqualität.
Es wird Werkzeug zur Selbstinszenierung
und Statussymbol für den Konsumenten. Und
wir werden nach wie vor versuchen, uns dies
leisten zu können. Das wird m. E. auch einen
erheblichen Einfluss auf die vorhandenen und
auf neue vertriebliche Möglichkeiten haben.
Kupetz: Herr Raab, Sie haben das Konzept
stilwerk vor zehn Jahren entwickelt. Hat es
sich – wenn Sie jetzt einmal zurückblicken –
bewährt? Und wie stellt es sich den Herausforderungen heute?
Raab: Ich bin überzeugt, dass die stilwerkIdee heute genau denselben Stellenwert in
der Branche hat wie noch vor zehn Jahren.
stilwerk ist eine Plattform, auf der sich alle
Anbieter bewegen können, die hochwertige
Produkte anbieten und hier in Kontakt mit
ihren Kunden kommen wollen. Dies betrifft
den traditionellen Einzelhandel, mittlerweile
jedoch auch Versender und Hersteller. Ich
glaube, dass wir auch in den nächsten Jahren
eine sehr gute Lösung im innerstädtischen
Bereich anbieten, um einen Kontakt mit dem
Kunden herzustellen.
Kupetz: Hat sich das Konzept von stilwerk in
den letzten zehn Jahren stark verändert?
Raab: Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir eine Plattform ausschließlich
für den traditionellen Einzelhändler darstellen.
Mittlerweile ist es so, dass bei einem Großteil
der Mietverträge bereits Einflüsse von Herstellern sichtbar werden, da der traditionelle
Einzelhandel ohne diese Unterstützung
zunehmend weniger konkurrenzfähig ist.
Kupetz: Herr Lohmann, Sie sind mit Ihrem
Geschäft im stilwerk vertreten als Anbieter von
sehr hochwertigen designorientierten Produkten. Wie sehen Sie heute die Situation?
Lohmann: Wir können von unserer Warte –
2. stilwerk Trendstudie 041
stilwerk-Talk
nach den fünf Jahren, die wir jetzt im stilwerk
Düsseldorf sind – grundsätzlich das bestätigen, was Herr Raab gesagt hat. stilwerk ist für
uns ein sehr gutes Dach. Dieser Verbund von
Anbietern zieht Menschen, die zielgerichtet
auf Möbelsuche sind, wesentlich besser an.
Kupetz: Herr Lübke, Sie haben vor einigen
Jahren begonnen, in den großen Städten
eigene „Milieus“ für Ihr Angebot zu schaffen.
Welchen Auslöser gab es für die Idee?
Lübke: Auslöser war, dass wir heute versuchen müssen, den Bekanntheitsgrad der
Marke über die vorhandenen Publikumsanzeigen hinaus noch zu erhöhen. Marken
müssen erlebbarer werden. Heute kann man
über Internet und Kataloge Produkte finden
und geht dann vielleicht in ein Einrichtungshaus und sieht das eine oder andere Modell
von uns – und Punkt. Wir haben uns gedacht,
dass es bestimmte Stellen geben muss, an
denen man die gesamte COR und interlübke
Kollektion auf einmal erleben kann. Dies hat
uns veranlasst, in fünf deutschen Metropolen
eine Art „Leuchttürme“ zu schaffen, in denen
wir die gesamte Einrichtung à la COR und
interlübke auf einmal zeigen können, denn
dank der Verbindung zu interlübke können wir
mit Polstermöbeln und Schränken, Regalen
und Betten schon den Hauptteil einer Gesamteinrichtung abdecken. Dieses Konzept
wird uns fast aus den Händen gerissen – viele
Anbieter, auch in kleineren Städten, interessieren sich dafür. Nur: Wir müssen in dieses
Konzept investieren – es ist ja nicht so, dass
ein Shop von alleine den hohen Anforderungen entspricht. Das steckt eine Menge Arbeit
drin. Wir müssen uns da ganz intensiv mit
unserer Markenphilosophie einbringen, denn
ein COR+interlübke Shop soll in München
ähnlich aussehen wie in Hamburg oder Köln.
042 2. stilwerk Trendstudie
„Zukunft
durch
Partnerschaften“
Das ist schon recht aufwändig, und wir haben
dafür auch Lehrgeld zahlen müssen. Allerdings haben wir unterm Strich viele wertvolle
Erfahrungen sammeln können.
Kupetz: Herr Holy, es heißt, der Handel existiere nicht mehr in seiner bekannten Form.
Wie gehen Sie nun vor?
Holy: Bei uns ist es so, dass wir nach wie vor
hauptsächlich noch beim Handel sind bzw.
uns immer wieder damit auseinandersetzen.
Wir gestalten dort die Ausstellungen, weil
unsere Händler diese Unterstützung brauchen. Über kurz oder lang werden auch wir
uns sicherlich auf wenige gute Händler als
Partner stützen. Das hat natürlich zur Folge,
dass immer mehr Händler auch wegfallen.
Uns bringt es nichts, wenn jemand nur eines
unserer Produkte zeigt. Wir haben Produkte,
die man sehen und fühlen muss und die erst
in ihrer Sortimentsbreite richtig wirken. Uns ist
es wichtig, dass es wenigstens einen Standort
pro Stadt gibt, in dem unsere wichtigsten Produkte gezeigt werden, an dem man auch an
unsere Produkte glaubt. Ich stelle immer wieder fest: Wenn jemand unsere Produkte liebt,
dann brauche ich ihm doch die Marke auch
gar nicht zu verkaufen – der macht das schon
im eigenen Interesse.
Kupetz: Frau Gerdes, eBay betreibt auch
Möbelhandel, und es gibt dort nicht mehr nur
gebrauchte Möbel, sondern auch neue. Können Sie das einmal schildern?
Gerdes: eBay vereinfacht das Einkaufsverhalten. Da kann man am Sonntag einfach mal
auf dem Marktplatz „eBay“ Einkaufen gehen,
und das Angebot deutschlandweit anwählen.
Hier findet man sowohl gebrauchte als auch
neue Sachen. Und zwar in einer Bandbreite,
t
h
“
01
die man in der Innenstadt erst mühsam suchen müsste – bei eBay kann man dies alles
ganz entspannt per Mouseclick finden. Das
ist auf der einen Seite sicherlich eine gewisse
Bequemlichkeit. Auf der anderen Seite kommt
bei eBay auch die Idee des Schnäppchenjagens dazu: Der Auktionsmechanismus
erlaubt es einem, auf ein gebrauchtes Stück
zu bieten und es weit unter seinem Wert zu
erwerben. Fazit: Bequemlichkeit, weniger Zeit,
starke Preisunterschiede und ein bisschen
Spaß am Internet – mitbieten, mitfiebern und
die Vielfalt dazu erleben, auch wenn man
nichts ersteigert.
02
Kupetz: Herr Flötotto, auch Sie sind ja im
Internet aktiv, das Thema „Online planen und
online bestellen“ gibt es schon seit einigen
Jahren bei Ihnen. Können Sie sagen, wie Sie
damit zufrieden sind?
Flötotto: Wir selbst haben seit vielen
Jahren verschiedene Vertriebswege, betreiben eine Multi-Channel-Strategie. Dabei ist
das Internet nur ein Weg. Seit etwa 30 Jahren
betreiben wir einen Katalog-Verkauf, der ähnlich wie das Internet ein Distanz-Kauf ist. Und
der Distanz-Kauf hat natürlich viele Vorteile,
z. B., dass ich mich am Sonntag hinsetzen
und in Ruhe das Angebot studieren kann. Auf
der anderen Seite hat er seine Schwierigkeiten, weil es eben nicht zum Anfassen ist, weil
die Haptik fehlt, und Möbel sind nun mal ein
Produkt der Haptik. Diese Schwächen, diese
Schwierigkeiten – und das sieht man ja auch
bei eBay – müssen überwunden werden durch
eine starke Markenbotschaft. Die Marke, das
Vertrauen in eine Marke und damit auch das
Vertrauen in die Produkte müssen einhergehen mit einem Distanz-Kauf. Dieses Vertrauen
über viele Jahre aufzubauen und zu halten,
das ist die Schwierigkeit und das ist auch das
03
01 Moderator. Andrej Kupetz, Rat für Formgebung
02 Traditions-Unternehmer. Hubertus Flötotto,
Gesellschafter Flötotto GmbH
03 Trend-Forscherin. Birgit Gebhardt, Beraterin des
Hamburger Trendbüros
2. stilwerk Trendstudie 043
„Marken
bürgen
für Erfolg“
01
02
01 Möbel-Fabrikant. Oliver Holy, Geschäftsführer
von ClassiCon
02 Licht-Experte. Tobias Grau, Geschäftsführer
der Tobias Grau GmbH
Kapital, was in unserer Marke steckt. Man
braucht dafür keinen ausgefallenen Namen
– es zeigen uns ja auch andere, dass es mit
„Müller“ auch geht, eine wirkliche Markenidentität mit Namen aufzubauen. Aber wir brauchen zusätzlich zu diesem Distanz-Kauf einen
Weg, um Neukunden zu generieren, und da
sehe ich das Problem: Wie schaffe ich bei
einem Neukunden Markenbekanntschaft und
Markenvertrauen? Hierfür brauchen wir auch
direkte Berührungspunkte. Und wir sind sehr
froh, dass wir mit dem stilwerk zusammen die
Möglichkeit haben, in eine MarkenbekanntenUmgebung aufgenommen zu werden und dort
unsere Marke und unsere Markenstärke zu
zeigen. Insofern fühlen wir uns in den zwei
stilwerken, in denen wir heute vertreten sind,
sehr wohl und in der richtigen Umgebung.
Kupetz: Herr Grau, wie sieht das bei Ihnen
aus? Wird es Tobias Grau auch demnächst im
Internet zu bestellen geben?
Grau: Wir haben bereits seit mehreren Jahren
einen E-Shop und sind anfangs damit auf sehr
starke Kritik gestoßen. Wir haben uns jetzt zu
einem ganz neuen Schritt entschieden. Die
E-Shops, die überall aus dem Boden geschossen sind, verkaufen ausschließlich über Preisdumping, der Preis und nur der Preis spielt die
entscheidende Rolle, sonst kann man übers
Internet nicht verkaufen. Da unser Verkauf zu
90 Prozent über den Einzelhandel geht und wir
auch die Zukunft im Facheinzelhandel sehen,
müssen wir den Einzelhandel extrem stärken.
Und das geht nur, indem der Preis nicht kaputt
gemacht wird. Dafür sind wir folgenden Schritt
gegangen: Wir haben unsere Kunden gebeten,
unsere Ware aus ihren eigenen E-Shops herauszunehmen und nur noch auf uns zu verweisen. Gleichzeitig haben wir unseren eigenen
E-Shop ausgebaut und dort eine Bezugsquellenliste angehängt. Dort werden alle Händler,
die diesen Weg mit uns gehen, aufgelistet. Man
044 2. stilwerk Trendstudie
stilwerk-Talk
kann bei uns in diesem Hersteller-E-Shop nur
kaufen, wenn man auch einen Fachhändler
angibt. Dieser Händler bekommt dann die Handelsspanne verprovisioniert. Das heißt, wir haben einen E-Shop gemacht und ihn dem Handel geschenkt. Das ist für uns Mehraufwand,
denn wir müssen den Shop machen und die
Waren selbst versenden. Aber damit stärken
wir diesen Handel, der darüber begeistert ist
und unsere Produkte auch gerne zeigt. Würde
er uns nicht zeigen, würden wir ihn wiederum
nicht in unserem E-Shop aufnehmen. Rechtlich
ist das nicht ganz unproblematisch, denn natürlich darf jeder unsere Ware im Internet anbieten. Wir können das niemandem verbieten, wir
können nur bitten – aber bisher haben wir eine
sehr treue Kundschaft.
Kupetz: Entscheidend ist also in jedem Fall
eine starke Markenpräsenz im Handel. Gibt es
aus Ihrer Sicht vielleicht auch die Überlegung,
dass Flagship Stores die Exzellenz der Marken
zeigen, aber es dort weniger um den Verkauf
geht?
Lübke: Sicherlich muss man bei Flagship
Stores mit anderen Deckungsbeiträgen rechnen als im normalen Handel. Wir brauchen
neben den COR+interlübke Shops strategische Partner, mit denen wir die Zusammenarbeit stetig verbessern und intensivieren
wollen. Entscheidend ist allerdings immer
die Begeisterung. Das ganze Konzept bringt
überhaupt nichts, wenn die Menschen davon
nicht überzeugt sind und nicht dazu stehen.
Es ist immer ein ständiges Überzeugen, ein
ständiges Motivieren. Sicherlich kann ein Verkäufer in einem COR+interlübke Shop nicht
so eben mal auf eine andere Marke ausweichen. Sein Angebotsspektrum ist begrenzt. Er
muss damit leben können, dass er bestimmte
Kunden nicht erreicht. Daher sehe ich in den
Metropolen die Mischung aus Mono-MarkenHaus einerseits und konventionellen Einrich-
tungshäusern andererseits als ideal an. Ich
glaube nach wie vor, dass ein gut geführtes
Einzelhandelsunternehmen mit motivierten
Mitarbeitern und guten Kollektionen auch in
Zukunft sehr erfolgreich sein wird.
Kupetz: Wir haben natürlich schon die Situation, dass der Einzelhandel in den letzten
Jahren dramatisch gestorben ist. Manchmal
schimpft die Industrie auf den Handel und der
Handel schimpft auf die Industrie, man kommt
einfach nicht zusammen. Was machen die
Beiden aus Sicht der Trendforschung falsch?
Gebhardt: Ich denke, dass das stilwerk im
Bereich Möbeldesign auf dem richtigen Weg
ist: Das Konzept wird sich öffnen, um sowohl
dem Handel als auch dem Hersteller eine
Plattform zu bieten. Wir denken allerdings,
dass durch das stärkere Preisbewusstsein der
Siegeszug des E-Business – wie er bereits
in Bereichen wie Reisen, Foto, Finanzdienstleistungen passiert – auch die Möbelbranche
verändern wird. Da wird sich der Einzelhandel
nicht zurücklehnen können. Es gibt Argumente, die lauten: „Die Bevölkerung wird immer
älter, bei älteren Leuten ist der Beratungsbedarf größer.“ Allerdings werden die Menschen,
die heute älter werden, schon mit dem Internet älter. Demnach ist dieses Argument auch
eher kurzfristig gedacht. Plattformen aber,
bei denen Showrooms zusammen kommen,
in denen sich wie in Hamburg rund um das
stilwerk immer mehr Möbelhäuser gruppieren,
sodass man aus einem breiten Möbelangebot
wählen kann, erleichtern den Konsumenten
das Einkaufen. Gleichzeitig wird auch der
Preisvergleich sehr wichtig sein und noch
wichtiger werden.
Die Aussage, „Design ist eine Art Ausweisqualität“, gilt dennoch. Wir arbeiten sehr stark
mit großen Marken zusammen und stellen fest,
dass dem Design mehr und mehr Achtung
geschenkt wird. Das Bewusstsein für Design
2. stilwerk Trendstudie 045
stilwerk-Talk
„Möbel-Outlets
sind im Kommen“
ist sehr, sehr stark geworden – das hat sogar
Marketing-Experten überrascht. Wir denken,
dass auch der Bedarf an Design bei den privaten Konsumenten steigt: Keiner möchte
demonstrieren, dass er weniger Geld hat. Also
ist Design ein gutes Zeichen, um auch nach
außen hin einen gewissen Wohlstand oder
eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber
modernem Lifestyle zu demonstrieren. Jetzt
gilt es nur noch, diesen Look erschwinglicher
zu gestalten: Wie zum Beispiel habitat das mit
speziellen Editionen vormacht. Hier hat man
Designer exklusiv verpflichtet, eine gewisse limitierte Auflage von Produkten zu machen, die
dann erwartungsgemäß sehr schnell vergriffen
waren. Oder das Beispiel Karl Lagerfeld, der
dann für H&M eine Kollektion macht, die dann
innerhalb von ein paar Stunden ausverkauft
war. Solche zeitlich begrenzten und mit starken
Designeffekten bestückten Impulse sehen wir
mehr und mehr. Sie schaffen Aufmerksamkeit
in einer Gesellschaft, die ja eigentlich von
Überfluss geprägt ist. Und genau das, Aufmerksamkeit zu generieren, zu emotionalisieren und Begehrlichkeiten zu wecken, werden
die zentralen Aufgaben des Einzelhandels sein.
Kupetz: Ist es denn so, dass man behaupten
könnte, der Möbelhandel habe einigen Nachholbedarf und müsse sich an Entwicklungen
aus dem Bereich der Mode orientieren? Ich
denke da z. B. an die Markenoutlets, die ja
mittlerweile zu einem festen Vertriebsweg
geworden sind. Ist das etwas für den Bereich
der Möbel?
Holy: Grundsätzlich glaube ich, dass Outlets
sicherlich über kurz oder lang auch im Möbelbereich kommen werden. Die Mode ist da
ein bisschen schneller als die Möbelhersteller.
Aber im Modebereich läuft ja bald alles nur
noch über Outlets. Ich sehe die Outlets als
Lösung für ein anderes Problem, das
sicherlich jeder Hersteller kennt: Wenn er zum
Beispiel eine Ausstellung beim Händler macht
oder auf der Messe war – was tun mit den
046 2. stilwerk Trendstudie
Produkten, die man dort nicht verkauft hat?
Verschrotten macht sicherlich gar keinen Sinn.
Wir haben einige Händler, die oftmals auch
4–5 Wochen unsere Ware ausstellen und
dann sagen: „Bitte nehmt es zurück und gebt
mir was anderes.“ Das ist für uns schon
kompliziert. Vielleicht können da Outlets
helfen. Oder das Internet.
Kupetz: Ist das eine Chance, Frau Gerdes, für
eBay mit der Industrie in Kontakt zu treten?
Gerdes: Zum Teil gibt es das schon, aber das
hängt nicht mit der Möbelindustrie, sondern
eher mit dem Möbelhandel zusammen. Unsere Eintrittskarte, um mit dem Handel ins Gespräch zu kommen, waren sicherlich in ganz
vielen Fällen Ausstellungsstücke, auf die der
Handel teilweise Nachlässe von 70 Prozent
geben muss. Zu Recht sagt sich ein Händler
„Meine Kunden lachen mich doch aus! Die
Möbel stehen hier mit den reduzierten Preisen
jeden Samstag. Da kommen sie natürlich
wieder und machen weiter Druck.“ Irgendwann haben sich einige Händler dann gesagt:
„Jetzt versuche ich das einfach mal bei eBay.“
Und dort haben sie deutlich bessere Preise
erzielt als in ihrem Ladengeschäft. Wenn die
Möbel dann eindeutig als Ausstellungsstücke
gekennzeichnet sind, wenn die Fotos in Ordnung sind und da eben auch steht, welche
Mängel das Ausstellungsstück eventuell hat,
dann weiß der Kunde auch bei eBay ganz
genau, was er kauft.
Kupetz: Herr Lohmann, wir haben gerade viel
über Marken und Marketing diskutiert – für wie
wichtig halten Sie Händlermarken? Sind Sie
eine Händlermarke?
Lohmann: Ich halte die Händlermarke für sehr
wichtig – nur über meine eigene Marke ist es
möglich, eine klare Profilierung zu schaffen.
Durch meine Marke, mein Geschäft und meine
Mitarbeiter werden Erwartungen geweckt und
gehalten. Ganz nebenbei: eBay nutze ich auch,
um Ausstellungsstücke zu verkaufen. Aber das
kann meinen Kunden nicht die intensive Beratung durch gute Verkaufsteams ersetzen. Der
Kunde möchte doch heute ein Verkaufserlebnis
haben – viel zu oft wird m. E. die menschliche
Seite im Verkauf übersehen. Grundvoraussetzung für den Erfolg meiner Geschäfte ist natürlich eine gute Frequenz – danach kommt aber
sofort die persönliche Ansprache durch die
Verkäufer. Ich halte nichts von übertriebener
Werbung – ich setze auf Mundpropaganda und
guten Service.
01
Kupetz: Ihr Name steht für eine Marke – wie
sehen Sie das Verhältnis Marke – Outlet?
Grau: Aus meiner Sicht darf ein Markengeschäft niemals ein Outlet sein – Marken dürfen
nicht verramscht werden. Eine Marke darf zwar
ruhig an vielen Stellen in einer Stadt vertreten
sein, aber es müssen die richtigen, wertigen
Stellen sein.
02
Kupetz: Passen Internet und stilwerk zusammen?
Raab: Es gibt einen wunderbaren Zusammenhang zwischen unserem Möbelangebot und
dem Internet – über eBay und Co. können wir
die Wohnungen unserer Kunden erst einmal
geräumt bekommen. Wir haben doch heute
das Problem, dass wir mit neuer Ware gar
nicht erst hineinkommen in die vollen Wohnungen. An dieser Stelle kann über das Internet ein guter Vertriebsweg für gebrauchte,
hochwertige Möbel entstehen.
Kupetz: Abschließend möchte ich Sie um ein
Statement bitten, wie es mit dem Handel und
seinen verschiedenen Wegen weitergehen wird.
Flötotto: Wir bauen auf eine Primär- und
eine Sekundärstruktur. So können wir
auf der einen Seite die Langlebigkeit
unserer Produkte sichern, gleichzeitig
aber aktuellen Trends folgen und Nachkaufreize generieren.
03
01 Möbel-Hersteller. Leo Lübke,
Geschäftsführer COR Sitzmöbel
02 stilwerk. Alexander Raab,
Vorstand stilwerk AG
03 Einrichter. Theo Lohmann,
Geschäftsführer DieEinrichter.home
2. stilwerk Trendstudie 047
stilwerk-Talk
„Marken
müssen
begeistern“
01
Holy: Für uns wird der Handel nach wie vor
sehr wichtig sein. Wir bauen auf fachlich exzellente Verkäufer im hochpreisigen Segment
– und wir wollen Erlebniswerte schaffen.
Lübke: Wir werden die Partnerschaft zwischen Hersteller und Handel bei beratungsintensiven Produkten stärken. Da ist der Preis
eher sekundär, entscheidend sind eher Serviceleistungen des Handels, und da müssen wir
unsere Händler unterstützen und regelmäßig
weiter schulen.
Lohmann: Ich bin der Meinung, dass sich
der Handel selbst kontrollieren und regulieren
muss. Er muss sich selbst spannend machen,
zur Marke werden. Hersteller können die Befindlichkeiten vor Ort häufig gar nicht kennen
und können da letztlich nicht wirklich helfen.
Händler brauchen viel mehr eine klare Profilierung, um erfolgreich zu sein.
Grau: Meine Lösung ist ganz einfach: Wir haben tolle Produkte – und die Begeisterung für
diese tollen Produkte muss dem Kunden über
eine tolle Handelsmarke vermittelt werden.
Flötotto: Das ist richtig – eine Marke muss
Begeisterung wecken. „Geiz ist geil“ wird als
Marke untergehen, weil dies keine dauerhafte
Begeisterung schaffen kann!
Gebhardt: Der Konsumenten-Forderung
„Mehr für weniger“ würden wir schon eine
langfristige Durchschlagskraft zubilligen. Die
Frage ist: Was lernen Markenanbieter daraus? Von einem Billigprodukt erwartet man
in der Regel nicht viel und ist häufig positiv
überrascht. Beim Markenprodukt ist die Erwartungshaltung hoch und entsprechend hoch
kann die Enttäuschung ausfallen. Produktversprechen müssen mehr denn je gehalten
048 2. stilwerk Trendstudie
02
01 Virtuelle Händlerin. Dr. Stephanie Gerdes,
Consumer Categories, eBay
02 Das Publikum. Weit über 100 Zuhörer
nahmen am stilwerk-Talk teil.
werden. Der Kunde ist heute besser informiert
und daher kritischer. Vielleicht muss der Handel über eine bessere Erreichbarkeit seiner
Kunden oder neuer Kunden nachdenken,
z. B. durch neue Finanzierungs- oder bessere
Rücknahmeangebote. Die großen Bankinstitute wollen in Deutschland die Konsumfinanzierung von Privatkunden stärker vorantreiben.
Was beim Autokauf mit aggressiver Null-Prozent-Finanzierung und Inzahlungnahme von
alten Modellen seit Jahren erfolgreich ist, ist
beim Sofakauf immer noch Neuland. Das
ist schon sehr verwunderlich. Es geht ja gar
nicht um den Ausverkauf der Marke, sondern
darum, die Erreichbarkeit durch Finanzierung
zu erleichtern, ohne sein Niveau dabei aufzugeben. Die Begehrlichkeit der Designmöbel
leidet nicht, wenn man sie sich Stück für Stück
erarbeitet oder abbezahlt. Im Gegenteil. Gutes
darf auch im Sinne der Glaubwürdigkeit teurer
sein, so lange es sein Versprechen einhält.
Index
Die Top-Design-Adressen Deutschlands
stilwerk Berlin
Kantstraße 17, 10623 Berlin:
ALESSI Tel.: 030-31 51 55 60
allmilmö Tel.: 030-31 51 56 78
BADKunst Tel.: 030-31 80 88 44
Bang & Olufsen Tel.: 030-31 51 51 31
bellambiente Tel.: 030-31 80 91 50
BLUE WALL Tel.: 030-31 51 55 90
BoConcept Tel.: 030-31 51 51 41
Buch + Raum Tel.: 030-31 80 86 33
bulthaup cucina berlin Tel.: 030-31 51 53 50
Casa Einrichtungen Tel.: 030-31 51 51 72
C. BECHSTEIN Centrum Berlin Tel.: 030-31 51 52 00
cramer möbel + design Tel.: 030-31 51 54 00
DESIGN + HANDWERK PLATTFORM
Tel.: 030-31 51 56 20
Domino Einrichtungen Edgar Fleischmann
Tel.: 030-31 80 90 85
Exotic Green „DIE PALME“ Tel.: 030-31 51 56 80
ferro office & home Tel.: 030-88 55 26 76
First Glas + Raumstil Tel.: 030-77 10 01 5
FLÖTOTTO Tel.: 030-31 51 52 90
quicksilver Galerie für Fotografie
Tel.: 030-31 51 54 20
HUF HAUS Tel.: 030-31 51 55 15
Isola Bella Tel.: 030-31 51 51 70
JACOBS Raumwerk Tel.: 030-31 51 52 53
Kartell Tel.: 030-31 51 51 20
Kerana Tel.: 030-31 86 83 18
Kiran Kelim & Teppichkunst Tel.: 030-313 46 25
küche mit stil – SieMatic Tel.: 030-31 80 21 17
LA PORCELLANA BIANCA Tel.: 030-31 01 75 91
LARS LEPPIN Tel.: 030-31 51 53 30
Lars Mayer Planung & Einrichtung
Tel.: 030-31 51 52 85
LEOLUX BY OLIVER KUHLMEY
Tel.: 030-31 80 88 37
Leonardo Tel.: 030-318 09-300
Lichthaus Mösch Tel.: 030-31 51 55 80
ligne roset Tel.: 030-31 51 51 53
minimum einrichten Tel.: 030-31 51 55 25
Montana Tel.: 030-31 51 53 90
NIESSING Tel.: 030-31 80 90 75
ofuro Bäder für Körper und Seele
Tel.: 030-31 80 07 28
poggenpohl BROCK+STEPHAN
Tel.: 030-31 51 51 60
pro arte Tel.: 030-31 51 55 55
ROLF BENZ HAUS Tel.: 030-31 51 56 50
Ruckstuhl by Lars Leppin Tel.: 030-31 51 53 36
Samland Bodenbeläge und Stoffe
Tel.: 030-31 51 54 50
Sarnes Einrichtungen Tel.: 030-31 51 52 30
TOBIAS GRAU Tel.: 030-31 51 53 70
TROLLHUS Tel.: 030-31 51 54 60
unique musicLounge Tel.: 030-315 18 60
weko Büromöbel Tel.: 030-235 19 00
Zeitlos Tel.: 030-31 51 52 70
zene Tel.: 030-31 51 53 20
stilwerk Düsseldorf
Grünstraße 15,
40212 Düsseldorf:
Aldenhoff Jewellers Tel.: 0211-86 22 82 50
ALESSI Tel.: 0211-86 22 82 99
anders Galerie / Troner art Consulting
Tel.: 0211-601 66 66
ARTICULATION Plaza, Flagshipstore Grohe
Tel.: 0211-86 22 85 30
Bang & Olufsen Michael Lüttgenau
Tel.: 0211-86 22 85 60
Bartels – klassische Einrichtungen
Tel.: 0211-86 22 85 10
Bettenwelten Tel.: 0211-860 68 85
C. Bechstein Centrum Düsseldorf
Tel.: 0211-86 22 82 00
Blue Wall Tel.: 0211-86 22 84 90
BoConcept Tel.: 0211-86 22 81 40
Brigitte von Boch Tel.: 0211-860 60 55
bulthaup Küchen-Design 0211-86 22 86 11
Charlotte von Ehinger-Schwarz 1876
Tel.: 0211-86 39 91 14
Chrisbel Homes Tel.: 0211-86 22 81 60
Die Einrichter.home Tel.: 0211-86 22 85 00
Duxiana Tel.: 0211-86 22 88 00
Fiolino Tel.: 0211-862 28-750
FLÖTOTTO Tel.: 0211-86 22 82 30
Grüne Erde Tel.: 0211-86 22 86 00
Intact Bäder & Ambiente Tel.: 0211-86 22 86 66
j.s. einrichten Tel.: 0211-86 22 89 00
K. A. International Tel.: 0211-86 22 85 15
Kartell Tel.: 0211-86 22 86 86
LEICHT Küchen Smidt Düsseldorf
Tel.: 0211-86 22 83 33
ligne roset Tel.: 0211-86 22 81 50
möve+Rituals Tel.: 0211-862 28-760
Olives Bar & Restaurant Tel.: 0211-862 82 80
pesch wohnen Tel.: 0211-86 22 82 10
poggenpohl-design-center
Tel.: 0211-86 22 85 55
qubus einrichtung Tel.: 0211-86 22 84 44
Raumakzente + Ausstattung
Tel.: 0211-86 22 86 22
rüsing und rüsing Tel.: 0211-86 22 87 80
SETAREH modern carpets Tel.: 0211-210 73 73
SieMatic Küchen Smidt Düsseldorf
Tel.: 0211-86 22 83 33
smits & friends Tel.: 0211-86 22 82 40
Teakwood Lounge Tel.: 0211-86 22 81 90
TOBIAS GRAU Tel.: 0211-86 22 83 70
weko studio Tel.: 0211-49 00 36
WENDE Kunst und Design des 20. Jh.
Tel.: 0211-86 22 84 00
zene Tel.: 0211-86 22 83 20
2. stilwerk Trendstudie 049
Index
Die Top-Design-Adressen Deutschlands
stilwerk Berlin
stilwerk Hamburg
stilwerk Düsseldorf
Impressum
Konzept:
stilwerk Hamburg
Große Elbstraße 68,
22767 Hamburg:
ALESSI Tel.: 040-38 60 00 44
ARTICULATION Plaza, Flagship Store Grohe
Tel.: 040-30 62 12 56
Bang & Olufsen Tel.: 040-30 62 12 70
Bilderwelt Tel.: 040-40 19 50 10
Bobsien – Das Parkett Tel.: 040-30 03 57 82
Clic Inneneinrichtung Tel.: 040-30 62 11 20
cucina hamburg, bulthaup Tel.: 040-30 62 11 50
Duktus\Planung + Einrichtung
Tel.: 040-30 62 14 20
Ellerbrock, die Küche, SieMatic
Tel.: 040-30 62 11 61
Fiolino, Kindermöbel Tel.: 040-30 62 15 70
Galerie Peter Borchardt Tel.: 040-38 89 88
Hagen von Jouanne Tel.: 040-30 62 11 70
House of Scandinavia Tel.: 040-41 30 74 74
Jürgen Voß l’atelier de céramique
Tel.: 040-30 62 14 90
Kirsch & Lütjohann Tel.: 040-30 62 11 90
ligne roset Tel.: 040-30 62 12 00
Marks Einrichtungen Tel.: 040-30 62 12 20
M-EXTRA Design Tel.: 040-30 62 12 30
Mückel Bäder Kontor Tel.: 040-30 62 11 06
Nana Hellwege Goldschmiede
Tel.: 040-38 61 04 40
Panama Werkstatt für Druckstoffe
Tel.: 040-30 62 13 11
Poggenpohl Forum Tel.: 040-30 62 13 90
Poliform-Studio Tel.: 040-30 62 15 60
punct.object Tel.: 040-30 62 12 60
Samova / 5 Special Tel.: 040-30 62 14 05
TOBIAS GRAU Tel.: 040-30 62 13 70
Utz – Die Schrankidee Tel.: 040-30 62 12 05
Wollinger Carpets Tel.: 040-30 62 14 56
zene Tel.: 040-30 62 13 35
zeneredroom Tel.: 040-30 62 13 30
050 2. stilwerk Trendstudie
Prof. Peter Wippermann, Trendbüro
www.trendbuero.de
Herausgeber:
stilwerk AG
Valentinskamp 18, 20354 Hamburg
www.stilwerk.de
Kontakt:
stilwerk Center Management GmbH
Daniela Scherbring
stilwerk Presse- und Kulturreferentin
Große Elbstraße 68, 22767 Hamburg
[email protected]
Redaktion (Trendbüro):
Birgit Gebhardt, [email protected]
Produktion:
ahead media
Schlesische Straße 29–30
10997 Berlin, [email protected]
Redaktion (ahead media):
Sandra Piske, Thomas Helbing
Art Direction (ahead media):
Doris Schwarzmann
Fotografen:
Stefan Badegruber, Stefanie Brinkkötter,
Slava Filippov, Martin Mai, Matthias Niehus,
Ludger Paffrath, Wolfgang Pohn, Lothar Reichel, Markus Rössle, Roland Schmidt, Udo Titz
Mit freundlicher Unterstützung des
Rats für Formgebung
© 2005. Alle Rechte einschließlich Nachdruck
auszugsweise sind vorbehalten.
stilwerk Hamburg
Große Elbstraße 68
22767 Hamburg
Tel.: 040-30 62 11 00
E-Mail: [email protected]
stilwerk Berlin
Kantstraße 17
10623 Berlin
Tel.: 030-31 51 55 00
E-Mail: [email protected]
stilwerk Düsseldorf
Grünstraße 15
40212 Düsseldorf
Tel.: 0211-86 22 81 00
E-Mail: [email protected]
stilwerk Stuttgart
Königsbaupassagen (im Bau)
www.koenigsbau-passagen.de
[email protected]

Documentos relacionados