Leichpredigt für Antonius Praetorius

Transcrição

Leichpredigt für Antonius Praetorius
Leichpredigt
für
Pfarrer Anton Praetorius
Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter
gehalten durch Pfarrer Reinhard Wolf
mit einem Geleitwort von Landesbischof Dr. Fischer
2. erweiterte Auflage
von Hartmut Hegeler
Sedanstr. 37, 59427 Unna
Tel. 02303/53051
[email protected]
www.anton-praetorius.de
bearbeitet und herausgegeben von der
Geschichtswerkstatt Büdingen
Joachim Cott
Schlossgasse 10, 63654 Büdingen
Tel. 06042/952334
[email protected]
www.geschichtswerkstatt-buedingen.de
Graphik aus: Anton Praetorius, De Sacrosanctis, 1602 (Titelseite)
Patris soboles relligio Des Vaters Spross (Sohn) ist die
vera relligio summi
wahre Verehrung des Höchsten
Joh. 14,13b; 17,1c - Der Vater wird durch das Wirken des Sohnes verherrlicht.
(Übersetzung Burghard Schmanck)
Besonderer Dank gilt Hetty Kemmerich und Werner Schumacher für kritische
Durchsicht und Burghard Schmanck für seine Übersetzungen.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, photomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck
oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen
aller Art, sowie Verwendung des Bildmaterials sind untersagt und nur mit
schriftlicher Einverständniserklärung des Verlages zulässig.
Inhalt
1
3
4
5
Geleitwort von Landesbischof Dr. Fischer, Ev. Landeskirche in Baden
Ad Auctorem Libri
Karte der Lebensstationen von Anton Praetorius
Einleitung
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6
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8
9
10
10
12
54
67
Beerdigungspredigt für Anton Praetorius
Leichenpredigten und ihre Struktur
Gestaltung der Beerdigungspredigt für Praetorius
Wappen auf der Titelseite der Beerdigungspredigt
Zum liturgischen Ablauf
Bibeltext: 2. Timotheus Kapitel 4 Vers 6
Editionsregeln
Faksimile der Beerdigungspredigt und Textabschrift
Text der Bestattungspredigt für Praetorius in modernisierter Form
Kommentar zu der Beerdigungspredigt
72
72
73
74
75
75
76
Anton Praetorius - Leben und Wirken
Klimakatastrophen und konfessionelle Streitigkeiten
Gedicht über das 1. Große Fass im Heidelberger Schloss
Gedicht für den reformierten Regenten von Büdingen/Birstein
Forderung nach Hexenverfolgung
Fürstlicher Hofprediger im ysenburgischen Büdingen und Birstein
Schriften zur Durchsetzung der calvinistischen Reformation im
Büdinger/Birsteiner Land
Hexenprozess von Birstein 1597
Pfarrer in Laudenbach/Bergstraße
Kampf gegen Folter und Hexenprozesse
Theologische Streitschrift „De Sacrosanctis“
Verstummen des Praetorius
Opposition in der evangelischen Kirche gegen Hexenverfolgung
Mehrere Pfarrer unterstützten den Kampf des Praetorius
Das Hochzeitsgedicht von Weinheim
Lebensende
78
79
80
82
83
83
84
84
87
87 Rezeption des Werkes von Praetorius
90 Würdigung des Wirkens von Anton Praetorius
9 1 Gedenkstein für Pfarrer Anton Praetorius
92 Exkurs: Die evangelische Kirchengemeinde in Laudenbach
95 Exkurs: Die evangelische Kirchengemeinden in Hemsbach
97
98
99
99
Reinhard Wolf
Pfarrer in Hemsbach
Chronologie des Lebens und der Publikationen von Reinhard Wolf
Weiterer Lebensweg und Werke von Reinhard Wolf
101 Veröffentlichungen von Hartmut Hegeler
Geleitwort von Dr. Ulrich Fischer
Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden
Im nördlichsten Zipfel der badischen Landeskirche, im damals kurpfälzischen
Laudenbach, heute zum Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim gehörend,
wirkte von 1598 bis zu seinem Tode im Jahre 1613 der Pfarrer Anton
Praetorius, der sich als Kämpfer gegen Hexenwahn und Folter einen
Namen machte. Gerade in seiner Zeit als Pfarrer in Laudenbach erschien
seine wichtigste Schrift gegen den Hexenwahn „Von Zauberey und
Zauberern Gründlicher Bericht“ (1598), die insgesamt noch drei weitere
Auflagen erlebte.
Die Diskriminierung vor allem von Frauen als Hexen, ihre Verfolgung
und ihr Tod auf dem Scheiterhaufen war kein Phänomen des Mittelalters,
wie es die landläufige Vorstellung oft kolportiert, sondern der „Frühen
Neuzeit“, einer Zeit, in der reformatorische Theologie und „reale“
Erkenntnisse, gefördert durch die Entdeckungen und den Fortschritt
der Naturwissenschaften, die Krusten des alten Weltbildes aufbrachen.
Ihren traurigen Höhepunkt erreichten die Hexenverfolgungen gegen
Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts; eines der Opfer war z. B.
die Mutter von Johannes Kepler. Es waren vor allem mutige Theologen,
die gegen den Unsinn dieser Vernichtungsorgien zu Felde zogen, so der
berühmte Jesuitenpater Friedrich Spee, aber auch weniger bekannte
Pfarrer, wie – als einer der ersten –Anton Praetorius.
Es bedurfte eines über viele Jahre wachsenden Unbehagens, ehe
Praetorius 1598 den Mut fand, öffentlich gegen die Hexenverfolgungen
Stellung zu beziehen und sich damit selbst mancher Anfeindungen
auszusetzen. Dass Praetorius kein Heißsporn war, sondern ein gründlich
nachdenkender und abwägender Theologe, zeigen uns seine anderen
Schriften, die sich vor allem mit der Erziehung und Ertüchtigung
hin zu Jesus Christus befassen, aber auch mit kontroverstheologisch
befrachteten Themen wie dem Streit über die Abendmahlslehre. Aber
auch die auf der Bibel gründende Argumentation seines „Berichts von
der Zauberei“ bestätigt diesen Eindruck.
Einen ganz anderen Eindruck versucht die Leichenpredigt auf Praetorius
zu vermitteln, die der Pfarrer der Nachbargemeinde Hemsbach,
Reinhard Wolf, hielt. Diese betont nämlich, wie sehr Praetorius „seine
Affekte schießen“ ließ, seine Emotionen und seine Streitlust also nicht
im Zaume hielt. Der Kämpfer gegen den Hexenwahn wird so als ein
1
Opfer seiner eigenen Unbeherrschtheit hingestellt. Sollte so noch im
Tode Rache geübt werden an einem Kollegen, der es gewagt hatte, wider
den Stachel des Massenwahns seiner Zeit zu löcken? Das Verstörende
und Besondere der Persönlichkeit wird hingegen verschwiegen, Motive
seines Handelns und Schreibens missdeutet. Doch das Verschweigen
wesentlicher Argumente spricht selbst eine deutliche Sprache.
Eine kommentierende Neuausgabe der Leichenpredigt vermag so nicht
nur Korrekturen an einem verzerrten Bild einer Persönlichkeit und seine
Rehabilitation zu veranlassen. Sondern sie mag auch tiefe Einblicke in
die Anfechtungen eines Theologen geben, die zu unterschiedlichen
Konsequenzen führen können: Bei dem einen bewirken sie ein Arrangement mit den „Sündenfällen“ der Zeit, bei dem anderen hingegen
erzeugen sie die Kraft zum Widerstand. Die dahinter stehende
Fragestellung ist somit eine bleibend aktuelle, die hier den Leserinnen
und Lesern durch den Fall des badischen Pfarrers Anton Praetorius neu
ins Bewusstsein gehoben wird.
Dr. Ulrich Fischer
Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden
2
AD AUCTOREM LIBRI
An den Autor des Buches
(Widmung an Anton Praetorius von Hermann Pistorius 1602)
EClesiae tu filius,
Patris Deique servulus:
Ecclesiam matrem colis,
Patrisque jussa perficis,
Dum corde, penna, lingua.
Quae vera sunt et cognita,
Promis, fateris et seris,
Late propagas, et metis.
Du, der Kirche Sohn,
Knechtlein des Vaters und Gottes:
ehrst als Mutter die Kirche,
und führst aus des Vaters Befehle,
indem Du mit Herz, Feder und Zunge,
was wahr ist und bekannt,
hervorbringst, bekennst und aussäst,
weithin fortpflanzest und erntest.
Verum doces purissime,
Falsum refutas sobrie.
Dociles juvas, et territos
Solaris, hinc et improbos
Graviter mones et arguis,
Sic omnibus prodesse vis.
Das Wahre lehrst Du auf das reinste;
Das Falsche weist Du nüchtern zurück.
Die Verständigen förderst Du und die Erschreckten
stärkst Du. Auch die Ruchlosen hier
mahnst und beschuldigst Du gewichtig.
So willst Du allen nützen.
Si forte cunctis non placet,
Liber tuus quod continet;
Si forsan et calumniis
Obnoxius multis eris:
Ad te quid hoc? Sic moris est:
Proferre qui nulla potest,
Alios premit, si proferant,
Sic invidet, quod floreant.
Wenn zufällig nicht allen gefällt,
was Dein Buch enthält,
wenn vielleicht auch durch trügerische Anklage
Du vielen als schuldig gelten wirst,
was geht dies Dich an? So ist es der Brauch:
Wer nichts hervorzubringen vermag,
bedrückt andere, wenn sie etwas schaffen.
So neidet er, weil sie in Blüte stehen.
Sed quis placebit omnibu?
Satis est piis laboribus
Juvisse multos et Deo
Soli probari maximo.
Wer aber wird allen gefallen?
Genug ist’s, durch fromme Mühen
vielen geholfen zu haben und Gott
allein zu gefallen, dem Größten.
Quare, gener, moveberis
Prorsus nihil calumniis.
Quin perge, perge fortius
Prodesse scriptis pluribus.
Nunquam carebis praemio,
Sanctis probaris et Deo.
Fidelis esto in parvulis,
Majoribus servaberis.
Daher, Schwiegersohn, erschrecken wirst Du
durchaus nicht vor haltlosen Anklagen.
Vielmehr fahre fort, fahre mutiger fort,
zu nützen durch zahlreiche Schriften.
Niemals wirst du des Lohnes entbehren.
Bei den Heiligen findest Du Billigung und bei Gott.
Treu sei in den kleinen Dingen.
In den größeren wirst Du Rettung finden.
Herm. Pistor. Altenkirch.
Soc. p. g. f.1
Hermann Pistorius, aus Altenkirchen
(Übersetzung: B. Schmanck)
1
Anton Praetorius, De Sacrosanctis, 1602, S. 9f. Hermann Pistorius, Pfarrer in Muschenheim bei Lich, Schwiegervater von Praetorius seit 1597. Die Bedeutung der Abkürzung
Soc. p. g. f. ist unklar.
3
R
he
in
Lippe
Unna
Kamen Lippstadt
Ruhr
Lahn
Lich
-Muschenheim
Büdingen
Birstein
Rinderbügen
Frankfurt
ain
Dittelsheim
Worms
Offenbach
M
Oppenheim
Laudenbach
Hemsbach
Weinheim
Heidelberg
Rh
ein
r
Necka
Karte der Lebensstationen von Anton Praetorius
4
Einleitung
Anstoß zur Entstehung der Recherchen über Anton Praetorius gaben
Schülerinnen im Religionsunterricht des Berufskollegs. Im Gespräch über
Hexenverfolgungen erkundigten sie sich: „Hat denn keiner der Christen
damals etwas gegen Hexenprozesse gesagt?“ „Doch, der katholische
Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld“, war die Antwort. Dass jedoch
auch Anton Praetorius, ein protestantischer Pfarrer, seine Stimme gegen
Hexenprozesse erhob, davon wird in kirchengeschichtlichen Vorlesungen
selten gesprochen.
In einer Ausstellung über Hexenverfolgungen im westfälischen Sauerland
im Schieferbergbau-Heimatmuseum in Schmallenberg-Holthausen weist
eine kleine Tafel auf das Wirken dieses protestantischen Pfarrers hin: „Der
erste Westfale, der sich gegen die Hexenverfolgung wandte, war der gebürtige
Lippstädter Anton Praetorius“.2 In Lehrbüchern der Kirchengeschichte
findet Pfarrer Praetorius keine Erwähnung. Daher erstaunt es nicht,
dass das Wissen über evangelische Gegner der Hexenverfolgung im
Dunkel der Vergangenheit fast völlig untergegangen ist. Dieses Schicksal
widerfuhr auch Anton Praetorius. Er war einer der ersten protestantischen
Geistlichen, der 1598 ein mutiges Buch gegen Hexenverfolgung veröffentlichte und gegen Folter und Hexenprozesse kämpfte.
Im Jahre 2013 jährt sich der 400. Todestag von Pfarrer Anton Praetorius.
Leider sind seine Werke der Nachwelt, nicht zuletzt durch die Wirren des
Dreißigjährigen Krieges, nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben.
Um sie einem breiteren Leserkreis zu erschließen, wurden mehrere dieser
Originalschriften vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt und publiziert:
Anton Praetorius, Vas Heidelbergense (das 1. Große Fass von Heidelberg,
gewidmet dem Kurfürsten der Kurpfalz)3
Antonius Praetorius, De Pii Magistratus Officio (Des frommen Amtsträgers
Pflicht, gewidmet dem Grafen von Büdingen).4
Schieferbergbau-Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen: Hexen- Gerichtsbarkeit
im kurkölnischen Sauerland, Dokumentation zur Ausstellung vom 21.7.- 4.8.1984, S. 234
3
Anton Praetorius, Vas Heidelbergense, Smesmanni, Heidelberg, 1595, als Quellenschrift
veröffentlicht: H.Hegeler und S. Wiltschko, Anton Praetorius und das 1. Große Fass
von Heidelberg, Bautz-Verlag, 2. erw. Aufl. 2007
4
Anton Praetorius, De Pii Magistratus Officio, iure, ac potestate in religione et ecclesiis...
illustri ac generoso comiti wolfgango ernesto, domino ab isenburg, comiti a budingen
et burstein, ..., Heidelberg, Druckerei des Christoph Löw, 1596. Als Quellenschrift
veröffentlicht: Hartmut Hegeler: Antonius Praetorius - Vom Kirchenreformator zum
Kämpfer gegen Folter und Hexenprozesse in der Wetterau, (Übers. B. Schmanck),
Geschichtswerkstatt Büdingen 2007
2
5
Die Publikation seines theologischen Hauptwerkes von 1602 „De
Sacrosanctis Jesu Christi Sacramentis“ über die Sakramentslehre ist
für 2008 geplant, mit einer deutschen Übersetzung dieser 300-seitigen
lateinischen Originalschrift.
Als vermehrt Nachfragen nach der Beerdigungspredigt für Praetorius
eingingen, entstand der Plan, die Begräbnisansprache des reformierten
Pfarrers Reinhard Wolf aus Hemsbach als Originalschrift zu veröffentlichen. Diese „Leichpredigt“ aus dem Jahr 1614 ist nur in einem einzigen
Exemplar in der Bayrischen Staatsbibliothek München vorhanden.
Im vorliegenden Buch wird die Leichpredigt als Faksimile mit einer
Transkription des Textes präsentiert, ergänzt von einer modernisierten
Textfassung für heutige Leser. Der zweite Teil gibt einen Überblick über
das Wirken von Praetorius. Zum Schluss erfolgt eine Kurzdarstellung der
Vita des Predigers Reinhard Wolf mit Bildern der Wirkungsstätten der
beiden Geistlichen in den Nachbargemeinden Laudenbach/Bergstraße
und Hemsbach.
Beerdigungspredigt für Anton Praetorius
Leichenpredigten und ihre Struktur
Verstorbene mit einer gedruckten Leichenpredigt zu ehren, fand nach der
Reformation rasch Verbreitung bis zur Zeit der Aufklärung.5 Übernommen wurde dies vor allem von Protestanten, in deutlich geringerem
Maße von Katholiken. Martin Luther hielt die ersten uns gedruckt
überlieferten Leichenpredigten.
Zu einer Leichenpredigt gehörten Titelblatt, Widmungen und manchmal
auch ein Porträt des Verstorbenen. Die christliche Leichenpredigt wurde
von einem Pfarrer am Grabe oder in der Kirche gehalten. In der Einleitung
(Exordium) wurde die Gemeinde angesprochen und die Textstelle aus
der Heiligen Schrift verlesen. Manchmal hatte der Verstorbene den
Bibeltext mit Bezug zu seinem irdischen Tun selbst ausgewählt. Oft
wurde der Text mit Initialen und Vignetten ausgeschmückt.
In der Ansprache wurde die Bibelstelle ausführlich ausgelegt (Abhandlung),
wobei Bezüge zu antiken und frühchristlichen, kirchlichen Autoritäten
eine große Rolle spielten, um zu zeigen, dass sich die protestantische
Exegese (Schriftauslegung) genuin in die frühchristliche Theologie
5
http://online-media.uni-marburg.de/fpmr/html/lp_aufbau_2.html
6
einordnete. Es folgte die Schilderung des Lebenslaufes (Personalia) und
oft eine Abdankung durch einen Freund der Familie, um den Verstorbenen
zu würdigen. Manchmal wurden auch Epicedien (Trauergedichte von
Verwandten und Freunden) beigefügt. Handschriftliche Randnotizen
in Leichenpredigten zeugen von einem regen Interesse an dieser
Quellengattung, das bis heute nicht abgebrochen ist.
Illustration zur Leichenpredigt auf Johannes Saubertus (1592-1646)6
6
Universitätsbiblio-thek Wroclaw, Sig.: 346672-72A,
http://web.uni-marburg.de/fpmr/html/gg/dis-lit.html
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