Die Behandlung des Passivs in den

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Die Behandlung des Passivs in den
DIE BEHANDLUNG DES PASSIVS IN DEN
ÜBUNGSGRAMMATIKEN FÜR DEUTSCH ALS
FREMDSPRACHE. EINE ANALYSE UNTER
BERÜCKSICHTIGUNG DER TEXTUELLEN PERSPEKTIVE.
DANIELA SORRENTINO
0. Einleitung
p. 416
1. Die Textebene als Ausgangspunkt bei der Vermittlung des
Passivs im DaF-Grammatikunterricht
p. 418
2. Das Passiv in den Übungsgrammatiken für Deutsch als
Fremdsprache
p. 421
2.1 Übungsgrammatik Deutsch als Fremdsprache für
Fortgeschrittene
p. 422
2.2 Grammatik mit Sinn und Verstand
p. 427
2.3 Fazit
p. 431
3. Überlegungen zu einer textsorten- und situationsorientierten
Gestaltung von Grammatikübungen zum Passiv
p. 432
3.1 Auswahl der Texte zum Einstieg in die Behandlung des
Passivs
p. 432
3.2 Übungsgestaltung
p. 435
4. Schlussbemerkung
p. 440
0. Einleitung
Die Debatte um den Stellenwert der Grammatik im Unterricht
Deutsch als Fremdsprache hat lange Zeit die wissenschaftliche
Diskussion in diesem Bereich dirigiert. Seit Anfang der 90er
Jahre sind insbesondere Fragen wie „Wie viel Grammatik braucht
der Mensch?“ und „Welche Grammatik brauchen Lehrer und
Schüler?“ in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt und haben
vielerorts große Aufmerksamkeit erregt (vgl. Harden/Marsh
1993; Helbig 1992; Hessky 1995; Ulrich 2001; Völzing 1995).
Aus der Auseinandersetzung mit diesem Thema hat sich ein
weitgehender Konsens darüber gebildet, dass die Grammatik im
Unterricht nicht um ihrer selbst willen betrieben werden und dass
Sprachwissen allein nicht das Ziel des Fremdsprachenunterrichts
sein darf. Vielmehr soll Grammatik vor allem dazu dienen, den
Spracherwerbsprozess zu unterstützen und die Lerner zu
befähigen, sprachlich zu handeln und zu kommunizieren:
„Grammatik
spielt
stets
eine
dienende
Rolle:
sie
soll
Kommunikation im umfassenden Sinne ermöglichen“ (Götze
1993: 5). Insbesondere wird in letzter Zeit ausdrücklich dafür
plädiert, eine kommunikativ-funktionale Grammatik im DaFUnterricht zu vermitteln, die die Lerner für einen text-, situationsund
intentionsspezifischen
Einsatz
grammatischer
Mittel
sensibilisiert und ihnen konkrete Hilfestellungen für die reale
Sprachverwendung und die adäquate Rezeption und Produktion
416
schriftlicher und mündlicher Texte bietet (vgl. Kühn 1999).
In aktuellen DaF-Übungsgrammatiken und Lehrwerken sowie in
der alltäglichen Unterrichtspraxis wird infolgedessen eine
allgemeine Einbeziehung von Texten als authentischen Belegen
von „Sprache in Funktion“ bei der Grammatikvermittlung sowohl
in der Präsentations- als auch in der Übungsphase gefordert (vgl.
Thurmair 2004).
Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, inwiefern die Textebene
tatsächlich bei der Grammatikvermittlung eingezogen wird. Dies
soll am Beispiel der Analyse der didaktischen Behandlung des
Passivs
in
zwei
Übungsgrammatiken
für
Deutsch
als
Fremdsprache geschehen, 1 die in ihrer Konzeption beabsichtigen,
die deutsche Grammatik „in zusammenhängenden Texten oder in
einem geschlossenen Kontext“ 2 zu behandeln.
Die dabei aufgestellte Hypothese ist, dass eine textzentrierte
kommunikationsorientierte Grammatikvermittlung auch in solchen
DaF-Übungsgrammatiken, die sich als textuell orientiert vorgeben,
bisher noch lückenhaft erfolgt. Stattdessen wird meist traditionelle
Grammatik am Text geübt und keine wirkliche praxisorientierte
Sprachreflexion betrieben. Im Anschluss an die Analyse werden
1
Übungsgrammatiken machen grammatische Strukturen explizit, indem sie eine
Sprachbeschreibung für didaktische Zwecke enthalten und diese auf
unterschiedliche Art trainieren. Sie können als Zusatzmaterial im
Fremdsprachenunterricht dienen oder von den Lernern für das individuelle Lernen
verwendet werden. Als Gegenstand der grammatisch-didaktischen Diskussion ist
ihnen in letzter Zeit zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt worden (vgl. Hennig
2001; Ivancic 2003; Kühn 2004).
2
Hall/Scheiner (1997: 3).
417
einige
Überlegungen
zu
einer
textsorten-
und
situationsorientierten Gestaltung von Grammatikübungen zum
Passiv dargelegt.
1. Die Textebene als Ausgangspunkt bei der Vermittlung des
Passivs im DaF-Grammatikunterricht.
Das Passiv stellt eines jener grammatischen Phänomene dar, die
sich in didaktischer Hinsicht satzübergreifend am Sinnvollsten
behandeln lassen.
Der Vorteil einer ganzheitlichen, vom Text ausgehenden
Betrachtung im Unterricht ist die wesentlich anschaulichere
Möglichkeit der Darstellung der Funktion des Passivs als
„agensabgewandte Form des verbalen Geschehens“ (Götze 1996:
137) 3.
Wichtige Aussagen, die die Wissenschaft dazu gemacht hat, sind
zum Beispiel:
-
Die Agensaussparung kann durch bestimmte Textsorten
besonders
aus
den
technisch-industriellen
oder
naturwissenschaftlich-medizinischen Bereichen bedingt sein,
da in diesen die Darstellung eines Prozesses oder des
Ergebnisses eines Vorgangs im Vordergrund steht.
3
Dabei muss zwischen dem werden-Passiv, das als prozessual und agensabgewandt
zu charakterisieren ist, und dem sein-Passiv, das als nicht-prozessual und
agensabgewandt verstanden werden kann, unterschieden werden (vgl.
Helbig/Kempter 1997: 9-42).
418
-
Sie kann auch darin begründet sein, dass der Handelnde
unwichtig ist, weil er allgemein bekannt ist und durch
institutionalisierte
Handlungen
determiniert
wird
(vgl.
Weinrich 2003: 166-167).
-
Die Agensaussparung kann durch textuelle Momente bedingt
sein,
wenn
das
entweder
im
vorausgehenden
oder
nachfolgenden Text (anaphorische bzw. kataphorische Ellipse)
in irgendeiner Form erwähnt ist oder schon aus dem jeweiligen
Kontext hervorgeht.
-
Dem Sprecher/Schreiber ist das Agens unbekannt oder man
möchte es bewusst verschweigen. Agensellipsen treten
deswegen oft in Nachrichten über Delikte und Verbrechen,
deren Täter noch nicht bekannt ist, sowie in Äußerungen von
Politikern, Pressesprechern und in anderen öffentlichen
Kundgebungen auf. Dabei stellt das Passiv ein Mittel des
Euphemismus und „des Verbergens der Wahrheit“ (Götze
1999: 87) dar: Niemand soll als schuldig oder verantwortlich
bezeichnet werden und man wählt daher eine sprachliche
Struktur, die die Angabe des Handelnden bewusst ausblendet.
-
Das Passiv übt eine textkonstitutive Funktion aus: Es hilft dem
Sprecher/Schreiber, die Mitteilungsperspektive gemäß seiner
Absichten zu entwickeln, indem es ermöglicht, Thema-RhemaBeziehungen innerhalb eines Textes auszudrücken.
419
-
Es hängt oft von dem Informationsprofil eines Textes ab, ob an
einer bestimmten Textstelle das Passiv oder das Aktiv
verwendet
wird.
Dazu
ein
Beispiel
im
folgenden
Textausschnitt aus dem Roman Ansichten eines Clowns:
[...] ich hatte am ersten Abend schon eine Schlägerei mit
einem Schwachsinnigen ... Ich wurde nicht nur ganz schön
zusammengeschlagen ..., ich bekam auch eine schwere
Gelbsucht (Böll 1997: 108).
Durch das Passiv (Ich wurde… zusammengeschlagen...) entsteht
eine Verbalklammer, in der der inhaltlich wichtige Teil des
Prädikats
als
rhematische
Information
mit
dem
größten
Mitteilungswert in die semantisch intensive Nachverb-Position
gebracht wird und als verbales Gefüge ohne Nennung des Agens
betont wird.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Passiv keine bloße
‚lethargische‘ (Weinrich 2003: 155) Umkehrung des Aktivs
darstellt, wie oft in der traditionelle Grammatik beschrieben.
Stattdessen
kann
es
je
nach
Kontext,
Textsorte
und
Mitteilungsabsicht sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen, die
im Aktiv nicht möglich wären.
Für den fremdsprachlichen Sprachunterricht leuchtet die wichtige
Rolle ein, die dem Kontext und der jeweiligen Textsorte für die
420
Erschließung der Funktion passivischer Strukturen zukommt.
Übungen zum Problem der Passivformen des Deutschen sollten
folglich nur in Verbindung mit dafür charakteristischen
Textsorten und unter Beachtung der Verwendungsbedingungen
im jeweiligen Text erfolgen.
2. Das Passiv in den Übungsgrammatiken für Deutsch als
Fremdsprache
In den meisten DaF-Übungsgrammatiken wird das Passiv als ein
rein satzgrammatisches verbmorphologisches Phänomen ohne
Bezugnahme auf die Textebene behandelt. Die Erklärungen
liefern sporadische Informationen über die Funktion des Passivs
und die jeweiligen Motive für die Aussparung des Agens. 4
In
den
Übungsteilen
herrschen
vor
allem
traditionelle
formbezogene Transformationsübungen vor, bei denen der Lerner
„überhaupt nicht nachdenken muss“ (Börner 2000: 1) und die
darin bestehen, einzelne isolierte Sätze vom Aktiv ins Passiv
umzuformulieren.
Diese Vorgehensweise im Umgang mit dem Passiv und darüber
hinaus mit Grammatik im Allgemeinen sollte der Vergangenheit
der Sprachdidaktik angehören, da dabei nicht die Frage nach der
4
Zur Behandlung des Passivs in DaF-Übungsgrammatiken vgl. Thurmair (2004:
91-92), Leirbukt (2004: 267-293).
421
Funktion eines sprachlichen Mittels im Mittelpunkt seht, sondern
lediglich dessen Form. In Götzes Worten gesagt: „Übungen wie
‚Setzen Sie ins Passiv‘ sind rein formaler Natur und verschaffen
allenfalls die Befriedigung bei Lehrenden und Lernenden, in die
deutsche Grammatik eingetaucht zu sein. In Wahrheit ist das alles
Sprachstroh, Sprachgebrauch ist etwas anderes“ (Götze 1996:
137).
Dieses ‚etwas Andere‘ bei der Darstellung der deutschen
Grammatik
scheinen
die
Übungsgrammatik
DaF
für
Fortgeschrittene von Karin Hall/Barbara Scheiner und die
Grammatik mit Sinn und Verstand von Wolfgang Rug/Andreas
Tomaszewski zu versprechen, die im folgenden näher analysiert
werden. Im Vordergrund der Untersuchung steht die Frage nach
dem Einbezug der textuellen Perspektive bei Einführung und
Einübung des Passivs. Es wird dabei keine umfassende Analyse,
sondern lediglich die Diskussion einiger ausgewählten Beispiele
angestrebt, die hinsichtlich der Überprüfung der aufgestellten
Hypothese relevant erscheinen.
2.1 Übungsgrammatik
Deutsch
als
Fremdsprache
für
Fortgeschrittene
Diese Übungsgrammatik setzt sich zum Ziel, „die Schwierigkeiten
der deutschen Grammatik möglichst in zusammenhängenden
Texten oder in einem geschlossenen Kontext, zumindest aber in
Sinneinheiten, zu üben, um die Beschäftigung mit grammatischen
422
Fragen durch thematisch orientierte Übungen interessanter zu
machen“ (Hall/Scheiner: 3). Gemäß Vorwort scheint sie also den
Anspruch zu erheben, einige Anregungen zu einer textorientierten
Behandlung grammatischer Strukturen geben zu wollen.
Tatsächlich wird hier das Passiv an authentischen Textsorten
eingeführt, wie beispielsweise anhand einer Beschreibung von
Arbeitsvorgängen
und
Produktionsverfahren,
einem
Anweisungstext, einem Gesetzestext und einer wissenschaftlichen
Beschreibung. Mittels einer Gegenüberstellung mit Texten, die im
Aktiv stehen, werden die Lerner auf die Tatsache aufmerksam
gemacht, dass das Passiv überwiegend in solchen Texten und
Textsorten verwendet wird, in denen „Vorgänge und nicht
Handelnde im Mittelpunkt einer Aussage stehen“ (Hall/Scheiner:
61).
Die unterschiedlichen Gründe für die jeweilige Verwendung von
Aktiv und Passiv in den eingeführten Textsorten, ebenso wie die
jeweiligen Motive für die Aussparung des Agens in den
verschiedenen Textabschnitten im Passiv werden jedoch den
Lernern vorenthalten. Es wird später nur beiläufig und anhand
einzelner
Beispielsätze
unbezeichnet
bleibt,
erwähnt,
wenn
es
dass
das
„in
einem
Agens
meist
bestimmten
Zusammenhang selbstverständlich bekannt oder unwichtig ist“
(Hall/Scheiner: 62).
Die meisten darauf folgenden Übungen dienen hauptsächlich der
Automatisierung der korrekten Umformulierung von Aktiv ins
423
Passiv und umgekehrt, die mittels satzbezogener Einsetz-,
Formations- und Transformationsübungen geschieht, welche
thematisch miteinander verbunden sind. Dadurch wird jedoch
nicht immer auf authentische Verwendungsmöglichkeiten der
jeweiligen sprachlichen Strukturen verwiesen.
So wird beispielsweise die passivische Feldvariante mit dem
Pronomen es als Subjekt ausschließlich aus einer morphologischen
Perspektive eingeführt:
Es erscheint nur am Anfang eines Hauptsatzes und wird,
wenn immer möglich, durch ein anderes Satzglied ersetzt. ….
In Passivsätzen mit einem Subjekt im Plural steht das finite
Verb im Plural, auch wenn der Satz mit es beginnt. In
Passivsätzen mit einem Subjekt im Singular und in
Passivsätzen mit es als einzigem Subjekt steht das finite Verb
immer im Singular (Hall/Scheiner: 64-65).
Darauf folgen eine Übung, in der die Lerner wahlweise wird oder
werden in einzelnen Sätzen einsetzen müssen, und eine Art
Produktionsübung, in denen Sätze mit es am Satzanfang zum
Thema der Besonderheiten der Deutschen und von Deutschland
gebildet werden sollen.
Obwohl den Lernern Kreativität in Bezug auf den Inhalt
eingeräumt wird, indem sie eigene Sätze produzieren dürfen, zielt
424
die Spracharbeit ausschließlich auf die Beherrschung der
sprachlichen Struktur ab, ohne die kommunikativ bedingte
Verwendung dieser passivischen Variante zu berücksichtigen. 5
Der einzige vorgeschlagene Übungstyp, der dazu dient, sprachliche
Strukturen am Text zu erarbeiten, ist die Umformung von
einzelnen Sätzen vom Aktiv ins Passiv.
Übungsanweisungen wie:
•
Beschreiben Sie in Passivsätzen die Probleme der
Trinkwasserversorgung (Hall/Scheiner: 66).
•
Gestalten Sie den Text abwechslungsreich, indem Sie,
wenn möglich Passivsätze bilden (Hall/Scheiner: 70)
können bei den Lernern Missverständnisse auf der Ebene des
Sprachbewusstseins
verursachen:
es
wird
ihnen
nämlich
suggeriert, dass Passiv und Aktiv beliebige Varianten sind, die
man synonymisch in jedem Text gebrauchen kann.
Dies leitet über zur Frage nach der effektiven Authentizität und
Textsortenzugehörigkeit der ausgewählten Texte. So enthält der
5
Es wäre zum Beispiel sinnvoll, den Lernern mittels einer Erklärung des Rekurses
auf den Platzhalter es in Verbindung mit der Perspektive der Thema-RhemaGliederung zu erläutern, dass es + Passiv dem Sprecher/Schreiber erlaubt,
kommunikativ relevante Elemente an das Ende des Satzes in eine rhematische
Stellung zu schieben.
425
Text Glasklare Sache (Hall/Scheiner: 77) eine detaillierte
Schilderung der Altglasverarbeitung. Ob es sich dabei um einen
Zeitungsartikel bzw. die Beschreibung eines Verfahrens handelt,
ist nicht zu erschließen. Die Tatsache, dass darin 20 Sätze mit
dem unpersönlichen man vorkommen, lässt Zweifel über die
Authentizität des Textes entstehen.
Eine analoge Beobachtung gilt für folgende, zum Thema
Passivumschreibungen aufgeführte, Übungsanweisung: „Erzählen
Sie das folgende Märchen in Sätzen mit lassen + Infinitiv“. Als
Modell dafür wird u.a. folgendes Sprachmaterial angegeben:
Aschenputtel ließ zu,
1. dass sie wie eine Küchenmagd behandelt wurde
2. dass ihr alle schweren Arbeiten aufgebürdet wurden
3. dass ihr alle schönen Kleider weggenommen wurden
(Hall/Scheiner: 85-86)
Hierbei wird der Ausgangstext der Textsorte Märchen mit
sprachlichen Mitteln in die Form - dass-Sätze plus Passiv
umformuliert. Das Resultat sind befremdliche Sätze, deren
Struktur für diese Textsorte untypisch ist. Die Anweisung, diese
schon „strapazierte“ Textsorte in Sätzen mit lassen + Infinitiv zu
erzählen, zielt lediglich auf die formale Beherrschung der
426
Passivvariante ab und führt als Übungsergebnis ebenso wenig zu
einem authentisch wirkenden Text. Es entsteht lediglich eine
Ansammlung einzelner Sätze, die thematisch miteinander
verbunden sind.
Es drängt sich der Zweifel auf, ob die Lerner durch solche
Übungen tatsächlich dazu befähigt werden, „das Gelernte aktiv
anzuwenden“ (Hall/Scheiner: 3) und es für die angemessene
Produktion eigener Texte zu gebrauchen.
2.2 Grammatik mit Sinn und Verstand
Die Grammatik mit Sinn und Verstand ist funktional strukturiert
und
geht
von
den
menschlichen
kommunikativen
Seins
zu
Grundfunktionen
deren
sprachlichen
Ausdrucksmöglichkeiten über. Dabei ist die grammatische Form
der
jeweiligen
sprachlichen
Mittel
den
Funktionen
der
sprachlichen Äußerung (nach dem onomasiologischen Prinzip)
untergeordnet. Dies wird schon aus dem Inhaltsverzeichnis
ersichtlich.
Dort
findet
man
nicht
die
klassische
sprachsystematische Einteilung in Artikel, Nomen, Verb, usw.,
sondern inhaltlich orientierte Überschriften: das Kapitel zum
Konjunktiv ist beispielsweise mit dem bildhaften Titel Wenn ich
ein Vöglein wäre? überschrieben.
Das Kapitel zum Passiv wird durch eine amüsante Illustration
eingeführt: Ein Löwe und eine Gazelle sitzen am Tisch mit einer
427
Speisekarte in der Hand. Der Löwe sieht die Gazelle drohend an.
Darunter steht die Überschrift Vom Fressen und Gefressen
werden. Hier wird das Passiv in einem witzigen, bildhaften
Kontext
eingeführt,
der
einen
lockeren
Bezug
zum
grammatischen Thema herstellt. Damit werden die Lerner ganz
im Sinne der Autoren „mit Sinn und Verstand“ angesprochen.
Auf der folgenden Seite werden verschiedene Präsentationstexte
überwiegend literarischen Charakters dargestellt, die Aktivbeziehungsweise Passivstrukturen enthalten (Rug/Tomaszewski:
36). Die Texte werden jedoch nicht kommentiert und es ist unklar,
wie man sie behandeln soll.
In dem darauf folgenden Teil Grammatik im Kasten werden die
Begriffe Aktiv und Passiv anhand einzelner kommentierter
Beispiele erläutert:
In Aktivsätzen sieht man besonders, wer etwas tut, wer in
Aktion ist…in Passivsätzen sieht man besonders, was passiert,
was geschehen ist…der Vorgang, der Prozess werden
beschrieben; wer etwas tut oder getan hat, erscheint auf den
ersten Blick nicht so wichtig (Rug/Tomaszewski: 37).
Daran anschließend werden nicht nur die Formen des Passivs,
sondern auch einige seiner Funktionen erläutert wie z. B.
Betonung des Geschehens, Beschreibung der Normen, Bezug auf
428
die Perspektive des Opfers (Rug/Tomaszewski: 38).
Mit dem Hinweis auf die Fokussierung auf das Geschehen und auf
die Agensabgewandtheit des werden-Passivs sind dabei “schon
wichtige kommunikative Momente angesprochen“ (Leirbukt 2004:
277).
Interessant erscheint in dieser Hinsicht die Übung 1, die auf die
Gründe hinweist, die sich bei Passivsätzen für die Aussparung des
Agens anführen lassen. Unter jedem Satz im Passiv steht jeweils
eine
Erläuterung
zur
Nicht-Nennung
des
Agens
(Rug/Tomaszewski: 38).
Dabei werden sowohl textuelle Faktoren wie anaphorische Ellipse
als auch situative Momente wie die Unbekanntheit des Agens oder
die Absicht, es unbenannt zu lassen mitberücksichtigt (vgl.
Leirbukt 2004: 277).
In
dem
restlichen
formalgrammatisch
Übungsteil
orientierte
herrschen
Aufgaben
hauptsächlich
vor,
die
aus
satzbezogenen Transformationsübungen vom Aktiv ins Passiv
ohne Bezug auf Texte bestehen. Dies gilt insbesondere auch für
passivische Varianten, die als konkurrierende Ausdrucksweisen zu
modalen Passivsätzen mit müssen, sollen, können, dürfen
dargestellt werden, ohne Hinweise zu ihrem effektiven Gebrauch
in bestimmten Textsorten zu liefern, für die sie typischer als
andere Passivformen erscheinen (Rug/Tomaszewski: 43).
Aus isolierten Transformationsübungen von einer Passivvariante
429
in die andere entstehen oft Sätze, die künstlich wirken. Beispiel:
„Seine Formulierungen konnten sehr missverstanden sein“ als
mögliche
Umformung
Formulierungen
des
waren
Ausgangssatzes
sehr
„Seine
missverständlich“
(Rug/Tomaszewski: 42).
Es werden des Weiteren semantische Nuancierungen hergestellt.
Bei der Beschreibung der Agensangabe werden beispielsweise
die Präpositionen von und durch eingeführt sowie die als typisch
für die Schriftsprache bezeichneten Präpositionen seitens, mittels,
mithilfe, aufgrund (Rug/Tomaszewski: 40). Durch den Austausch
solcher Präpositionen entstehen semantische Verschiebungen in
kausaler (aufgrund) und instrumentaler (mittels, mithilfe)
Richtung, die dem Lerner jedoch nicht erläutert werden. 6
Der fehlende Textsortenbezug und die damit verbundene
mangelhafte Arbeit am Text werden mithilfe sogenannter
integrierter Stilübungen im letzten Teil des Kapitels kompensiert.
Hier ist der Versuch bemerkbar, den Lernern anhand von
authentischen Texten ein Gefühl dafür zu vermitteln, wann es
angemessen erscheint, etwas im Passiv zu formulieren. So werden
zum Beispiel in der Übung 18 drei Texte präsentiert, die Sätze im
Aktiv und Passiv enthalten; die Lerner werden dann aufgefordert,
sich über den Grund der Verwendung beider Strukturen im Text
Überlegungen zu machen (Rug/Tomaszewski: 45). In der Übung
6
Zu der Semantik der Präpositionen bei der Agensangabe siehe Leirbukt (2004:
276).
430
19 müssen sie in Gruppenarbeit Sätze vergleichen, die sich auf die
gleiche
Situation
beziehen,
darunter
die
angemessene
Ausdrucksweise finden und ihre Wahl begründen. Interessant ist
auch die letzte Übung, die unter dem Titel Passiv in Texten Bezug
auf bereits eingeführte Texte nimmt und die Lerner auffordert,
eine Paradiesgeschichte von Helme Heine, die im Aktiv steht, ins
Passiv umzuwandeln. Anregend ist dabei die Aufforderung zur
Diskussion in Gruppenarbeit über die passende Textform und die
Hauptunterschiede
„im
Stil“
zwischen
Ausgangstext
und
Endprodukt (Rug/Tomaszewski: 45).
Es handelt sich jedoch hauptsächlich um literarische Texte, die
nicht den vielfältigen situationstypischen Gebrauch des Passivs
demonstrieren können. Sachliche Textsorten treten nur am Rande
auf.
2.3 Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in den
analysierten Übungsgrammatiken die Forderung, dem Text als
zentraler Einheit der Sprache eine größere Aufmerksamkeit bei
der Grammatikvermittlung zu widmen (vgl. Engel 1990), nur
teilweise erfüllt wird. Das Passiv wird den Lernenden anhand
authentischer
Texte
in
Verwendungszusammenhängen
dafür
vorgestellt.
charakteristischen
Im
Übungsteil
herrschen jedoch vorwiegend kontextlose, reproduktive und
431
satzbezogene Übungsformen vor, die hauptsächlich auf die
formale Automatisierung des sprachlichen Phänomens abzielen.
3. Überlegungen
zu
einer
textsorten-
und
situationsorientierten Gestaltung von Grammatikübungen
zum Passiv
Aus der oben durchgeführten Untersuchung lassen sich zwei
Forderungen in Bezug auf den Umgang mit dem Passiv im DaFUnterricht
ableiten,
die
eine
stärkere
Berücksichtigung
kommunikativer und textueller Begebenheiten abzielen:
-
Einführung in das Passiv anhand derjenigen Textsorten, die
Passivformen mit hoher Frequenz aufweisen und deren
jeweilige Funktion am Text veranschaulichen;
-
Situative
Einbettung 7
und
textsortenzentrierte
Übungsgestaltung.
3.1 Auswahl der Texte zum Einstieg in die Behandlung des
Passivs
Das Passiv und relative Umschreibungen können im DaFUnterricht an vielfältigen Textsorten veranschaulicht werden.
Texttypologien, die in Betracht kommen, sind zum Beispiel:
7
Dabei wird auf den Begriff des situativen Grammatikunterrichts von
Boettcher/Sitta (1978) hingewiesen, bei dem Sprache im Rahmen ihrer
kontextuellen Wirkungsabsicht und realen Wirkungsweise erarbeitet wird.
432
-
instruktive Texte wie Gebrauchanweisungen, Beipackzettel,
Kochrezepte, Gesetzestexte;
-
argumentative Texte wie wissenschaftliche Abhandlungen
und politische Reden;
-
deskriptive Texte wie Nachrichten und Berichte. (vgl.
Weinrich 2003: 166-167)
-
Auch narrative Texte können oft Passivformen enthalten.
Man vergleiche die folgende Stelle aus der anonymen
Erzählung eines Traums: 8
Ich saß in etwas dunklem. [...] ich konnte mir einfach nicht
erklären, wo ich war. […] Ich bemerkte wie von mir etwas
geöffnet wurde. Dann kam eine riesige Pfote herein und ich
schnupperte daran. Wenig später wurde ich auf irgendetwas
abgesetzt. [...] ich wurde hart weg geschoben und flog in die
Ecke meines Käfigs. Ich wurde hochgehoben, und auf den
Rücken
gedreht
und
dort
festgehalten.
(http://www.witzeforum.de/ftopic3411.html)
Einstiegstexte
sollten
nicht
isoliert
und
ohne
Bearbeitungshinweise stehen. Lerner sollten dazu aufgefordert
werden, die Funktion zu ergreifen, die die passivische Struktur im
8
Vgl. dazu Thurmair (2004: 96).
433
jeweiligen Text ausübt. In der Traumerzählung nimmt zum
Beispiel das Subjekt eine passivische Haltung ein: es steht
handlungsunfähig im Mittelpunkt des Geschehens und schildert
mittels des Passivs die auf ihn einwirkenden Ereignisse.
Folgende Hausordnung eines Hotels weist überwiegend Formen
mit der passivischen Variante sein + zu + Infinitiv auf:
Reinigung
• Haus und Grundstück sind in einem sauberen und reinen
Zustand zu erhalten. Nach einem vom Vermieter aufgestellten
Reinigungsplan müssen die Mieter abwechselnd Flure,
Treppen,
Fenster
und
Dachbodenräume,
Zugangswege
außerhalb des Hauses, den Hof, den Standplatz der
Müllgefäße und den Bürgersteig vor dem Haus reinigen.
• Der im Haushalt anfallende Müll darf nur in die dafür
vorgesehenen Mülltonnen und Container entsorgt werden. Auf
eine konsequente Trennung des Mülls ist zu achten.
Sondermüll und Sperrgut gehören nicht in diese Behälter. Sie
sind nach der Satzung der Stadt gesondert zu entsorgen.
• Blumenbretter und Blumenkästen müssen am Balkon oder auf
der Fensterbank sicher angebracht werden. Beim Gießen von
Blumen ist darauf zu achten, dass das Wasser nicht an der
Hauswand herunterläuft und auf die Fenster und Balkone
anderer Mieter tropft.
(http://www.mieterbund.de/download/hausordnung.pdf)
434
In diesem Textabschnitt kommen vor allem Sätze mit
sein+zu+Infinitiv und lediglich zwei mit dem Modal-Passiv vor.
Dass
diese
zwei
Passivformen
miteinander
konkurrieren
(Rug/Tomaszewski: 43) trifft also nicht ohne weiteres zu, denn
die erste Variante scheint häufiger in instruktiven Texten
vorzukommen, die Handlungen reglementieren.
3.2 Übungsgestaltung
Übungen zum Passiv sollten nicht ausschließlich aus isolierten,
satzbezogenen Transformations- und Einsetzübungen bestehen,
sondern in dafür charakteristische Textsorten eingebettet sein, die
die Funktion passivischer Strukturen durch Situations- und
Textsortenbezug
verdeutlichen.
Mit
der
situativen
und
thematischen Einbettung der Grammatikübungen gehen nämlich
auch
inhaltliche
Übungsgeschehen
und
mit
pragmatische
ein,
so
dass
Aspekte
die
in
das
Funktion
des
grammatischen Phänomens in der Kommunikation erkennbar ist.
Dazu könnten folgende Übungsmöglichkeiten eingesetzt werden:
a) Einsetzübungen von Passiv- oder Aktivsätzen in einen
bestimmten vorgegebenen kommunikativen Kontext.
b) Textsortentransformationen.
435
Zu a): Im folgenden Beispiel wird eine Situation skizziert. Die
Lerner sollen sich für eine der zwei sprachlichen Möglichkeiten
entscheiden:
Der Hausbesitzer wendet sich an seinen Mieter, um ihm eine
Erhöhung der Miete mitzuteilen. Welcher Satz ist in dieser
Situation angemessener? Begründe deine Entscheidung.
Der Hausbesitzer: „Herr Müller, die Miete muss leider erhöht
werden“.
Der Hausbesitzer: „Ich kriege eine höhere Miete, Herr
Müller“. 9
Die Einbettung passivischer Sätze in einen geeigneten Kontext
und deren Vergleich mit aktivischen Sätzen ermöglicht es den
Lernern, den pragmatischen Wert der jeweiligen Formen zu
erfassen.
Zu b): Da die Verwendung von Aktiv oder Passiv stark mit der
Wahl der zu produzierenden Textsorte zusammenhängt, können
Transformationsübungen mit einem Textsortenwechsel verbunden
werden, der den Sinn der sprachlichen Umformung begründet. 10
9
Beispiel aus Rug/Tomaszewski (2001: 46).
Vgl. dazu Thurmair (2004: 94-96).
10
436
Zum Beispiel könnte man folgende Gebrauchsanweisung für ein
Haushaltsgerät in eine mündliche Erklärung umwandeln (s.u.), bei
der
ein
Verkäufer
seine
Kundin
über
einige
wichtige
Sicherheitshinweise informiert:
Sicherheitshinweise: Fensterreiniger MultiMax
Das Gerät darf nur von autorisierten Personen geöffnet
werden. Das fest angebrachte Stromkabel darf nicht
abgetrennt werden und durch ein anderes Kabel ersetzt
werden. Ein Verlängerungskabel beliebiger Länge kann
natürlich verwendet werden.……Bevor Sie mit der Reinigung
und Pflege von MultiMax beginnen, muss das Gerät vom Netz
getrennt sein sowie auch abgekühlt sein. Aus Gründen der
elektrischen Sicherheit darf das Gerät zur Reinigung niemals
in
Wasser
oder
andere
Flüssigkeit
getaucht
werden
(http://www.tien.de/download/multimax.pdf).
Mündliche Erklärung: Sie dürfen das Gerät nie allein öffnen.
Trennen Sie das Stromkabel nicht ab und ersetzten es nicht
durch ein anderes Kabel. Natürlich können Sie ein
Verlängerungskabel
verwenden….
Bevor
Sie
mit
der
Reinigung und Pflege von MultiMax beginnen, müssen Sie das
Gerät vom Netz trennen und abkühlen lassen. Tauchen Sie das
Gerät nicht in Wasser oder andere Flüssigkeiten.
437
Dabei wird der Inhalt des ursprünglichen Texts in eine neue
Textsorte durch die Verwendung anderer sprachlicher Mittel
umgewandelt. Der ursprüngliche Text ist eine Anleitung, in der
eine sachliche Darstellungsperspektive vorherrscht, die durch das
Passiv geschaffen wird. Der zweite Text ist eine mündliche
Erklärung, die das handelnde Subjekt (Sie) in den Vordergrund
stellt, weshalb hier das Aktiv geeignet ist.
Auch folgendes Kochrezept lässt sich in einen mündlichen
Bericht umwandeln, der von einem Koch am Ende einer
Kochsendung im Fernsehen wiedergegeben werden könnte:
Weinsuppe mit Suppenhuhn
Die Henne wird mit dem geschnittenen Suppengrün nicht ganz
weich gekocht (1 Stunde). Man nimmt die Henne aus dem Topf,
zieht die Haut ab und stellt sie dann kalt. Die Suppe wird
abgeseiht, mit Salz, Pfeffer und Rosmarin gewürzt. Eine helle
Schwitze wird zubereitet und mit Brühe und Wein aufgegossen.
Man teilt die Henne, das Fleisch wird vom Knochen gelöst und
in Würfel geschnitten. Anschließend gibt man das Fleisch in
die Suppe. Am besten lässt man die Weinsuppe durchziehen
und isst sie erst am nächsten Tag. (http://www.historischesfranken.de/essen/011weinsuppe.htm)
438
Mündliche Vorgangsbeschreibung: Wir haben die Henne mit
dem geschnittenen Suppengrün nicht ganz weich gekocht (1
Stunde). Wir haben sie aus dem Topf genommen, die Haut
abgezogen und sie dann kalt gestellt. Dann haben wir die
Suppe abgeseiht, mit Salz, Pfeffer und Rosmarin gewürzt. Wir
haben eine helle Schwitze zubereitet und mit Brühe und Wein
aufgegossen. Dann haben wir die Henne geteilt, das Fleisch
vom Knochen gelöst und in Würfel geschnitten. Anschließend
haben wir das Fleisch in die Suppe gegeben. Am besten lässt
man die Weinsuppe durchziehen und isst sie erst am nächsten
Tag.
Grammatikarbeit
kann
Textsortenkompetenz
dadurch
beitragen,
zur
Entwicklung
indem
einer
insbesondere
die
Reflexion über die bei den Lernern oft unbewusste enge
Beziehung zwischen Textsorte und den jeweils dafür typischen
sprachlichen Mitteln in den Mittelpunkt rückt.
Beim
Umgang
mit
dem
Textsortentransformationsübungen
Passiv
können
durch
auch
solche
spielerische
lernaktivierende Sozialformen eingesetzt werden, die einen
lockeren Umgang mit der Sprache fördern. Zum Beispiel können
die Lerner in zwei Gruppen unterteilt werden, wobei die erste
Gruppe
der
zweiten
mündlich
erklären
muss,
wie
ein
Computerspiel funktioniert (zum Beispiel das Tamagochi) und die
zweite
Gruppe
versuchen
muss,
439
die
Hinweise
praktisch
umzusetzen. Als Alternative dazu könnte eine Gruppe in Form
einer schriftlichen Beschreibung erklären, was bei einer Person bei
einem Styling verändert wird/wurde. Die zweite Gruppe soll dann
eine Zeichnung vorher/nachher anfertigen: z.B. das Haar wurde
geschnitten, Lidschatten wurde aufgetragen usw .
4. Schlussbemerkung
Ich fasse zusammen: Die Behandlung des Passivs im DaFUnterricht soll satzübergreifend und durch Einbettung der
Übungen in charakteristische Textsorten erfolgen, welche die
Funktion
passivischer
Strukturen
in
der
authentischen
Kommunikationspraxis verdeutlichen. Übungsgrammatiken, die
sich als textuell orientiert präsentieren, gehen immer noch sehr
form- und satzbezogen vor und vermitteln nur ansatzweise einen
authentischen Sprachgebrauch.
Eine textzentrierte und situationsorientierte Behandlung der
grammatischen Strukturen leistet einen wichtigen Beitrag zur
Vertiefung des Sprachkönnens beim Fremdsprachenlerner. Sie
erhöht außerdem durch den Wirkungszusammenhang von
Sprache, Inhalt und Textualität die Motivation und das Interesse
440
für den oft zu recht verhassten Grammatikunterricht 11.
Daniela Sorrentino
Università di Pisa
Dottoranda in Linguistica delle Lingue moderne
Email: [email protected]
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11
In der italienischen DaF-Didaktik scheint in letzter Zeit der Text als zentrale
Einheit der Grammatikvermittlung zunehmend in den Vordergrund zu rücken.
Erwähnenswert ist diesbezüglich das Projekt einer Lerner- und Lernprozessorientierten Grammatik, bei deren Konzeption der authentische Text
Ausgangspunkt, Mittel und Ziel des Lernwegs darstellt. Vgl. Rogina (im Druck)
441
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