Markt - Oliver Kluck

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Markt - Oliver Kluck
@Zensor: Paris Panik
35 XIX - XXXI
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Im ICE Wilhelm Conrad Röntgen auf der Fahrt von
München nach Hamburg
35 XIX.
Noch mal schön das Gesicht schmieren. Schmatze um
den Mund. Gefällt Ihnen mein Gesicht. Schauen Sie.
Wie schwarz ich sein kann. Wollt ihr mal meine Haut
anfassen. Die Frau dort mit dem Bauch. Wollen Sie
mal meine Haut anfassen. Fassen Sie mal meine Haut.
Was haben Sie gefühlt, als Sie meine Haut gefasst
haben. Kommt alle her. Fasst mich alle an. Da
werden Sie erstaunt sein, wie warm meine Haut sein
kann und weich. Finden Sie nicht auch, dass ich
sehr gut angezogen bin. Die Farbe meiner Kleidung
sehr gut zur Farbe meiner Haut passt. Das sieht man
bei Schwarzen immer wieder. Dass sie sehr gut
angezogen sind. Dass sie gar kein Geld haben. Aber
gute Schuhe. Schuhe, die wir uns gar nicht leisten
können. Schaut euch meine Schuhe an. Wie gefallen
euch meine Schuhe. Da muss ich mich glatt fragen.
Da frage ich mich. Nur teures Zeug. Wie kann es
sein, dass ich als Schwarzer so gut angezogen bin.
Wie konnte das passieren. Das kann ich Ihnen
gegenüber unmöglich behaupten. Das glaube ich mir
selber nicht. Dass ich diese Kleidung kraft meiner
Hände Arbeit erwerben konnte. Was mir aufgefallen
ist. Bei uns im Ort gibt es. Bei uns gibt es nur
zwei Sorten Schwarzbier. Normales Schwarzbier und
Schwarzbier mit Sirup. Das fällt natürlich auf. Da
falle ich natürlich auf. Wenn ich mich als
Schwarzer tagsüber raus wage. Wenn ich das Gehäuse
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verlasse. Mich im Kulturraum bewege. Sie müssen
wissen. Ach. Kommen Sie. Wissen Sie. Man beschaut
diese dunkeln Menschen am besten bei Dunkelheit.
Bei der Arbeit in der Mampe Bar. Import. Export.
Wieviel brauchen Sie denn. Hallo und Guten Abend.
Folgendes ist im Angebot
Ich möchte eines gleich klarstellen. Dieses
Gespräch ist die Imitation eines Gespräches. Ich
mache bei diesem Gespräch mit, weil ich zum
Mitmachen bei diesem Gespräch genötigt werde. Aus
mir heraus habe ich überhaupt keine Lust, an diesem
Gespräch teilzunehmen. Ich fahre nicht freiwillig
mit der Bahn. Ich bin dennoch ein guter Fahrgast.
Es ist angenehm, mit Leuten wie mir irgendwo
hinzufahren. Ich bereite niemandem Probleme. Ich
sitze hier und halte mein Mund. Lieber Baader.
Liebe
Sehr geehrter Herr Baader. Sie sind als Spieler
bestimmt ein großes Talent. Wie schön für Sie, dass
das so viele Leute bereits erkannt haben. Ihre
Arbeit über alle Maßen schätzen. Sie wissen
sicherlich schon, wie Sie mich darstellen also
spielen wollen. Sie sehen mich aktiv. Sehr bemüht
durch die Gegend laufen. Ich sehe mich eher
unbeteiligt. Sie ziehen Ihr Hemd aus. Sie steigen
eine Leiter auf. Sie springen von oben nach unten.
Sie sind ganz schön auf Temperatur gekommen,
nachdem Sie bestimmt eine Viertelstunde lang von
links nach rechts gerannt sind und dann zurück. Den
Leuten gefällt es. Sie müssen sehr darüber lachen.
Die Töchter finden aufregend, was im Gehäuse
verhandelt wird. Kleine Perlen. Muschelkalk. Saft
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35 XX
Mein Körper expandiert. Seitdem die Frau in meinem
Leben wohnt. Werde ich immer fetter. Was mache ich
jetzt mit meinen Hosen. Können meine Hosen nochmals
umgenäht werden. Ist es besser, Sport zu treiben.
Als Idiot von Idioten umgeben auf einem Band zu
laufen. Oder besser gleich die Konfektionsgröße
wechseln. Zur eigenen Verfressung stehen
Ich möchte gerne für immer schlafen. Das ist mein
Wunsch. Nein. Es ist zu einfach. Bitte notieren
Sie. Frau Dr. Ogen Euter. Kleine Ficksau. Ich
möchte gerne für immer aufwachen. Mich
ausgeschlafen fühlen nach langem Schlaf. Warum ich
also hier bin. Ich bin aus didaktischen Gründen
hier. Damit es auch der Letzte versteht. Ich bin
die Methode Holzhammer. Ich werde immer dann
eingesetzt. Wenn es besonders aufrichtig wird und
besorgt
Dir würde ich es gerne besorgen. Liebes
Körpermädchen Vulva
Zu sagen. Doktor Euter Feist. Ich bin wahnsinnig,
ja wirklich stolz. Dass Sie mich spielen. Ich hatte
Sie. Ich habe Sie ja immer schon. Für mich sind
Sie. Hätte mir vor ein paar Jahren. Ich hätte kein
Wort davon. Ganz ehrlich. Ich hätte ganz ehrlich
losgelacht. Lachen Sie einfach, wie Sie beim
letzten Mal gelacht haben. Ich hatte es Ihnen auf
der Stelle abgenommen
Entschuldigen Sie. Ich bin gerade zugestiegen. Ich
sage es gleich direkt. Ich hatte mich auf der Suche
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nach dem richtigen Wagen richtig verlaufen. So
hatte ich jeden kennengelernt. Bevor ich euch
kennengelernt habe. Ziemlich schlechte Luft hier im
Abteil
Die Fiste hat sich für einen in vielfacher Weise
funktionalen Raum entschieden. Eine
multifunktionale Regalwand. Vitrinen und Fächer, in
denen Artefakte aus dem Leben der Figuren verwahrt
werden. Aufbewahrt. Vielleicht mag die Kollegin ihr
Reisegepäck gleich dazulegen
Ich möchte mich selber in eines der Fächer legen.
Hineinlegen. Um der heute Abend anwesenden, ja wie
sagt man denn nun? obersten Spitze Führung
Leitungsebene dem Herrn Blacher gegenüber zu
beweisen. Dass ich meine Gage wert bin
Herrschaften. Die Assistenz hat es Ihnen bereits
attachiert. Wir werden heute Eisenbahngeschichte
schreiben. Ich bitte Sie, Ihre Ausweise bereit zu
halten. Bitte erwarten Sie die nächste Durchsage
Nochmal Baader. Zitat. So. Wir fahren. Da habt ihr
es. Wir sind unterwegs. Schaut mal, was ich für
schöne weiße Zähne habe. Weil ich mir natürlich
nicht wie ihr fetten vollgefressenen Mitteleuropäer
meinen Mund also die Fresse mein Maul mit
Kristallzucker verhunzt habe. Frau Feist. Wollen
Sie nochmal meine Haut anfassen. Ihr Mann also. Er
hat Sie sitzen lassen. Da waren Sie mitten in der
finalen Phase Ihrer Schwangerschaft. Hochträchtig.
Tragend. Das war schwer für Sie gewesen. Die
schweren Brüste. Die schweren Einkaufstaschen
alleine bis ganz oben tragen zu müssen. Aber nun
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fahren wir ja wieder. Nun geht es weiter vorwärts.
Wohin fahren wir. Wir fahren von München nach
Hamburg. Mir soll es recht sein. Möchte noch jemand
etwas Doppelkorn in seinen Rotbäckchensaft. Ich
trinke so gerne. Wenn Alltagssituationen imitiert
werden. Bin ich am liebsten etwas angetrunken. Noch
lieber liebend gerne vollkommen blau. Obwohl selber
vollkommen schwarz. Wie Sie ja bereits festgestellt
haben
Ich bin so geil auf Geschichte. Ich lasse mir so
gerne erzählen, wie es wirklich war. Mein Name sei
Baader. Ich weiß nicht, ob euch das schon mal
aufgefallen ist. Alle reden immer nur von Dialog.
Ich sage jetzt gar nichts mehr. Blacher. Schreiben
Sie sich das in Ihr Moleskine Heftchen. Ich
entziehe mich dem Diskurs, indem ich einen geilen
Traum träume. Ich werde Sie und Ihresgleichen nicht
weiter durch Auslassungen ernähren können. Der
Austausch aufrichtiger Meinungen endet hier. Sie
werden sich demnächst eine richtige Arbeit suchen
müssen. Eisenbahnschwellendemontage in der Wüste
Gorki. Ich korrigiere. Sie werden demnächst von den
Zinsen leben müssen, die Ihnen Ihre Mieter zahlen.
Ich korrigiere nochmals. Etwas Geduld. Ich
korrigiere. Sie werden als Höchststrafe für Ihre
Angepasstheit für den Rest ihres Lebens Feiste sein
müssen. Blacher. Fickmaul. Unleserlich. Gestrichen.
Katrin Röggla ist ab diesem Jahr Mitglied der Jury
des Theatertreffens
Frage. Wie geht es Ihnen mit Ihrer Wahl in dieses
wichtige doch sehr wichtige Gremium. Frau
Professor. Antwort. Unleserlich. Mehrere
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Streichungen. Doch. Mir geht es so richtig gut. Was
Sie sich sehr gut vorstellen können. Ich nehme
diese Aufgabe an. Ich möchte sie besonders gut
erfüllen. Mit großem Ernst bei der Sache sein. Kann
man das so sagen. Ich beginne meinen Tag sehr gerne
mit einer Tasse Tee und einem guten Gedanken. Sie
müssen wissen. Ich habe überall im Haus Zettel und
Stifte verteilt. Keiner meiner Gedanken soll
verloren gehen. Alles ist gut. Alles ist
gleichermaßen brauchbar. Pflaumensaft. Ausgespuckt,
da ekelhaft. Auf den Teppich gekotzt. Performativ.
Sachar. Schnell. Bringen Sie uns etwas
Wohlschmeckendes zu trinken. Bringen Sie jedem von
uns ein weiteres Glas. Sachar bringt jedem von uns
ein weiteres Glas. Wir sind Das Deutsche Theater.
Wir haben es uns in der Ersten Klasse bequem
gemacht
Es wird ein angemessener Versuch verlesen auf die
deutsche Eisenbahn. Unterhose kneift etwas im
Schritt. Sehr geehrte Damen und sehr geehrte
Herren. Die deutsche Eisenbahn ist das Ergebnis
einer Erfindung aus England. Ich hätte gerne die
Kentucky Waffle Fries. Gleich zum hier essen. Drei
Tage von Dresden nach Leipzig. Unterwegs
ausgeraubt, vom Kutscher in den Arsch gefickt.
Stattdessen sitzen wir hier in diesem Abteil,
freuen uns zu Recht zur rechten Zeit geboren zu
sein
Alle lieben Geschichte. Geschichte zeigt uns das
traurige total beschissene Leben der anderen. Dass
man sich selber sofort besser fühlen kann. Ich
möchte einen Spruch ausbringen auf die Feist
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Foundation. Die Feist Foundation hat durch ihre
großzügige Unterstützung den Eisenbahnbetrieb in
Deutschland möglich gemacht. Feiste. Ich muss Ihnen
nochmals persönlich für Ihr grandioses Buch über
den polnischen Horizontalpionier Bratislav
Klitorsky danken. Allmächtiger Gott der Rille. Ich
glaube dem Feist jedes Wort. Sei unser Vater.
Besten Dank übrigens auch für die Suppe am
Gendarmenmarkt
Wenn Sie mal schauen wollen. Da haben Sie den
Beweis. Ich fand Geschichte immer schon richtig.
Schon als Kind. Wenn die anderen Kinder mit anderen
Kindern spielen gegangen sind. Habe ich im Haus
meines Vaters gesessen. Meines Vaters Bücher
gelesen. Ich bin so auf Bücher eingestellt. Ich
habe immer schon gerne Bücher auch in der Hand
gehalten. Angeschaut. Das mit dem kleinen Feuer auf
der Wartburg sei ein großer Spaß gewesen. Warum
immer nur Holz nehmen. Warum nicht Papier. Er hätte
nichts gegen diese Autoren. Sagte der polnische
Taxifahrer auf dem Weg zur Messehalle. Sollen sie
doch schlechte Bücher schreiben und langweilige. Er
hätte noch einiges an Öl in die Höhle des Löwen
gegossen. Wieviel leichter falle es ihm heute, ein
anständiges Feuer zu entfachen. Was habe sich der
Ernst Moritz Arndt da noch verausgaben müssen.
Kleines Turnerfest unter Freunden und
Gleichgesinnten. Leute. Ich habe euch was
Ausgezeichnetes mitgebracht. Ausgezeichnet mit dem
Preis der Leipziger Buchmesse
Damit ihr es wisst. Ich komme gerade aus den
Endproben zum Erdbeben. Hält der Staudamm oder hält
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er nicht. Ich habe eigentlich gar keine Zeit.
Eigentlich sollte ich nicht hier sein. Wo sind wir
denn. Ach so. München. Hamburg. Wann sind wir
endlich da. Dermaßen juckt die Fotze. Zwei Unglücke
zur gleichen Zeit sind eigentlich zwei zu viel.
Erdbeben. Sturmflut. Glatteis. Immer noch Regen.
Wolkenbruch. Ich weiß selber nicht, wie ich damit
klarkommen soll. Ich arbeite praktisch rund um die
Uhr. In meinem Mund ist ein Betrieb wie auf einer
vielbefahren Schnellstraße. Sie sehen es ja selber.
Der Zug ist mein Büro. Hier habe ich Zeit und Ruhe.
Was ich hier vor mir liegen habe, ist nichts
anderes als das Wetter von morgen. Sie ahnen es
bereits. Ich habe dieses Wetter selbst gemacht. In
meiner Wetterküche. Schmeckt es Ihnen. Ich habe dem
Menü noch diese hohlen Nüsse hinzugefügt.
Beigemengt. Ich hatte mich gefragt. Wie kommen all
die Bäume in den Wald. Die Antwort ist ganz
einfach. Dass man selbst nicht drauf kommt
Sie können mich gerne zitieren, wenn es Ihnen
Freude macht. Wenn es nach mir ginge. Dann ginge es
nach mir. Dann würden Lastwagen mit laufendem Motor
vor den Häusern warten. Vielleicht finden Sie das
jetzt ein bisschen faschistoid. Ob Sie mir glauben
oder nicht glauben. Moment. Bleiben Sie mal in der
Leitung. Ich höre gerade Fickgeräusche aus der
Nachbarwohnung. Wo waren wir stehen geblieben
Mit weit offenen Augen durch die Stadt gehen. Wie
oft kommt es vor, dass ich mir die Faust in den
Mund stecken muss. Um mal zu sehen, wie sich das
anfühlt. Mit der Faust im Mund durch die Stadt. So
viele Stoffe gibt es. Sagt die Frau in der
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Apotheke. Seitdem ich in einer festen Paarbeziehung
lebe. Hat sich meine Lust an der Bewegung in eine
von mir nicht vorgesehene Richtung entwickelt. Ich
sitze nur noch da. Versunken. Stumm. Wenn ich mit
einer Frau zusammen bin. Möchte ich gerne alleine.
Auch sehr gerne mit anderen Frauen zusammen sein.
Eine Apothekerin würde mir sehr gefallen. So viele
Stoffe. Ich könnte locker das Doppelte an Wetter
machen. Gutes Wetter. Schlechtes Wetter. Sommer.
Frühling. Das Material geht niemals aus. Sie werden
es sich denken können. Solange der Stoff nicht
ausgeht, bin ich Ihr Bratislav aus Warschau.
Herzliche Grüße, Tschüss
Die Kunst. Ich habe immer ein etwas ungutes Gefühl
mich selber als Künstler zu bezeichnen. Ich fühle
mich eher wie der Mann, der bei Lindis Imbiss die
Tische abräumt. Ich bin ein einfacher ein ganz
einfacher Mensch. Allereinfachste Denkstrukturen
befinden sich in meinem riesenhaften Schädel. Je
weniger ich habe. Desto einfacher könnte ich
glücklich sein. Ich schreibe sofort alles auf. Hier
ist der Beweis. Leider kann ich meine eigene
Schrift nicht lesen. Vielleicht bin ich sogar
bescheiden. Das Haus, in dem ich lebe, ist aus
altem Papier. Drei Wochen Dauerregen haben meine
Existenz vernichtet. Sämtliche Kredite laufen
weiter, dass ich gerade noch. Diese leckere
Currywurst hier bestellen kann. Schauen Sie mal
nach dem Preis. Ich bin gerade blind. Unsere
leckere Currywurst aus der Sansibar. Jetzt auch im
Bordbistro und in der Ersten Klasse an Ihrem Platz.
Was ich dazu zu sagen hätte. Ich habe dazu nichts
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zu sagen. Kanister Benzin rüber gießen, Fotos
machen, Strandspaziergang. Überlegen Sie doch mal.
Wir fahren hier mit fast dreihundert Kilometer pro
Stunde. Die Sansibar hingegen ist die ironische
Interpretation einer Holzhütte in den Dünen
Das sind diese Fragen, bei denen ich mich frage,
warum sie ausgerechnet mir gestellt werden. Was Sie
dazu bewegt hat zu glauben, dass ich eine derartige
Frage beantworten werde. Fragen Sie doch mal den
Steward, was er dazu zu sagen hätte. Ich möchte am
liebsten die Diebische Elster tanzen. Ich möchte
mich am liebsten hier auf diesem Ganzraumteppich
wälzen. Und das mache ich jetzt auch. Dass Sie mir
eine solche Frage stellen. Sie erleben mich
sprachlos. Ich frage mich gerade, ob Sie das einen
Maler auch fragen würden. Was er denn da gerade
gemalt hat. Herr Rauch, was ist das Thema Ihres
Bildes. Was haben Sie denn da gemalt. Es ist ja
auch so schön bunt. Ein schönes buntes Bild. Hat es
was mit Frühling zu tun
Wir wollten eigentlich über mich reden. Das ist der
Grund, warum wir uns hier getroffen haben. Lassen
Sie mich nochmal kurz einen Versuch wagen. Wie es
eigentlich zu mir gekommen ist. Eigentlich.
Eigentlich ursprünglich hatte ich mit mir gar
nichts zu tun. Ich hatte nichts damit zu tun
gehabt. Sie wissen sicherlich. Dass es sich bei mir
um eine Auftragsarbeit handelt. Der Bundesverband
der Deutschen Ingenieure hatte jemanden gesucht,
der zum Blacher Jahr dem Blacher ein Buch schreibt.
Lieber sehr geehrter hoch verehrter Herr. Daniel
Kehlmann
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Natürlich hatte der Professor Feist den Daniel
Kehlmann gefragt, ob er ein derartiges Buch
schreiben wolle. Ausreichend Papier war bereits
vorhanden. Kehlmann sei begeistert gewesen. Warum
er letzten Endes doch abgesagt hat. Darüber wurde
Stillschweigen vereinbart. Was mir mein Schwanz in
der Hose zwickt. Nur so viel. Aus der Humboldt
Universität ist zu erfahren, dass die Forderungen,
welche Kehlmann gestellt hat. Schale mit frischem
Obst. Obst nur von einer Sorte, aber vielfältig.
Blickdichte Vorhänge. Zimmerjunge. Lieber etwas
jünger. Zart. Bad mit Badewanne und Dusche. Eigenes
Becken für die Füße. Täglich frische Handtücher.
Zum durch den Schritt ziehen. Weiches
Toilettenpapier. Feuchttücher. Ein Stehpult aus
Eichenholz. Geschliffene Gläser. Verschiedene
Obstsäfte. Schnittblumen
Der Kehlmann hatte gefordert. Ich habe es alles nur
gehört. Ein Bekannter. Eine Bekannte. Ein sehr
überschaubarer Kreis. Eine Streichung. Ich hätte
sofort den Arzt gerufen. Geben Sie dem Herrn
Kehlmann zwei Einheiten Quilonum. Der Herr Kehlmann
ist verrückt geworden
An dieser Aufstellung können Sie sehen. Dass der
Kehlmann nicht die geringste Ahnung. Der Herr
Kehlmann hat überhaupt keine Vorstellung davon.
Wenn Sie mich so fragen. Sie können mich alles
fragen. Ich sage es Ihnen direkt. Kehlmann hat ein
Problem mit seinem Vater. Über Kehlmanns Vater
spricht heute keine Sau mehr. Kehlmann möchte, dass
alle über seinen Vater reden. Was sein Vater für
ein genialer Regisseur gewesen sei. Kehlmannwochen
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am Deutschen Theater. Publikumsgespräche mit
Kehlmann über Kehlmanns Vater. Zu Gast Kathrin
Röggla. Zugeschaltet aus dem Jenseits. Der
Professor Tankred Dorst
Ich hatte Ihnen bereits gesagt, worum es geht. Es
geht um Daniel Kehlmann und seine Experimente mit
der Elektrizität. Was mich besonders daran
fasziniert. Der Begriff Elektrizität war zu
Lebzeiten Kehlmanns noch vollkommen unbekannt. Beim
Sonnengruß vom Blitz getroffen zu werden war
einfach nur Schicksal
Nein. Das kann man gerade nicht sagen. Dass die
Aufzeichnungen nicht von Kehlmann seien. Die
Aufzeichnungen kommen durchaus von Kehlmann. Er war
der Impulsgeber für das Zustandekommen der
Versuche. Die Übersetzung basiert auf seinen
Aufzeichnungen. Die Güteprüfung hat lediglich
umgesetzt, was er ihr vorgegeben hatte. Ein
ledigliches Umsetzen lediglich. Ziel war es. Wir
wollten den Leuten klarmachen. Wie soll ich es
sagen. Sagen Sie es mir. Ich möchte es mal so
sagen. Das sagen Sie einfach so. So würde ich es
nicht sagen. Ich sage jetzt gar nichts mehr. Ich
spreche aus dem Off zu Ihnen. Direkt in Ihr Gehirn
35 XXI.
Schwachholz hin oder her. Ganz ehrlich. Die Pappel
ist der geeignete Baum für Ihr Vorhaben. Schnitzen
Sie das Leben des Blacher aus dem weichen Holz der
Pappel. Ein paar Holzschuhe. Ein Kerzenständer. Ein
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Tisch. Stühle. Einige Blatt Papier. Aus feinstem
allerfeinstem Pappelholz. Weide ginge auch. Macht
sich von ganz alleine breit. In Ihrem Leben als
Dichter am Arsch der Macht. Macht nichts. Nehmen
Sie dieses Holz. Ich schreibe es Ihnen auf.
Morgens. Mittags. Abends. Jeweils zwei Einheiten
vor jeder Mahlzeit
Der neue Roman von Sybille Berg. Ich habe das
Bahnjournal von vorne bis hinten durchgelesen.
Meine Neugierde ist geweckt. Sie sehen es ja
selber. Ich möchte sofort einkaufen gehen. An die
Redaktion. Hören Sie. Ich bin es, Baader. Ich fühle
mich wie ein frisch gebumstes Eichhorn. Ich kann
auf Ihren Sitzen nicht sitzen. Haltungsschaden. Das
nächste Mal werde ich wieder das Auto nehmen. Ist
mir scheißegal, ob Stau ist
Bei dir oder bei mir. Wie wollen wir es machen.
Kleine Versuchsanordnung. Versuchen Sie es mal mit
Ihrer Nachbarin oder einer Kollegin. Sie werden
sehen, was Sie davon haben. Wie schmeckt Ihnen die
Gurke. Frisch eingelegt. Frische Wäsche.
Wohlfühlkleidung. Schläft es sich gleich viel
besser
Frauen unter sich. Ich möchte meinen Körper anderen
zeigen. Genau wie Dolly Buster hat sich die Feiste
nie für Männer interessiert. Es fällt
ihr nicht
schwer, sich vollkommen zu öffnen. Schaut wie
professionell sie sein kann. Ein immer gleiches
Gesicht genügt. Ein Mund, der geöffnet werden kann
und geschlossen. Ein tschechischer Akzent. Der
Feiste geht es nicht darum Männer. Tja. Glücklich
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zu machen. Was Männer über sie denken, ist der
Feiste vollkommen gleich. Die ganze Angelegenheit
ist eine Sache zwischen ihr und ihrer Mutter. Ich
erinnere mich noch ganz genau. Man darf sich nicht
täuschen lassen von ihrem Auftritt als erfolgreiche
Geschäftsfrau. Ihre Mutter war früher mindestens
genauso jedermann wie die Feiste heute. Sex im
Volksmund. Ist der Titel eines sehr guten
Nachschlagewerks. Die Bezeichnung Sommerloch
bekommt auf einmal eine ganz andere Bedeutung.
Vielen Dank Michael Lentz für diesen Tipp
Das stellen Sie sich bitte mal vor. Wie die Feiste
das übt. Das Fahren mit der Bahn erst einmal
einstudieren muss. Sich die Figur des bahnfahrenden
Menschen nach und nach aneignet. Schauen Sie bitte.
So in einem Wagen sitzen. Mit anderen in einem
Abteil. Ist das denkbar für Sie
Blacher hat da was bei Schivelbusch gelesen.
Blacher sagt zu Baader. Haben Sie Schivelbusch
gelesen. Sie sollten Schivelbusch lesen. Bei
Schivelbusch können Sie etwas zur Fahrt mit der
Eisenbahn erfahren. Was ich Ihnen empfehlen möchte.
Sie sollten sich dem Gegenstand der Eisenbahnreise
auf lesende Weise annähern. Die Leitung hat sich
dazu bereits vorab einige Notizen angelegt. Hier
bitte, schauen Sie. Lassen Sie Ihren Slip ruhig an.
Ich werde auch so rankommen. Schauen Sie. Bitte.
Die Assistenz hat im Auftrag der Leitung die
wichtigen Informationen für Sie auf diesem
Handzettel attachiert
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Lassen wir das. Ich höre ja schon auf. Ich
versichere Ihnen. Ich kann Ihnen versichern. Sehr
verehrte Damen und sehr verehrte Herren. Ich liebe
das Spiel genauso, wie Sie das Spiel lieben. Ich
könnte meine Arbeit gar nicht machen also ausüben.
Würde ich das Spiel nicht so lieben, wie Sie das
Spiel lieben immer geliebt haben. Immer schon lieb
hatten. Auch wenn es manchmal anders erscheint. Sie
müssen mir glauben. Meine Liebe zum Spiel ist eine
starke. Ein tief empfundenes Gefühl. Hinter dieser
unscheinbaren Pforte liegt es verborgen
Schon mein Vater. Mein Vater schon hatte einen
eigenen Lehrstuhl. Gutes Eschenholz. Eine
grundsolide Tischlerarbeit. Mein Vater. Schreiben
Sie mit, Baader. Mein Vater hatte einen Lehrstuhl.
Zwei Finger in eine Öffnung hineinzustecken. Darum
ging es vor allem. Vater hatte die nackte Eva
Matthes als junge Frau gesehen. Wenn Vater mit
Mutter schlief. Beziehungsweise und oder aus seinem
Büro in der fünften Etage der Universität in den
Lichthof der Universität onanierte. Dort wo die
Studenten an Tischen saßen. Tasse Kaffee Stück
Kuchen. Hatte Vater oft so wie er es mir versichert
hat immer an die sicherlich schon damals ganz
anständig durchgevögelte Eva Matthes denken müssen.
Die er einmal gesehen hatte und zwar auf einer
Bühne in einem Theater. Bitte stellen Sie sich vor.
Wir hatten damals Premierenkarten. Wir hatten für
die Premierenkarten nie etwas zahlen müssen. Vater
schrieb nebenbei Empfehlungen. Die Zeitungen kamen
gratis ins Haus
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Statt in die Schule zu gehen. Nur so als Angebot.
Lecken Sie gerne meinen Arsch. Bin ich lieber
liegen geblieben. Nach dem Aufstehen ging es. Ins
Café Speer. Wo ich erste Versuche verfasst habe.
Noch keine elaborierten Texte. Wie Sie sich Texte
vorstellen. Eher Bleistiftzeichnungen.
Strichmännchen. Gerne Anzügliches. Mein erstes Mal
wird bestimmt schön. Frage an Sie. Ob ich den
Kardinal Ratzinger auch einlade
Ob es Ihnen vielleicht aufgefallen ist. Dass die
Leute. Wenn Sie von der Eisenbahn. Von der Klappe
unter dem Lokus erzählen. Man tritt das Pedal. Die
Klappe geht auf. Scheiße und Scheißhauspapier
fallen aufs Gleis. Man schaut durch das Loch
hindurch auf den Gleiskörper. Der Versuch, einzelne
Schwellen mit dem Auge festzuhalten. Der Lärm, der
in den Aborten geherrscht hat. Windzug an Arsch,
Hodensack und Fotze
Alles was ich getan hatte. Das hatte ich nie getan.
Den Flug der Scheiße zu beschreiben. Ich hatte über
die fleißige Hausfrau geschrieben. Die gerade ihre
Koch und Weißwäsche zum Trocknen aufgehängt hat.
Die Wäscheleine unter der Eisenbahnbrücke gespannt.
Wäsche und Garten und Hausdach mit Scheiße bedeckt.
Gleich kommen die Schwiegereltern. Wir müssen
wieder über die großen Themen schreiben. Zweifel im
Gesicht der Frau. Maßlose Enttäuschung. Wut.
Hilflosigkeit
Ich hatte mir die Akte Schweiger nochmals geben
lassen. Was ich denn nochmals mit der Akte
Schweiger wolle. Hatte die Frau in dem Sekretariat
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gefragt. Sie hätte es schon beim ersten Mal nicht
verstanden. Warum ich gerade die Akte Schweiger
haben wolle. Warum nicht eine von den anderen
Akten. Immer wieder die Akte Schweiger. Hat die
Frau in dem Sekretariat gesagt. An dem Institut an
der Hochschule an der der Schweiger dereinst
studiert. Wir sind eine sehr gute Hochschule. Sagt
die Frau zu dem Baader. Die Beine
übereinandergeschlagen. Der Rock ziemlich kurz. Der
Schweiger sei einer unserer besten ja allerbesten
ein exzellenter Student gewesen. Ein
Ausnahmetalent. Ohne Ausnahme talentiert. Einer der
besten Studenten. Den die Hochschule jemals in
ihrem Matrikel. Wo schauen Sie denn hin. Schmeckt
Ihnen mein Kaffee nicht. Was wollen Sie denn nun
von dem Schweiger. Sehr geehrter Herr Baader. Über
den Schweiger ist doch schon so viel geschrieben
worden. Selten Gutes. Der unverstandene Schweiger.
Wie Blacher den Schweiger genannt hat. Ach Blacher.
Der konnte ja nicht mal Turbo Pascal. Hat hier
große Arbeiten von anderen schreiben lassen. Eine
vollkommen unglaubwürdige Figur. Kaum authentisch.
Überbewertet. Wenn Sie mich fragen
Feiste spielt Bahnreisende. Muss erstmal ihre Yoga
Matte ausrollen. Rumsitzen und Nichtstun. Wie kann
ich das darstellen. Dass meine Darstellung
glaubhaft rüber kommt. Dass ich anerkannt werde.
Vor allem geliebt. Ohne mich in ein geometrisches
Dreieck verwandeln zu müssen oder ein Spiegelei
Unser Leben besteht zu großen ja zu überwiegenden
Teilen aus performativen Darstellungen in denen
wenig sehr oft sogar so gut wie gar nichts
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passiert. Ich sitze in einem Schnellzug von München
nach Hamburg. Ich studiere im dritten Semester. Ich
schlafe mit jemandem. Auf der Zeitung von heute
steht das Datum von gestern. Ich schaue Die Räuber
als Laienspiel in einem Altenheim. Ich höre meine
Mutter über meine Kindheit sprechen. Ich sage
meiner Mutter. Du bist vollkommen verblendet. Was
du hier sagst, entspricht nicht der Wirklichkeit.
Meine Erinnerung hat sich vollkommen anders
entwickelt
Mutter behauptet, ich könne mich nicht an den
Vorgang meiner Geburt erinnern. Ich sei ja noch
viel zu klein gewesen. Mich überhaupt an
irgendetwas erinnern zu können. Baader. Raus mit
der Sprache. Haben Sie mich jemals Fisch essen
sehen
Sie glauben gar nicht, woran ich mich noch alles
erinnern kann. Was mir alles im Gedächtnis
geblieben ist. Ich habe ein Gedächtnis. Wie der
viel zitierte Dickhäuter. Die Leute. Fragen. Wie
kannst Du dir all das nur merken. Wie ich mir all
das nur merken könne. Eine derartige Frage habe ich
mir nie gestellt. Ich habe mich vielmehr gefragt.
Warum muss eine junge Fiste, die vollkommen
natürlich nichts anderes tut als nichts zu tun,
mich mit einem derartigen Aktionismus überraschen.
Warum kann sie nicht mit einer großen Disziplin
einfach nur dasitzen. Gemütlich in einem Abteil.
Das Glied den Hosenboden beult. Ohne irgendetwas
Besonders zu tun
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Vater Frauenarzt. Mutter Kinderheilkunde. Vater und
Sohn Zahnarzt. Mutter Kinderheilkunde. Er
Bauunternehmer, sie Anwältin mit eigener Kanzlei.
Tochter ohne Plan. Wie werde ich nur diesen Geruch
los. Wie kann ich sein, wie ich sein könnte. Was
mache ich nur mit all meiner Zeit, meinem Gold,
meiner genitalen Situation. Was kann ich wirklich.
Habe ich Gefühle. Falls ja, was für Gefühle sind
das. Nochmal drüber nachdenken. Wie man das macht.
Eine Putzfrau spielen
Der Arbeiter bettle um Brot. Er möchte mehr
arbeiten. Der Arbeiter bettle um Brot und Arbeit.
Es entspräche seinem Naturell, um Brot und Arbeit
zu betteln. Schon daran können Sie sehen, dass es
bei der Darstellung eines Arbeiters einen Scheiß
darum geht, tatsächlich einen Arbeiter
darzustellen. Das Gehäuse als Versicherungsanstalt
einer fröhlichen Reisegruppe. Wir machen uns
erstmal einen Sekt auf. Solange der Pöbel uns
bittet, solange wird wohl alles in Ordnung sein
Die Damen und Herren mal eine Stunde zwanzig
anschweigen. Sofort alle Interaktionen einstellen.
Das ist der Vorschlag, den ich Ihnen machen kann.
Noch mal kurz in die Tasche gefasst. Das ist mein
revolutionärer Ansatz. Beste Grüße, Baader
Verehrter Blacher. Der Arbeiter, wie Sie ihn sich
vorstellen, möchte so wie Sie leben. Er möchte Ihr
Leben führen. Wohnung abgezahlt oder gleich
geschenkt bekommen. Der neue Audi Quattro. Fressen
gehen im Gasthaus Reibach. Ferien. Zweieinhalb
Monate Urlaub im Jahr. An einem Werktag in einem
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Korbstuhl auf einer Dachterrasse sitzen. Wein
trinken. Einen feuchten Traum zu Ende träumen. Das
ist es, was der Arbeiter möchte
Mein lieber Baader. Was ich gerade gedacht habe.
Ein Vorgang. Einen der beiden Lehraufträge abgeben.
Vielleicht. Mal eine Zeitlang nichts machen. Den
Wahnsinn des Betriebes von außen besichtigen. Ich
hatte mir vorgenommen, nie wieder nach Hamburg zu
fahren. Die Stadt Hamburg, die mich immer
interessiert hat, sie interessiert mich nicht mehr.
Eine vollkommen lächerliche Stadt.
Rotklinkerhäuser. Ich könnte jedes Mal kotzen.
Direkt auf den Gehsteig speien. Wenn ich diese
Rotklinkerhäuser sehe. Wir müssen alle sparen. Wir
müssen den Gürtel enger schnallen. Fünfzig
Quadratmeter, zwei Zimmer, Küche, Bad. Sind
vollkommen ausreichend. Hamburg möchte gerne New
York sein. Ich sage es Ihnen direkt. Daraus wird
nichts. Hamburg ist keine Stadt. Hamburg ist eine
zu groß geratene. Rotklinkersiedlung. Drei Etagen,
Spitzdach, Deckenhöhe zwei Meter siebzig. Das
genügt dem Hanseat. Da ist er ehrlich mit sich
selbst und auch bescheiden. Damals bei der Zeit.
Der Helmut Schmidt hatte mich gefragt, ob ich.
Schweiger, haben Sie anständig gedient. Ob wir uns
beim Duschen gegenseitig den Rücken eingeseift
hätten
Ich hatte sie gar nicht wiedererkannt. Die
Hamburger Polizei trägt jetzt nicht mehr die alten
Naziuniform. Die der Helmut Schmidt ganz
unvoreingenommen getragen hat. Da können Sie als
junger Mensch gar nicht mitreden. Schauen Sie,
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Baader. In Hamburg wird Zentrum mit C geschrieben.
Das Bastardwort Hafencity bezeichnet eine
Bonzensiedlung am Wasser. Wenn Sie mich so fragen.
Mir ist das Spiel vollkommen gleich. Ich habe genug
gesehen. Mich interessiert der Betrieb nicht mehr.
Sie werden bemerkt haben, dass ich damit nicht
alleine bin. Ein letztes Mal noch. Ein
allerletztes. Ich fahre nach Hamburg. Ich bekomme
die Fahrt nach Hamburg bezahlt. Der Betrieb hat die
Kosten für eine Fahrtkarte in der Ersten
Wagenklasse übernommen. Eine Flasche Wein, ein
schönes Zimmer im Hotel Reichshof. Ich werde heute
Abend gut essen gehen. Ich werde eine Produktion
sehr ernsthaft betrachten. Vor allem werde ich mich
betrinken gehen. Ich habe Hamburg immer nur
betrunken erlebt. Ich hatte eine grandios gute Zeit
dort. Immer habe ich in Hamburg Geld verdient. Ich
liebe diese Stadt. Ich liebe diese Stadt dafür,
dass sie mich immer gut behandelt hat. Hamburg. Ich
küsse deinen Boden. Die Stadt Hamburg ist wie eine
gut verheiratete Frau, die ab und an etwas
Abenteuer sucht. Hinterher gibt es Schnitzel. Auf
dem Schnitzel liegt ein Spiegelei
Man kann von der Arbeit als Arbeiter nicht leben.
Niemand kann von der Arbeit als Arbeiter leben. Ich
bitte Sie. Sie können es mir unmöglich zum Vorwurf
machen. Dass ich für meine Arbeit als Arbeiter ein
kleines Honorar erhalte. Mir ein kleines Honorar
erbitte. Jede Arbeit muss bezahlt werden. Schauen
Sie. Mir ist es vollkommen gleich, wer meine Arbeit
bezahlt. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Die
Fabrik leistet sich einen eigenen Wagen mit Fahrer.
22
Eine eigene Kantine. Mobiltelefone. Designerlampen
in allen Büros. Vitra Stühle. USM Regale.
Toilettenbrillen aus Holz. Mich hat sie nie
bezahlen können
Ich sage nichts. Sie erleben mich schweigend. Von
Anfang an. Ich sage nichts, sitze nur so da. Ich
sitze wie ich jetzt sitze. Ich werde mich nie
wieder verändern. Ich werde wohl Eule auf dem
Schornstein sein. Haben Sie eine Frage. Ich
beantworte keine Fragen. Ich sitze einfach nur so
da. Ich bewege mich nicht einmal. Sie etwas fragen.
Interaktion. Diesen ganzen Scheiß. Ich wüsste
nicht, was ich Sie fragen könnte. Sie haben sich
Stille so sehr gewünscht. Ihr Wunsch geht in
Erfüllung. Das ist die gute Nachricht. Sie können
zufrieden sein. Wir fahren mit dem Zug. Gut. Mir
ist es recht. Ich habe überhaupt nichts dagegen.
Warum nicht mit der Postkutsche. Mir wäre es lieber
gewesen, mit der Postkutsche zu fahren. Einen
Stoff, der sich bewährt hat. Lassen Sie uns die
Räuber spielen. Mit Schleyer kenne ich mich aus.
Warum nicht auf bewährtes Material zurückgreifen.
Ich höre mich selber lachen. Warum lache ich.
Gegenwartsdramatik. Ich könnte weinen. Und das
mache ich jetzt auch. Ich weine. Schauen Sie. Sie
sind schuld. Sie haben damit angefangen. Die
meisten der heutigen Arbeiten haben keine Kraft.
Sie wissen es nicht. Ich weiß es nicht. Keiner von
uns weiß, was Leute wie Baader dazu verleitet.
Ihnen und mir Stoffe zu liefern wie diesen. Ich
kann mit diesem Stoff absolut nichts anfangen.
Reinweg gar nichts. Wenn ich schon damit nichts
23
anfangen kann. Wie sollen andere damit etwas
anfangen können. Vielleicht können wir diesen Stoff
wenigstens als Waschpulver verwenden. Buntwäsche.
Was ich Ihnen sagen möchte. Ich sehe mich als
literarische Figur lediglich schablonenhaft
dargestellt. Ich erscheine Ihnen als eine Skizze.
Ich sehe mich so, wie Sie mich sehen wollen. Ich
bin servierfähig. Ich entspreche jeder Erwartung.
Streiche meinen Busen. Er ist heute zart
Dass die anderen nicht mit mir reden. Ich rede mit
jedem. Außerdem stimmt es nicht. Dass die anderen
nicht reden. Die anderen reden sehr wohl. Sie
kommunizieren. Haben Sie mal Habermas gelesen. Sie
sollten mal Habermas lesen. Dort können Sie einiges
zur Sprache erfahren und zum Reden. Lesen Sie
Luhmann. Sie können bei Luhmann einiges. Lesen Sie
meine Hand. Sie können in meiner Hand einiges über
meine Brüste erfahren. Die so viele berührt
35 XXII
Ich bin durchaus aufgeschlossen. Ich kenne die
Vorbehalte gegen uns Schriftkundige. Ungelenk.
Bewegungsunfähig. Verklemmt. Mir ist bekannt, was
die Nackten von uns denken. Gerade wird mir ein
Steert entgegengereckt. Ich empfinde das
Beieinander der Nackten oft als unterkomplex. Hören
Sie auf mir zu unterstellen, ich sei einsam. Ich
würde an vaginaler Anästhesie leiden. Mehrere
Streichungen. Mir fehlt es an nichts. Streichung.
Wenn Sie mal bitte schauen wollen. Ja. Nein. Nicht
meine Vagina. Ich meine diese Stapel hier. Hier die
24
jungen Regisseure. Habe an der Hochschule Ernst
Busch studiert. Auslassungen. Mehrere Streichungen.
Habe den Meisterkurs bei Professor Schweiger
belegt. Diplominszenierung am Maxim Gorki Theater.
Abschluss als Jahrgangsbester. Schauen Sie sich die
Zähne an. Wohin man schaut. Münder ohne Fehl und
Tadel. Da können Sie lange suchen. Dass Sie mal
einen offenen Biss finden. Ein offenes Hemd. Das
sicherlich. Das werden Sie oft finden. Hier. Bei
diesem jungen Mann zum Beispiel. Was sollen uns
diese offenen Hemdknöpfe signalisieren. Wieso
überhaupt ein Hemd. Wieso nicht ein Netz. Oder
Frischhaltefolie
Sie glauben gar nicht. Sie können sich überhaupt
nicht vorstellen. Sie haben keine Idee davon.
Lassen Sie es ruhig klingeln. Ich gehe schon lange
nicht mehr ran. Jede Wette. Das ist irgendeine
Agentur. Hier. Gehen Sie ran. Sagen Sie, Sie seien
ich. Ciao
Lieben Sie Ihren neuen Volkswagen. Die Liebe ist
ein so großes Thema. Aber was finden wir hier.
Neofaschismus. Griechenland. Kapitalismuskritik.
Konsumkritik. Streichung. Ich sei alleine. Ich bin
nie alleine gewesen. Ich sehe mich von Menschen
umgeben, die mein Leben reich machen. Nie hat mich
ein Buch mehr erreicht als Atemschaukel von Herta
Müller. Tief in mir spüre ich, dass ich Herta
Müller bin. Ich hatte Herta Müller noch
kennengelernt. Schauen Sie. Ich schneide Wörter aus
Zeitungen aus. Ich arbeite genau wie Herta Müller
gearbeitet hat. Sie lebt in mir weiter. Sie sehen
nicht so aus, als würden Sie lesen. Streichung.
25
Geben Sie mir das Buch zurück. Sofort. Ich schreie
wie ich will. Hauen Sie ab. Ich war zuerst da. Raus
aus meinem Abteil. Raus aus meinem Bett. Bimbo
Lass meine Brüste los. Raus aus meinem Bett. Ich
sage jetzt kein Wort mehr. Ich habe auch vorher
nichts gesagt. Kein Sprechen nirgendwo. Ich saß
einfach nur da. Hier habe ich gesessen. In diesem
Abteil der Ersten Wagenklasse. Nicht ich bin zu
Ihnen. Sie sind zu mir gekommen. So sieht es aus.
Nehmen Sie das bitte zu Kenntnis. Nehmen Sie Ihr
Glied aus meiner Hose. Schwanz. Haben Sie
Schivelbusch gelesen. Lesen Sie Schivelbusch.
Geschichte der Eisenbahn. Da ist alles drin. Ralf
Roth sollten Sie auch lesen. Lesen Sie Schivelbusch
und Roth. Alles Standardwerke, die Sie längst
kennen sollten. Wo sind wir hier. Knödelgeprägte
Jauchedörfer. Niedersachsen. Anmut und Zier. Der so
genannte Dichter. Die Idealvorstellung des
Schwerarbeiters im Bergwerk der Kunst. Der still
vor sich hinsitzende Trinker. Das Haar in alle
Richtungen. Haben Sie Baader mal zu Gesicht
bekommen. Kennen Sie Baader. Vermutlich nicht. Ich
kenne Baader. Ich habe ihn gut gekannt. Was Sie
nicht wissen können. Baader ist unwahrscheinlich
fett. Der fette Dichter Baader. Der Vollgefressene.
Der Berufskünstler in höchster Verfettungsstufe.
Dass man sich wundert. Wie ein Menschenherz das
schafft. Einen derart massigen Körper am Leben zu
halten. Was schätzen Sie denn, wie alt der Baader
in Wirklichkeit ist. Das glauben Sie nicht, wenn
ich Ihnen erzähle, wie alt Baader tatsächlich ist.
Das glaubt der Baader selber nicht. So ungesund wie
26
der Baader lebt. Schweinskopfsülze. Eine
bemerkenswert ordentliche Wohnung. Gardinen.
Zimmerpflanzen. Gehäkelte Tischdecken. Der Herd
penibel sauber gehalten. Die Toilette sauber.
Frisch bezogene Betten. Bratengeruch in allen
Räumen. Ob das seine Wohnung sei. Sagt der Baader.
Bitte. Ich bin ein fetter vollgefressener Dichter.
Ich habe seit Jahren keine eigene Wohnung mehr. Ich
wohne mit einer Frau zusammen. Was brauche ich eine
eigene Wohnung. Und dann kommt sie auch schon, die
Frau. Ein offenes freundliches Gesicht. Die
Fingernägel nicht allzu lang. Hände, die früh
zupacken mussten. Gleich eine Ansage. Der Baader
solle sich etwas anziehen, wenn er Besuch empfange.
Zieh dir was an, Baader. Baader tut so, als hätte
er nichts gehört. Ich habe da so ein Rauschen im
Ohr. War da was. Sitzt mit seinem massigen Körper
in einem Drehsessel aus Kunstleder. Ein Möbel
unserer Zeit. Aus einem Sessel fernsehen. In die
Ferne sehen. Einmal besuche ich den Baader. Wir
sind miteinander verabredet. Die Frau öffnet die
Tür. Das Schlachtermesser noch in der Hand. Ich
solle reinkommen. Baader schlafe noch. Der Baader
sitzt in seinem Sessel und schläft. Hat Abend und
Nacht in seinem Sessel sitzend. Da stehen wir nun,
die Frau und ich. Beobachten den walfischdicken
Menschen beim Atmen. Baader. Aufstehen. Besuch. Da
möchte man nochmal Kind sein. So etwas zum ersten
Mal sehen zu können. Ein derart großes Tier in
seinem angestammten Lebensraum. Vor dem dicken
Baader die Schreibmaschine des Baader. Er schreibt
natürlich noch auf einer Maschine. Um wirklich
jeder Erwartungshaltung zu entsprechen. Bevor Sie
27
fragen. Keine Olympia. Immerhin eine
Reiseschreibmaschine. Ein portables Modell, in das
der letzte Bogen noch eingespannt ist. Dann wollen
wir doch mal sehen. Der Baader hat offensichtlich
einen Brief an die Administration verfasst.
Offensichtlich einen Brief an die Administration.
Verehrter Herr Polizeihund. Sehr geehrte und sehr
geehrte Herren. Hier steht Intervention. Baader
sagt Eingabe. Ich sage Intervention. Intervention,
Baader. Baader sagt, keine Intervention. Keine
Intervention. Eingabe. Also Intervention. Keine
Intervention. Eingabe. Baader hochrot. Er rieche
das sofort heraus. Noch ein Wort, und er steige
aus. Er steige an der nächsten Station aus. Dann
könnten wir unseren Scheiß hier alleine machen. Er
rieche das sofort heraus. Diese Ich habe an der
Universität der Künste studiert Sprache. Euren
Söhne und Töchter Jargon. Gegen den er
interveniert. Also Einspruch erhebt. Eine Eingabe
verfasst. Wie er es nennt. Die ersten Sätze noch
verständlich. Vollständige Sätze. Jedes einzelne
Wort gründlich überlegt. Auf das Gründlichste
herausgearbeitet. Neben der Maschine eine leere
Flasche. Um überhaupt arbeiten zu können. Muss der
Baader saufen wie ein Rohr mit drei Enden. Die
Leerzeichen also Leerstellen an denen nichts ist,
sich nichts anderes befindet als gar nichts. Ich
lach mich kaputt. Werden nach unten hin immer mehr.
Aus Sätzen werden Wörter werden einzelne
Buchstaben. Einzelne Buchstaben zehn, fünfzehn Mal
hintereinander. Baader hatte sich in den Schlaf
geschrieben. War mitten im Kampf dem Kampfe
entschlafen. Er unternimmt nicht einmal im Ansatz
28
den Versuch, seinen gescheiterten Versuch zu
verbergen. Es ist ihm scheinbar vollkommen gleich,
was andere Leute von ihm denken. Was ich von ihm
denke. Manchmal denke ich, dass Baader mich
überhaupt nicht wahrnimmt. Ich und all die anderen
überhaupt nicht für ihn existieren. Er ganz alleine
ist, mit sich und seiner Maschine und den beiden
Videorekordern. Überhaupt frage ich mich, wovon der
Baader lebt. Ganz sicher kommt seit Jahren kein
Geld mehr rein. Seit Jahrzehnten wurde überhaupt
nichts mehr verdient. Vielleicht hat er geerbt.
Niemand weiß, ob er vielleicht etwas geerbt hat.
Sollte er etwas geerbt haben, ist davon garantiert
nichts mehr übrig. Baader trägt Pullover und Hosen
aus synthetisch erzeugten Fasern. Klamotten, die er
irgendwann in den achtziger Jahren gekauft hat. Die
trocken aus der Waschmaschine herauskommen. Sie
wissen ja selbst, mit welchem Stoff der Baader in
Verbindung gebracht wird. Fragt sich nur. Was kam
danach. Ist überhaupt nochmal etwas gekommen. Wofür
steht der Baader heute. Sich mit dem Baader zu
unterhalten, ist wie eine Reise in die Kindheit. Da
sitzt man nun und kann nicht glauben, was man hört.
Hat man es mit einem Genie zu tun. Einer bislang
unentdeckten Größe. Oder mit einem armen kranken
Menschen, dem es bislang nicht gelungen ist, auch
nur das Geringste aus seinen Anlagen zu machen.
Tierlaute wie nie zuvor gehört. Heute liegt der
Baader in seinem Bett. Unterhose länger nicht
gewechselt. Feinripphemd. Die Katze im Arm. Ist
keine Katze. Ist ein Igel, der dem Tierfreud das
Bett vollgeschissen hat
29
Wo wir so über den Baader reden. Ich möchte damit
nicht sagen, dass der Baader in irgendeiner Weise
blöde ist. Das sehen Sie selber. Nur ist er
vollkommen heruntergekommen. In einem Maße
verkommen, das kaum vorstellbar ist. Baader ist ein
Mensch ohne Leidenschaft. Ein Allesfresser. Ein
Konsument. Falls sich hier noch jemand an das
Videosystem VHS erinnert. Baader hat über seinem
Fernseher gleich zwei Rekorder stehen. Warum gleich
zwei Geräte, frage ich den Baader. Der Baader
antwortet. Der Baader antwortet nicht. Lächelt. Als
hätte er die Frage nicht verstanden. Als sei die
Frage niemals gestellt worden. Die Frau hat Kohlen
und Holz aus dem Keller geholt. Heizt den
Dauerbrandofen in der Küche. Dass der
Dauerbrandofen in der Küche zu glühen anfängt. Rot
und blau glimmt. Die Tapete um das Ofenrohr dem
Feuer nahe. Baader hat sich einige Gedanken zur
Weltlage gemacht. Lässt sich, im Gedanken
versunken, auf den glühend heißen Ofen hinabsinken.
Dass sich das Muster der gusseisernen Ofenabdeckung
in seinen Dichterarsch brennt. Es scheint ihn gar
nicht zu interessieren. Er redet einfach weiter.
Die Frau versorgt den verbrannten Arsch des Baader
mit Kamillensalbe. Dem einzigen Medikament im Haus.
Ohne die Frau wäre der Baader längst abgebrannt
Die Frau erzählt, der Baader hätte zum bereits
vorhandenen Videorekorder einen zweiten hinzu
gekauft. Nachdem der Baader über Monate hinweg
keine Antwort auf die Frage gefunden hatte. Wie
Black Emanuelle in Afrika aufnehmen, gleichzeitig
Alexander Kluge
30
Der Gedanke, dass Leute wie Baader so etwas wie
eine schreibende Elite darstellen, verschafft mir
Wohlgefühl. Ich sage es ganz offen. Ich habe keine
Angst vor dem Baader. Doppelkorn aus Kaffeetassen
um neun Uhr in der Früh. Mich beeindruckt das
nicht. Ich nehme das hin als ein inszenatorisches
Element. Einen Effekt. Wie soll ich es sagen. Ich
kann mich in dieser Sache unmöglich falsch
verstehen lassen
Verstehen Sie. Ich habe Angst mich mit diesem
Menschen zu treffen. Auf dem Weg zu diesem dicken
versoffenen Dichter bemerke ich, wie mir flüssige
Scheiße im Schlauch steht. Dass jeder weitere
Schritt in einer Katastrophe enden kann. Betrete
ich das Haus, in dem der Baader lebt. Ein
vollkommen auf eine schlimme Weise
abgewirtschafteter Kasten. Windschiefe Antennen auf
dem Dach. Farbe die von den Fenstern bröselt. Der
Hof ungepflegt. Im Treppenhaus riecht es nach
Katzenpisse. Ist es, als würde jemand seine Hände
an meinen Hals legen und langsam zudrücken
Ich rieche dieses riesenhafte fette Schwein bereits
im Hausflur. Ich sehe die vollkommen fertige Frau
in der Tür. Ihren vorwurfsvollen Blick. Als ob ich
etwas dafür könnte. Ich schuld daran sei, dass der
dicke Baader in ihre Häkeldeckenwelt eingedrungen
ist. Feist und voll in seinem Sessel sitzt und
schläft und schnarcht und verdaut
Baader ist so grauenhaft ordinär. Die Frau fragt,
warum ich meine Schuhe nicht ausziehe. Ob ich das
nicht wüsste und also von meiner Mutter und meinem
31
Vater gelernt hätte. Dass man sich die Schuhe
auszieht, wenn man in eine fremde Wohnung tritt.
Wer jetzt den ganzen Dreck wegmachen solle, den ich
hinterlassen habe
Ich sehe den Baader jedes Mal unrasiert dasitzen.
Unrasiert in Unterwäsche. Die fette Sau in
Feinripp. Dieses Bild hätte ich gerne für den
Katalog. Ein Faltblatt, in dem sich nichts anderes
befindet als die Wahrheit. Würde ich das was ich
hier sehe, was mir zugemutet wird, irgendwo
aufschreiben, würde gesagt. Das ist ja alles nur
Erwartungshaltung. Das ist ja in Wirklichkeit alles
ganz anders. Ich solle mir mal eine der vielen
Reportagen anschauen. In denen man die Häuser
unserer Dichter sieht und ihre Autos und die
schönen jungen Menschen, mit denen unsere Dichter
ihre Zeit verbringen
Der Dichter Baader hat sich an keine einzige
unserer Abmachungen gehalten. Er hat all seine
Versprechen, die er uns gegeben hat, auf miesteste
Weise gebrochen. Er hat uns hintergangen. Er hat
mich als seinen Vertrauten und Fürsprecher belogen.
Ich kann es nicht anders sagen. Er hat mein
Vertrauen missbraucht. Er hat bis heute keine
Ahnung davon, wer Blacher war. Warum wir Blacher
feiern wollen. Was Blacher für uns und seine Stadt
und auch für Hamburg geleistet hat
Der Staatsschreiber Baader. Der Autor im Auftrag
der Administration. Sie verstehen nun, warum ich so
verzweifelt bin. Was mich so fertig gemacht hat.
Herr Professor Feist. Verehrter Herr Professor
32
Feiste. Ich kann nicht mehr. Ich bin fertig. Ich
bin vollkommen hinüber. Leute wie Baader haben mich
vernichtet. Ich bitte Sie sehr, von einer weiteren
Verwendung meiner Person an Ihrem Haus. Abzusehen.
Und jetzt kommt es. Passen Sie auf. Können Sie sich
vorstellen, was der Professor darauf geantwortet
hat
35 XXIII
Mich hatte überhaupt niemand gefragt, ob ich Hund
sein möchte. Viel lieber als Hund, wäre ich
Rotklinkerhaus gewesen. Drei Etagen. Satteldach.
Die Fassade schlicht. So ließe es sich vorzüglich
zu Ihnen und Ihresgleichen sprechen. Rotklinkerhaus
auf der Fahrt von München nach Hamburg. Gemütlicher
Fensterplatz im Erste Klasse Großraum. Abteil ging
leider nicht, da selber zu groß
Was ich Ihnen nun also mitgebracht habe, sind diese
Knochen. Mensch mit zwei Köpfen. Diesen Kopf kennen
Sie aus der Anna Amalia Bibliothek. Er gehörte dem
Schleyer. Jahrelang galt der Kopf des Schleyers als
verschwunden. Ich hatte den Kopf des Schleyer
wiedergefunden, zusammen mit diesen Knochen. Sie
werden es nicht glauben. In einer Grube auf dem
Dorotheenstädtischen Friedhof zu Berlin. Ein
spontanes Graben. Ein zufälliges Buddeln an einer
beliebigen Stelle. Sie ahnen es bereits. Die
Knochen hier und dieser Kopf. Das ist Brecht.
Beziehungsweise. Was von Brecht übrig geblieben
ist. Sie sehen es ja selbst. Der Brecht ist dünn
geworden. Es ist nicht mehr viel an ihm dran.
33
Brecht hat die letzten Jahre Jahrzehnte erheblich
an Substanz eingebüßt. Ein anständiges Rippenstück
wäre mir lieber gewesen. Als diese morschen Knochen
hier. Da war ich herzlich enttäuscht und ehrlich
empört. Als nach harter entbehrungsreicher
Grubenarbeit nicht mehr ans Tageslicht gekommen
war. Als diese mickrigen Gebeine. Da ist mir klar
geworden, dass wir von Brecht nichts mehr zu
erwarten haben. Dass der Brecht nicht einmal mehr
imstande ist, meinen gewaltigen Hunger nach
Geschichte und Geschichten zu stillen
Von Schleyer ist nur der Schädel erhalten. Bitte.
Schauen Sie sich diesen Schädel an. Wer kann sagen,
ob es sich bei diesem Schädel um den richtigen
Schädel handelt. Oder ob wir richtig falsch liegen
mit der Annahme, dass es sich bei diesem Schädel um
den Schädel des Schleyer handelt
Dass Schleyer und Brecht Kopf an Kopf in Mutter
Erde lagen, das ist die große Überraschung. Da
waren die Erben überrascht gewesen und der Suhrkamp
Verlag. Der so viele Briefe geschrieben hatte, in
denen immer nur stand. Hören Sie auf, Castorf.
Ausrufezeichen. Brecht vermischt man nicht
Das darf ich noch kurz anmerken. Bevor wir hier
gleich Eisenbahngeschichte schreiben. Dass der
Brecht und zufällig auch der Schleyer aus der Grube
geholt wurden. Weicher märkischer Sandboden. In dem
es sich für einen Hund ganz wunderbar graben lässt.
Schauen Sie sich mal meine Fingernägel an. Dass ich
in dieser Sache tätig werden musste. Das verdanken
wir nur dem Claus Peymann. Peymann selbst war es,
34
der darauf bestanden hatte, sich künftig neben den
Brecht zu legen. Sich anzuschmiegen in
Löffelchenstellung. Eine durchaus zärtliche Geste.
Die man Peymann aber nach all dem nicht abgenommen
hatte. Von wegen anschmiegen. Nun hieß es, der
Peymann wolle den Brecht von hinten bumsen. Von
wegen, nur dazulegen. Einen alten Mann hart
rannehmen. Sich anbiedern. Das sei es, was Peymann
wirklich vorhabe. Weshalb entschieden wurde. Als
der Grundbuchauszug endlich vorlag, nunmehr
Klarheit darüber herrschte. Dass Peymann
tatsächlich der rechtmäßige Eigentümer des
Dorotheenstädtischen Friedhofes und also der
Ruhestätte Brecht ist. Dass Brecht umziehen muss
Brecht zieht aus. Peymann zieht ein. Deswegen führe
ich den Herrn Brecht, bis uns für den Herrn Brecht
etwas Besseres einfällt, und auch den zufällig
gefundenen Schädel des Herrn Schleyer, hier in
diesem Jutebeutel mit mir. Einige Knochen schauen
oben raus. Über eine weitere Verwendung der Gebeine
muss noch entschieden werden. Ich hatte bereits an
anderer Stelle vorgeschlagen. Den Herrn Brecht zu
Seife zu verarbeiten. Dass man sich mit Brecht
untenherum waschen kann. Eine Antwort auf meinen
Antrag steht derzeit noch aus
Hier schauen Sie. Den Erstantrag hatte ich vor zwei
Jahren gestellt. Vor zwei Jahren hatte ich
angefangen diesen Ordner zu führen. Ich hätte nicht
gedacht, dass dieser Ordner sich innerhalb von zwei
Jahren zur Gänze füllt. Dass ich nach nicht einmal
zwei Jahren einen zweiten ganz und gar neuen Ordner
anfangen also anlegen muss. Benötige. Benötigen
35
werde. Nachdem ich den Erstantrag gestellt hatte.
Hatte ich erst einmal überhaupt nichts gehört. Was
war mit meinem Ohr. Funktionierte es noch. Öffnete
ich den Briefkasten, befand sich nichts im
Briefkastengehäuse. Nur das Nest mit den süßen
kleinen Schwalben. Im Januar hatte ich den Antrag
gestellt. Im März kam das erste Schreiben von der
Autonomiebehörde. Aufforderung zur Mitwirkung.
Gleich stelle ich fest, dass ein gewisser
Sprachduktus über die Zeit gerettet werden konnte.
Der Filmschauspieler Prahl als Unteroffizier Prahl
in Polanskis Der Pianist. Los. Machen Sie. Wir
fordern von Ihnen. Schicken Sie uns sofort. Wenn
Sie nicht sofort. Dann werden wir. Folgende
Unterlagen sind nachzureichen. Wir fordern von
Ihnen auf der Stelle. Wenn Sie uns nicht folgende
Unterlagen sofort. Ihr oben genannter Antrag ist
unvollständig. Ihr Antrag ist nie gestellt worden.
Sie sind verpflichtet unsere Anfrage unverzüglich
zu beantworten. Sie bilden eine Gemeinschaft mit
Ihren Kindern und Kindeskindern. Erneute
Aufforderung zur Mitwirkung. Abänderung des
vorläufigen Bescheides. Und so weiter
Eine Kommandosprache, die in Majdanek entwickelt
wurde. Freiberg, Freital, Bautzen und Oschatz. Ist
mit Interesse und großer Dankbarkeit durch die
Damen und Herren Mitarbeiter der Behörde
aufgenommen worden. Ich beantworte das Schreiben.
Das Schreiben ist beantwortet. Bereits eingereichte
Unterlagen werden nachgefordert. Die
nachgeforderten Unterlagen seien nie eingereicht
worden. Für die Bearbeitung des Antrages sei es
36
notwendig, dass der Antrag vollständig ist. Es
müsse mir bewusst sein, dass der Antrag nicht
bearbeitet werden könne, wenn der Antrag nicht
vollständig also unvollständig ist. Ein
unvollständiger Antrag müsse unbeantwortet liegen
bleiben. Nach einer Zeit gar kleingehackt und
kompostiert werden. Ich kopierte die Kopien ein
weiteres Mal. Ich duplizierte die Abzüge. Eine
Million Amerikanische Dollar aus dem Kulturfond der
Stadt der offenen Ärsche. Um das Graffiti der
Eastside Gallery zu schützen. Hatte das Graffiti
der Eastside Gallery einen Schutzanstrich bekommen.
Mich schützt niemand. Ich stehe eurem Wahnsinn
schutzlos gegenüber. Falk Richter. Hier hast Du das
Thema, auf das Du so lange gewartet hast. Das ist
der Falk Richter. Wahnsinnig erfolgreicher Autor.
Sonderveröffentlichung im Theater der Zeit Verlag.
Wie läuft es so. Supergeil. Darf ich vorstellen.
Das ist der Falk. Schauen Sie mal. Total bekannt.
Poetikvorlesung in Saarbrücken. Falk, Du musst
sofort in die nächste Bibliothek gehen. Das Thema,
auf das Du so lange gewartet hast. Jetzt ist es
endlich da. Der Verlag kümmert sich drum. Es ist
alles bezahlt. Tschüss Falk. Falk ist schon wieder
weg. All die tollen Projekte. Und immer ist was los
in diesem Land. Was ich gelernt habe. Ich habe
daraus gelernt. Ich habe gelernt. Nur noch
Einschreiben. Wie es mit dem Geld läuft. Dazu kann
ich nichts sagen. Greifen Sie in meine Tasche. Die
andere Tasche. Die andere Tasche, habe ich gesagt.
Was haben Sie dort gefunden. Sehen Sie. Ich habe
nämlich gar kein Geld. Ich bin vollkommen blank.
Meine Arbeit hat mich ruiniert. Ich hatte in meine
37
Arbeit und also in mein Arbeiten in die Ausübung
meiner Tätigkeit investiert also Geld reingesteckt.
Das ich ohnehin nie hatte. Das Geld ist bei mir nur
auf der Durchreise. Es steigt um und ist gleich
wieder weg. Meine Mutter, die selber überhaupt
nichts hat, hatte einen Kredit für mich
aufgenommen. Von dem Kredit hatte ich die Miete
gezahlt und die Raten für den BMW. Hier ist meine
neueste Arbeit. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde
gegen den Herrn Schleyer, den Sie auch noch kennen
lernen werden. Ich hätte auch in diesen lauwarmen
Schwamm onanieren können. Vorläufiger Bescheid zu
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Nach sieben Monaten bekomme ich dieses Schreiben.
Was habe ich in den zurückliegenden sieben Monaten
getan. Wovon habe ich gelebt. Änderungsbescheid zum
vorläufigen Bescheid zur Sicherung des
Lebensunterhaltes. Dieses Schreiben sei ohne
Unterschrift gültig, da maschinell erstellt. Als ob
es nicht durch einen Sachbearbeiter also trotz
allem Mensch erstellt worden ist. Da haben wir es.
Eine synthetisch erzeugte Intelligenz hat diese
Schreiben verfasst. Hier ein Schreiben vom Gericht.
Heute Schnitzel, dazu gebundene Erbsen und
Kartoffel. Schauen Sie sich das an. Das Gericht
erstellt seine Schreiben auch maschinell. Nur finde
ich unter den vom Gericht maschinell erstellten
Schreiben unter Name den Namen Fiste Mund. Richter
am Sozialgericht. Rinke. Rechtspflegerin. Meinem
Bescheid kann ich entnehmen, dass sämtliche von mir
zuerst im Erstantrag und dann in den auf den
Erstanatrag folgenden Weiterbewilligungsanträgen
vermerkten Ausgaben betriebliche Aufwendungen aus
38
selbstständiger Arbeit kleingerechnet werden. Was
vollkommen in Ordnung gehe. Was seine Richtigkeit
habe mehrfach geprüft inhaltlich und fachlich
richtig sei nicht zu beanstanden. Aus fünfhundert
Euro Betriebskosten pro Monat werden durch
Zauberhand siebzig. Zu Ihrer Information teilen wir
Ihnen Folgendes mit. Sehr wohl zu Ihrer
Kenntnisnahme. Zu Ihrer bestehenden Miete kann
Ihnen ab sofort nur noch ein Teilbetrag gezahlt
werden. Sie werden sehen, auch das wird ausreichen.
Und wissen Sie was. Nein. Das können Sie gar nicht
wissen. Woher sollten Sie das wissen. Es ist
letzten Endes vollkommen gleich, woher das Gold
kommt. Ich schreibe der Autonomiebehörde ein
weiteres Mal einen etwas längeren Brief, den ich
mit einer förmlichen Anrede beginne. Sehr geehrte
Damen und sehr geehrte Herren. Dazu einige Fragen
zum allgemeinen Verständnis. Die ich schon immer
stellen wollte. Ein paar allgemeine Anmerkungen.
Dann zu den allgemeinen Anmerkungen und allgemeinen
Fragen einige vertiefende Betrachtungen. Ein paar
perspektivische Gedanken. Beobachtungen
Hier ist schon die Antwort. Das ging ja schnell.
Damit war ja gar nicht zu rechnen gewesen. Ich
hatte mich ja schon an das Warten gewöhnt. Warten
können, geduldig sein, Dinge ertragen. Das sind die
Qualifikationen, meine neuen Kernkompetenzen, die
ich mir in der nunmehr bald zweijährigen
Zusammenarbeit mit der Autonomiebehörde erarbeitet
habe. Herr Fist von der Autonomiebehörde schreibt.
Sehr geehrter Baader. Sehr geehrter Herr Baader
Komma es ist naiv beinahe kindlich einem Kinde
39
gleich von Ihnen zu glauben oder auch nur daran zu
denken. Dass die Autonomiebehörde und demnach der
Staat Sie und Ihresgleichen aushalten und tragen
und also ertragen müsse. Der Staat muss gar nichts.
Das werden Sie schon sehr bald feststellen. Kosten
für Unterkunft und Heizung. Mehrere Streichungen.
Regelsatz. Vorläufige Bewilligung. Streichung. Hier
die Beantwortung des Folgeantrages. Der
eingereichte Antrag ist unvollständig eingereicht
worden. Wir bitten Sie von einer Bearbeitung Ihres
Antrages vorerst abzusehen. Dieses Schreiben ist
maschinell erstellt also durch keinen Menschen
falls Sie das meinen. Weshalb Sie sich einen
Widerspruch sparen können
Ich habe nichts gesagt. Ich stehe hier einfach nur
so rum. Ich warte. Mir macht das nichts aus. Ich
betrachte das als eine Übung. So schlimm ist es
nicht. Es ist nicht das Schlechteste. Ich hätte
auch als Zwangsarbeiter auf die Welt kommen können.
Zu Tode geschuftet in der Kraft durch Freude Fabrik
des Herrn Professor Porsche. Oder als Polizeihund
im Außendienst. Da ist es mir lieber, hier ein
bisschen zu stehen und zu warten. Mal was Neues.
Einladung zu einem persönlichen Gespräch. Herr
Baader, wir sind neugierig auf Sie und möchten Sie
kennenlernen. Wollen wir etwas über die Zukunft
sprechen. Guten Tag, mein Name sei Feist. Ich sei
Ihr persönlicher Betreuer und würde gerne mit Ihnen
über Ihre persönliche Entwicklung sprechen, Ihre
Aussichten und Chancen. Herr Baader, ich sehe hier
gerade, dass Sie bereits mehrere Male versucht
haben, den ganzen Sommer hindurch, eine
40
Autofellatio an sich herbeizuführen. Ist das
zutreffend
Ob das zutreffend sei. Ich muss sehr lachen. Ein
aufrichtiges Lachen. Echt und unverfälscht.
Authentisch. Ich hatte mir von dem Geld, das mir
die Autonomiebehörde schickt, einen extragroßen
Delfin gekauft. Einen eigenen Fisch aus Gummi. Den
ich mit einem Saugnapf an den Kacheln in meinem
Badezimmer befestigen kann. Was der Grund für meine
Fröhlichkeit sei. Fragt die Frau mit den Brüsten
und der Poritze. Was ich die Frau schon immer mal
fragen wollte. Hat Flipper Zähne
Als ich erst an der Tür des Büros des Herrn Fist
anklopfe und dann das Büro des Herrn Fist betrete,
hineinschreite in die Welt, die die Welt des Herrn
Fiste ist. Setzen Sie sich, Herr Baader. Setzen Sie
sich erst einmal hier hin. Hier, in dieses Eck.
Nein. Stehen Sie doch wieder auf. Stellen Sie sich
hier hin. Nein. Stellen Sie sich dahin. Dass ich
Sie sehen kann und beobachten. Legen Sie Ihre
Sachen ab. Ziehen Sie sich aus. Machen Sie. Auch
die Unterwäsche. Knien Sie sich hier hin, dass ich
Sie besser untersuchen kann. Weswegen Sie heute
hier sind. Sie sind heute hier
Mehrere Streichungen. Auslassungen
Ich muss erstmal aus meinem Fenster herausschauen.
Um herauszufinden, warum ich Sie habe vorladen
lassen. Herr Baader. Schauen Sie, so viele Vögel am
Himmel. Wenn es nach mir ginge, dann ginge es nach
mir. Dann würden die Vögel dort nicht einfach so
herumfliegen. Kreise drehen. Herumsitzen auf
41
irgendwelchen Ästen. Dann wären sie metaphorisch
aufgeladen. Vorgeladen, Herr Baader. Ich möchte mit
Ihnen über Ihre Situation sprechen. Ein
freundliches Gespräch. Eine Unterhaltung. Ich
möchte mich mit Ihnen etwas unterhalten und selber
unterhalten werden. Schöner Blick von hier oben.
Finden Sie nicht auch
Das bekomme ich erst jetzt mit. Bei meinem dritten
Besuch in der fünften Etage. Dass alle anderen
Wartenden genauso aussehen wie ich. Die andere
Hälfte des Betriebes. Krähen. Raben. Kleine Dohlen.
Elstern. Hier trifft man sämtliche Vögel wieder
35 XXIV
Wie ich zu dem Stoff gekommen sei. Ich komme schon
lange nicht mehr. Der Stoff ist zu mir gekommen. Er
wurde mir freundlicher Weise zur Verfügung
gestellt. Er ist mir zugetragen worden. Wenn Sie es
so wollen. Ich habe ihn nur noch nehmen müssen. Wie
ich auf den Feiste Blacher gekommen sei. Gar nicht.
Der Blacher ist zu mir gekommen. Kettenhemd.
Pluderhose. Stulpenstiefel. Dort, wo Sie jetzt
sitzen, dort hat er sich hingesetzt. Baader, hat er
gesagt. Hoch verehrter Herr Baader. Sie haben mir
mein neuestes Buch mitgebracht. Darf ich Ihnen eine
Widmung hineinschreiben. Dass Sie wahre Freude
empfinden können
Das Aufschreiben war gar kein Problem gewesen. Der
Verlag hatte sich eine leicht verständliche Fassung
gewünscht, die zum Heidelberger Stückemarkt
42
eingeladen werden kann. Herr Baader. Schreiben Sie
über das Schwefelkugelexperiment. Orientieren Sie
sich an der Biografie des Blacher aus dem Verlag
der Deutschen Industrie. Dort werden Sie alles
finden, was Sie für Ihre Arbeit benötigen
Was fällt Ihnen auf, wenn Sie die Biografie des
Blacher in die Hand nehmen. Die in Ihrer Hand
liegende Blacher Biografie betrachten. Man kann sie
auch unter diesen Tisch legen. Dass der Tisch nicht
mehr kippelt. Kommt Ihnen das nicht auch etwas
komisch vor, dass ich kein Wort sage. Dass ich
still und stumm dasitze, Sie anschaue, etwas vor
mich hinlächle. Gut. Lassen wir das. Lassen wir es
sein. Spielen für Idioten. Ich brauche Sie gar
nicht zu fragen. Ich frage Sie gar nicht erst. Ob
Sie das Buch gelesen haben. Sie halten das Buch in
Ihrer Hand. Einen sehr ernsten Gesichtsausdruck
gibt es dazu. Ein Expertengesicht. Sorgenfalten. Es
ist Ihnen anzusehen, dass Sie das Buch nicht
gelesen haben. Dass Sie Ihr ganzes Studium hindurch
Bücher wie dieses zwar gerne angeschaut und in der
Hand gehalten haben. Wie schnell ist eine Passage
daraus zitiert. Von vorne bis hinten durchgelesen,
haben Sie nie auch nur ein einziges. Moment. Ja.
Guten Tag. Post für Tittenfick. Vielleicht könnten
Sie mir die Tür öffnen. Ja. Sehr freundlich. Vielen
Dank
Warum gerade ich. Diese Frage hat sich der Blacher
auch gestellt. Wobei Sie wissen müssen. Der Blacher
hatte sich für die Darstellung seines Lebens
ausdrücklich Figuren gewünscht, die in irgendeiner
Weise etwas mit seinem Leben zu tun hatten. Ein
43
paar Schaffner wären gut gewesen. Hans Olaf Henkel
als Deutscher Schäferhund. Die Veronica Ferres als
Frau an seiner Seite. Baader wusste, dass sich der
Blacher einen realistischen Stoff wünscht. Die
Leute sollen nachvollziehen können wer ich wirklich
bin. Sie werden verstehen. Dass dem Blacher das
nicht gefallen konnte. Dass der Baader für die
Besetzung der Figuren drei Zebrafinken vorgesehen
hatte und zwei Wellensittiche. Einen blauen und
einen gelben
Ich hatte den Blacher von vorne bis hinten
durchgenommen. Eine geile alte Sau. Das war mein
erster Gedanke beim ersten Lesen. Warum gerade
Blacher. Diese Frage hatte sich für mich nicht
gestellt. Ich wäre nicht darauf gekommen mir eine
derartige Frage zu stellen. Sie können davon
ausgehen. Ich habe gar nichts dagegen. Dass sich
das Deutsche Theater vom Verband der Deutschen
Industrie eine schöne Summe dafür verspricht. Dass
sie diesen Stoff hier spielt und also auf die Bühne
bringt. Der sympathische Ulrich Matthes als
Blacher. Martin Wuttke als Ulrich Matthes. Wenn Du
wüsstest, wie sehr krank ich tatsächlich. Wie
ehrlich empört ich über die Zustände im Land bin.
So wie ich es sehe, ist das Schauspiel bereit sich
eines jeden Themas anzunehmen. Warum der
Freundeskreis der Deutschen Industrie die Intendanz
dieses Hauses nun gerade mich mit der Bearbeitung
des Stoffes beauftragt hatte. Dazu kann ich nichts
sagen. Ich bin als nicht besonders zuverlässig
bekannt. Ich gelte als schwierig. Ich gelte als
abgewirtschaftet und fertig. Ich sei durch. Sie
44
wissen es ja selber nur zu gut. Was nützt einem ein
bekannter Name. Wenn man mit diesem Namen nichts
anfangen kann. Es ist sehr freundlich von Ihnen.
Dass Sie das sagen. Das sehe ich allerdings nicht
so. Das würde ich so nicht sagen. Dass es gut für
mich läuft. Würde es gut für mich laufen. Würde das
Telefon ständig klingeln. Würde der vollkommen
ahnungslose Depp, der meinen Eintrag bei Wikipedia
verfasst hat, meinen Beitrag von sich aus will
sagen aus sich selbst heraus aus eigenem Antrieb
ohne dass er angetrieben werden müsste durch
Stockhiebe vielleicht wie selbstverständlich
aktualisieren
Schauen Sie sich diese Scheiße hier an.
Scheißdreck. Der Herr Feiste schreibt in der
Zeitschrift Theater der Zeit. Ich würde doch so
viel Geld verdienen. So viel Geld bekäme ich. Ich
bekäme vom Schauspielhaus Geld für nichts. Es sei
ein Leichtes das vermorschte Gehäuse zu retten.
Würde man einfach die monatlichen Gaben an mich
einstellen. Unbekannt verziehen. Ich habe dem Herrn
Feist gleich einen Brief geschrieben. Hier auf
meiner Schreibmaschine. Die Leute standen in den
Betten. Da haben die Nachbarn gleich mit dem Bumsen
aufgehört. Was die Alte immer rumschreit. Derart
hatte ich auf die Tasten eingeschlagen. Es war ein
ersatzweises Schlagen. Eine ausweichende Handlung.
Gerne hätte ich auf den Feist daselbst.
Eingeschlagen. Nun hatte ich dem Herrn Feist diesen
Brief geschickt. Dem Brief beiliegend meine letzten
Steuerbescheide. Dass der Herr Feist sich seine
Faust in den Mund stecke. Ich stecke mir meine
45
Faust in den Mund. Um meine eigene Faust zu
schmecken
Der Blacher hatte übrigens immer genug Geld gehabt.
Anders als es bei mir der Fall ist. Hatte der
Blacher unter dem Tannenbaum im Hause seines Vaters
ein Paket vorgefunden. In dem Paket eine ganze
Fabrik. Eine vollautomatische Notendruckerei. Alles
Gute zu Weihnachten. Dein dich ganz besonders
wertschätzender womöglich über alles liebender
Vater. Schon dein Großvater also mein Vater. Keine
Ahnung ob du dich erinnerst, wie der Großvater der
kleinen Türkin im Vorbeigehen von hinten. Irgendwer
aus der Familie hatte immer irgendetwas irgendeinen
Scheiß gesagt zu sagen gehabt irgendeinen Spruch
gab es jedes Mal ungefragt mit auf dem Weg. All die
alten verfressenen Arschlöcher aus denen sich
unsere Familie zusammensetzt Stimmungsschmarotzer
allesamt fiese kleine Krümel im Glubschauge der
Macht. Hatten sich immer schon gedacht. Ach weißt
du was, ich bin doch nicht so blöd wie Vater und
Großvater und gehe für mein Gold selber arbeiten
lege selber Hand an zum Beispiel mein Glied. Viel
lieber lasse ich das Geld meiner Väter für mich
arbeiten
Der Professor Porsche hatte von seinem Vater die
Stadt Stuttgart geerbt. Zinshäuser. Imbissbuden.
Siebzehn Pfund grüne Seife. In einem sehr hübschen
Paket. Um die Stadt Stuttgart von seinem Vater als
Geschenk übernehmen zu können. Hatte der Professor
Porsche studieren müssen. Worauf der Herr Professor
allerdings gar keine Lust hatte
46
Noch mal die Autobiografie des Professor Porsche
lesen
Ich war doch nicht so blöde das Buch meines Lebens
selber zu schreiben. Ohne weiteres könnte ich ein
Buch selbst schreiben. Nur habe ich gar keine Zeit
dazu. So habe ich das Buch von jemandem schreiben
lassen. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden.
Wir haben ein paar Sachen streichen müssen.
Kleinigkeiten. Nun bin ich wirklich sehr zufrieden.
Glücklich. Ein so schönes Buch gelesen zu haben.
Dass die Leute sehr gerne kaufen. Hoffentlich ist
bald Weihnachten. Ich möchte meinem Mann so gerne
das Buch von dem Professor Porsche kaufen unter den
Weihnachtsbaum legen. Dass mein Mann sehr viel von
dem Herrn Professor lernen kann. Beeindruckend. Was
der Professor Porsche uns für eine Lebensgeschichte
vorlegt. Alles fein säuberlich aufgeschrieben.
Authentisch. Glaubhaft. Nachvollziehbar. Er als
Legastheniker. Schreibt als würde er selber
schreiben. Zitat. Studienzeit ging in Ordnung.
Selber studieren keine Lust gehabt. Die Maren
Eggert im Gasthaus Rille getroffen. Morgens wieder
spät auf. Anruf Heidi aus Amerika. Sie könne ihr
Diaphragma nicht finden. Ob ich nochmal schauen
könnte
Viele junge Frauen fühlen sich unsicher. Bin ich
auch wirklich neutral. Wie empfindet mein Freund
meinen körpereigenen Geruch. Für diese jungen
Frauen haben wir Neutrolin entwickelt. Jetzt auch
zum Mitnehmen
47
Wie stehe ich denn jetzt da. Schaut euch mal meine
Hose an. Nass von oben bis unten. Ich sage es
direkt. Nicht mit mir. Es ist vollkommen
ausgeschlossen. Ich kann so unmöglich unter die
Leute gehen. Die Leute denken, ich hätte mir in die
Hose geseicht mich vollgepisst. Erzählen Sie das
mal jemanden. Dass der Wasserdruck im Bad zu stark
ist. Jedes Mal ein gewaltiger Schwall aus dem
Wasserhahn kommt. Dass man aussieht wie ich jetzt.
Das glaubt mir doch niemand. Was hier passiert ist.
So stehe ich vollkommen alleine da. Hören Sie. Das
glaubt Ihnen niemand. Da werden Sie auf der Stelle
ausgelacht. Also kommen Sie mir nicht mit Ruhe
bewahren
Ich habe noch nicht ein einziges Wort geschrieben,
da ruft mich der Herr Fiste von den Kammerspielen
an. Wo denn nun der Text bleibe. Er könne nichts
dafür, dass ich noch kein Geld erhalten habe.
Ehrlich. Es täte ihm richtig regelrecht von ganzem
Herzen leid. Er sei ja nur der Herr Fist. Einer von
vielen. Alleine gelassen sehr oft mit einem Berg an
Aufgaben, die ein einzelner Mensch in einem
Menschenleben. Was meinen Sie. Sehe ich aus wie ein
Eichhorn, welches gerade vom Baum gefallen ist. Ich
hatte körpereigenes Material aus meinem schmutzigen
Mund entnehmen lassen. Wenn Sie nichts dagegen
haben. Würde ich dem Herrn Fist gerne den Befund
schicken. Mit herzlichen Grüßen
Das ist das Ergebnis meiner Arbeit. Das Ergebnis
wochenlangen monatelangen Arbeitens eines
jahrelangen es immer wieder Versuchens. Zehntausend
mal zehntausend Seiten Text. Tausende Seiten
48
vollgeschrieben mit den allerklügsten Gedanken. Die
ich in dieser Häckselmaschine zu Papierschnipseln
verarbeitet habe. Ich habe meine Arbeit auf dem
Grünstreifen zwischen den Fahrspuren kompostiert.
Mal sehen, vielleicht wächst was Schönes drauf
Verdauen. Ausscheiden. Anstrullern. Verstehen Sie.
Die Sublimation als einer der wichtigsten Prozesse
künstlerischer Arbeit
Sich nochmal hinlegen. An die Königin denken.
Erleichterung. Schlaf
Diese so genannte Biografie ist wie diese anderen
Biografien hier auf Strich gekämmt worden. Eine
Inszenierung sozusagen. Der Verband hat ein
Interesse daran, einen Stammvater zu benennen. Der
Urkapitalist, der immer gut zu allen war. Nie für
sich selbst gearbeitet hat, immer für die anderen.
Dass es allen besser gehe
Wir konnten ja nichts dafür. Dass die Leute bei der
Ausübung Ihrer Arbeit. Es gab ja damals noch viele
Krankheiten. Die es heute überhaupt nicht mehr
gibt. Heute wird überhaupt niemand mehr krank.
Damals waren alle krank gewesen. Deshalb zu
behaupten. Ich streite das alles ab. Das stimmt
überhaupt nicht. Wie kommen Sie überhaupt dazu zu
behaupten. Ich unterhalte mich mit diesem Mensch
gar nicht. Lass Dich doch nicht provozieren. Du
musst mit diesem Baader nicht reden. Wir wissen
doch alle, wer der Baader ist. Dass der Baader ganz
andere Sorgen hat
49
Wir weisen den Vorwurf zurück. Dass in diesem Werk
Werkarbeiter bei der Ausübung ihrer Arbeit zu
Schaden gekommen sind. Arbeitergesundheit
beschädigt worden sei. Wie wir auch die von dem
Herrn Baader aufgestellte Behauptung, die
Blechpressen in der Kraft durch Freude Fabrik
Fallersleben stünden auf Fundamenten, in denen
sterblichen Überreste von Zwangsarbeitern
einbetoniert seien, als vollkommen unzutreffend und
also falsch zurück. Ich persönlich habe den Herrn
Baader in das Restaurant Speer am Gendarmenmarkt
eingeladen, um mit dem Herrn Baader ein Gespräch zu
führen. Ich hätte gerne die Kartoffelsuppe und der
Herr Baader auch. Es ist der Herr Baader. Wir sind
heute hier, um ein Gespräch zu führen, auf das ich
mich schon sehr lange gefreut habe. Herr Baader,
ich freue mich, dass wir uns heute hier treffen
können und hoffe sehr, dass Ihnen die
Kartoffelsuppe genauso schmeckt wie mir. Wo waren
wir stehen geblieben
Das mag ja sein, dass der Herr Professor Porsche
immer noch Ehrenbürger der Stadt Stuttgart ist. Ich
bin es ja auch. Man bekommt eine Plakette
überreicht. Eine künstlerische Handarbeit.
Handgetöpferte Rundkeramik, gefertigt von jungen
Künstlern während ihrer Zeit auf Schloss Solitude.
Waren Sie schon mal auf Schloss Solitude. Sie
sollten mal dort hinfahren. Sie werden sehen, es
wird Ihrer Arbeit gut tun, auf Solitude sein zu
können. Ich werde Sie für ein Stipendium
vorschlagen. Ich rufe gleich die wie heißt sie doch
gleich Moment ich habe es gleich es fällt mir
50
gleich wieder ein gleich rufe ich die Frau Panik
an. Dass die geschätzte Frau Ihnen einen Aufenthalt
organisieren kann. Woran arbeiten Sie denn derzeit.
Sie sollten mal was zu Thomas Bernhard machen. Wenn
ich Ihnen etwas vorschlagen dürfte. Es ist nur gut
gemeint. Schreiben Sie so, wie Thomas Bernhard
geschrieben hat und Sie werden sehen, dass Sie
großen Erfolg mit ihrer Literatur haben werden.
Sehr großen Erfolg sogar. Vorgestern saß ich mit
dem Claus Peymann hier. Wissen Sie, was der Claus
Peymann gesagt hat. Der Claus Peymann hat gesagt.
Was geben Sie Ihr ganzes Geld diesen jungen
Autoren. Geben diesen Leuten kein Geld. Geben Sie
mir dreihundertfünfzigtausend und ich mache Ihnen
einen schönen Thomas Bernhard. Ritter Dene Voss.
Was Sie wollen. Da sehen Sie es. Nach Thomas
Bernhard gibt es eine Riesennachfrage. Die Leute
wollen Thomas Bernhard sehen. Er ist ein großer
kommerzieller Erfolg. Warum schreiben Sie nicht
einfach so, wie der Thomas Bernhard geschrieben
hat. Ich habe alle Bücher von Thomas Bernhard
gelesen. Alle Bücher die es von Thomas Bernhard
gibt, habe ich erst in einem Geschäft gekauft und
dann durchgelesen. Alle Bücher von Thomas Bernhard
habe ich ein zweites Mal lesen müssen. So viel
Freude hatte ich beim ersten Lesen empfunden.
Vielleicht schreiben Sie mal ein Buch. Schreiben
Sie einen Roman. Nehmen Sie sich ein paar Tage
Zeit, fahren Sie in das Thomas Bernhard Museum.
Dort werden Sie sehr gute Informationen bekommen.
Sie müssen an die Orte gehen, an denen Thomas
Bernhard war. Anders geht es nicht. Nehmen Sie den
51
Zug. Fahren Sie nach Hamburg. Ich werde Ihnen einen
Freifahrtschein zusenden lassen
Ich bin Baader. Ich habe mir Baader auf den Leib
schneidern lassen. Baader passt mir wie angegossen.
Ich fühle genauso, wie Baader gefühlt hat. Ob ich
an Gott glaube. Ich glaube, Ihr habt mich nicht
erkannt. Ich bin Gott. Ich hätte gerne einmal die
Würstchen Frankfurter Art. Ach die gibt es gar
nicht mehr. Haben Sie das gehört. Es gibt hier
keine Würstchen Frankfurter Art mehr. Es hat hier
immer Frankfurter Würstchen gegeben. Es ist
unvorstellbar nicht vorzustellen vollkommen absurd.
Seit ich denken kann, habe ich auf Bahnfahrten
Fahrten mit dem Zug Fahrten in der Deutschen
Eisenbahn Reichsbahn Bundesbahn nichts anderes
gewollt als Würstchen
35 XXV
Dieser verächtliche Unterton bereits in der
Einleitung. Es werde heutzutage gar nicht mehr
klassisch geschrieben. Die Eisenbahnen fahren mit
elektrischer Energie und nicht mehr mit zwei
Pferden vornedran. Wie es sich gehöre. Die Autoren
schreiben heute nicht mehr klassisch. Federkiel und
Tintenfass. Nein. Hört. Wir wollen endlich wieder
richtige Dialoge. Echte Figuren. Charaktere. Wir
fordern Sie auf. Schreiben Sie uns
Guten Abend, mein Name ist Textfläche. Ich hatte
hier reserviert. Die beiden Plätze am Fenster, wenn
es Ihnen recht ist
52
So. Und dann sitzt man da. Dann wird man
angelächelt. Als ob man akzeptiert wird.
Dazugehören darf. Um es gleich vorweg zu nehmen.
Einen Scheiß wird man akzeptiert. Man wird auch
nicht angelächelt, sondern weggeschmunzelt. Gerade
Du als Schwarzer. Gerade ich als Schwarzer. Hier in
diesem Abteil. Erst ein kurzer Schreck. Schaut, ein
Schwarzer hier in unserem Abteil. Gleich kommt die
große Geste. Setzen Sie sich doch einfach hinzu.
Erzählen Sie uns, wo Sie herkommen. Wir sind so
geil auf Geschichten. Selbstverständlich dürfen Sie
hier sitzen. Wie fühlt es sich für Sie an von uns
gesiezt zu werden. Das passiert Ihnen doch bestimmt
nicht oft. Dass Sie so gut behandelt werden, wie
Sie von uns behandelt werden. Wo fahren Sie
eigentlich hin. Sie sind doch bestimmt schon weit
rumgekommen. Möchte man da nicht auch mal sesshaft
werden. Einfach irgendwo an einem Ort verweilen.
Man sieht ja ihresgleichen sonst nur Pakete
ausliefern. Nicht so jedoch in diesem Zug. Was ist
der Anlass Ihrer Reise. Was ist das Ziel Ihrer
Reise. Was wollen Sie in Hamburg
Ausgezeichnet. Sarah Kuttner hat sich vor der
Geburt ihres ersten Kindes schnell nochmal für den
Playboy ausgezogen. Iris Laufenberg ruft aus Bern
an. Sie sei überhaupt nicht in Bern, sondern auf
dem Weg nach Berlin. Gestern sei sie in Stuttgart
gewesen und davor in Wien. Sie sei auch gar nicht
so lange in Berlin. Sie müsse gleich wieder weiter.
Sie könne nicht telefonieren. Das Gespräch sei
bereits zu Ende. Was sie nur sagen wollte. Weshalb
sie angerufen hätte. Ich solle mir mal diesen sehr
53
interessanten Artikel. Ein sehr interessanter
Artikel über die Meret Oppenheim. Durchlesen
sofort. Ist doch echt total ungerecht. Dass die
Meret Oppenheim immer noch keine. Nur weil ich
diesen Namen noch nie gehört habe. Die Meret
Oppenheim sei sehr wohl eine große Nummer. Sie
müsse jetzt echt weiter. Sie stehe bereits am Check
In. Wir könnten ja mal einen Kaffee trinken. Lass
uns doch mal einen Kaffee. Ich rufe dich. Tschüss
So eine Textfläche sei nichts anderes als Prosa.
Das ist natürlich ein großer Scheiß. So etwas zu
sagen. Gefallen Ihnen meine Brüste. Wollen Sie sie
mal anfassen. Ich will es gar nicht gerade rücken.
Gerade nichts erklären. Ich sitze nur da. Hier
sitze ich und freue mich. Wie schön die Meret
Oppenheim einmal war. Als sie das einzig richtig
tat. Ihr Höschen auszog um uns zu zeigen. Was genau
sie meint. Wenn sie von Kunst spricht
Ich verstehe schon, dass es gut wäre und richtig,
dort hinzufahren. Dass ich nicht dort hinfahre. Ich
nicht mit Dir fahren kann. Hat nichts mit Dir zu
tun. Wie gerne würde ich mit Dir fahren. Sondern
mit meiner Angst vor dem Reisen. Und also dem
Verlust von Kontrolle. Mir fehlt es an Vertrauen.
Ich vertraue dem Staat kein bisschen. Wenn er seine
Vertreter behaupten lässt. Ich käme
selbstverständlich wieder zurück. Denke nur daran,
was man Odysseus und seinen Freunden versprochen
hat. Die schöne Helena im Bahnjournal. Zeigt allen
ihre riesenhafte uralte Tasche. Die sie von ihrer
Mutter geerbt habe. Ich hatte die Woche nochmals im
Verlag angerufen um rauszufinden, wie die Stimmung
54
in Leipzig ist. Ich hatte herausfinden können. Ich
hatte überhaupt nichts herausgefunden. Ich hatte
herausgefunden, dass es in Leipzig kein Interesse
gibt. Gäbe es ein Interesse, hätten sich die Leute
ganz und gar anders verhalten. Hätte ich nicht nach
ihnen hätten sie nach mir gefragt
Ich würde auf diese Plattitüden wie sie jeder
Dramaturg und jede Dramaturgin in etwa mit der
Muttermilch in sich aufgenommen hat allzu viel
geben am besten alles. Wir haben ein
Rieseninteresse. Wir freuen uns riesig auf das
nächste Stück. Wir sind total gespannt. Wir werden
diesen Text sofort lesen. Ich lese diesen Text
sofort
Ich hatte mir nochmal die Abschrift der Rede
durchgelesen, die Feiste in Mülheim als Laudatio
auf den Preisträger Höll gehalten hatte. Servus,
oder wie sagt man hier, ein schönes kaltes Pils
hätte ich gerne, dazu die Pferdewurst mit Kren. Ich
bin immer noch der Meinung. Das lasse ich mir nicht
mehr ausreden. Dass Feiste sich dort, im
Festspielgehäuse, vor allem und zuallererst bei den
Kritikern und Dramaturgen angewanzt hat, indem er
der so genannten Neuen Dramatik. Was für eine
beknackte Bezeichnung. Mal so richtig den Marsch
geblasen hat. Noch ein bisschen mehr von dem Kren.
Geiziges Arschloch. Ich zitiere. Die leider
vollkommen unfähigen vor allem in Berlin wohnenden
Schreiber Komma die vor allem mit sich selbst
befasst sind ihren kleinen Problemen ihrem
mickrigen kleinen Leben aber gar keine guten Texte
verfassen also schreiben können. Ich weiß ja nicht,
55
wie Sie es sehen. Sehr geehrter Herr Polizeihund.
Ich sehe es so. Der Feist hat überhaupt keine
Laudatio auf die Fiste gehalten. Was die Fiste
macht und oder je getan hat. Es hat Feiste einen
Scheiß interessiert. Das Unvermögen einen Text zu
schreiben also nicht schreiben zu können an der
Stadt Berlin festzumachen. Das ist wieder mal
typisch Feist. Statt selber endlich seine gesamten
Aufzeichnungen in einem Kopfkissenbezug zu packen.
Hängt er vom Trotz zerfressen im Schweinemaul. Zu
stolz, sich selber einzugestehen
Dass wo andere ein Herz haben, bei mir ein Stück
Wellasbest ist. Verstehen Sie. Doktor Lutschi
Maule, so viel Zeit muss sein. Erzählt mir er
berichtet so war es tatsächlich gewesen genauso hat
es sich zugetragen. Dass im Osten viel mehr gebumst
wurde. Er in seiner ostdeutschen Jugend über einen
viel erfreulicheren Grad an sexueller Mobilität
verfügen konnte. Als all die jungen Männer, die
neunzehnhundertachtzig und später geboren wurden.
Wie oft schlief ich mit Mädchen jungen Frauen,
deren Namen ich nicht kannte
Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ich an Leipzig
denke. Ich muss an den Schweiger denken, der sich
dort vom aufmüpfigen etwas vorlauten aber doch in
seinem Kern sehr vorbildlichen Jungrevoluzzer zum
Staatsschreiber entwickelt. Wenn Sie es so haben
wollen. Ich habe den Schweiger zumindest gemocht,
als Kollegen geschätzt. Gerne gehabt
Das Deutsche Literaturinstitut der Universität
Leipzig. Die grauenhafte Stadt Leipzig mit ihren
56
grauenhaften Einwohnern. Zitat. Früher war alles
besser gewesen. Junger Mann, wie sehen Sie denn
aus. Wie siehst du denn aus. Ach wissen Sie, junger
Mann. Was wir mit Leuten wie Ihnen noch vor kurzer
Zeit. Und das ist gar nicht lange her. Nein. Das
ist gar nicht lange her. Warum gehen Sie nicht mal
zum Friseur. Warum sehen Sie nicht aus wie Günther
Jauch. Von dem ich mir wünsche, er möge meine
Tochter
Geh zurück in den Westen. Wurde mir einmal von
Bürgern der Stadt Leipzig auf einer Straße
empfohlen. Doch zurückzugehen in den Westen, wenn
mir das Leben in Leipzig also Sachsen so gar nicht
gefalle. Das sei der Rat, der mir gegeben werden
kann. Dabei hatte ich gar nichts gesagt. Noch nicht
einmal etwas gedacht. Oder als Mann langes Haar
getragen. Eine Damenhandtasche. Ein Sommerkleid.
Ein kurzer Rock. Ich habe beschlossen. Ich schließe
mich nun der Initiative des Herrn Kleist aus
Frankfurt an der Oder an. Den Staat Sachsen in
seiner gesamten Ausdehnung niederbrennen. Ist
erklärtes Ziel unserer Vereinbarung. Sehr geehrte
Damen und sehr geehrte Herren. Bitte lassen Sie
Ihrem Anspruch, ein freier Staat zu sein, sehr
schnell Taten folgen. Seien Sie so frei. Machen Sie
Ihre Grenze dicht. Ficken Sie sich gegenseitig und
untereinander
Ich war während meiner Studienzeit genau zweimal im
Staatstheater des Staates Leipzig. Einmal, weil ich
gedacht hatte, man müsse in das Theater gehen, um
junge Menschen kennenzulernen. Vielleicht gehen wir
schnell noch zu mir rauf. Tasse Kaffee. Lass uns
57
doch noch zu mir raufgehen oder zu dir. Außerdem
sagten alle, die etwas zu sagen hatten, dass es
total wichtig sei in das Theater zu gehen. Das
Theater sei eine große Metapher. Keiner wisse,
worauf das Theater eine Metapher sei. Aber es sei
eine Metapher
Über die Intendanz Engel am Staatschauspiel
Leipzig. Was ich soeben festgestellt habe. Wolfgang
Engel befindet sich in meinem Radio. Ich schalte
das Radio aus. Ich schalte das Radio ein.
Vielleicht war alles nur ein böser Traum. Wolfgang
Engel wohnt in meinem Radio. Ist es
Deutschlandradio oder ist es Deutschlandfunk
Kultur. Ich kann mir das nie merken. Ich verwechsle
das jedes Mal. Ich höre dem Wolfgang Engel dabei
zu, wie der Wolfgang Engel achtundzwanzig von
dreißig Sendeminuten in ein sehr gutes Buch hinein
onaniert, welches den schönen und sehr zutreffenden
Titel trägt. Meine eigenen Erfolge. Mein größter
Erfolg. Meine allerbesten Jahre
Ich sehe es ein. Ich glaube dir voll und ganz und
gar. Deine Argumentation. Sie ist vollkommen
zutreffend. Schlüssig. Ich würde ja so gerne.
Keinen Moment würde ich zögern. Gleich würde ich
anrufen. Ich könnte dieses Telefon in die Hand
nehmen. Die Nummer wählen, die ich sooft gewählt.
Einen netten Brief schreiben. Eine nette und
aufrichtige Mail. Ein paar warme Worte in einen
lauwarmen Schwamm onaniert. Wie schade es sei, dass
man sich so lange nicht mehr. Wie gerne man mal
wieder. Wie sehr man sich freuen würde. Sich nach
all dem mal wieder zu freuen. Ich kann es einfach
58
nicht. Ich kann nicht bei diesen Leuten und wie sie
alle heißen vorstellig werden. Ich kann diese Leute
nicht einfach so anrufen. Ich werde auf der Stelle
krank. Ein Pissen aus dem Arsch. Das mich davon
abhält, den nächsten Zug zu nehmen
Sich dem Betrieb entziehen. Trotz aller
Verlockungen. Was machst Du gerade. Ich liege
gerade im Bett. Frage mich, was ich anhabe. Ich
habe nichts an, ich bin nackt. Du möchtest wissen
wie ich aussehe. Ich werde es Dir beschreiben. Die
Farbe meiner Haut sei schwarz. Wenn Du mir eine
Fahrkarte bezahlst, werde ich mich in den nächsten
Zug setzen. Ich setze mich in den nächsten Zug und
komme zu dir
Mitte Oktober schreibt die Autonomiebehörde, dass
sie ab November keine Miete mehr an den Vermieter
überweisen wird. Ich habe mich entschieden, erst
einmal nichts zu entscheiden. Das Ganze
weiterlaufen zu lassen, auf dass sich die
Angelegenheit womöglich von ganz alleine erledigt
Ich hatte mein Hirn der Hirnforschung zur Verfügung
gestellt. Ich hatte ein Päckchen an die zentrale
Hirnannahmestelle geschickt. Darin mein Hirn in
Scheiben. Heute ein Brief. Sehr geehrter Herr
Baader. Bei den von Ihnen unverlangt eingeschickten
Hirnproben. Es handelt sich bei Ihren Proben gerade
nicht um Hirn. Geselchtes vom Rind
Klage. In Büro, Schlafgemach und Bad ist genau die
Sorte Rauchmelder installiert, gegen die jetzt das
Verfahren läuft. Die kleinen Rauchschnüffel haben
nicht nur ein Mikrofon, wie sämtliche Steckdosen in
59
der DDR. Sie zeichnen ganze Bewegungsprofile auf.
Liege ich an einem Dienstagvormittag, beschäftigt
mit mir selbst. Fertigt der zuständige Mitarbeiter
der Jauchbehörde einen Vermerk. Elf Uhr. Baader
liegt auf dem Boden im Bad. Offensichtlich
selbstreferenzieller Diskurs. Offensichtlicher
Versuch der Herbeiführung einer Autofellatio. Nur
fünf Prozent aller Spiegelleser gelingt ein solches
Vorhaben. Die Quote derer, die es zumindest
versucht haben, ist um ein Vielfaches höher.
Schnelle Erleichterung
Einmal im Jahr schicken sie einen Mitarbeiter.
Jedes Mal der gleiche teilnahmslose
Gesichtsausdruck. Den Blick auf den Boden gesenkt.
Immer große Eile. Dieses Jahr hatte ich ihn
angesprochen. Sind Sie nicht der Herr Meinhof, aus
dem Baader Meinhof Komplex. Wie läuft es im
Ministerium. Was gibt es für Neuigkeiten. Wie
gefällt Ihnen der neue Volkswagen. Welchen
Dienstrang bekleiden Sie jetzt. Sind Sie befördert
worden
Hatte ich Dir mal erzählt. Der Moritz Bleibtreu als
Offizier unter dem Pfarrer Jauch. Dienstort ist die
Rostocker August Bebel Straße. Dienstwohnung direkt
hinter dem Schlagbaum. Nachts schellt eines von
zwei Telefonen. Da wusste ich, jetzt haben sie
wieder einen geschnappt. Jetzt wird wieder jemand
richtig am Arsch sein. Feist springt gleich raus
aus dem Bette Feist. Nimmt seine Pistole aus dem
Nachtschrank. Man kann nie wissen, wann man seine
Pistole das nächste Mal braucht. Ich habe gelernt.
Als Offizier hat Feist gelernt, seine Pistole immer
60
am Mann zu tragen. Ganz wie Sie es wünschen. Sehr
wohl, Herr Polizeihund
Mitte der achtziger Jahre. Auf einmal klingelt es
an der Tür. Es klingelt sonst nie an der Tür.
Mutter, Vater, keiner von uns wusste, dass unsere
Tür eine Klingel hat. Vor der Tür der Onkel Feiste.
Guten Tag, mein Name sei Fist. Sie kennen mich aus
diversen Erzählungen. Vater und Vaterbruder können
einander nicht ausstehen, was sogar wir Kinder
mitbekommen. Obwohl sich allergrößte Mühe gegeben
wird. Nett zu einander zu sein. Die Form zu wahren.
Wahrscheinlich nur wegen uns, meiner Schwester und
mir. Der Kuchen schmeckt aber wirklich gut.
Möchtest Du noch einen Kaffee. Aber sehr gerne. Der
Kuchen ist aber wirklich lecker. Schön habt ihr es
hier. Nein, ganz im Ernst. Ist doch echt eine
schöne Wohnung. Kinder, schaut. Onkel Feist hat uns
etwas mitgebracht
Wir pissten uns in die Hosen. Wir hatten uns in die
Hose gepisst. Als Feist behauptet, er freue sich so
sehr, uns nach all den Jahren wieder zu sehen. Er
sei auf der Durchreise. Wie durch einen Zufall sei
er bei uns vorbeigekommen. Wie groß die Kinder
geworden sind. Wie groß meine Schwester und ich
geworden seien in all den Jahren. In denen Feist
Menschen die nichts anderes wollten, als einfach
mal irgendwo hinzufahren, fertig gemacht hat.
Kommen Sie mit. Setzen Sie sich dahin. Bleiben Sie
stehen. Unterschreiben Sie hier. Ihr Schweigen wird
Ihnen nichts nützen. Hier haben schon ganz andere
geschwiegen. Sie sind nicht der Erste. Der glaubt
uns an der Nase herumführen zu können. Abführen.
61
Ich hätte gerne die Brezeln, Flasche Doppelkorn und
eine Tüte Goldbären
Wir hatten uns vor Lachen in die Hose gepisst.
Fiste hatte uns einen Tisch mitgebracht. Einen
gewöhnlichen Wohnzimmertisch. Dass Vater sein Glas
Bier nicht mehr den ganzen Nachmittag den Abend
hindurch in der Hand halten müsse. Die nächsten
Jahre sprachen wir Abend für Abend mit dem Tisch.
Gute Abend Onkel Fist. Kannst Du uns gut hören. Wir
sind vollkommen linientreu. Wir finden alles gut,
was Du gut findest. Wir planen keine Revolte und
keinen Aufstand. Wir wollen gerne tadellose
Staatsbürger werden
Es ist eine gute Sache einen Tisch wie einen guten
Menschen zu behandeln. Guten Abend, lieber Table.
Guten Abend, Onkel Feist. Was war los bei Dir.
Heute wieder einen Schwimmer aus der Ostsee
gezogen. Heute mal wieder eine Wohnung durchsucht.
Heute mit dem Herrn Pfarrer Jauch im Bad
Schweinemaul getroffen. Verehrter Herr Pfarrer
Jauch. Es war die richtige Entscheidung, uns zu
rufen. Sie werden sehen, Ihre Bereitschaft uns
etwas bei der Ausübung unserer Arbeit behilflich zu
sein, wird auch Ihnen helfen
Ich höre gleich auf. Eine Sache nur noch. Das muss
noch erzählt werden. Ich war als Kind ein einziges
Mal bei Onkel und Tante Feist und meinen lieben
Cousins zu Gast. Gewesen. Tante Feist arbeitete
auch bei der Staatssicherheit. Mann und Frau und
Exkremente wohnten in einer Stasiwohnung und zwar
im gleichen Haus. In dem der Walter Kempowski
62
später sein Buch geschrieben hatte. Hier in diesem
Haus habe ich gewohnt. Meinem Vater hat alles
gehört. Dann war alles weg. Aber nun ist es ja
wieder da. Nun gehört alles mir. Wie schade, dass
unser Besitz so verkommen ist. Ich werde ein Buch
darüber schreiben. Der Herr Randdom hat mir seine
volle finanzielle Unterstützung zugesichert. Sie
können doch nicht so blöd sein zu glauben, ich
würde meine Bücher aus einem inneren Antrieb heraus
schreiben
Noch heute frage ich mich, wie Mutter und Vater
mich diesen Leuten derart schutzlos ausliefern
konnten. Was sie dazu bewogen hat, ihr Kind
derartigen Menschen anzuvertrauen. Ich hatte auf
einem Sofa im Wohnzimmer der Familie Feist
geschlafen. Lege Dich hierhin. Hier kannst Du
schlafen. Hier wirst Du sofort einschlafen. Feste
schlafen die ganze Nacht hindurch, bis wir Dich
rufen. Vom Sofa aus hatte ich einen guten Blick auf
das kleine Tischchen, auf dem die zwei Telefone
standen. Das eine der beiden Telefone hatte eine
Wählscheibe, das andere nicht. Man konnte auf
diesem Telefon nur gerufen werden. Nachts klingelte
das zweite von zwei Telefonen. Komm. Schnell.
Mitten in einem versauten Traum raus aus dem Bett.
Was ist, Schatz. Nichts, Mausi. Rehauge. Knochen.
Alte. Schnell aufstehen. Das noch steife Glied in
der Hose. Auf allen Vieren unter dem Schlagbaum
hindurch ins Führerhauptgehäuse. So. Na dann wollen
wir doch mal sehen. Dann wollen wir doch mal sehen,
was wir hier haben. Was haben wir denn da. So, so.
63
Tja. Wir werfen Ihnen Folgendes vor. Wir sitzen
hier. Sie sitzen dort
Sie behaupten also der Marlboro Mann zu sein. Was
wir aus den Bewegungsprotokollen Ihrer Rauchmelder
sehen können. Aus Ihren Steckdosen geht hervor.
Dass Sie sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel
bewegt haben. Schauen Sie sich diese Briefe an.
Khuon Professor, Deutsches Theater Berlin. Anna
Badora, Wien. Märki, Deutsches Nationaltheater.
Iris Laufenberg. Um es gleich vorwegzunehmen. Damit
es keine Missverständnisse gibt. Schreie ich oder
schreie ich nicht. Es interessiert uns nicht und
also einen Scheiß. Ob diese Briefe oder nicht
unterschrieben sind
Unleserlich. Mehrere Streichungen
Ob Dresden geeignet wäre. Jede Stadt ist geeignet.
Dresden ganz besonders
Ich sei der Mieter, der von seinem Vermieter
verklagt worden ist, nachdem er sich geweigert
hatte Komma einen gleich mehrere dieser neuartigen
Bewegungsmelder in dessen Wohnung installieren zu
lassen. Auf dem Foto sehe ich, dass es sich bei dem
Gerät um das gleiche Modell handelt, welches mein
Vermieter in meiner Wohnung hat einbauen lassen.
Der Mensch auf dem Foto, das bin ich
Keine besonderen Vorkommnisse. Der Herr Jauch wird
nichts anderes in sein Protokoll schreiben. Nichts
los im Leben des Baaders. Fantasien ja. Das
möglicherweise. Aber nichts Gefährliches. Nichts
worüber wir uns Gedanken machen müssten
64
Die Zielperson liegt auf ihrem Bett. Die Zielperson
liegt in ihrem Bett und liest ein Buch. Die
Zielperson tauscht ein gelesenes gegen ein von der
Zielperson offenbar noch nicht gelesenes Buch aus.
Die Zielperson führt von ihrem Bett aus
Telefongespräche. Verschiedene Gesprächspartner.
Gesprächsdauer jeweils mehr als eine Stunde. Die
Namen der angerufenen Personen wurden bereits
erfasst. Erkennungsdienstliche Verfahren wurden
eingeleitet
Es ist offensichtlich, dass der Baader onaniert.
Der Baader onaniert regelmäßig. Es ist festgestellt
worden, dass der Baader in immer der gleichen
Position onaniert. Ausgestreckt auf dem Bett
liegend
Ich habe nicht die geringsten Bedenken. Ganz das
Gegenteil. Sollen sie alles was sie über mich
wissen veröffentlichen. Ich sehe jeder
Veröffentlichung mit großer Freude entgegen. All
die herrlichen Briefe, die ich die letzten Jahre
erhalten habe. Kein einziger davon darf verloren
gehen. Was geschrieben wurde ist von allergrößter
Wichtigkeit. Was Sie gleich sehen werden. Verehrter
Herr Röntgen Conrad Feist
35 XXVI
An normales Arbeiten ist gar nicht mehr zu denken.
Der ganze Montag geht dafür drauf, über den Sonntag
nachzudenken und die Tage davor. Ich sitze den
ganzen Tag herum und den Tag danach und den
65
Mittwoch auch, beantworte die Post an die
Autonomiebehörde. Widerspruch gegen Ihr Schreiben
von. Antrag an die Dienstaufsicht. Sehr geehrte
Damen und sehr geehrte Herren. Lieber Polizeihund.
Sehr geehrter Herr Doktor Fiste Jauch. Bezugnehmend
auf Ihr oben genanntes Schreiben möchte ich Ihnen
Folgendes mitteilen. Den Rest der Woche bin ich
krank. So geht das jetzt seit Wochen. Seit Wochen
bin ich krank. Immer nur krank sein. So geht das
jetzt seit Monaten. Mir hat das erst etwas Angst
gemacht. Zu bemerken, dass ich nichts mehr schaffe.
Dass ich in meinem Schaffen gehemmt werde.
Kaltgestellt durch idiotischen Schriftverkehr.
Vollbeschäftigung für nichts und wieder nichts. Nun
habe ich mich daran gewöhnt. Ich schaffe nichts und
es ist vollkommen in Ordnung. Sie bekommen von mir
ab sofort genau das, was Sie bestellt haben. Je
länger ich darüber nachdenke. Ich bemerke nun, dass
ich überhaupt erst dazu komme. Über irgendetwas und
also mich nachzudenken. Wie gesagt. Den Begriff
Enttäuschung als die Auflösung der Täuschung, die
Darstellung der tatsächlichen Situation begreifen.
Das ist von all dem Guten, das mir widerfahren ist,
das Allerbeste. Das macht mich glücklich. Zu
begreifen, wie unfassbar reich ich geworden bin.
Seit keine Mails mehr kommen. Niemand mehr anruft,
um mir zu sagen. Dass man doch wieder mal endlich
mal möglichst bald lieber gestern als heute etwas
zusammen machen müsste. Man endlich etwas machen
muss. Was machen. Endlich
Hallo. Ich rufe direkt aus dem Rathaus in Heilbronn
an. Ich arbeite hier als Sachbearbeiterin. Das Geld
66
reicht vorne und hinten nicht. Ich muss Filme
drehen. Filme für Erwachsene. Ich bin ja noch so
wahnsinnig jung. Meine verrückte Fantasie. Sie
verstehen
Obwohl ich überhaupt nicht richtig raus war. Kam
ich nur schwer wieder rein. Kommt Ihnen das
irgendwie bekannt vor. Nur möchte ich nicht, dass
es schwer wird. Beschwerlich. Also höre ich doch
erst einmal auf. Wenn Sie nichts dagegen haben
Mehrere Auslassungen
Die Chefdramaturgin Anders fährt wie einmal
aufgezogen dann losgelassen auf ihrem Sportfahrrad
durch die Republik. Du. Tut mir echt total leid.
Ich muss gleich weiter. Wie geht es so. Ich habe
überhaupt keine Zeit. Wir können uns ja mal
treffen. Ich muss jetzt. Aber echt weiter. Wir sind
gerade voll in den Endproben. Was ich dich immer
schon fragen wollte. Was ist dein Lieblingstier.
Sehr schwierige Produktion. Tschüss
Ich wünsche ihr, ich wünsche Ihnen, Dir wünsche ich
ganz besonders. Etwas Zeit. Gedanken. Und das
schreibe ich jetzt auch. Ich hatte mir gewünscht,
dass Du auch mal etwas hast. Etwas haben können.
Von mir aus. Einen Gedanken nicht bis zu Ende
denken müssen. Sich zwischenzeitlich auf den Läufer
vor das Bett legen. An etwas Schönes denken
Ob das Gehäuse schlechter geworden sei. Woher soll
ich das wissen. Ich kenne dieses Haus nicht ohne
diese Leute. Diese Leute waren da. Bevor ich
überhaupt bemerkt habe, dass es an dieser Stelle
67
ein Haus gibt. Immer dachte ich, es sei ein großer
Stein
Das kann sich der Baader gut vorstellen. Das
gefällt dem Baader sehr. Sich vorzustellen, dass
der Laden immer schon so öde und verfurzt gewesen
ist. Überhaupt kann sich der Baader alles
vorstellen
Herr Doktor Blacher Fist. Wenn Sie mich schon so
fragen. Das ist mir gut bekommen, nicht mehr dabei
sein zu dürfen also zu müssen. Auch wenn es
gelegentlich Rückfälle gab. Ich rückfällig geworden
bin. Wieder dabei sein wollte. Es sei überhaupt
nichts geschehen. Aber auch das waren nur Psychosen
Der Herr Baader sagt, das habe er sich immer schon
gewünscht. Das habe ich mir immer schon gewünscht.
Dass endlich mal etwas los ist in diesem Land.
Weißt du noch, wie verzweifelt ich gewesen und
traurig. Wie verzweifelt er gewesen sei und
traurig. Wenn es wieder hieß. Das sei ein schöner
Abend gewesen. Die Leute hätten die ganze Zeit
durchgelacht. Alle hätten sich super amüsiert
Scheiß auf schönen Abend. Sehr geehrte Herr Doktor.
Kommen Sie schnell. Das Deutsche Theater ruft
Autorenwettbewerbe aus. Es ist leider pleite. Wie
gefällt Ihnen mein altes Hemd. Kragen ist schon ein
bisschen hinüber. Hemdmanschetten. Mein
Lieblingstier ist das Klistier. Ach wie süß. Was
hast Du denn da im Schnabel. Widerspruchsbescheid
auf Ihren Widerspruch gegen den Änderungsbescheid
zur Bewilligung von Vorläufigen Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes. Von meinem Fenster
68
aus kann ich der Sonja Anders in ihre
Fünfzimmerneubauwohnung schauen. Ich schreibe seit
einem halben Jahr auf, was ich dort zu sehen
bekomme
Bitte. Jetzt schauen Sie sich das mal an. Sehr
geehrter Herr Baader. Wir können Ihrem Schreiben
nicht folgen. Die Welt, wie Sie sie darstellen, ist
für uns nicht darstellbar. Ihr Text enthält ein
paar ganz gute wir möchten sagen brauchbare
Redewendungen. Nur sind die Figuren nicht bis zum
Ende durchdacht. Wie es uns das Liebste ist. Sie
können doch nicht im Ernst glauben, dass hier
irgendjemand Zeit hat und Lust sich mit Ihren
Sichtweisen auseinanderzusetzen. Wir spielen gerade
ein lustiges Spiel. Meine Frau trägt meinen Namen,
hat aber keine Ahnung, wie sie heißt. Kommen Sie
doch einfach rüber. Grußformel. Riesenschnörkel
Feiste schreibt. Erstmal kaputtlachen. Die Figuren
in meinem Text seien schablonenhaft angelegt. Dabei
hatte ich aufgeschrieben, was ich sah gesehen
hatte. Weiter. So könne das Stück jedenfalls nicht
im Deutschen Theater gespielt werden. Was ich
einzusehen hätte. Es sei unmöglich, einen Regisseur
zu finden. Schöne Grüße. Gern mal wieder auf einen
Kaffee
Sehr geehrter Herr Professor Bodenschatz. Wir
spielen hier auch ein lustiges Spiel. Die Kritik
ist begeistert. So viele lobende Artikel. Der junge
Moritz Rinke sitzt seit Tagen ununterbrochen bei
uns in der Kantine. Ich habe ihm geraten, es selber
mit dem Schreiben zu probieren. Das Spiel, welches
69
wir spielen. Ich schlafe mit Ihrer Frau und habe
meinen Namen vergessen. Grußformel. Unterschrift
Es gäbe im Grunde gar keine Figuren. Die Frau und
der Mann und die Kinder. Sie würden nicht
miteinander, sie würden nebeneinander leben. Die
Frau wisse selber nicht mehr, warum sie nach Berlin
gezogen sei. In Hamburg sei immer alles so nett
gewesen. Die Leute so nett, aber hier. In Hamburg
seien die Leute von alleine gekommen. Einmal
Schnitzel Pommes Schranke. Ganz durch bitte. Hier
kämen die Leute. Aber was sind das für Leute. Die
hier von alleine kommen. Was tragen diese Leute für
Gesichter in ihrem Gesicht. Der Herr Professor sei
auch schon ganz unglücklich
Heute weiteres Zinshaus in der Kuglerstraße
erworben. Kaufpreis sehr gut, bin dennoch irgendwie
ich möchte sogar sagen seltsam traurig. Auch wenn
die Häuser in Berlin sehr günstig sind. Es sind ja
mitunter große prächtige Häuser. Zumindest die
Vorderhäuser mit den großen Wohnungen. Parkett,
Balkone, Butzenfenster. In Stuttgart würde ich für
einen vergleichbaren Preis nichts Vergleichbares
bekommen. Dennoch möchte ich zurück dorthin. Wissen
Sie, Herr Baader. Ich möchte zurück nach Hause. Das
Staatstheater Stuttgart von der Staatsicherheit
zurückkaufen. Ich habe hier so viel Geld verdient,
ich denke mir ich bin überzeugt davon jede Wette,
wir werden uns ganz schnell einig
Ich habe es Ihnen ja gesagt. Wenn man erstmal eine
Weile unterwegs ist. Ist man erstmal eine Weile
unterwegs. Wird sich diese seltsam schöne Stimmung
70
einstellen, die ich diese seltsam schöne Stimmung
nenne. Man muss schon eine Weile unterwegs sein. Um
auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen zu
können. Wie viele Stunden. Ich kann Ihnen nicht
sagen, wie viele Stunden man unterwegs sein muss.
Man muss viele Stunden unterwegs sein. Sie wollen
alle immer in betriebswirtschaftlichen Kategorien
denken. Wie viel muss ich investieren, um am Ende
wie viel herauszubekommen. Krebs in den Titten der
Abgeordneten. Das ganze Land krankt an dieser
Denkweise. Auch wenn es nur die Andeutung eines
Abteilwagens ist. Nehmen wir diesen Abteilwagen
hier. Wofür ist die Eisenbahn ursprünglich früher
einmal vor tausenden Jahren errichtet worden.
Kohlegruben in Schottland. Reine Handarbeit.
Verkommener Erbadel in Franken. Der die genauso
verkommene Verwandtschaft beeindrucken möchte. Wir
lassen uns jetzt eine sogenannte Eisenbahn
errichten. Nein. Doch. Jetzt erst recht. Eine
Eisenbahn, was ist das. Da haben wir noch nie was
von gehört. Eine Eisenbahn ist eine Eisenbahn. Wir
haben bereits Kräfte aus dem Osten herbeischaffen
lassen. Arbeitskräfte, die kraft ihrer Hände Arbeit
den Gleiskörper errichten werden
Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen
ist. Ist es Ihnen schon mal aufgefallen. Dass die
Bahn in der Schweiz den Zweck zu erfüllen hat. Den
Schweizer des Goldes dort hinzubringen, wo der
Schweizer hingebracht werden muss. Dass der Herr
Blacher mit der Bahn den Elminger hinauffahren kann
Erinnern Sie sich daran, dass es nicht immer schon
so war. Dass gesagt wurde. Wozu haben wir die Bahn.
71
Wem gehört die Bahn. Aus welchem Grund wird diese
Bahn betrieben. Ich hatte der Bahn einen Brief
geschrieben. Als die Bahn privatisiert wurde. Sehr
geehrte Damen und sehr geehrte Herren. Mit diesem
Schreiben stimme ich dem Verkauf der Staatsbahn
durch den Staat ausdrücklich zu. Ich halte diesen
Verkauf für eine der besten und meisten gelungenen
Inszenierungen des Jahres. Ich möchte Sie darum
bitten, meinen Anteil am Verkaufserlös auf
folgendem Konto gutschreiben zu lassen. Herzliche
Grüße
Herzliche Grüße. Ich darf Sie im Namen der Heinz
und Heide Feist Foundation einladen. Mit uns fetten
Profit zu machen. Kommen Sie mir nicht mit diesem.
Die Züge würden heute viel schneller fahren. Die
Züge fahren nicht zu meinem Vergnügen schneller.
Sie fahren nur deshalb schneller, dass Sie
schneller auf Arbeit sind. Sie weniger hier in
dieser Idee von einem Abteil sitzen und mehr am Ort
Ihrer Vernichtung
Verehrter Herr Baader. Ich sage es Ihnen gleich
direkt. Nicht Arbeiten zu gehen und nicht arbeiten
zu wollen. Dass ist für die Bahn von heute gar
nicht mehr vorgesehen. Hören Sie gefälligst auf
hier einfach nur herumzusitzen und aus dem Fenster
zu schauen. Die Landschaft hat Sie überhaupt nicht
zu interessieren. Sie sind nicht hier, um sich
auszuschlafen. Sie sind hier, um das Bahnjournal
von vorne bis hinten aufmerksam durchzulesen. Der
Filmschauspieler Jan Josef Liefers hat jetzt auch
eine eigene Band. Die Arbeit am ersten Album hat
dem Schauspieler Liefers wahnsinnig viel Freude
72
gemacht. Das neue Album des Schauspielers Pimmel
Strullermann kann hier bestellt werden. Ruf mich an
Dass wir hier in einem Ruheabteil sitzen, erwähne
ich nur der Vollständigkeit halber. Schreiben Sie
das ruhig auf. Darf ich vorstellen. Mir gegenüber
sitzt der Investor Feist. Mein Name sei Feist, ich
sei Projektentwickler. Ich entwickle Projekte. Ich
bin doch nicht so blöd wie mein Vater. Für mein
Geld arbeiten zu gehen. Mein Geld arbeitet von ganz
alleine. Ich gebe es nach Hamburg. Gleich kommt es
doppelt und dreifach vermehrt wieder zu mir zurück.
Und bitte. Erzählen Sie mir nicht, dass das krank
ist
Ja, ich bin es wirklich. Ich bin es, der Roland.
Der Roland Berger von der Roland Berger Foundation.
Zutreffend. Sie haben mich richtig erkannt. Das ist
der Preis, den man zahlen muss. Dass man irgendwann
von allen erkannt wird. Man kann nicht einmal
unerkannt mit dem Zug von München nach Hamburg
fahren. Wo ich gute Geschäfte mache. Ich immer
gutes Geld verdient habe. Verstehen Sie. Ja, hallo.
Hier ist der Roland Berger. Roland Berger. Ich
fliege noch heute von Hamburg nach Belgrad. Hör zu.
Nach Belgrad. Ich fliege nachher also gleich wenn
wir angekommen dieser Scheißzug endlich da ist also
dann. Dann fliege ich nach Belgrad. Ich treffe mich
dort mit dem Herr Mladic. Herr Mladic. Belgrad.
Genau. Wie ich es Ihnen gesagt habe. Erst geht es
nach Hamburg. Von Hamburg geht es nach Belgrad.
Nein. Ich bin noch nicht in Hamburg. Ich bin auf
dem Weg nach Hamburg. Ich wäre gerne in Hamburg.
Wenn ich nur könnte. In Hamburg zu sein, das wäre
73
mir von allem das Allerliebste. Haben Sie schon
gehört. Der Helmut Schmidt ist tot. Gestorben
neunzehnuhrachtzehn in Hamburg. Sein Sterben hat
uns alle vollkommen überrascht
Dürfte ich Ihnen noch was bringen. Ja. Sehr wohl.
Zweiten Finger für meine Möse hätte ich gerne. Wie
Sie wünschen, die Dame. Ganz wie Sie wünschen
Nach Hamburg, hatte ich gesagt. Nein. Nach Belgrad.
Mit dem Herrn Oberblomow von den Berliner
Festspielen. Nein. Mit dem Herrn Mladic. Ich treffe
mich mit dem Herrn Mladic in Belgrad. Wussten Sie
es schon. Der Herr Mladic ist mit dem Heine Preis
der Stadt Düsseldorf ausgezeichnet worden. Wie ich
das finde. Wie soll ich das finden. Ausgezeichnet.
Ich finde das. Ganz ausgezeichnet
Ich habe Sehnsucht. Ich wünsche mich in den Zug
meiner Kindheit zurück. Ich möchte mit Vater auf
dem Gang stehen. Durch das offene Fenster Häuser
Bäume Felder vorbeirauschen sehen. Ich möchte
wieder richtige Lokomotiven vor den Wagen sehen.
Und keinen Toyota Prius. Ich möchte nicht mehr
effizient sein müssen. Und das bin ich jetzt auch
nicht mehr. Ich habe meinen Betrieb eingestellt.
Ich habe mich selbst abgeschafft. Ich habe die
Auflösung meiner selbst vorangetrieben. Ich bin gar
nicht mehr hier
Halt auf freier Strecke. Ist ein schöner Titel für
einen nicht so schönen Film
Sie fahren weiter. Ich steige hier aus. Sie können
alles geldwert erfassen. Ich kann es nicht. Ich bin
74
die Schwere, die irgendwann aufkommt. Die dich und
dein Denken gefangen nimmt. Versuche es gar nicht
erst. Du wirst mich nicht mehr los. Ich werde hier
bleiben. Ich bleibe bis zum Schluss. Ich habe mich
häuslich eingerichtet. Ich habe es mir bequem
gemacht. Nicht hier. Hier bleibe ich
Ich bin so froh, ausgestiegen zu sein. Es war nicht
mehr auszuhalten. Gewesen. Ich war so fertig.
Vollkommen kaputt. Auch körperlich. Vor allem
körperlich. Schauen Sie. Ich habe die Form des
Sitzes angenommen. Ich bin eins geworden mit dem
Objekt
Das habe ich mich schon immer gefragt. Immer schon
habe ich mich gefragt. Wie andere auf diesen
Sitzen. Sitzen können. Ich habe auf diesen Sitzen
nie sitzen können. Mir hatte von Anfang an der
Rücken wehgetan. Nie zuvor spürte ich Schmerzen wie
diese. Ich hatte dem Herrn Feist einen Brief
geschrieben. Sehr geehrter Herr Feist. Was halten
Sie davon, Nachtzüge tagsüber fahren zu lassen.
Dass Sie und ich die Fahrt von München nach Hamburg
zukünftig für etwas absolut Notwendiges nutzen
können. Wenn es mit dem Schlafen nicht klappt.
Können Sie sich erstmal dieses Rubbellos hier
abrubbeln. Sehr herzlich, Ihr Conrad Wilhelm
Röntgen
35 XXVII.
Ratet wer ich bin. Ihr bekommt drei Hinweise. Gebt
euch gefälligst etwas Mühe. Das könnt ihr mir nicht
75
erzählen, dass ihr mich nicht erkannt habt. Mein
Name ist Dialog. Bin ich hier richtig. Ist das hier
das richtige Abteil. Nein. Schauen Sie. Hier ist
schon alles besetzt. Hier ist leider überhaupt kein
Platz mehr frei. Schon gar nicht für Sie. Ach kommt
schon. Habt ihr immer noch nicht erraten, wer ich
bin. Sie haben immer noch nicht erraten, wer ich
bin. Schau Dir diese Fressen an. Diese herrlich
servierfähigen Gesichter haben immer noch nicht
erraten wer ich bin. Sitzen einfach nur da.
Gefallen Ihnen meine Brüste. Ich habe meine Brüste
von meiner Mutter geerbt. Meine Mutter hat jetzt
neue. Sie hat sich vergrößert. Immerhin. Mutter hat
ihr Leben lang gearbeitet
Mein Name ist Langeweile. Ich bin hier öfters.
Unterwegs. Ich bin hier regelmäßig Gast
Schauen Sie sich das an. Ich hatte gerade Wäsche
zum Trocknen aufgehängt. Weißwäsche. Ich hatte
meine Monatshöschen erst gewaschen und dann an
diese Leine geklammert. Das Waschen der Hosen hatte
meinem Leben Inhalt gegeben und Sinn. Ich nahm die
Hose, rieb die Hose auf dieser Reibe. Ich hatte
über Wochen nichts anderes getan, als Hosen zu
waschen. Hier ist der Beweis. Schaut euch meine
Hände an. Wollen Sie meine Hände anfassen. Bitte
fassen Sie meine Hände an. Meine Hände, nicht meine
Beine. Hier ist die Stelle, wo Sie fassen müssen.
Wussten Sie das nicht. Fassen Sie mich hier. Ich
hatte die Rolle der Helene Weigel als Mutter
Courage übernommen. Mir sind die Hosen hier alle zu
groß. Schauen Sie. Die Hosen hier sind viel zu
groß. Ich kann in diesen Hosen meinen Körper nicht
76
spüren. Unmöglich. Ich kann unmöglich in diesen
Hosen arbeiten. Diese Hosen müssen enger sein. Viel
enger. Den eigenen Körper spüren. Ich muss meinen
eigenen Körper spüren. Um Mutter Courage sein zu
können
Wir hatten uns entschieden, den Vorfall performativ
darzustellen. Wir sehen keine bessere Möglichkeit.
Wir hatten uns für Elemente des Tanzes entschieden.
Ausdruckstarke Figuren. Musikalische Elemente und
Elemente des Rollenspiels
Ich hatte gerade mein Höschen zum Trocknen
aufgehangen. Oder heißt es. Ich hing meine Hosen
auf. Ich kann mir das nie merken. Als ich
urplötzlich ein Geräusch wahrnahm, welches als
gewaltig beschrieben werden kann
Bei der Kritik hatte die Darstellung. Es war ja
nicht nur ein tragischer Vorgang. Es war ja auch
ein Unglück. Ein wie Sie sich sehr gut vorstellen
können gewaltiges Echo ausgelöst
Ein großer Spaß. Wir hatten uns unsere Kritiken
gleich selber geschrieben. Ich habe mich selbst
kritisiert. Meiner Leistung gegenüber eine
kritische Haltung eingenommen. Es hat mir gefallen.
Es hat mir nicht gefallen. Was anderes hatten wir
lange nicht mehr zu fressen bekommen. Weshalb wir
uns gedacht hatten. Wir schreiben für den Abend
bereits am Nachmittag. Dass wir am Abend etwas
anderes tun können. Als eine Kritik über den Abend
zu schreiben
77
Ich finde mich als Figur nicht ausreichend. Ich
sehe mich nicht ausgearbeitet. Ich bin gar nicht
vorhanden. Ich kann mich selber nicht fassen. Ich
bin unfassbar geworden. Scheinbar einfache Fragen.
Wer bin ich. Kann ich nur mit einem einfachen Nein
beantworten
Ich sei Conrad Wilhelm Röntgen. Leider weiß ich
nicht sehr viel über mich. Belle Etage oder
Hinterhaus. Volkswagen oder Fahrrad. Hunde oder
Katzen. Oben oder unten. Hose oder ohne. Der
Schauspieler Alexander Khuon als Luna Schweighöfer
in der Neuverfilmung von Nicht ohne Vater meines
Vaters Gold
Fahr doch nicht so schnell. Sagte er. Jetzt
interessierte ihn ihre Scheide gar nicht mehr. Du
fährst viel zu schnell. Sagte er, seinen Blick auf
die vorbeifliegende Stadt Schweinemaul gerichtet.
Warum fährst du so schnell
Baader hatte einiges über die Angst geschrieben.
Die Angst, dass alles schon sehr bald zu Ende zu
Ende ist. Wir für alle vollkommen überraschend
sterben müssen wie der Helmut Schmidt
Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Ich habe vor
überhaupt nichts Angst. Ich habe nur Angst davor.
Übrig zu bleiben. Lassen wir also das Spielchen.
Ich bin auch nicht die Maren Eggert. Wie von Ihnen
fälschlicherweise behauptet. Ich bin der Tod. Ich
bin so geil auf Geschichte. Der Rettungsarzt
erzählt, dass er Leben retten wollte. Der
Notfallseelsorger erzählt, er habe einfach nur da
sein wollen. Die Prostituierte erzählt, dass sie
78
nie krank gewesen sei und immer pünktlich auf
Arbeit. Achtuhrdreißig. Der ehrliche Bürger ist
immer ehrlich gewesen. Der Präsident hat sich
nichts vorzuwerfen. Der Spieler sagt, was immer er
auch spiele. Immer spiele er einen kleinen süßen
Fuchs, der gerade einen Apfel gegessen hat, der
schon ein paar Tage im Gras liegt und ehrlich
gesagt schon ziemlich nach Apfelschnaps schmeckt
Die Zuhörenden hätten das Erzählen der Geschichte
als authentisch wahrgenommen und also erlebt.
Gleich mehrfach konnte festgestellt werden, dass
das, was die Figuren als Figur erlebt hatten so
oder so ähnlich sehr oft sogar ganz genauso
anderswo erlebt wurde und zwar durch vollkommen
andere. Figuren
Die Filmschauspielerin Sibel Kekilli als Jimi
Ochsenknecht das erste Mal in Hollywood. Würde ich
nur mit Ypsilon geschrieben. Längst wäre ich auf
der Berlinale
Verstehen Sie. Ich war eingeschlafen. Ein
einfaches, ein Schlafen. Lediglich. Wie es mir
geht. Sie sehen doch, wie es mir geht. Es geht mir
gut. Es ist mir gut ergangen. Ich hatte von meinem
Vater ein paar Häuser geerbt. Einen Teil der Stadt
Magdeburg vom Vater geschenkt bekommen. Den Mietern
ließ ich gleich ein Schriftsatz aufsetzen. Ob ihr
jetzt zahlt oder nicht zahlt. Ich werde alles an
einen Investor aus Amerika verkaufen. Soll er euch
den Strom abstellen für eure gemeinen Briefe. Die
ihr mir geschickt. Könnt ihr euren Fraß im Dunkeln
kochen. Wir gehen in die Küche. Ciao. Schlingensief
79
will was mit Trüffel. Ich habe ein Wiener Schnitzel
bestellt mit Bratkartoffel. Ganz dünn, wie immer.
Aber ich möchte eine Vorspeise. Ciao
Mein Vater war einer von vier Bürgermeistern. Ich
bin mein Vater. Mein Vater hatte an der Universität
studiert. Ich studiere an mindestens vier
Universitäten. Nicht arbeiten zu gehen. Das ist
mein Gruß an die so genannte Leistungsgesellschaft.
Ciao. Noch eine Arrabbiata. Ciao
Der Verband der Deutschen Ingenieure hat einen
Schreibwettbewerb ausgerufen und zwar durch diesen
Lautsprecher hier. Gesucht wird der erste
Ingenieur. Sein Name sei Paolo Blacher. Es soll
erkennbar sein, dass Blacher ein großer Erfinder
war und also eine Menge nützlicher Dinge erfunden
hat
Blacher war ein. Ein außerordentlich schlechter
Student und also nie in der Universität und also
überall anders zum Beispiel in meinem Mund. Hat
irgendwer Blacher studieren sehen. Ich hatte
Blacher nie studieren sehen. Wenn ich es nicht
gewusst hätte. Ich hätte gedacht geglaubt davon
ausgehen können der Blacher studiert gar nicht. Und
so war es nämlich gewesen. Blacher war nur
eingeschrieben. Wie auch sein Vater nur
eingeschrieben gewesen war. Der Vater wie der Vater
von Blacher verlangt hatte, dass dieser ein Diplom
erwerbe. Was für ein Diplom. Irgendein Scheißdiplom
halt. Geld spiele keine Rolle
Wir haben einen Autorenwettbewerb ausgerufen. Als
Preis gibt es eine Veröffentlichung. Niemand meldet
80
sich. Warum meldet sich niemand. Was machen wir
denn nun. Herr Blacher. Was machen wir denn nun, wo
sich niemand meldet. Dann schreiben wir uns unsere
Biografien einfach selbst. Der Baader wird uns
helfen. Mein lieber Baader, Sie müssen uns helfen.
Sie können doch schreiben. Schreiben Sie uns unser
Leben auf. Schreiben Sie
Der Blacher redet am liebsten über seinen Vater.
Über seinen Vater zu reden, das ist das
Lieblingsthema des Blacher. Wir sitzen vor dem Haus
der Berliner Festspiele. Der Blacher hatte seinen
Kopf in meinen Schoß gelegt. Er weinte. Sein Vater
sei für ihn nie als Vater wahrnehmbar gewesen. Er
selber habe durch die Abwesenheit des Vaters großen
allergrößten Schaden genommen. Dass der Blacher
mindestens ein Kind von zwei verschiedenen ganz und
gar unterschiedlichen Frauen hat, er sein eigenes
Kind nie besucht und auch nie anruft, er statt sein
Kind anzurufen oder gar zu besuchen, viel lieber
vor dem Haus der Berliner Festspiele herumsitzt,
erwähne ich nur der Vollständigkeit halber
Wir sahen uns größten Problemen ausgesetzt. In dem
Manuskript gibt es die Anweisung, sämtliche Szenen
durch Tiere, Fuchs, Hase, Elster, Lurch, spielen zu
lassen oder durch Kleinkinder die noch nicht
sprechen können. Wir hatten uns entschieden, dieser
Empfehlung unbedingt Folge zu leisten
Der Verband der Deutschen Ingenieure hatte sich
entschieden den Herrn Baader mit der Verfassung
meines Lebens zu beauftragen. Ich war mit dem
Ergebnis sehr zufrieden. Wie Sie sich vorstellen
81
können. Stellen Sie sich doch erstmal vor. Ich weiß
überhaupt nicht, wer Sie sind. Wo Sie her kommen
und was Sie von mir wollen
Ich habe das Buch jetzt noch nicht zu Ende gelesen.
Dafür habe ich die Alpen überflogen. Herrlicher
Blick auf den Monte Bianco. Was ich Ihnen sagen
muss. Ich bin hochzufrieden. Baader schreibt, ich
sei der erste Ingenieur. Ich hätte die Luftpumpe
erfunden, den Klebestreifen und die aufblasbare
Gnadenkapelle. Außerdem würde ich meine zweite Frau
lieben, obwohl unsere Beziehung bisher kinderlos
geblieben ist. Ich sei ein außergewöhnlich
fleißiger Forscher mit messerscharfem Verstand. Das
gefällt mir am allerbesten. Schlusswort. Schreiben
Sie, Frollein Fist. Was wir jetzt schon feststellen
können. Der Baader ist sein Gold wert. Er hat ganze
Arbeit geleistet
Wir wissen heute. Sowohl das im Buch des Herrn
Professor Feist dem Blacher zugeschriebene
Schwefelkugelexperiment als auch die Versuche zum
Vakuum. Stammen nicht vom Blacher selbst. Blacher
wäre nie auf die Idee gekommen. Er ist überhaupt
nicht der Typ, der auf eine Idee kommt. Sowohl das
Schwefelkugelexperiment, als auch die Versuche zum
Vakuum, wurden am Tag der roten Zwiebel den
Studierenden der Universität Leiden durch andere
Studierende vorgeführt. Ein Missverständnis.
Blacher, der sonst nie das Universitätsgebäude
betreten hatte, war an diesem Tag wie zufällig im
Gehäuse. Zitat Blacher. Es war das einzige Mal,
dass ich die Universität betreten hatte. Ich kannte
mich überhaupt nicht aus
82
Das war das einzige Mal, dass ich das
Universitätsgehäuse überhaupt betreten hatte.
Schönes großes Haus. Prachtvoll. Hohe Decken.
Terrazzoboden. Einhebelmischer. Seifenspender.
Tiefspülkeramik. Mensch Blacher. Was machst Du denn
hier in der Universität. Fragte mich jemand. Den
ich nicht kannte, den ich nie zuvor gesehen hatte.
Tschüss. Ich war nur zum Scheißen gekommen. Dass
ich den Tag überhaupt rausgegangen war, das Bett
verlassen hatte. Die Senta Berger hatte ihre Tage.
Weshalb wir nichts unternehmen konnten. Das war der
einzige Grund
Blacher ist viel zu faul, sich selber was einfallen
zu lassen etwas zu erfinden. In den Dreißiger
Jahren werden Blachers Protokolle zu den
Magdeburger Versuchen erstmals im ganzen Umfang aus
dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Veranlasst
hat die Übersetzung der Professor Feist, und zwar
für den Verein der Deutschen Ingenieure. Das
Manuskript verschwindet im Archiv, bis sich der
Verein dazu entschließt, es als Grundlage für eine
Werkbiografie über Blacher zu gebrauchen. Tausend
Jahre Blacher. Der Verein ist auf der Suche nach
einer Identifikationsfigur. Gesucht wird der
allererste Ingenieur. Dieser Stammvater ist
idealerweise zwingenderweise dazu gibt es überhaupt
keine Alternative. Ein Deutscher. Er ist ein
sicherer Motorradfahrer, Microsoft Office
beherrscht er genauso, wie das Essen mit
verschiedenen Gabeln. Sein Ruf ist frei von
Zweifelhaftigkeit. Tut uns wahnsinnig leid. Herr
Professor Porsche. Sie sind zwar ein genialer
83
Ingenieur und Erfinder. Aber diese unschöne Sache
mit den Leiharbeitern. Ich weiß. Alle wissen es.
Sie haben damit nichts zu tun. Sie haben von all
dem nichts gewusst. Fahren Sie doch erstmal ein
paar Wochen in den Urlaub. Fahren Sie in den Harz.
Ihre Frau wird begeistert sein. Tschüss. So.
Einfach aufgelegt. War doch gar nicht so schwer
Blacher erfüllt all diese Anforderungen auf eine
ganz vorzügliche Weise. Die Geschichte seines
Lebens ist nicht auserzählt. Hier lässt sich noch
was machen. Blacher ist nicht mehr namenlos. Aber
er ist auch nicht zu bekannt. Bekannt ist, dass
Blacher Spross einer Bonzenfamilie ist und zwar der
Familie Bonz. Uralter Monetenadel. Blachers Mutter
geht gerne einkaufen. Eduscho. Blachers Vater
steckt seinen Pullover schön in die Hose,
Goldkettchen über dem Rollkragen. Schlaflose
Nächte, wenn sich in der Nachbarschaft ein neues
Auto gekauft hat. Blacher durchläuft die übliche
Ausbildung Sohn. Berufswunsch Alleinerbe
Blacher studiert an insgesamt vier Universitäten.
In Leipzig zuerst, dann in Helmstedt, Jena,
anschließend im holländischen Leiden. Dass Blacher
vollkommen unterschiedliche Fächer belegt.
Philosophie in Leipzig und Helmstedt,
Rechtswissenschaft in Jena, Fortifikationslehre und
Mechanik in Leiden. Wird in den Notizen zu Blachers
Werdegang als eine vollkommen gewöhnliche der Zeit
entsprechende und in sich schlüssige Vorgehensweise
dargestellt. Wird schon passen Leute. Maul halten
84
Feist hat die Übersetzung von Blachers Schriften
aus dem Lateinischen bestellt. Fernmündlich. Feist
behauptet, Blacher habe in Leiden bereits 1623
Kurse der Ingenieurwissenschaft besucht. In
Schneppens Buch zum deutschen Geistesleben an der
Universität Leiden hingegen. Wird Blacher als einer
von vielen an einer einzigen Stelle erwähnt. Kein
Hinweis zu Blachers Forschergeist. Keine weitere
Textpassage, an der Schneppen auch nur ansatzweise
andeutet, dass der Student Blacher durch besondere
fachliche Leistungen in Erscheinung getreten ist.
Wie leicht fällt es den Biografen, Blachers
akademische Wanderjahre mit dessen großen
Forscherdrang zu begründen. Das Konglomerat an
unterschiedlichen Studienrichtungen in Blachers
akademischem Portfolio wird der Einfachheit halber
zu einem Studium Generale zusammengefasst. Dass
Blacher über geringste Kenntnisse der an den
Universitäten verwendeten Standardsprache Latein
verfügt hat. Gilt als Fußnote, die in der
Gesamtbetrachtung der Forscherpersönlichkeit
Blacher vernachlässigt werden kann. Seine
Niederschriften und Briefe. Wenn es sie überhaupt
gab. Baader behauptet, Blacher habe nie auch nur
einen einzigen Text geschrieben. Blacher sei nur
deshalb in die Bibliothek gegangen. Blacher hat
sich die dort rumlaufenden Studentinnen nackt
vorgestellt. Es könne ihm niemand erzählen. Dass
der Jean Paul Sartre freiwillig ein Leben in der
Universitätsbibliothek zugebracht hat. Nur um
Bücher aus Holz zu lesen. Das sei auch der Grund,
warum Baader sich wieder eingeschrieben hatte
85
Die Frage, mit welchem Forschungsgegenstand sich
Blacher während seiner Studienzeiten an den
philosophischen Fakultäten der Universitäten in
Leipzig und Jena näher befasst hat. Wen
interessiert diese Frage. Wie es für den Student
Blacher möglich war, in Jena Rechtswissenschaft zu
studieren, ohne die Sprache der Rechtsgelehrten zu
beherrschen. Ein solider Trinker. Ein großer
Geschichtenerzähler. Ein friedlich wie ein Kind
Schlafender. Ein gerne im hohen Gras Liegender.
Wenn es nach Baader geht, dann ist Blacher nicht
wegen des Studierens Student gewesen
Blacher habe die Geisteswissenschaften studieren
müssen und das Recht, um wie sein Vater einer von
vier Bürgermeistern der Stadt Schweinemaul werden
zu können. Zum Wirken Blachers an der Universität
Leiden gibt es unterschiedliche mitunter vollkommen
gegensätzliche Angaben. Blacher sei in Leiden für
Rechtswissenschaften eingeschrieben gewesen, habe
aber gesagt. Ich geh erstmal was Schönes einkaufen.
Porree. Senta. Ich koche uns heute Abend was total
Leckeres. Würstchen aus der Landschlachterei
Göring. Gürkchen dazu. Bratkartoffeln
In Leiden zu studieren, zumindest einen Teil der
Studienzeit zu verbringen, galt bei den Söhnen aus
adligem und möchtegernadligem Geldscheißerhaushalt
Bauunternehmer Ärzte Schlagersänger als modern. So
wie man heute nach Boston geht, um seinen MBA zu
machen. Verstehen Sie. Alle anderen gehen nach
Leiden, weil sie Holland so geil finden.
Gemeinsames Duschen für alle. Als Reichsdeutscher
86
von allen gehasst werden. Tonnenschwere lahme
Fahrräder für Familien mit Hund
Das weiß niemand. Ob Blacher durch die Versuche in
Leiden irgendwas gelernt hat. Oder ob Blacher die
Versuche abgekupfert. Zurück im Maul am Schwein.
Einem staunendem Publikum als Uraufführung einfach
nachgespielt hat
Mich selber kaputt lachen. Ich war in Leiden bei
den Bauingenieuren eingeschrieben. Ein so ödes und
tristes Fach. Lahme Lehrkräfte, kraftlos, schlaff.
Schlaff in den Altherrenhosen baumelnde riesenhafte
Hodensäcke. Ein so mieses und langweiliges
Institut. Das war mir gleich am ersten Tag
aufgefallen. Dass es bei den Bauingenieuren
überhaupt keine Frauen gibt. Man ist jung männlich
ausdauernd stark. Aber es ist niemand da der sich
mit einem treffen möchte. Sportschuhe. Texashose.
Herrenhaarschnitt. Die wenigen Frauen, die es bei
den Bauingenieuren gibt, sehen schon als Studentin
wie ihre männlichen Kommilitonen aus. Weshalb ich
mich bereits an meinem ersten Tag an der
Universität Leiden entschieden hatte. Sämtliche
Lehrveranstaltungen ausfallen zu lassen
35 XXVIII.
Es muss einer von euch auch mal etwas sagen. Es
geht nicht, dass ich hier immer nur alleine rede.
Meine Muschi ist meine Wahl. Wir waren uns doch
einig gewesen. In dieser Sache tätig zu werden. Was
machen wir nun. Wollen wir es so machen. Ich würde
87
vorschlagen. Baader. Kannst Du das nicht machen.
Kann das nicht der Baader machen. Ich möchte euch
vorschlagen, dass wir unseren Freund Baader mit dem
Schreiben der Biografie beauftragen. Der Baader
kann schreiben. Lieber Baader, wir wissen, dass Du
schreiben kannst. Der Baader hat schon so viele
Bücher geschrieben. Mache dir keine Sorgen um das
Geld. Du kannst dich doch freistellen lassen. Warum
lässt sich der Baader nicht einfach freistellen.
Das ist doch alles gar kein Problem. Soll der
Baader sich freistellen lassen. Ist der Baader denn
überhaupt noch an der Universität. Wieso beantragt
der Baader nicht ein Forschungssemester. Um in Ruhe
das Buch schreiben zu können. Wir sind so froh,
jemanden gefunden zu haben. Keine Ahnung, warum
sich auf die Ausschreibung niemand gemeldet hat. Es
gibt so viele arbeitslose Schriftsteller in diesem
Land und Autoren. Leute, die ihren Eltern. Noch mal
drüber nachdenken
Ein Autorenwettbewerb zum Leben von Blacher. Wir
hielten das für eine richtig gute Idee. Wir konnten
uns gut vorstellen, dass einige gute Vorschläge
eingehen werden. Immerhin hatten wir sehr
anständige Preise ausgelobt. Freifahrtscheine für
die Zweite Wagenklasse. Wieso sich niemand gemeldet
habe. Woher soll ich das wissen. Keine Ahnung,
warum sich niemand gemeldet hat. Scheißdreck. Ist
ja auch vollkommen gleich. Jetzt haben wir ja den
Baader. Der Baader wird uns das Buch schreiben. Ist
uns sowieso viel lieber, wenn einer von uns das
Buch schreibt. Jemand, den wir gut kennen und
einschätzen können. Baader ist die ideale
88
Besetzung. Viele Leute wissen das gar nicht. Der
Baader hatte lange eine Professur. Er ist eine sehr
angesehene Forscherpersönlichkeit, zu der wir aus
der Perspektive eines Frosches hinaufschauen
Nicht, dass Sie sich wundern. Ich hatte mir gerade
einen Cuba Libre bringen lassen. Zitrone statt
Limette. Ist nicht weiter schlimm. Geht vollkommen
in Ordnung für mich. Das Eis aus Würfeln. Damit
komme ich klar. Irgendwann im Monat Sommer habe ich
mit dem Trinken angefangen. Keine großen Abstürze.
Eher ein angenehmes Betrunkensein. Ich gehe in das
Gasthaus Mampe, seitdem die Feiste in meinem Bett
wohnt. Stehe ich in der Nacht auf, ein Brot zu
schmieren. Fragt die Feiste. Baader. Warum
aufstehen mitten in der Nacht. Was ich dort mitten
in der Nacht in dem an einer Wand stehenden
Kühlschrank. Weshalb ich jetzt immer, vor allem. Um
die Frau nicht sehen zu müssen, ihre Fragen zu
hören. In das Gasthaus Mampe gehe. Um am frühen
Nachmittag gut zu leben. Immer besser
Trinken ohne Hast. Ist die Übung des Sommers.
Hüfte, Beine, Bauch und Po. Feiste ist nach der
Geburt der Kinder zu ihrer eigenen Mutter geworden.
Feiste und Kinder haben sich in meinem Bett in der
Küche im Bad in meinem Auto ausgebreitet. Warum ich
denn so schnell fahre. Ob ich nicht etwas langsamer
fahren könne. Mein Fahrstil sei so furchtbar
aggressiv. Einfach schlimm. Morgens also nachts
stehen Raben neben meinem Bett und Krähen. Warum
ich denn noch im Bett läge. Der Tag wolle begrüßt
werden. Warum ich denn nicht den Tag begrüße. Ob
ich Mutter Rabe noch lieb hätte. Warum ich nicht
89
mehr mit ihr schlafen würde und so weiter. Ich
nehme nochmal das Gleiche. Sehr zum Dank. Sehr wohl
der Herr. Ganz wie Sie es wünschen
Der Verein der deutschen Ingenieure wünscht sich
eine Biografie über den großen Ingenieur Paolo
Blacher. Nun stellt sich heraus. Blacher hat sein
Lebtag nie einen Schraubenschlüssel in der Hand
gehalten. Bevor Sie fragen. Auch keine Kombizange.
Wie gefallen Ihnen meine alten Schuhe. Schauen Sie
sich das an. Das Glas ist leer. Das nächste Glas
wird gebracht. Wie herrlich sich die junge Sophie
Marceau beim Anschlagen des Menus reckt. Feiste
sagt, ich solle das Licht gleich wieder ausmachen.
Sie werde immer dicker fett um den Bauch herum und
die Hüfte. Blacher ist nie als Ingenieur tätig
gewesen. Er hat auch nichts erfunden. Ich soll nun
durch mein Schreiben dafür sorgen, dass Blacher zum
Vater der deutschen Ingenieurwissenschaft wird.
Fragt sich nur. Wer verkehrt mit wem, dass am Ende
Wissenschaft herauskommt
Einer von uns. Ein ganz Fleißiger. Ein
unermüdlicher Forscher. Ein Nachdenker aus eigenem
Antrieb. Eine Naturerscheinung. Ein Genie. Mein
Name ist Blacher. Was ich Ihnen noch sagen wollte.
Mir ist es ganz recht, Leben und Werk in einem
derart guten Licht zu wissen. Andererseits ist es
mir auch vollkommen gleich und also drauf
geschissen total egal ob irgendwer also der Baader
Dinge über mich schreibt. Schließlich hatte ich
mich. Baader beschreibt das ganz vollkommen
zutreffend und richtig. Nach einem erfüllten und
reichen Leben, vor das damals noch unbekannte,
90
später jedoch sehr bekannte also den Hamburgern
sehr beliebte Tanzlokal Goldpudel erst auf eine
Bank gesetzt und dann hingelegt. Ein kleiner
Schlaf. Ein kleines Schlafen lediglich. Ein
ledigliches Recken Austrecken. Ein spontanes
Wohlfühlen. An dem ich einen derartigen Gefallen
gefunden hatte. Dass ich mich noch während des
spontanen Liegens ebenfalls spontan aus einer
Eingebung heraus entschieden hatte. Den Vorgang des
Liegens auf unbestimmte Dauer fortzusetzen
Als ich den Blacher kennenlernte kennen gelernt
habe, lag der Blacher, heimgekehrt nach langer
Reise, die Hose immer noch offen, Sie müssen
wissen, Bus und Bahn fuhren damals noch nicht
regelmäßig, an ein eigenes Auto war nicht zu
denken, noch nicht einmal an ein Motorrad, man ging
gerne zu Fuß, für den Körper ist dieses Gehen sehr
gut, wie man heute weiß, besonders wenn man den
ganzen Tag im Sitzen verbringen muss, man aus
beruflichen Gründen viel sitzt, oder weil man, auch
das soll vorkommen, einen sitzen hat, jedenfalls,
das Gehen war als vollkommen natürliche Art der
Fortbewegung allgemein anerkannt, jeder tat es,
Blacher war von einer Reise nach Hamburg, keine
Ahnung, was er dort wollte, nach Schweinemaul
zurückgekehrt und gleich in die Erde hineingetan
worden. Meine ganze Familie lebte damals noch in
der Erde. Meine Mutter arbeitete als fette Made,
die immer fetter wurde. Vater behauptete jeden
Morgen arbeiten zu gehen. In Wirklichkeit ging er
jeden Morgen zu Lindis Imbiss. Meine Geschwister
und ich. Wir hatten uns am Blacher satt gefressen.
91
Wir wussten gar nicht, dass es sich bei dem Typ,
den wir da gerade, sehr langsam zwar, Bissen für
Bissen, aber doch mit großer Beständigkeit,
auffraßen, um den berühmten Bürger Blacher handelt.
Wir hatten gar keine Ahnung. Hätte meine Tante
einen Sack. Dann wäre meine Tante mein Onkel. Was
ich Ihnen nur sagen wollte. Wir hätten Blacher auch
aufgefressen, wenn uns irgendwer gesagt hätte, dass
es sich beim Blacher um den Blacher handelt. Wir
können es uns nicht aussuchen, wen wir fressen. Wir
fressen, was uns die Erde liefert
Mir ist bekannt, dass Kindheit und Jugend gerne in
einer Weise dargestellt werden. Wie wir als Kinder
im Außenlager der Kraft durch Freude Fabrik
Fallersleben aus Holzstücken eine sehr stattliche
Flotte bildeten, mit der wir über das Meer fuhren.
Wie wir als Kinder an der Hand der Eltern an der
Straße entlang zum Meer liefen. In Gummibooten
sitzend das Meer überquerten. Alles als ein
riesiges, auch tolles Abenteuer empfanden empfunden
hatten. Ich erinnere mich gut daran. Wie Mutter
mich jeden Morgen zu den anderen Kindern in den
konzerneigenen Konzentrationskindergarten gebracht
hatte. Aufstehen Baader. Wir müssen los. Die
Kindertanten uns Kindern allerschönste Lieder
beigebracht hatten. Mutter, bei mir hast du
verschissen. War mir von allen Liedern das
allerliebste gewesen
Eine Burka sei ein Kleidungsstück zur vollständigen
Verkleidung der Frau. Ich hatte als Mädchen
angefangen Burka zu tragen. Ich hätte keine Burka
tragen müssen. Keiner in meiner Familie trug eine
92
Burka. Mutter und Großmutter trugen scharfe Hosen.
Meine Familie. Meine Mutter. Mein Vater. Meine
Schwestern, lieb und fein. Waren immer nackt durch
die Wohnung gelaufen. Mutter sagte, so angenehm ist
es. So angenehm sei es. Es sei so angenehm, nackt
zu laufen. Sie könnte auf der Stelle die Wohnung
verlassen, vollkommen unbekleidet auf die Straße
treten und das mache sie jetzt auch. Auf dem Bild
meiner Familie sind alle nackt. Nur ich trage meine
Burka. Das erste, was ich jeden Morgen zu sehen
bekam, war die Vagina meiner Schwester. Eine junge
sehr ansehnliche Möse. Warum ich nicht wie alle
anderen nackt herum laufe oder angezogen sei wie
er. Sakko, Texashose, Turnschuhe. Hatte mich der
Günther Jauch gefragt. Bevor der Fahrer des
Betonmischers die Kontrolle über seinen Wagen
verloren hatte. Der Wagen von der Straße abgekommen
war, auf die Seite fiel, die geparkten Autos und
den Günther Jauch. Die Musik in der Mampe Bar wurde
immer lauter, ich selber immer betrunkener. Da
hatte ich zu dem Günther Jauch gesagt. Du
Piesepampel. Kannst eine Burka nicht von einem
Tschador unterscheiden. Worauf der Günther mir
tagelang die Ohren vollheult, ich hätte ihn miese
Schnecke genannt
Scheiß auf Umfragen bei der Bevölkerung. Die
Darstellung des Blachers als moralische Instanz war
so plump und mies gemacht, so vollkommen
professorenhaft didaktisch. Blacher hätte besonders
seine zweite Frau geliebt, obwohl die Ehe zu seiner
zweiten Frau kinderlos geblieben sei. Ich lese das
laut, damit Sie es alle hören können. Außerdem muss
93
ich eine meiner beiden Arschbacken leicht anheben
um einen ziemlich langen Furz abzuknattern, was mir
große Freude bereitet
Es ist nicht das erste Mal, dass ich im ersten
Semester studiere und auch nicht das zweite. Es ist
dafür aber auch nicht das dritte Mal oder das
vierte. Ich bin nur sehr froh, dass ich nicht mehr
ganz jung bin, sondern alt und hässlich. Haare aus
meinen Ohren wachsen. Sie haben meinen Rücken noch
nicht gesehen. Die Frau Fett zu Fett kocht und
Butter zu Fett. Dass ich dick werde und weich, mich
niemand mehr anschaut. Die Leute, schaue sie mich
an, sich angeekelt wegdrehen. Was ich für eine
widerliche fette Sau sei. Wie schön, dass ich so
schnell so alt geworden bin. Andererseits wäre mir
dieser kleine dezente Hinweis, diese Publikation
werde durch den Verband der Deutschen Ingenieure
gefördert, gar nicht aufgefallen. Hätte ich
vielleicht sehr wahrscheinlich sogar gedacht, der
Baader hätte dieses Buch über den Blacher gar aus
eigenem Antrieb geschrieben. Sich der Baader
tatsächlich für den Blacher interessiert. Eine
innere Kraft dem Baader gesagt hat. Es ist so viel
Zeit. Auch wenn du wieder überhaupt keine Lust hast
auch nur den geringsten Handschlag zu tun. Du wirst
dir auch später einen runterholen können. Jetzt
muss erstmal schnell was geschrieben werden. Raus
aus dem Bett, rein in die Bar. Sehr geehrter Herr
Professor Feist. Bei der Lektüre Ihres Buches über
den Großforscher Blacher stelle ich fest, dass
vieles wenn nicht alles in Ihrer ansonsten
ausgezeichneten Schrift wie soll ich es sagen also
94
aufgeschrieben niedergeschrieben ist also doch
erstunken ist und erlogen. Der Blacher als
literarische Figur, wie Sie und die Bonzen, die
Ihnen Ihre Publikation bezahlt haben, ihn gerne
sehen wollen leider nicht festkochend ist. Schade
Herr Professor Feist. Verehrter. Sie haben Ihren
Ruf als unabhängiger Wissenschaftler für einen Bund
Möhren eingetauscht. Ein sehr gutes Geschäft.
Historiker gibt es ohnehin viel zu viele. Jeder
will etwas sagen. Wer soll sich das alles anhören.
Wer soll all diese Bücher lesen. Hätten Sie es nur
wie Kehlmann gemacht. Einen schönen Apfelkuchen
backen mit Puderzucker und Rosinen. Alle wären
zufrieden gewesen. Besonders der Ijoma Mangold, der
Literatur einfach so, er könne es gar nicht anders
sagen, also so richtig geil findet. Bitte nehmen
Sie zur Kenntnis, dass der schon von Hause aus
stinkreiche Blacher sein ganzes Leben nichts anders
getan hat als nichts zu tun. Schluck Wasser in
einem Glas. Dass die heute durch Sie und
Ihresgleichen dem Blacher zugeschriebene
Erfindungen durch andere getätigt wurden. Blacher
kein Erfinder ist, sondern von allen Mitgliedern
der Familie Made die fetteste. Das Bürgeramt vom
Bürgermeister geerbt. Stempel. Stempelkissen.
Zimmerpflanzen. Bildschirme. Drucker. Möbel.
Sitzgelegenheiten. Die Zinshäuser vom Vater
geschenkt bekommen. Soll mein Sohn all diese Häuser
haben, so lange er mich mein Leben lang am Arsch
lecke. Blacher hatte an vier Universitäten
vollkommen unterschiedliche Speisen und Getränke
ausprobiert. Zwiebel. Pommes. Tiefkühlpizza. Das
95
von Ihnen zitierte Buch Blachers kann unmöglich von
Blacher selbst stammen, woran Sie sehen können. Was
für ein großer Spaßvogel der Blacher ist. Das Buch
sei auf Latein verfasst. Blacher kann das
Lateinische weder sprechen noch schreiben. Er hat
seine ganze Studienzeit hindurch nicht ein einziges
Buch gelesen. An vier Universitäten erfolgreich
studiert zu haben, ohne ein einziges Mal in einer
der vier Universitätsbibliotheken gewesen zu sein.
Das ist Blachers besondere Leistung
35 XXIX
Ende. Letzten Endes hatten Sie sich an überhaupt
nichts gehalten. Der Baader hat sich an nichts
gehalten. Er hat sich über alle Absprachen
hinweggesetzt. Keine einzige Abmachung hat der
Baader eingehalten. Was denkt der Baader sich. Sehr
geehrter Herr Baader. Baader, was denken Sie sich.
Wir können Ihre Reaktion nicht nachvollziehen. Wir
können uns keinen Reim daraus machen, warum Sie
dieses Buch geschrieben haben
Was richtig ist. Der Verband der Deutschen
Ingenieure hat den Herr Baader beauftragt, eine
Biografie über den großen Forscher Blacher zu
schreiben. Schauen Sie hier. Die Gutachten haben es
eindeutig erwiesen. Was der Herr Baader geschrieben
hat ist keine Biografie. Eine Vernichtung. Eine
Zerstörung. Was der Baader geschrieben hat, ist
eine Abrechnung
96
Herr Baader, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass
sich Ihre Wutschrift gegen den Falschen richtet.
Sie haben da etwas vollkommen falsch verstanden.
Verwechselt. Sie haben die Kontrolle über sich und
also Ihre Hand und Ihr Hirn verloren. Sie sind
hirnwütig geworden. Sie rasen vor Wut. Sie werden
sehen. Ihre Wut wird sich gegen Sie selbst richten
Eines kann ich Ihnen versprechen. Was ich Ihnen
versprechen kann. Ich möchte Ihnen versprechen. Der
Herr Baader hat sich mit dem Schreiben dieses
Buches ganz sicher keinen Gefallen getan. Ein Mann
mit derartigen Fähigkeiten. Anlagen. Der Herr
Baader hat sich selbst ins Abseits manövriert. Er
hat sich zur Unperson gemacht
Ganz gleich was der Baader getan hat. Wir dürfen
den Baader jetzt nicht isolieren. Sagte der Pfarrer
Jauch. Die Hose noch nicht ganz zu. In seiner Not
mit seinen Sorgen alleine dastehen lassen. Es ist
doch ganz klar. Liebe Gemeinde, liebe Brüder und
liebe Schwestern. Ihr wisst es doch längst. Wir
alle wissen es. Jeder kann es sehen. Der Baader ist
ganz unten angekommen. Weshalb wir ihn schützen
müssen. Wir zuständig sind für ihn
Ich sage es Ihnen ganz in Vertrauen. War Baader ein
einziges Mal in Paris. Nein. Der Baader ist ein
Niemand. Niemand kennt diesen Baader. Haben Sie
auch nur ein einziges Mal den Namen Baader gehört.
Sie wissen es genauso gut wie ich. Der Baader war
vollkommen in Vergessenheit geraten. Hat man
jemanden gefragt. Wer ist dieser Herr Baader. Haben
die Leute angefangen zu lachen
97
Ich wusste gar nicht, dass der Baader überhaupt
noch am Leben. Ich hatte gedacht, der Baader sei
längst. Von Erde bedeckt mit anderen Dingen
befasst. Tot
Ich hatte gehört, der Baader sei bei der Ausübung
einer Tätigkeit zu Schaden gekommen. Ein
gewöhnlicher Arbeitsunfall. Wie er so oder so
ähnlich jeden Tag tausend Mal sehr oft sogar
vorkommt. Auf einmal steht der Baader vor uns.
Lebendig. Offenbar. Darüber Irritation. Was Sie
sich gut vorstellen können
Das Letzte was ich vom Baader gehört hatte. Dass
der Baader mit einer Frau zusammen sei. Ein uraltes
hässliches Weib. Wahrscheinlich seine eigene
Mutter. Die den vollkommen Verwahrlosten bei sich
aufgenommen hat. Ihn verköstigt, seine Unterhosen
wäscht, Telefonate entgegen nimmt
Ich hatte gehört. Dass der Baader jetzt als
Straßenbahnfahrer bei den Verkehrsbetrieben
arbeitet. Tatsächlich hatte ich nach dem Baader
Ausschau gehalten. Jedes Mal, wenn ich eine Bahn
vorbeifahren sah oder selber mit einer der Bahnen
fuhr
Der Baader hat über viele Jahre hinweg nicht einen
einzigen nicht den allerkleinsten Erfolg vermelden
können. Es war überhaupt nicht klar, ob der Baader
diese Tätigkeit noch ausübt. Ob er nicht längst
irgendetwas anderes macht. Roller Möbel verkaufen
bei Möbel Roller. Regale einräumen bei Lidl. Sowas
in der Art
98
Baader gilt in der Szene als ein schwieriger ich
möchte sagen hoffnungsloser Fall. Schwierig im
Umgang. Wenn Sie verstehen was ich meine. Es ist
kaum möglich, mit dem Baader ein normales Gespräch
zu führen. Sich mit dem Baader auf eine normale
also gewöhnliche Weise zu unterhalten. Wissen Sie
was ich glaube. Ich glaube an gar nichts mehr. Ich
habe nie an etwas geglaubt. Ich bin ein vollkommen
ungläubiger Mensch. Den Schwanz mal wieder in ein
feuchtes Maul. Bitte sehr. Für Ihre Unterlagen zum
Verbleib. Die Mehrwertsteuer ist separat
ausgewiesen. Wissen Sie, was ich glaube. Ich muss
es Ihnen so offen sagen. Ich habe viel darüber
nachgedacht. Um es gleich vorweg zu nehmen. Es ist
überhaupt nichts dabei rausgekommen. Auf die Frage,
ob ich vielleicht irgendwelche Hobbys habe
Baader ist verrückt geworden. Er ist verrückt in
seinem Kopf. Fragen Sie mich. Er ist nicht mehr
Herr seiner Sinne. Das hat jeder hier gesehen.
Jeder kann es bezeugen. Sie haben es auch gesehen.
Sie können es bezeugen. Sie werden mir zustimmen,
wenn ich sage. Wir müssen den Baader vor sich
selbst schützen. Wir dürfen dem Baader gewisse
Informationen gar nicht erst zukommen lassen. Wenn
Sie verstehen
Du gefällst mir sehr. Du hast mir gleich gefallen.
Es war gleich klar, als ich dich das erste Mal
gesehen hatte. Es gibt in unserer Sprache kein Wort
für diesen Zustand. Eine Mischung aus Zuneigung,
Freude und Lust. Ich bin wieder frei. Wir hatten
uns getrennt. Ein Ende mit Schrecken. Ich muss
jetzt erstmal vorsichtig sein. Ich kann mir nicht
99
wieder und wieder das Maul blau schlagen lassen.
Lass uns doch vernünftig sein und vorsichtig. Ich
muss ich will ich möchte. Auf der Stelle mit Dir
schlafen
Wer ist dieser Baader. Mir ist dieser Baader
scheißegal. Mir ist vollkommen gleich was dieser
Baader sagt oder nicht sagt. Dieser Baader
existiert überhaupt nicht. Schaut euch diese
Schießbudenfigur an. Steht hier herum und grinst.
Sehr geehrter Herr Baader, bitte nehmen Sie zur
Kenntnis. Die Stadt Hamburg zahlt mir seit Jahren
mehrere hunderttausend Euro pro Jahr. Mir steht ein
Wagen mit Fahrer zu, eine Sekretärin, ein
Spesenkonto. Welches sich von ganz alleine füllt.
Selbst wenn ich meine Arbeit loswürde. Ich
rausgeworfen würde. Würde ich weiterhin derart viel
Gold. Dass es mir vollkommen einerlei ist.
Inwieweit Sie sich oder nicht als jemand verstehen,
der hier gegen irgendetwas oder irgendwen
aufbegehrt
Ich würde dem Herrn Baader raten, öfters mal ein
Stückchen Gurke zu essen. Herr Baader, Sie können
sich auch so hinlegen. Legen Sie sich so hin.
Schauen Sie. Machen Sie es mir einfach nach. Selbst
wenn Ihr Glied nicht lang genug ist. Können Sie
sich auf diese Weise zumindest selber in den Mund
hinein ejakulieren. Machen Sie es mir nach. Sie
werden sehen, es wird Sie weiterbringen
Wir waren uns einig. Wir haben dem Herrn Baader
eine Chance geben wollen. Als Autor wieder Fuß
fassen. Das haben wir dem Herrn Baader ermöglichen
100
wollen. Weiter zu kommen. Herr Baader, wir hatten
Sie eingeladen, weil wir überzeugt davon waren,
dass Sie fähig sind und auch imstande. Unsere
Einladung sollte auch ein Zeichen sein. Eine große
Metapher auf etwas Unbekanntes, das keiner kennt.
Nicht mal wir. Eine ausgestreckte Hand, die Ihnen
nach all dem. Was soll mit meiner Hand sein. Meine
Hand ist vollkommen in Ordnung. Was hat das jetzt
mit meiner Hand. Herr Baader, meine Hand ist
vollkommen in Ordnung. Was will er denn immer mit
meiner Hand. Herr Baader, es kann nicht so weiter
gehen. Sie brauchen Hilfe. Suchen Sie sich
jemanden, der Ihnen helfen kann
Der Bundesverband war mit einer Anfrage an den
Förderverein herangetreten. Die Anfrage ist durch
die Poststelle des Fördervereins entgegen genommen
und registriert worden. Die Poststelle hat dem
Leitungsgremium die bereits registrierte Anfrage
des Bundesverbandes zur Einsicht vorgelegt. Die
Mitglieder des Leitungsgremiums haben über die
Anfrage beraten und sind zu folgendem Entschluss
gekommen. Das Leitungsgremium hatte entschieden,
die Anfrage auf der Mitgliederversammlung durch die
Mitglieder entscheiden zu lassen. Den Mitgliedern
war die Anfrage auf der Mitgliederversammlung durch
einen Vertreter des Leitungsgremiums verlesen
worden. Es wurde per Handzeichen abgestimmt.
Stimmberechtigt waren alle ordentlichen Mitglieder
des Fördervereins. Die Mitgliederversammlung des
Fördervereins hatte entschieden, den Bundesverband
der Deutschen Ingenieure in seinem Vorhaben zu
unterstützen. Beauftragung des Herrn Baader mit dem
101
Schreiben also Verfassen einer Biografie über den
verdienten Erfinder und Ingenieur Blacher
Was sollen wir Ihnen denn dazu sagen. Wir können
Ihnen dazu nichts sagen. Jeder von uns. Wir alle
stehen selber unter Schock. Was der Baader dort
geschrieben also niedergeschrieben in sein Buch
hineingeschrieben hat, das ist doch nicht unsere
Meinung. Das Bild, das wir über den Herrn Blacher
haben, ist ein ganz anderes. Wir hatten uns eher
eine etwas feierliche Schrift vorgestellt. In der
die Blachers große Verdienste sichtbar werden.
Einem breiten Publikum vorgestellt. Wir hatten uns
ein Blacher Jahr gewünscht mit den
unterschiedlichsten Publikationen. Blacher Tage auf
Schloss Reibach. Eine Festwoche für die deutsche
Ingenieurwissenschaft. Eine Würdigung des deutschen
Erfindergeistes. Nun so eine Schmähschrift. Ein
derartiger Schund
Ich hatte mich diesbezüglich nochmal mit der
Rechtsabteilung in Verbindung gesetzt. Die
Rechtsabteilung geht davon aus, dass sich eine
Publikation ohne weiteres verhindern ließe. Selbst
für den Fall, dass tatsächlich Druckexemplare in
den Handel kämen, wovon derzeit nicht ausgegangen
werden könne, ließe sich die Auslieferung dieser
Exemplare auf gerichtlichen Weg verhindern. Vor dem
Gericht steht eine halbnackte Frau mit einer Waage
in der Hand. Im Winter sei es ihr etwas kalt. Aber
auch das sei letzten Endes alles nur eine Frage der
Übung. Sollten wir auf dem juristischen Weg keinen
Erfolg haben. Blacher selbst hat sehr gute Kontakte
mit dem Herrn Feist. Der Herr Feist steht der
102
Kammer als Richter vor. Er und Blacher gehen seit
Jahren in den gleichen Sauna Club. Der Herr Feist
sei ein hervorragender Flötenspieler. Selbst wenn
wir juristisch nicht durchkommen. Können wir die
einzelnen Bücher immer noch aufkaufen. Wir würden
sie einfach in diesen Häcksler hier hinein werfen.
Das wäre eine gute Arbeit für einen jungen
Mitarbeiter. Wir würden das Buch erst zu
Papierschnipseln häckseln, dann dem Rasen zum guten
Wachsen übergeben
Was Sie offensichtlich nicht bedacht haben. Der
Blacher ist einer von uns. Er ist einer der
ältesten Herren. Sein Herz ist hart und verhärtet
dennoch ganz und gar aus Amethyst. Das Buch über
ihn sollte eine Auszeichnung werden. Ein Zeichen
unserer Anerkennung und Bewunderung. Bitte beachten
Sie, dass ich direkt aus dieser Flasche trinken
werde. Ich werde die Flasche leer trinken. So nahe
sind mir die Ereignisse gerückt
Ich bin dafür den Baader einfach auszuzahlen. Gebt
ihm sein Geld und dann schafft ihn mir aus den
Augen. Dreckiges Schwein. Pissnelke. Herr Baader.
Dieser Zug endet hier für Sie. Sie steigen aus, wir
werden weiter fahren
Wir müssen darauf bestehen, dass das Manuskript
hier bei uns verbleibt. Nur hier ist es sicher
verwahrt. Wir haben den Baader ausgezahlt. Der
Baader hat kein Recht mehr an seinen Gedanken. Wir
haben dem Baader gegeben, was der Baader verlangt
hat. Der Baader gehört jetzt uns
103
Seid doch mal ruhig. Sport und Spiel. Ich höre
Geräusche aus dem Nachbarabteil. Oder kommt es von
unten. Schönen Guten Tag. Personalwechsel. Einmal
die Fahrkarten, bitte. Sie haben wohl miteinander
Geschlechtsverkehr gehabt. Verehrte Frau. Nach all
den Jahren endlich mal wieder richtig durchgefickt
werden. Jedenfalls hatten wir entsprechend
einschlägige Töne vernommen. Ich würde Ihnen gerne
dieses Formblatt da lassen. Sie können einfach
ankreuzen. Ein anonymisiertes Verfahren. Alles sehr
übersichtlich, einfach und leicht. Vielleicht haben
Sie ein paar Minuten Zeit. Schreiben Sie doch kurz,
inwieweit und wenn überhaupt. Ob Sie befriedigt
wurden
Am Streckenkilometer Fünfundfünfzig muss ich euch
mitteilen, dass alles aber auch wirklich alles
aufgeteilt und in irgendeiner Weiser bis auf den
letzten Platz besetzt ist. Wie dieses Abteil hier.
Die Stadt Schweinemaul. In der ich, statt zu
wachsen, immer kleiner geworden bin. Ist aufgeteilt
unter denen, die immer schon da waren. Diese immer
schon Dagewesenen kennen alle Wege. Die Kirche
Sankt Nikolai. Jeder Bund hat seinen eigenen Altar.
Als ich dem Vorstand meinen Stand anzeige. Bedauert
der Vorstand sehr ehrlich und aufrichtig auf eine
aufrichtige Weise, dass sämtliche Altäre bereits
vergeben sind. Hier sitzen die Nowgorodfahrer und
hier der Herr Maschberger von der Nordinvest
Der Schauspieler Martin Semmelrogge hält die Insel
Mallorca besetzt. Aus einem Mercedes Cabriolet,
älteres Baujahr sehr gerne im Türstehermilieu
gefahren aber auch unter Filmschauspielern
104
Investoren und Frauen von, fliegt im Vorbeifahren
eine leere leergetrunkene ausgesoffene Flasche
Chlorhexamed einem an der Straße herumstehenden in
seiner Art vollkommen einfachen nicht Busfahrer
sondern Handchirurg gegen den Kopf. War das nicht
der Martin Semmelrogge. Weiß ich nicht so genau.
Eigentlich wollte ich heute noch ein paar
Operationen durchführen. Daraus wird wohl nichts
mehr. Ich bin nämlich auf einmal tot. Und zwar für
immer. Ich wurde im Vorbeifahren erschlagen. In
einer dieser unglaublich schönen ja unberührten
Ecken, die es auf dieser Insel ja immer noch gibt
Ich würde mich gerne hier mit dazusetzen. Wenn von
Ihrer Seite nichts dagegen spricht. Würde ich mich
gerne hier hinsetzen. Herr Polizeihund. Ein
Schwarzer in Ihrem Abteil. Ach wissen Sie. Wissen
Sie was. Das sollten Sie doch ganz genau wissen.
Dass der Deutsche Bundestag bereits bis auf den
letzten Platz besetzt ist. Und zwar von der CDU.
Ganz egal wie sie heißt. Alle Plätze im
Aufsichtsrat der Firma Volkswagen sind besetzt. Ich
möchte Ihnen gerne meine Frau vorstellen. Ursula,
haben wir noch ein paar von den leckeren Keksen.
Die mit dem Marmeladenauge. Die Chefredaktion der
Wochenzeitung Die Zeit ist bis auf den letzten
Platz besetzt. Herr Lorenz. Sie haben einmal
gesagt, es fühle sich um nicht zu sagen geil an, so
einfach sei das, jeden Tag von allen der
Allergeilste zu sein. Ich hoffe, unserem
Lokomotivführer geht es da ähnlich. Sie haben ja
sicher bemerkt, wie viel Freude ich habe bei der
Ausführung meiner Arbeit. Lohnerwerbstätigkeit. Die
105
Mutter meines Kindes will immer mehr. Der Grad
ihrer persönlichen Unzufriedenheit wächst mit dem
Umfang ihrer Hüfte. Langsam beginnt das Wick
Medinait zu wirken. Welches ich getrunken bevor ich
zu Ihnen sprach
Tatsächlich stehe ich mit geschlossenem Mund und
schaue in eure leeren Gesichter. Ich bin Roland
Barthes. Ich bin schon einigermaßen bekannt. Wenn
Sie mich so direkt fragen. Mir fällt gelegentlich
ehrlich gesagt immer öfters erschreckend oft gar
nichts mehr ein. Statt dass mir etwas einfällt,
fallen mir die Augen zu. Statt mir eine
Verschlusskappe voll des wertvollen Nektars zu
genehmigen, wie auf der Packungsbeilage empfohlen.
Habe ich gleich die ganze Flasche ausgetrunken.
Weshalb ich mitten im Satz aufgehört habe zu reden.
Umgefallen bin stock und steif wie ein Brett. Auf
diesem Ganzraumteppich liege, an nichts wirklich
gar nichts denke. Was eine neue Erfahrung für mich
ist
35 XXX
Die Ermittlungen hatten ergeben, dass es sich bei
dem im Gesicht des Baader gefundenen Sekret um eine
körpereigene Flüssigkeit handelt
Angenehme Farbe des elektrischen Lichts. Große
Haltbarkeit. Niedriger Preis. Feist zeichnet in
seiner Bestandsaufnahme aus dem Jahr
neunzehnhundertelf ein durchweg positives Bild zu
den Möglichkeiten der Nutzung elektrischer Energie
106
im Haushalt. Der Textauszug geht zurück auf einen
Vortrag, den Feist auf der Jahresversammlung des
Verbandes Deutscher Elektrotechniker gehalten hat.
Er ist ein zeittypisches Zeugnis zu dem, was heute
etwas euphemistisch als Interessenvertretung
bezeichnet wird. Feist bemüht das Mittel des
Vergleiches, um zu illustrieren, dass die Nutzung
des elektrischen Stromes alternativlos ist. Wie in
einer Werbebroschüre, wird die neue Energie als
vollkommen sauber und ungefährlich dargestellt.
Kein Wort des Autors zu den Bedingungen, unter
denen der elektrische Strom erzeugt wird. Kein
einziger Beleg zu den Gefahren, die seine Nutzung
mit sich bringt. Dafür Produktschau und praktische
Hinweise zur Verbreitung der neuartigen Technologie
Würde ich mich nur etwas und mehr für die eigene
Arbeit interessieren. Wir könnten hier ganz
unbefangen darüber reden. Wie wir über das Wetter
reden könnten. Damit wir uns nicht falsch
verstehen. Oder wie es meine Kollegin Mara Genschel
einmal gesagt hat. Damit ich mich nicht falsch
verstehen lasse. Lasse dich nicht falsch verstehen.
Keine einzige Erinnerung ist verloren gegangen. Ich
erinnere mich an alles. Nur hat sich meine Sicht
auf diese Erinnerungen verändert. Ein Bild wie
dieses Bild würde ich heute gar nicht mehr malen
können. Bilder, die ich heute male, funktionieren
vollkommen anders. Sie sind eine Lösung, für die es
kein Problem gibt. Die Fabrik, die Leute die diese
Fabrik. Am Laufen halten. Wünschen sich eine
schnelle vor allem einfache Lösung. Was ist für Sie
Geschichte. Schreiben Sie es in einem Satz. Es
107
kommt der Fabrik sehr gelegen. Dass jetzt alle
wieder über die Zerstörung des Menschen in der
Produktion sprechen. Was machen wir heute. Heute
wollen wir eine gesellschaftliche Relevanz
konstruieren. Bringen Sie uns doch noch ein paar
von den Keksen. Der Abteilung Beschaffung ist es
gelungen, einen riesigen Bildungsauftrag an Land zu
ziehen. Vollbeschäftigung. Da werden wir die
nächsten Jahre erstmal gut zu tun haben. Die Fabrik
in ihrer derzeitigen Verfassung produziert die
einfache Lösung. Sie interessiert sich einen Scheiß
für ihre Stoffe und die, die diese Stoffe
produzieren. Sie ist eine einzige
Vernichtungsmaschine. Sie ist auf der Höhe der
Zeit. Jedes Thema wird in eine lustige Revue
verwandelt. Wenn es sein muss auch in eine
Arbeitsrevue. Die Leute müssen wieder mehr lachen.
Sie müssen unterhalten werden. Wir dürfen nicht
mehr so ernst sein
Was ich gemalt habe war schlecht. Ich habe als
Maler versagt. Meine Bilder enthalten keine
Haltung. Sie unangreifbar. Man kann sich sehr
schnell auf meine Bilder einigen. Weshalb meine
Bilder überall gezeigt werden müssen. Die
Vernichtung des Einzelnen. Die Überlastung. Die
Einsamkeit. Alles ist erzeugt. Motiviert. Gezeigt
wird keine Arbeitswelt. Gezeigt wird die
Vorstellung einer Arbeitswelt. Der ideale Arbeiter.
Berufskünstler Staatsangestellte stellen Schablonen
vor. Ihre Vorstellung von geregelter Erwerbsarbeit.
Wenn sie nur ein einziges Mal das Personal in ihren
Kantinen etwas und genau beobachtet hätten. Ich
108
kann Ihnen zu meinen Bildern nichts mehr sagen. Mir
ist klar geworden, warum gerade meine Bilder wieder
und wieder ausgezeichnet werden. Wie ein Auto, das
immer wieder verkauft wird. Jeder darf ein paar
neue Dellen reinfahren. Irgendwann und doch
ziemlich schnell ist nichts mehr übrig. Sie sagen
es ja selber. Sie haben das Bild bislang noch nicht
gesehen. Ihren Kollegen hat es bislang gut
gefallen. Sehr gut sogar. Zumindest schreiben sie,
dass es ihnen gut gefallen hat. Dass alles nach
Plan verläuft. Alles richtig gemacht wurde. Zu
Ihrer vollsten Zufriedenheit
Feiste behauptet, die Aufwendungen zur Anschaffung
eines Mobiltelefons seien unverhältnismäßig. Sie
seien vermeidbar gewesen. Sie können deshalb als
betriebliche Ausgaben nicht anerkannt werden.
Feiste hat seinen Arsch weit geöffnet. Der Kläger
weist darauf hin Komma dass er innerhalb des
Bemessungszeitraumes mindestens drei
Lohnerwerbsmöglichkeiten außerhalb des Wohnortes
wahrgenommen hat. Also Aufträge angenommen hat, für
die man ein Mobiltelefon benötigt. Man kann
natürlich auch eine Taube losschicken. Rauchzeichen
wären auch denkbar. Das stimmt schon. Da muss man
Feiste zustimmen. Der Kläger hat innerhalb des
Bemessungszeitraumes ein Mobiltelefon erworben. Die
Beklagte möchte die Aufwendungen dafür nicht als
betriebliche Ausgaben anerkennen. Gemäß der
Beklagten sei eine derartige Investition Ausgabe
spätrömisch dekadent. Der Kläger widerspricht
dieser Darstellung vollumfänglich. Zunächst sei
darauf hingewiesen. Dass die meisten Schnittmuster,
109
wie sie derzeit verwendet werden Anwendung finden,
das natürliche Vorhandensein eines männlichen
Gliedes in einer Hose in keiner Weise
berücksichtigen. Das männliche Glied gerade wenn es
etwas größer ist ein großer langer Schwanz der
vielleicht sogar sehr dick ist ein dicker langer
Schwanz in den meisten Hosen nicht ausreichend
möglicherweise überhaupt keinen Platz findet. Wie
bereits festgestellt wurde, hat der Kläger im
Bemessungszeitraum ein so genanntes Einkommen aus
selbstständiger Arbeit erzielt. Dieses Einkommen
steht, anders als durch die Beklagte behauptet, in
keinem auffälligen Missverhältnis zu der
Anschaffung eines Mobiltelefons
35 XXXI
Wenn ich Sie richtig verstehe. Sie hatten es gleich
am Anfang Ihres Vortrages angedeutet. Dann
unterscheidet sich die Intellektuelle ostdeutscher
Herkunft Prägung Abstammung, die denkende Frau vom
denkenden Mann, nur auf marginale Weise, oftmals
gar nicht. Folge ich weiter Ihren Ausführungen.
Auftritt Denkerfrau. Ihre gesamte Attitüde gleicht
der des Mannes. Die ostdeutsche Intelligenz sei
uniform. Frauen sehen aus wie Männer. Sie tragen
Texashosen und Herrenhemden. Herrenhaarschnitt
Kurzhaarfrisur. Ihre Frisur sei Zeichen eines
Selbstverständnisses. Selbstverständlich sehe ich
nicht nur aus wie mein Mann. An Kirchtürmen Gerüste
aufbauen, Gurkengläser im Handumdrehen öffnen,
Lastwagen fahren. Ich kann alles, was mein Mann
110
kann. Wenn ich Sie richtig verstanden habe. Sie
berichtigen mich bitte. Dann sieht die ostdeutsche
Intellektuelle, die aus sich heraus denkende Frau,
wie Sie sie genannt haben, wie die westdeutsche
Lesbe der frühen achtziger Jahre aus. Ihr Auftritt
sei androgyn wie der einer Annie Lennox. Nur sei
die Frau im Osten, das ist es, was Sie als
besonders irritierend bezeichnet haben, anders als
die Schwestern in Heidelberg und Köln, überhaupt
nicht in keiner Weise noch nicht einmal im Ansatz
an gleichgeschlechtlichen Beziehungen interessiert.
Wie auch der Mann aus dem Osten sich höchst selten
sehr oft sogar gar nicht dafür interessiert, welche
Möglichkeiten bestehen. Außer denen, die er vom
Hörensagen kennt. Aus eigener Erfahrung Anschauung
vom Nacktstrand an der Ostsee. Hoch stand der
Sanddorn am Strand von Vogelöd. Hirn Fettauge
Knorpel. Die ostdeutsche Frau isst immer noch sehr
gerne die ostdeutsche Bockwurst. Mit Brötchen und
Senf. Als sei in all den Jahren danach nichts
passiert. Die Schweinegrippe hat es hier bei uns
nie gegeben. Wir hatten ja nichts. Noch nicht mal
Schweine. Ich verstehe Sie also richtig. Die Lust
mit dem gleichen Geschlecht gleichen Interessen
nachzugehen sei ein Phänomen Vorkommen der
westlichen Welt. Die Verschwulung einer
Gesellschaft sei Gradmesser ihres Wohlstandes. So
wie die Welt in Weißbrot essende Nationen
unterteilt werden kann und solche, die mit Bananen
auskommen müssen und Kuchen und Dinkelbrot aus dem
Lehmbackofen. Wir können die Welt aufteilen in sich
untereinander liebende und also richtig gern
habende Frauengesellschaften. Mutter Kind Klinik
111
kenn ich. Vater Kind Klinik. Dieses Wort wurde nie
gehört. Ein wie zufällig stehen gelassener Koffer
ist mit Heimwerkerbedarf gefüllt. Gleich ist von
einem Terroristen die Rede. Warum nicht
Terroristin. Der Mond sei männlich. Die Hölle sei
weiblich. Die armen Frauen im Osten. Nichts anderes
bliebe ihnen übrig, als weiter mit ihren Männern zu
schlafen. So habe ich Sie verstanden. Nur eine
Frage habe ich. Eine einzige Frage nur. Ich ziehe
meine Hose aus, damit Sie mich besser hören können.
Wie kann es denn sein, dass es bei den
Höckerschwänen Männer im weißen Kleid gibt, die mit
anderen Männern Hochzeit feiern
Verehrter Herr Baader. Ich hatte Ihren Antrag
geprüft. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen. Die
Kommission weist Sie zunächst darauf hin. Dass sie
nicht verpflichtet ist und auch keine Veranlassung
sieht. Ihrem Antragsbegehren nachzukommen. Sie
haben keinen Anspruch darauf. Dass Ihr Antrag
bearbeitet wird. Wir werden Ihren Antrag nicht
weiter verfolgen. Die Kommission weist Sie darauf
hin. Ziehen Sie sich erstmal was Ordentliches an.
Sie wollen doch was von uns und nicht wir von
Ihnen. Nehmen Sie dieses unverlangt eingesandte
Manuskript. Der Staat muss gar nichts müssen. Sie
können einem Staatsdiener nichts. Sie können gerne
einen Eilantrag stellen. Dem Gericht eine
Untätigkeitsklage vorlegen. Versuchen Sie es ruhig.
Sie werden schon sehr bald sehen. Dass Ihre Anträge
als unbegründet abgelehnt werden müssen. Ob Ihr
Antrag bearbeitet oder nicht bearbeitet wird,
entscheiden nicht Sie. Es ist gut möglich, dass Ihr
112
Antrag das Gehäuse gar nicht erreicht hat. Dass ein
Sachbearbeiter, selbst wenn er es gewollt hätte,
keine Möglichkeit hatte, Ihren Antrag in einer
angemessenen Frist zu bearbeiten. Es ist gut
möglich, dass Ihr Antrag unter diesem Stapel
anderer Anträge liegt. Es ist menschenunmöglich all
diese Anträge zu bearbeiten. Es ist vollkommen
klar, dass ein Teil dieser Anträge unbearbeitet
bleiben wird. Herr Baader. Da müssen Sie nicht
ungehalten sein. Ich würde Ihnen empfehlen, den
gleichen Antrag nochmals zu stellen. Sie haben eine
ganze Menge Anträge gestellt. Sie sind sehr fleißig
im Stellen von Anträgen. Vielleicht sind die Leute
auch einfach genervt von Ihnen. Ich würde diese
Möglichkeit in Betracht ziehen. Stellen Sie sich
vor, Sie müssten hier sitzen, diese stumpfsinnige
Arbeit ausführen. Die niemanden glücklich machen
kann oder zufrieden. Und immer würde jemand kommen
wie Sie, der nichts anderes erzeugt aus sich heraus
hervorbringt als weitere Unzufriedenheit. Das ist
Ihre Meinung, dass der Staat etwas muss. Ich sage
es Ihnen direkt. Weil wir hier gerade so schön
sitzen. Wir es uns gemütlich gemacht haben bei
einer Flasche Bier pro Nase. Der Staat muss
überhaupt nichts. Der Staat scheißt auf Leute wie
Sie. Der Staat kackt auf den so genannten kleinen
Mann. Der Staat sagt, der sogenannte kleine Mann
kann seinen Mund halten. Warum gehen Sie nicht
einfach arbeiten, Herr Baader. Das was Sie Arbeit
nennen, ist doch keine Arbeit. Machen Sie sich doch
nicht lächerlich. Das ist doch ein herrlicher
Quatsch. Was Sie Arbeit nennen, können Sie auch
genauso gut nebenbei erledigen. Wie es jetzt
113
weitergehe. Woher soll ich das wissen. Sie sehen
doch, wie es hier aussieht. Wenn Sie mich so
fragen. Ich würde sagen, für Sie wird es erst
einmal überhaupt nicht mehr weitergehen. Frau
Feiste. Ich hatte mir nochmal die Akte Baader
kommen lassen. Nach Prüfung der Aktenlage bin ich
zu der Erkenntnis gekommen. Die Akte Baader ist
vollkommen leer. Der Herr Baader muss erst einmal
einen Antrag stellen. Hören Sie Baader. Ihr Akt ist
vollkommen leer. Das kann ja sein, dass Sie alle
Unterlagen längst nachgewiesen haben. Das möchte
ich Ihnen gerne glauben. Sie müssen aber dennoch
einen neuen Antrag stellen. Stellen Sie Ihren
Antrag einfach nochmal. Das kann doch kein Problem
für Sie sein. Stellen Sie sich vor, Sie müssten im
Schlachthaus arbeiten. Da hätten Sie sicherlich
mehr zu tun. Was Sie dagegen tun können. Wogegen
wollen Sie etwas tun. Sie sind doch ein erwachsener
Mensch. Das wissen Sie doch ganz genau, dass die
Gerechtigkeit keine juristische Dimension ist. Sie
können einem Staatsdiener grundsätzlich erst einmal
gar nichts. Sie können gerne eine Anzeige stellen.
Die Anzeige wird sehr bald eingestellt. Das ist
doch das Geile an der Demokratie. Dass niemand
etwas gegen Willkür unternehmen kann. Schauen Sie
Baader. Wenn Sie es mit einem despotischen
Herrscher zu tun haben. Dann trommeln Sie sich ein
paar Gleichgesinnte zusammen. Sie können auch eine
Trompete nehmen. Dann gibt es ein kleines Tribunal.
Wenn Sie etwas Glück haben. Sie eher nicht. Dann
sind Sie bald die neue Nummer Eins. Dann können Sie
alles besser machen. Aus bunter Knete oder
Streichhölzern und Kastanien. Die Demokratie ist
114
vollkommen unanfechtbar. Sie werden feststellen,
dass niemand für Ihren Fall zuständig ist. Ihr Fall
ist einer von vielen bedauerlichen Einzelfällen. Es
tut ja auch allen leid, wie schwer Sie es haben.
Ich hatte es immer leicht gehabt. Ich wurde von
Anfang an in die richtige Familie hineingeboren.
Meine Eltern haben mich in meiner Entwicklung
gefördert. Ich war nie auffällig gewesen. Schauen
Sie sich meine Zeugnisse an. Überall nur Toppnoten.
Herr Baader, was haben Sie uns vorzulegen. Was ist
Ihre Qualifikation. Das ist keine Qualifikation,
was Sie uns hier als Qualifikation verkaufen
wollen. Die Kommission weist Sie darauf hin, dass
Sie keinen Rechtsanspruch haben, einem Gedanken bis
zu seinem Ende verfolgen zu können. Ein solches
Verfolgen eines Gedanken. Sei es nur ein Traum.
Kann nicht durch ein Begehren herbeigeführt werden
Julia Roberts auf die Rolle einer Prostituierten zu
besetzen. Die größte Fehlbesetzung der
Filmgeschichte. Eine Prostituierte sieht man. Man
möchte sofort mit ihr schlafen. Das ist der
wichtige Nachweis, den eine Bewerberin glaubhaft zu
erbringen hat. Julia Roberts möchte keine
Prostituierte sein. Sie möchte viel lieber ins
Lehramt. Deutsch und Geschichte. Heiraten. Kinder
bekommen. Schönes Haus kaufen. Schlüsselfertige
Übergabe. Meerschweinchen im Holzkasten im Garten.
Dass die Kinder lernen Verantwortung zu übernehmen.
Julia Roberts ist die Frau, von der Frauen denken
sollen, so müsste ich aussehen, dass mein Mann
wieder mit mir schlafen möchte. Zurück zur Natur.
Ich lasse mir jetzt wie die schöne Julia Haare
115
unter meinen Armen herrlich lang wachsen. Ich
depiliere mir meine Beine nicht mehr. Mein Mann
steht auf starke selbstbewusste Frauen. Er möchte
eigentlich gar keine kleine geile Bumsschnecke
haben. Wir wollen wieder mehr an unserer Beziehung
arbeiten. Mein Partner hat eingesehen, dass er in
der Vergangenheit zu wenig Zeit mit den Kindern und
mir verbracht hat. Feiste möchte jetzt wieder mehr
Verantwortung übernehmen. Eine kleine Frage nur.
Hatte sich Fiste ihrem Publikum ein einziges Mal
nackt gezeigt. Gibt es eine Szene in der wir Fist
vollkommen. Ich hatte der Fiste geschrieben. Lass
dir mal von der Emma Watson. Es kann doch nicht
schaden. Ein Versuch ist es wert. Was ist darauf
hin passiert. Nichts ist passiert. Jeder noch so
gut gemeinte Hinweis wird kleingequatscht.
Kaputtgeredet, bis nichts mehr übrig bleibt. All
die vertanen Chancen. Hätte man Jamie Lee Curtis
auf die Rolle gesetzt. Ein Höschen auszuziehen. Das
fällt keiner echten Spielerin schwer. Das weiß eine
Spielerin schon sehr früh. Dass es mit dem Studium
an der Hochschule Ernst Busch nichts werden kann.
Wenn man im Schianzug mit Taucherhelm zur
Aufnahmeprüfung erscheint. Eine Prostituierte ist
allerdings keine Studentin. Dass nicht einmal Jenny
Elvers geeignet ist eine echte Hure zu spielen.
Liegt nicht daran. Wollen Sie noch ein paar Fotos
machen. Machen Sie doch noch ein paar Fotos. Dass
keine Bereitschaft besteht, sich wie eine Hure zu
verhalten. Sondern daran. Lesen Sie es doch einfach
ab. Ich habe Ihnen alles aufgeschrieben. Dass die
Töchter auf einmal einfache Arbeiterinnen sein
wollen. Die Frau im Backdiscounter. Die leider
116
heute wieder unbezahlte Überstunden machen muss.
Feiste hatte sich auf ihre Rolle gründlich
vorbereitet. Sie hatte echt nochmal alles gelesen
Durch das Schreiben des Beklagten. Vergleiche
Bildschirmfoto auf der Homepage des Beklagten. Wird
der Eindruck vermittelt erweckt. Der Kläger hätte
den Beklagten beauftragt. Zitat. Dem Schauspieler
Schweighöfer ein kleines Stasistückchen auf den
Leib also Wanst zu schreiben. Der Kläger erklärt.
Der Herr Baader ist durch uns nie beauftragt
worden, ein derartiges Stück zu schreiben. Es ist
eine durch den Baader erfundene Behauptung, wir
hätten ihm einen Schreibauftrag gegeben. Der durch
den Beklagten vermittelte Eindruck, zwischen Kläger
und Beklagten bestünde ein Arbeitsverhältnis, ist
unzutreffend und also vollumfänglich
zurückzuweisen. Wie es im schönsten Juristendeutsch
heißt
Einen Scheiß habe ich. Nicht im Traum. Es gibt
nicht den geringsten Anlass. Jemanden wie dem
Baader einen derartigen Auftrag. Was man dazu
wissen muss. Ein Schreibauftrag ist immer eine
Auszeichnung. Es ist eine Auszeichnung für uns
arbeiten zu dürfen. Verstehen Sie. Warum also
jemanden auszeichnen, dem man nicht traut. Ist eine
Figur wie Baader vertrauenswürdig. Dass der
Schauspieler Schweighöfer für das Ministerium für
Staatssicherheit gearbeitet hat. Davon habe ich
noch nie etwas gehört. Derartiges kommt mir heute
zum ersten Mal unter. Michael Schweighöfer ist seit
vielen Jahren bei uns im Ensemble. Wie viele Jahre.
Das weiß ich doch nicht. Woher soll ich wissen, wie
117
lange der Schweighöfer schon hier ist.
Wahrscheinlich seit Dreiundsiebzig. Fragen Sie ihn
doch selber, wenn es Sie so dringend interessiert.
Herr Schweighöfer. Hier möchte jemand wissen, wie
lange Sie schon im Ensemble des Deutschen Theaters
sind. Unser Publikum schätzt die Arbeit des Herrn
Schweighöfer sehr. Herr Schweighöfer ist einer
unserer beliebtesten Schauspieler. Er ist beim
Publikum überaus beliebt. Ich sage es Ihnen wie es
ist. Den Micha anschwärzen wollen. Hier hat sich
jemand verlaufen. Das ist ja vollkommen klar. Hier
behauptet jemand etwas. Um von seinem eigenen
Unvermögen abzulenken. Hier ist jemand mit seiner
so genannten Kunst gescheitert. Hier möchte jemand
einem anderen ein Ei legen. Ich komme auf deinen
Vorschlag zurück. Endlich mal in das
Dinosaurierland zu fahren
Ich halte das für eine hervorragende Idee. Wir
möchten unseren Schauspieler und geschätzten
Kollegen Michael Schweighöfer in Schutz nehmen. Die
gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind motiviert. An den
Haaren herbeigezogen. Herr Schweighöfer hat in
einer für ihn schwierigen Lebenssituation. Er war
doch noch so jung. Nochmal drüber nachdenken
Wir haben gegen den Beklagten eine
Unterlassungsforderung geltend gemacht. Wir hatten
den Beklagten aufgefordert, folgende Vereinbarung
zu unterschreiben. Die Unterschrift des Beklagten
mutet wie die Kinderzeichnung eines erigierten
männlichen Gliedes an. Nach Rücksprache mit den
Kollegen. Wir sind uns ehrlich gestanden nicht
118
sicher, ob eine solche Zeichnung als Unterschrift
überhaupt einen gewissen Wert darstellt
Stasi. Was. Ich sage es Ihnen gleich direkt. Das
können Sie gerne mitschreiben. Wenn Sie es
mitschreiben wollen. Selbst wenn der Micha bei den
Pfadfindern gewesen wäre oder in der Waffen SS. Er
ist ein genialer Schauspieler. Fragen Sie die
Zuschauer. Die Zuschauer werden es Ihnen
bestätigen. Fragen Sie die Kollegen. Alle Kollegen
werden Ihnen die gleiche Antwort geben
Heißt es das Gleiche oder heißt es Das Selbe.
Wissen Sie. Ich hatte mir das einmal falsch
gemerkt. Jetzt bin ich jedes Mal unsicher. Ich kann
Ihnen zu der ganzen Angelegenheit nichts sagen. Das
sind alles interne Vorgänge. Ich habe mit der
ganzen Sache nichts zu tun. Beim besten Willen. Ich
kann Ihnen keine Auskunft geben. Wir geben heute
Folgendes bekannt. Wir möchten heute Folgendes
bekannt geben. Sehr geehrte Damen und sehr geehrte
Herren. Wir möchten Sie über Folgendes in Kenntnis
setzen. Die Entscheidung ist gemeinsam getroffen
worden. Die Entscheidung wurde in Abstimmung mit
dem Betroffenen getroffen. Wir möchten Sie auf
Folgendes hinweisen. Wir möchten Sie um Verständnis
bitten. Alle weiteren Informationen. Wir danken
Ihnen. Ausdrücklich
Man sieht den Baader. Wie der Baader sich mit einem
Wagen unterhält. Warum unterhält der Baader sich
mit einem Wagen. Man sieht die Frau in dem Wagen.
Wie sie dem Baader eine Geste zeigt. Die Fenster
bleiben zu. Man sieht den Baader an eines der
119
Fenster klopfen. Vorsichtig. Zaghaft. Man sieht das
Gesicht der Frau. Man sieht den Baader. Wie der
Baader auf einen Wagen einschlägt. Warum schlägt
der Baader auf einen Wagen ein. Die Frau in dem
Wagen bringt sich und den Wagen vor dem Baader in
Sicherheit. Der Baader auf einem Fahrrad. Fährt
weiter als sei nichts gewesen
Nun stellt sich heraus. Dass der Eukalyptusbaum
doch keine Lösung ist. Der Eukalyptus zwar schnell
wächst. Aber auch schnell den Boden leer trinkt.
Die große Trockenheit herbeisäuft. Der Baum als
großer und starker Trinker. Würde er wenigstens
ausreichend Blattwerk liefern. Das Vieh zu nähren.
Was macht so ein Eukalyptus den ganzen Tag außer
wachsen und saufen. Ganz Spanien liegt wüst
danieder. Baader schrieb, ihre Frage sei längst
beantwortet. Liebe stelle keine Bedingungen. Es sei
der Liebe gleich ob jemand mit jemandem zusammen
oder nicht zusammen ist. Er liebe diese Frau. Ihre
Liebe würde es schwerhaben. Ihre Frisur sei eine
einzige Provokation. Wahrscheinlich fände sie es
lustig, gerade aufgestanden zu sein
Deine so genannte Frisur ist eine einzige
Provokation. Die einzige Provokation, zu der du
imstande bist. Ich kaufe lieber Eis in der Waffel
als deine kleine Revolte. Du bist der schlimmste
Mensch, der mir je untergekommen ist. Ich sehe dich
und sehe weg. Ich sehe dich und sehe. Wie deine
Küche aussieht, dein Bett riecht, was für
Unterwäsche du trägst
120
Ich mache wieder den gleichen Fehler und rede. Ich
will ihr zuhören. Statt ihr zuzuhören. Rede ich
ohne eine einzige Unterbrechung. Schon wieder ins
Wort gefallen. Schon wieder einen Satz nicht zu
Ende gesprochen. Der deutsche Wald. Vorbehalte gibt
es gegen Pappel. Die Pappel sei spindeldürr und
schlecht angezogen. Sie liefere kein brauchbares
Holz. Noch nicht einmal als Brennholz sei die
Pappel zu gebrauchen. Eine Pappel im Herbst.
Riesenkatastrophe. Die Nachbarn stinkesauer über
das Pappellaub im Nachbargarten. Die Pappel sei die
Fichte unter den Laubbäumen. Hier weiteres
Pappelholz, zu nichts zu gebrauchen. Dort die
kostbare Buche. Nobel, widerstandsfähig und hart.
Ob du es dir vorstellen kannst. Die Leute haben
vollkommen vergessen. Dass die feine Buche noch im
neunzehnten Jahrhundert als Unkraut galt. Die Buche
der Terrorist des Waldes. Lässt den zarten
Waldpflanzen nicht die geringste Chance. Vielleicht
dreht jemand die Musik etwas lauter. Dass ich mich
besser konzentrieren kann. Ciao. Ich bin hier
gerade mit der Hannelore Elsner und dem Christoph
Schlingensief. Schlingensief sagt, dass er längst
tot sei. Von Maden zerfressen zerstreut auf einer
Wiese liege, den Kopf voller Gedanken. Nie wieder
Zähne putzen. Ich habe dir einen Apfel geschenkt
Baader Panik. Die junge Frau fährt mit ihrem Rad.
Dem Baader vors Rad. Der Baader zur jungen Frau.
Sagt irgendetwas. Die Frau dem Baader hinterher.
Die nächste Ampel rot. Die Frau den Baader zur Rede
stellt. Der Baader so tut als sei er in einem
Tunnel unterwegs. Die Frau zu dem Baader. Sie
121
verbiete es sich vom Baader als alte Tasche
bezeichnet zu werden. Hat sie den Baader jetzt
angespuckt. Warum sollte sie den Baader angespuckt
haben. Der Baader schlägt der jungen Frau mit der
flachen Hand ins Gesicht. Ein Schrei. Alles bleibt
stehen. Schaut auf die auf den Baader zeigende
junge Frau. Holt Hilfe, das Schwein hat mich
geschlagen. Männer kommen angerannt, der jungen
Frau zu helfen. Machen Sie sich keine Sorgen. Die
Polizei ist bereits unterwegs. Die Ampel grün. Ist
sich der Baader unschlüssig ob weiterfahren oder
warten. Du fährst nirgendwo mehr hin Freundchen.
Frauen schlagen. So haben wir es gerne. Eine Hand
die den Baader am Arm packt. Jemand zieht den auf
seinem Fahrrad sitzenden Baader vom Rad. Der Baader
sei gefährlich. Leute. Wir müssen vorsichtig sein.
Die Ordnungsmacht erscheint. Zwei Wagen. Blaulicht.
Dort die Frau, der Baader am Boden. Kommen Sie
schnell. Baader ohne Widerstand, schaut sich die
Szene aus dem Streifenwagen an. Als säße er in
einem Taxi.
122