Kulturelle Überformung des Körpers_BA-Arbeit_HP

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Kulturelle Überformung des Körpers_BA-Arbeit_HP
Kulturelle Überformung des Körpers
Schmerz im Kontext der Tätowierung
Abbildung 1
Von
Sarah Herrmann
Bachelor-Studium Medienwissenschaft
Schmied Schmerz.
Der Schmerz ist ein Schmied.
Sein Hammer ist hart;
Von fliegenden Flammen
Ist heiss sein Heerd;
Seinen Blasebalg bläht
Ein stossender Sturm
Von wilden Gewalten.
Er hämmert die Herzen
Und schweisst sie mit schweren
Und harten Hieben
Zu festem Gefüge.
Gut, gut schmiedet der Schmerz.
Kein Sturm zerstört,
Kein Frost zerfrisst,
Kein Rost zerreisst,
Was der Schmerz geschmiedet.
Otto Julius Bierbaum1
1
Otto Julius Bierbaum, „Schmied Schmerz“, in: Otto Julius Bierbaum, Erlebte Gedichte, Berlin 1892,
S. 214. Im Internet als PDF unter URL: http://www.uni-due.de/lyriktheorie/scans/1892_2bierbaum.pdf,
[10.06.2010].
Inhalt
1. Einleitung ................................................................................................................. 1
1.1 Beobachtungen .............................................................................................. 1
1.2 Fragestellung und Vorgehensweise ............................................................... 2
1.3 Begriffsklärungen ........................................................................................... 4
2. (Kleine) Kulturgeschichte der europäischen Tätowiertradition ................................ 9
3. Analyse der medialen Darstellungsweisen von Schmerz im Kontext der
Tätowierung ............................................................................................................... 15
3.1 ‘Offline’-Publikationen .................................................................................. 15
3.1.1 Tattoo Spirit ............................................................................................... 16
3.1.2 Schmerz und Erinnerung .......................................................................... 17
3.2 ‘Online’-Publikationen .................................................................................. 21
3.2.1 Wildcat.de & Tattooscout.de ..................................................................... 22
3.2.2 Schmerz und Identität ............................................................................... 24
3.2.3 YouTube – ‘Broadcast Yourself’................................................................ 28
3.2.4 Schmerz und Authentizität ........................................................................ 28
4. Schmerz als essentieller Bestandteil der Tätowierung?........................................ 36
5. Fazit ....................................................................................................................... 40
6. Literaturverzeichnis ............................................................................................... 42
7. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 50
1. Einleitung
1.1 Beobachtungen
Vermehrt begegnen uns in unserem Alltag sowie im alltäglichen Medienkonsum
Menschen, die ihren Körper mittels verschiedenster Praktiken kultivieren. Sei es
der Nachbar, der seinen durchtrainierten Körper öffentlich auf dem Balkon
präsentiert. Oder die Mitbewohnerin, die durch ihr hervorstechendes Make-Up
und ihren schrillen Kleidungsstil für Aufsehen sorgt. Sei es die ‚High Society
Lady’, die ihre Schönheitsoperation von einem TV-Sender dokumentieren lässt.
Oder eine Freundin, die Fotos ihres tätowierten und gepiercten Körpers in ihrem
StudiVZ- Profil öffentlich zur Schau stellt.
Im Zeitalter einer anscheinenden ‚Körperlosigkeit’, hervorgerufen durch die
zunehmende Technisierung und Medialisierung der Öffentlichkeit – virtuelle
Identitäten
repräsentieren
den
physischen
Körper;
Roboter
ersetzen
menschliche Arbeitskraft - scheint die teils schmerzhafte Kultivierung des
eigenen Körpers ein probates Mittel zu sein, sich im Sinne einer Autopoiesis
selbst formen zu können.
Als mediale Antwort auf dieses Phänomen kann die Proklamation des
(postmodernen) Körperkultes verstanden werden. Die Verwendung des
Begriffes ‚Kult’ im Zusammenhang mit ‚Körper’ weist eine religiöse – und
aufgrund der implizierten Andeutung auf den menschlichen Eingriff in die Natur
zugleich eine negative – Konnotation auf. Wenngleich der Begriff ‚Kult’ (von lat.
cultus = Verehrung, Pflege, Bildung) ursprünglich nicht aus dem Bereich des
Religiösen stammt, wird dieser traditionell in einem religiösen Sinn verstanden.
Zu den charakteristischen Kennzeichen eines religiösen Kults zählen hierbei ein
sinnstiftendes Objekt und eine Gemeinschaft von Menschen, die dieses Objekt
in Form ritualisierter Handlungen verehrt.
Insofern scheint es durchaus passend zu sein, von einem (postmodernen)
Körperkult zu sprechen. Die unzähligen Schönheitskliniken (oder auch BeautyFarms genannt) und Fitness-Clubs und die mittlerweile fast an jeder
Straßenecke vorhandenen Piercing- und Tattoo-Studios weisen darauf hin,
dass die Nachfrage nach einer Ästhetisierung sowie Perfektionierung des
Körpers groß zu sein scheint. Der Körper also in der Tat von einer großen
1
Personengruppe als sinnstiftendes Objekt verehrt zu werden scheint. Der
Soziologe Robert Gugutzer bezeichnet in diesem Sinne den Körperkult als
„Diesseitsreligion“, die an die Stelle der institutionellen Religion getreten sei und
sich insofern von dieser unterscheide, als sie auf die „Erlösung im Diesseits“
ausgerichtet sei.2
1.2 Fragestellung und Vorgehensweise
„Die Arena in Berlin-Treptow hat sich heute zu einem Tempel des Körperkults
und der Schmerzen verwandelt. Denn die 17. Tattoo Convention hat ihre
Pforten geöffnet.“3
Mit diesen Worten leitet die Reporterin von WatchBerlin, einem OnlineVideomagazin, ihren Bericht über die 17. Tattoo Convention in Berlin-Treptow
ein. Während meiner Recherche für die vorliegende Bachelorarbeit bin ich auf
zahlreiche Aussagen, journalistische Berichterstattungen oder Videoclips
gestoßen, in welchen die beiden Begriffe ‚Schmerz’ und ‚Körperkult’
miteinander verknüpft wurden. Dies hat in mir das Interesse geweckt, der Frage
nach dem Ursprung dieser Assoziation nachzugehen. Warum fügen sich
gerade heutzutage so viele Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise
Schmerzen
zu,
obwohl
Schmerzvermeidung
Zusammenhang
mit
geht?
der
aktuelle
Welchen
kulturellen
Trend
eindeutig
Stellenwert
Praktiken
der
hat
in
Richtung
Schmerz
Körperveränderung
im
–
insbesondere im Zusammenhang mit der Tätowierung?
Das Thema der vorliegenden Arbeit lautet Kulturelle Überformung des Körpers
– Schmerz im Kontext der Tätowierung. Der Titel beinhaltet bereits den
Schwerpunkt dieser Arbeit: In einer Art Bestandsaufnahme sollen anhand
Aussagen tätowierter Personen in verschiedenen medialen Formaten der
Stellenwert und die Bedeutung von Schmerz im Zusammenhang mit der
kulturellen Praktik des Tätowierens erörtert werden. Hierbei werde ich
folgendermaßen vorgehen:
2
Vgl. Robert Gugutzer, „Körperkult und Schönheitswahn – Wider den Zeitgeist“, in: APuZ 18
(2007), S. 3-5.
3
WatchBerlin, „Die Tattoo Convention in Berlin“ [00:04-00:14], im Internet unter URL:
http://www.youtube.com/watch?v=8TCpxHVbDcc, [20.06.2010].
2
Um einen Einstieg in die Thematik zu erhalten, werden zunächst die Begriffe
‚Tätowierung’ und ‚Schmerz’ erläutert. Daran anschließend wird in Kapitel 2 die
europäische Tätowiertradition seit Ende des 18. Jahrhundert skizziert. Da der
Aspekt ‚Schmerz’ bei der Darstellung der europäischen Geschichte der
Tätowierung bis her kaum behandelt wurde, wurde der Schwerpunkt in diesem
Kapitel auf die Bedeutung und Funktion der Tätowierung gelegt. Dabei wird sich
zeigen, dass sich diese im Verlauf der Geschichte kaum verändert hat.
Wohingegen sich das Image der Tätowierung – vor allem innerhalb des letzten
Jahrhunderts – gewandelt zu haben scheint.
Die Analyse der medialen Darstellungsweisen von Schmerz im Kontext der
Tätowierung bildet den Hauptteil dieser Arbeit. Untersuchungsgegenstand
stellen dabei exemplarisch ausgewählte Aussagen tätowierter Personen in
einer
speziellen
Internetforen,
Zeitschrift
(Tattoo-Spirit)
Online-Communities
sowie
und
in
themenspezifischen
anderen
Online-Plattformen
(Wildcat.de/Tattooscout.de/YouTube.de) dar. Bevor ich mit der Einzelanalyse
beginne, werde ich zunächst das jeweilige Medienformat charakterisieren. Bei
der
Einzelanalyse
konzentriere
ich
mich
auf
die
individuellen
und
soziokulturellen Deutungen, die in den jeweiligen Aussagen enthalten sind. Es
wird sich zeigen, dass Schmerz ein ambivalentes Thema zu sein scheint.
Bezüglich der Vorgehensweise bei der Analyse muss angemerkt werden, dass
ich aufgrund der Besonderheit von Internetforen – asynchrone Kommunikation,
enorme Themenvielfalt, kaum (bis gar kein) Einfluss auf den Gesprächsverlauf
– in der Rolle des stillen, passiven Beobachter vorgegangen bin, d.h. ich habe
nicht
versucht,
den
Gesprächsverlauf
zu
lenken.
Auch
fand
eine
Themeneingrenzung lediglich durch die Auswahl des vorhandenen Materials
statt. Alle verwendeten Aussagen habe ich wörtlich, d.h. mit Fehlern,
übernommenen. Auf eine Kennzeichnung der Fehler habe ich dabei verzichtet.
In einem letzten Schritt soll in Kapitel 4 aus kulturhistorischer Sicht die
Bedeutung von Schmerz im Zusammenhang kultureller Praktiken der
Körperveränderung – insbesondere die Praktik des Tätowierens – mit den
Ergebnissen meiner Analyse in Kapitel 3 verglichen werden. Diesbezüglich
werden sich diverse Parallelen aufzeigen lassen.
3
1.3 Begriffsklärungen
Tätowierung
Eine besondere Technik der Körperbemalung4 erfreut sich seit den 1970er
Jahren immer größer werdender Popularität.5 Sei es in Filmen, im Fernsehen,
auf Werbeplakaten, im Schwimmbad, in der Diskothek oder beim Flanieren in
der Stadt, wiederholt begegnen uns Menschen, deren Körper mit mehr oder
weniger farbigen Mustern, Bildern oder Schriften verziert sind. Dieses sichtbare
Resultat innerer und äußerer Prozesse auf der Haut wird in der Regel mit dem
Begriff Tätowierung bezeichnet. Bei intensiverer Auseinandersetzung mit eben
jenem Terminus wird allerdings deutlich, dass damit noch weitere Aspekte
umfasst werden. Obwohl nur sehr wenige Autoren in der Vergangenheit eine
Begriffsbestimmung vornahmen, zeigt sich dennoch eine Veränderung der
Definition des Begriffs Tätowierung im Laufe des letzten Jahrhunderts. Eine der
frühesten Begriffsbestimmungen findet sich in dem Klinische[n] Wörterbuch von
Otto Dornblüht aus dem Jahr 1927:
„Tätowierung, Tatauierung polynes. tattau, Farbstichelung, Färbung von Malen
und Hornhautflecken durch Einreiben von Farbstoff, gew. Tusche, in feine
Stichöffnungen; der Name stammt von den Südseeinsulanern. Besonders
ausgiebige und bes. laszive Tätowierung der Haut als Neigung bei Verbrechern
[Lombroso]. Aber auch sehr beliebt bei Matrosen.“6
Obgleich dieser Entwurf den damaligen Vorstellungen zu entsprechen scheint,
ist er für die heutige Zeit kaum mehr haltbar.
Das Online-Lexikon Wikipedia liefert eine zeitgemäßere sowie wertfreie
Definition:
„Eine Tätowierung (wissenschaftlich auch Tatauierung, umgangssprachlich
(engl.) Tattoo) ist ein Motiv, das mit Tinte oder anderen Farbmitteln in die Haut
eingebracht wird. Dazu wird die Farbe in der Regel mit Hilfe einer
Tätowiermaschine durch eine oder mehrere Nadeln […] in die zweite
Hautschicht gestochen und dabei ein Bild oder Text gezeichnet.“7
4
Der Kulturhistoriker Stephan Oettermann bezieht in seiner Systematik der Techniken der
Körperbemalung neben der Tätowierung auch Masken, Kosmetik, Narbenzeichnungen und
Brandmarkungen mit ein (Vgl. Stephan Oettermann, Zeichen auf der Haut. Die Geschichte der
Tätowierung in Europa, Frankfurt am Main 1979, S. 10). In Abweichung zu Oettermann
verwende ich die Begriffe Körperbemalung und Tätowierung synonym.
5
Vgl. Paul Sweetmann, „Anchoring the (Postmodern) Self? Body Modification, Fashion and
Identity”, in: Body & Society 5 (1999), S. 51-76, hier S. 72 (Anm.1).
6
Otto
Dornblüht,
Klinisches
Wörterbuch,
im
Internet
unter
URL:
http://www.textlog.de/34549.html, [29.04.2010].
7
Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4towierung, [05.05.2010].
4
Allerdings wird in dieser Begriffsbestimmung lediglich die permanente
Einlagerung von Farbpigmenten in der Haut akzentuiert, die Intention der
Handlung bleibt vernachlässigt.8 Diese berücksichtigt der Kultursoziologe
Matthias Friederich in seiner Definition, wonach die Tätowierung als „eine
beabsichtigte und dauerhafte Einlagerung von Pigmenten in der Haut, die einen
bild- und zeichenhaften Charakter besitzt“9, gedeutet wird.
Matthias
Friederichs
Begriffsdarlegung
entspricht
im
Wesentlichen
der
Meinigen, erweitern möchte ich diese nur um den Aspekt der Freiwilligkeit.
Folglich verstehe ich unter Tätowierung eine mittels Nadelstichen freiwillig
veranlasste, ziel- und funktionsgerichtete, permanente Einlagerung von Tinte
oder anderen Farbpigmenten in der (menschlichen) Haut, welche einen bildoder zeichenhaften Charakter besitzen kann, aber nicht zwangsweise muss.
Ferner werde ich bei der Skizzierung der Geschichte der europäischen
Tätowierung mit einem weit gefassteren Tätowierungsbegriff arbeiten.
Schmerz
In unserem Alltag werden wir immer wieder mit mehr oder weniger
schmerzhaften Erlebnissen konfrontiert. Die Trauer über den Verlust einer nahe
stehenden Person, Liebeskummer, Kopfschmerzen, Verbrennungen, Stich- und
Schnittverletzungen sind nur ein kleiner Teil des Spektrums möglicher
schmerzhafter Erfahrungen. Die hierbei empfundene Intensität des Schmerzes
hängt sowohl von den biographischen Erfahrungen als auch von dem
soziokulturellen Hintergrund eines Menschen ab und lässt sich durch die
Dimensionen Schmerzschwelle und Schmerztoleranz charakterisieren.10 Im
Rahmen interkultureller Vergleiche ließen sich hinsichtlich der Schmerzschwelle
– derjenigen Reizintensität, die gerade noch als schmerzhaft empfunden wird –
zwischen
Individuen
verschiedener
8
Kulturen
keine
Unterschiede
Im Gegensatz hierzu wird die Zielgerichtetheit der Handlung in der englischsprachigen Version
des Online-Lexikons Wikipedia zumindest angedeutet: „A tattoo is a marking made by inserting
dark, indelible ink into the dermis layer of the skin to change the pigment for decorative or other
reasons“, URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Tattoo, [05.05.2010].
9
Matthias Friederich, Tätowierungen in Deutschland. Eine kultursoziologische Untersuchung in
der Gegenwart, Würzburg 1993, S. 63.
10
Vgl. David LeBreton, Schmerz. Eine Kulturgeschichte, Zürich/Berlin 2003, S. 7; Erich Kasten,
Body-Modification. Psychologische und medizinische Aspekte von Piercing, Tattoo,
Selbstverletzung und andere Körperveränderungen, München 2006, 212.
5
dokumentieren.
Im
Vergleich
hierzu
ließen
sich
hinsichtlich
der
Schmerztoleranz – derjenigen Reizintensität, die gerade noch erduldet wird –
erhebliche Differenzen konstatieren.11 Daraus ließe sich schließen, dass die
Schmerztoleranz kulturell prägbar ist. Überdies scheint sie situationsabhängig
zu sein. Bekanntermaßen kann Schmerz unter bestimmten Bedingungen12
unterschiedlich
stark
empfunden
werden,
obwohl
die
physiologische
Schmerzverarbeitung stets denselben biochemischen Mechanismen13 folgt und
die Schmerzschwelle unabhängig von den biographischen Erfahrungen und
dem soziokulturellen Hintergrund konstant bleibt. Insofern lässt sich die
komplexe Empfindung Schmerz nicht auf ein rein sinnliches Phänomen
reduzieren. Descartes prägt mit seiner Theorie aus dem Jahr 1644 noch bis in
das 20. Jahrhundert die Vorstellung der physiologischen Schmerzverarbeitung.
Er ging davon aus, dass die von den Schmerzrezeptoren generierten
Schmerzbotschaften mittels spezieller Nervenbahnen an ein Schmerzzentrum
in Gehirn geleitet werden, wodurch der Betreffende die schmerzende
Körperstelle
direkt
lokalisieren
und
gegebenenfalls
reagieren
(z.B.
zurückzucken) kann. Weiterhin besagt die Theorie, dass bei jeder Reizung der
Schmerzrezeptoren eine Schmerzbotschaft an das Gehirn gesendet wird, d.h.
dass jede Reizung dieser Rezeptoren als Schmerz wahrgenommen wird.14
Die International Association for the Study of Pain (IASP)15 betont in ihrer im
Jahr 1979 publizierten Definition – wonach Schmerz als „[…] an unpleasant
sensory and emotional experience associated with actual or potential tissue
damage, or described in terms of such damage”16 verstanden wird – die
Aufteilung eines Schmerzerlebnisses in mehrere Komponenten. Jegliche
Schmerzempfindung
wird
durch
sensorisch-diskrimantive,
11
motorische,
Siehe Ernst Pöppel, Lust und Schmerz, Berlin 1982, S. 239-241.
z.B. Stress, Konzentration, Entspannung, Ablenkung (hemmende Wirkung), Angst, Müdigkeit,
Erinnerung, Aufmerksamkeit (verstärkende Wirkung). Vgl. Pöppel, 1982, S. 246.
13
Da eine medizinische Erläuterung dieses Phänomens im Rahmen dieser Arbeit zu weit gehen
würde, verweise ich auf die ausführliche Erläuterung der Signalverarbeitung im nozizeptiven
Nervensystem in Manfred Zimmermann, „Physiologie von Nozizeption und Schmerz“, in: HeinzDieter Basler/Carmen Franz/Birgit Kröner-Herwig et al (Hrsg.), Psychologische
Schmerztherapie, Berlin/Heidelberg, 1990, S. 46-88.
14
Vgl. Pöppel, 1982, S. 242f.
15
Für weitere Informationen bezüglich der Forschungsansätze und -ziele der International
Association for the Study of Pain (IASP) siehe Internetauftritt der IASP. URL: http://www.iasppain.org/AM/Template.cfm?Section=About_IASP_&Template=/CM/HTMLDisplay.cfm&ContentI
D=1608, [10.04.2010].
16
International Association for the Study of Pain (Hrsg.), „Pain terms: A list with definitions and
notes on usage”, in: Pain (= Journal of the International Association for the study of pain) 6
(1979), S. 250.
12
6
vegetative,
affektiv-motivationale
und
kognitiv-evaluative
Komponenten
moduliert.17 Auf die subjektive Bewertung des Schmerzes haben vor allem die
affektiv-motivationale Komponente, welche dem Schmerz eine individuelle
Gefühlsqualität zuordnet, sowie die von den individuellen Schmerzerfahrungen
geprägte kogntitiv-evaluative einen entscheidenden Einfluss.18 Ein bestimmtes
Ereignis als schmerzhaft zu empfinden, ist demnach eng mit einer subjektiv
erlebten Leidenserfahrung verknüpft.19 Schmerz existiert folglich nur in der
Person, die ihn verspürt.20 Allan I. Basbaum, Professor für Anatomie und
Physiologie an der Universität von Kalifornien (San Francisco), veranschaulicht
diesen Aspekt in seinem Essay Unlocking the secrets of pain: The science wie
folgt:
„Schmerz ist nicht nur ein Reiz, der über bestimmte Wege weitergeleitet wird,
sondern eher eine komplexe Empfindung, deren Wesen [...] vom affektiven und
emotionalen Zustand des Individuums [abhängt]. Schmerz verhält sich zu
somatischen Reizen wie Schönheit sich zu einem visuellen Reiz. Beides sind
sehr subjektive Erfahrungen.“21
Allan I. Basbaum akzentuiert in dieser Aussage nicht nur die Betrachtung von
Schmerz als Resultat menschlicher Wahrnehmung, sondern auch den Einfluss
der
dominierenden,
kulturell
geprägten
Deutung
auf
die
kognitive
Repräsentation von Schmerz, indem er die subjektive Empfindung Schmerz mit
der subjektiven Auslegung von Schönheit – welche immer auch von den
vorherrschenden Idealen geprägt wird – vergleicht. David B. Morris,
Schriftsteller und emeritierter Professor für Literatur an der Universität Virginia,
verweist in diesem Zusammenhang in seinem Buch Geschichte des Schmerzes
darauf, dass Schmerz „in allen Kulturen und zu allen Zeiten stets als ein
Ereignis verstanden [wurde], das der Deutung bedarf“22. Des Weiteren fügt er
an, dass der Deutungsprozess nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern
17
Diese Aufteilung geht aus dem „Komponentenmodell des Schmerzes“ von R. Melzack und
K.L. Casey (1968) hervor, welches auf der „Gate Control Theory“ (1965) von R. Melzack und
P.D. Wall beruht. Das „Komponentenmodell des Schmerzes“ befasst sich mit dem engen
Zusammenhang von Einstellung und Schmerzempfindung. Vgl. Kasten, 2006, S. 215; Pöppel,
1982, S. 246-248.
18
Vgl. Kasten, 2006, S. 215; Rolf-Detlef Teede, „Nozizeption und Schmerz“, in: Burkhart
Bromm/Kurt Pawlik (Hrsg.) Neurobiologie und Philosophie zum Schmerz, Göttingen 2004, S.
63-74, hier S. 63.
19
Vgl. Etienne Vermeersch, „Pain, what is it and why do we care?”, in: Vlaams
Diergeneeskundig Tijdschrift 69 (2000), S. 385-391, hier S. 386.
20
Vgl. Teede, 1992, S. 258.
21
Allan I. Basbaum zit. nach David B. Morris, Geschichte des Schmerzes, Frankfurt am Main
1994, S. 48.
22
Morris, 1994, S. 31.
7
auch auf „einer allgemeinen kulturellen und subkulturellen Ebene“23 stattfindet.
Dies unterstreicht die oben bereits erwähnte Annahme, dass Schmerz –
verstanden als eine subjektive Empfindung – von vielen Faktoren, wie z.B.
gesellschaftlicher Akzeptanz, persönlicher Erfahrungen, sozialer Herkunft,
Geschlecht, Religion und situativer Bedeutung24, geprägt wird.
In der nachfolgenden Analyse konzentriere ich mich daher auf die individuellen
und
soziokulturellen
Deutungen,
die
in
den
jeweiligen
medialen
Darstellungsweisen von Schmerz im Kontext der Tätowierung enthalten sind.
Bevor ich in Kapitel 3 mit der Analyse beginne, folgt zunächst in Kapitel 2 ein
kurzer Überblick über die Kulturgeschichte der europäischen Tätowiertradition.
23
24
Ebd., S. 32.
Vgl. ebd., S. 34; Pöppel, 1982, S. 246.
8
2. (Kleine) Kulturgeschichte der europäischen Tätowiertradition
Gleichwohl die Tätowierung im europäischen Raum seit der Frühzeit
fortwährend praktiziert wurde, schien sie zwischen dem 12. und 18. Jahrhundert
größtenteils aus dem europäischen Bewusstsein verschwunden gewesen zu
sein.25 Der Kulturhistoriker Stephan Oettermann formuliert diesen Punkt
folgender Maßen:
„Man praktizierte den Hautstich in Europa, aber man sah ihn nicht. Und noch
weniger war er ‚ein seltsamer Gegenstand der Betrachtung’.“26
„Ein seltsamer Gegenstand der Betrachtung“27 wurde die Tätowierung in
Europa laut Oettermann erst wieder mit der öffentlichen Schaustellung des
(tätowierten) tahitischen ‚Prinzen Omai’28 und der Einführung des Wortes
‚Tattoo’ (‚Tatau’)29 in den europäischen Sprachgebrauch.30 Erhard Schüttpelz,
Professor für Medientheorie an der Universität Siegen, eruiert in seinem Aufsatz
Unter die Haut der Globalisierung. Die Veränderungen der Körpertechnik
'Tätowieren' seit 1769 unter anderem, warum es nach den Entdeckungsfahrten
des 18. Jahrhunderts zu einer Wiederbelebung des europäischen Hautstichs
kam und warum der Impuls gerade aus der Südsee kam, obwohl den
Europäern bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert (ganzkörper-)tätowierte
nordamerikanische ‚Indianer’ bekannt waren. Den Grund hierfür sieht er in der
25
Vgl. Stephan Oettermann, Zeichen auf der Haut. Die Geschichte der Tätowierung in Europa,
Frankfurt am Main 1979, S. 12-20; Alana Abendroth, Bodymodification. Tattoos, Piercings,
Scarifications – Körpermodifikationen in Wandel der Zeit, Diedorf 2009, S. 5-24; Margo
DeMello, Bodies of Inscription. A cultural history of the modern tattoo community,
Durham/London 2000, S. 45.
26
Oettermann, 1979, S. 20.
27
James Cook zit. n. ebd., S. 20.
28
James Cook (eigentlich Captain Fourneaux, Führer des zweiten Schiffes der Expedition)
brachte ‚Omai’ 1774 von seiner Weltumsegelung mit nach Europa. Vgl. ebd., S. 121 (Anm. 2).
29
Das Verb ‚tattoing’/’tattowing’ erschien erstmals 1771 in einem Bericht über James Cooks
erste Seereise nach Polynesien. Vgl. Nicholas Thomas, “Introduction”, in: Nicholas
Thomas/Anna Cole/Bronwen Douglas (Hrsg.), Tattoo: Bodies, Art and Exchange in the Pacific
and the West, London 2005, S. 7-32, hier S. 227 (Anm. 3).
Einen möglichen Erklärungsansatz für die Aufnahme des Wortes ‚tattoo’ in den englischen
Sprachwortschatz findet sich bei Oettermann., S. 121 (Anm. 3). Zur Entstehung des Wortes
Tätowierung siehe auch Frank-Peter Finke, Tätowierungen in modernen Gesellschaften,
Osnabrück 1996, S. 24-28.
30
Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass William
Dampier, englischer Entdecker und Geograph, bereits 1691 die ersten tätowierten
Südseeinsulaner (von der Insel Meangis, welche zwischen Sumatra und Sri Lanka liegt) mit
nach Europa brachte. Unter diesen erfuhr vor allem der ganzkörper-tätowierte ‚Prinz Jeoly’
(auch ‚Giolo’) besonderen ‚Ruhm’. Vgl. Oettermann, S. 22-24; Bronwen Douglas, „’Cureous
Figures’: European Voyagers and Tatau/Tattoo in Polynesia, 1595-1800“, in: Nicholas
Thomas/Anna Cole/Bronwen Douglas (Hrsg.), Tattoo: Bodies, Art and Exchange in the Pacific
and the West, London 2005, S. 33-52, hier S. 34.
9
„Vorspiegelung eines ‚Paradieses auf Erden’“, welche um so eher möglich war,
da die „polynesischen Gesellschaften […] einige Züge aufwiesen, die sie den
damaligen Europäern vertraut und attraktiv erscheinen ließen.“31
Auf einer individuellen Ebene lässt sich diese Bewunderung für das Leben auf
den Südseeinseln bei den ‚Beachcombers’ und ‚Runaways’ finden. Diese waren
Seemänner, die Schiffbruch erlitten haben oder bei Landgängen den oft
unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Handels- und
Kriegsschiffen
entflohen
waren.
Allerdings
waren
es
nicht
nur
die
unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Schiffen, die die
Matrosen dazu bewegten auf eine der sagenumwobenen Inseln zu fliehen,
sondern auch die anscheinende sexuelle Freizügigkeit, Offenheit und
Unbefangenheit der
Südseeinsulaner.32
Viele
der
‚Beachcombers’
und
‚Runaways’ ließen ihren Körper von den Bewohnern der jeweiligen Insel
tätowieren, um von ihrem „tabuisierten Nicht-Status […] befrei[t]“33 zu werden
und somit die Kontakt-Verbote aufzulösen.34 Ob dies unter Zwang oder
Einwilligung geschehen war, lässt sich nicht generell sagen, da die
selbstverfassten
Berichte
der
‚Beachcombers’
und
‚Runaways’
sich
diesbezüglich stark voneinander unterscheiden und sowohl fiktionale als auch
reale, d.h. von Forschern und Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts als
nachgewiesen angesehene, Passagen enthalten.35
Neben den ‚Beachcombers’ und ‚Runaways’ ließen sich auch andere an den
verschiedenen Südsee-Expeditionen beteiligten Seemänner zum Andenken an
ihre ‚abenteuerlichen’ Erlebnisse tätowieren.
31
Vgl. Erhard Schüttpelz, „Unter die Haut der Globalisierung. Die Veränderungen der
Körpertechnik 'Tätowieren' seit 1769“, in: Tobias Nanz/Bernhard Siegert (Hrsg.), Ex machina.
Kulturtechniken und Medien, Weimar 2006, S. 109-154, hier S. 114-119.
32
Vgl. Oettermann, 1979, S. 32-38.
Die Literaturwissenschaftlerin Alana Abendroth führt die europäische Vorstellung des
‚Paradieses auf Erden’ vor allem auf das im Zeitalter der Romantik entstandene Genre der
Reiseliteratur zurück. Diese Bücher und Geschichten schilderten das Leben weit entfernter
Kulturen, die anscheinend – im Gegensatz zu den Europäern – in Einklang mit der Natur und
völliger Autonomie lebten. Vgl. Abendroth, 2009, 39f.
33
Schüttpelz, 2006, S. 118.
34
Erhard Schüttpelz sieht die polynesischen Anwendungen der Tätowierung als Rituale bzw.
Praktiken der ‚Enttabuisierung’, der ‚Entheiligung’ an. Vgl. ebd., S. 117-119.
35
Oettermann, 1979, S. 32-38.
10
Nach deren Vorbild ließen in Europa zunächst weitere
Seefahrer und Hafenarbeiter ihre Körper tätowieren. Hierbei
erfuhren vor allem die für die Südseetätowierung als typisch
erachteten
Motive
(Palmenbaum,
Schlangen,
nackte
Frauen) eine grundlegende Veränderung, sowohl bezüglich
der Ausgestaltung als auch der Lesart: Es entstand eine
eigenständige europäische Tätowiertradition, die auf die
„[…] Interferenz von Südseetechnik und europäischer
Bildvorstellung“ zurückgeführt werden kann.36
Scheinbar,
Mittelschicht
Abbildung 2:
Beispiel für die
Vermischung einer
Südsee- und
Paradiesmotivik.
so
Spamer,
die
überspringend“
„Tätowierungswut“
im
19.
„[…]
37
breite
bürgerliche
dehnte
sich
die
Jahrhundert
neben
den
Angehörigen der ‚unteren’ und ‚untersten’ Schicht – zu
diesen
zählten
Seeleute,
Hafenarbeiter,
Soldaten,
Handwerker, Ernte- und Fabrikarbeiter sowie Marktfahrer –
auch unter Angehörigen europäischer Fürstenhäuser aus.38 Der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftler Frank-Peter Finke relativiert diesen Punkt insofern,
als
er
darauf
hinweist,
dass
in
Adelskreisen
vorwiegend
teure
Schmucktätowierungen wie z.B. Miniaturporträts, Strumpfmuster, Ketten oder
Ringe Anwendung fanden. Zudem verweist er in Anlehnung an die
Ausführungen des Ethnologen Adolf Spamer darauf, dass diese speziellen
Tätowierungen „zahlenmäßig keine Rolle gegenüber der Volkstätowierung“39
spielten. Weiterhin ist er der Ansicht, dass die „Tätowierung als Volkssitte
während der gesamten Neuzeit […] ohne direkten Einfluss [der] neu
auftretenden Südseetätowierungen“40 praktiziert wurde.41
Finkes
Argumentationsstrang
folgend,
kann
die
im
19.
Jahrhundert
zunehmende Verbreitung der ‚Jahrmarkttätowierung’ als Sonderform der
36
Vgl. Oettermann, S. 45-57.
Adolf Spamer zit. n. Oettermann, 1979, S. 59.
38
Vgl. Oettermann, S. 58f.
39
Adolf Spamer zit. n. Finke, 1996, S. 48.
Frank-Peter Finke versteht unter Volkstätowierung „jene Art der Tätowierung, die in direkter
Tradition der uralten Sitte der Tätowierung steht und nicht nur einen sozialen irrelevanten und
gesellschaftlich bezugslosen Modespleen darstellt.“ Finke, 1996, S. 48.
40
Ebd., S. 48.
41
Finke kritisiert hiermit Oettermanns These, dass „der Impuls zur Wiederbelebung des
europäischen Hautstichs […] aus der Südsee [kam].“ (Oettermann, 1979, S. 44). Laut Finke
gehe Oettermann grundsätzlich davon aus, dass die europäische Tätowierung vor 1800 nur als
Vorgeschichte zu betrachten sei. Vgl. Finke, 1996, S. 47-49.
37
11
europäischen Tätowierungen, d.h. der ‚Volkstätowierung, angesehen werden: In
Sideshows und auf Jahrmärkten präsentierten – neben Liliputanern oder
Damen ohne Unterleib – (ganzkörper-)tätowierte Europäer ihre größtenteils
unbekleideten Körper einem sensationslustigen, vor allem aber zahlenden
Publikum. Um für mehr Aufsehen zu sorgen, wurden die Tätowierungen oftmals
um
allerlei
abenteuerliche
(Entstehungs-)Geschichten,
deren
Inhalte
überwiegend den Geschichten der Seefahrer, ‚Beachcombers’ und ‚Runaways’
entlehnt waren, aufgewertet.42
Eine ganz andere Intention vermutet Oettermann in der zunehmenden
Verbreitung der Tätowierung in der Zeit der industriellen Revolution. Die Gründe
hierfür
sieht
er
in
„[…]
der
Pauperisierung
und
Verstädterung
der
Landbevölkerung, der Auflösung der Zünfte und der Proletarisierung des
Handwerkers zum Fabrikarbeiter“43. Die stetige Zunahme der Tätowierung bei
Angehörigen der ‚niederen’ Stände versteht er als Versuch, den Verlust der
identitätsstiftenden
Gesellschaftsordnung
Identitätszeichen auszugleichen.
durch
Selbsteinschreibung
von
44
Einhergehend mit dieser stetigen Verbreitung der Tätowierung geriet der
europäische Hautstich im 20. Jahrhundert zunehmend in den Fokus
wissenschaftlicher Untersuchungen und der Diskurs über ihn wurde eröffnet:
Die (mysteriösen) Zeichen auf der Haut von Europäern offenbarten sich als
schwer bestimmbares Phänomen, hinter welchem diejenigen, die den Diskurs
führten – vorwiegend Mediziner, Polizisten und Kriminalanthropologen – mehr
als nur reine Zierde befürchteten. Laut Oettermann wurde in der Praxis der
Tätowierung der Versuch einer Revolte, einer Bedrohung der bürgerlichen
Werte und Normen gesehen, welcher durch Diffamierung der Hautbilder und
Kriminalisierung
diffamierende
ihrer
Träger
Diskurs
fand
entgegengewirkt
1876
mit
werden
der
kriminalanthropologischen Werkes L’Uomo delinquente
sollte.
Veröffentlichung
45
Dieser
des
von Cesare Lombroso
seinen Höhepunkt. Lombroso konstatierte in diesem Buch unter anderem, dass
42
Vgl. Oettermann, 1979, S. 75-84, Adolf Spamer, „Die Tätowierung in den deutschen
Hafenstädten“, in: Werner Pettermann/Markus Eberwein (Hrsg.), Die Tätowierung, München
1993, S. 33-115.
43
Oettermann, 1979, S. 72.
44
Vgl. ebd., S. 72-74.
45
Die deutsche Ausgabe von L'uomo delinquente. In rapporto all'antropologia, alla
giurisprudenza ed alle discipline carcerarie (dt. Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher
und juristischer Beziehung) erschien erstmals 1889. Vgl. Oettermann, 1979, S. 127 (Anm. 23).
12
körperliche Anomalien auf eine tief verwurzelte Disposition zu kriminellem
Verhalten
hindeuten.
Der
‚geborene
Verbrecher’
also
einer
niederen,
atavistischen Entwicklungsstufe entspreche.46 Da die Tätowierung stets mit der
Südsee – mit den ‚Wilden’, ‚Primitiven’ – assoziiert wurde, galt diese auf
europäischen Körpern im Allgemeinen
„als Zeichen defizitärer Moral und kultureller Regressivität […]. Handelte es sich
um Männer, so wurde in ihrer Tätowierung ein Zeichen krimineller Neigung
gesehen
und
gelegentlich
mit
der
Begrifflichkeit
eines
kruden
Kulturevolutionismus interpretiert, nämlich als Rückfall in das von ‚Wilden’,
‚Primitiven’ oder ‚Naturvölkern’ repräsentierte Kindheitsstadium der kulturellen
Entwicklung. […] Im Fall von Frauen wurde die Tätowierung als Zeichen eines
sexuell liederlichen Lebenswandels oder der Prostitution gesehen.“47
Der diffamierende Diskurs, welcher durch die im frühen 20. Jahrhundert auf
ihrem
Höhepunkt
angelangte
Schaustellung
(ganzkörper-)tätowierter
menschlicher Jahrmarktsattraktionen genährt wurde, hielt sich bis weit in das
20. Jahrhundert. Der 1938 erschienene Erlass, wonach „Schaustellungen, die
das gesunde Volksempfinden gröblich verletzen oder den Bestrebungen des
nationalsozialistischen
Staates
widersprechen“48
von
den
polizeilichen
Behörden zu unterbinden seien, kann als tiefer Einschnitt in die europäische
Geschichte der Tätowierung angesehen werden: Für viele Schausteller,
(Ganzkörper-)Tätowierte
und
(Berufs-)Tätowierer
bedeutete
dies
ein
Berufsverbot, für manche sogar die Deportation.49
Indes führte das nationalsozialistische Regime die in Europa fast vollständig
verschwundene Zwangstätowierung in Form tätowierter Gefangenennummern
auf der Haut deportierter Häftlinge wieder ein.50 Darüber hinaus wurde den
Mitgliedern der Waffen-SS ihre jeweilige Blutgruppe als Zeichen der Treue
gegenüber dem Herrschaftssystem eintätowiert.51
Die Tätowierung schien vom Ende des zweiten Weltkrieges an in Europa erneut
verschwunden gewesen zu sein – einige Autoren prognostizierten dem
46
Vgl. Oettermann, 1979, S. 62-66.
Michaela Frieß, „Die europäische Kultivierung einer südseeinsulanischen Tradition.
Tätowierung als Kennzeichnung individualisierter, sexueller, kultureller und nationaler Identität“,
in: Anthropos 95 (2000), S. 167-187, hier S. 178.
48
Reichsministerialblatt für die Innere Verwaltung 5 (1938) – Runderlass des Reichsführers SS
und Chef der deutschen Polizei vom 26.01.1938, zit. n. Abendroth, 2009, S. 142.
49
Vgl. Oettermann, 1979, S. 91f.; Abendroth, 2009, S. 48f.
50
Vgl. Oettermann, 1979, S. 109-112; Finke, 1996, S. 164.
Zur Unterscheidung nationalsozialistischer Lagertätowierung von anderen Formen der
Zwangstätowierung siehe Oettermann, 1979, S. 103-112; Finke, 1996, S. 159-165.
51
Vgl. Oettermann, 1979, S. 109.
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass als Grund für die Blutgruppentätowierung eine
schnellere Behandlung im Falle einer Verwundung vorgeschoben wurde. Vgl. ebd., S. 109.
47
13
europäischen Hautstich sogar dessen Ende.52 Dies bestätigte sich jedoch nicht.
Als treibende Kraft für die ‚Wiederbelebung’ der Tätowierung in Europa können
die nach amerikanischem Vorbild in den späten 1970-er und frühen 1980-er
Jahren aufkommenden subkulturellen Strömungen, wie z.B. die Punker-,
Rocker-, New-Age- oder Schwulen-Bewegung, angesehen werden, welche sich
der Tätowierung als Zeichen der Rebellion, der selbst veranlassten ‚Befreiung’
von den gesellschaftlichen Konventionen bedienten.53
Ferner hat die seit den 1980er-Jahren zunehmende Berichterstattung in
Zeitschriften, Zeitungen und (privaten) Fernseh- und Musiksendern wohl einen
Großteil dazu beigetragen, dass die Tätowierung ihre negativ-stigmatisierende
Bedeutungszuschreibung mehr und mehr verloren hat.54
Als Zeichen der Individualität, als Ausdruck der eigenen Körperlichkeit, als
Symbol des eigenen Lebensstils oder als Medium der Selbstästhetisierung und
-darstellung scheint die Tätowierung in den letzten zwei Jahrzehnten ihre
milieuspezifischen Grenzen überwunden55 und sich zum populärkulturellen
(Mode-)Accessoire entwickelt zu haben56, wie folgender Begleittext zu dem
populärwissenschaftlichen Buch Ein Tattoo ist für immer da. Die Geschichte der
Tätowierung in Deutschland von Marcel Feige abschließend zeigen soll:
„Tätowierungen [sind] hierzulande eine eigene Profession, und Kult für jeden.
Sie sind Ausdruck der Lust am Leben. Und das ist nicht zuletzt das Verdienst
einer exaltierenden Jugend, die in den 90ern die Tattoos als ein Symbol ihres
Lifestyles erkoren hat. Tattoos sind Schmuck. […] Und Schmuck ist dazu da,
daß er bewundert wird.“57
52
Vgl. Friederich, 1993, S. 21f.
Vgl. DeMello, 2000, S. 75.
54
Vgl. Abendroth, 2009, S. 51.
55
Vgl. Sweetman, 1999, S. 51.
56
Vgl. Elisabeth Rohr, „Vom sakralen Ritual zum jugendkulturellen Design. Zur sozialen und
psychischen Bedeutung von Piercing und Tattoos“, in: Anke Abraham/Beatrix Müller (Hrsg.),
Körperhandeln und Körpererleben. Multidisziplinäre Perspektiven auf ein brisantes Feld.
Bielefeld 2010, S.225-242.
57
URL: http://www.marcel-feige.de/marcelfeige/index.php?type=books&id=22, [10.05.2010].
53
14
3. Analyse der medialen Darstellungsweisen von Schmerz im
Kontext der Tätowierung
Der Frage, welche individuellen und soziokulturellen (Be-)Deutungen von
Schmerz im Kontext der Tätowierung in den verschiedenen medialen
Darstellungsweisen enthalten sind, möchte ich im Rahmen dieser Arbeit
exemplarisch erörtern. Es erscheint mir sinnvoll, die Vielfalt an ‘Offline’- und
‘Online’- Publikationen zu dem Oberthema Tätowierung einzugrenzen. Daher
konzentriere
ich
mich
bei
der
Analyse
der
‘Offline’-
Publikationen
schwerpunktmäßig auf eine bestimmte Publikumszeitschrift (Tattoo Spirit), bei
der Analyse der ‘Online’- Publikationen auf bestimmte Diskussionsverläufe
zweier Online-Communities (Wilcdat.de & Tattooscout.de) sowie UserKommentare zu einem YouTube- Videoclip. Beide Bereiche zeichnen sich
durch einen hohen Anteil persönlicher Erfahrungsberichte und Meinungen aus,
die ich im Vorfeld dieser Arbeit exemplarisch ausgesucht habe. Dies erlaubt am
ehesten eine Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit.
3.1 ‘Offline’-Publikationen
Einhergehend mit der steigenden Popularität der Tätowierung haben sich in den
letzten beiden Jahrzehnten mehrere Tattoo- Zeitschriften58 in Deutschland
etabliert.59 Zu den am meist verbreiteten und innerhalb der ‚Tatto-Szene’
anerkannten60 zählen Tattoo Style und Tätowier-Magazin61, sowie Tattoo Spirit
und Tattoo Scout62. Gemeinsam ist den jeweiligen Zeitschriften die eindeutige
Ausrichtung auf eine spezielle Klientel: ‚Anhänger’ des Bodyart-Lifestyles.
Daraus ergibt sich auch die inhaltliche Fokussierung auf die speziellen
Interessen
der
Leserschaft.
So
58
beinhalten
diese
meist
einen
Eine kleine Auswahl der auf dem Zeitschriftenmarkt vorhandenen Titel findet sich auf der
Internetseite www.tätowieren.de, URL: http://www.taetowieren.de/tattoo_magazine.html,
[04.06.2010].
59
Hierzu muss angemerkt werden, dass es sich bei den erst erschienenen Zeitschriften
größtenteils um Übersetzungen amerikanischer Magazine handelte. Erst seit ca. Ende der
1990-er Jahre publizierten auch deutsche Verlagshäuser Tattoo- Zeitschriften mit eigenständig
redaktionellen Inhalten. Vgl. Finke, 1996, S. 177f.
60
Vgl. http://www.bodyart-forum.de/forum/viewtopic.php?f=24&t=1951, [04.06.2010].
61
Beide Zeitschriften werden von dem Huber Verlag herausgegeben.
62
Beide Zeitschriften erscheinen im Verlag Marion Kruhm.
15
Veranstaltungskalender,
welcher
auf
die
zukünftigen
Tattoo
Messen
(Conventions) hinweist, redaktionelle Berichte über Tattoo- Studios, TattooMotive (und deren jeweilige Bedeutung) sowie ‚prominente’ Tätowierer. Darüber
hinaus zeichnen sich diese Zeitschriften durch eine (Un-)Menge an Werbung
und zahlreiche Abbildungen tätowierter Personen aus. Die redaktionellen
Berichte lassen sich größtenteils als ‚Lobrede’ der Körperkunst, deren Träger
und deren ‚Schöpfer’ charakterisieren:
„Und wieder präsentieren wir einen Kessel wunderbarer, farbenfroher und vor
allem hochwertiger Tätowierungen.“63
„Eggenfelden ist für unsere Redaktion die deutsche Convention mit der
längsten Anreise. […] Doch eines ist klar – diese Convention ist jeden einzelnen
Kilometer wert. Die Veranstalter von Eagle Speed achten bei diesem Event auf
eine Sache ganz besonders, nämlich auf Qualität. Das fängt schon bei der
Auswahl der eingeladenen Tätowierer an.“64
„Ich lernte Mr. Mike auf der diesjährigen Tattoo-Convention in Dortmund
kennen. Der erste Blick in seine Präsentationsmappe war ausgesprochen
heftig. Derart samtweiche Schwarz-Grau-Verläufe und dennoch glasklare
Motive sieht man selbst als Redakteur von Europas großer Tattoo-Illustrierten
nicht jeden Tag.“65
So oder ähnlich ist der grundlegende Tenor in den meisten Magazinen.
Dahingegen bleiben selbstangefertigte Tätowierungen und ‚Gangtätowierungen’
(wie
z.B.
‚Knasttätowierungen’)
in
den
Zeitschriften
größtenteils
unberücksichtigt. Dies liegt vermutlich an der negativen Konnotation, mit
welcher diese Tätowierungen behaftet sind. Festzuhalten ist also, dass die
grundlegende Bestrebung der Redakteure die ‚Aufwertung’ der Tätowierung,
deren Träger sowie der Tätowierer zu sein scheint, um somit dem negativstigmatisierenden Image der Tätowierung entgegenzuwirken.
3.1.1 Tattoo Spirit
Die ‚Special-Interest-Zeitschrift’ Tattoo-Spirit erschien erstmals am 15.02.2003
und wird von dem Marion Kruhm Verlag herausgegeben, welcher zudem die
Magazine Tattoo Scout, Tattoo USA, Tattoo Studio und unregelmäßig
erscheinende Sonderhefte verlegt. Laut telefonischer Auskunft beträgt die
63
„Tattoo Galerie”, in: Tattoo Spirit 42 (2009), S. 88-92, hier S. 88.
„Eggenfelden”, ebd., S. 36-38, hier S. 36.
65
„Cologne Ink“, in: Tattoo Spirit 41 (2009), S. 14-19, hier S. 15.
64
16
aktuelle Druckauflage 80000 Exemplare.66 Tattoo-Spirit wird im monatlichen
Wechsel mit Tattoo Scout über die Landesgrenzen hinaus veröffentlicht.
Das selbsternannte „Lifestyle- und Bodyart-Magazin“ ist in feste Rubriken
aufgeteilt: So beinhaltet dies neben Studio- und Conventions- Berichte,
Reportagen
zu
verschiedenen,
meist
aktuellen
Themenbereichen,
Hintergrundinformationen zu Tattoo- Motiven, visuelle Anregungen hinsichtlich
der Motivwahl und sonstige allgemeine Informationen rund um das Thema
Tattoo (z.B. Buchtipps, Neuigkeiten aus der Szene, Erfahrungsberichte,
Werbung, uvm.). Bezüglich des Tenors der redaktionellen Berichte fällt auf,
dass dieser eher familiär und vertraut gehalten ist. Dies zeigt sich z.B. bereits
bei der Anrede der Leser, denn diese werden geduzt. Darüber hinaus wird der
vertraute oder fast familiäre Eindruck einer großen Gemeinschaft, welcher beim
Lesen der Zeitschrift entsteht, wird durch die Vielzahl an Aufrufen, „schrille“,
„außergewöhnliche“ oder „total verrückte“ Fotos sowie Geschichten über die
Entstehung und Hintergründe der eigenen Tätowierungen bei dem Verlag
einzusenden, gestärkt.
Grundlage der nachfolgenden Analyse stellt ein Artikel aus den Bereichen Spirit
Schicksal dar, in welchem der persönliche Beweggrund einer jungen Frau für
ihre Tätowierung geschildert wird.
3.1.2 Schmerz und Erinnerung
„Man brennt Etwas ein, damit es im Gedächtniss bleibt: nur was nicht aufhört
weh zu tun, bleibt im Gedächntiss“67
Was Friedrich Nietzsche Ende des 19. Jahrhunderts in Die Genealogie der
Moral für den immerwährenden Schmerz als Gedächtnisstütze in oralen
Kulturen geltend macht, scheint auch auf die Tätowierung von Julia68
zuzutreffen. In dem Artikel „Mein Tattoo ist ein Neubeginn“69 schildert sie die
Geschichte, die hinter ihrer Tätowierung steht: Im Alter von 10 Jahren habe sie
damit begonnen, sich mittels scharfer Klingen selbst zu verletzen. Als Grund
66
Informationen bezüglich der tatsächlich verbreiteten Auflage ließen sich nicht ermitteln.
Friedrich Nietzsche zit. n. Roland Borgards, „Schmerz/Erinnerung.”, in: Roland Borgards
(Hrsg.), Schmerz und Erinnerung, München 2005, S. 9-24, hier S. 12.
68
In dem Artikel wird die junge Frau Julia genannt. Ob dies ihr tatsächlicher Name ist, muss
offen bleiben. Dennoch werde ich im Verlauf der Analyse den Namen Julia verwenden.
69
Ohne Verfasser, „Mein Tattoo ist ein Neubeginn“, in: Tattoo Spirit 41 (2009), S. 60.
67
17
hierfür nennt sie traumatische Kindheitserfahrungen, wie z.B. das Aufwachsen
im Kinderheim sowie ihre Rolle als Außenseiterin:
„Es gab einfach Momente, da hat alles so wehgetan, dass ich es nur
ausgehalten hab, indem ich mir noch mehr Schmerzen zufügt [sic!] habe.“
Derartige Versuche einer Gefühlskontrolle, indem der seelische Schmerz in den
Hintergrund gedrängt wird, lassen sich am ehesten durch die wechselseitige
Beziehung von Schmerz und Erinnerung im Zusammenhang mit der
Schmerzwahrnehmung erklären. Denn Schmerz zu empfinden ist verbunden
mit einem zuvor erlebten Zustand eines Leidens, d.h. einen Schmerz
wahrzunehmen heißt zugleich sich eines vergangenen Schmerzes zu erinnern.
Demnach setzen sich Schmerz und Erinnerung wechselseitig voraus. Der
Literaturwissenschaftler Roland Borgards sieht genau in dieser wechselseitigen
Beziehung den Grund dafür, dass sich Schmerz und Erinnerung auch
gegenseitig ausschließen können:
„Der Schmerz blockiert traumatisch die Erinnerung; die Erinnerung überdeckt
therapeutisch die gegenwärtigen Schmerzen.“70
Demnach kann Julias selbstverletzendes Verhalten als Versuch angesehen
werden, ihre schmerzhaften Erinnerungen durch einen aktuell auftretenden
physischen Schmerz zumindest kurzzeitig einzudämmen. Da dieses Verhalten
jedoch nicht die Ursachen ihrer seelischen Schmerzen behob, begab sich Julia
in Therapie, welche ihr geholfen habe, mit dem ‚Ritzen’ aufzuhören. Um diese
für sie so wichtige Veränderung in ihrem Leben festhalten zu können, habe sie
sich dafür entschieden, mittels einer Tätowierung ein sichtbares, permanentes
Zeichen auf ihrer Haut – ähnlich zu ihren Narben – zu setzen:
„Das Tattoo bedeutet für mich, dass ich mit dem Ritzen aufgehört habe und
dass ich es nie wieder machen möchte. […] Ich will mit dem Tattoo einfach
sagen, dass ich damit abgeschlossen habe.“71
Obwohl Julia sich vermeintlich aus pragmatischen Gründen für ihre
Tätowierung entschieden hat, scheint ihre Tätowierung dennoch eine
körperliche Modifikation darzustellen, hinter der sich Schmerzen verbergen.
Auch nach Abklingen der physischen Schmerzen bleibt die Erinnerung, welche
beim Anblick ihrer Tätowierung – aber auch ihrer Narben – in ihr hervorgerufen
wird, stets erhalten.
70
71
Roland Borgards, 2005, S. 17.
Ohne Verfasser, „Mein Tattoo ist ein Neubeginn“, in: Tattoo Spirit 41 (2009), S. 60.
18
Der Ethnologe Pierre Clastres verweist diesbezüglich auf den Zusammenhang
von Schmerzen und Gedächtnis am Beispiel von Initiationsriten:
„Nach der Initiation, wenn der Schmerz bereits vergessen ist, bleibt etwas
zurück, ein unwiderruflicher Rest, die Spuren, die das Messer oder der Stein
auf dem Körper hinterlässt, die Narben der empfangenen Wunden. […] Das
Zeichen verhindert das Vergessen, der Körper selbst trägt auf sich die Spuren
der Erinnerung, der Körper ist Gedächtnis.“72
Auch im Falle von Julia scheinen die Tätowierung – und die Narben auf ihrem
Körper – einem Vergessen entgegenwirken zu sollen73:
„[…]Ich liebe Tattoos und ich wusste von Anfang an, dass ich etwas machen
will, was auch für immer bleibt, genauso wie die Narben. Ich habe hunderte am
ganzen Körper und die verstecke ich auch nicht.“74
Mit dieser Aussage deutet Julia zudem an, dass die Narben auf ihrem Körper
einen Teil ihrer Identität repräsentieren, welchen sie keineswegs leugnen
möchte. Die Tatsache, dass sie ihre Narben scheinbar nicht versteckt, steht in
eindeutigem Kontrast zu dem Verhalten eines Großteils der Personen mit
selbstverletzenden Verhaltenweisen. Erich Kasten vertritt diesbezüglich die
Meinung, dass ein größerer Teil der Personen, welche sich selbst Verletzungen
zufügen, hinterher zwar ein Gefühl der Ruhe oder Erleichterung verspüren
würden, dieses jedoch kurze Zeit später in ein Gefühl der Beschämung
transformiert werde, da ihnen nun bewusst werde, dass ihr Verhalten nicht
normal sei und sie erneut die Kontrolle über sich selbst verloren hätten. Daher
würde dieser Teil der betroffenen Personen ihre Narben und Wunden vor dem
sozialen Umfeld verbergen. Eine Möglichkeit, die eher stigmatisierenden
Narben dennoch ohne Schamgefühl zeigen zu können, sieht Kasten in dem
72
Pierre Clastres zit. n. Aleida Assmann, Erinnerungsräume, München 1999, S. 245f.
Der eigene Leib als Landkarte des Lebens wird auch in einer SF-Dokumentation mit dem
Titel „Scharf beobachtete Körper. Alltagsgeschichten von Freud und Leib“ aus dem Jahr 2009
thematisiert. In dieser wird unter anderem die (Lebens-)Geschichte von Verena erzählt, welche
sich seit frühester Kindheit als Außenseiterin gefühlt habe. Dadurch habe sie ein Faible für
Menschen entwickelt, welche nicht dem Durchschnitt entsprechen. Nicht durchschnittlich seien
für Verena die Tätowierten, da diese zwar anders, aber doch bei Sich seien. Diese würden sich
nicht so viele Gedanken über die Meinung der anderen machen. Sich tätowieren zu lassen
erschien Verena eine Möglichkeit anders zu sein und sich dabei stark zu fühlen. Nach dem
Motto „If you can’t find yourself – you have to create yourself“ habe sich Verena zunächst ein
kleines Tattoo als Liebesbezeugnis an ihren damaligen Freund auf die Hand stechen lassen.
Seitdem würde sie jede weit reichende und für sie wichtige Veränderung in ihrem Leben mit
einer Tätowierung auf ihrem Körper festhalten. Vgl. SF-Reportage „Scharf beobachtete Körper.
Alltagsgeschichten zwischen Freud und Leib“ [09:40-19:05], im Internet unter URL:
http://videoportal.sf.tv/video?id=28cfd196-675b-475b-a9abe9e14ed5b775&referrer=http%3A%2F%2Fwww.sf.tv%2Fsendungen%2Fdok%2Findex.php%3F
docid%3D20091112-2000-SF1, [17.04.2010].
74
Tattoo Spirit 41 (2009), S. 60.
73
19
Versuch einiger Personen, die vorhandenen Narben mittels Skarifizierungen „im
Sinne
einer
psychoanalytischen
Sublimierung“
in
eine
künstlerische
Ausdrucksform zu verwandeln.75
Die Frage, ob Körpermodifikationen – wie z.B. Tätowierungen, Piercings,
Skarifizierungen, Cuttings oder Brandings76 – im Allgemeinen als Praktiken der
Selbstverletzung betrachtet werden können bzw. als solche benutzt werden,
soll hier nicht weiter behandelt werden.77 Allerdings deutet eine weitere
Aussage von Julia darauf hin, dass ihre Motivation für die Tätowierung nicht nur
in der Markierung des Endpunktes eines Lebensabschnittes lag:
„Da das Tätowieren auch etwas schmerzhaft ist, dachte ich mir, wenn ich
irgendwann mal wieder den Bedarf habe, dann lass ich mir was stechen. Das
ist tausendmal besser, als mir mit einer Rasierklinge die Arme zu ritzen.“78
Julia sieht scheinbar in dem Akt des Tätowierens eine ‚bessere’ Möglichkeit,
ihren eventuell neu aufkommenden seelischen Schmerz durch die Zufügung
eines physischen Schmerzes zu überdecken.79 Jedoch wolle sie sich nie wieder
„etwas antun“. Und genau daran solle sie ihre Tätowierung stets erinnern. Julias
Tätowierung kann demzufolge als ‚vorbeugende Maßnahme’ verstanden
werden, indem sie ihre Bestrebungen versinnbildlicht, sich in Zukunft nicht mehr
selbst zu verletzten und die Kontrolle über den eigenen Körper und ihre Gefühle
zu bewahren. Mit der Tätowierung scheint Julia ihrem Schmerz einen festen Ort
auf ihrem Körper zugeteilt zu haben. Die Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth
Rohr veranschaulicht diesen Punkt wie folgt:
„So verwandelt sich der gepiercte oder tätowierte Körper in ein stummes
Gedächtnis seelischer Wunden, wobei diese Wunden nicht mehr einer weiteren
psychischen Verarbeitung und Reflektion zugänglich sind, sondern durch das
Piercing und Tattoo transformiert und als körperliche Symbole auf die Haut
gebannt werden und sich somit einer diskursiven Auseinandersetzung
75
Vgl. Kasten, 2006, S. 322-325.
Vgl. Mike Featherstone, “Body Modification: An Introduction“, in: Body & Society 5 (1999), S.
1-13, hier S. 1.
77
Diesen Sachverhalt thematisiert unter anderem Erich Kasten in seinem Buch BodyModification. Vgl. Kasten, 2006, S. 305-326; Vgl. auch Aglaja Stirn, „Mein Körper gehört mir, ich
kann damit machen was ich will“, in: Forschung Frankfurt 2 (2004), S.27-29, im Internet unter
URL:
http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/dok/2004/2004-2/Tattoo_27-29.pdf,
[15.04.2010].
78
Tattoo Spirit 41 (2009), S. 60.
79
Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet auch Andreas. Nach der Trennung von seiner Frau
habe er versucht, sich neu zu orientieren. In diesem Zusammenhang habe er sich für eine
Tätowierung entschieden. Während des Stechens seines Tribals habe er eine gewisse
„Erleichterung vom ständig vorhandenen Schmerz“ verspürt. Sein Gehirn habe sich mit anderen
Schmerzen beschäftigt, wodurch der „latent vorhandene Schmerz“ sich verlagert habe. Siehe
hierzu Video „Meine Tattoo Story“ [11:09], im Internet unter URL:
http://www.thebiographychannel.de/highlights/meine-tattoo-story, [18.05.2010].
76
20
widersetzen. Auf diese Weise werden sie scheinbar zum Verschwinden
gebracht.“80
Die Aussage, dass seelische Schmerzen durch Tattoos oder Piercings „zum
Verschwinden gebracht“ werden, begründet Rohr mit den Selbstheilungskräften
des Körpers. Ihrer Meinung nach würden die seelischen Schmerzen durch den
Akt des Tätowierens nach außen gelenkt und in einer körperlichen Wunde
gebündelt werden, die aufgrund der Selbstheilungskräfte des Körpers ohne
weitere Behandlung heilen und als ästhetisches Zeichen auf der Haut „[…] zwar
die Erinnerung an den Schmerz wie die Erinnerung an die aktiv gestaltete
Überwindung des Schmerzes“ erhalten würde, aber in „abgewehrter Form“.81
3.2 ‘Online’-Publikationen
„Das Internet ist in den modernen Wissens- und Industriegesellschaften eine
nicht mehr wegzudenkende Kommunikationstechnologie, die als Voraussetzung
für die Distribution und Produktion von Informationen und materiellen Produkten
ebenso relevant ist, wie sie das Alltagsleben vieler Menschen […] beeinflusst.“82
Wie in dem einleitenden Zitat des Sprachwissenschaftlers Peter Schlobinski
angedeutet, hat sich das Internet, jenes globale Kommunikations- und
Datennetz, welches 1990 unter dem Namen World-Wide Web für die
Öffentlichkeit zugänglich wurde, in den letzten 20 Jahren zu einem wichtigen
Kommunikations-, Distributions- und Informationsmedium entwickelt.83
In der vorliegenden Arbeit sind vor allem jene Anwendungen von Interesse,
welche der „Vordenker des modernen Internets“84 Tim O’Reilly 2004 als ‚Web
2.0’85 bezeichnet hat. Mit dem Begriff ‚Web 2.0’ werden üblicherweise virtuelle
Formen des sozialen Miteinanders – Social Network-Sites86, Wikis87, Weblogs88
80
Rohr, 2010, S. 235.
Vgl. ebd., S. 235.
82
Peter Schlobinski, „Editorial: Sprache und internetbasierte Kommunikation - Voraussetzungen
und Perspektiven“, in: Torsten Siever/Peter Schlobinski/Jens Runkehl (Hrsg.), Websprache.net.
Sprache und Kommunikation im Internet, Berlin/New York 2005, S. 1-14, hier S. 1.
83
Vgl. ARD-ZDF-Online Studie, URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/, [16.05.2010].
84
Simon Hage, Tim O’Reilly. Der Web Master, 22.11.2006, URL: http://www.managermagazin.de/it/artikel/0,2828,449911,00.html, [16.05.2010].
85
Vgl. Tim O’Reilly, Web 2.0: Compact definition?, URL:
http://radar.oreilly.com/archives/2005/10/web-20-compact-definition.html, [13.05.2010].
86
„ […] Social network sites [are] web-based services that allow individuals to (1) construct a
public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list of other users with
whom they share a connection, and (3) view and traverse their list of connections and those
made by others within the system.” Danah Boyd/Nicole Ellison, „Social network sites: Definition,
81
21
– beschrieben. Diese ermöglichen den (registrierten) Nutzern eigen produzierte
schriftliche, (audio-)visuelle oder musikalische Erzeugnisse zu veröffentlichen,
aktuelle themenbezogene oder interessenbezogene Fragen und Anliegen
(gemeinsam) zu diskutieren sowie Informationen und Wissen auszutauschen.
Meist mit einer ‚Kommentar-Funktion’ versehen, bieten diese Internetseiten den
Nutzern darüber hinaus die Möglichkeit, Anregungen, Ideen aber auch
(konstruktive) Kritik äußern zu können und vorhandene Ein- bzw. Beiträge – wie
z.B. bei der Online Enzyklopädie Wikipedia – zu redigieren oder Videos – wie
z.B. auf der Videoplattform YouTube – zu bewerten.89
Unter Einbeziehung jener Kommentare, Antworten, Anregungen bzw. Kritiken
wird
in
der
ausgewählter
nachfolgenden
Userbeiträge
Analyse
der
zunächst
anhand
Online-Communities
exemplarisch
Wildcat.de
und
Tattooscout.de untersucht, welche individuellen und soziokulturellen Deutungen
dem Schmerz im Kontext der Tätowierung beigemessen werden. Daran
anschließend wird ausgehend von einem exemplarisch ausgewählten Videoclip
auf der Videoplattform YouTube derselbe Analyseansatz verfolgt.
3.2.1 Wildcat.de & Tattooscout.de
Die Internetseite www.wildcat.de wird von der Wildcat Deutschland GmbH90
betrieben. Laut telefonischer Auskunft könne die Unternehmenstätigkeit von
Wildcat nicht auf ein spezielles Gebiet beschränkt werden. Vielmehr decke
Wildcat ein facettenreiches Angebot rund um die Schwerpunktthemen
Tätowierung, Piercing, Scarifications und Suspension ab. Hierzu gehöre neben
history, and scholarship”, in: Journal of Computer-Mediated Communication, 13 (2007), Artikel
11, URL: http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html, [13.05.2010].
87
„[Der Begriff Wiki bezeichnet] eine Plattform für das Wissensmanagement. Jeder Teilnehmer
kann bestehende Inhalte bearbeiten. Diskussionen zu einem Eintrag können auf den jeweiligen
Seiten geführt und dokumentiert werden. Auf Wunsch können einzelne Einträge für die weitere
Bearbeitung gesperrt werden - etwa wenn eine bestimmte Qualität erreicht wurde.“, Harvard
Business Manager, URL:
http://www.harvardbusinessmanager.de/extra/glossar/a-599776.html#W, [13.05.2010].
88
„Ein Blog […] oder auch Weblog […] ist ein auf einer Website geführtes und damit – meist
öffentlich – einsehbares Tagebuch oder Journal.“ Wikipedia, URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Weblog, [13.05.2010].
89
Vgl. Miriam Meckel, „Aus Vielen wird das Eins gefunden – wie Web 2.0 unsere
Kommunikation verändert“, in: APuZ 39 (2008), S. 17-22. URL:
http://www.bpb.de/publikationen/X08XMV,0,0,Neue_Medien_Internet_Kommunikation.html,
[10.04.2010].
90
Im Weiteren Verlauf nur noch Wildcat genannt.
22
der Organisation von Tattoo-Conventions (z.B. die Tattoo-Convention in
Dortmund) der Vertrieb diversen Zubehörs (z.B. Ohrschmuck, Piercing-Stecker)
und die Bereitstellung verschiedener Dienste im Internet. Registrierte User
haben auf der Internetseite von Wildcat die Möglichkeit, ein eigenes Profil zu
erstellen, auf ihrer Profilseite einen Blog zu führen, zu bestimmten Themen
Artikel zu verfassen, sich mit anderen Mitgliedern in Chatrooms zu unterhalten
sowie ihre Fragen und Anliegen in themenspezifischen Foren zur Diskussion zu
stellen. Da Wildcat.de auf eine spezielle Klientel ausgerichtet ist, kann davon
ausgegangen werden, dass ein Großteil der Mitglieder dieser OnlineCommunity ihren Körper bereits ‚modifiziert’ hat oder dies noch beabsichtigt.
Auch das Angebot des Bodyart-Portals tattooscout.de91 orientiert sich an den
Interessen einer speziellen Klientel. Im Gegensatz zu Wildcat.de ist
Tattooscout.de – wie der Name bereits andeutet – jedoch auf die besonderen
Interessen von Tätowierten und Tätowierern ausgerichtet.92 So beinhaltet das
Portal einen Kalender mit aktuellen Veranstaltungstipps, eine Galerie mit UserFotos
zum
Bewerten
und
Kommentieren,
eine
Studiodatenbank
und
themenspezifische Foren.
Bei beiden Internetportalen fällt auf, dass diese allgemeine Informationen zu
dem
Schwerpunktthema
Body-Modification
mit
Produkt-
und
Markeninformationen der jeweiligen Partner-Unternehmen kombinieren. Diese
Kombination ist sowohl bei Wildcat.de als auch bei Tattooscout.de eindeutig
unter der Rubrik Shop, etwas unauffälliger unter dem Bereich Community zu
finden.93
91
Das Online-Magazin Tattooscout.de wird betrieben von der Arno Joosten & Ulrich Hendrix
GbR. Der Internetauftritt offenbart jedoch eine gewisse Nähe zu der Zeitschrift Tattoo-Spirit,
welche von dem Kruhm Verlag vertrieben wird. Dieser Verlag gibt unter anderem auch die
Zeitschrift Tattoo Scout heraus. Ob und inwiefern Tattooscout.de mit dem Kruhm Verlag
zusammenarbeitet, konnte ich nicht ermitteln, da ich diesbezüglich keine Rückantwort erhalten
habe.
92
Interessanterweise gibt es auf dieser Internetseite auch auf die Themen ‚Piercing &
Bodymodification’ ausgerichtete Foren. Zudem erscheinen in der Rubrik News auch aktuelle
Meldungen aus der Piercing-Szene. Es scheint fast so, als seien die Tattoo- und
Piercingszenen nicht voneinander zu trennen.
93
Tattooscout.de bietet z.B. ein öffentlich zugängliches Forum für Tätowierer, welches als
„Werbeplattform für den Professional Account dient“. URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,44/page,viewtopic/t,3842/,
[28.05.2010].
23
3.2.2 Schmerz und Identität
„Nur durch die bereitwillige Öffnung für das Neue, indem Lust gesucht und
Schmerz riskiert werden, versucht der durch die Welt Ziehende, seine Identität
zu finden. Lust und Schmerz scheinen notwendige Dimensionen für die Reifung
der Persönlichkeit zu sein, und dem Gereiften gewähren sie vielleicht die
Kontinuität der eigenen Identität.“94
Das Stechen einer Tätowierung ist im Grunde stets mit Schmerzen verbunden.
Schließlich
werden
mittels
schnell
aufeinander
folgender
Nadelstiche
Farbpigmente unter der Haut eingebracht, wodurch ein Oberflächenschmerz95
erzeugt wird. Wie bereits in Kapitel 1.3 erwähnt, resultiert jedoch nicht aus jeder
Aktivierung des nozizeptiven Systems eine schmerzhafte Empfindung. Oftmals
wird das Stechen einer Tätowierung als angenehm, lustvoll, befreiend oder ‚geil’
empfunden. Dies ist vermutlich auf die innere Einstellung der jeweiligen Person
zurückzuführen, woraufhin zahlreiche Diskussionsverläufe zu unterschiedlichen
Userbeiträgen
der
Online-Communities
Wildcat.de
und
Tattooscout.de
hindeuten.
Ausgangspunkt dieser Diskussionen ist die in den jeweiligen Userbeiträgen
enthaltene Darstellung des persönlichen Stellenwertes des Schmerzes beim
Tätowieren. Der Artikel „Geliebter Schmerz/ No Pain – No Gain“96 auf
Wildcat.de ist eher als Erfahrungsbericht eines langjährigen ‚Szenemitgliedes’
zu lesen, in welchen die persönlichen Eindrücke bezüglich der Veränderungen
der ‚Tattoo- und Piercingszene’ innerhalb der letzten 20 Jahre beschrieben
werden. Der Autor des Artikels, Finkster, hebt hierbei hervor, dass entgegen der
grundlegenden
Veränderungen
und
Erneuerungen
im
Bereich
Body-
Modification sich eines für ihn nicht verändert habe: Die Lust am Schmerz. Der
Begriff Lust ist meist sexuell konnotiert. Die Aussage von Finkster, er empfinde
Lust im Zusammenhang mit Schmerz, könnte demzufolge als masochistische
Tendenz verstanden werden. Jedoch grenzt sich Finkster eindeutig von
denjenigen ab, die Schmerzen zur sexuellen Stimulation benutzen97:
94
Pöppel, 1982, S. 286.
Der Oberflächenschmerz lässt sich in zwei aufeinander folgende Phasen einteilen: auf einen
gut lokalisierbaren ‚hellen’ Schmerz schließt nach ca. einer Sekunde ein ‚brennender’ Schmerz
an, welcher schwer zu lokalisieren ist und nur langsam abklingt. Vgl. Kasten, 2006, S. 211.
96
http://www.wildcat.de/index.php?view=0c-articleshow&id=4479, [15.05.2010].
97
Für eine genauere Untersuchung der These, dass die beim Tätowieren entstehenden
Schmerzen auch ein sexuelles Lustempfinden hervorrufen können, konnten sich nur sehr
wenige aussagekräftige Beispiele finden lassen, daher bleibt dies in der folgenden Analyse
unberücksichtigt.
95
24
„Ich hasse Schmerzen und kann mich in keinster Weise in einen Masochisten
versetzen, der dabei sexuelle Lust verspürt oder es genießt erniedrigt zu
werden.“98
Vielmehr empfinde er die mit dem Tätowieren (oder Piercen) einhergehenden
Schmerzen insofern lustvoll, als dadurch Endorphine in ihm geweckt werden
würden,
die
seinen
Willen
durchzuhalten,
stärken
würden.
Aus
neurowissenschaftlicher Sicht lässt sich dieser Aspekt mit der Aktivierung des
Belohnungszentrums im Gehirn durch Schmerzreize erklären. Der Psychologe
Erich Kasten verweist diesbezüglich auf eine experimentelle Untersuchung von
Lino Becerra (et al), in welcher die (Gehirn-)Reaktionen von Probanden auf
kurze Temperaturreize an den Händen mit einem Kernspintomographen
aufgezeichnet wurden. Hierbei stellten die Wissenschaftler fest, dass das
Belohnungszentrum
unmittelbar
auf
den
Schmerzreiz
reagierte.
Das
Belohungszentrum antwortet demnach nicht nur bei angenehmer Stimulation,
wie z.B. Süßigkeiten naschen oder Sex, mit der Ausschüttung körpereigner,
glücksfördernder Hormone, sondern eben auch bei schmerzhaften Reizen. Die
körpereigenen Opioiden – hierzu zählen die von Finkster erwähnten Endorphine
– führen jedoch nicht nur euphorische Gefühle herbei, sondern können auch die
Schmerzwahrnehmung reduzieren, indem sie das absteigende, analgetische
Schmerzsystem aktivieren und somit weniger Schmerzinformation an das
zentrale Nervensystem vermittelt wird.99
Darüber
hinaus
körpereigener,
fördert
das
glücksfördernder
Belohungszentrum
Hormone
auch
mit
der
Verhalten,
Ausschüttung
welches
in
Erwartung positiver Folgen ausgeführt wird.100 Auch dieser Sachverhalt wird in
dem Artikel von Finkster angedeutet. Denn er verbinde Tätowierungen (oder
Piercings) neben dem ästhetischen Aspekt, auch mit dem Aspekt, eine neue
98
Finkster, URL: http://www.wildcat.de/index.php?view=0c-articleshow&id=4479, [01.06.2010].
Vgl. Kasten, 2006, S. 329-338.
100
‚Hochgefühle’ dieser Art werden des Öfteren in Kommentaren beschrieben. So schreibt zum
Beispiel der User Hoschte: „Aber es [der Schmerz] gehört dazu...und das Gefühl wenn der
Folterknecht sagt das man fertig sei ist jedesmal ein Glücksgefühl welches man gar nicht
beschreiben kann.“, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/postd
ays,0/postorder,asc/start,15/, [01.06.2010].
Der User Stanair bestätigt in seinem Kommentar das in der vorherigen Aussage beschriebene
Gefühl: „wenn ihr ausm tattooladen raus seit bekommt ihr das grinsn eh nich vom gesicht, vor
lauter adrenalin und endorphin, […] da is der schmerz ganz schnell verflogen.“, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/postd
ays,0/postorder,asc/start,0/, [01.06.2010].
99
25
Erfahrung zu machen. Seine persönlichen Grenzen auszureizen. Sich selbst –
und vermutlich auch seiner Umwelt – zu beweisen, dass er sich seine
‚Errungenschaften’ auf dem Körper durch das Aushalten von Schmerzen
verdient hat:
„[A]ber da ist noch so ne Art Initiationsritual dabei. Wie bei
Eingeborenenstämmen - wenn der Junge/das Mädel durch eine traditionelle
Mutprobe oder ein Ritual - in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wird.
Dieses Gefühl etwas neues zu erringen, es sich mit Schmerz "verdienen" zu
müssen.“101
Diese Aussage von Finkster deutet neben den äußerlich sichtbaren
‚Errungenschaften’
auch
den
oftmals
mit
dem
Akt
des
Tätowierens
verbundenen inneren Prozess der Identitätsfindung, -bildung und -bestätigung
an.102
Der Psychologe Ernst Pöppel stellt in seinem Buch Lust und Schmerz die
These auf, dass sich das Gefühl einer eigenen Identität erst durch das Erleben
intensiver Grenzerlebnisse von Schmerz oder Lust entwickeln könne:
„Grenzerlebnisse im Schmerz oder in der Lust ermöglichen es uns erst, durch
ihren Kontrast zur Wirklichkeit des Alltäglichen unsere Identität in einem
psychischen Bezugssystem zu sehen, wobei der Rahmen dieses
Bezugssystems durch die ekstatischen Erlebnisse definiert wird.“103
Da es in der Natur des Menschen liege, dieses Bezugssystem der eigenen
Identität immer wieder neu bestätigen zu wollen und die alltägliche Monotonie
zum Verlust des Gefühls einer eigenen Identität führe, versuche der Mensch
der eigenen Entfremdung durch verschiedene Praktiken entgegenzuwirken.104
Der Argumentation von Pöppel folgend, kann auch der Akt des Tätowierens als
eine Möglichkeit angesehen werden, die Grenzen jenen Rahmens zu finden
oder sogar zu erweitern, innerhalb dessen die eigene Identität bestimmt wird,
und dadurch einer Entfremdung entgegenzuwirken, da die mit der Prozedur des
Tätowierens einhergehende Empfindung als Grenzerlebnis – sei es lustvoll oder
schmerzhaft – aufgefasst werden kann.
101
Finkster, URL: http://www.wildcat.de/index.php?view=0c-articleshow&id=4479, [01.06.2010].
Vgl. Kasten, 2006, S. 234-236, Oettermann, 1979, S. 12; Wolfgang Fritscher, „Lust am
Schmerz? (Post)moderne Tattoos zwischen Kunst und Melancholie“, in: Alice Bolterau/Elfriede
Wiltschnigg (Hrsg.), Kunstgrenzen. Funktionsräume der Ästhetik in Moderne und Postmoderne,
Wien 2001, S. 305-319.
103
Pöppel, 1982, S. 265.
104
Vgl. Pöppel, 1982, S. 263-271.
Ernst Pöppel nennt in diesem Zusammenhang Meditation. Er weist aber auch darauf hin, dass
die durch das Meditieren hervorgerufenen Grenzerlebnisse vergleichbar seien, mit denen eines
überwundenen Schmerzes, eines Orgasmus’ oder eines Trance-Zustandes.
102
26
Dies kommt zum Beispiel in einem weiteren Artikel der Internetseite Wildcat.de
zum Ausdruck, in welchem die Userin Hellsleeper666 ihre Meinung bezüglich
der Schmerzen beim Tätowieren äußert. Sie persönlich empfinde die durch die
Nadelstiche ausgelösten Schmerzen keineswegs als grausam. Viel eher
würden diese ein Bewusstsein in ihr hervorrufen, ihren Körper anders zu
erleben.105
Eine ähnliche Erfahrung beschreibt auch der User Phoenix:
„Aber selbst wenn ich nur ausgehungert und gestresst zu meinen terminen
könnte wäre es jede sekunde der agonie wert durchlebt zu werden um an ein
neues stück ich zu kommen.“106
In einem weiteren Kommentar verdeutlicht er seine Einstellung der Tätowierung
gegenüber:
„Man hat eine Tätowierung nicht, in form von Besitz. Man ist tätowiert, im sinne
von sein.“107
Diese
innere
Einstellung
beeinflusst
anscheinend
das
persönliche
Schmerzempfinden, worauf die Vielzahl derartiger Aussagen hinweist. Immer
wieder wird das Argument eingebracht, wenn eine Tätowierung tatsächlich
gewollt sei, dann transformiere dieser Wille die Schmerzen in eine angenehme
Empfindung.108 Oder anders ausgedrückt, das Gefühl, welches sich nach
Verlassen eines Tattoo-Studios einstelle – sich selbst verwirklicht zu haben,
sich seiner Identität bewusst geworden zu sein, die eigenen Grenzen
überwunden zu haben oder einfach nur ein schönes Hautbild zu besitzen –
lasse die Schmerzen vergessen und erfülle den Träger mit Stolz.109
105
Vgl. Hellsleeper666, „Tut das weh?“, URL: http://www.wildcat.de/index.php?view=0carticleshow&id=1400, [15.05.2010].
106
Phoenix, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,0/page,viewtopic/p,52384/sid,11
70dc812779b752fc55361e31a8bff1/, [01.06.2010].
107
Phoenix, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/postd
ays,0/postorder,asc/start,0/, [01.06.2010].
108
Vgl. Don Andre: „Als ich mein Tattoo machen ließ, wollte ich es so sehr haben und habe
mich dermaßen darauf gefreut, daß ich die "stichelei" nicht wirklich als schmerzhaft empfunden
habe. […] Ich habe während der Sitzung versucht den "schmerzhaften Teil" auszublenden
(Atmung, ablenken etc.) aber soweit das Gefühl zuzulassen die Nadelstiche als positiven zum
Tattoo gehörenden Teil zu empfinden.“, URL: http://www.wildcat.de/index.php?view=0carticleshow&id=4479, [01.06.2010].
KiMiMoOn: „Und wer es unbedingt will, der hällt [sic!] das schon aus“, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,99999999/page,viewtopic/t,1960
/postdays,0/postorder,asc/start,15/, [01.06.2010].
109
Vgl. saatkraehe: „aber wenn es fertig ist, denkt man nicht mehr an die schmerzen zurück ...“,
URL:http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/
postdays,0/postorder,asc/start,90/, [01.06.2010].
27
3.2.3 YouTube – ‘Broadcast Yourself’
YouTube110 kann sinngemäß mit ‚du sendest’ übersetzt werden. Zusammen mit
dem Leitspruch ‚Broadcast Yourself’ ergibt sich das Konzept dieser 2005
gegründeten Videoplattform: die Möglichkeit, eigen sowie professionell
produziertes Videomaterial im Internet verbreiten zu können. Seit der Gründung
im Jahr 2005 zählt YouTube – mittlerweile ein Tochterunternehmen von Google
– zu den wohl am meist besuchten Videoplattformen im Internet. Jede Minute
werden ca. 20 Stunden Videomaterial ‚hochgeladen’.111 Hierbei reichen die
Inhalte von ‚belanglosen’ Erzählungen alltäglicher Erlebnisse der Protagonisten
über (teils aufwendig inszenierte) Nachahmungen bekannter Ereignisse der
Film- und Musikgeschichte bis hin zu kostbaren Ausschnitten der Film- und
Fernsehgeschichte. Für den Film- und Medienwissenschaftler Patrick Vonderau
zeichnet sich das Medienphänomen YouTube gerade durch diese Kombination
einst getrennter Formate auf einer Plattform aus.112
Für meine Analyse sind vor allem die selbst produzierten Videoclips in
Verbindung mit den dazugehörigen Kommentaren relevant, da dies eine
Untersuchung individueller sowie kollektiver Deutungen von Schmerz erlaubt.
3.2.4 Schmerz und Authentizität
„Der Einzelne drückt seine Schmerzen durch ritualisierte Formen aus, so wie
sie den Erwartungen der anderen entsprechen. Wenn aber ein zur Schau
getragenes Leiden in keinem Verhältnis zu seiner Ursache zu stehen scheint
und den vorgegebenen Rahmen sprengt, kommt der Verdacht des
Selbstmitleids oder der Falschheit auf.“113
Kastanie: „Ja es tat weh und trotzdem - ich bin überglücklich und würde es jederzeit wieder tun.
Es lohnt sich.“, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/postd
ays,0/postorder,asc/start,150/, [01.06.2010].
piet: „Das war Brutal, aber um so stolzer geht man aus dem Studio wenn man das dann
durchgezogen hat. Mir ging es jedenfalls so.“, URL:
http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/t,12657/postd
ays,0/postorder,asc/start,45/, [01.06.2010].
110
Die deutsche Übersetzung von ‚tube’ lautet unter anderem ‚Kanal’. YouTube kann meiner
Ansicht nach sinngemäß als ‚dein Kanal’ verstanden werden, in welchem ‚du’ für den Inhalt
verantwortlich bist.
111
Vgl. Ohne Verfasser, YouTube – Alternativen im Netz, 27.04.2009, URL:
http://www.focus.de/digital/internet/videoportale-youtube-alternativen-im-netz_aid_393498.html,
[13.05.2020].
112
Vgl. Josef König, „Broadcast Yourself“: Bochumer Medienwissenschaftler erforscht die
YouTube Welt, 08.03.2010, URL: http://idw-online.de/pages/de/news358840, [20.05.2010].
113
LeBreton, 2003, S. 123.
28
Mit „Tätowieren – Ich bin hart und ich bin weich“114 betitelte Diamond of Tears
ihren im Januar 2010 auf der Videoplattform YouTube zur Verfügung gestellten
Videoclip. Die Auswahl des Titels lässt vermuten, dass sie sich der Brisanz der
im Titel enthaltenen konträren Eigenschaften in Bezug auf Schmerz im Kontext
der Tätowierung bewusst ist. Dies verdeutlicht sie zudem in einem VideoKommentar, welcher den eigentlichen Videoclip einleitet, indem sie bestimmte
Schlüsselbegriffe – „Gelache, Geschreie, Geheule, Beleidigung“115 – anführt.
Letzteren rechtfertigt sie mit dem Verweis auf das Erleiden von Schmerzen
beim Tätowieren.
Entsprechend ihrer einleitenden Worte wirkt Diamond of Tears zu Beginn des
Videos eher gefasst. Als sie gefragt wird, wie sie die aktuelle Situation beurteile,
erwähnt sie – mit einem leidenden Blick in die Kamera – dass es mehr wehtäte,
als beim ersten Mal. Kommentiert dies aber nicht weiter. Es folgen diverse
‚belanglose’ Kommentare und Unterhaltungen; Diamond of Tears beginnt ein
Lied anzustimmen. Möglicherweise soll dies der geistigen Ablenkung dienen,
um den Schmerz erdulden zu können. Dies scheint bis zu einem gewissen
Punkt zu gelingen, doch dann beginnt sie – vermeintlich aus dem Nichts heraus
– vor Schmerzen zu schreien und die Tätowiererin zu beleidigen.116 Schwächt
diesen emotionalen und verbalen Ausbruch jedoch direkt mit einem Lachen
wieder ab.117 Diese scheinbare Paradoxie erweckt bei dem Zuschauer den
Eindruck, sie würde die Schmerzen nur vortäuschen, was in folgenden
Kommentaren zum Ausdruck kommt:
„Also man kann auch n drama draus machn, die stellen tun so gut wie garnicht
weh!“118
„meine güte, das kommt voll gefaket rüber. ich glaube in echt tut das gar nicht
weh. du tust nur so.“119
„sowas beklopptes hab ich lange nicht gesehen...sinnlose kleine sterne an
stellen die eigentlich niemanden schmerzen und sie tut so als wäre das total
schlimm...“120
114
http://www.youtube.com/watch?v=hLuw3NyNKLk, [23.05.2010]. Das Video ist auf einer CD
im Anhang beigefügt.
115
Ebd. (00:06), [23.05.2010].
116
Vgl. ebd., (02:55), [23.05.2010].
117
Der weitere Verlauf des Videoclips ist durch einen ständigen Wechsel des Gefühlszustandes
der Protagonistin gekennzeichnet.
118
Tomtom8111,URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [23.05.2010]
119
dmcc1985, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [23.05.2010].
29
Elaine Scarry, Professorin für englische und amerikanische Literatur an der
Harvard Universität, bezeichnet in ihrem Buch The Body in Pain physischen
Schmerz als Paradoxon zwischen Zweifel und Gewissheit:
„So, for the person in pain, so incontestably and unnegotiably present is it that
„having pain“ may come to be thought of as the most vibrant example of what is
it to “have certainty”, while for the other person it is so elusive that “hearing
about pain” may exist as the primary model of what it is “to have doubt”. Thus
pain comes unsharably into our midst as at once that which cannot be denied
and that which cannot be confirmed.”121
Für Scarry zeichnet sich physischer Schmerz demzufolge durch die Eigenschaft
der Nichtkommunizierbarkeit aus.122 Mit eben jenem Problem in Bezug auf die
Kommunizierbarkeit von Schmerz beschäftigt sich auch der Philosoph Ludwig
Wittgenstein. Dieser geht davon aus, dass jeder Mensch mit dem Begriff
Schmerz eine Empfindung beschreibt, welche aus einem zuvor erlebten
Schmerzereignis die individuelle Bedeutung erhält. Schmerz ist demzufolge
stets ein subjektives Phänomen. Aus diesem Grund ist eine Anwendung des
Begriffs Schmerz auf jemand anderen, der behauptet Schmerz(en) zu
empfinden, diffizil, da dessen Empfindung zunächst mit dem subjektiven
Sinnes- und Gefühlserlebnis gleichgesetzt wird, welches zuvor als Schmerz
bezeichnet wurde. Eben dieser Vergleich stellt das Grundproblem der
Kommunizierbarkeit
von
Schmerz
dar,
weil
dadurch
der
Andere
als
„Schmerzopfer“123 vorerst aus dem individuellen Erlebnis ausgeklammert wird.
Demnach könne ein subjektiver Schmerzbegriff im Grunde niemals auf die
öffentliche Sprache angewandt werden.124
Allerdings lassen sich in der Alltagssprache immer wieder Schmerzäußerungen
finden. Diese sind vorwiegend durch Formulierungen wie „als ob“ oder „wie
wenn“ geprägt. Die subjektive Empfindung Schmerz wird dadurch mit anderen
Gefühls- und Sinneserlebnissen verglichen, sodass Außenstehenden dieses
subjektive Gefühl zumindest teilweise vermittelt werden kann.
120
Andykunze, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [23.05.2010]
121
Elaine Scarry, The Body in Pain, New York 1985, S. 4.
122
Elaine Scarry bezieht sich in ihrer Untersuchung grundsätzlich auf physischen Schmerz. Sie
hebt jedoch hervor, dass psychischer Schmerz sich von physischem Schmerz dadurch
unterscheidet, dass er einen Referenten besitzt, dass dieser sich also auf einen
wahrnehmbaren Gegenstand oder eine Person bezieht. Vgl. Elaine Scarry, 1985, S. 5.
123
Vgl. Helge Meyer, Schmerz als Bild. Leiden und Selbstverletzung in der Performance Art,
Bielefeld 2008, S. 162.
124
Vgl. Helge Meyer, 2008, S. 161f.
30
Karl Markus Michel, Schriftsteller und ehemaliger Mitherausgeber der Kulturund Theoriezeitschrift Kursbuch, bezeichnet den Gebrauch oben genannter
Wendungen
als
„[…]
einzigen
Ausweg
aus
der
Sprachlosigkeit
des
Schmerzes“125. Dennoch bleibe der erlebte und gefühlte Schmerz im
Individuum verhaftet, da dieser zwar etwas Allgemeines sei, aber dessen
Erfahrung ganz individuell. Insofern können die Worte, mit welchen der
subjektiv erlebte Schmerz beschrieben wird, immer auch nur die eigenen sein.
Michel charakterisiert den Schmerz daher als „Archetypus“126. Demgegenüber
scheint das ungehemmte Schreien vor Schmerzen, „das Herausbrüllen der
Pein“127 eine Möglichkeit zu sein, den Schmerz von der privaten Ebene zu lösen
und somit nach außen zu vermitteln, respektive einen Teil jener Ebene zu
verlieren, welchen Elaine Scarry als „Paradebeispiel für Zweifeln“128 bezeichnet
hat.129
Interessanterweise wird jedoch jenes ‚Ausschreien’ der Schmerzen von einem
Großteil der YouTube-Gemeinschaft als unecht eingestuft. Dies lässt vermuten,
dass diejenigen Nutzer, welche die Authentizität von Diamond Of Tears’
Schmerzäußerungen in Frage stellen, sich selbst schon einmal der Prozedur
des Tätowierens unterzogen haben und folglich die damit einhergehenden
Schmerzen aus eigener Erfahrung beurteilen könnten. Jedoch geben nur sehr
wenige User eine derartige Information in ihren Kommentaren über sich
preis130 , der Großteil zweifelt lediglich die Echtheit Diamond Of Tears’
Äußerungen
an.
Vereinzelt
erhält
die
Protagonistin
hinsichtlich
ihrer
Verhaltensweise aber auch Zustimmung von der Gemeinschaft.131 Der Grund
dieser konträren Reaktionen mag zum Einen an der polarisierenden Wirkung
der Protagonistin an sich liegen – Diamond of Tears ist eine eher umstrittene
125
Karl Markus Michel, Von Engeln, Eulen und Sirenen, Frankfurt am Main 1988, S. 380.
Ebd., S. 402.
127
Helge Meyer, 2008, S.131.
128
Scarry, 1985, S. 4.
129
Vgl. Meyer, 2008, S. 130f.
130
Z.B. MemberWinny: „ich selbst hab ein tattoo und finde die schmerzen mehr als nur
erträglich“; CherryVanHolland: „Lass dir mal die Rippen tätowieren, dann weisste was
Schmerzen sind.“; Desiileiin: „mein Tattoo hat gar nicht weh getan und ich bin auch ganz froh“.
URL:http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [24.05.2010].
131
Z.B. ChelseaSmile89: „hab selber 2 tattoos und daher weiß ich wie sich der schmerz
anfühlt.“; ArInAcW: „ich kenn das mit den schmerzen. hab auch ein [Tattoo] im nacken.“;
Akantorkriller: „Aber das tut auch sau weh, da darf man ruhig schreien.“; URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [24.05.2010].
126
31
Person innerhalb der ‚YouTube-Community’132 – zum Anderen an den
gegensätzlichen Haltungen den Schmerzen beim Tätowieren gegenüber und
der daraus resultierenden unterschiedlichen Wahrnehmung von Schmerzen.
Der in den Kommentaren enthaltene Zweifel an der Authentizität impliziert
nämlich noch einen weiteren Aspekt: Die Bewertung. Der Argumentation des
Philosophen Nikos Psarros folgend, können Schmerzäußerungen weder als
falsch noch als wahr charakterisiert werden, sondern viel eher als angemessen
oder unangemessen, da Schmerzäußerungen für ihn „den Charakter von
bewertenden Urteilen“133 haben, welche von dem jeweiligen Kontext und der
jeweiligen Situation, in der sie geäußert werden, abhängig sind.134 Ob eine
Schmerzäußerung als angemessen oder unangemessen gilt, zeigt sich
demzufolge in der anerkennenden bzw. ablehnenden Reaktion der Anderen,
welche wiederum von den jeweiligen Bedingungen und Umständen abhängig
ist. Dies kann am ehesten anhand der Beziehung zwischen Schmerz und
Leiden verdeutlicht werden: Schmerzen zu empfinden ist eng mit einem zuvor
subjektiv erlebten Zustand eines Leidens verbunden.135 Die individuelle
Bewertung eines konkreten Schmerzerlebnisses ist jedoch immer auch von den
soziokulturellen Haltungen diesem gegenüber geprägt. Nikos Psarros nennt
dies „Leidensberechtigung“136 . Demnach wird nicht jedem Schmerz dasselbe
Maß an Leiden beigemessen, genauso wie nicht jeder Schmerz mit Leiden
verbunden wird.137
Auf das genannte Beispiel übertragen würde dies bedeuten, dass die mit dem
Akt
des
Tätowierens
einhergehenden
Schmerzen
die
Protagonistin
anscheinend nicht zum Leiden ‚berechtigen’. Dies lässt sich aus den
Beurteilungen bezüglich der Schmerzen beim Tätowieren – vor allem dieser
konkreten Körperstellen – schließen, die in den zahlreichen Kommentaren
enthalten sind. So kritisiert zum Beispiel rockawella das Verhalten der
Protagonistin mit dem Verweis, sie sei eine „Mimose“ und solle sich nicht so
132
Dies zeigt sich vor allem in den mannigfaltigen Diskussionen rund um die Person Diamond
Of Tears zu ihren diversen Videoclips.
133
Nikos Psarros, „Schmerzaussagen als Urteilsformen“, in: e-Journal Philosophie der
Psychologie 3 (2005), S. 1-13 (hier S. 9). URL: http://www.jp.philo.at/texte/PsarrosN2.pdf,
[17.04.2010].
134
Vgl. ebd., S. 9.
Als Beispiele sind Zahnschmerzen oder Migräne (als angemessen eingestuft) sowie
Geburtsschmerzen (als weniger angemessen eingestuft) zu nennen.
135
Vgl. Vermeersch, 2000, S. 386.
136
Psarros, 2005, S. 9.
137
Vgl. ebd., S. 9; LeBreton, 2003, S. 121-124.
32
anstellen, das Tätowieren im Schulterbereich würde schließlich nicht so sehr
wehtun.138
Auf eine ähnliche Weise argumentiert auch sinista23, indem sie die
Protagonistin als „Weichei“ für das bisschen ‚stechen’ bezeichnet.139 Auch
tomtom8111 schätzt die Körperstellen, an denen sich die Protagonistin
tätowieren lässt, als weniger schmerzempfindlich ein.140 Darüber hinaus scheint
es Körperstellen zu geben, die im Zusammenhang mit dem Akt des
Tätowierens eher zum Leiden ‚berechtigen’, wie z.B. die Rippen- oder
Unterarmregion.141 Allerdings sind auch diese Körperstellen umstritten.
AndreasNemesis widerspricht zum Beispiel der Aussage von Ice90dc, indem er
auf seine nahezu schmerzlose Erfahrung im Zusammenhang mit dem Stechen
seiner Unterarmtätowierung verweist.142 Zudem deutet er in einem weiteren
Kommentar an, dass er während seiner diversen ‚Tattoo-Sitzungen’ ohnehin
kaum Schmerzen empfunden habe. Vielmehr liebe er die Nadelstiche, weil
diese sich für ihn so anfühlen würden, als ob er gekrault werden würde.143 Die
Userin TheSunnybaby08 behauptet sogar, sie sei während ihrer ‚TattooSitzung’ eingeschlafen, da das Stechen einer Tätowierung ihrer Meinung nach
harmlos sei.144
Derartige Aussagen lassen vermuten, dass das Ertragen von Schmerzen
innerhalb der ‚Tattoo-Szene’ als eine Art Ehrenkodex betrachtet wird.
Schmerzen nicht zu thematisieren bzw. diese positiv zu konnotieren scheint der
Profilierung zu dienen, worauf folgender Kommentar von dadyone100
hindeutet:
138
Vgl. rockawella, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
139
Vgl. sinista23, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
Bemerkenswerterweise gibt sie jedoch im nächsten Satz zu, dass sie sich während der letzten
halben Stunde ihrer ‚Tattoo-Sitzung’ ähnlich verhalten hat wie Diamond Of Tears.
140
Tomtom8111, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
141
CherryVanHolland: „Lass dir mal die Rippen tätowieren, dann weisste was Schmerzen
sind.“; ice90dc: „[…]aber ich kann dir sagen, lass dich mal am inneren unterarm tätowieren. das
sind noch mehr schmerzen.“, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
142
Vgl. AndreasNemesis, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
143
Vgl. ebd, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
Ähnlich positive Konnotationen lassen sich unter anderem in den Aussagen von Brina211089
und memberWinny dokumentieren.
144
Vgl. TheSunnybaby08, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
33
„Ich hab mir meine Finger stechen lassen, und hab mich nich halb so
angestellt.“145
Das Aushalten der Schmerzen scheint diesen User mit Stolz zu erfüllen. Durch
seine Aussage grenzt er sich von denjenigen ab, die Schmerzen als
unabdingbare Nebenerscheinung des Tätowierens ansehen, sich vor diesen
fürchten und im Grunde darauf verzichten könnten. Zudem deutet er an, dass
das Stechen seiner Tätowierung ihn eher zum Leiden hätte ‚berechtigen’
dürfen, er dies aber nicht als solches empfunden habe. Der User andykunze
betont in seinem Kommentar eine ähnliche Haltung den Schmerzen beim
Tätowieren gegenüber. Für ihn sei das Verhalten der Protagonistin ein
eindeutiges Anzeichen dafür, dass sie sich aus ‚niederen’ Beweggründen für
ihre Tätowierung entschieden habe:
„sowas beklopptes hab ich lange nicht gesehen...sinnlose kleine sterne an
stellen die eigentlich niemanden schmerzen und sie tut so als wäre das total
schlimm...typischer fall von "ich brauch n tattoo um cool zu sein, weiß aber
garnicht was" und dann lasse ich am besten die ganze welt an meiner blödheit
teilhaben...und ich schreib noch was dazu...verschwendete zeit.“146
Andykunze teilt durch seine Aussage die ‚Gruppe der Tätowierten’ in zwei
Hälften ein: diejenigen, die durch ihre Tätowierung ihre Persönlichkeit, ihre
Lebenseinstellung ausdrücken, die dadurch ein ‚Statement abgeben’ und mit
ihrem jeweiligen Motiv (anscheinend) etwas Konkretes verbinden, demzufolge
authentisch wirken und diejenigen, die sich nur des Modetrends wegen
tätowieren lassen sowie mit ihrem Motiv (offenbar) nichts Konkretes verbinden
und folglich unauthentisch wirken. Letztgenannte ‚Gruppe’ scheint sich gerade
durch die eher negative Konnotation von Schmerzen beim Tätowieren
auszuzeichnen, da dies wohl als Zeichen für ‚geistige Unreife’ gilt – zumindest
unterstellt dies andykunze der Protagonistin.147
Grundsätzlich lässt sich vermuten, dass innerhalb der ‚Tattoo-Szene’ dem
Schmerz wohl eine ähnliche Funktion zugeschrieben wird wie der Tätowierung
145
dadyone100, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
146
andykunze, URL:
http://www.youtube.com/comment_servlet?all_comments&v=hLuw3NyNKLk, [26.05.2010].
147
Bemerkenswerterweise gibt Diamond Of Tears in einem ihrer Kommentare zu, dass ihr die
Schmerzen beim Tätowieren im Grunde gefallen, was als Widerspruch zu dem im Videoclip
gezeigten Verhalten gedeutet werden kann. Eventuell spielt sie genau mit diesem Widerspruch,
um innerhalb der Gemeinschaft für Aufruhr zu sorgen.
34
an sich: die Grenzziehung zwischen In- und Out-Group.148 Die ‚wahren’
Tätowierten tolerieren die Schmerzen, empfinden diese vielleicht sogar als
angenehm oder beruhigend und betrachten diese als notwendige Bedingung für
das Erlangen einer Tätowierung149 , wie folgendes Zitat abschließend zeigen
soll:
„Wer sich für ein Tattoo entscheidet, der trifft […] eine Entscheidung für´s
Leben. Dazu gehört nunmal [sic!] der Schmerz […]. Und meiner Meinung ist es
so: Wer das eine will, muß das andere mögen :-) Nein, ich bin kein Masochist,
aber zur Tätowierung gehört nunmal der Schmerz.“150
148
Vgl. Stephan Oettermann, „Es stärkt das Ego“, in: Der Spiegel 50 (2000), S. 230-232, hier S.
232. URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18032410.html, [15.03.2010].
149
Dies kommt auch in mehreren Beiträgen in verschiedenen Internetforen zum Ausdruck. So
schreibt z. B. ein User: „ein Tattoo ohne Schmerz is kein Tattoo. Man muss es sich verdienen.“,
URL:http://www.tattooscout.de/component/option,com_forum/Itemid,43/page,viewtopic/p,34497
1/sid,50336e7e3198cdd6dbebfdea4a7c03d0/, [24.05.2010].
150
Dicker, URL: http://www.wer-weiss-was.de/theme49/article1167305, [26.05.2010].
35
4. Schmerz als essentieller Bestandteil der Tätowierung?
Ausgehend von den Ergebnissen der Analyse in Kapitel 3 sollen im Folgenden
aus kulturhistorischer Perspektive Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Bedeutung
von Schmerz im Kontext der Tätowierung aufgezeigt werden.
„Der lustvolle Schmerz dient als Ersatz für eine fehlende Initiation und für
mangelnde existenzielle Erfahrungen. Er befreit das gesellschaftlich gebundene
Wesen aus seinen alltäglichen und geschlechtlichen Zwängen und läßt es eins
mit sich werden. In der Konfrontation mit der erzwungenen Grenzerfahrung
sucht der Mensch die individuelle Erfahrung, die seine domestizierte Welt
verlöschen läßt.“151
Was der Filmwissenschaftler und Publizist Markus Stiglegger in seinem Aufsatz
Das Leben ist Schmerz für das Schmerzerleben bei Anhängern des ‚Modern
Primitivism’ geltend macht, scheint auch auf einen Großteil der tätowierten
Personen zuzutreffen. Obgleich die Beweggründe für eine Tätowierung mit
Sicherheit nicht generalisierbar sind, lassen die Aussagen tätowierter Personen
in
themenspezifischen
sowie
themenübergreifenden
Internetforen,
TV-
Beiträgen, Zeitschriften und Zeitungsartikeln darauf schließen, dass dem
Schmerz eine essentielle Bedeutung für den Akt des Tätowierens beigemessen
wird. Der Wissenschaftsjournalist Rainer Topitsch, welcher in seinem Aufsatz
Das Fleisch wird zum Wort – zur kulturellen Praxis der Körperbeschriftung152
bereits Ende der 1990er-Jahre eine „neue Lust am Schmerz“ und eine
„Popularisierung des Schmerzerlebens“ konstatierte, sieht den vermeintlichen
Grund
der
„Wiederkehr
des
Schmerzes“
in
der
Zurückweisung
des
stellvertretenden Leidens:
„Die christliche Sublimierung des Begehrens nach Schmerz, die darin bestand,
daß Jesus für uns ans Kreuz genagelt wurde, funktioniert nicht mehr. Die
Medien sagen uns, wir können selbst zum "Heiligen", zum Star werden. Wie die
Märtyrer und Mystiker möchte man selbst den Schmerz des Durchbohrens und
Durchstechens fühlen.“153
Diese Aussage ist m. E. als Überspitzung und unterschwellige Kritik an den
medialen Unterhaltungsformaten zu lesen. Dennoch scheinen die Vielzahl von
Aussagen tätowierter Personen sowie die sadomasochistisch anmutenden
151
Marcus Stiglegger, Das Leben ist Schmerz. Modern Primitivism auf der Suche nach einer
neuen Authentizität, im Internet unter URL:
http://www.sterneck.net/ritual/stigleggerschmerz/index.php, [15.05.2010].
152
Rainer Topitsch, Das Fleisch wird zum Wort – zur kulturellen Praxis der Körperbeschriftung,
im Internet unter URL: http://www.medienobservationen.lmu.de/artikel/kunst/Fleisch.html,
[09.05.2010].
153
Ebd., [09.05.2010].
36
Tattoostudio Namen – wie z.B. House of Pain, Pain Factory, Torture Garden
oder Blut und Eisen – anzudeuten, dass es die mit dem Akt des Tätowierens
verbundenen Schmerzen zu überwinden, wenn nicht sogar heroisch zu
ertragen gilt. Hierbei scheint die Überwindung oder das Ertragen von
Schmerzen im Zusammenhang mit der Tätowierung mit einer kommunikativen
Funktion
versehen
zu
sein,
indem
sie
dem
jeweiligen
Umfeld
die
Leidensfähigkeit, die Willenstärke oder die Entschlossenheit des Trägers
mitteilt. Denn eine Tätowierung – aber auch andere körperinvasive Praktiken –
wurde und wird stets mit Schmerzen assoziiert.154
Die
Erziehungswissenschaftlerin
Elisabeth
Rohr
verweist
in
diesem
Zusammenhang auf die Funktion und Bedeutung der Tätowierung in oralen
Gesellschaften. Eingebettet in einen sakralen, rituellen oder sozialen Kontext
diente diese Art der Körperkunst neben der Kennzeichnung des sozialen Status
auch der Markierung wichtiger Lebensabschnitte sowie des Übergangs von
einem sozialen Status in den anderen. Als wichtiger Bestandteil dieser
Übergangsrituale versteht Rohr den Akt des Tätowierens, welcher den
Initianden bei der psychischen Verarbeitung lebenszyklischer Veränderungen
unterstützen sollte. Denn durch die Beschriftung der Haut, welche die Kulturund Literaturwissenschaftlerin Claudia Benthien als „symbolische Fläche“155
zwischen dem Selbst und der Welt bezeichnet, wurde die soziale Identität, die
Einbindung des Initianden in die Gemeinschaft sichtbar gemacht. Diese
Körperbeschriftung und die dazugehörigen rituellen Handlungen waren stets mit
Schmerzen verbunden, denn Statuspassagen wurden als eine Art symbolische
Geburt verstanden.156 Rainer Topitsch veranschaulicht diesen Punkt wie folgt:
„Auf metaphorische Weise erscheint im Schmerz der Tod, die alte Identität des
Initianden stirbt ab. Gleichzeitig macht die Intensität des Schmerzes den neuen
sozialen Zustand real.“157
Die soziale Identität wurde demzufolge hauptsächlich über den Körper definiert
und unter Schmerzen erlangt. Diese mit Schmerzen verbundene Konstituierung
einer (neuen) Identität scheint auch bei der zeitgenössischen Anwendung der
154
Vgl. Beitrag von Hellsleeper666 „Tut das weh?“ , im Internet unter URL:
http://www.wildcat.de/index.php?view=0c-articleshow&id=1400, [10.06.2010].
155
Claudia Benthien, Haut. Literaturgeschichte. Körperbilder. Grenzdiskurse, Hamburg 1999, S.
7.
156
Vgl. Rohr, 2010, S. 228.
157
Topitsch,
URL:
http://www.medienobservationen.lmu.de/artikel/kunst/Fleisch.html,
[09.05.2010].
37
Tätowierung von essentieller Bedeutung zu sein. So kann eine Tätowierung für
den Träger sowohl als Zeichen der eigenen Identität und Individualität
verstanden werden, als auch als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Gruppe.158 In beiden Fällen scheint das Ertragen der Schmerzen
den inneren Prozess der Identitätsbildung sowie die stabilisierende Wirkung auf
den Gruppenzusammenhalt und auf das einzelne Individuum zu verstärken,
vielleicht sogar als dessen Voraussetzung zu gelten.
Dies weist Parallelen zu der Anwendung der Tätowierung in traditionellen
Gesellschaften auf. So wurde in oralen Gesellschaften die Tätowierung neben
der Initiation auch zum Zweck der Identifikation eingesetzt, indem sie das
Individuum dauerhaft und unauslöschbar als Mitglied eines ethnischen
Kollektivs kennzeichnete. Das Individuum wurde dadurch immer mehr seiner
Individualität beraubt und gleichzeitig in ein Gemeinwesen verwandelt.
Elisabeth Rohr versteht daher die Tätowierungen oraler Gesellschaften als
sichtbare Erinnerungen an die dauerhafte Bindung zwischen dem Individuum
und seiner jeweiligen ethnischen Gemeinschaft und dem daraus resultierenden
Nutzen für den Einzelnen – wie z.B. Teilhabe an den sozialen Ressourcen –
sowie auf den (schmerzhaften) Verzicht der individuellen Freiheiten.159 Dieser
(schmerzhafte) Verzicht sei, so Rohr, in traditionellen Gesellschaften unbewusst
vollzogen und in den Triumph, die körperlichen Schmerzen ertragen zu haben,
umgewandelt worden:
„Stolz und Anerkennung waren mithin die Trophäen, die den Schmerz
vergessen ließen und die Vergesellschaftungspraxis zu einem affektiv
ersehnten und höchst befriedigenden Ereignis stilisierten.“160
Zwar kann die Tätowierung auch in komplexen Gesellschaften als Zeichen der
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe verstanden werden. Allerdings muss
diesbezüglich erwähnt werden, dass die Entscheidung des Individuums, einer
bestimmten Gruppe beizutreten, diesem selbst überlassen ist. Dennoch können
Tätowierungen – verstanden als Mitgliedszeichen – die Macht der Gruppe über
das Individuum dokumentieren. Frank Peter Finke verdeutlicht diesen Punkt
anhand der Mitgliedstätowierungen der Rockergruppe Hell’s Angels. Um in
diese Vereinigung aufgenommen zu werden, müssten sich die jeweiligen
‚Anwärter’
im
Rahmen
eines
Aufnahmerituals
158
Vgl. Kasten, 2006, S.234f; Finke, 1996, S. 131f.
Vgl. Rohr, 2010, S. 228f.
160
Rohr, 2010, S. 229.
159
38
das
Mitgliedszeichen
eintätowieren lassen. Verstoße ein Mitglied gegen die gruppeninternen Regeln
und wird dadurch der Gruppe verwiesen, so müsse die Tätowierung entfernt
werden.
Sicherlich entspricht dieses extreme Beispiel nicht der Regel, dennoch zeigt es
eindeutig, dass die Tätowierung auch heute noch einen Zugehörigkeits- und
Abgrenzungscharakter haben kann. Finke weist in diesem Zusammenhang
darauf hin, dass auch bei räumlicher Trennung zu der jeweiligen Gruppe der
von der Gruppe vermittelte Halt und die Sicherheit – sozialen Ressourcen
welche vergleichbar sind mit den oben genannten Gratifikationen traditioneller
Gesellschaften
–
erhalten
bleiben.161
Neben
den
jeweiligen
gruppen-
spezifischen Gratifikationen (wie z.B. Sicherheit, Halt, Schutz) werden die
Entbehrungen der Mitglieder (Investition finanzieller Mittel, Erduldung von
Schmerz, Zeitaufwand, Entscheidung für das ganze Leben) zudem durch
soziale Anerkennung innerhalb der Gruppe belohnt.162
Auf einer allgemeinen Ebene lässt sich auch ein vermeintlicher Wunsch nach
sozialer Anerkennung verzeichnen. Anders lassen sich die unterschiedlichen
Formen der Selbstdarstellung tätowierter Personen in Tattoo-Zeitschriften,
Tattoo-Internetforen, Online-Communities, Online-Videoportalen oder TVBeiträgen wohl kaum erklären.163
161
Vgl. Finke, 1996, S. 137ff.
Tobias Lobstädt, „Tätowierung in der Nachmoderne“, in: Wilfried Breyvogel (Hrsg.), Eine
Einführung in Jugendkulturen. Veganismus und Tattoos, Wiesbaden 2005, S. 165-235, hier S.
200f.
163
Z.B. Erfahrungsbericht von SumSum1986, URL:
http://www.ciao.de/Fine_Line_Tattoo_Studio_Dusseldorf__Test_8523338, [10.05.2010].
Homepage zur Bewertung von Tattoos, URL: http://www.tattoo-bewertung.de/, [23.05.2010].
Fernsehbericht „Meine Tattoo Story“, URL:
http://www.thebiographychannel.de/highlights/meine-tattoo-story.html, [18.05.2010].
162
39
5. Fazit
Die Intention dieser Arbeit bestand darin, anhand exemplarisch ausgewählter
Aussagen von tätowierten Personen in unterschiedlichen Medienformaten den
individuellen sowie soziokulturellen Stellenwert und die daraus resultierende
Deutung von Schmerz im Zusammenhang mit der Kulturtechnik des
Tätowierens zu erörtern.
Um einen besseren Überblick über die vielfältige mediale Thematisierung und
Repräsentation des Begriffspaares ‚Schmerz’ und ‚Tätowierung’ erhalten zu
können, habe ich im Vorfeld dieser Arbeit die verschiedenen medialen Formate
(TV-Reportagen, selbst erstellte Videoclips, Blogeinträge, Erfahrungsberichte in
Internetforen,
Zeitschriften,
Zeitungsartikel
und
Spielfilme)
dahingehend
begutachtet. Da eine umfassende Analyse aller vorhandenen Medienformate
den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, habe ich mich bei meiner Analyse
auf zuvor ausgewählte, exemplarische Beispiele konkreter Formate beschränkt.
Dabei wurde das mediale Angebot in ‘Offline’- und ‘Online’-Publikationen
unterteilt. Vor allem die ‘Online’-Publikationen waren für eine Beantwortung der
Fragestellung von besonderer Relevanz, da diese sich durch einen sehr hohen
Anteil persönlicher Erfahrungsberichte auszeichnen.164
Diese Arbeit hat gezeigt, dass Schmerz im Zusammenhang mit der
Tätowierung
ein
eher
ambivalentes
und
innerhalb
der
‚Tattoo-Szene’
umstrittenes Thema zu sein scheint. Bekanntermaßen zeichnet sich Schmerz
durch die Eigenschaft der rein subjektiven Wahrnehmbarkeit aus. Was der Eine
als ‚schlimme Qualen’ empfindet, muss der Andere nicht als ebenso ‚qualvoll’
erleben. Denn bei der Schmerzwahrnehmung sind mehrere, individuell
geprägte Komponenten beteiligt (Vgl. Kapitel 1.3).
Dessen ungeachtet scheint Schmerz gerade im Zusammenhang mit der
Tätowierung – einer kulturellen Praktik, welche sich in postmodernen
164
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich mit
dieser Arbeit niemandem eine bestimmte Einstellung den Schmerzen beim Tätowieren
gegenüber unterstellen möchte. Mein Bestreben lag viel eher in dem Versuch, die
ausgewählten Aussagen und Meinungen unter Einbezug des vorhandenen wissenschaftlichen
Kenntnisstandes zu den Themen ‚Schmerz’ und ‚Tätowierung’ zu systematisieren.
40
Gesellschaften einer immer größer werdenden Popularität erfreut – einen
besonderer Stellenwert zu haben. In dessen Überwindung (oder Ertragen)
vereinigen sich die Willensstärke, die Entschlossenheit und die Leidensfähigkeit
des Trägers. Der Schmerz scheint das durch die Tätowierung zum Ausdruck
gebrachte Statement noch zu verstärken: ‚Ich bin nicht nur bereit, die
Oberfläche meines Körpers permanent zu verändern, sondern ich bin darüber
hinaus auch bereit, hierfür Schmerzen aufzunehmen.’ Inwiefern diese
Schmerzen als ‚angenehm’, ‚lustvoll’, ‚beruhigend’, ‚erwünscht’ oder als
‚unangenehm’, ‚leidig’, ‚lästig’, ‚grausam’ empfunden werden, lässt sich nicht
generell sagen. Analog zu der sehr individuellen Bedeutung, welche eine
Tätowierung für den jeweiligen Träger hat, scheint in diesem Zusammenhang
auch das Schmerzerleben von einer individuellen Deutung geprägt zu sein.
Allerdings muss diesbezüglich erwähnt werden, dass Schmerz immer auch auf
einer allgemein kulturellen und subkulturellen Ebene gedeutet wird. Insofern
können die mannigfaltigen Aussagen tätowierter Personen, dass es den
Schmerz zu ertragen gelte, schließlich sei er der Preis für die Tätowierung, als
subkulturelle Deutungen verstanden werden, welche wiederum einen nicht
unbedeutenden Einfluss auf die subjektive Schmerzwahrnehmung haben
können (Vgl. Kapitel 1.3 und 3.2.4).
In dieser Arbeit wurde der Fokus auf die Kulturtechnik des Tätowierens gelegt.
Andere – teils schmerzhafte – kulturelle Praktiken (wie z.B. Piercings, Cuttings,
Brandings, Skarifizierungen oder Suspension Performances) wurden nicht
miteinbezogen. Auch wurden die Rolle des Tätowierers sowie die teils
sadomasochistisch anmutenden Performances auf Tattoo Conventions nicht
mitberücksichtigt. Um eine möglichst umfassende und genaue Darstellung des
Stellenwertes des Schmerzes im Kontext (sub-)kultureller körperinvasiver
Praktiken erhalten zu können, sollten die oben genannten Teilbereiche in einer
weiterführenden Untersuchung mit eingeschlossen werden.
41
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http://www.youtube.com/watch?v=8TCpxHVbDcc, [20.06.2010].
Zeitschriften:
Tattoo Spirit: Heft Nr. 41/2009 und 42/2009.
49
7. Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Blogeintrag „Über Schmerz spricht man nicht“ des Fotografen Philipp
Schmidli. Im Internet unter URL: http://www.philippschmidli.com/blog/?p=500
[Abfragedatum: 10.04.2010].
Abb. 2: Beispiel für die Vermischung der Südsee- und Paradiesmotivik. In:
Stephan Oettermann, Zeichen auf der Haut, Frankfurt am Main: Syndikat 1979,
S. 51.
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